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Uber die Spatzsche Methode zur histologischen Schnelldiagnose der progressiven ParalyseS). Von Priv.-Doz. Dr. Georg Stie~ler. Mit 2 Textabbildungen. (Eincj~angen am 28. Oktober 1923.) Zum Verst~ndnis der Spatzschen Methode sind erforderlich unsere Kenntnisse fiber die Eigentiimlichkeiten des Eisenstoffwechsels bei der progressiven Paralyse; Hayashi hat als erster auf das Vorkommen von eisenhaltigem Pigment in den Adventitialseheiden der Hirnrinden- gef~l~e als einen ffir die Paralyse charakteristischen Befund hingewiesen und Lubarsch bei fiber 100 F~llen von progressiver Paralyse diese peri- vascul~ren Ansammlungen regelm~fiig vorgefunden, weshalb er ihnen differentialdiagnostisch eine besondere Stellung zuerkannte. Spatz, dem wir eine grundlegende monographisehe Bearbeitung der Physiologie und Pathologie des Eisenstoffwechsels im Gehirn, besonders in Zentren des extrapyramidale~ Systems, verdanken, konnte die oben erw~hnten Befunde bei der Paralyse bestatigen und stellte in ~bereinstimmung mit Lubarsch lest, daB die eisenhaltiges Pigment fiihrenden Zellen sieh so gut wie immer zusammenfinden mit den charakteristischen Infiltrat- elementen der Gef~l~e, und zwar nicht nur im Grau der GroBhirnrinde, sondern auch, wie S~gatz an einem groBen Material zeigen konnte, im Grau des Streifenhfigels (Nucleus caudatus ~ Putamen), der am para- lytischen ProzeB regelm~Bigen Anteil nimmt, worin naeh Spatz ein neuer Beleg fiir die enge Verwandtschaft des Streifenhiigels mit der GroBhirn- rinde zu erblieken ist. Spatz spricht das ausschliel~lieh in mesenehymalen bzw. adventitiellen ZeUen aufgespeicherte Eisenpigment als h~matogen, hiermit als H~mosiderin, an und macht fiir seine Entstehung verant- wortlich eine den paralytischen Prozel] kennzeichnende Sch~digung der Gef~l~wand. Spatz hat an der Hand eines reichhaltigen Kontroll- materiales nachgewiesen, dab das Nebeneinander von Infiltratzellen und eisenhaltigen Zellen sich ausschlieBlich findet bei der progressiven Para- lyse und bei der Trypanosomiasis, die, wie wir durch die bekannten 1) Vortrag, gehalten auf der Jahresversammlung des Deutsehen Vereins fiir Psychiatrie am 20. und 21. September 1923.

Über die Spatzsche Methode zur histologischen Schnelldiagnose der progressiven Paralyse

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Page 1: Über die Spatzsche Methode zur histologischen Schnelldiagnose der progressiven Paralyse

Uber die Spatzsche Methode zur histologischen Schnelldiagnose der progressiven ParalyseS).

Von Priv.-Doz. Dr. Georg Stie~ler.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eincj~angen am 28. Oktober 1923.)

