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Ueber ein neues Operations- Verfahren in verzweifelten F~illen chronischer Ir/tis und Iridocyclitis. Von Prof. A. v. Gr~fe. In meiner ersten Arbeit fiber die Wirkung der Pt~pillen- bildung bei chronischer Iritis (s. Archiv s O. Bd. II. Abth. 2.) babe ich angegeben, dass cine methodisch wiedcrholte Iridectomie selbst in solchen F~llen noch zum Ziele fiihren kann, in dencn das Irisgewebe hoch- gradig entartct, abnorm vascu]arisirt und an seiner Hinterfl'~che mit Exsudativ-Schwarten besetzt ist, ferner, dass auch ein gewisser Grad yon AWophia bolbi das glfickliche Zustandekommen eines endlichen Effectes nicht ausschlicsst.*) Die zuerst gebildete Pupille pflegt sich al]erdings wieder zu verengen, resp. zu vcr- schliessen, allein das Gewcbe der Iris selbst bessert 4) Dies hat besonders bei cinigen Fachgenossen Vcrwunderung er- regt. Wer den natiirlichen Hergang innerer Ophthalmien verfolgt, wird darin nichts besonders Merkwiirdiges finden. Es giebt eine Reihe yon chronisehen F,ntziindungen des Aderhauttraetus, in deren Verlauf der Bulbus bedeutend an Ausfiillung verliert, und in deren Riickbil- dungsstadium, selbst ohne operative Kunsthfilfe, eine vollst~indige Wieder- herstellung der normalen Consistenz wieder statt findet. Gewisse For- men yon ehronischer Iritis, bei welchen sich nur wenige hintere Synechien, wohl aber auf Grund cyelitischer Complication massenhafte GlaskSrperopacit~iten bilden~ geben hierfiir die sehlagendsten Beispiele. So gut nun eine Atrophia bulbi sieh spontan, bei heilenden Grund- leiden, zuriickbilden kann, ist es aueh wohl begreiflich, dass ein Mittel, welches, wie die Papillenbildung, dem Grundleiden auf eine energische Weise entgegentritt, die Riickbildung der Atrophic bef'6rdert. Archly f~ir Ophthalmologie. VI. 2. 7

Ueber ein neues Operations — Verfahren in verzweifelten Fällen chronischer Iritis und Iridocyclitis

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Ueber ein neues Operations- Verfahren in verzweifelten F~illen chronischer Ir/tis und

Iridocyclitis. Von

Prof. A. v. Gr~fe .

In meiner ersten Arbeit fiber die Wirkung der Pt~pillen- bildung bei chronischer Iritis (s. Archiv s O. Bd. II. Abth. 2.) babe ich angegeben, dass cine methodisch wiedcrholte Iridectomie selbst in solchen F~llen noch zum Ziele fiihren kann, in dencn das Irisgewebe hoch- gradig entartct, abnorm vascu]arisirt und an seiner Hinterfl'~che mit Exsudativ-Schwarten besetzt ist, ferner, dass auch ein gewisser Grad yon AWophia bolbi das glfickliche Zustandekommen eines endlichen Effectes nicht ausschlicsst.*) Die zuerst gebildete Pupille pflegt sich al]erdings wieder zu verengen, resp. zu vcr- schliessen, allein das Gewcbe der Iris selbst bessert

4) Dies hat besonders bei cinigen Fachgenossen Vcrwunderung er- regt. Wer den natiirlichen Hergang innerer Ophthalmien verfolgt, wird darin nichts besonders Merkwiirdiges finden. Es giebt eine Reihe yon chronisehen F, ntziindungen des Aderhauttraetus, in deren Verlauf der Bulbus bedeutend an Ausfiillung verliert, und in deren Riickbil- dungsstadium, selbst ohne operative Kunsthfilfe, eine vollst~indige Wieder- herstellung der normalen Consistenz wieder statt findet. Gewisse For- men yon ehronischer Iritis, bei welchen sich nur wenige hintere Synechien, wohl aber auf Grund cyelitischer Complication massenhafte GlaskSrperopacit~iten bilden~ geben hierfiir die sehlagendsten Beispiele. So gut nun eine Atrophia bulbi sieh spontan, bei heilenden Grund- leiden, zuriickbilden kann, ist es aueh wohl begreiflich, dass ein Mittel, welches, wie die Papillenbildung, dem Grundleiden auf eine energische Weise entgegentritt, die Riickbildung der Atrophic bef'6rdert. Archly f~ir Ophthalmologie. VI. 2. 7

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sich hicrbei in erwllnschter Weise. Es gelingt dann Mufig !das zweite Mal bereits eine griissere und biei- bendere Pupille zu mac.hen, und das dritie, resp. vierte Ma[ kommen wit nicht selten zu eiaem relativen opti- schea Resultate. Ich kniipi'e heute wieder an diese Thatsachen an~ indem die Grenze, (tie sich fiir das t'riihere Verfahren ergeben, mich zu einem neuen Wege ilbergefShrt hat.

Die Prognose fiir die Iridectomie, selbst die me- thodisch wiederholte Iridectomie, triibt sich in den frag- lichen F'allen yon chronischer Iritis und lridochorioiditis durch mehrfache Umstiinde. Zuniichst kann der Grad der vorhandenen Atrophia bulbi dies begriinden. Es ist nicht die unvoilkommene Ausfiilhmg an sich, welche bier in die Wagschale f~llt, sondern das damit verbur~dene Glaskilrperleiden, welches als solches ein optisches Hinder: niss abgiebt und ausserdem mit Netzhautabl[isuug droht (H. Mii l ler) . Ja die pathologische Anatomie beweist, dass bei atrophischen Augen Netzhautabl;Jsung h~iufig schon da vorhanden ist, wo noch ein recht empfind- licher Lichtschein existirt, dessen diagnostisch entschei- dende Modalitliten wir nur bei der Unsicherheit der Gesichtsfeldpriifung in derlei Fiillen nicht genau eruiren kSnnen. Welter triiben sich die Aussichten, wenn der Lichtschein unter das zukiimmliche Maas herah- gesetzt ist. Wit wissen, dass sich dies dutch optische Hindernisse nicht mchr erkliiren liisst, da wir unsere Schiltzungsmethode aui" denjenigen Eindruck basiren, welchen das Licht durch die Sclera hindurch auf die Netzhaut ausiibt, mithin auf ein Maass, welches yon allen optischen Stlirungen ia den brechenden Medien unabh'angig ist. Eine noch gdissere Herabsetzung des Lichtscheins muss direct aus Gebrechen der Netzhaut bczogen werden. Diese kiinnen entweder wurzeln in der Ansammlung eiuer subretinalen Fllissigseit, oder in

