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210 W. Walter, H. P. Kubersky, E. Schaurnann und K.-J. Reubke Bd. 719 Liebigs Ann. Chem. 719, 210-212 (1968) MITTEILUNGEN Uber die Struktur der Thioamide und ihrer Derivate, I11 1) H-NMR-spektroskopischer Nachweis der behinderten Rotation bei primaren Thioamiden an 15N-Thioacetamid von Wolfgang Walter, Hans Peter Kubersk-v, Ernst Schaumann und Karl-Julius Reubke Aus dem Chemischen Staatsinstitut, Institut fur Organische Chemie, Hamburg Eingegangen am 4. November 1968 Zwei getrennte NH-Signale in den H-NMR-Spektren einiger unsubstituierter Thioamide mit voluminosen Carbonsaure-Resten .(in Hexadeuterodimethylsulfoxid) weisen auf die be- hinderte Rotation um die C ---Bindung hin. 15N-Thioacetamid besitzt zwei nicht aquivalente fixierte N-Protonen, wie sich aus einem Vergleich mit dem H-NMR-Spektrum vom 15N- Thioacetanilid ergibt. Die behinderte Rotation sekundarer und tertiarer Thioamide ist vielfach H-NMR- spektroskopisch untersucht worden 1). Bei N-unsubstituierten Thioamiden scheiterte ein solcher Nachweis bislang infolge der Quadrupol-Verbreiterung der N -H-Sig- nale. - Auf zwei Wegen konnte nun die Nichtaquivalenz der Protonen bei primaren Thioamiden erwiesen werden. In Hexadeuterodimethylsulfoxid (DMSO-ds) werden die N- H-Signale verscharft 2). Bei sterisch gehinderten Thioamiden (Thiobenzamid, p-Nitrothiobenzamid und Thiopivalinsaureamid) ist eine deutliche Aufspaltung des N-H-Signals zu erkennen, die bei Zugabe von Deuterochloroform und ebenso bei steigender Temperatur geringer wird und schliel3lich verschwindet (Abb. 1 ). Wir fiihren dies auf eine unterschiedliche Solvatationswechselwirkung der beiden nicht aquivalenten Protonen mit dem DMSO-d6 zuruck. Im H-NMR-Spektrum von 15N-Thioacetamid (Abb. 2a) treten 2 N ---Signale von je vier Linien, bei 7 = 2.25 und 2.99 ppm zentriert, auf. Die Aufspaltung riihrt von einer Geminal-Kopplung der beiden nicht aquivalenten Protonen HC und HB (J = 5 Hz) und von der Direktkopplung mit dem 15N her. Letztere ist fur beide Protonen verschieden und betragt J = 91 fur 15NHC und 94 Hz fur 15NHB. Die in 1) 11. Mitteilung: W. Walter und G. Maerten, Liebigs Ann. Chem. 715, 35 (1968); dort weitere Zitate. 2) 0. L. Chapman, R. W. King, W. J. Welsteudjr. und T. J. Murphy, J. Amer. chem. SOC. 86, 4868 (1964).

Über die Struktur der Thioamide und ihrer Derivate, III1) H-NMR-spektroskopischer Nachweis der behinderten Rotation bei primären Thioamiden an 15N-Thioacetamid

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210 W . Walter, H . P . Kubersky, E. Schaurnann und K.-J. Reubke Bd. 719

Liebigs Ann. Chem. 719, 210-212 (1968)

MITTEILUNGEN

Uber die Struktur der Thioamide und ihrer Derivate, I11 1)

H-NMR-spektroskopischer Nachweis der behinderten Rotation bei primaren Thioamiden an 15N-Thioacetamid von Wolfgang Walter, Hans Peter Kubersk-v, Ernst Schaumann und Karl-Julius Reubke

Aus dem Chemischen Staatsinstitut, Institut fur Organische Chemie, Hamburg

Eingegangen am 4. November 1968

Zwei getrennte NH-Signale in den H-NMR-Spektren einiger unsubstituierter Thioamide mit voluminosen Carbonsaure-Resten .(in Hexadeuterodimethylsulfoxid) weisen auf die be- hinderte Rotation um die C ---Bindung hin. 15N-Thioacetamid besitzt zwei nicht aquivalente fixierte N-Protonen, wie sich aus einem Vergleich mit dem H-NMR-Spektrum vom 15N-

Thioacetanilid ergibt.

