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Acta Medica Scandinavica. Vol. LXXXV, fasc. V, 1935. Aus der inneren Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses zu Jonkoping (Schweden) . Uber die Sekretion der Hypophyse. Von ESKIL KYLIN. Einleitung und Problemgewinnung. Das Studium der Hypophyse ist wahrend der letzten 10 Jahre immer eifriger geworden. Das eine Hypophysenhormon nach dem anderen ist entdeckt worden. Und heute konnen wir nach den Angaben verschiedener Forscher mit zusammen nicht weniger als 15 Hypophysenhormone rechnen. Jedem, der sich mit dem Studium innersekretorischer Fragen beschaftigt, fallt es indessen schwer, zu glauben, dass so viele verschiedene Hormone aus dieser kleinen Driise sich absondern. Wie wir wissen, nimmt man jetzt an, dass die Hypophyse eine innersekretorische Druse ist, d. h. ihr Sekret wird direkt in das Blut abgeliefert. Ein Ausfuhrungsgang fehlt, nach den gegenwartigen Stand des Wissens. Schon 1908 postulierte indessen Herring * auf Grund histolo- gischer Beobaclitungen, dass ein in der Pars intermedia gebildetes Sekret durch den Stiel in den dritten Ventrikels iibergehe. Wahrend der lezten Jahre sind noch weitere Forschungs- ergebnisse erhalten worden, die fur die Moglichkeit sprechen ltonnen, dass das Sekret der Hypophyse (wenigstens teilweise) in die Hohlraume des Gehirns geliefert wird. Diese Tatsachen sind die Folgenden. Bei der Redaktion am 22. Februar 1935 eingegangen. Qiiart. Journ. cxp. Phys. 1 (1908).

Über die Sekretion der Hypophyse

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Page 1: Über die Sekretion der Hypophyse

Acta Medica Scandinavica. Vol. LXXXV, fasc. V, 1935.

Aus der inneren Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses zu Jonkoping (Schweden) .

Uber die Sekretion der Hypophyse. Von

ESKIL KYLIN.

Einleitung und Problemgewinnung.

Das Studium der Hypophyse ist wahrend der letzten 10 Jahre immer eifriger geworden. Das eine Hypophysenhormon nach dem anderen ist entdeckt worden. Und heute konnen wir nach den Angaben verschiedener Forscher mit zusammen nicht weniger als 15 Hypophysenhormone rechnen. Jedem, der sich mit dem Studium innersekretorischer Fragen beschaftigt, fallt es indessen schwer, zu glauben, dass so viele verschiedene Hormone aus dieser kleinen Driise sich absondern.

Wie wir wissen, nimmt man jetzt an, dass die Hypophyse eine innersekretorische Druse ist, d. h. ihr Sekret wird direkt in das Blut abgeliefert. Ein Ausfuhrungsgang fehlt, nach den gegenwartigen Stand des Wissens.

Schon 1908 postulierte indessen Herring * auf Grund histolo- gischer Beobaclitungen, dass ein in der Pars intermedia gebildetes Sekret durch den Stiel in den dritten Ventrikels iibergehe.

Wahrend der lezten Jahre sind noch weitere Forschungs- ergebnisse erhalten worden, die fur die Moglichkeit sprechen ltonnen, dass das Sekret der Hypophyse (wenigstens teilweise) in die Hohlraume des Gehirns geliefert wird. Diese Tatsachen sind die Folgenden.

Bei der Redaktion am 22. Februar 1935 eingegangen. Qiiart. Journ. cxp. Phys. 1 (1908).