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einer ZerstSrung der nervSsen Elemente seitens der

contiguirlichen inneren Aderhautfl~che, oder endlich in

der Atrophirung der Faser- und Ganglienschicht, wenn

nfimlich, w~ihrend einer fffiheren, mit Spannungsver-

mehrung gepaarten Krankheitsperiode, Sehnervenexca-

rat ion entstanden war. Drittens kann die Prognose

herabgesetzt werden dutch die Beschaffenheit der Cor-

nea, welche hilufig an atrophirten, mit Iridocyclitis be- " ~ " hafteten Augen, ihre optische Glelchartl~kelt verliert,

selbst wenn sic kcineu subsiantiellen Infiltrationen

unterlegen ist. W~hrend das Areal sich verkleinert

und die Kr[ immung sich abflacht, gleicht die Hornhaut

mehr und mehr einem nur m~ssig durchscheinenden

Knorpel.*) Besonders ungiinstig wird auch deren Be-

schaffenheit, wenn sich an verschiedenen Stellen Ver-

15thungen mit der Iris gebildet haben, auf deren histo-

|ogische Eigenthiimlichkeit I ) o n d e r s in neuerer Zeit

die Au~merksamkeit gelenkt hat. Dennoch muss

man bei ger ingerem Grade dieser Hornhautver~n-

derungen die Hof ihung nicht aufgeben, denn es ist auf- fallend zu sehen, in wie erfi'eulieher Weise solche Horn-

h~iute ihre optischen Eigenschaften wieder erlangen,

wenn naeh gliieklicher Wiederherstel lung einer Pupillar-

5ffnung auch der intraoculare Druck sich wieder bis

*') Es erkl~irt sich diese Ver~nderung wohl zum Theil direct aus dem verminderten Drucke, zum Theil aus der ungeniigenden Dureh- tr~nkung tier Hornhaut mit einem sp~irliehen und pathologisch ver- ~nderten Humor aqueus. Ist doeh unter diesen Umst~nden die vordere Kammer dem intraoeularen Druek, welcher sich nur his zum Septum der iritischen Schwarten ausdehnt, g~inzllch entzogen. ]]ndlieh mag auch eine ]~rn~hrullgsstiirung der tieferen Hornhautlagen, dutch die Verwieklung der Ciliartheilc in dem Prozess bedingt, sieh betheiligen. Es ist schon seit geraumer Zeit hervorgehoben worden (Arlt), dass bei dem hier beriihr~en Zustand yon Phthisis Corneae gewShnlich dieke Exsudatsehwarten hinter der Iris, welche mit dell Ciliartheilen in Ver- binduug stehen, vorhanden sind.

?*

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zur vorderen Kammer ausdehnt, und der Hornhaut eine bessere Spannung wiedergiebt.

Endlich giebt es eine vierte Categorie yon un- gilnstigen Umst~nden, auf welche ich n~iher eingehen will, da sie eben der Gegenstand neuer und, wie ich glaube, nicht uniruchtbarer Heilversuche geworden ist, ich meine die excessiven Desorganisationen des Iris- gewebe~ selbst.

So lange die Iris bueklig hervorgetrieben und am Pupi]larrande (lurch hintere Synechien zuriickgezogen ist, gelingt es immer, ein genfigendes Stfick zu exci- diren. Ieh babe bereits mchrs urgirt, (lass es lediglich Fliissigkeit ist, welche die Iris in der angegebenen Weise hervortreibt. Deshalb eignet sich auch diese vollkommen gut zur Faltenbildung, und die einzige Schwierigkeit liegt bei den engen, oder zuweilen auf- gehober~en vorderen Kammern, die sich hier bietem in der Anlegung des Schnittes - - eine Schwierigkeit~ welche sich dutch eine richtige Technik fiberwinden l~isst. Die hinter der Iris lagernde Flfissigkeit str~imt bei der Pupillenbildung heraus und die Iris goht in ihre Fl~iche zurlick, selbst wenn nicht die Buckel selbst, sondern benachbarte, passender seheinende Abschnitte ges wurden.

Analysiren wir die unter solchen Umst~inden gebilde- ten Pupillen, so finden wir dieselben allerdings in der Re- gel nicht optisch musterhaft. Z,m~ichst lassen wir mit'Ab- sicht den Sphincter oder einen Theil desselhen, welcher mii der Linsenkapsel lest verl~Jthet war, stehen. Nur da wo die Verbindungen noch nachgiebig sind, ist es erlaubt, anders zu thun. Meist sehen wir bei dem An- ziehen der Iris eine bedeutende Spannung eintreten, die sich his zur gegenfiberliegenden Peripherie fort- pflanzl, und nur vorsichtig his zu einem gewissen Grade gesteigert werden darf', ohne der Gefahr einer I,'idodialyse

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oder Ruptur der Zonula (an der gegcnfiberliegenden Seite) auszusetzen.*) Wir begnfigen uris alsdann da- mit, ein Fenster in dem Irisgewebe zu bilden, welches von dem natiirlichen Pupillarbereich durctl die BrSeke des Sphincters und der damit verbundenen Exsudat- schwarten geschieden ist ( D e s m a r r e s ' s Iridorhexis). Ferner ist der neugewonnene Pupillarraum, namentlich in seinem inneren Abschnitte, yon mehr oder weniger Resten des Pigmentblattes eingenommen. Dieses war durch exsudative Fli~ssigkeit yon dem Gewebe der Iris losgel~;st und musste sonach bei der gewShnlichen Technik des Fassens stehen bleiben.

Trotz allcdem wiederhole ich, dass derartige F~lle nicht zu den ungfinstigen get~Sren. Es sam- melt sich gewShnlich keine neue Flfissigkeit wieder an, die Communication zwischen der hinteren und vorderen Kammer bleibt hergestelh. Auch bildet das Pigmentblatt nut ausnahmsweise ein continuirliches optisches Hinderniss, welches eine neue operative Abhiii'e erheischt; meist ist der peripherische Theil der Pupilie ganz frei oder zeigt wenigstens freie Lficken, die ffir ein mittleres Sehverm~Sgen ausreichen. Endlich beobachten wit bier nach der Operation nicht wieder neue entzi]ndliche Wu('herungen an der hinteren Fl/iche der Iris. Ich bin fiberhaupt geneigt, bei solchen

*) Man darf sieh die in diesen Fi~llen bestehende Syneehia posterior totalis nieht blos als den Pnpiliarrand behaftend vorstellen; es ist ge- wShnlich tier kleine Iriskreis ia einer Breite von ~" ' und dariiber durch PigmenLschwarten mit der Kapsel verlSthet. Wird nun diese Zone an irgend einem Punkte gefasst und pheripheriseh verzogen, so wird nieht die get~ste Stelle yon der Capsel abgelSst, wiihrend der tibrige ver- waehsene Ring unter einer entspreehenden Dehnung relativ in situ bleibt, sondera es ~ird, well liings dieses Ringes die stih.ksten Coh~iren- zen sind, das ganze :Pupillargebiet his gegen die Wunde verzogen, we- dutch nothwendi~ eine bede~ltende Spannung in dem gegeniiberliegen- den Theil dor Iris und aueh der Zonula eintreten muss.

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Ansammlungen yon Fliissigkeit hinter der Iris den eigentlich iritischen Prozess als abgelaufen zu betrach- ten und all die weitern Umbildungen des Auges ledig- lich als Folgezust~nde des Pupillarabschlusses anzusehen.

Diesen F/illen gegeniiber mSchte ieh nun iene stel- len, in welchen nach erfolgtem Pupillarabschluss keine Fliissigkeit die Iris hervorbucbtet, sondern ein conti- nuirliches Gewebe wuchernder Pigmentschwarten die- selbe iiberall in Contiguit~it mit der Linsenkapsel erh~ilt. Im Verlaufb chronischer Iritis beobachten wir zwischen beiden Krankheitsformen Ueberg~inge. Alsdann stellt die letzterwiihnte Form alas sp~tere Stadium dar. Die nrspriinglich hinter der Iris angesammelte Fliissigkeit wird resorbirt i mit ihr schwindet die Erscheinung der characteristischen Buckel und es tritt nun wieder eine enge Verfilzung des Irisgewebes mit dem entziindlich wuchernden Pigmentblatt ein. Auf der andern SeRe kann sich der letzterw~ihnte Zustand auch ohne voraus- gegangene Flfissigkeitsansammlung direct aus der cir- cul~iren hinteren Syneehie*) bei fortspinnendem iriti- schen Prozess entwickeln. Das Irisgewebe bekommt mehr ein straffes ausgespanntes Ansehen, wobei dennoch das Faserwerk undeutlich wird; die obwaltende Ver- f/irbung desselben ist theils auf diffuse Triibung des noch restirenden humor aqueus und Atrophie des Stroma- pigmentes, vorwaltend aber auf eine fortdauernde Bei- misehung yon Roth zurlickzufiihren, indem zahh'eiche, mit der Loupe oder auch mit den Augen sichtbare Ge- f~isse die Iris durchkreuzen. Sie ist somit eine wesentlich andere, als in den Ffillen yon Fllissigkeitsansammlungen

*)Ioh werdo yon jetzt ab dem Namen der ,,totalen hintcren Sy- nechie" den der ,,circuliiren" oder ,,ringfSrmigen" Synechie substituiren. Letztere beidon Ausdriicke werden synonym mit ,,Pupillarabschluss" seiu. Die Bezeichnung ,,totale hinterc Synechie" passt mehr ftir den Zustand, wo die ganze hinterc Fl~/che der rrls durch Pigmentschwarten mit der Kapsel verlStbet ist, also gerade fiir die oben zutetzt erw~hnte Krankheitsform.

