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IS.1 Zeitschrift fiir anorganische nnd allgemeine Chemie. Bmd 19i. 1931 Uber ein wahres Mas der Aggressivitat naturlicher Wasser 1-w ,T. TILLMANS und P. Hriisc~ Ilnter diesein Tit,t:l beschii.ftipt, sicli J. E. ORLOW in Band 191 tlieser Zeitschrift,, s. 87, init dem von J. 'I'II,LMANS und 0. HEURLEIX~) in die Wassercheniie eingefiihrten Begriff tler aggressiven Kohlensaure. Er behaiiptet , daB die Teilung der freien Kohlensaure natiirlicher WLsser in zugehdripe iind in aggressive IG~lilenstiure t,heoretisch nicht begrundet, sei. Er fiihrt itus, daB die aggressive Kohlensaure nicht, nls gemues Ma13 fur die angreifende Wirkung des Wassers dienen konne, weil sie iiichts iiber die Gesc.li\\ indiglieit, des stadtfindenden lngriffs aussagt. ORI~OTV st,ellt nun gewisse realrtionskinetische Ke- tra,chtungen an, am denen er seinerseits ein genaues Ma15 fiir die Aggressivit.i.t nat8iirlichey WLssrr 1ierleiQen will. Die Susfuhrungen O~.r,ow's kiiniien nicht unwidersprochen bleiben. Der in der Wnssercheniie gebrBachliahe Begriff der aggressiven liohlensiure sei a.nch fur die Jdeser dieser Xeitschrift zunachst kurz erl8iitert. Fur die Bestandigkeit einer LGsnng von Calciumbicarbonat in Wasser ist, belrnrintlich die Gegenwa,rt von freier Kohlensiiure er- forderlich. Freie Kohlens&urr wirlrt iii den1 Sinne, da13 C0,"-Ionen weggenommen werden unter Bildung von HCI0,"-Ionen, wodurch da,s Ionenprodukt [CO,"] .[Ca"] lierabgesrtzt' wird. Freie Kolilensiiure virkt a.lso der Uberschreitung des Loslichl~eitsproduktes von CaCO, nnd da.mit seiner Ansscheidnnp entgegen. Uin eine bestimmte Kon- zentration an Calciunibicarbonat, in Lijs~i~ig zii halten, ist eine ganx I?estimmt,e Konzentration a,n freier liohlensiiure erforderlich. Diese IionzentrA,t.ion an freier Kohleiisiiure wnrde fiir die verschiedenen Iioiizentrationeii an C!alcinml,ica,rbonat von J. TILLMANS und 0. HEUBLEIN fur normale Temperetm bestimnit~ uncl in einer Kurve fwtgelegt. Sie legteri ( h e r Iioldensaure den Namen ,,zugehiirige Kohlensiiiire" bei. Erst die 111)~ deli Betrag der xugehorigen Kohlen- sa,im hinausgehende Iiolil~iisBurt.inengeii sind imstande, Irohlen- saiiren Ka,lk nufxnlosen. T)ir Iiohleiiea,uremeiilge, die imst'aaide ist , . ~ l) .T. TrLmraxs (I. 0. HEVI'HLEIS. as. Ing. 1912, 8.5, GG9.

Über ein wahres Maß der Aggressivität natürlicher Wässer

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IS.1 Zeitschrift fiir anorganische nnd allgemeine Chemie. Bmd 19i. 1931

Uber ein wahres Mas der Aggressivitat naturlicher Wasser 1-w ,T. TILLMANS und P. Hri isc~

Ilnter diesein Tit,t:l beschii.ftipt, sicli J. E. ORLOW in Band 191 tlieser Zeitschrift,, s. 87, init dem von J. 'I'II,LMANS und 0. HEURLEIX~) in die Wassercheniie eingefiihrten Begriff tler aggressiven Kohlensaure. Er behaiiptet , daB die Teilung der freien Kohlensaure natiirlicher WLsser in zugehdripe iind in aggressive IG~lilenstiure t,heoretisch nicht begrundet, sei. Er fiihrt itus, daB die aggressive Kohlensaure nicht, nls gemues Ma13 fur die angreifende Wirkung des Wassers dienen konne, weil sie iiichts iiber die Gesc.li\\ indiglieit, des stadtfindenden lngriffs aussagt. ORI~OTV st,ellt nun gewisse realrtionskinetische Ke- tra,chtungen an, am denen er seinerseits ein genaues Ma15 fiir die Aggressivit.i.t nat8iirlichey WLssrr 1ierleiQen will. Die Susfuhrungen O~.r,ow's kiiniien nicht unwidersprochen bleiben.