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1) Luckel hat feststellen konnen, dass aus der Hypophysr ein Sekret geliefert wird, das den Blutzucker erhoht. Dieses Hormon wird nach Vermutung Luckes ins Gehirn geliefert. Auf die Zrntren am Boden des dritten Ventrikels ubt es seine Wirkung aus, wo- durch eine durch das Nervensystem vermittelte Reizung auf die Nebennieren entsteht. ,4uf diese Weise entsteht cine erhohte Adrenalinsekretion, worauf die Blutzuckersteigerung erfolgt (Lucke).

hat vermutet, dass das blutfettsankende Hormon Lipoitrin im Zwischenhirn seinen Angriffspunkt hat. Fur diese Annahnie spricht nach Raab das Vorhandensein von Lipoitrin in der Zwischenhirnbasis (Raab und Kerschbaum) und die ))Fest- stellung, dass bei intrazerebraler Applikation hetrachtliche Blut- fettsenkungen durch kleine Lipoitrindosen zu erzieien sind, die subkutan vollkommen unwirksam bleiben)). Der Wirkungsmecha- nismus des Lipoitrins erfolgt nach Raab auf nervosem Wegc u l ~ r Tuber cinereum-Halsmark-Splanchnikus-Leber.

3) Zusammen mit meinen Mitarbeitern habe ich (Kylin) ft'st- slellen konnen, dass im Liquor cerebrospinalis tatsachlich unt cr gewissen Bedingungen Hypophysenhormone zu finden sind. So fand ich zusammen mit Kjellin 8 bei essentieller Hypertonie und Graviditatshypertonie im Liquor das gonadotrope Hormon, dns Prolan. Zusammen mit Kjellin und Kristensson4 fand ich hci denselbcn Krankheiten einen blutzuckersteigernden Stoff im Liquor. Brieflich hat mir auch Lucke mitgeteilt, dass er das Vor- kommen eines blutzuckersteigernden Hormones im Liquor von Akromegalici hat feststellen konnen. In noch niclit veroffentlichten Untersurhungen habe ich auch hei gewissen Fallen (nicht allen) von Graviditats- und essentieller Hypertonie das Vorkommrn von Anselminos corticotropem Hormon feststellen konnen.

4) Wir wissen, dass die so gen. Simmondsche Krankheit durch eine Schadigung der Adenohypophyse entsteht. Bei einer mono- graphischen Zusainmenstellung s dieser Krankheit habe ich auch gefunden, dass in den allermeisten beim Sektionstisch untersuchten Fallen dieser Krankheit die Adenohypophyse vollstandig zerstort

2) Raab

Erg. inn. Med. Rd. 46.

D. Arch. klin. Med. 176. D. &4rch. klin. Med. 177. Erg. inn. Med. Im Druck. Da auch Litteraturangaben.

* Kliri. Wochenschr. 1934 Nr. 8.

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oder hochgradig beschadigt war. In einigen Ausnahmefallen war die Adenohypophyse unbeschadigt. In diesen Ausnahmefallen fand man indessen Schaden, die die Verbindung der Praehypophyse mif dem Gehirn abgebrochen haften. In ein paar Fallen (Merz, Kiyono) fand man grosse Zysten zwischen Vorder- und Hinterlappen der Hypophyse. In ein paar Fallen (Long, Berblinger) war der Hinter- lappen (oder der Hypophysenstiel) hochgradig beschadigt. In noch einem anderen Fall (Gobel) fand man am Boden des dritten Ventrikels einen Tumor, der den Boden vollstandig destruiert hatte. In allen diesen Fallen war die Adenohypophyse unbeschadigt.

5) Betreffs der Funktion der Hypophyse hat Cushingl hoch- interessante Ergehnisse veroffentlicht. Cushing findet im Hinter- lappen basophile Zellen, die nach seiner Meinung aus dem Vorder- lappen in den Hinterlappen hineingewandert sind. Besonders bei Zustanden mit erhohter Funktion, wie bei der Cushingschen Krankheit und bei Graviditat steigert sich das Hineinwachsen dcr basophilen Zellen in den Hinterlappen. Cushing halt dies fur ein Glied der normalen Sekretion der Hypophyse. Die hormontragen- den, noch nicht reifen basophilen Zellen der Adenohypophyse wandern in den Hinterlappen hinein. Hierunter reifen sie. Im Hinterlappen zerfallen sie und geben das Hormon ab. Cushing nennt dies Geschehen eine nAktivierung der Neurohypophyseb).