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hinter tier Iris, in welchen durchschnittlich, mit Aus- nahme einzelner Venen, das Gewebe blutleer und mehr in's Graue verf~irbt ist. Die reichliche Entwiekelung der Gef/isse beruht iibrigens nur zum Theil auf einer activ entziindlichen, zum grossea Theil auf einer mecha- nischen Hyper~imie, insofern n~imlieh durch die Pigment- wucherungen an der hinteren Fl~iche, resp. dureh be- gleitende Affection der Ciliartheile, der ven~se Riickfluss aus der Iris bedeutend gehemmt ist.

In diesen F~illen pflegt ebenfalls die Iris stark hervorgedr~ngt und die vordere Kammer auf ein Minimum reducirt zu werden. Die Hervordr/ingung aber ist hier im Gegensatz zu .jenen Fiillen, nicht eine bucklige, sondern totale, der Pupillarring ist nicht nabel. f'drmig zuriickgezogen. Indem n~imlich eine solche Iris und auch wohl die Ciliarfirsten wenig Humor aqueus mehr transsudiren lassen, riickt das Linaensystem und die damit verbundene Irisfl~ictle, dem intraocularen Drucke weichend, gegen die Cornea vor. Endli('h ist bier der Process der chronischen Iritis keineswegs als erloschen zu bctrachten, es ist eine fortw~ihrcnde ent- ziindliehe Wucherung an der hinteren Fl~iche vorhanden, welche sich auf die Ciliartheile fortspinnt und eine ganz unbestimmte Dauer hat.

In solchen F~illen erreichen wit ebenfalls durch die Pupi]lenbildung zuweilen einen Erfo]g, und zwar nach der im Eingange erw/ihnten Weise, aber es ist dies beinahe die Ausnahme, ja es wird vollends unm6glich, wenn der Wucherungsprozess eine gewisse Gr~inze, die sich sehr schwcr fixiren l~isst, iiberschritten hat. Von einem Faltengeben ist bet einer ersten Iridectomie keine Rede, wir zupfen miihsam mit der Pineette ein Stfick Gewebe aus, woraui bet der reichlichen Vascu- lai'isatinn und d:er geringen HShe des intraocularen Drucks ein Bluterguss entsteht, den wir selbst durch

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den Druekverband nur unvollkommen zu beschrtinken im Stande sind. Das Schlimmste aber ist, dass der chronische Reizzustand hier nicht erlischt, und dass sich an die erste Pupillenbildung nicht .jene erwfinschte Ver - besserung des Irisgewebes kn~Jpft,'wie wir sie in anderen Ftillen beobachten. Der Grund hiervon liegt ebea darin, dass wir ein e n t z f i n d l i c h w u c h e r n d e s p i g m e n t i r - tes G e w e b e h i n t e r d e r I r i s ztarlicklassen , und das- selbe sogar durch die Technik der Operation nut's Neue anreizen. Desgleichen kommen wit bei Wiederholung der Pupillenbildung in den optischen Zweckcn nieht wetter, ia es geschieht, dass die angebahnte Atrophia bulbi mehr uad mehr zunimmt und die Sache einen vSllig despe- raten Character annimmt. So mussten h~iufig Augen au/'gegeben werden, welche, bet einem noch m~issigen Grade ,,'on Atrophie, eines guten Lichtscheins und einer guten Fixatio~a genossen, selbst die Bewegung einer Hand erkennen und richtig localisiren konnten, mithin jedenfalls eine ziemlich normal fungirende Netzhaut enthielten, well es nicht m~3glieh war, den optischen Hindernissen beizukommen. Solche Thatsachcn waren f'dr reich eben so deprimirend, als jene ungliicklichen F~ille yon Staphylomen, nach deren Abtragung die Pa- tienten, so lange ein offenes Loeh in dem Narben- gewobe existirt, Gegensttlnde und selbst Schrift gut per- cipiren kSnnen, und in denen es doch his jetzt noch keiner menschlichen Kunst gelungen ist, etwas Dauern- des zu erreichen.*)

Alle Heilversuche in derartigen F~illen yon Irido- cyclitis mt~ssen nicht die blosse Enffernung tier Iris,

*) Ieh operirte einen solchen Patienten, der, als das Loeb ungcf'~hr 1 m Diamoter hatto, sich nicht blos vollkommon fret orientiren, sondern Schrift hrr. 14 pr.:ieise, lit. 11 der J/i g e r 'schen Proben etwas unsiehor losen konnte. Der Glaskti,per drfingte sit~h mit eincr kleinen stark convexen ~'liiche in (tie Oeffnuug hinein, dem entsprechend hatte das Auge ~uch einen

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sondern die gleichzeitige Entfernung der hinter der Iris liegenden Exsudatschwarten erstreben. Es ist wohl leicht ersichtlich, dass die Iridectomie, mit Beibehaltung der iiblichen Technik zu diesem Zwecke unzureichend ist. Das Fa~sen mit der gekrfimmten Pincette beruht darauf~ dass beim Spreitzen der Pincettenbranchen die Iris sich faltenartig in den entstehenden Zwischen- raum legt. In den gew5hnlichen F~illen ist sie hierzu gewissermassen gezwungen. Wenn der humor aqueus, theils nach der Punction, theils w';ihrend des Liiftens der Wunde mit der Pincette, recht vollkommen abge- flossen ist, so existirt zwischen Linsensystem und Cornea eben nichts als Iris, und dieselbe legt sich nothwendig zwischen den Pincettenbranchen an die Cornea oder, was gleich viel heisst, sie bildet zwischen den Branchen eine Fahe, welche sich bei iedem geeigneten Schluss fassea l~isst. 6anz anders verhtilt sich die Sache da, wo straffe Exsudationsschwarten die Pigmemfl';iche der Iris mit der vorderen Kapsel verl~then. Hier ist eine Faltenbildung unm6glich; es miisste.ja, ganz abgesehen yon der unnachgiebigen Besehaffenheit des Gewebes, der entsprechende Absehnitt des Linsensystems selbst sieh aus seiner b'l~iehe erheben. Das zwisehen den Pineettenbranchen entstehende Intervall wird bier ent- weder dureh Ltffteintritt ausget~llt, welchem bei dem geringen inneren Druck dieser Augen nichts entgegen- steht, oder dureb Blutaustritt, ffir welehen die erweiter- ten tibet' das Niveau hervorspringenden Gef:asse schon bei der ersten Beriihrung mit den I)ineettenbranchen " einen geeigneten Quellpunkt abgeben. Demnach bleibt aueh das Schliessen der Pincettenbranchen, nach den

stark kurzsiehtigen Bau. ~s waren die ersten Lichteindriicke, die der anne Patient skit 15 Jahren gehabt und welche t the sie naeh einigen Tagen unwiederbringlieh seh~vanden, nut zu einem riihrenden. Wieder- erkennen der AngehSrigen benutzt wurden.

