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71 Band 15, Heft 112 Februsr 1935 v. M i s e s , Ober die Umstromung eines Hindernisses in idealer Flussigkeit - U ber dieumstromung eines Hindernissesin idealer Flussigkeit. Von R. v. 1M;ises in Istanbul. nter den vielen neuen Ergebnissen, um die L u d w i g P r a n d t l - dein diese Zeilen U gewidmet sind - die Mechanik bereichert hat, wird die Entdeckung der Gleitschichten in zalien Flussigkeiten stets als eines der wertvollsten angesehen werden. Man weib heute, dab es sich liier um ein asymptotisclies Integral der N a v i e r - S to k e s schen Gleichungen hand&, das die laminare Stromung in der infinitesimalen Umgebung einer regularen Stromlinie darstellt. Zu den Voraussetzungen, unter denen diese Strbmung eintritt, gehort es, dab die Geschwindigkeit grob genug ist, um die Annahme einer unendlich grofien R e y n 01 d s sclien Zalil zu rechtfertigen, aber nicht so grob, dab die Bewegung in Turbulenz umschllgt. Von allem Anfitng an ist versucht worden, die Theorie der Gleitschicht zur Erklarung der Vorgange bei der Umstrbmung eines zylindrischen Hindernisses heranzuziehen. Schon cine rein qualitative Uberlegung zeigt, dab die Fltissigkeitsteilchen, die am Hindernis streifen, auf ihrer einen Seite gebremst werden und dadurch in Rotation kommen. Die Prand tlsche Integration liefert, wie man weifi, einen Anhaltspunkt dafur, dab solche Teilchen sich vom Rand loslosen und in das Innere der Stromung eindringen, womit also eine Erklarung fur die Wirbelbildung hinter dem Hindernis gefunden ware. Es ist aber klar, dab man aus einem Integral, das fur einen unendlich schmalen Randstreifen gilt, nicht vie1 uber den allgemeinen Verlauf der Stromung im Innern der Flussigkeit erschlieben kann. Uberdies wird ja auch bei der Integration in der Gleitschicht die Kenntnis des aufieren Druckverlaufs vorausgesetzt, d. h. man mu13 schon mit einer quantitativen Annahme uber den Bewegungszustand im Groben in die Rechnung eingehen. Der Versuch, aus der Annahme ungestorter Potential- strbmung vor dem Kbrper die Entstehung der Wirbel hinter dem Kbrper abzuleiten, kann nicht als gelungen bezeichnet werden. Ich moclite nun im folgenden einige Bemerkungen machen, dic vielleicht geeignet sind, den Untersuchungen iiber die Umstromung eines Hindernisses eine andere Richtung zu geben. Was ich - unter Zusammenstellung eiiiiger an sich bekannter Uberlegungen - hier kurz andeuten will, ist dies : Es 1Bbt sich der Umstromungsvorgang, wie er grundsstzlich beobachtet wird, mit Potentialbewegung vor und Wirbelstratie hinter dem Hindernis, v o 11 s t an d i g i m Rahmen der Theorie idealer Flussigkeiten, also ohne jede Bezugnahme auf die Zahigkeit darstellen. Unsicher ist nur, bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse iiber die Integrale der E u 1 e r schen Gleichungen, ob man in diesem Rahmen zu einer e i n d e u t i g en Bestimmung der Bewegung gelangen wird. Es ware denkbar - aber ich vermute es nicht -, dab der Zahigkeit etwa die Rolle zufallt, die die Heranziehung der Elastizitatsbetrachtung bei gewissen Gleichgewichtsproblemen spielt, indem sie diese ,,statiscli bestimmt" macht. Wahrscheinlicher ist, dab durch Stabilitltsuntersucliungen bestimmte Integrale ausgezeiclinet werden konnen. Jedenfalls wird man vorerst noch genugend damit zu tun haben, die Be- wegungsformen, die im folgenden skizziert werden, im einzelnen zu studieren. 1. Allgemeine Grundlagen. Einer Erklarung der Umstromungser- scheinungen auf dem Boden der Theorie idealer Flussigkeiten steht in erster Linie eine weit verbreitete mibverstandliche Auffassung der H e 1 m 11 o 1 t z- schen Wirbelsatze gegenuber. Obwohl sclion oft darauf hingewiesen wurde, muti hier wiederholt werclen : H e 1 m h o 1 t z hat gezeigt, dab die Zirkulation auf einer geschlossenen Kurve, die dauernd aus denselben Teilchen i ni In n e r n einer Flussigkeit besteht, unverandert bleibt. Daraus kann nichts uber die Rotation eines Teilchens geschlossen werden, das in irgendeinem Augenblick zwischen den beiden der Beobachtung unterworfenen Zeitpunkten ein klassisches Beispiel fur eine derartige Entstehung von Wirbeln in der sog. u n s t e t i g en H e 1 m h o 1 t z - Strbmung. Hier ist, bei der Umstrbmung einer ebenen Platte, Abb. 1, die Zirkulation null fur jede Kurve A, die ganz auf der Anstrbmungs- seite verlauft, wahrend es offenbar Kurven B hinter der Platte mit nicht verschwindender Zirkulation gibt. Eine zweite, ebenfalls verbreitete, irrtiimliche Ansicht ist die, dab Trennungsflachen, wie sie Abb. 1 zeigt, in der idealen Flussigkeit nur an scharfen Kanten, nicht aber bei ab- gerundeten Kbrpern, auftreten kbnnen. Richtig ist lediglich, dab beim Vorhandensein scharfer Kanten Strbmungen ohne Trennungsflache unmoglich sind, weil sie die Hedingung positiven Druckes nicht erfiillen. Aber durch die Untersuchungen von T. L e v i - C i v i t a und M. B r i 11 o u i n sind langst Beispiele ftir die unstetige Umstrbmung beliebig geformter Zylinder gegeben worden. Neuerdings ist es auch gelungen, die Verhaltnisse am Kreiszylinder naher q x mit der festen Begrenzung inBeruhrung gekommen ist. Man kennt ja aucli Abb. 1.