Zusammenfassend konnte man also sagen, dass gewisse hor- monproduzierende Zellen der Adenohypophyse in den Hinter- lappen (die Neurohypophyse) hineinwandern. Gewisse Hypo- fysenhormone konnen im Liquor cerebrospinalis nachgewiesen werden.

Aus dem Obenstehendem geht also hervor, dass wahrend der letzten Jahre verschiedene Verfasser vermutet haben, dass Hypo- physenhormone in den. Hohlraum des Gehirns gelangen und dort ihren Angriffspunkt haben. Gewisse Tatsachen sprechen auch unzweifelhaft fur diese Auffassung. Beweise fur die Richtigkeit der Vermutungen liegen doch nicht vor, oder, wie Trendelenburg a sagt, oendgiiltig hewiesen ist sie noch nicht)).

Die Frage, auf welchem Wege die Hypophysenhormone in die Hohlraume des Gehirns gelangen, ist, so weit ich weiss, nicht endgiiltig beantwortet. Es scheint, als ob verschiedene Verfasser

Amer. Journ. of Pathol. Bd. 145. Amer. Journ. Physiol. Bd. 27. Die Hormone, Berlin. .Julius Springer 1929.

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annehmen wollten, dass das Hormon durch das Gewebe des Hypo- physens tieles liindurchsickert und auf diesem Weg in die Gehirn- hohlraume hineinkommen.

Es schien mir, dass die Vermutung nahe an der Hand lag, dass es im Hypophysenstiel einen Ausfuhrungsgang fur gewisse Se- krete gabe.

Um nachzuforschen, ob diese Vermutung zu Recht besteht, hahe ich folgende Untersuchungen durchgefiihrt.

Was wissen wir betreffs der Verbindung zwischen der Hypophyse und dem Gehirn?

Wenn wir vermuten, dass es einen Ausfuhrungsgang von der Hypophyse in das Gehirn gibt, so mussen wir zuerst nachsehen, was die gegenwartige Literatur hieruber zu sagen hat.

Wir wissen, dass in dem Hypophysenstiel der Recessus infundi- buli als eine Ausbuchtung aus dem dritten Ventrikel eindringt. Wie weit. dieser Recessus geht scheint in den Lehr- und Hand- buchern nicht ganz klar zu sein. Benda,l der uber die norniale Anatomie der Hypophyse in dem Handbuch der inneren Sekretion berichtet, verneint mit Bestimmtheit das Vorkommen eines Ganges in der Neurohypophyse. Er schreibt hieruber folgendes: ,Nach oben steht das Organ (die Hypofyse) durch den ))Stiel# mit dem Tuber cinereum des Gehirns im Zusammenhang. Die Anatomie unterscheidet hier noch einen ))Trichter)) (Infundibulum), dessen Abgrenzung mir nicht recht klar ist, dagegen fehlt in der neucsten Vorschlagsliste der Nomenklaturkommission der deutschen ana- tornisclien Gesellschaft die Bezeichnung Stiel, der fur die menscli- liche Hypophyse kaum zu missen ist. Nun lasst sich dagegen na- iurlich einwendcn, dass zu cinem ))Trichter)) auch der riihrenfor- mige Ansatz geliort, der dem Stiel der menschlichen Hypophyse entsprechen wurde. Aber der Vergleich hinki deshulb, weil dieser Stiel tulsdchlich nie hohl is!. Da nun andererseits der weite Ab- schnitt des ))Trichters)) vollkommen mit dem ))Tuber cinereurns zusammenfallt, bleibt eigentlich nichts ubrig, worauf die Bezrich- nung ))Trichtero passt, und ich halte es fur das beste, ganz darauf zu verzichten. Dagegen steht dem nichts im Wege, fur die Aus-

Hirsch: Handbuch der inneren Sekretion, Verlag Kabitsch, Leipzig, 1932. Von mir (Kylin) kursiviert.