Zum Verst~ndnis der Spatzschen Methode sind erforderlich unsere Kenntnisse fiber die Eigentiimlichkeiten des Eisenstoffwechsels bei der progressiven Paralyse; Hayashi hat als erster auf das Vorkommen von eisenhaltigem Pigment in den Adventitialseheiden der Hirnrinden- gef~l~e als einen ffir die Paralyse charakteristischen Befund hingewiesen und Lubarsch bei fiber 100 F~llen von progressiver Paralyse diese peri- vascul~ren Ansammlungen regelm~fiig vorgefunden, weshalb er ihnen differentialdiagnostisch eine besondere Stellung zuerkannte. Spatz, dem wir eine grundlegende monographisehe Bearbeitung der Physiologie und Pathologie des Eisenstoffwechsels im Gehirn, besonders in Zentren des extrapyramidale~ Systems, verdanken, konnte die oben erw~hnten Befunde bei der Paralyse bestatigen und stellte in ~bereinstimmung mit Lubarsch lest, daB die eisenhaltiges Pigment fiihrenden Zellen sieh so gut wie immer zusammenfinden mit den charakteristischen Infiltrat- elementen der Gef~l~e, und zwar nicht nur im Grau der GroBhirnrinde, sondern auch, wie S~gatz an einem groBen Material zeigen konnte, im Grau des Streifenhfigels (Nucleus caudatus ~ Putamen), der am para- lytischen ProzeB regelm~Bigen Anteil nimmt, worin naeh Spatz ein neuer Beleg fiir die enge Verwandtschaft des Streifenhiigels mit der GroBhirn- rinde zu erblieken ist. Spatz spricht das ausschliel~lieh in mesenehymalen bzw. adventitiellen ZeUen aufgespeicherte Eisenpigment als h~matogen, hiermit als H~mosiderin, an und macht fiir seine Entstehung verant- wortlich eine den paralytischen Prozel] kennzeichnende Sch~digung der Gef~l~wand. Spatz hat an der Hand eines reichhaltigen Kontroll- materiales nachgewiesen, dab das Nebeneinander von Infiltratzellen und eisenhaltigen Zellen sich ausschlieBlich findet bei der progressiven Para- lyse und bei der Trypanosomiasis, die, wie wir durch die bekannten

1) Vortrag, gehalten auf der Jahresversammlung des Deutsehen Vereins fiir Psychiatrie am 20. und 21. September 1923.

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Untersuchungen Spielmeyers wissen, der Paralyse histopathologisch sehr nahesteht, fiir unsere Gegenden aber differentialdiagnostisch in Wegfall kommt.

W~hrend nun bisher zur Darstellung der Eisenreaktionen Mikrotom- schnitte am fixierten Gewebsblock angefertigt werden mul3ten, hat Spatz durch unmittelbare Anwendung der zuverli~ssigsten Eisenprobe, d. i. der mit Schwefelammonium am frisch sezierten Gehirn, ein histo- chemisches Verfahren geschaffen, das mit vollem Recht als anatomische Schnelldiagnose der progressiven Paralyse bezeichnet und wegen seiner ungemein einfachen Teehnik und der unsehwierigen Deutung des wesent- lichen mikroskopischen Befundes wohl von jedem Arzte geiibt werden kann. Ich habe bereits an anderer Stelle die Technik der Spatzschen Methode ausfiihrlich geschildert, halte es aber der Vollsti~ndigkeit halber und auch zum besseren Versti~ndnis der sp~ter vorgeffihrten Pr~parate fiir zweckm~i~ig, nochmals darauf zuriickzukommen.