Über die Umströmung eines Hindernisses in idealer Flüssigkeit

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7 1 Band 15, Heft 112 Februsr 1935 v. M i s e s , Ober die Umstromung eines Hindernisses in idealer Flussigkeit -

U ber dieumstromung eines Hindernisses in idealer Flussigkeit. Von R. v. 1M;ises in Istanbul.

nter den vielen neuen Ergebnissen, um die L u d w i g P r a n d t l - dein diese Zeilen U gewidmet sind - die Mechanik bereichert hat, wird die Entdeckung der Gleitschichten in zalien Flussigkeiten stets als eines der wertvollsten angesehen werden. Man weib heute, dab es sich liier um ein asymptotisclies Integral der N a v i e r - S t o k e s schen Gleichungen hand&, das die laminare Stromung in der infinitesimalen Umgebung einer regularen Stromlinie darstellt. Zu den Voraussetzungen, unter denen diese Strbmung eintritt, gehort es, dab die Geschwindigkeit grob genug ist, um die Annahme einer unendlich grofien R e y n 01 d s sclien Zalil zu rechtfertigen, aber nicht so grob, dab die Bewegung in Turbulenz umschllgt.

Von allem Anfitng an ist versucht worden, die Theorie der Gleitschicht zur Erklarung der Vorgange bei der Umstrbmung eines zylindrischen Hindernisses heranzuziehen. Schon cine rein qualitative Uberlegung zeigt, dab die Fltissigkeitsteilchen, die am Hindernis streifen, auf ihrer einen Seite gebremst werden und dadurch in Rotation kommen. Die P r a n d tlsche Integration liefert, wie man weifi, einen Anhaltspunkt dafur, dab solche Teilchen sich vom Rand loslosen und in das Innere der Stromung eindringen, womit also eine Erklarung fur die Wirbelbildung hinter dem Hindernis gefunden ware. Es ist aber klar, dab man aus einem Integral, das fur einen unendlich schmalen Randstreifen gilt, nicht vie1 uber den allgemeinen Verlauf der Stromung im Innern der Flussigkeit erschlieben kann. Uberdies wird ja auch bei der Integration in der Gleitschicht die Kenntnis des aufieren Druckverlaufs vorausgesetzt, d. h. man mu13 schon mit einer quantitativen Annahme uber den Bewegungszustand im Groben in die Rechnung eingehen. Der Versuch, aus der Annahme ungestorter Potential- strbmung vor dem Kbrper die Entstehung der Wirbel hinter dem Kbrper abzuleiten, kann nicht als gelungen bezeichnet werden.