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buchtung des dritten Hirnventrikels in das Tuber cinereum den Namen des Pro- oder Recessus infundibuli, den auch Hochstetter entwicklungsgeschichtlich anwendet, beizubehalten, nur vielleicht ihn als Pr. infundibuliformis, trichterftirmigen Fortsatz, etwas zu prazisieren.)) Benda gibt aber zu, dass Ependymzysten im Hinter- lappen vorkommen konnen, wie sie sc,hon friiher Thom, Lange, Haberfeldt und Priesel beschrieben haben. Benda fasst diese ,ependymaren Zysten als Gewehsmissbildungen bzw. Gewebs- versprengungen auf .

Auch das Lehrbuch der Anatomie von Rauber-Kopsch hebt hervor, dass der niedrigste Teil des Infundibulums niclit hohl ist und Trendelenburg sagt ))der Hohlraum der sackformigen Aus- stiilpung schliess t sich bei den meisten Warmbliitern)).

Eigene Untersuchungen.

Zuerst habe ich versucht, in den Hinterlappen verschiedener Hypophysen, die in Serien geschnitten waren, nach einem Gang (oder mehreren Gangen) zu suchen. Das Gewebe des Hinterlappens war indessen durch das Durschschneiden des Stiels so zersplittert worden, dass gute Bilder nicht zu erhalten waren.

Um den anatomischen Verhaltnissen des Hypophysenstieles und des Hypophysenhinterlappens naher zu kommen habe ich den Boden des Gehirns und die Hypophyse i n einem Zusarnmenhang ausgenommen und zwar so, dass der Boden des dritten Ventrikeis, der Stiel und die Hypophyse vollstandig unbeschiidigt blieben.

Betrachten wir zuerst das so erhaltene makroskopische Praparat, so finden wir folgendes. Der Hypophysenstiel ist ungefahr 7-4 mm lang und ungefahr 1.5-2 mm dick. Der Stiel ist un- bedeutend dicker an dem oberen Teil als dem unteren, der Unter- schied ist jedoch sehr gering. Versucht man den Recessus vom dritten Ventrikel aus zu sondieren, sieht man mit Leichtigkeit, dass die Sonde beinahe his an die Hypophyse durchgeht.

Fur die mikroskopische Untersuchung erhalt man die besten Bilder, wenn man den Stiel in seiner Langsachse schneidet. Auf solchen Serienschnitten sieht man sehr deutlich die Ausstiilpung vom dritten Ventrikel durch den Hypophysenstiel (Recessus in- fundibuli), Bild 1. Die Wand diesen Ganges ist mit demselben Ependym wie der dritte Ventrikel ausgekleidet, Bild 2. J e langer

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Bild 1.

Ubersichtsbild. Der Stiel ist in die LBngsrichtung geschnitten. Die Hypofyse ist im Rild nicht mitgenommen.

der Gang sich der Hypophyse nahert, je niedriger und einfacher wird das Ependym, urn schliesslich einzellig zu werden, Bild 3 und 4. ('Die Bilder 3-4 sind aus einem Falle, wo der Stiel schrag geschnitten wurde, erhalten.) Der Gang teilt sich in Asten auf.

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U B E R DIE SEKRETION D E R BYPOPBYSE.

Bild 2. Ependym aus der oberen Teil des Recessus.

Bild 3. Ependymbekleidete Aste in der Niihe der Neurohypofyse.

463

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464 E S K I L K Y L I N .

Bild 4.

Das Ependyin ist einze!lig.

Bild 5.

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Bild 6. Langsgehende Hohlrhme die hier und da mit Ependyrn bekleidet sind.

Der ubergang zwischen dem Hypophysenstiel und dem Hinter- lappen der Hypophyse ist nie scharf zu selien. Man weiss iiberhaupt nicht, was man zu dem Hinterlappen rechnen soll. Die mikro- skopische Struktur ist dieselbe. EY ist darum willkiirlich, wenn man sagt, der Recessus dringt oder dringt nicht in den Hypophysen- hinterlappen hinein. Ganz sicher ist indessen, dass man dem Hypo- physengang bis 1-1.5-2 mm von dem Hypophysenvorderlappen folgen kann. A m besten treten die Verhaltnisse zu Tage, wenn man chinesische Tusche in den Recessus infundibuli hineinspritzt.

