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478 1%.M]T~n~" Nystagmu s. Das ,,Nystagmuszentrum" selbst mull demnach zum minde- sten funktionell inta]ct geblieben sein, gleichgiiltig, ob man dieses im Deitersschen Kern (S~IEGEL, OHM) oder in der substantia retieularis (LoRENTE DE NO, JUNG und MITTEI%MEIEI%) annimmt. Zusammen/assung. Streptomycinseh~idigungen des Vestibularapparates wurden nystag- mographisch vor und nach ihrem Auftreten untersucht und maximal bis zu 5 Monaten naeh dem Alfftreten verfo]gt. In 6 yon 8 F~llen kam es zum Auftreten einer hochgradigen vestibu- laren Unter- bzw. Unerregbarkeit beiderseits. Der optokinetische Nystag- mus erfuhr keine Ver~nderungen. Vestibul~re Restitutionserseheinungen konnten bisher keine beobachtet werden, obgleieh infolge der erhaltenen optokinetischen Reaktionen eine weitgehende Kompensation im Laufe der Zeit erfolgt. Literatur. ~Die t{egistrierung und Auswertung des Drehnysystems beim Menschen, JU:NG, R., u. J, F. TS~IES: Klin. Wschr. 1948, 1. - - 2 G~Ar, K.: Streptomycin und Tuberkulose. FA~cO~I, G., u. W. LSF~L]~R: Benno Schw~be-Verlag, Basel 241, 1948. __3 GLoria, A., u. E. P. FowL~ : Ann. or. usw. (~m.) 1947, 2 (14). - - t ST~VE~- SON, L. D., E. C. ALVORD U. J. W. CORREL: Proc. Soc. exp. Biol. a. Med. 65 (1947) 16 - - L 5. - - 5 FLOBERG, L. E., C. A. HAMm~I~G~ u. H. HYI)]~: Aeta otolaryngo- logica. Suppl. LXXV pp. 36--52, 1949. - - 6 RUEDI, L., W. FUI~RER, F. ESCHGER U. F. LffT]~Y: Streptomycin und Tuberkulose. F ~ c o ~ , G., u. W. LSFFL]~R:Benno Sehwabe-Verlag, Basel 1948, 261. 30. Herr R. )Iittermaier-Marburg/Lahn: ~ber die sog. Kompel~- sation bei Vestibularissch~iden. Der Begriff Kompensation bei StSrungen im Vestibularapparat wird zur Erkl~rung recht verschiedener Vorg~nge verwandt. So schrieb BREUEI% (1875), dal3 im Tierexperiment Tauben, denen der Vestibular- apparat auf einer Seite v51]ig exstirloiert war, Drehungen mit kompen- sierenden Bewegungen beantworteten. Man spricht auch yon kompen- sierenden Drehbewegungen der Augen, oder aueh davon, daft beim ein- seitig labyrinthektomierten und decerebrierten Tier, die dann reflekto- riseh auftretende sog. Grunddrehung kompensiert wird, und zwar da- durch, daft man das Tier in bestimmter Weise im t%aum h~lt und Laby- rinth- Stellreflexe auslSst, die sieh der Grunddrehung gegeniiber entgegen- gesetzt auswirken. B~EVE~ hat aber auch schon darauf hingewiesen, dab kontinuierliche Reize von beiden Vestibularapparaten sich gegenseitig kompensieren. BECHTE~EW bezeichnete den als BECHTEREweffekt bekannten Vorgang ebenfa]ls als Kompensation.

Über die sog. Kompensation bei Vestibularisschäden

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478 1%. M ] T ~ n ~ "

Nystagmu s. Das , ,Nystagmuszentrum" selbst mull demnach zum minde- sten funktionell inta]ct geblieben sein, gleichgiiltig, ob man dieses im Deitersschen Kern (S~IEGEL, OHM) oder in der substantia retieularis (LoRENTE DE NO, JUNG und MITTEI%MEIEI%) annimmt.

Zusammen/assung. Streptomycinseh~idigungen des Vestibularapparates wurden nystag-

mographisch vor und nach ihrem Auftreten untersucht und maximal bis zu 5 Monaten naeh dem Alfftreten verfo]gt.

