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15 Ueber die von Herrn Tiemann angenommenen Constitutions- formeln fur Kampher und Kampholenssure ; von J. Bredt. Neuerdings l) hat Tiemann die von mir aufgestellte Kampberformel dahin abgeandert , dass er unter Beibehaltung des gleichen ringformigen Kohlenstoffskeletts den1 Methylen einen anderen Platz angewiesen hat : CH,-CH-CH, CH, \C-CH-CH, CH,-C -CH-CO CH,-C -CO I CH, Bredt Tiemann. Auf Grund dieser meiner Kampherformel habe ich vor zwei Jahren 2, die Bildung der Kampholenslure aus Kampber- oxim zu deuten gesucht und Folgendes dazu bemerkt : ,,Besondere Schwierigkeiteu haben sich bisher einer Er- klarung fur die Umwandlung des Kampheroxims in Kampholen- saure entgegengestellt. Nach meineni Dafiirhalten verlaufen hier zwei Reactionen nach einander, ron denen die zuerst ein- tretende unter die sogenaiinteii B e ck m ann'schen Umlagerungen zu zahlen ist." Der erste Schritt dieser Reaction wurde niit der Um- lagerung des Isonitrosokamphers in Kampherslure-Imid verglichen und durch folgende Gleichungen wiedegegeben , welche zwei verschiedene Mdglichkeiten der Umlagerung darstellen : I) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 28, 1087 und 2168. ' ) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 26, 3055.

Ueber die von Herrn Tiemann angenommenen Constitutionsformeln für Kampher und Kampholensäure

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Page 1: Ueber die von Herrn Tiemann angenommenen Constitutionsformeln für Kampher und Kampholensäure

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Ueber die von Herrn Tiemann angenommenen Constitutions-

formeln fur Kampher und Kampholenssure ;

von J. Bredt.

Neuerdings l) hat T i e m a n n die von mir aufgestellte Kampberformel dahin abgeandert , dass e r unter Beibehaltung des gleichen ringformigen Kohlenstoffskeletts den1 Methylen einen anderen Platz angewiesen hat :

CH,-CH-CH, CH,

\C-CH-CH,

CH,-C -CH-CO

CH,-C -CO I

CH, B r e d t Tiemann.

Auf Grund dieser meiner Kampherformel habe ich vor zwei Jahren 2, die Bildung der Kampholenslure aus Kampber- oxim zu deuten gesucht und Folgendes dazu bemerkt :

,,Besondere Schwierigkeiteu haben sich bisher einer Er- klarung fur die Umwandlung des Kampheroxims in Kampholen- saure entgegengestellt. Nach meineni Dafiirhalten verlaufen hier zwei Reactionen nach einander, ron denen die zuerst ein- tretende unter die sogenaiinteii B e c k m ann'schen Umlagerungen zu zahlen ist."

Der erste Schritt dieser Reaction wurde niit der Um- lagerung des Isonitrosokamphers in Kampherslure-Imid verglichen und durch folgende Gleichungen wiedegegeben , welche zwei verschiedene Mdglichkeiten der Umlagerung darstellen :

I) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 28, 1087 und 2168. ') Ber. d. deutsch. chem. Ges. 26, 3055.

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16 Brent, Ueber aie 00% Herrn Tienaann angenommenen

CH,-CH---CH, I \

CH,-F-CH3 )"" c 0

I CH3

I CH,

Ch-C co I \ /

CH, NH

Durch Umwandlung in Saureamid und Wasserabspaltung sollte dann die Bildung von Kampholensaurenitril erfolgen. Der Uebergang von einem derartigen , einstweilen noch hypothe- tischen , Zwischenproduct zu dem entsprechenden Kampholen- saureuitril wird noch leichter verstandlich, wenn man die obigen Lactamforineln durch isomere in folgender Weise ersetzt :

I. 11. CH,-CH-CH,

CH,-C ~ C=NH CHH-C C=NH I \ / CH, 0

I CH3

Der zweite Schritt der Reaction bestande dann in der Abspaltung von Wasser. (Die zur Wasserbildung dienenden H sind fett gedruckt.) Der hier stattfindende Vorgang ware zu vergleichen einerseits mit der Nitrilbildung aus einem pseu- domeren Sawearnid :

R-C<OH = R-CN f H,O,

andererseits mit der Entstehung eipes ungeslttigten Kohlen- wasserstoffs aus einem geslittigten Alkohol :

\NH

CH&H,OH = CH,=CHZ f H,O ;

mit dem Unterschiede , dass beide Processe hier in einander greifen und gleichzeitig verlaufen. Je nach der Stellung des

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Constitutiomformeh fur Kampher urnd Kamphobnsaure. 17

zur Wasserbildung dienenden Sauerstoffs, gelangt man zu folgen- den Formeln fur das Kampholensfiurenitril :

Die Formel I wurde von mir verworfen, aus Gruuden, die ich seiner Zeit naher erlautert habe. T i e m a n n weist ebenfalls die Formel I zuriick, nimmt aber bei der Bildung des Kampholensaurenitrils kein Zwischenproduct an, sondern lslsst die Wasserabspaltung aus der =NOH - Gruppe des Kampher- oxims mit einem benachbarten Wasserstoff nnmittelbar erfolgen.