An dem Platz, wo der Hypophysengang endet, lost sich das Gewebe des Hinterlappens in ein Trabekelwerk auf. Man sieht dies am besten an Praparaten, die in der Langsachse des Stieles geschnitten sind (Bild 5). In diesem Trabekelwerk sieht man auch Reihen von Zellen, Bild 5 und 6, die den Ependymzellen ahnlich sind. Dann und wann sieht man auch langsgehende Hohlraume, die als praformiert aussehen, und die wenigstens hier und da mit Ependym bekleidet sind l.

Dic beste Bilder eihPlt man wenn das Preparat rnehrerc Wochen hindurch in Formalin liegt ehe es gebettet und geschnitten wird. Ich bekam meinr besten Bildern nachdem ich Formalin in den Recessus ein gespritz hatte.

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466 ESKII. K Y L I N .

Bild 7. Drr Gang teilt sich in zwei Aste auf.

Um festzustellen, ob diese Hohlriiume wirklich praformierte Gange sind, habe ich folgendermassen verfahren.

An einem Praparat, das nach dem bereits angegebenen Ver- fahren hergestcllt worden war, habe ich den allerproximalsten

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467 Teil des Hypophysenhinterlappens abgeschnitten. Nachdem habe ich in den Recessus infundibuli am dritten Ventrikel chinesische Tusche leise hineingespritzt. Es zeigte sich, dass die Tusche bald

. an die Schnittflache am proximalsten Teil des Hypophysenhinter- lappens hervordrang. Rings um den Stiel gab es keine Tusche. Die Tusche ist also durch den Stiel und zwar wahrscheinlich durch praformierte Gange gegangen.

Der Stiel und die Hypophyse wurden in der Langsachse des Stieles in Serien geschnitten. Der Recessus war sehr leicht zu folgen. Der Recessus teilte sich in zwei durch die Tusche deutlich gefarbte Gange. Bild 7. Diese Gange teilten sich spater wieder und gingen in dem vorher erwahnten Trabekelwerke uber.

U B E R DIE S E K R E T I O N D E R HYPOPHYSE.

* * *

Wenn die Vermutung zu Recht besteht, dass die Adenohypophyse durch den Hinterlappen und weiter durch den Recessus infundi- buli ihr Sekret in den dritten Ventrikel liefert, so durfte man er- warten, in den Recessus infundihuli die Hypophysenhormone nachweisen zu konnen.

-4nlasslich dieses Gedankens habe ich in dem Inhalt des Recessus infundibuli nach Hormone gesucht. Ich habe folgender- massen verfahren: An Leichen hahe ich die grossen Gehirnhemi- sphRren losgeschnitten und zwar so, das snur der Boden des Gehirnes zuruckgelassen worden ist. Die Gehirnflussigkeit ist hierbei wegge- flossen. Der Boden des Gehirns, der Hypophysenstiel und die Hypophyse sind in einem Zusammenhang herausgenommen und zwar so vorsichtig, dass die Hypophyse unbeschadigt blieb. Der Recessus infundibuli (der Hypophysengang) ist vorsichtig mit physiologischer Kochsalzlosung gespiilt worden.

In der erhaltenen Spulfliissigkeit habe ich zuerst nach Prolan gesucht. Die Spulfliissigkeit ist mit Alcohol nach den Vorschriften Zorideks gefallt worden, nachher mit Aether entgiftet und in physiologischer Kochsalzlosung gelost. Die Losung ist jungen weihlichen Mausern (Korpergewicht zwischen 6-8 Gram) nach Aschheim-Zondek eingespritzt worden. Die Ergebnisse sind aus der Tabelle 1 ersichtlich.

31 - A d a med. Scandinav. Va l . L X X X V .

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468

++$

+++ ++

+++ +++ - -

ESKIL K Y L I N .

Tabelle 1.

+++ +++ +++ ++t ++ ++ + + + + + t ++ ++t

+?? + - -

Diagnose

BI u t p un kte und Corp. h i t .

Blutpunkte und Corp, hi t .

Krine Blut- pun kt e

Mehrere 131utp. Keine Blutp.

abcr Corp. lut..