Man schneidet nach der Angabe yon Spatz aus dem unfixierten Gehirn, und zwar aus den Gegenden der Gro~hirnrinde, die erfahrungs- gem~13 vom paralytischen Proze$ am st~rksten befallen sind, eine grSl3ere Anzahl Scheibchen mit der Schere heraus, w~scht sie mit physiolo- gischer KochsalzlSsung, allenfalls auch mit gew5hnlichem Brunnen- wasser, und legt sie nun fiir mindest eine Viertelstunde -- l~ngerer Auf- enthalt bis zu 12 Stunden und auch mehr ist nur vorteilhaft -- in kon- zentriertes Schwefclammonium (Ammoniumhydrosulfid); man sieht schon nach diesem Zeitraum eine ganz deutliche diffuse graugrfine Verfi~rbung der Rinde, namentlich in ihren unteren Schichten, als Aus- druck einer gleiehmi~$ig ausgebreiteten Eisenreaktion, wie wir sie bei jedem erwachsenen Menschen finden, auf~erdem aber -- und das ist eben fiir die Paralyse charakteristisch -- meist schon mit bloflem Auge, ganz deutlich mit der Lupe, feine bis feinste schwarze Piinktchen und Streifchen im Rindengrau, die nichts anderes sind als durch Schwarz- fi~rbung sichtbar gemachte Gefi~$chen. Nach li~ngerem Aufenthalt in Schwefelammonium kann man auch neue Schnittfli~chen herstellen, indem man die B15cke beliebig weiter zerkleinert; da die Reaktion auch in der Tiefe erfolgt ist, kann man auch an den neuen Schnittfli~chen solche geschwi~rzte Gefi~$chen wiederfinden. Man hat so die MSglichkeit, rasch grof~e Fli~chen der zu untersuchenden Hirnteile iiberblicken zu kSnnen. Mittels Glas- oder Porzellanspatels -- oder einfach Objekt- trigger, abgefeilte Kuppen yon Salvarsanphiolen -- werden solche dunkle Figuren enthaltende Rindenstiickchen herausgenommen, in Wasser abgespiilt, unter der Lupe mit Glassti~bchen welter zerkleinert und ein kleines Partikelchen mit einem dunklen Gefi~$ in einem Tropfen Glycerin auf den Objekttri~ger gegeben und dureh Aufdriicken eines Deckgli~schens ein Quetschpriiparat hergestellt. Man ld[3t sich also bei dem Au/suchen

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verd~ichtiger Stellen durch die makrosIcopische Beobachtung leiten. Unter dem Mikroskop sieht man schon bei schwacher VergrSBerung auf einem mehr oder minder farblosen hellen Untergrund des Gewebes auffallendes Hervortreten grS~erer und kleinerer Gef~i~e, deren W~nde auf kiirzeren und auch ]~ngeren Strecken mit durch die Schwefelammoniumreaktion lichtgrau his tiefschwarz gefi~rbten Schollen und BrSckelchen beschickt sind, die sich bei st~rkerer VergrS~erung als Einlagerungen in Zellen der Gef~wand darstellen und nichts anderes sind als die perivascul~ren Ansammlungen yon in verschieden hohem Grade eisenhaltigem Pigment.

Ich zeige Ihnen nun an einem Pr~parate (Diapositiv) den fiir die Paralyse charakteristischen Gef~i~befund im ,,Schwe/elammonium- Quetschprdparat" (Abb. 1): Sie sehen hier (bei schwacher VergrSi~erung) ein groBes stattliches Rindengef~I~, von dem zahlreiche grSBere und kleinere Gef~l~e abzweigen, die sich in ihrem weiteren Verlaufe zu Capri- laren verdiinnen; an einer Stelle sehen wir ein ganzes Netz yon kleinen Gef~l~chen, die aueh wieder durch Zweige miteinander verbunden sind, wobei es sich vermutlich um Gef~Bneubildung handeln dfirfte. Die groi~en wie kleinen Gef~l~e heben sich yore farblosen Parenchym ohne weiteres dutch ihre Lichtbrechung ab; die charakteristische Eisen- reaktion gibt sich zu erkennen in der Anh~ufung yon groben, dunkelgrfin bis schwarz gef~rbten Schollen und Brocken, die in der Wand des Haupt- gef~l~es wie seiner zahlreichen grSBeren und kleineren Verzweigungen liegen und stellenweise -- so insbesondere am Gef~Bstamm und friiher erw~hnten Capillarnetz -- eine ganz auffallende Dichte aufweisen, wodurch die Konturen der Gef~l~e in kfirzeren und l~ngeren Strecken besonders markant hervortreten.