Der in der Wnssercheniie gebrBachliahe Begriff der aggressiven liohlensiure sei a.nch fur die Jdeser dieser Xeitschrift zunachst kurz erl8iitert. Fur die Bestandigkeit einer LGsnng von Calciumbicarbonat in Wasser ist, belrnrintlich die Gegenwa,rt von freier Kohlensiiure er- forderlich. Freie Kohlens&urr wirlrt iii den1 Sinne, da13 C0,"-Ionen weggenommen werden unter Bildung von HCI0,"-Ionen, wodurch da,s Ionenprodukt [CO,"] .[Ca"] lierabgesrtzt' wird. Freie Kolilensiiure virkt a.lso der Uberschreitung des Loslichl~eitsproduktes von CaCO, nnd da.mit seiner Ansscheidnnp entgegen. Uin eine bestimmte Kon- zentration a n Calciunibicarbonat, in Lijs~i~ig zii halten, ist eine ganx I?estimmt,e Konzentration a,n freier liohlensiiure erforderlich. Diese IionzentrA,t.ion an freier Kohleiisiiure wnrde fiir die verschiedenen Iioiizentrationeii an C!alcinml,ica,rbonat von J. TILLMANS und 0. HEUBLEIN fur normale Temperetm bestimnit~ uncl in einer Kurve fwtgelegt. Sie legteri ( h e r Iioldensaure den Namen ,,zugehiirige Kohlensiiiire" bei. Erst die 1 1 1 ) ~ deli Betrag der xugehorigen Kohlen- s a , i m hinausgehende Iiolil~iisBurt.inengeii sind imstande, Irohlen- saiiren Ka,lk nufxnlosen. T) i r Iiohleiiea,uremeiilge, die imst'aaide ist , . ~

l) .T. TrLmraxs (I. 0. HEVI'HLEIS. a s . Ing. 1912, 8.5, GG9.

J. Tillmans 11. P. Hirsch. Uber ein uahres Ma.8 drr Aggressivitat iisw. 183

festen kolilensauren Kalk unt.er Bildnng wii Kalziumbikarbonat aufzulosen, heifit die ,,aggressive Kohlensanre". Neuerdings habeii TILLMANS, HIRSCH und HECKMANN~) auch fiir hijhere Temperataren die Kiirven fiir da.s Kalk-Kohlensauregleichgewicht ermittelt.

Der Ansicht ORLOW'S, die Teilung der freien Kohlensanre in zugehorige und aggressive Kohlensaure sei theoretisch nicht he- griindet, liegt eine verkehrte Auffassung dieser Begriffe zugrunde. Nit dieser irrigen Auffassung haben wir uns bereits in einem friiheren Fall auseinandergesetzt.2) Wir haben darauf hingewiesen, da8 zwischen den Molekiilen cler zugehorigen und der uberschufikohlensaure nicht der geringste Unterschied besteht, was ihren chemisehen Zustaacl betrifft. Die Unterscheidung ist eine rein rechnerische, auf Griind tles Kalk-I<ohlensiiuregleichgewichts.

Dag ORLOW der aggressiven Kohlensanre die eben gekennzeieh- nete, falsche Auffassung unterstellt, ist iim so verwunderlicher, als diejenige GroBe, die er selbst im folgenden a.ls das wahre Ma8 der Aggressivitat anzuwenden empfiehlt, ebenfds eine Zweiteilung in sich birgt, bei der eine vollstandig amloge irrige Auffassung moglich ware. Sein [H'],,, , das er als exaktes MaB8 der Aggressivitat anspricht, stellt gewissermafien eine ,,aggressive Wasserstoffionenkonzentration"' (lap, die zur Gesamtwasserstoffionenkonzentration in ganz ahnlicher Beziehung steht, wie die aggressive Kohlensaure zur gesamten freien Kohlensanre.

Was die Geschwindigkeit des Angriffs des Wassers auf kohlen- sauren Kalk betrifft, ist zu sagen, daI3 die aggressive Kohlensaure von tins auch niemals als Ma6 fur diese Geschwindigkeit anfgefal3t worden ist,, wie schon in der ersten Veroffentlichung von TILLMANS und HEUB- LEIN uber die aggressive Kohlensaure auseinandergesetzt3) und in weiteren Arbeiten stsets betont worden ist.") Der Gedanke, die Kinetik tler Auflosung von kohlensaurem Kalk durch Wasser, das aggressive Kohlensanre enthalt, zu studieren, ist ebenfalls bereits in der oben xitierten ersten Veroffentlichung von TILLMAXS und HEUBLEIN iiber

l) J. TILLMANY, P. HIRSCH 11. W. R. HECKMANN, Das Gas- iind Wssserfach,

2 , Gas- nnd Wasserfacli 72 (1929), 690.