Ich moclite nun im folgenden einige Bemerkungen machen, dic vielleicht geeignet sind, den Untersuchungen iiber die Umstromung eines Hindernisses eine andere Richtung zu geben. Was ich - unter Zusammenstellung eiiiiger an sich bekannter Uberlegungen - hier kurz andeuten will, ist dies : Es 1Bbt sich der Umstromungsvorgang, wie er grundsstzlich beobachtet wird, mit Potentialbewegung vor und Wirbelstratie hinter dem Hindernis, v o 11 s t a n d i g i m R a h m e n d e r T h e o r i e i d e a l e r F l u s s i g k e i t e n , also ohne jede Bezugnahme auf die Zahigkeit darstellen. Unsicher ist nur, bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse iiber die Integrale der E u 1 e r schen Gleichungen, ob man in diesem Rahmen zu einer e i n d e u t i g e n Bestimmung der Bewegung gelangen wird. Es ware denkbar - aber ich vermute es nicht -, dab der Zahigkeit etwa die Rolle zufallt, die die Heranziehung der Elastizitatsbetrachtung bei gewissen Gleichgewichtsproblemen spielt, indem sie diese ,,statiscli bestimmt" macht. Wahrscheinlicher ist, dab durch Stabilitltsuntersucliungen bestimmte Integrale ausgezeiclinet werden konnen. Jedenfalls wird man vorerst noch genugend damit zu tun haben, die Be- wegungsformen, die im folgenden skizziert werden, im einzelnen zu studieren.

1. Allgemeine Grundlagen. Einer Erklarung der Umstromungser- scheinungen auf dem Boden der Theorie idealer Flussigkeiten steht in erster Linie eine weit verbreitete mibverstandliche Auffassung der H e 1 m 11 o 1 t z - schen Wirbelsatze gegenuber. Obwohl sclion oft darauf hingewiesen wurde, muti hier wiederholt werclen : H e 1 m h o 1 t z hat gezeigt, dab die Zirkulation auf einer geschlossenen Kurve, die dauernd aus denselben Teilchen i ni I n n e r n einer Flussigkeit besteht, unverandert bleibt. Daraus kann nichts uber die Rotation eines Teilchens geschlossen werden, das in irgendeinem Augenblick zwischen den beiden der Beobachtung unterworfenen Zeitpunkten

ein klassisches Beispiel fur eine derartige Entstehung von Wirbeln in der sog. u n s t e t i g e n H e 1 m h o 1 t z - Strbmung. Hier ist, bei der Umstrbmung einer ebenen Platte, Abb. 1, die Zirkulation null fur jede Kurve A , die ganz auf der Anstrbmungs- seite verlauft, wahrend es offenbar Kurven B hinter der Platte mit nicht verschwindender Zirkulation gibt.

Eine zweite, ebenfalls verbreitete, irrtiimliche Ansicht ist die, dab Trennungsflachen, wie sie Abb. 1 zeigt, in der idealen Flussigkeit nur an scharfen Kanten, nicht aber bei ab- gerundeten Kbrpern, auftreten kbnnen. Richtig ist lediglich, dab beim Vorhandensein scharfer Kanten Strbmungen ohne Trennungsflache unmoglich sind, weil sie die Hedingung positiven Druckes nicht erfiillen. Aber durch die Untersuchungen von T. L e v i - C i v i t a und M. B r i 11 o u i n sind langst Beispiele ftir die unstetige Umstrbmung beliebig geformter Zylinder gegeben worden. Neuerdings ist es auch gelungen, die Verhaltnisse am Kreiszylinder naher

q x mit der festen Begrenzung inBeruhrung gekommen ist. Man kennt ja aucli Abb. 1.

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Ztsclrr. f . U I I ~ C W . 72 Math. n,,cl nfecl, .

aufzuklaren, wenn auch noch nicht alle mathematischen FrageIi restlos bereinigt sind I ) . Es kann als festgestellt gelten, dat3 es hier eine kontinuierliche Schar verschiedener Umstrdniungen gibt, von denen jede durch eine besondere Ablosungsstelle gekennzeichnet wird ; diese Stellen liegen etwa zwischen 55O und 120, auf dem Kreisumfang, vom Staupunkt aus gerechnet.