Bei Betrachtung mit st~rkerer VergrSl~erung erkennt man gelegent- lich, dal~ die Pigmentschollen innerhalb eines rundlichen oder ovalen Gebildes liegen, das die Eisenreaktion in schw~cherem Mal~e gibt; der Vergleich mit dem histologischen Schnittpr~parat lehrt uns, dal~ es sich hierbei um losgelSste Adventitialzellen handelt; das gleiche gilt hin- sichtlich des h~ufigen Befundes von EisenpigmentkSrnern in fixen Gef~l~wandzellen. Wit linden aber auBerdem noch 5fters eisenspeichernde Elemente, die nicht zur Gef~l~wand gehSren, es sind mehr langgestreckte, teils st~bchenfSrmige, tells schiffchenartige zellige Gebflde, die h~ufig eine bipolare Anordnung der EisenpigmentkSrner aufweisen; es handelt sich hierbei weder um Nervenzellen noch um gewShnliche Gliazellen, sondern sie gehSren zum sogenannten ,,dritten Element" der spanischen Schule, wie del Rio-Hortega, ein Schiller v. Cajals, eine auch im nor- malen Zentralnervensystem stets vorkommende Art von Stiitzgewebs- zellen mesodermalen Ursprungs bezeichnet. Die ,,Hortegaschen Zellen" kSnnen durch eine Versilberungsmethode elektiv dargestellt werden, und dabei zeigt es sich, da[t es die gleichen Zellen sind, die hier Eisen auf-

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genommen haben, wie dies von Spatz und Metz einwandfrei nach- gewiesen worden ist.

Zur Ausffihrung der Spatzschen Methode ist nieht unbedingt ganz frisches Obduktionsmaterial erforderlieh, auch langere Zeit, selbst mehrere Tage hindureh, unfixiert gelegenes Gehirn gibt noch schSne GefaSbilder, was wohl auf die grSI3ere Widerstandsf~higkeit des Gefi~Bgewebes gegen- fiber dem F~ulnisproze$ zurfickzuffihren ist. Anderseits kann die Quetschpr~paratmethode aueh an selbst viele Jahre hindurch konser- viertem Gehirn angestellt werden, wenn als Konservierungsflfissigkeit

Abb. 1.

Alkohol genommen wurde, wodurch auch die Anfertigung von Kontroll- schnitten (Eisenreaktion, Nisslbild) ermSglicht ist. Die Farbe der Eisenschollen ist dann keine dunkelgrfine, sondern ausschliel~lich tief- sehwarze. Die Fixierung der Gehirnstfickchen in Formol ist zu vermei- den, da bei ldingerer Dauer die Eisenreaktionen wegen LSsung des Eisens nicht mehr regelmaI~ig gelingen. Die Haltbarkeit der einfachen Glycerin- pr~parate erstreckt sieh auf mehrere Monate, dann pflegen insbesondere die geringgradigeren Eisenreaktionen abzublassen; ein l~belstand ist auch, dab die DeckglKschen sich leicht mit Glycerin beschmieren und auf dem Objekttr~ger bin und her gleiten. Durch Umschliel3ung der Deckglaschen mit Paraffin und Lack kann man aber beiden l~belst~nden leicht abhelfen.

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Spatz hat seine Originalmethode durch eine Modifikation vervoll- kommnet, die darin besteht, da[~ yon den im Schwefelammonium ein- gelegten Stricken start des Quetschpr~parates Ausstrichpr~parate ange- fertigt werden, an denen sich dann die Turnbullblaureaktion, verbunden mit einer Alauncarminkernfi~rbung, anste]len l~Bt; ihr diagnostischer Weft ist ja der gleiche wie der des Quetschpr~parates, sie weist aber eine Reihe yon unverkennbaren Vorteilen auf: Man bekommt zun~chst ein grSi~eres l~bersichtsgebiet (Objekttr~ger statt Deckglas), sieht unge- mein kontrastreiche Bilder mit noch schSnerem Hervortreten der reich verKstelten Gefi~i~verzweigungen und kann, was besonders wertvoll ist, bei diesem Vorgang auch die Infiltratzellen darstellen, wenn man auch ihre Natur nicht feststellen kann; sie geben sich zu erkennen in der An- h~tufung yon hier mit Alauncarmin rot gef~rbten Kernmassen in der Gef~i~wand. Wir sind im Turnbullblau-Ausstrichprdparat daher imstande, die Lagebeziehungen der hier intensiv blau gef~rbten Eisenpigment- kSrner zu den sichtbar gemachten Gef~l~wandzellen zu beurteilen, wobei wir findcn, da[3 die Anh~ufung der die Infiltratzellen darstellenden roten Kernmassen parallel geht der Ansammlung der Eisenpigment frihrenden Zellen, das Nebeneinander von Infiltratzellen und Eisendepotzellen in ganz einwandfreier Weise zum Ausdrucke gelangt, wie es eben frir die progressive Paralyse charakteristisch ist.