In 6 yon 8 F~llen kam es zum Auftreten einer hochgradigen vestibu- laren Unter- bzw. Unerregbarkeit beiderseits. Der optokinetische Nystag- mus erfuhr keine Ver~nderungen. Vestibul~re Restitutionserseheinungen konnten bisher keine beobachtet werden, obgleieh infolge der erhaltenen optokinetischen Reaktionen eine weitgehende Kompensation im Laufe der Zeit erfolgt.

Literatur. ~Die t{egistrierung und Auswertung des Drehnysystems beim Menschen,

JU:NG, R., u. J, F. TS~IES: Klin. Wschr. 1948, 1. - - 2 G~Ar, K.: Streptomycin und Tuberkulose. FA~cO~I, G., u. W. LSF~L]~R: Benno Schw~be-Verlag, Basel 241, 1948. __3 GLoria, A., u. E. P. FowL~ : Ann. or. usw. (~m.) 1947, 2 (14). - - t ST~VE~- SON, L. D., E. C. ALVORD U. J. W. CORREL: Proc. Soc. exp. Biol. a. Med. 65 (1947) 16 - - L 5. - - 5 FLOBERG, L. E., C. A. HAMm~I~G~ u. H. HYI)]~: Aeta otolaryngo- logica. Suppl. LXXV pp. 36--52, 1949. - - 6 RUEDI, L., W. FUI~RER, F. ESCHGER U. F. LffT]~Y: Streptomycin und Tuberkulose. F ~ c o ~ , G., u. W. LSFFL]~R: Benno Sehwabe-Verlag, Basel 1948, 261.

30. Herr R. )I i t termaier-Marburg/Lahn: ~ber die sog. Kompel~- sation bei Vestibularissch~iden.

Der Begriff Kompensation bei StSrungen im Vestibularapparat wird zur Erkl~rung recht verschiedener Vorg~nge verwandt. So schrieb BREUEI% (1875), dal3 im Tierexperiment Tauben, denen der Vestibular- apparat auf einer Seite v51]ig exstirloiert war, Drehungen mit kompen- sierenden Bewegungen beantworteten. Man spricht auch yon kompen- sierenden Drehbewegungen der Augen, oder aueh davon, daft beim ein- seitig labyrinthektomierten und decerebrierten Tier, die dann reflekto- riseh auftretende sog. Grunddrehung kompensiert wird, und zwar da- durch, daft man das Tier in bestimmter Weise im t%aum h~lt und Laby- rinth- Stellreflexe auslSst, die sieh der Grunddrehung gegeniiber entgegen- gesetzt auswirken.

B~EVE~ hat aber auch schon darauf hingewiesen, dab kontinuierliche Reize von beiden Vestibularapparaten sich gegenseitig kompensieren. BECHTE~EW bezeichnete den als BECHTEREweffekt bekannten Vorgang ebenfa]ls als Kompensation.

Uber die sogenannte Kompensation bei VestibularissehAden. 479

Nach einseitiger Labyrinthausschaltung tritt zuniichst ein Nystagmus zur ohrgesunden Seite auf, dieser klingt nach einiger Zeit ab. Wird nunmehr das zweite, bislang unbesch~digte Labyrinth en~fernt, so kommt es zu einem Nystagmus naeh der Seite des zUerst, also sch0n vor einiger Zeit ahsgeschalteten Labyrinthes.

BECtITEREW dach~e dabei offensiehtlich an einen zentralen Vorgang, der durch die experimentellen Untersuchungen yon SPIEGEL und DnM~- TI~IAI)~S als erh6hter Erregungszustand im Kerngebiet des zuerst zer- st6rten Labyrinthes glaubhaft gemacht worden ist. Wir sehen also: Mit Kompensat ion nach Labyrinthausfal l werden einma] re/lektorische Ersatz- leistungen bezeichnet, die es erm6gliehen, das K5rpergleichgewicht zu er- halten, zum anderen aber Ausgleichsvorg~inge, die innerhalb des Vestibu- larsystems stattfinden.