4, I'gl. J. TILLMANY, IJntersuchung von Wasser uiid Sbwssser, W. litiapp,

1931, S. 1.

3) 1. c.

Halle/S. 1915, S. 107.

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die aggressive Kohlensaure ausgesprochen und von tins in der Zwischen- zeit hiiufig erwogen worden. Jedenfalls war es notwendig, zuvor die ~ t a t i s c h e Seite cles Vorganges aufzuklaren, die in der Kurve fur die aggressive Kohlensiiure festgelegt ist. Zur Untersuchung der K i n e t i k sind wir erst in der letztenzeit gekommen. Die Ergebnisse dieser Unter- snchungen sind von dem ersten von nns in groBen Ziigen auf der Tagung des Vereins Deutscher Chemiker in Frankfurt a. M. 1930 in tler Fachgruppe fur Wasserchemie vorgetmgen worden.1) Eine aus- fuhrlichere Darstellung der lintersuchungen findet sich in der Disser- t8ation von Herrn ESCHEPI'BR.ESNER~) nnd wird tlemnachst ,veroffent- licht) werden. Die Ableitungen On.~ow's scheinen uns jedenfalls nicht die Losung dieses Problems zu sein.

Da13 die Zahlenwerte cler aggressiven Kohlensaure alleiii noch lieinell BufschluB uber die Gesctiwindigkeit des Wasserangriffes auf- liohlensauren Kalk geben, tut jedoch der eigentlichen Bedeutung der aggressiven bzw. der zugehorigen Kohlensaure Beinen Abbruch fiir diejenigen Falle, fur deren Bearbeitung cliese Begriffe geschaffen worden sind, ilas sind insbesondere die Fragen der Trinkwasser- entsauerung. Wenn die Aggressivitat eines Wassers durcli irgendein Entsauerungsverfahren beseitigt werden sol], mu5 man eben die Lage des Iialk-Kolilensauregleichgewichts kennen, man mull ferner die xugehorige Kohlensaure kennen, uin zu wissen, mieviel freie Kohlen- siiure dem Wasser entzogen werden mul3.

ORLOW leitet nun anf Grund einer Reihe theoretischer Spekula- t,ionen eine Formel fur die Geschwindigkeit tler Auflijsung lrohlen- sauren Kalks durch aggressives Wasser ab. Wenn er nun in seiner Formel die Geschwindigkeit = 0 setzt, d. h. menn er den Grenzfall imnimmt, dalj das Kalli-KohlensBuregleichgewicht erreicht ist, da,nn geht seine Geschwincligkeitsformel uber in die bekannte Forniel fiir tlas Kalk-Kohlensauregleichgewicht

1)ieses Ergebnis ist das Bestecliende an tler Ableitung ORLOW'S. Die Ableitung ruht jedoch auf zweifelhafter theoretischer Grund-

lage. Die Geschwindigkeit der Auflosung des kohlensawen Kalks cliircli die freie Kohlensaure cles Wassers wird aufgefal3t als die Diffe- renz der Geschwindigkeiten zu eier entgegeiigesetzter Vorggnge : der

Jahrbuch ,,Vain Wasaer", 1V. Bd., Berlin 1930. *) RSCHENBKENNER, Dissertation, Frankfurt. a. 51. 1 Y30.

J . Tillmans 11. I?. Hirsch. Uber cin walires Ma13 der Aggessivitiit m\v. 185

eigentlichen Aufliisung und deren Umliehrung, der Ausscheidung von Calciumcarbonat aus der Losung. Ftir die C‘nC:O,-Ansscheitliin~. die folgendermaflen angegeben wircl :

Ca” + ‘2HC0,’ --t Ca” + H,CO, + C‘O,”

wircl zunachst angenoinmen, dal3 die eigentliche Ausfallung des je- \veils vorhandenen CaCO, sehr schnell vor sich geht und dal3 die (+eschwindigkeit der Reaktion bedingt wird durch den Teilvorgang :

BHCO,’ --t HZCO, + CO,” (*)

der 5einerseits besteht aus den beiden l’eilrealitionen :

nnd HCO,’ -+ H’ + CO,”

H‘ + HCO,’ -+ H2C03.