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gewShnlichen Regeln ohne Erfolg; richten wit das Instrument etwas steiler, so gelingt es wohl mit Gefahr Fdr die Linse eirfige Fetzen aus dem Gewebe der Iris herauszunehmen, dies erfiillt jedoch keineswegs das vorgesteckte Postulat.

Der Hinblick auf solche Nichterfolge lenkte nati]rlich das Streben auf einelVerbesserung des Instrumentenappa- rates und rief schonfrfiher die verschiedensten Erfindungen zum besseren Fassen der Iris hervor. So sehr ich nun hin- sichtlich der Mechanik einen Theil dieser Erfindungen bewundere, so muss ich doch meinen friiheren Aus- spruch wiederholen, dass es kein brauchbareres Instru- ment, um miiglichst in die Tiefe zu greifen, giebt, als eine gut gearbeitete gerade Hakenpincette. Wenn diese den individuellen Verh~iltnissen gem~iss richtig angesetzt wird, so greift sie, was sich irgend, ohne das Linsen- system zu verletzen, greifen l~isst. Alle mit Haken- apparaten verbundenen Instrumente wirken hier un- vermeidlich gegen die mit den iritischen Schwarten ein Continuum bildende und ausserdem meist nach vorn geriickte Linsenkapsel. Mit tier geraden Pincette ist es mir nicht selten gelungen, grosse Fetzen der an der hinteren [risfl~iche haftenden Membranen mit herauszu- bringen, und es beziehen sich eben die gliicklichen Re- sulfate der methodisch wiederhohen Iridectomie, auf welche ich in meiner frliheren Arbeit, so wie in dieser Notiz mehrfach anspielte, auf den Gebrauch der gera- den Pincette. Ist einmal in den Schwarten ein Loch entstanden, so haben wir, selbst wenn sich dasselbe zum gr~issten Theil schliesst, fiir die n~ichste Operation ein welt leichteres Spiel. Allein es liisst sich nicht l~iugnen, dass auch der energisehe Gebrauch der gera- den Pincette h~iufig fruchtios bleibt, wenn wit nicht dem ManSver eine Energie geben wollen, welche die Linsen-

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kapsel gefilhrdet. Immer laufen die Betrachtungen, wie wit sehen, auf dieses Dilemma zuriiek.

]m Sommersemester 1858 kam eine Frau naeh Ber- lin, weiche i(:h selbst zwei Jahre ii'iiher linkerseits an Cataract extrahirt. Patientin hatte damals, gut sehend, abet yon Heimweh getrieben; etwas friih unsere Stadt verlassea und war kurz nach ihrer Heimkehr yon einer ohne Zweifel iritischen Entziindung befallen worden. Verkehrter Weise war diese Entziindung lange mit ilrtlichen Reizmitteln behandelt worden nnd hatte end- lich zum vollkommenen Verlust des wiedererlangten Sehvermilgens gefhhrt. Das Auge b o t d e r erneuten Unte,'suchung ein sehr omin~ses Ansehen: m]issige Atrophia bulbi, die Iris straff, deren Faserwerk sehr verwischt, r i i t h l i c h - g e l b verf~irbt durch z a h l r e i c h e G ef~iss e, iirtliche Empfindlichkeit der Ciliartheile, die Pupille durch eine oi)ake Membran geschlossen, dabei der Lichtschein gut, die Fixation nngenau, aber doch nach allen Richtungen angedeutet. Der Versuch einer Pupillenbildung schien troiz der sehr desorganisirten Iris angezeigt. Nach einer ger~iumigen Punction wurde die Cornea etwas runzlig, der humor aqueus floss, wie es bei solchen Augen aus bekannten Ursachen geschieht, sehr ,mvollst~indig aus. Ich fiihrte die gerade Pincette ein, allein schon bei tier ersten Berlihrung mit tier Iris entstand eine reichliche Blutung. Auch iiberzeugte ich reich, ohne einen Versuch znm Fassen zu maehen, dureh blosses Andrficken der geschlossencn Pincette, yon der Siraffheit der entarteten Iris; ich glaubte dem- nach nichL dass sich dieselbe in geeigneter Weise der Pincette bieten wlirde. Da hier kein Linsensysiem mehr vorhanden war, so ergriff ich einen grossen schar- fen Haken, dessen Spitze nur wenig zuriiekging und sehlug denselben durch die in der Pupille befindliche Exsudatm~,mbran dutch. Beim Anziehen, welches einige

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Gewah erforderte, bildete sich ein kleines freies Loeb, durch welches der GlaskSrper naeh der vorderen Kam- mer heriibertrat und das ausgetretene Blur seitlich ver- dr~ingte. Die runzlige Cornea war auf der Stelle wie- dec glatt und ausgespannt, offbnbar wail nun dec inhere Augendruck sic wieder erreichte. In die entstandene Liicke fidhrte ich einen etwas kleineren, aber in sich zuriiekgebogenen (Fass-) Haken eiu und entfernte mit demselben ein sehr volumin5ses Couvolut von .pigmen- tirten Sch~'arten, welches nach vorn mit der Iris, nach hinten mit einer cataracta secundaria eng zusammen- hit~g. Das optische Resultat liel recht befi'iedigend aus, da Patientiu allein gehen und grSbere Schrih lesen lernte.

An diese Operation schlossen sich noch im Ver- laufe des Jahres 1858 zwei unter analogen Umstiinden und auf dieselbe Weise vollflihrte an. Diese Ffille wa- ren mir besonders deshalb instructiv, well ich friiher ganz/ihnliche Augen mit der Pincette angegriffen hatte, ohne der Schwarten habhafi zu werden. So vie[ war mir klar, dass man nach enfferntem Linsensystem durch das kiihnere Durehschlagen der Membranen unendlich mehr erreichen kiinne, als bei dem iiblichen, durch die Gegenwart des Linsensystems fiir die Iri- dectomie gebotenen Mechanismus.

Aug der anderen Seite wies reich die Betrachtung der sich irgend darbietenden mmtomischeri Pr/iparate immer mehr auf die wirkliche UnmSglichkeit, attsge- dehnte und entzfindlich wuchernde Pigmentschwarten ohne Get'~ihrdung des Linsensystems zu entfernen. Die Adh~irenzfl~ichen sind hier zu ausgedehut und die SprS, digkeit der vorderen Kapsel zu gross, um eine giinstige LSsung der Schwierigkeit erwarten zu kSnnen.