RVTTI• fiihrte den Begriff dann zur Erkls einer sehr wiehtigen Beobachtung beim Mensehen ein.

Mehrere Wochen nach einseitigem Labyrinthausfall laBt sieh durch die Dreh- prtifung postrotatoriseh wieder ein Nystagmus zur ohrkranken Seite auslSsen, allerdings nur in ganz sehwachem AusmaBe. Der posgrotatorisehe Nystagmus zur ohrgesunden Seite tritt zwar st/irker als der zur ohrkranken Seite auf, aber der frilheren Norm gegeniiber nunmehr ~uch deutlieh abgeschwi~ch~.

Das klinisehe Interesse an dieser RuTTINsehen Kompensation er- streekte sich anfangs auf die Frage, ob daraus auf den Funkt ionszustand des geseh~digten Labyrinthes gesehlossen werden k6nne. RVTTI~ glaubte zun~tehst, dag das eben besehriebene Bild nur naeh vSlligem Labyrinth- ausfall zustande k~me. Dieser Ansieht wurde jedoeh sehr bald yon ver- sehiedenen Seiten widersproehen.

Wenn die Frage, inwieweit eine Ganz- oder Teilaussehaltung des Vestibularapparates vorliegt, aueh vorersg nieht gekl~rt sehien, so setzte sieh die Meinung doch immer mehr dureh, dab fiir diese. Art der Kompen- sation ein zentraler Vorgang verantworblieh zu maehen sei.

GVETTIC~ hat darauf hingewiesen, dal~ das merkwiirdige Wiederauf- treten des Drehnaehnystagmus zur kranken Seite und der abgesehw~tehte postrotatorisehe Nystagmus zur ohrgesunden Seite reehnerisch in reeht einfaeher Weise zu begriinden sei.

N immt man fiir das Verh/~ltnis des ampullopetalen zum ampul]ofu- galen Impuls etwa die Reizsg/~rke (2) : (1) an, so addieren sieh diese beiden Intensit~iten zur geizst~rke (3). F~tllt z. B. nun das reehte Labyr inth vSllig aus, so bleibt flit den postrotatorisehen Li-Nystagmus (naeh Re- Drehung) nur eine Intensit/~t (2) iibrig, ausgelSst dutch den ampullo- petalen Reiz am linken Bogengang, fiir den pos~rotatorischen Re-Nystag- mus (naeh Li-Drehung) dagegen nur eine Intensit/it (1), hervorgerufen dureh den ampullofuga!en Reiz im linken horizontalen Bogengang.

Der Unterschied in der Reizintensit/it zwischen ampullopetalem und ampullofugalem Impuls wird allerdings nieht yon allen Forsehern in dem Verh/iltnis 2:1 gesehen. Vielfaeh wurde er aueh als grSl3er angenommen.

4 8 0 R . ~{ITTERMAIEt~ :

In neuerer Zeit wiederum wird er von englischen Forschern (wenigstens ffir die k~Iorische AuslSsung) bestritten.

Die Arbeiten yon HALLPIXE, C~;WTI~OI~E u. a. sind mir im Original noeh nieht zuggnglich gewesen, so dM3 ich nicht duzu Stellung nehmen darf, uber ich werde zum SchluI~ dgr~uf noeh einmal zuriiekkommen miissen.

Die eben geschilderte einfache l~echnung, derzufolge gut zu verstehen ist, dal~ nach einseitigem Lgbyrinthuusfall der postrotatorische Nystag- mus naeh der ohrgesunden Seite abgeschwiicht auftritt , und ein ~oleher nach der kr~nken Seite in noeh sehwgcherer Form wieder erscheint, er~ kl~rt abet nicht d a s Zustan'dek.ommen des Spont~nnystagmus, nicht dessen spatere Umwandlung zum ]~tenten Nystagmus, nieht die weitere Abschw/~ehung zur zentralen Tonusdifferenz mit l~ystagmusbereitschaft und auch nieht den Einflu~ gerade dieser Tonusdifferenz auf den Er- regungsabla~f naeh experiraentellen Priifungen.