Der Vorgang bei der Herstellung des Ausstrichpr~parates ist fol- gender: Einlegen der aus dem frischen Gehirn herausgenommenen Scheiben in konzentrierter SchwefelammoniumlSsung wie bei der Ori- ginalmethode. Herstellung eines Ausstrichpr~parates von einem kleinen Rindenpartikelchen mit schwarzem Gefi~l~punkt mittets 20bjekttr~ger. Lufttrocknen, allenfalls Fixieren mit Methylalkohol (1--2 Minuten). Einlegen in Ferricyankali-Salzs~urelSsung (Ferricyankali 20%, Salz- s~ure 1%, zu gleichen Teilen) durch 15 Minuten. Absprilen in destillier- tem Wasser (in 3 Schalen). Nachf~rbung mit Alauncarmin durch 12--24 Stunden. Destilliertes Wasser. Lufttrocknen. Canadabalsam. Die dureh Einschliei~en des Pr~parates in Canadabalsam bedingte bessere KonservierungsmSglichkeit ist schliel~lieh ein weiterer Vorteil der Methode ; einen Nachteil aber hat sie insofern, dab sie nur am unfixierten Gewebe angewendet werden kann; auch nur ganz kurze Zeit in Alkohol gelegenes Gehirn erweist sich bereits frir den Ausstrieh als zu hart.

Ieh zeige Ihnen nun ein solehes Turnbullblau-Ausstriehpr~parat eines Falles yon progressiver Paralyse bei schwacher VergrSl~erung. Sie sehen auf dem Objekttr~ger liegen zahlreiche schon makroskopisch erkennbare grSI~ere und kleinere Gef~Be mit reichlicher Veri~stelung wie Besenreiserchen mit blau-roter Kontrastf~rbung. Abb. 2 (30fache Ver- grSi~erung, Diapositiv) zeigt ein grSl~eres Gefi~l~, das sich doppelt gabelt in Forts~tzen mit reiehlicher Verzweigung; von dem Hauptstamm gehen

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mehrere J~stchen ab, deren Auslaufer sich ebenfalls zu Capillaren ver- jiingen und ein enges Netzwerk bilden. Am Hauptstamm und den grol~en Zweigen sehen wir stellenwcise eine dichte Anh~ufung von mit Alauncarmin rot gef~rbtcn Kernmassen, den Infiltratzellen, die vom intensiven Blau der Eisenpigmentstapelung zum Teil vSllig verdeckt ist. Bei st~rkerer VergrSl~erung sehen wir namentlich an den feineren Verzweigungen einzelne blaue PigmentkSrner enge gelagert an rote Kerne, teils lose liegend, teils in fixcn Gefal~wandzellen.

Abb. 2.

