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]Ieber eine Eyperpl~sie des Chiasma und des rechten Nervus opticus bei Elephantiasis. Von Prof. Dr. Michel. Hierzu Tafel III. In dem zu beschreibenden Falle hatte die Neubil- dung ihren Sitz in der Substanz des Chiasma und zugleich auch in der des rechten Sehnerven. Das betreffende Praparat, das mir dutch die Freundlichkeit des Herrn Professor E. Wagner in Leipzig zur Untersuchung iiberlassen wnrde, stammt yon einem 16jiihrigen Patienten. Im Alter yon einem halbert Jahre soll ohno nachweisbare Ursaehe eine Auftreibung des linken l~alleolus externusr welche ohne bestimmte Grenzen in das untere Drittel der Fibula i~berging, entstanden sein. Iqacll einigen Monaten verdickte sich die I-Iaut fiber dem Knoehen, die Verdieknng derselben breitete sioh auch auf den mittleren und oberon Theil des unteren Unterschenkel- drittels aus. Indem chronische Entzfiadungen und Oedeme abwechselnd mit Furunkeln und Erysipelen an benannter Stelle auftraten, entstanden allmi~hlig die unter dem Named der Elephantiasis (Arabum) be- kannten Ver~nderungen der Haut. Patient lernte daher erst im 3. Lebensjahre gehen, der Gang war dabei langsam und stark hinkend~ sehr schnell trat V. Gl'a~fe's Archly f. O!ahth~lmologie XIX, 3. ~0

Ueber eine Hyperplasie des Chiasma und des rechten Nervus opticus bei Elephantiasis

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Page 1: Ueber eine Hyperplasie des Chiasma und des rechten Nervus opticus bei Elephantiasis

]Ieber eine Eyperpl~sie des Chiasma und des rechten Nervus opticus bei Elephantiasis.

V o n

Prof. Dr. M i c h e l . Hierzu Tafel III.

In dem zu beschreibenden Falle hatte die Neubil-

dung ihren Sitz in d e r S u b s t a n z des C h i a s m a und

zugleich auch in de r de s r e c h t e n S e h n e r v e n .

Das betreffende Praparat, das mir dutch die Freundlichkeit des Herrn Professor E. W a g n e r in Leipzig zur Untersuchung iiberlassen wnrde, stammt yon einem 16jiihrigen Patienten. Im Alter yon einem halbert Jahre soll ohno nachweisbare Ursaehe eine Auftreibung des linken l~alleolus externusr welche ohne bestimmte Grenzen in das untere Drittel der Fibula i~berging, entstanden sein. Iqacll einigen Monaten verdickte sich die I-Iaut fiber dem Knoehen, die Verdieknng derselben breitete sioh auch auf den mittleren und oberon Theil des unteren Unterschenkel- drittels aus. Indem chronische Entzfiadungen und Oedeme abwechselnd mit Furunkeln und Erysipelen an benannter Stelle auftraten, entstanden allmi~hlig die unter dem Named der Elephantiasis (Arabum) be- kannten Ver~nderungen der Haut. Patient lernte daher erst im 3. Lebensjahre gehen, der Gang war dabei langsam und stark hinkend~ sehr schnell trat

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ErmUdung tin. Seit scinem 4. Lebensjahr lift Pat. an scrophulSsen Dr~senansehwellungen, die thcil- weise zu Abseedirungen ftihrten, so waren at~ch die Femoraldr~sen derb und stark vergrSssert. Die Elephantiasis machte mit den Jahren immer mehr Fortschritte, der Unterschenkel schwoll sebr h/~ufig bedeutend an. Ging die Sehwellung auch bei hori- zontaler Lage theilweise wieder zurack, so wurde die Haut doch immer derber, legte sich theilweise in grosse Falten, in denen mehrere tauben- bis ht~hnereigrosse Knoten fahlbar waren, theilweise wurde sie stark rissig und mit blutig-eitrigen Borken bedeckt. Zuletzt trat an Stelle des/~usseren KnSchels ein grosser jauehiger Abeess auf, yon dem aus die Eiterung sieh nach allen Seiten hin fortsetzte, so dass zur Exarticulation im Knie- gelenk gesehritten werden musste. Welehe Dimen- sionen die Yerdiekung der Curls, die in tier ganzen Cireumferenz des unteren Drittels des linken Unter- schcnkels, sowie auf der Rilckenfl~che des Fusses in eine derbe, diehte, speck~hnliebe Masse mit vielen knotigen Erhebungen sich umgewandelt zeigte, mSge aus den au dem amputirten Gliede vorgenommenen Messungen entnommen werden:

Cireamferenz des Unterschenkels in der Hiil~ des unteren Drittels . . . . 40 Ctm.

Breite der verdickteu Hautschichto an dieser Stelle and zwar

an der vorderen Fl~iehe . . . . . . 4 Ctm. , , hinteren . . . . . . . . 5 Ctm.

Circumferenz des Fussgelenks mit Ftih- rang des Bandmasses tibar die Ferse 48 Ctm.

Circumferenz der Mitte des Fusses . 37 Ctm. Dicke der Haut an dieser Stelle 3t/a Ctm. Die Muskeln erseheinen an mehreren Stellen

eitrig infiltrirt, die Knoehen stark porSs. 6 Tage nach der Operation starb Patient an

Septieamie. Bei der Section erwiesen sich die Weich- theile l~tngs des ganzen linken Oberschenkeis yon einer diffus-eitrigen phlegmonbsen Entzfindung ergriffen, an einzelnen SteUen jauchig infiltrirt. Lobulare Pneu- monie des linken unteren Lungenlappens.

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Als zuf/~lliger Befund zeigte sich nun eine auffallend starke Verdickung des Chiasma und des rechtea Opticus- stammes, wahrend der linke vollkommen normale Di- mensionen darbot. Es mass hier ausdriicklich bemerkt werden, dass Patient mit beiden Augen vollkommen gut gesehen hat, and in den Prominenzverh/~ltnissen der- selben keine Ver/~nderung vorhanden war. Da keine Veranlassung vorlag, so wurde eine ophthalmoskopische Untersuchung oder Prtifung der Sehseh/~rfe nicht vor- genommen.

Kurz nach seincm Durchtritt dutch das Foramen opticum bis zu seinem Uebergang in das Chiasma er- schein~ der rechte Optieus nahezu kleinfingerdiek ver- breitert (s. Fig. I.); die Verbreiterung nimmt gegen das Foramen opticum nur wenig, gerade vor demselben raseh ab.

In dem Foramen scheint der Nerv seine normalen Dimensionen durchaus nicht zu iiber~teigen, w/~hrend jenseits desselben und zwar in einer Entfernung von ca. 2 Mm. davon beginnend wiederum eine Ansehwellung des Opticus vorhanden ist, welche sieh auf eine L~tnge Yon c. 6--7 Mm. erstreckt, doeh wesentlich nut die un~ere Halfte des Opticusstammes betrifft, so dass eine fSrm- liche Protuberanz direct nach unten entsteht. Man er- h~lt daher den Eindruck~ als h/itte dig knScherne Beschaffenheit des Foramen opticam dem Nerven erst nach dem Durehgange (lurch dasselbe gestattet, sich wieder zu verbreitern. Zur Veranschaulichung die° ser ¥erh~tltnisse sollen die Zahlen d{enen, ~elche in Be- zug auf den reehten Opticusstamm durch Messung mit dem Zirkel gewonnen wurden:

Am Abgang des Nerven vom Chiasma: Horizontaler Durchmesser . . . . . 11t/~ Mm. Verticaler , . . . . . 8t/, Mm.

10"

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c. 4 Mm. vor dem Foramen opficum: Horizontaler Durchmesser . . . . . 8'/2 Mm. ¥erticaler ,, . . . . . 51/2 Mm.

Im Foramen opticum: ttorizontaler Durchmesser . . . . . 3~/4 Mm. Verticaler ,, . . . . . 3'/4 Mm

Im intraorbitalen Verlauf an der meist- verbreiterten Stelle:

Horizontaler Durchmesser . . . . . 4 Mm. Verticaler . . . . 43/4 Mm.