Dariiber geben uns aber die Untersuehungsergebnisse Aufschlul?, wie wir sie auf dem elektriseh angetriebenen Drehstuhl erzielen. Diese zeieh- hen sieh bekanntlich dadurch aus, dag das rhythmisehe Auspendeln der vestibuli~ren Erregung, d. h. der phasenhafte Weehsel zwisehen Re-Ny- s tagmus und Li-Nystagmus erkennbar wird (DE Bu~s, M. H. FlSCtlE1L WODAI~, VISITS u. a.). ~be r die klinische Anwendung und die Bedeutung dieser Methode wurde schon wiederholt berichtet. (MITTEI~MAIER, LANOE, Jv~G und MITTEI~AIEI~, JV~G und ToE~IES. )

Die erste postrotatorische Phase ist yon einer zweiten mit entgegen- gesetzter Sehlagrichtung gefolgt. Norm~lerweise h~ben die ersten Ph~sen (nach reehts und naeh links) ann/ihernd denselben St/irkegrad, ebenso verhal ten sich aueh die entspreehenden zweiten Phasen zueinander.

Nicht normal ist nun ein Ergebnis, bei dem, etwa naeh Li-Drehung, der Nystagmus in der ersten Phase naeh rechts und naeh Re-Drehung der :Nystagmus in der zweiten Phase ebenfalls mit Schlagriehtung naeh reehts deutlich gegeniiber dem jeweils auftretenden Li-Nystagmus iiberwiegt. Wir sprechen dann yon 6iner Nystagmusbereitscha]t naeh reehts.

:Fall ] : E. F1. 28 gahre: Otitis media chron, beiderseits. Fliisterspr~ehe beider- seits 30 era.

(Li.-Drehung) (Re.-Drehung) 5.5.49 Ny. postr. I 45 sec 74 Schlgge 30 sec 45 Sehlgge

Pause 22 sec - - 15 sec - - Ny. postr. I I 35 scc 15 Schl~ge 70 sec 55 Sehl~ge

<v. . . . . .

l~e-Ny. : 129 Sehlgge Li-Ny. : 60 Sehlgge

Bei dem Beispiel der Patientin El Fh liege eine doppelseitige chroni- sehe, zur Zeit troekene Mittelohrentzfindung vor, deswegen unterblieben

[Tber die sogenannte Kompensation bei Vestibularisseh~tden. 481

die kalorisehen Prfifungen. Es besteht kein Anhal t spunkt ffir eine Sehadi- gung der peripheren Gleiehgewiehtsorgane. Sie sind zweifelsohne gut er- regbar. Wir diagnostizieren eine Nystagmusbere i t sehaR naeh reehts, ohne in diesem Fall etwas sieheres fiber die Ursaehe dieser StSrung aussagen zu k6nnen.

I n anderen F/~llen mit normalem Mittelohrbefund, so dab aueh ein einwandfreies Ergebnis naeh kalorisehen Pr/ifungen zu erwarten ist, kann mit Hilfe der kalorisehen Methoden die Nystagmusbere i t sehaR ebenfalls festgestellt werden (KoBgAK, KocI~, Voc,~L, UNTEgB~Re~g, 3/[ITW~R- ~AIER, BARm~ [dysrdflexie vestibulaire croisge] u. a.).

DSSS~R DS BAg~X~E und D~ XLEIJX u. a. sahen Nystagmusberei t - sehaft z. B. bei Groghirntumoren. Wi t sahen sie bei sicher zentralen, aber aueh im Ansehlug an sieher periphere S t6 rungen und kamen zu dem SehluB, dab diesem Ph~nomen eine zentrale Tonusdi//erenz (~- funktio- nale Spannungsdifferenz) im Vestibularsystem zugrunde ]iegt. Von be- sonderem Interesse war es nun einerseits, den EinfluB einer solehen zen- tralen Tonusdifferenz auf die erste Phase des postrotator isehen Nystag- mus zu untersuehen, andererseits abet aueh deren Abh/~ngigkeit yon der

E r r egba rke i t der peripheren Empfangsorgane. Hierfiir boten die F~lle mit sieher einseitiger Labyrint~hsehfidigung eine gute Gelegenheit.