1)iese ‘I‘eilreaktionen (B) und (C) sollen geschwindigkeitsbestimiuentl fur clen Gesamtvorgang sein und es wird daraus hergeleitet, dal3 die Geschwindiglieit der Reaktion (F) deshalb nur von cter Konzentration der Eicarbonationen und 2wa.r von deren Quadrat abhangig sei untl ilesha81b als Eeaktion zweiter Ordnung verlnufen miisse. Wir mocliten jedocli da,gegen das Bedenlreii iinl3ern, da13 die Reaktionen (B) und (C) einfacli die beiden Dissoxiationsstufen der Kohlensanre darstellen nnd daiS man von diesen Ionenrealitionen pralitisch momentaneri Verla,uf anzunehmen hat. Dal3 dies fur die Dissoziation der Kohlen- sc~ure ehenso gilt \vie fur die anderer Siiuren und Basen, ist von A. THIEL und R. STROHECKER~) nachgewiesen worden; hierauf liasieren iiberhaupt die von diesen Sutoren uusgefhhrten Unter- suchungen iiber die Geschwindigkeit der Hydratation der Kohlen- siinre und iiber (lie wahre Dissoziationskonstante tier Kohlensaim.

Fur die Gcschwindigkeit des umgekehrten Vorganges, der eigent- liclieri Buflosung, sol1 nun, ganz a’nders wie bei der Ausfallung, nach ORLO w niir die Qeschwindigkeit mam13gebend sein, mit der die Wasser- stoffionen aus der Losung in die Grenzschicht zwischen Losung und Oberfla,clie des festen CaCO, iibertreten. lliese Diffusionsgeschwindig- keit cles Snflosungs~orga~nges wird der Wasserstoffionenkonzeiitratioii proport8iona,l gesetzt,. Hierbei vermissen wir die Erlilarung, wieso iiur

l ) A. THIEI. u. R. STROHECKER, Ber. d. D. Chem. Ges. 47 (19141, 945, 1061, sowie R. STROIIECKER, Ztschr. f . Unters. d. Nalirungs- 11. GenuOni. 31 (1916), 146.

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bei der hinlaufigen, nicht auch bei der rucklaufigen Reaktion die Diffusion eine Rolle spielt und weshalb nur die Diffusion der Wasser- stoffionen, nicht auch die anclerer beteiligter Molelcularten.

ORLOW teilt einige Versuche mit, welche die eine Teilannalime seiner Ableitnng beweisen sollen, namlich die Annahme uFer die Geschwindigkeit der Ausscheidung des kohlensauren Kalks. Diese Versuche sind nach unserer Meinuiig nicht einwandfrei. Sus einer t'alciumbicarbonatlosung wird durch einen Luftstrom die vorhandene freie Kohlensaure entfernt. Nach einern bestimmten Zeitpunkt wird dann Marmorpulver zugegeben, urn die husscheidung des kohlensauren Kalks einzuleiten, wahrend durch den Luftstrom die Flussigkeit weiter in Bewegung gehalten und die entbundene freie Kohlensaure aus der Lilsung foortgefuhrt wird. Nach bestimmten Zeiten mird der jeweils noch vorhandene Gehalt an Calciumbicarbonat titriert. Die Ergebnisse werden nach der Formel f ~ r die bimolekularen Reaktionen ausgewertet. ORLOW stellt fest, daB die so erhaltenen Werte ,,im An- fang eine geringe Bbweichung von dem richtigen Reaktionsverlauf" aeigten. Ilarum wircl eine Umrechnung der Werte ausgefuhrt, bei der als Xnfangsmoment des Versuches derjenige gewahlt wird, der 30 Minuten nach Einfiihrung des Marniors eintritt.

Dies bedeutet jedoch folgendes: Nach 30 Minuten, also an den1 nun als Anfangspunkt fur die Berechnung gewahlten Zeitpunkt , ist bereits die HBlfte des gesamten Bicarbonats aus der Losung Bus- geschieden. Die Ubersattigung der Losung war namlich zu Beginn der Reaktion sehr stark, weshalb die Ausfallung zunachst sehr schnell vor sich ging. Bei dieser Ausfallung wird jedoch eine dem ausgeschie- ilenen CaCO, aquivalente Menge Kolilensiiure frei. Der Grad der Ubersattigung der Losung geht wahrend der husfallung schnell zuriick : einmal durch dieses Freiwerden von Kohlensaure und auBer- dem dadurch, da13 die fur die Bestandiglieit der Losung erforderliche zugehorige Kohlensaure schnell abnimmt. Die Losung niihert sich schnell dem Kalk-Kohlensauregleichgewicht. Hierauf beruht das Abstoppen der Reaktionsgeschwindigkeit. Die weitere Ausscheidung von kohlensaurem Kalk schreitet dann nur in dem MaBe vorwarts, nls die entstehende freie Kohlensaure durch den Luftstrom wieder weggefiihrt wird. Die eugehorige Kohlensaure erreicht bald sehr niedrige Werte. Die freie Kohlensaure mu13 dann auf SiuBerst geringe Gehalte reduziert werden, wenn das Kalk-KohlensBuregleichgemicht weiterhin unterschritten und dadurch meitere Ausscheidung von kohlensaurem Kalk bewirkt Jverden soll. Dies erfordrrt Zeit .