Endlich neigte ich reich auch zu der Ueberzeugung, dass das vorgerSekt% gegen die hintere Fl~iche der

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Iris andr~Pnde Linsensystem wenigstens in manchen F~illen einen direct naehtheiligen Einfluss aui' den ent- ziindlichen Prozess aus~ibe. Wo secund~ire Cataract- bildung eingeleitet, ist schon dutch die Volumszunahme der vorderen Corticalis, welche gerade in den hier zu Stande kommenden Formen eine erhebliehe zu sein pfiegt, .jene Reizwirkung leieht erkl~irlich, aber; selbst abgesehen yon der Cataractbildung, kann ich reich einer solehen Ueberzeugung nicht entschlagen.') Bet ausgedehnten Verliithungen mit der Hinterfl~iche tier Iris hat das Linsensystem nicht bloss eine passive Bedeu- tung; es finder zwischen der wuchernden Pigments(.hicht und der Schicht der intracapsul~ren Zellen dm'ch die Linsenkapsel hindurch offcnbar ein Stoffaustausch start. Es ist l~ingst bekannt und yon mir selbst, so viel ich weiss, zuerst histologisch erwiesen worden, dass sich an .jeden umfangreichen Auflagerungsprozess aui die vordere Kapsel soFort vine Erkrankung in dem ent- spreehenden Bereich der intracapsul~iren Zellen an- sehliesst, und dass hierauf gewisse Formen yon intra- eapsul~iren Tr[ibungen bet Irifis, ferner auch yon Kapsel- staaren, die zum Theil wieder verschwinden k~innen, bcrnhen. Auch in umgek*ehrter Richtung diirfte hier cine Einwirkung zu statuiren sein. M~glich bleibt es freilich, dass (tie Lagenver~indernng der Linse allein den Grund abgieht. Da bier seitens des Kammerraums kein positiver Gegendruck mehr wirkt, so wird das Linsensystem durch den in dan hinteren Theilen obwal- tenden Dru(.k wirklich gegen die Iris gedr~iugt. Endlieh ist es nicht zu leugnen, dass, abgesehen yon diesem Andr~ingen~ das blosse Vorhandensein einer gestiiizten Untel'lage bet solchen Exsudationsprozessen die Bildung

'~) Ich hege hier eine ganz ~hnliehe Ansicht iibcr die Wirkung des Linsensystems, wle bet Staphylomen (s. A. f. O. Bd. IV. Abth. 2. pag. 158.

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organisirter Produkte bef'drdert. Wo Zellenwueherung an ()berfl~ichen start findet, die in Flfissigkeit gebadet sind, werden die jfingeren Formen leiehter abgelSst, w~ihrend sie bei Contiguit~it einer derartigen Fl~ehe auf ihrem Entstehungsboden zuriickgehalten und zu einer befestigenden Organisation disponirt werden.

Auf" d i e s e Grf inde und E r f a h r u n g e n ge - stf i tzt , h a b e ich mich e n t s c h l o s s e n , in s o l c h e n F~illen c h r o n i s c h e r I r i t i s lind I r i d o c y c l i t i s , in d e n e n e ine a u s g e d e h n t e B i l d u n g v o n P i g m e n t - s e h w a r t e n an der h i n t e r e n F l ~ i c h e d e r I r i s s t a t t f in( le t , des L i n s e n s y s t e m zu e n t f e r n e n , und e r s t n a c h desser t E n t f e r n u n g die B e s e i t i g u n g d e r Ir is s a m m t den E x s u d a t m e m b r a n e n zu er- s t reben . Wie es nun immer geht, dass man mit neuen Verfahren, zu welchen noch das reehte Zutrauen mangelt, anF~inglich k~rglich umgeht, dieselben auf die allerver- zweifelsten F~lle beschr~inkt, so babe ich auch des er- w~ihnte Verfahren urspriinglich nut da angewendet, wo ieh selbst bereits ein odor mehrmals den Versuch einer Pupillenbihlung vergeblich gemacht. Dass es eben in sol(hen F~illen dennoch zu einem relativen R~sul/ate geFdhrt, war fl]r den Werth desselben desto bewei.- sender. Jetzt bin ich bereits liberaler damit umge- gangen, und rathe, es yon vorn herein in Gebrauch zu ziehen, wo voraussichtlich kein Erfolg yon der Pupillen- bildnng, selbst yonder methodisch wiederholten Pupillen- bildung zu erwarten ist.

Wie ist nun des Linsensystem unter den fraglichen Umst~inden zu entfernen~ Die Idee eines linearen Sehnit- tes muss aufgegeben werden, da es sich vor Allem um vollst~indige Beseitigung des LinsenkSrpers handelt. Zu- riicklassen yon Fragmenten dfirfte, naeh ErSffnung der Kapsel, bier ganz besonders gef~hrlieh sein, da derlei Fragmente eine direete und vielleicht grSssere Reiz-

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ursache fiir die hintere Flliche der Iris dartfieten wDr- den, als das in einer Kapsel eingeschlossene Linsen- system. Ferner denken wir nieht an eine eataract~;se, sondern an eine noch ungetriibte Linse, fiir welche die Linearextraction a priori nicht passt. Ausserdem ist der Austritt des LinsenkgJrpers aus solchen hugen relativ erschwert. In der Regel findet eine sogenannte Kapsel- verdickung, o&,r, riehtiger gesagt, eine ~Vucherung der intracapsfil~r,,n Zellen statt, welche das iibliche Aus- einanderweichen tier Kapselzipfel hindert. Endlieh ge- ben die vor der Linse liegenden pigmentirten Sehwar- ten ihrerseits ein Hinderniss ab. Unter solchen Ver- hiiltnissen ist ein freies Aufklappen der tIornhautwunde um so dringender erforderlich.

Ein Bedenken, welches sich sehr natiirlich gegen den Lappensehnitt aufdr~ngt, liegt in der Gef~ihrlichkeit desselhen bei so tier erkrankten Augen. Aueh ich habe dies Bedenken lange gehegt, und mich dadurch zuriick- halten lassen. Allm~ihlig abet hat sieh die sonderbara Thatsaehe ergeben, dass die Gefahren des Lappen- schnittes an solchen mit Iridocyclitis behafteten, mehr oder weniger atrophischen Augen geringer sind, als an normalen. Freilich sind dis betreffenden Individuen racist nicht dem vorgeriickten Alter angeh5rig, was fiir (tie Prognose des Lappenschnitts schwer in dis Wagsehale f~illt, allein diese Erkliirung ist sicher ungeniigend; denn schon die kurze Dauer der Reizbarkeit unterseheidet sich yon der nach Lappenextraetion gewohnten, selbst die iibliehen Vorsichten sind nur in geringerem Masse nach der Operation erforderlich. Verschiedene andere Factoren k~3nnen hier zusammenwirken. Das Hornhaut- gewebe selbst mag din'oh die anhahenden Hyperlimien der Ciliartheil~ an8er~ Ern~ihrungstendenzen bekom- men haben; Oblitteratiort gewisser Gef~sbereiche meg

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die Disposition zu eitrigen Entzfindnngen erttSdtet und der anhaltende innere Reiz fiberhaupt die Reizbarkeit gegen operative Eingriffe verringert haben i endlich mag der herabgesetzte intraoeulare Druck ein g~]nstiges Mo- ment abgeben. Wie wit auch hierliber denken, so glaube ich iedenfalls die Thatsache verbiirgen zu k~n- nen, dass ,tie Tendenz zu sl~ppurativen Entziindungen an diesen Atigen eine sehr geringe ist. Ieh babe bis jetzt noeh keine Vereiterung zu beklagen gehabt, ob- wohl die Zahl der Operationen sieh iJber 20 erhebt. Eine Bfirgsehafl Fdr die Zukunft liegt natfirlich in dieser Zahl nieht, allein sie mag doch fiber die grSbsten Be- denken hinweghelfen.*)

Ich vollfilhre den Lappenschnilt hier, wenn die Ver- h~iltnisse der I-Iornhaut es zulassen, nach unten. Wenn es sieh thun lgsst, vermeide ieh die Iris mit dem Staar- messer zu verletzen. Ist dieselbe aber stark hervor- gedr~ingt, so gehe ieh mit dem Staarmesser, wie