Fall 2 : E. K1. 22 Jahre: Vor 2 Jahren Sehgdelbasisbruch reehts. H6rverm6gen: Re. : kein Spraehgeh6r, Reste yon Tongeh6r vorhanden. Li. : normal. Re. Labyrinth kalorisch unerregbar.

(Li.-Drehung) (Re.-Drehung)

25.9.48 Ny. postr. I 4 see 2 Schl~ge 23 see 22 Schl/~ge

Pause 5 see - - - - - - Ny. postr. I I 59 see 35 Schl~ge - - - -

Re-Ny. : 2 Schl~ige Li-Ny. :57 Schlage

ge l der Pat ient in E. KI. besteht reehts ein vSlliger Labyrinthausfal l . Dieser Ausfall ha t zu einer St6rung in der Ausl6sbarkeit des Re-Nys tagmus iiberhaupt geftihrt, gleich ob es sieh um den der I. oder der I I . Phase handelt . I n aller Sehi~rfe k o m m t der Unterschied zwischen Re- und Li- Nys tagmus zum Ausdruck beim Vergleieh der Summe der Re- und Li- Sehl/~ge. Da wir in der zweiten Phase den Ausdruck der zentralen Tonus- differenz sehen, ergibt sich eine zentrale Tonusdifferenz zugunsten des Li-Nystagmus.

Fall 3: A. Schw. 32 Jahre: Radikaih6hle beiderseits. Vor einem Jahr ScMdet- basisbrueh links mit Liquorflu6. tISrverm6gen: Re. : Umgangssprashe 6 ra, Fltister- sprache ~ m. Li. : taub. Li. Labyrinth kalorisch unerregbar.

Arch. Ohr- usw. tIei lk, u. Z. H~ls- usw. Hcilk. Bd, 156 (Verhandlungsbericht I I . Tell). 31

482 R. M I T T ~ R ~ :

(Li.-Drehung) (Re.-Drehung) 28. 4. 49 Ny. postr. I 20 sec 16 Schl/~ge 14 sec 14 Schl/~ge

Pause 25 see - - 6 see - - Ny. postr. II 15 sec 3 Schl~ge 50 sec 22 Schl/~ge

Re-Ny. : 38 Schl~ge Li-Ny. : 17 Schl/~ge

In diesem Fall A. Schw. ist das linke Ohr kalorisch ebenfalls vSllig unerregbar. Dem Nystagmus postrotatorius I nach rechts mit 16 Schl/~gen stehen 14 Schl/~ge nach links gegeniiber. Eine deutliche Di/]erenz kommt dagegen in der zweiten Phase zum Ausdruck, 4esgleichen wenn man die Summe der jeweiligen Re- und Li-Schl~ge miteinander vergleicht. Die Reaktionen der ersten Phase sind als angeglichen zu bezeichnen.

Fall 4: W. 1VI. 73 Jahre: Vor 5 Jahren Sch/~delbasisbruch rechts. HSrvermSgen: Re.: Umgangssprache 0,20 m, Fliisterspr~che 0. Li.: Umgangssprache 10 m, Fliisterspraehe 1 m. Re. Labyrinth kalorisch untererregbar.

(Li.-Drehung) (Re.-Drehung) 28.1.49 Ny. postr. I 22 sec 33 Schl~ge 38 sec 86 Schl~ge

- - - - >

Pause 21 sec - - - - - - Ny. postr, 1I 20 sec 5 Schl/~ge - - - -

Re-Ny. : 33 Schl~ge Li-l~y. : 91 Sehl/~ge

Die Funktion des rechten Labyrinthes ist bei diesem Patienten nieht vSllig erloschen. Er hat auch noeh ein restliches I-ISrvermSgen reehts. Bei den kalorisehen Priifungen erweist sich das reehte Labyrinth g~nz deutlich als untererregbar. ])as Ergebnis der Drehprtifung 1/~Bt ebenfalls darauf sehlieBen, dab das rechte Labyrinth sehlecbter erregbar ist als das linke. Die Nystagmusbereitschaft nach links und die Tonusdifferenz ist beim Vergleieh der einzelnen Phasen, desgleiehen beim Vergleich der Summe der Nystagmusschl/~ge wieder ganz eindeutig. Trotz der so leb- haften ersten Phase nach links fehlt die zweite Phase mit der Sehlag- richtung nach rechts. Es besteht wieder eine zent~"ale Tonusdi/]erenz~ der die Iqystagmusbereitsch~t't nach links entspricht.