In Erganzung dieser Ergebnisse sprechen wir nun aus: Es gibt fur einen Querschnitt von beliebig abgerundeter Gestalt im allgenieinen d r e i prinzipiell verschiedene ebene Um- stromungsformen der idealen Flussigkeit, und zwar 1. die stetige Stromungsform, die im ganzen Rereich (auberhalb des Hindernisses) rotorfrei ist ; 2. die sog. unstetige Stroniung mit einer (evtl. mehreren) sich vom Kdrper abldsenden Wirbelflache; 3. eine Stromungsform, bei der sicli vom Kbrper an einer oder mehreren Stellen isolierte Wirbellinien (Wirbelpunkte) nbliiseti, die hinter dem Korper eine ,,Wirbelstrafie“ bilden (Abb. 2).

v. M i s e s , Uber die Umstromung eines Hindernisses in idealer Fliissigkeit -

Abb. ‘2.

In keinem dieser drei Fklle ist die Losung durch die ublichen Randbedingungen ein- deutig bestimmt. Im ersten Fall bleibt e i n Parameter, die Zirkulation um das Hindernis, unbestinimt. Im zweiten kann die Ablbsungsstelle der Trennungsflache ein Kontinuum von Lagen annehmen. Fur den dritten Fall lassen sic11 die Freiheitsgrade noch nicht genau an. geben; es ist aber zu vermuten, dafi sowohl die Ablbsungsstelle wie die Teilung, d. h. der zeitliche und ortliche Abstand der Wirbellinien, noch in gewissen Grenzen schwanken kdnnen.

Die KBrmlinsche Theorie der Wirbelstrafien - einer der schonsten Fortschritte in der Theorie der idealen Flussigkeit - hat gezeigt, dab man innerhalb einer Schar von Losungen der E u l e r schen Gleichungen, durch Heranziehung des der Punktmechanik entlehnten Stabilitatsbegriffes, eine gewisse Auswalil treffen kann. Man wird es daher, wie eben er- wahnt, nicht als unmbglich ansehen durfen, daP die Vereinigung von vollstandigen Rand- hedingungen und Stabilitatsbetrachtungen vielleich t zu einer eindeutigen Bestimmung eincr U~iistrbmungsform des dritten vorgenannten Typus fuhren kann.

2. Mathematischer Ansatz. Es sei ein geschlossener Unirifi in der x-3-Ebene gegeben, ohne Spitzen, den ubliclieii Regularitatsbedingungen genugend. Nach bekannten Satzen der Funktionentheorie existiert eine und nur eine Stroniung, die im Aufienraum des Umrisses iiberall regular ist und ein eindeutiges Potential besitzt, wahrend die Geschwindigkeit im Unendlichen parallel der positiven s-Achse und dem Werte nach gleich einer Konstanten c ist. Das komplexe Potential dieser Stromung heifie W, (a). Ferner gibt es genau ein komplexes Potential W,(x), dem eine im Aufienraum uberall regulare Stromung von der Zirkulation 1 mit im Unendlichen verschwindender Geschwindigkeit entspricht. Darnach ist

W,(z)+C,M’,(z) . . . . . . . . . . . . . . . (1) mit beliebigem C, die allgemeinste Form, in der eine im Auhengebiet regulaire Stromung dar- gestellt werden kann.

Die G r e e n sche Funktion des Aufienraumes der gegebenen Kontur liefert eine Striimung, die in einein Punkte z, = x, + i 9, eine logarithmische Singularitat besitzt, langs der Kontur die Randbedingungen erfullt und im Unendlichen verschwindende Geschwindigkeit aufweist,. Das zugehiirige komplexe Potential lafit sicli in der Form

1 . . . . . . . . . . . . --. 2Jcz log nat ( z -- z,) + W(z , 2,) (‘2)

anschreiben. Fur den Kreisbereich werden wir im folgenden die Funktionen W, (z), W, (a) und W(a, x,) explizite angeben. Sie sind damit aucli fur jeden Bereich, dessen Abbildung auf den Kreisbereich hekannt ist, bestimmbar. Nur ist naturlich zu beachten, dafi die Trans- formation, an den beiden Teilen von (2) ausgefiihrt, nicht unmittelbar die beiden neuen Be- stanclteile, sondern zunachst nur die richtige Summe liefert, die entsprechend zerlegt werden mu&.