Hypertonie Pneumonie Hypertonie Angina pect. Pemphigus

Myocardit 2oronarsclerose

Vit. Org. Cord. Nephrose

- - L -+ 0

- 59

63

58

66 61

15 41 -

x ' Z

Reinerkungen

1 I

I I t++

+++ +

t++ +++ - -

Aus der Tabelle ersieht man, dass die Aschheim-Zondeksche Reaktion in einigen Fallen stark positiv war, in anderen dagegen negativ. Es ist hier von recht grossem Interesse, dass die Falle, in denen die Reaktion stark positiv war, Hypertoniefalle waren, die Falle dagegen, wo die Reaktion negativ ausfiel, junge Leute betrafen. Es ist moglich, dass diese Tatsache mit meinem fruheren Refund in Ubereinstimmung zu bringen ist, dass Prolan im Liquor cere- brospinalis bei essentieller Hypertonie und bei Graviditatshyper- tonie zu finden war, bei gesunden Leuten dagegen negativ. In- dessen muss hervorgehoben werden, dass mein heutiges Material betreffs der Spulflussigkeit zu klein ist, urn irgend welche Schlusse in dieser Richtung erlauben ZLI konnen. Die Untersuchungen werden auch fortgesetzt.

Schon in der Einleitung habe ich erwahnt, dass ich zusamnicn mit meinen Mitarbeitern Kjellin und Kristensson das Vorkommen eines blutzuckersteigernden Stoffes in der Lumbalflussigkeit und zwar besonders bei essentieller und Graviditatshypertonie fest- gestellt habe. Anlasslich dieses Befundes suchte ich in der Spul- flussigkeit nach einem blutzuckersteigernden Stoff. Ich habe hier- bei gleichmassig verfahren wie bei den friiheren Untcrsuchungen. Eine gewisse, nicht bestimmte, Menge Spulflussigkeit ist erwachse- nen Kaninchen von ungefahr 3-3 1/2 Kg Korpergewicht intrave- nos injiziert. Der Blutzucker ist, wie aus der Tabelle 2 ersichtlich

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469 ist, vor und nach der Injektion mehrmals bestimmt worden. Wie wir sehen, stieg in jedem Fall der Blutzuckergehalt des Tieres stark an. In 3 anderen Fallen gingen die Tiere ein.

Man mochte berechtigt sein zu vermuten, dass dieser blut- zuckersteigernde Stoff dem Luckeschen blutzuckersteigernden Hypophysenhormon entspricht.

Es ist auch bemerkenswert, dass diese Spiilflussigkeit eine ge- fasskontrahierende Wirkung hat. Nach der Injektion von Spul- fliissigkeit bemerkte man immer cine deutliche Gefasskontraktion an den Ohren der Kaninchen, Dies Verhalten kann vielleicht mit dem Befund Hiilses in Zusammenhang gebracht werden. Hulse fand im Hypertonikerliquor einen gefasskontrahierenden Stoff.

U B E R DIE SEKRETION D E R HYPOPHYSE.

126 1 152 1 154

72 I 100 I 100

116 I 130 I 130

178 I 214

132 1 147 1 182

Tabelle 2.

100 I 100 I 100 I 116 I 99 1 84 I 76

152 I 158 1 144 1 130 1 116 I 102 1 102

214 I 228 1 206 I 192 I 186 I 158 I 159

146 1 124 I 124 I 120 I 118 I 110 1 110 --

Wie ich schon in der Einleitung erwahnte, haben mehrere Autoren vermutet, dass Hypophysenhormone in den Hohlraurn des Gehirns hindurchsickern. Diese Vermutung wird durch meine Untersuchungen noch erhartet.

Es ist also deutlich, dass gewisse Hormone der Hypophyse in der Fliissigkeit des Recessus zu finden sind. Ich meine, der Schluss isf jetzf berechtigf, dass es in dem Stiel der Hypophyse einen A usfuhrungsgang fur wenigsfens gewisse Hormone der Hypophyse gibt.