Im weiteren Verlauf nach tier verbreiter- ten Stelle:

Horizontaler Durchmesser . . . . . 3i/2 Mm. Vericaler . . . . . 3 Mm.

Die Messungen des linken Opticus ergeben durch- aus keine Abweichungen yon den normalen GrSssenver- h~tltnissen und verhalten sich wie die zuletzt fiir rechter- seits bern rkten.

Withrend die Stelle des Uebergangs des linken l%rven in das Chiasma sich ziemlich seharf markirt, ist die des rehten, yon der unteren Fl~iche betrachtet, nur sehwach angedeutet (s. Fig. I.). Das Chiasma selbst erscheint bedeutend verbreitert, und gleichsam geschwollen, doch ohne dass merkbare l~iveaudifferenzen an der unteren Fliiche hervotreten (s. Fig. I.). Die sonst in der Median- linie des Chiasma vorhandene ungemein flache Rinne ist sehr verschm~lert und zu gleicher Zeit vertieft, so dass sie mehr einem spaltfiirmigen Einschnitte gleieh- kSmmt, (s. Fig. I.) und eine scharfe Grenze zwischen linker und rechter Hi~lfte des Chiasma geschaffen ist; ferner erscheint die reehte H~lfte des Chiasma ver- breiterter als die linke. Die niichste Umgebung des Chiasma, das trigonum intererurale, die corpora candieantia, die tractus optici etc. zeigen makroskopisch eine vollkommen normale Beschaffenheit und Griisse, sowie auch die fibrige

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Gehirnmasse kcincrlei Ver~nderungen aufguweisen hat. Von der oberen Flg.che gesehen ist die Art und Weise des Uebergangs der Optiei in das Chiasma die gleiehe wie an tier untern Fl~tehe; auf der oberen Fl~iche des verbrei- terten Chiasma finder sieh dagegen eine stark kuglige Her- vorragung, welche mit sehr breiter Basis aufsitzt, mit norma!er Pia bekleidet und nirgends mit tier Umgebung verwaehsen. Diese Prominenz nimmt hauptsgoehlieh die reehte Hhlfte des Chiasma ein, greift etwas fiber die Mittellinie naeh links hinfiber und ihre grOsste H~he liegt ungefahr in der Mitte der medialen rechten H~lfte, so dass bier nur tin sehr schmaler Zwischenraum zwischen ihr und der unteren Fl~ehe des vorderen Gehirnlappens fibrig bleibt.

Das Chiasma, die beschriebene Protuberanz auf tier oberen Fl~ehe desselben, sowie der rechte Optieus crschienen frisch yon einor derb-elastischen Consistenz, und boten ~tusserlieh keine besondere Abweichung in Bezug auf Farbe dar. Die Pia liess sich ziemlich leicht abziehen.

Das Chiasma und die Prominenz ergaben hinsieht- lich ihrer Dimensionen folgende Zahlenwerthe*), nachdem man zuvor senkrechte Schnitte durch die zu erwiihnenden Stellen gelegt hatte:

Kurz nach dem Eintritt der Optici in das Chiasma: Verticaler Durchmesser in der Mitre der

linken Hiilfte . . . . . . . . . 8 Mm. Yerticaler Durchmesser in der Mitte der

rechten Hiilfte . . . . . . . . 10~/~ Mm.

*) L a schka ,,Anatomie des menschlichen Kopfes" p. 505 giebt an, dass alas Chiasma im queren Durchmesser 14Mm, im geraden 6 Mm. misst. Nach einigen yon mir vorgenommenen Messungen schwanken die Durchmesser bei Individuen yore '25. Lebensjahre an zwischen 13 bis 14 Nm. und 5 bis 6 Mm.

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Verticaler Durchmesser in der Median- linie . . . . . . . . . . . . 7 Mm.

Horizontaler Durchmesser . . . . . 21 Mm. Da,con kommen auf die rechte H~lfte . 8 Mm.