Ich habe beide Methoden yon Spatz in bisher 20 Fi~llen yon progres- siver Para]yse angewendet und ausnahmslos den charakteristischen Be- fund erheben kSnnen, in einer Reihe von Fallen unter KontroUe des Schnittpri~parates und Nisslbildes ; hierbei habe ich in ~bereinstimmung mit Spatz die Erfahrung gemacht, dal~ jene Fi~lle von Paralyse, die einen mehr minder raschen Verlauf nehmen, wiederholt rindenepilep- tische Anf~lle hatten, einen besonders reichhaltigen Gefi~befund gaben, der sich schon makroskopisch mit blo~em Auge betrachtet zu crkennen gab durch das Sichtbarwerden zahlreicher schwarzer Streifchen und Piinktchen und mikroskopisch besonders sch6ne Bilder im Quetsch- und Ausstrichpr~parat lieferte. Die Schnittpr~parate zeigten in l~berein- stimmung mit der so reichlichen Eisenpigmentstapelung in den Gef~l~-

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wandzellen hochgradige Infiltrationen der Gerald- und Capillarwande mit Lymphocyten und Plasmazellen. In 3 Fallen yon sogenannter sta- tionarer Paralyse war das Ergebnis der Spatzschen Methode zwar positiv, aber ungleich sparlicher wie in den anderen, wie auch die im Nisslpra- parat erhobenen exsudativen Erscheinungen an den Gefal~en nur im geringen Grade ausgepragt waren. An einzelnen Gehirnscheiben war der Gefal~befund fiberhaupt negativ, und es ist daher erforderlieh, in Fallen von stationarer Paralyse wie in solehen, die klinisch Schwierig- keiten machen, zahlreiehe Gehirnstfickehen aus versehiedenen Gegenden zu durchsuehen. Es ist ein Vorteil der Methode, da~ man sieh leieht mit dem blol~en Auge -- eine ~bersieht fiber beliebig grol~e Flachen -- der Hirnrinde verschaffen kann.

Die Verla]liehkeit der Spatzschen Methode im Sinne ihrer Patho- gnomie ffir die progressive Paralyse habe ieh an einem Kontrollmateriale geprfift, und zwar an 3 Fallen yon reiner Lues cerebri (1 Fall mit alter Gummigeschwulst im Kleinhirn und diffuser Konvexitatsmeningitis, 2 Falle von Endarteriitis der kleinen Hirngefa~e), 4 Fallen yon Ence- phalitis lethargica, die im akuten Stadium ad exitum gelangt sind, 2 Fallen von Dementia senilis, 4 mit Arteriosclerosis cerebri, je einem Fall von Meningitis tuberculosa bzw. cerebrospinalis und einer multiplen Sklerose mit cerebralen Erscheinungen, und trotz Untersuchung zahl- reicher B15cke aus versehiedenen Rindengegenden niemals den char~k- teristischen Gefa~befund feststellen kSnnen.

Die Spatzsche Methode kann, wie ich bereits an anderer Stelle ausge- ffihrt habe, unter gewissen Umst~nden dem praktischen Arzte auf dem Lande wertvolle Dienste leisten, sie kann Verwendung finden hi der geriehts~rztliehen und Unfallpraxis und verdient insbesondere in Irren- anstalten und Prosekturen der Krankenh~user angewendet zu werden; es kann Falle geben, in denen sie rasch die diagnostische Entscheidung bringt. So erinnere ich reich eines Falles, der in einer Krankenanstalt als traumatische Demenz ging, und eines anderen Kranken, der unter dem Bride eines schweren Status epileptieus sterbend ins Spiral gebracht wurde; in beiden Fallen ergab die wahrend der Obduktion angestellte Spatzsche Methode den ffir progressive Paralyse charakte- ristischen Gefal~befund, der sparer durch das Nisslpraparat bestatigt wurde.

Ich kann au/Grund in letzter Zeit gemachter weiterer Erfahrungen nur meine bereits frfiher geaul~erte Ansicht wiederholen, ,,daft wir mit Hil/e der Spatzschen Methode heute imstande sind, bereits am Obduktions- tische in Erg~inzung des makroskopischen Hirnbe/undes die histologische Diagnose der progressiven Paralyse zu stellen, weshalb sich dieses Ver- /ahren zur allgemeinen Anwendung ganz vorzi~glich eignet.

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