Wir nehmen nun an, dafi sich an zwei Stellen des Hindernisses Wirbel ablosen und so zwei Wirbelreilien entstehen (Abb. 2.): In irgendeinem Zeitpunkt t seien die Ortsvektoren der

-

1) V g l . insbesondere die Arbeiten vom C. S o h m i e d e n , Ingenieiir-Arohiv I , 1929. 104; 3, 1932, 356 und 5,1YJ4, 373.

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73 Band 15, Heft 11-2 Februar 1y35 V. M i s e s , Uber die Umstromung eines Hindernisses in idealer Fliifisigkeit

Wirbel der einen Reihe z, ( t ) , z, ( t ) , z, (t) . . . die der andern z,’( t) , zz’ ( t ) , z3’ ( t ) . . . Die Wirbel- starke der ersten Wirbelreihe sei C, die der zweiten -C. Dns komplexc Potential der ge- snmten Stromung ist nunmelir:

In dieser Forniel sind die beiden lionstanten C iind C, unbekannt und die z y , zy’ stellen zwei Reihen von unendlicli vielen unbekannten Funktionen von t dar. Nimmt man an, da& der Umrik eine Symmetrieachse parallel der nAchse besitzt, so kann man eventuell C, = 0 setzen.

Zur Restimmung der unbekannten Funktionen z, ( t ) und zv’ ( t ) dienen nun zwei Reihen von unendlich vie1 gewohnlichen Differentialgleicliungen. Diese erhalt man aus der bekannten Bedingung, dak die Fortpflanzungsgeschwindigkeit d z,/ d t eines Wirbelpunktes gleich ist der aus dem komplexen Potential der Gesamtstromung fur die Stelle z, errechneten Geschwindig- keit, wenn bei der Summation auf der rechten Seite das .Glied log nat (z - 2,) fortgelassen wird (Suminationszeichen 2’). Man hat sonach, wenn das Uberstreiclien den fjbergang zum konjugierten Wert und der Akzent bei W,,(z), W,(z) und W ( z , z,) die Differentiation nach z bezeichnet :

I + C L [ W ’ ( z ; , zp) W‘(zv’, ~ p 7 J

I 6

Auf den rechten Seiten stelien, wenn man von den beiden Parametern C, und C absieht, nur bekannte Funktionen der z,, zyf. In Heal- und Imaginarteil zerlegt, liefern diese Ansatze vier Reihen von unendlicli vielen gewdhnlichen Differentialgleichungen erster Ordnung in expliziter Form fur die vier Variablenreihen xy, y,, xv‘, y,’ (Y = 1,2, 3, . . .). Das Zeichen 2’ bedeutet, wie erwalint, dak bei der betreffenden Summation das Glied mit dem Index p = v fortzulassen ist.

Zur Konstanten-Bestimmung in den Losungen der Differentialgleichungen (4) dienen die folgenden Bedingungen :

1. Zur Zeit t = 0 hat z, einen Wert xu, der einer (als gegeben vorausgesetzten) Ablbsungs- stelle auf dem Unirib dcs Hindernisses entspricht; 2, fur einen Zeitpunkt T (Periodenlange) gilt z, (T) = z,+, (0) fUr Y = 1,2,3, . . . ; 3. fur einen Zeitpunkt to < T ist a,‘ gleich einem (vorgegebenen) Wert zo’ entsprechend der zweiten Ablosungsstelle auf dem Umrik; 4. schlieklich ist z,’ ( to + T) = z’,+ , (to) fiir alle Y = 1,2,3, . . . Durch die Bedingungen (2) und (4) wird die Periodizitat der Bewegung sichergestellt.

Die Verkettung von gew6hnlichen Differentialgleichungen durch eine Periodizitats-uber- gangsbedingung stellt ein neuartiges Problem der Analysis dar. Man kann ihm eine etwas andere Form geben, indenl man von jeder der beiden Reihen nur je e i n e n Wirbelpunkt ins Auge fakt und seine Bewegung durch unendliche Zeit hindurch verfolgt. Die G1. (4) liefert dann die Geschwindigkeit dieser Punkte zur Zeit t in Abhangigkeit vo~ i der Lage der Punkte in den Zeiten t+ T, t + ZT, . . . . Das Problem erhiilt so den Typus zweier simultarier f u n k t i o n n 1 e r Differentialgleichungen.