Anlasslich dieser Ergebnisse mochte ich vorschlagen, die Giinge im Hypophysensfiel unfer dem Namen Ducfus hypophyseo-cerebralis zusammenzufassen. ~~

Verh. d. Kongress inn. hled. 1927. Zur Korrektur: Durch fortgesetzte Untersuchungen habe ich in zwei Fallen

das Vorkommen des corticotropen Hormons (Anselrnino) in der SpUlfllissig- keit festgestellt. In zwei anderen darauf untersuchten Fallen fand Dr. C. G. Sundberg, Sodertelje, Chef des wissenschaf tlichen Laboratoriums der Arznei- A. G. Astra ein uteruskontrahierendes Agens in der Spfflflbsigkeit.

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470 ESKIL K Y L I N .

Was bedeutet der Befund eines Ductus hypophyseo- cerebralis?

Durch die Ergebnisse, die hier veroffentlicht sind, muss unsere Auffassung betreffs der Sekretion der Hypophyse erweitert und geandert werden. Durch die Feststellung, dass Hormone der Adenohypophyse durch den Hypophysenstiel in die Gehirnflussig- keit abgesondert werden, haben wir neue Moglichkeiten erhalten, die Funktion der Hypophyse zu verstehen. Wie ich schon in der Einleitung hervorgehoben habe, haben mehrere Forscher, wie Herring, Lucke, Raab, Cushing und Mitarbeiter u. a. m. postu- liert, dass Hypophysenhormone in den dritten Ventrikel hinein- sickern um dort ihren Angriffspunkt zu haben. Besonders bedeu- iungsvoll waren die Untersuchungen von Lucke und von Raa3.- Iliese beiden Autoren konnten feststellen, dass das hlutzucker- steigernde bezw. blutfettsenkende Iiormon der Hypophyse durch Heizung der vegetativen Zentren am Boden des dritten Ventri- kels wirkt. Die Reizung wird durch das vegetative Nervensystem zu den Nebenniercn bezw. Leber geleitet.

Durch meine hier veroffentlichten Untersuchungen konnte ich feststellen, dass das gonadotrope Hypophysenhormon im Reccssus infundibuli vorkommt und zwar in gewissen Fallen in grossen Mengen. Es ist also wahrscheinlich, dass auch dieses Hormon in den Gehirnliquor abgegeben wird. Fur diese Auffassung spricht auch die Tatsache, dass das Prolan bei Graviditatshypertonic und essentieller Hypertonie in der Lumbalflussigkeil vorkommt (Kylin und Kjellin). Man durftc jetzt berechtigt sein, anzuneh- men, dass das Prolan seine Wirkung durch Reizung gewisscr vegetativen Zentren am Boden des dritten Ventrikels ausubt, gerade wie das Luckesche Hormon. Es scheint nicli t undenkbar zu win, dass auch gewisse andere Hormone, wie dass thyreotrope und das parathyreotrope, auf dieselbe Weise wirken. Hieruber wissen wir noch nichts.

Es konnte jetzt die Frage sein, ob man die Hypopliyse aus- schliesslich eine inkretorische Druse nennen kann. Denken wir an das Pankreas, so wissen wir, dass die Inseln zwar inkretorische Driisen sind, dass das Sekret aber, das durch den Ductus Wirsun- gianus geht und in den Darm geliefert wird, nicht inkretoriscli genannt wird. Wenn wir jetzt feststellen konnen, dass gewisse

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Stoffe aus der Hypophyse in die Hohlraume des Gehirns durch einen Ductus hypophyseo-cerebralis abgesondert werden, konnen wir diese Sekretion nicht inkretorisch sondern exkretorisch nennen.

Indessen muss hervorgehoben werden, dass es moglich ist dass gewisse Hornione der Hypofyse an das Blut, andere an die Gehirn- flussigkeit gelicfert werden.