Wir untersuchten in der letzten Zeit 16 F~lle yon sicher einseitiger peripherer Labyrinthsch~digung. Das Ergebnis ist im Prinzip immer das- selbe. Bei den oben angeffihrten 3 Beispielen liegt die Labyrinthausschal- tung schon lunge zurtick. Das Stadium der subjektiven St6rung ist seit Monaten, seit Jahren abgeklungen. Als letztes war jedesmal die zentrale Tonusdifferenz geblieben.

Untersuchten wir, solange noch ein spontaner oder e!n latenter Nystag- mus bestand, so ]ieB sicb sehr schSn beobachten, wie der spontane oder latente Nystagmus die experimentellen Ergebnisse iiberlagerte. Aber das

timber die sogen~nnte Kompensation bei Vestibularisseh/iden. 483

Grundprinzip war doch immer das gleiche. Naeh Abklingen der spontanen Reaktionen strebte der Zustand im Endergebnis stets der zentralen Tonus- differenz zu.

Wenn EscH~l~ kfirzlieh sehreibt, die Nystagmusbereitsehaft wiirde naeh dem AufhSren der subjektiven Erscheinungen verschwinden, so kann ich ihm nieht zustimmen. Wir stellten regelmi~Big die zentrale To- nusdifferenz lest und damit auch eine Nystagmusbereitschaft.

AbsehlieSend noeh Antworten auf einige Fragen:

1. Das St/~rkeverh~ltnis des ampullopetalen zum ampullo/ugalen Impuls ?

Meine beiden ersten Beispiele stammen yon Patienten mit vSlligem Labyrinthausfall. Die ~Viederkehr des Nystagmus zur ohrkranken Seite kann nieht das Ergebnis einer Reizung dieses Labyrinthes gewesen sein. Zwanglos erkl/~rt sieh aber die Erregung durch den ampullofugalen Reiz am anderen, am ohrgesunden Labyrinth. W/~re das Verh/~ltnis des am- pullopetalen zum ampullofugalen Reiz ein v511ig gleiches, wfirden sich die Reizintensit~ten w i e l :1 verhalten, so ist nicht recht einzusehen, wieso es dann fiberhaupt zu einer zentralen Tonusdifferenz kommt. Der Aus- fall eines Labyrinthes diirfte dann zur Folge haben, dab die Intensit/~t um die H/~lfte vermindert wfirde, (da nur noeh yon einem Labyrinth her- rfihrend). Ein Absinken der gesamten Tonuslage w/~re dann wohl ver- sti~ndlieh und damit eine Abschw/~chung des Nystagmus nach beiden Seiten; nieht aber die doch immer wieder so deutlich in Erscheinung tretende Tonusdifferenz verbunden mit der Nystagmusbereitsehaft. Ich meine, dab die Differenz in der zentralen Tonuslage nur die Folge einer quantitativ ungleichen Erregung durch den ampullopetalen oder ampullo- fugalen Impuls sein kann. Das scheint mir die Sehlul~fo]gerung zu sein, die wenigstens aus dem postrotatorischen Ergebnis zu ziehen ist.

2. Tell- oder Ganzausschaltung ?

Der Zustand der zentralen Tonusdifferenz ist vorhanden, gleich ob eine Teil- oder Ganzausschaltun 9 des Labyrinthes vorliegt. Vielleicht ist sie nach vSlligem Labyrinthausfall st/~rker, (vgl. Fall 2 und 3). Aber naeh den bisherigen Erfahrungen ist ein bindender Schlul~ auf Grund des Grades der Tonusdifferenz auf den Funktionszustand doch noch nicht erlaubL Auch das Verhalten der I. Phase 1/~l~t diesen Schlul~ nicht zu. Die ur- sprtingliche Hoffnung l~u~wI~s aus den posSrotatorischen Ergebnissen ein Urteil fiber den Funktionszustand des Bogengangs zu gewinnen, vermS- gen auch unsere Ergebnisse nieht zu erffillen.