J. Tillmans u. P. Hirsch. Uber ein wahres Ma6 der Aggressivitiit usw. 187

Da keine Kontrolle uber die vorhandene freie Kohlensiiure aus- geubt murde, nehmen wir an, daB die von ORLOW festgestellten Zahlen nur ein Bild fur das Tempo der Entfernung der freien Kohlen- same darstellen und nicht das, was ORLOW in ihnen sieht.

Fur seine Hauptgleichung fur die Geschwindigkeit des Kalk- angriffes, aus der er sein ,,wahres Ma13 fur die Aggressivitat natur- licher Wasser" ableitet, bringt ORLOW lreine experimentellen Belege. Hier konnen wir nun unser obenerwahntes neues Versuchsmaterial verwenden, urn die Richtigkeit der Formel nachzuprufen.

Fur sein [Halagr., das das wahre Ma13 der Aggressivitat darstellen soll, gibt ORLOW folgende Formel an:

b - 6,157 * lo-'. a3 [H'Isgr. = 3 . I@---- -- ~ ~ .

JITir probierten zuniichst an Hand der Tabelle 6 der Arbeit ORLOW'S aus, in welchem MaB ORLOW die GroBen a und b in dieser Formel ansgedruckt hat, wobei sich ergab, in Obereinstimmung mit einer Angabe auf 8. 99, da13 diese Werte in Kubikzentimeter nil0 fur 100 em3 Wasser (Millimol in Liter) auszudriicken sincl.

Sodann gingen wir an die Auswertung iulserer Versuchsresu1tate.l) hus Raummangel kiinnen wir hier nicht angeben, wie sie gewonnen sind. Wir mussen darauf verweisen, daB diese Versuche im Jahrbuch ,,Vom Wasser", 4 (1930) von dem ersten von uns kurz beschrieben vurden und demnachst noch ausfuhrlicher veroffentlicht werden sollen.

Die Versuche lieferten uns eine Schar von Kurven, welche die Abhiingigkeit der gebundenen (= 1/2 Bicarbonat-)KohlensLure von der Beruhrungszeit des Wassers mit dem Marmor darstellen. In diesen Kurven gibt der Differentialquotient der gebundenen Kohlen- saure nach der Zeit die moment-ane Entsauerungsgeschwindigkeit an, also jenes lrinetische Ma13 der Aggressivitiit, das ORLOW berechnen will. Wir liaben nun in solchen Kurven durch Anlegen der Tangenten cliejenigen Punkte aufgesucht, in deneri cler Differentialquotient

jeweils den Wert anzeigt. Diese Punkte geben ver-

schieden eusammengesetzte Wasser an, die samtlich die gleiche momentane Entsauerungsgeschwindigkeit aufweisen. Fur diese Wasser haben wir, wie die folgende Ubersicht zeigt, [H'],,,. nach ORLOW'S Formel berechnet :

a

1 mg im Liter 1 Min.

1) ESCHENBRENKER, 1. e .

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I Preie und 1 Gebundene 1 Freie CO,, 'Aggressive CO, nach gebundene lder Kurve von TILL- [H'lagr. . lo8

1 MANS u. HEUBLEIN I CO,, mg i. L. 1 co2, mg i* L* j mg i- L- ~ ~ _ _ ~ - ~ -~

I i 15 11 I 433 10,4 7,1 i 3,342 6 4,25 t 2,205

60 50 40 34 I 30 27,7 ~ 2,3 1,3 1 0,954 20 , 19 1 1 1 I 0,650

I 51,G

Das nachhLow berechnete [H'Iagr., das die 1cinetischeAggressivitat zum Busdruck bringen soll, miil3te also fur alle diese Wasser das gleiche sein. Wie man sieht, ist jedoch davon keine Rede.

Zusammenfassend mussen wir sagen, daB sowohl aus theore- tischen ErwBgungen als auch nach den Ergebnissen unserer Versuche tlas [H'],,, nach ORLOW kein wahres Ma13 der Bggressivitgt naturlicher Wlsser darstellt.

Zrankfurt a. M., Unmversitiits-Institut fur Nahungsnzittel- chenaie.

Bei der Redaktion eingegangen am 17. Februar 1931.