Im Anfang habe ich erwahnt, dass man nicht weniger als 15 verscliiedene Hypophysenhormone gefunden hat. Ich habe auch Zweifel daruber geaussert, ob wirklich so viele verschiedene Stoffe von dieser kleinen Druse abgesondert werden. Wenn wir jetzt finden, dass wenigstens gewisse Hypophysenhormone in die Gehirn- flussigkeit ausgeschieden werden, so verstehen wir, dass es nicht notwendig ist, so viele Hormone anzunehmen, wie wir es friiher getan haben. Ein und dasselbe Hormon kann mehrere Zellengrup- pen im Boden des dritten Ventrikels reizen und auf diese Weise auf verschiedene Organe wirken.

Man diirfte z. B. berechtigt sein, anzunehmen, dass das corticotrope Hormon (Anselmino) und dass adrenotrope Hormon (Collip) dieselbe Substanz ist wie das Luckesche blutzucker- steigernde Hormon. Dass dieses Hormon auch beim lebenden Menschen im Liquor vorkommt, ist durch die Untersuchungen von Kjellin, Kristensson und mir wahrscheinlich gemacht wcrden.

Um die hier erwahnten Verhaltnisse zu klaren sind neue Unter- suchungen notwendig. Die Untersuchungen werden auch fort- gesetzt.

Zusammenf assung. 1) Bei diesen Untersuchungen ist der Verfasser von folgenden

bekannten Tatsachen ausgegangen. a) Gewisse Praehypophysenhormone konnen im Liquor cere-

brospinalis nachgcwiesen werden. h) Cushing hat gefunden, dass basophile Zellenelemente aus

dem Hypophysenvorderlappen in den Hinterlappen hineinwachsen und zwar besonders bei solchen Zustanden, die durch Hyperfunk- tion der Hypophyse gekennzeichnet sind. Cushing hegt die Ansicht, dass dies ein normaler Vorgang des Sekretionsprozesses der Hypo- physe ist.

c ) Bei Forschungen uber die Simmondsche Krankheit fand der Verf., dass die Ursache dieser Krankheit teils eine Schadigung

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-472 ESKIL K Y L I N .

,der Adenohypophyse, teils eine Abbrechung der Verbindungen .zwischen Adenohypophyse und Gehirn sein kann.

Der Verf. vermutete, dass ein Ausfiihrungsgang der Adeno- hypophyse durch den Hinterlappen und den Hypophysenstiel vorhanden sei.

3) Um diese Vermutung weiter zu verfolgen habe ich nach diesem vermuteten Gang gesucht. Die Hypophyse, der Stiel uncl der Boden des dritten Ventrikels sind in einem Zusammenhang herausprapariert. Fur die mikroskopische Untersucliung erhalt man die besten Bilder, wenn die Praparate in der Lingsrichtung des Stieles geschnitten werden.

4) Aus dem dritten Ventrikel lasst sich der Recessus infundi- buli beinahe bis an den Hinterlappen der Hypophyse sondieren. Dieser Gang teilt sich allmahlich in Asten auf.

In der Nahe des Hinterlappens lost sich das Gewebe in cin lockeres Trabekelwerk mit in der Langsachse des Stieles gehenden Trabekeln auf. Ependymahnliche Zellen liegen in Reihen. Hier und da sieht man deutlich ependymbekleidete Gange.

Um zu sehen, ob praformierte Gange in dem Hypophysen- hinterlappen vorkommen habe ich chinesische Tusche in den Re- cessus infundibuli am dritten Ventrikel hineingespritzt, nacli dem ich den allerproximalsten Teil des Hinterlappens abgeschnittcn hatte. Die Tusche ging ohne Schwierigkeit durch den Stir1 und den Hinterlappen und kam an der Schnittflache zum Vorschein.

7) Der Recessus infundibuli wurde mit physiologischer Koch- salzlosung ausgespiilt. In der Spulflussigkeit wurde teils Prolan teils einen blutzuckersteigernden Stoff gefunden.

8) Der Schluss ivird gezogen, dass der Hinterlappen und der Recessus infundibuli zusammen einen Ausfiihrungsgung fiir (rvenig- sfens gewisse) Sekrefe der Adenohypophyse dardellf. Der Verf. schliigt uor, diese Verbindung zwischen der Adenohypophyse und dem Gehirn den Duclus hypophyseo-cerebralis :u nennen.

2)

5)

6)