3. Liegt nun wirklich eine Kompensation vor ?

Eingangs erw/~hnte ieh die Verschiedenheit der Vorg~nge, die unter diesem Begriff verst~nden werden: einmal: Ersatz ffir eine erloschene

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48~ 1~. M1TTERMA[ER: i)ber die sog. Kompensation bei Vestibul~rissch~den.

Funktion, zum anderen: Ausgleich innerhalb eines Systemes, das sieh normMerweise im Gleiehgewicht befindet. In erster Linie sind wir geneigt, an eine Ersatzleistung zu denken, z. B. an das Hinfiberschwingen des St immbandes bei Rekurrensltthmung der anderen Seite. Wir sagen auch: tagsiiber, solange der Kranke seine Augen gebrauehen kann, ist seine GleiehsgewiehtstSrung kompensiert. I m Dunkeln maeht sieh die Un- sieherheit sofort wieder bemerkbar.

Es ist verst~ndlieh, dal~ man bei der zun~ehst so merkwiirdig er- seheinenden RUTTI~sehen Beobaehtung aueh an eine Ersatzleistung daehte, an einen ,,irgendwie undefinierbaren Ersatz im Zentralorgan", wie GV~TTIC~ ein wenig ironisierend meinte.

Es ist dies jedoeh keine Ersatzleistung, vielmehr ist es ein Ausgleieh. Jede Erregung im Vestibularsystem, die eine St6rung des Gleiehgewieh- tes bedeutet, fuBt auf einer Differenz in der Tonuslage. Deren Folge ist das phasenhafte Auspendeln der vestibuls Erregung zwisehen reehts und links. Wit sehen darin ein t t instreben zur Ruhelage, ein Hinstreben zum endgiiltigen Ausgleieh der Differenz. Die exper!mentellen Priifungen lehren uns, wie dieser Vorgang sieh innerhalb yon Minuten abspielt.

Aueti naeh einseitigem Labyrinthausfall ist die Gleiehgewiehtslage gest6rt. Aueh hier wird der Ausgleich angestrebt. Aus dem Spontanny- stagmus wird ein latenter Nystagmus und dieser endet in der zentralen Tonusdifferenz. Abet bei diesem Angleichsvorgang kommt es nieht zum Ausgleieh, es bleibt bei der Angleichung, die zentrale Tonusdifthrenz in geringerem oder st~rkerem MaBe ist noeh naeh Monaten und Jahren vor- handen. Die Ruhelage ist nur seheinbar. Bei Belastung t r i t t die Tonus- differenz wieder in Erseheinung.

Meine Ausfiihrungen bezweeken nun nieht eine Diskussion tiber den Begriff: Kompensation herbeizufiihren; ieh halte ihn allerdings fiir irre- fiihrend, da er zn einer falsehen Vorstellnng verleitet. Es kommt mir nur darauf an, mit Mler Klarheit herauszustellen, dab es sieh dabei nieht nur nm eine Ersatzleistung handelt, sondern um ein Streben naeh Ausgleieh, so wie es die Eigenart des Systems, das Auspendeln der vestibulgren Er- regung, erfordert, um das Gleiehgewicht zu erhalten. Die Angleichung naeh einseitigem LabyrinthausfM1 ist nur ein Sonderfall im Rahmen dieser Funktion, aber er entsprieht - - xvie wir sehen - - durehaus dem Wesen des vestibulgren l=~egulationsvorganges.

Die gesehilderten Untersuehungsergebnisse haben zudem die {)ber- legenheit der Drehpriifungen auf dem elektriseh angetriebenen Drehstuhl gegenfiber anderen Drehmethoden yon ne-aem erwiesen.