, , linke , . 13 Mm. In der Mitre des Chiasma nehmen diese Durch-

messer um 1 bis li/2 Mm. zu, an den hbgangsstellen der Tractus der Nervi optiei um ebensoviel ab, was in beiden Fiillen ausschliesslich die rechte Hiilfte betrifft.

Die Durchmesser der Protuberanz betragen in verti- caler Richtung 17J/2 Mm., in horizontaler 12 Mm., an der Stelle, wo dieselbe ihre grSsste Ausdohnung ge- nommen hat. Als Punkt oder vielmehr als Linie, yon weleher aus nach der Seite des Chiasma und der Pro- tuberanz gemessen wurde, diente ein sich deutlich mar- kirender grauweisslicher Streifen, dessert Beschreibung gleich folgen wird.

Verfolgt man uuf senkrechten Schnitten, die nach Erh~rtung des Priiparats in Chroms~ture und Alkohol angefertigt wurden, makroskopiseh die sichtbaren ana- tomischen ¥erhiiltnisse yon iNerv, Chiasma und Pro- tuberanz, so kann man erstlich constatiren, dass der verbreiterte rechte Opticus aus einem sehr zierlichen Netzwerk miteinander verbundener Sept~ ,con etwas wechselnder Dicke und weisslicher Farbe zusammenge- setzt ist (s. Fig. IL). Die durch die Septa geschaffenen Zwischenr~iume sind im hllgemeinen yon nahezu rundlicher oder ovaler Form and haben bald grSssere bald geringere Durehmesser aufzuweisen, die gr6ssten wohl solche yon 1--$/4 Mm. Das Gewebe in den ZwischenrLtumen besitzt ein in der F~trbung etwas yon der normalen Opticusnervensubstanz verschiedenes Aussehen, welches darin beruht, dass eine Nuance ins Grauliche vorherrschend ist. Diese Structurverhi~ltnisse des Opticus, die eiu mehr oder minder getreues Bild

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der durch das Endoneurium geschaffenen Nervenbtindel- Eintheilung darstellen, bleibeu bei der Anniiherung desselben gegen das Chiasma die gleichen; bei seinem Uebergang auf das Chiasma werden die Septa allmahlig spiirlicher und lassen sich hauptslichlich yon der unteren H~ilfte des Sehnerven nicht weiter in das Chiasma verfolgen. In tier oberen H~tlfte werden die Felder kleiner, die weisstichen Streifen der Septa rticken allm~thlig zusammen, und verlieren zugleich immer mehr an Ausdehnung, so dass nur ein schr schmaler Theil im Chiasma in eine grau-weissliche nach unten convexe Bogenlinie iiberzugehen scheint. Das Chiasma selbst zeigt sich derartig zusammengesetzt, dass in der Mitte sich eine Reihe sehr nahe bei einander liegender Faser- zfige yon grau-weisslicher F~rbung befindet, die manch- real nur ganz schmale Zwisehenr~iume zwischen sich fi'ei lassen. DieseFaserzfige strahlen nun naeh beiden Seiten hin aus, sind yon verschiedener Breite, und zeigen eine concave Kriimmung nach oben, die um so starker bei den sich der obern Flitche niihernden wird (s. Fig. III.). Schliesslich entsteht die schon erwiihnte, yon dem einen seit- lichen Ende des Chiasma zum andern reichende Bogen- linie yon weisslieher F/irbung, yon welcher aus die ein- zeln ausstrahlenden Faserzfige sieh direct nach oben wenden, und durch zahlreiche Anastomosen untereinander verbunden sind. Besonders breit und zahlreich sind diese Faserztige, welche tier rechten Hi~lfte des Chiasma entspreehen, wahrend die linken schmi~ler sind und bei weitem an Menge nachstehen. (s. Fig. IIL)

Dutch die Bogenlinie scheint eine f(irmliche Grenze ffir die Protuberanz geschaffen und dieselbe gleiehsam napffOrmig eingebettet zu sein. Die Farbung aller dieser Faserztige ist eine grau-weissliehe, das dazwischenliegende Gewebe mehr graulich, welche Farbung besonders in ausgepragter Weise der Protuberanz zukiimmt,

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Auf einem Sagittalschnitte, der dt!rch die Mitte des Chiasma gefiihrt wurde, trat die grauweissliche, soeben er- ~v/ihnte Bogenlinie stark hervor, yon welcher aus einzelne Faserztige derselben Farbung naeh unten und in gr~sserer Anzahl nach oben ausstrahlten; auf F1/~chenschnitten war die beschriebene Bogenlinie tiberall erkennbar.