3. Kreistormiges Hindernis. Fur den Kreis lassen sich, wie schon erwiihnt, die drei Funktionen W, (z) , W, ( z ) und W(z, 2,) explizite angeben. Wir setzen fed, dafi der Mittelpunkt des Kreises im Anfangspunkt liegt und sein Radius gleich eiris ist. Dann hat man

1 Wo(z)= c z + - , W,(Z) = logllat I . . , * ( 3 2n.i . . . . . (5).

Diese Lbsungen sind gelaufig

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Ztscllr. f . atigew. Math. und Me<.),.

Auch die G r e e n sche Funktion W (z, a,,) liifit sich in bekannt einfacher Weise, durc:li Spiegelung des Wirbelpunktes an dem Kreis herstellen. 1st 2, der konjugiert komplexe, also 1:Z, der Spiegelwert zu ay, so hat man zu setzen

74 v. M i li e s , Uber die Urnstromung eines Hinilernisses in idealer Fliissigkeit

1 2no W ( s , z , ) = - - ~ l o g n a t ( z ~ , - l ) . . . . . . . . . . . . . . (6).

Die einzige Singularitat dieser Funktion liegt in 8 = 1 :iv, also im Innern des Kreises. Die Funktion ist im Aufienraum tiberall regular, und ihre Ableitung verschwindet im Unendlichen. Der Ausdruck (2) lautet jetzt:

a - 2, az,--l

1 ani lognat - . . . . . . . . . . . . .

und man sieht, dafi der Logarithmand fur 2 = e i p (a, reell) den Betrag 1 annirnmt, der Real- teil des Logarithmus mithin verschwindet. Also erftillt (7) die Bedingung, dafi der Einheits- kreis eine Stromlinie ist.

Urn die Konvergenz der in (3) auftretenden unendlichen Reilien sicherzustellen, wird. man im allgemeinen in (6) und (7) einen von z unabhhgigen, nur von m abliilngigen Summanden An bzw. An' liinzuzufilgen haben. Es lautet so (3), unter Weglassung des Gliedes C , W, (z)

unrl die Folge der Differentialgleichungen (4) nimmt die Gestalt an :

Diese Gleichungen sind natilrlich nur dann sinnvoll, wenn die in ihnen auftretenden Reihen konvergieren. Die Konvergenz hiingt davon ab, wie sich die Koordinateri a, und 2,'

fur wachsende Y verhalten. Den Beobachtungen entsprechend nehmen wir an, dafi die beiden Wirbelreihen asymptotisch in eine K a r m a n sche Wirbelstrafie ubergehen, d. 11. in zwei gegen einander versetzte Parallelreihen ayuidistanter Wirbel.

Urn die Konvergenz fur diesen Fall zu erweisen und gleichzeitig den im folgenden zu erikternden Naherungsansatz vorzubereiten, wollen wir die Summen in (8) und (9) fur die Annahme einer einseitig ins Unendliche reichenden Doppelreihe Lquidistanter Wirbel berechnen. Wir bezeichnen jetzt d i e s e Wirbel, ohne Rticksicht auf etwaige noch sonst vorhandene, mit den Nummern 1,2,3, . . . bzw. 1',2', 3', . . . Es ist dann

. . . . . . . 2, =a,+ (Y - 1) I , Z v ' = z 1 ' + ( Y - 1 ) Z (10). Geht man von der bekannten Definition der Gammafunktion ails

log nat F ( z + 1) = Lim z log nat n. - lo gnat(^++)] . . . . . . . (111, n + m i

v - 1

so erhllt man durch einfache Rechnung mit

1 A,, + A,&' =

fur den von den Parallelreihen herriihrenden Anteil in (8)

(q' - z, + B,) -. 5,) log nat n.

(12).