~') Auch an Augen, welehe neben Cataract mit particller oder cireuliirer hinterer Synechie behaftet sind, schcint die Tendenz zur Suppuration ehcr geringer zu sein. Ich finde in mcinen Notizbfichern viele derartige 0perationen vcrzeichnet, alle an {ilteren Individuen, ohne dass einmal eine Suppuration erfolgte. Wir miissen jedoeh gestehen, dass der Vergleieh gegeniiber dcr einfachen Lappenoxtraetion kein reiner ist. Denn ich verrichte stets in solehen F~illen gleichzeitig oder vor der Extraction ein Colobom naeh dcm Scheitelpunkt des Sehuittes bin, wodurch offenbar ein grosser Yortheil in Betrcff der Quetsehung der Iris gew/ihrt wird. Ein solehes Colobom geniigt in den einfachen Fiillen hinterer Syneehle mit Cataract vollkommen, so dass ieh nie zur Wenze l ' s ehcn ]~xcision zu fliichten brauchte, Die Thatsache, dass 0perationcn an solchen Augen gew~hnlich gut ablaufen, glaubte ich gelegentlich bier erw':ihnen zu miissen, well yon vielen Fachgeuossen die Prognosc /lbertriebcn bedenklieh gestellt wlrd. Ich finde iibrigen~ sehon bei W-en~ol eine ganz eongruirende prognostlsehe Ucbemeugung verzelchnet, weicher tin seincm Manuel de l'oouiiste (Paris 1808) Tome I. pag.:142 eagt~ ,,En effet je n'ai jama:s vii q r , ' ~ n de tea symptomes air nui an. su~oes, d~ l'opgration et aitf oceasiof~ ][:es suites funestes, qu'on obser-~A dsn~ fop~ration de la e a t a r R o f ~ . . . ~ '

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We n z e I es bei seiner Operation der Cataracta adh~irens that, dreist hindurch. Im letzteren Falle ist gewShn- lich die Kapsel schon geniigend erSffaet, um das Linsen- system bei der kunstgerechten Manipulation austretea zu lassen." Ist dies nicht der Fall, oder wurde iiberhaupt die Iris geschont, so gehe ich entweder mit einer gera- den Pincette oder mit einem ziemlich grossen, nicht in sich zuriicklaufcnden H~ikchen ein, und entferne yon der Iris und den Schwarten so viol, resp. reisse beides so welt ein, dass sich die Linse ausdrlicken l~isst. Ich bestehe auf mSglichst vollst~ndige Entfernung dersel- ben. Dagegen sehe ich nicht darauf, dass bei dieser crsten Operation irgend ein guter Pupillarraum gebildet wird. Es ist dies auch in der Regel unmSglich, wenn man nicht etwa dureh ungestlime Tractionen sich der Gefahr einer Dialyse aussetzen will. Nach der Extraction lege ich einen Druckverband an, der anfangs fester, dann allm~ihlig lockcrer gehalten wird. Die Reaction pflegt gering zu sein, so dass die Patientcn nur einige Tage im Bett, 5--7 Tage im dunklen Zimmer zubringen. Obwohl in 2 F~illen die Lagerung der Wunde sehr un- vollkommen war, sofern die an mehrerea Stellen mit der Iris verwachsene Hornhaut sich schrumplich zu- sammenzog, so habe ich doch auch hier keinen Iris- vorfall beobachtet, was gewiss auf die geringe Hiihe des intraocularen Drucks zu beziehen ist.

Ein eigenthfimliches Ph~inomen nun, welches in den meisten F~illen hervortrat, ist, dass sich nach dieser Linsenextraction bereits der Zustand der entarteten Iris wescntlich bessert. Ein deutliches Hervortreten des Faserwerks land allerdings nur in den F~illen start, we die Entartung noch nicht zu vorgerilckt war, aber such in den anderen ging die u tier Iris, insonder- heir die Hypervascularisation derselben in einer auf- fallenden Weise zurfick. I'tieran schloss sich iiberhaupt

Archly fdr Ophthalmologle. VI. 2.

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eine griissere Durchscheinenheit des ganzen die Iris substituirenden membranSsen Tractus. Die vordere Kammer wurde moist etwas welter; ob dies auf eine wiedereintretende Absonderung yon Humor aqueus oder darauf zu beziehen war, dass~ nach entferntem Linsensystem, GlaskSrperfliissigkeit durch imperceptible Lficken der Pigmentmembranen hervordrang, bleibe dahingestellt. Bei einigen Patienten wurde der Licht- schein bereits erheblich heller, bei anderen blieb er in statu quo. Die Ciliarneurose war ebenfalls mehrfach bedeutend verringert. Blutungen in die vordere Kammer iiberliess ich bei sanfiem Druckverband der spontanen Aufsaugung, welehe in • F~illen mehrere Woch~n aut sich warten liess, aber dann vollstiiaitig einti'at.

Gewiss sprechen diese Ergebnisse for die oben hin- gestellte Ansicht, dass das Linsensystem, wenngleich noch durchsichtig, als solches einen nachtheiligen Einfluss iibt. Wie k(innten wir anders uns derlei Besserungen nach einem Eingriffe erkl~irea, der an sich doch gewiss ungiinstig auf den Prozess wirken miisste.

Vier, sechs bis acht Wochen nach tier Extraction schreite ich nun zu dem definitiven Act der Pupillen- bildung; ich mache einen ziemlich weiten linearen Schnitt und verfahre ganz so, wie in jenen oben citirten Fiillen yon Pupillarverschluss mit Irisdesorganisation nach einer frfiher vollf'dhrten Cataractoperation. Es wird ein grosses, scharhspitziges Hilkchen senkrccht dutch den Tractus der Membranen hindurchgeschlagen. We~m beim An- ziehen des Hiikchens sich eine reine schwarze Pupille yon mittlcrer Gr~sse zeigt und corpus vitreum in die vordere Kammer dringt, so halte ich die Dilaceration s ausreichend. Ist dies nicht der Fall, so muss nach- triiglich mit einem in sich zur[icklaufenden (Fass-)

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Hiikehen, oder mit einer geraden Pincette Luft gesehafft werden. Desgleichen ist dies nSthig, wenn sich in der neu gebildeten Pupille ein Nachstaar zeigt.

Erfreulich nach diesen Operatinnen ist die bessere Spannung der Cornea, welche ich zuweilen yon ciner wahrhait elenden Abplatttmg (phthisis eorneae) zu einer ganz ansehnlichen Kriimmung, bei guter Durchsichtig- keit, zuriiekkehren sah.

Ich habe begreiflicher Weise fiir die so gebildeten Pupillen dis Besorgniss einer sl)~iteren Verwachsung gehegt. Es freut reich, dass gerade in dieser Beziehung sich der namhafteste Unterschied gegen diejcnigen Pu- pillen zeigt, welche ohne vorherige Etufernung des Linsensystems gebildet waren. Nachdem einmal die Liicke vollkolnmen frei geworden ist, und dem Glas- kSrper Durchlritt gestattet hat, scheint es nicht ]eicht mehr zu der Bildung orga,fisationsf~ihiger E,~tziindungs- produkte zu kommen. Dis weitere Erfahrung muss natSrlich hieriiber entscheiden, allein so Viel steht fiir mich schon heute lest, class man durch (]as genannte Verfahren in verzweifelten F~illen yon Iridocyclitis um cinch Schritt welter gelangt ist, als durch die ti'iiher (ibliehen Operationsweisen. In soferu zSgere, ieh nicht, schon }mute, nach einer kaum achtmonatlichen Beob- achtung, dasselbe der Oeffelltlichkeit zu iibergeben.