Er sagt: ,,Die Bredt 'sche Formel leiht sich aber nicht zu einer vollig ungezwungenen Deutung des einfachen Ueber- gangs von Kampheroxim in ein Kampholennitril her," und begriindet dies durch einen nach meiner Ansicht nicht stich- haltigen Vergleich zwischcn den A l d o x h m und dem Kampher- oxim, also cinem Ketoxim, indem er fortfiihrt:

,,Wir unterscheiden die Aldoxime, je nachdem sie unter Wasserabspaltung leicht oder schwer in Nitrile ilbergehen, als Syn- und Anti-Aldoxime und stellen uns vor, dass das Wasser- stoffatom und die Hydroxylgruppe , welche bei der Wasserab- spaltung betheiligt sind, in den Syn-Aldoximen nahe bei ein- ander liegen, und in den Anti-Aldoximen YOU einander ent- ferntere Stellung einnehmen. Wenn diese Anschauung irgend eine Berechtigung hat, so mtissen das Wasserstoffatom und die Hydroxylgruppe, welche bei dem Uebergang yon Kampheroxim in ein Kampholennitril als Wasser austreteu, auch im Kampher ( 1 ) nahe bei einander stehen."

Da nun in der obigen, von mir als richtig angenommenen Formel I1 des Kampholennitrils die ungeslittigte Bindung sich neben der Gruppe

hnnalen der Chemie 289. Bd. 2

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18 Bred t , Ueber die eolz Herrlz Tiemanlz alzgelzornmelze%

I I

=C 1 . CH3

befinden, so sagt T i e m a n n weiter: ,,Der zweite der Gruppe

C II NOH

benachbarte, in dem Formelfragment des Kampheroxims

I I1

1 2 3 -C-C -CH,

CH, NOE

mit 1 bezeichnete Kohlenstoff tragt, wie ersichtlich, nach der B r e d t'schen Formel tiberhaupt kein Wasserstoffatom.''

Hierdurch wird T i e m a n n veranlasst, fur Kampher und dementsprechend fur Karnpheroxim eine Formel in Vorschlag zu bringen, welche an besagter Stelle den fur erforderlich ge- haltenen Wasserstoff enthM. Aus diesem Tiernann'schen Kampheroxim wiirde sich das Kampholennitril nach folgender Gleichung bilden : CH3\ CH,, c E * q - - r ~ - CH, /c-- rcH9 1 ! 4- HA,().

Sehen wir nun aber genauer zu , so findcn wir, dass das fiir so wesentlich erachtete , benachbarte Wasserstoffatom, welches an dem init C=NOH verbundenen C steht und in dem Formelfragment :

-

CH,-C=-CH CN I

PHS-PH- CH -C=NOH

I l l CH3--CH- CH--C=NOH

1 2 3

rnit 2 bezeichnet ist, keineswegs bei der Bildung des Kam- pholennitrils mit dem Hydroxyl des =NOH als Wasser austritt. Uenn dieses H-Atom steht sowohl vor, wie nach der Reaction an demselben Platze, und der zur Wasserbildung erforderliche Wasserstoff wird Ton dem entfernter stehenden Kohlenstoff 1

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Cov&itutiolzsformel.n fiir Kampher zcnd Kawtpholevm%ure. 19

genommen, muss also hier genau ebensoweit hergeholt werden, wie es bei Annahme meiner Kampherformel nach obiger Aus- einandersetzung erforderlich war.

Daraus folgt, dass der Uebergafig 'uo'lt Kampherozim ~ T Z .

Karnpholelzr&il keilze Veranlasswng bietet, die V O N mir auf- gestellte Kampherformel absualzdern.

Ein Vergleich der von mir abgeleiteten Kampholensaure- formel mit der anderthalb Jahre spater von T i e m a n n auf- gestellten ergiebt, dass beide scheinbar verschieden, thatsachlich aber identisch sind :

CH2 - CH-CH?

COOH

I CH=C

CHi3 B r e d t 1893

CH,-k= CH

T i e m a n u 1895.

Die Anordnung der Atome ist in beiden Formeln genau die gleiche nnd nur die Darstellung anf dem- Papier eine ab- weichende.

Hieraus folgt unmittelbar, dass auch die von mir auf- gestellte Constitutionsformel fur IsocamphoronsLure , das Osy- dationsproduct obiger ' Kampholensgure, mit der von T i e m a n n wiedergegebenen Formel, trotz der verschiedenartigen Schreib- weise :

CHC-CH- CH?

CH,

COOH COOH COOH COOH COOH COOH B r e d t

identisch ist.

T i e m an 11