Der Beitrag der Parallelreihen zu den Summen in (9) betragt fur eirien Punkt a, der mit keinem der jetzt betrachteten P, oder a,,' zusammenfilllt,

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75 v. M i 8 e 8 , Ober die Umstrlimung eines Hinderniases in idealer Fliissigkeit

wenn, wie iiblich, die logarithmische Ableitung von r mit y bezeichnet wird. Fiir einen Wert a = 2, koinmt die Weglassung des einen Summanden, wie man leicht ausrechnet oder aus Symmetriegrunden unmittelbar einsieht, darauf hinaus, dafi an Stelle des Ausdruckes y ( - v + l ) , der unendlich wiirde, die endliche GrOfie y (v) zu setzen ist. Also hat man in die erste, bzw. zweite der G1. (9) einzuffihren:

Band 15. Heft 112 Februar 193s

Damit ist die Konvergenz aller auftretenden Summen fur den Fall, dafi die Wirbelreihen asymptotisch in zwei Parallelreihen mit derselben gleichfarmigen Teilung tibergehen, erwiesen. Der inriere Grund fur die Konvergenz liegt darin, dafi jedes Paar nahe beieinander liegender entgegengesetzter Wirbel auf weitere Entferiiung hin versch windende Wirkung besitzt.

In der Grenze fiir unendliches Y gehen die beiden letzten Teile der Ausdriicke (14) zufolge des Nenners zvl gegen Null. Es bleibt nur der u n m i t t e l b a r e Einflufi der Parallelreihen ohne den der Spiegelbilder iibrig. Leicht ist zu selien, dafi dieser Einflufi, fur v + m gleich- kommt demjenigen, der von einer beiderseits ins Unendliche reichenden K a r m ii n schen Wirbel- strafie an jeder Stelle ausgeiibt wird. D. h. also, wenn wir etwa

1 2 S, = a,' + - - h i . . . . . . . . . . . . . (15)

annehmen, dafi die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der unendlich entfernten Wirbelpunkte die Richtung der positiven z-Achse und die GrOfie

(16) . . . . . . . . . . . . C a h c - -tang hyp - 21 1

besitzt. Ebenso ist schon von J. L. S y n g e gezeigt worden, dab die einerseits ins Unendliche reichende Wirbelstrabe zu demselben Ausdruck fiir die auf den KOrper ausgeiibte Kraftwirkung fuhrt, den Ki i rman for seinen Fall gefunden hat'). Auch die Spiegelbilder der Wirbel und etwaige aufierhnlb der Parallelreihen befindliche (endlich viele) Wirbelpunkte andern nichts an diesem Ergebois. Schwieriger ist es, die K a r ni a n sche Stabilitiitsuntersuchung auf den vorliegenden Fall zu ubertragen. Aber man kommt ohne Zweifel zu dem Schlufi, dafi der asyinptotische Ubergang zu einem Verlilltnis zwischen Teilung 1 und Abstand h gleich dem von Ka r m ii n gefundenen eine n o t w e n d i g e Bedingung der Stabiliat ist.

4. Erste Naherung. Die IAIsung der hier gestellten Aufgabe, d. h. zun&chst die Auf- suchung von Strtimungsbildern, die den angefiihrten Redingringen genugen, kann nur auf den1 Wege schrittweiser Nlherung geschehen. Man wird eine Wirbelanordnung annehmen, nach (9) die Gescliwindigkeiten der Wirbelpunkte berechnen und mit deren Hilfe die Annahme verbessern. Da man iiicht mit unendlich vielen Werten gleichzeitig arbeiten kann, wird man die Gesamtlieit der Wirbel bis auf einige wenige ngher gelegene als Parallelreihen voraus- setzen und durch die r- bzw. y-Funktionen nach (12) und (14) zusammenfassen. Die Rechnung wird keine allzu grofien Schwierigkeiten bereiten, sobald einmal geeignete Tafeln fiir die Gammafunktion bei komplexem Argument zur Verfiigung stehen.

Abb. 3. - -. ~

2 ) Vgl. H. V i l l a t : Leoons sur la thQrie des tourbillons. Paria 1930. 1,. 91.