Die behinderte Rotation sekundarer und tertiarer Thioamide ist vielfach H-NMR- spektroskopisch untersucht worden 1). Bei N-unsubstituierten Thioamiden scheiterte ein solcher Nachweis bislang infolge der Quadrupol-Verbreiterung der N -H-Sig- nale. - Auf zwei Wegen konnte nun die Nichtaquivalenz der Protonen bei primaren Thioamiden erwiesen werden. In Hexadeuterodimethylsulfoxid (DMSO-ds) werden die N- H-Signale verscharft 2 ) . Bei sterisch gehinderten Thioamiden (Thiobenzamid, p-Nitrothiobenzamid und Thiopivalinsaureamid) ist eine deutliche Aufspaltung des N-H-Signals zu erkennen, die bei Zugabe von Deuterochloroform und ebenso bei steigender Temperatur geringer wird und schliel3lich verschwindet (Abb. 1 ). Wir fiihren dies auf eine unterschiedliche Solvatationswechselwirkung der beiden nicht aquivalenten Protonen mit dem DMSO-d6 zuruck.

Im H-NMR-Spektrum von 15N-Thioacetamid (Abb. 2a) treten 2 N ---Signale von je vier Linien, bei 7 = 2.25 und 2.99 ppm zentriert, auf. Die Aufspaltung riihrt von einer Geminal-Kopplung der beiden nicht aquivalenten Protonen HC und HB (J = 5 Hz) und von der Direktkopplung mit dem 15N her. Letztere ist fur beide Protonen verschieden und betragt J = 91 fur 15NHC und 94 Hz fur 15NHB. Die in

1) 11. Mitteilung: W. Walter und G. Maerten, Liebigs Ann. Chem. 715, 35 (1968); dort weitere Zitate.

2 ) 0. L. Chapman, R . W . King, W. J . Welsteudjr. und T. J . Murphy, J. Amer. chem. SOC. 86, 4868 (1964).

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1968 Uber die Struktur der Thioamide und ihrer Derivate, 111 21 1

I ' I , m 00 02 04 06 0 8 ppm 1x1 I

Abbildung 1 . N---Signal des Thiobenzamids, 12.5 Mo1-X in DMSO-d6 a) 35"; b) 52"; c) 60"; d) 70".

20 LO 80 ppr r l r i 100

-10 00 10 20 8 0 ppm IT] 100

Abbildung 2. H-NMR-Spektrum einer gesattrgten Losung in CDC13 bei 35" von a) 15N-Thioacetamid; b) 15N-Thioacetanilid.

14.

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Bd. 719 212 W. Walter, H. P. Kubersky, E. Schaumann und K.J. Reubke

Abbildung 2a getroffene Zuordnung der Signale zum cis- und trans-standigen Proton wurde durch Vergleich mit dem Spektrum von 1sN-Thioacetanilid (Abb. 2 b) nahe- gelegt. Auch hier werden fur die beiden Isomeren zwei N-H-Signale bei T = 0.05 (E-Form) und 0.92 ppm (Z-Form) mit unterschiedlicher Direktkopplung (J = 90 fur 15NHB-Z und 92 Hz fur 15NHB-E) gefunden. Die Zuordnung ist hier uber das Mengen- verhaltnis der beiden Isomeren sowie uber die Lage der Methylprotonen-Signale3) moglich. Die Vicinal-Kopplung des 15N mit den Methyl-Protonen ist fur beide Iso- mere verschieden (J = 3 fur 15NHA-Z, bzw. 2 Hz fur 15NHA-E).

Die Aufspaltung der N-H-Signale im IsN-Thioacetamid spricht eindeutig dafur, da13 auch in primaren Thioamiden behinderte Rotation um die C-N-Bindung be- steht, und daR die Aufspaltung in DMSO-d6 primar auf einer Nichtaquivalenz der Protonen in fixierter Lage beruht. Die Lage der N-H-Signale des Thioacetanilids bei niedrigerem Feld gegenuber Thioacetamid wird durch die hohere Aciditat des Thioacetanilids verstandlich (Thioacetanilid : pK, = 11.564) ; Thioacetamid: pK, =

13.45)).

3) J. D. Rae, Canad. J. Chem. 45, I (1967). 4) R . F. Becker, Diplomarbeit Univ. Hamburg 1968. 5 ) J. T. Edward und J. C. Wang, Canad. J. Chem. 40, 399 (1962).

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