Ich habe den Namen W enze l ' s bereits oben ange- f'dhrt. Er war bekanntlich der erste, der es nnternahm, die mit hinteren Synechien verbundenen Cataracten mit gleichzeitiger Irisexcision durch Lat)penschnitt zu ex- trahiren. Dennoch glaube ich nicht anmaassend zu sein, wenn ich ,]as beschriebene Veri~ahren als ein neues be- zeichne. Die W e n z e l ' s c h e Methode bezweekte l ed ig - lich die Enffernung.von Cataracten, w~ihrend hier in der Regel die Enffernung durchsichdger Linsen vollfiihrt

8*

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wird.*) Die Gesichtspunkte sind fiberhaupt wesentlich

anders, j a die ganze Gruppe yon F~illen, um die as sich

bier handeh, wurde zu der W e n z e l ' s c h e n Zeit hie-

reals Operationen unterwo,'fen, sondern in die Categorie

der atrophischen, desorganisirten Augen gestellt und

sis incurabel betrachtet.

Nathrlich finder auch dieses Verfahren seine hatlir-

lichen Gr~inzen. Dieselben liegen, wenn wir yon den

Zust~inden der Cornea und der tiefcn Augenmembranen

abstrahiren, besoaders in dem Vorhandensein yon Ver-

kalkungen und VerknScherungen hinter der Iris. Aller-

dings lassen sich such solche zuweilen operativ heraus-

bringen, jedoch ohne dass irge,~d ein optisch befrie-

digendes Resultat erw~iehst.**) Ich werde 5brigens nicht

verfehlen, fiber die Indicationen der Operationsweise zur

Zeit die entsprechenden Erg~inzungen zu geben.

Statt einer gr/~sseren Summe yon Krankengesehich- ten , welche diese Abhandlung bedeutend ausdehnen

wfirden, citire ich beispielsweise zwei Patienten, yon

denen der eine kfirzlich Berlin verliess~, dig andere sich

noeh in meiner Klinik befindet.

*) Aus einer Stelle in Wenzel (Manuel de l'oouliste. Tome I. pag. 141.) geht allerdings hervor, dass derselbe bereits an die Entfer- nung durehsiehtiger Linsen bei inneren Entz/indungen gedaeht hat, allein nieht in der Absi~ht, des Entziindungsprozesses Herr zu werden, sondern um einer sp~iteren Cataraetbildung vorzubeugen. Ein soleher Grund wiirdo wohl heutzutage nieht mehr zu statuiren sein, da dureh die Pupillenbildung allein, wo sie mSgiieh ist, die IntegriHt des Linsen- systems meist gerettet wird. Aueh finde ich in Wenzel's Werken keinen Passus, der die Ausfiihrung jenes V?rsehlges bekundet.

~) So entfernte ich bei einem jungen Manne aus Hamburg, tier beiderseits erblindet, aber reehts noch eines gute,1 Lichtscheiaes genoss, aus diesem letzteren Auge eine a,~ der hinteren Fli~ehe der Iris entstandene harte Platte, welehe, yon Dr. Sehweigger untersueht, die untadel- hafteste Knoehenstruetur nachwies, and deshalb in der histologisehen Sammlung unserer Klinik aufbewahrt wird.

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Arbeitsmanu T. aus Kreutz, 29 Jahr alt, kam im Sommer 1859 zu mir, schon l~inger als ein Jahr all Iritis chronica erbllndet. Links war die Iris au einer Stelle mit der Hintcrfl~iehe der Cornea verwachsen, dcren l~aser- werk undeutlich, yon einzehmn gdSberen Ge{~issen durch- zogen, der Pupillarrand zwar gegen dic angr~irizenden Partleen um ein Wenigcs zur[ickgezogen~ aber doch bedeutend vor seiuer natiirlichen Ebene befindlich, die PupiUe selbst dutch eiue opakgelbe Membran, in deren peripherische Zone ebenfhlls Gefiisse eingingen, ge- sehlossen. Dabei eiu m~issiger Grad yon Atrophia bulbi, der Liehtsehein gut, so dass Patient das Uell und Dun- kel einer niedrig brennenden Lampe in 4 bis 5 Fuss uuterseheiden und aueh.die Riehtung einer heller bren- neuden Lampe nahezu angeben konntc. Auf dem reeh- ten Kugc waren mehrere VerlSthungeu der Iris mlt der Cornea vorhauden, letztere ausserdem diffus getrlibt, und die in gleieher Weise wie links entartete Iris stark naeh vorn gedr:~ingt, in der Pupille eine Exsudatmembran, dutch deren Liieken eine sehr weisse, seheinbar verkalkte Cataract zu eonstatiren. Der Liehtsehein war aueh auf diesem huge untadelhaft, aber noeh grosse Reizbarkeit und periodiseh sieh steigernde subeonjunctivale Injection1 vorhandeu, dabei nur eine leiehte hndeutung yon Atro- phia bulbi.

Kurz naeh Aufhahme des Patienten wurde dem- selben auf beiden Augen IHdectomie gemaeht. Es trat linkerseits eiue ziemlieh heftige Blutung ein, welehe sieh sogar in den darauf folgenden Woehen mehrmals wieder- holte. Bei sehiefer Beleuchtung gewahrte ieh Gef~iss- bildung und entzilndliehe Wucherung der im neuen Pu- pillarraum noeh betlndliehen Schwarten. Reehts trat keine Blutung ein, abet der gauze Raum der ncuen I'upille war mit einem wueheruden Pigmentblatt bedeekt. Das Endresultat dieser ersteI1 Operation war sowohl optisch als f'fir das Gewebe der Iris Null. 5 Woehen sp~iter wurde eine zweite .vollzogen, hierbei mit der geraden Pineette so viel als m~glieh yon den Sehwarten gefasst, allein der Verlauf fiel eben so wen{g befi%digeud, als nach der ersten Operation, aus. Dcr Lichtschein blieb beinahe unver~ndert.

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Da ich bier yon der Er[blglosigkeit der wiede, rholten Pupillenbildung fiberzeugt war, beschloss ich die oben beschriebene Methode in Anwendung zu setzen. Am 31. November wurde der Lappensehnitt links nach mlten vollFtlhrt. Die Iris war noch so prominent, dass sie gleich mit dem Staarmesser excidirt werdon musste. Naeh dem Schnitt wurde der tfaken iil der Gegend der natiirliehen Pupille dureh die Exsudatmembran und Kapsel hiudurch- geschlagen und so welt aagczogen, bis eine gewisse Spannung, die ich nicht weiter vermehren mochte, ent- stand. Mit der geraden Piucette thsste ich nuu die ge-. gen die Wunde hiu verschobenen Membran und excidirte so viel, dass die nur leicht getriibte Liuse ausgedriiekt werden konnte. Die Wuadlagerung war nicht sehr voIl- kommen, da der Homhautlappen wahrscheinlich auf Grund der vorderen Synechie sieh etwas faltig zusam- menzog. Es wurde oin Druckverband angelegt. Reaction trat nicht ein. Am 4. T~g(; wurdf: eine gute Verheilm~g consta~.irt, am 10. Tage bei sehiefer Beleuchtuzlg unter- sucht. Das Gewebc tier h'is war etwas bcsser, besonders (lie V~tscularisation gcringer, ciu eigentlicher Piq)illarramn trat nicht hervor, da die durch Entfbrnung der 3fembraa eldstandene Liicke sich wie&~r geschlossen hatte. Da- gegen war die Iris welt weniger prominent. Die Ver- 16thung mit der Cornea schieu mir eine wt~niger breite Basis, und demnach mehr eine zipfelartigo Gestalt zu haben. Der Lichtschcb~ besscrte sich soweit, dass Pa- ticket Finger in niichster N~ihe ziihlen konnte. 4 Wocheu nach dcr Extraction wurde nach attssen und oben, cnt- sprecheud der relativ bestcn tIornhmlfpartie, eine Pu- pille mit der geraden Pb~cette gemacht, die jetzt voll- kommen nach Wunsch ausiicl. D(~r Patient lernte mit diesem Auge Fiuger in 6 Fuss ziihhCu, Buchstab(~n der griissteu Sehrift erkenneu. Dass er es nicht welter braehte, lag an der Besehaffenheit der Cornea, welehe sich naeh den verg(~bliehen lrideetomi(:en noch bedeutend verschleehtert hatte. Reehterseits wurde am 12. December eiu LappensehnJft naeh unten gemaeht und naeh An- reissung der Membranen mit einer geraden Pineette ein ge- sehrumpftes, eataraetgses Linsensystem sammt der Kapsel euttl.wnt. Hierbei entleerte ieh eine m~ssige Qu'ultiNt