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Ztschr. t. ailgew. Math. nnd Merli. 76 1' r a g e r , Der EinfluIj tier Verformung auf die FlieBbedingung

Unter der einfachsten Annahme ist unter Benutzung einer behelfsniafiig liergestellten Tafel fur log r das Striimungsbild Abb. 3 entworfen worden. Hier ist, fur den Augenblick der Ablbsung eines Wirbels der oberen Reilie, angenommen, dafi samtliche bereits bestehenden Wirbel in zwei Parallelreihen liegen. Fur diese ist, entsprechend den I( tirmtinschen Resill- taten und den Ueobachtungen uber die Ablbsungsstelle gewahlt

Die Abbildung zeigt nur den von den Wirbeln induzierten Teil der Stromung, die gegenlaufig i d . Die uberlagerung einer W,-Strbmung nach (5) mit einem entsprechenden Wert von c liefert das in Abb. 2c angedeutete Ergebnis. Man erkennt in Abb. 3, dab am Kreisumfang dort, wo man die Ablosung des nachsten Wirbels erwartrt, eine Art Staupuiikt der Zusatzstriimung besteht. Die Geschwindigkeitsrichtung zeigt, dnfi die Bahn des oberen Wirbelpunktcs ini ersten Anfang nacli unten konvex, aufwarts gekriiriimt ist, wie dies von der stetigen Wirbel- schicht (unstetigen H e l m h o 1 t z -Strbniung) her bekannt ist.

Zwei kurze Bemerkungen mogen noch angefugt werden. Man wird gegen die hier betrachtete ,,dritte" Umstromungsform einwenden kbnnen, dafi die Bedingung positiven Druckes in unmittelbarer Umgebung der Singularitaten nicht erfullt ist. Dies trifft jede Bewegung mit einzelnen Wirbelpunkten. Die Erlrlarung liegt darin, dab kleine Flussigkeitsgebiete tat- sachlich in Rotation kommen, sei es infolge der Bremswirkung des Hindernisses, sei es sonst unter dem Einflufi der Zahigkeit. So betrachtet man aucli in der Elastizitatstheorie Spmnungs- zustande mit singularen Punkten und weiB. dab die Abweicliung der wirkliclien Kiirper vom rein elastischen Verhalten das Endlichbleiben der Spannungen in der Umgebung der Singu- laritat bewirkt. - Die zweite Bemerkung betrifft die Turbulenz. Es ist klar, dak wenn den hier betrachteten theoretischen Strbmungsformen eine Realitat entspricht, sie nur darin bestehen kann, dab die Mittelwerte stark pulsierender Geschwindigkeiten durch unsern Ansatz an- nahernd richtig wiedergegeben werden. An sich besteht kein Grund daftir, dab die E u l ersclien I)ifferentialgleichungen irgend etwas uber die Itaumzeitmittel veranderlicher Gesclimindigkeitcn aussagen. Aber hier greift die Hypothese ein, die ich erstmals 1908 formuliert und seither immer wieder, in gewissen Grenzen, bestatigt gefunden habe: Nur bei kleineren R e y n 01 d H - schen Zahlen, im Bereich der laminaren Bewegungen, veriindert die Zahigkeit das Bild der Strbmung von Grund aus; ini turbulenten Bereich wird die hinter den Pulsationen liegende Grundstrbmung, hinsichtlich der Gescli windigkeitsverteilung, durch die Gleichungen der idealen Flussigkeit im grofien g'tnzen riclitig dargestellt. Die hier angedeutete Beliandlung der ,,dritten StriimungsformiL ist nur ein Anwendungsbeispiel zu dieser allgemeinen ,,hyclraulisclicn Hypothese". I? 20

Der Einflui3 der Verformung auf die FlieGbedingung zahplastischer Korper.

Von W. Prayer in Istanbul.

Die Mehrzahl der bisherigen Ansatze der Plastizitiitstheorie raumt in be- wukter Vereinfacliung des experiuientellen Befundes der Verforniung keinen EinfluS auf die Fliefibedingung ein. Im folgenden sol1 ein miigliclist einfaclier Ansatz hergeleitet wercleri, welcher die wichtigsten an zahplastisclien Kbrpern beobachteten Einflusse cler Verformung auf die Fliekbcdingiing yualitativ riclitig wiedergibt.

Zwecks moglichster Vercinfachung des herzuleitenden Ansatzes wird die elastiisclip Formanderung als neben der plastischen vernachlassigbar, und der Kbrper als inkornpressibvl angesehen. Der Formanderungstensor

1. Einleitung.