Die yon Hannover*) als Commissura ansata be- zeichnete, aus grauer Substanz bestehende Faserlage war erhalten, reichte bis an die Protuberanz heran und fiber sie theilweise hinweg, zugleich in Zusammenhang mit ihr.

Sehon die n~here makroskopische Besichtigung des r~chten Options hatte der Yermuthung Raum geben mtissen, dass es sich um eine Einlagerung zwischen der nervSsen Substanz handle, da die Septa an und fflr sich nicht verbreitert, sondern nur die Felder zvdschen den einzelnen Septa vergrSssert erschienen. Die mi- kroskopische Untersuchung bestatigte dies. Auf Schnitt- pr~tparaten, die senkrecht auf den Verlauf des Optieus angefertigt wurden, zeigte sich die Art der Ver/inderung in besonders anschaulicher Weise.

Vor Allem hatte das Bindegewebe der Septa durch- aus keine ¥ermehrung erfahren, sondern umschloss in normaler Weise und Breite vertheilt, die einzelnen Nervenfaserbfindel. (s. Fig. IV.) Innerhalb eines dutch ein bindegewebiges Septum begrenzten Feldes ist eine eigenthfimliche Anordnung yon dichtgedr~tngten Fasern v orh~nden. Es folgt zun~tehst einem Septum, abet ohne mit demselben irgendwie ,verbunden zu sein, eine Schichte radiar gestellter Fasern, die bald zu diekeren, bald zu sehm~leren Biindeln zusammengeh~uft sind, und zwischen diesen Btindeln eine Reihe nebeneinander- liegender in radi~trer Richtung und in regelm~tssiger

*) Das Auge. Beitr~ge zur Aa~tomie~ Physiologie und Patho- logie dieses Organes. Leipzig. 1852~ p. 2.

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Weise angeordneter und Querschnitten feiner Fasern gleichender rund]icbcr Punkte. (S. Fig. IV.) Auf diese Schichte folgt eine Lage concentrisch verlaufcnder Yasern, und dann zwischen den einzelnen mit wohl er- haltenen Markscheiden versehenen Nervenfasern dieselben rundlichen Punkte, wie sie sich zwischen den radi~r ge- stellten befinden. (S. Fig. IV.) Dieselben sind in ver- schiedener Menge and Dichtigkeit zwischen den einzel- nen Nervenfasern sichtbar. Dass es sich hier sowohl als auch zwischen den radiih" gestellten Faserbfindeln wirklich um QuerscMitte yon Fasern handelt, welche yon hinten nach vorne verlaufen, konnte durch Schnitte parallel mit dem Verlauf des Optieus endgiltig festge- stellt werden. Der aus radi~r gestellten, yon hinten nach vorn und coneentrisch verlaufenden Fasern gebil- dete Ring ist fast imraer ein geschlossener, nur die Breite desselben wechselt. Die griisste Breite diirfte nach ungeNhrer Schiitzung das 3fache eines bindegewebi- gen Septum etwas t~bersteigen. Nicht selten sieht man schmale Brticken yon den] einen Ring zu dem eines be- nachbarten Feldes iibergehen.

huch das Verh~tltniss zwischen tier Breite tier radi~tr- gestellten and tier concentrisch ~erlaufcnden Fasern ist ein wechselndes, doch zu Ungunsten der erstcren, so dass zuletzt immer eine, wenn auch schmate, concentrisch verlaufende Faserlage fibrig bleibt, zugleich mit parallel den Nervenfasern verlaufenden Fasern, welche ebenfalls immer in jedem Felde vorhanden sind.