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Glaskllrper. Der Lappen zog sieh in einer schr er- schreckcnden Weise zusammen und stand erheblich yon seiner Basis ab. Ich glaubte durch ciue weitere Ent- leerung yon Glask6rper vielleicht eine bessere Lage zu erzielen, erreichte jedoch den Zweck nieht und legte ziemlich besorgt ilber das aufklaffbnde Auge deu Druck- verband an. Naeh 2 Tagen wurde derselbc geliiftetj naeh 4 Tageu das Auge revidirt. Liings dGr Wunde zeigte sich an der Hornhautobertl~iehe ein schmaler Schleimstreifen~ sonst aber night die miadeste Reaction. Auch bier bes- serte sich das IrisgewebG bedeutcnd und der Lichtsehein des Patienten nahm zil, aber dig Hornhaut~ wurdG im Bcreieh des Lappens ziemlieh triibe, so dass ein Rest der dahinter befindliehen, dutch den Glask~irpervortritt er~iffueten Pupille optisch nieht brauehbar war. 4 Wochen sp:4ter machte ieh mit Hiilfe des Hakens eine Iridectomie naeh obcu. Wcgen der ung(instigenVerhiiltnisse derCornea fiel dicselbe etwas kleiu aus und wurde deshalb einige Zeit sp~iter noch einrnal erweitcrt. Das Endresultat fiber- traf noch etwas das des linken Auges und nahm das Sehvermiigen des ])atienten noch stetig zu, als er 6 Woehen nach dGr letzten Operation unsere Stadt verliess.

)Iarie B., 22 Jahr alt~ eiu armes M~idchen aus Westphalen~ kam ebenfalls ira verflossenen Sommer. Das reehte Auge wa r vollstiindig zerst~irt, das linke Auge bereits stark atrophisch~ die Fl~iehe der Iris gleichm~issig hervorgcdr~ingt~ an 2 peripheriseheu Stel- lcn mit der Cornea verliSthet, letztere abgep[attet mid in ihreu tieferen Schichten di~us getriibt. Das Irisgcwebe sehr unkenntlich, jedoch ohue gr~ibere (lePisse, die Pu- pille mit einer noch etwas durchscheinenden Membran gesch!ossen. Paticntin konnte noch Finger in einem Fuss EntfGrnung z~ihlcn, Gesichtsibld ii'ei. Es war an diesem Auge berGits eine kiiustliche Pupille gemacht, die sigh je- doch wiGdcr narbig verschlosscn hatte. Da mir bier noch eine Miiglichkcit vorhaltden schicn, durch wiederholte Pupillcnbilduug zum Zweck zu gelangen, so sehickte ieh reich im Juli des vorigen Jahres zu solcher an. Es wurde so tief gefasst, als mit der geraden Pincette nur mtiglich war, ohne die Linse zu ~,erletzcn, und die ge- wonnenc Liicke schien unmittclbar nach der Operation

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den Erwartungen zu entsprechen. Allein es ging mir nieht besser als meinem Vorg~nger. Blutungen in die vordere Kammer suceedirten sieh, und der Erfolg wurde durch die entziiudliehe Wueherung der Pigmentsehwarten mit narbigem Versehluss der neuen Pupille vollst~ndig annullirt. Ja noeh mehr, es zeigten sieh jetzt gr6bere Gef'~isse in dem Gewebe der Iris, die Atrophie nahm um einiges zu, und der Liehtsehein sank so welt, dass Pa- tientin Finger nieht mehr sicher z~ihlen konnte. Eine an einer anderen Stelle versuehto Pupillenbildung hatte nieht mehr Effect, das Auge bet nun bereits wegen der vielfaehen Triibungen dot Cornea und der Abplattung der letzteren im Allgemeinen einen desperatell Anbliek dar. - - Am 19. Januar d. J. sehiekte ieh mieh zur Lappenextraetion an, welehe bier wegen der Verh~iltnisse in der Hornhaut naeh oben und innen verriehtet wurde. Ieh musste mehrmals mit der geraden Pineette ein- gehen, um t~r die Lime Luft zu maehen. Endlieh trat dieselbe und zwar ia volls~ndig durehsiehtiger Gestalt heraus. Ein Fetzen der Linsenkapsel, welehe mit Auf- lagerung bedeekt war, zeigte sieh in der Wuade, der- selbe wurde ebenfalls mit der Pineette gefasst und so der gauze Kapselsaek herausgezogen. Die Wmadlagerung war hier trot,z der mehrfaehen vorderen Syneehien und Hornhautnarben m~erwartet gut. Die Heilung ging unter dem Druekverband raseh yon Statten. Es zeigte sieh bei dieser Patientin bereits naeh der Linsenextraetion eine erhebliehe Besserung in dem Gewebe der Iris, in der Spannung der Cornea und in der Resistenz des Bulbus. Obwohl ein eigentlieher Pupillarraum nieht siehtbar war, so konnto sio wieder Finger auf einen Fuss z~hlen. Ieh augurirte hieraus bereits giinstig in Betreff der Dieken- dimension der Membranen. Ungeflihr 4 Woehen sp~i- ter maehte ieh naeh aussen und unten einen linearen Sehnitt, f'tihrte den Haken naeh innen und oben ein, und sehlug hart vet einer vorderen Syneehie dutch dieMembran hindureh. Beim Anziehen des Hakens naeh der Wunde er~ffnete sieh ein sehr seh6nes freles Pupillarbereieh, dureh welches Glask~irper in die vordere Kammer hiniiber trat. Ieh bognllgte reich deshalb mit der einfaehen Dilaeeration. Die entstandene Pupille ist beinah central

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und hat eine rund ovale Form, wie ich sie iiberhaupt einige Male unter solchen Umst~nden erhalten habe. Das gauze Auge gew~ihrt ein eigenthlimliches Aussehen: um eine ~iussert befriedigende Pupille herum sieht man die verschiedensten Verwtistungen, in don tietbren Hornhaut- schichten, vordere Synechien, einen Ring der immer noch sehr unkenntlichen Iris+ kurz alle Merkmale des deleffiren Prozesses, der friiher hier gehaust. Die Cor- nea hat jetzt noch bedeutend an Rundung gewonnen. Patientin kann beruits allein gehen, und ist deren Seh- vermilgen noeh in steter Zunahme. Ich bedaure es sehr, bier das Verfahren nieht eher angewandt zu haben, da ich ohne die vo.rangeschickten 2 Pupillenbildungen un- endlich gtinstigere Verh~Umisse, besonders auf der Cornea, vorgefunden h~itte. *)

+) Im Augenblick, wo ich den Druck dieser Abhandlung �9 revidire, ist das SehvermSgen der Patientin durch eine per con- tagium aequirirte conjunctivitis grannlosa wieder gesehw~icht, so dass sie Finger nur bis auf 4 + z~ihlt und sich nicht sicher fiihrt. Die Pupille ist jedoch bei dieser Verschleehterung unbetheiligt, nur die ohnedem so stark bestiirmte IIornhaut dutch dab Leiden erheblicher infiltrirt, hoffentlieh in voriibergehender Weise.