Sind diese Fasern in der beschriebenen Anordnung innerhalb des rechten Opticusstammes bis zu seinem Uebergang in das Chiasma vorhanden und ist nur die Ausdehnung, welche die Anordnung desselben an ver- schiedenen Stellen beansprucht, eine verschiedene, so finder man im Chiasma selbst, dass die dasselbe zu- sammensetzenden Nervenfasern ebenfalls yon einer

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dichten Anordnung gleicher Fasern, wie sic sich im Opti- cusstamm vorfinden, umgeben sind und auf diese Weise die Vergr(isserung des Chiasma zu Stande gekommen ist. Doch ist eine so eigenthtimliche und regelmiissige Anordnung, wie im Opticus, nicht zu constatiren. Nach der Art und Weise der Vertheilung der Fasern auf Schnitten in den verschiedenen Ebenen diirfte man sich dahin aussprechen, dass im Wesentlichen der Verlauf der Fasern sich nach zwei Hauptrichtungea wendet und zwar in seitlicher Richtung und in der Richtung yon vorn nach hinten. Beide Faserziige haben an ~erschie- denen Stellen verschiedene Breite aufzuweisen. Die makroskopisch sichtbaren weiss-graulichen Faserziige, sowie die erwiihnte Bogenlinie bestehen aus sehr dicht- gedriingten Faserziigen und mit denselbcn verlaufcnden Fortsiitzen der Pia mit Gefiissen. Durch die sich yon der Peripherie des Chiasma auf einige Entfernung in dasselbe hinein erstreckenden Piafortsiitze, sowio dadurch dass sich hier an mehreren Stellen die gleiche Anordnung der Faserziige wie beim Opticus findet, wird an den be- treffenden Stellen der Peripherie des Chiasma eine ganz auffallende hehnlichkeit der Zusammensetzang mit einem Septum und dem yon ihm umschlossenen Felde des Opticus hergestellt. Ueberall sind die Nervenfasern voll- kommen erhalten und nur auseinandergedr~ingt oder ver- schoben. Selbst die Protuberanz hat in ihrer Mitte sowohl als auch in der Nahe der obcren Peripherie Stellen aufzuweisen, wo Nervenfasern ~orhanden sind, yon denen wohl kaum anzunehmen ist, dass sie dort neugebildet worden sind. Die i~rotuberanz selbst be- steht aus ungemein stark durcheinandergcwirrten Faser- ziigen, zwischen welchen sich Piaforts~tze eingeschoben haben~ die als solchc leicht erkenntlich sind.

Abgesehen yon zeUigen Elementen, die einer sp~te- ten Besprechung unterzogen werden sollen, finden sich

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im rechten Opticuastamm, im Chiasma und besonders zahh'eieh in der Protuberanz des letzteren sine ziemlieh grosse hnzahl Kalkeoneremente.

Wie ieh reich fibrigens bei versehiedenen Untersuchun- gen tiberzeugen konnte, finden sieh nieht selten Kalkcon- eremente in dem Gewebe der Optici, des Chiasmas und (Ier Tractus optici im normalen Zustande eingelagert. Diese waren denn aueh im linken Optieus, sowie in den Tractus optici unseres Priiparates vorhanden. Letztere sowohl als der erstere ersehienen bei der mikroskopisehen Unter- suehung als vollkommen normal, nieht minder die beideu Retinae und die Eintrittsstcllen der Optici in das huge. An der verbreiterten Stelle des rechten Opticusstammes hinter dem Foramen opticum nehmen die oben beschrie- benen Yeri~nderungen desselben nur ungefiihr die nntere H~lfte ein.

Ehe ieh zur genaueren Bespreehung der histologi- schen Beschaffenheit einerseits der beschriebenen Fasern, andererseits der zwisehen denselben eingestreuten zelligen Elemente fibergehe, werde ieh vorerst die Re- sulta~e yon Untersuehungen fiber die sog. Neuroglia des Chiasma mittheilen. Die Methode bestand in Isolirung (lurch Zerzupfen, naehdem man Theile des normalen Chiasma in Mfiller'scher LSsung 2--3 Tage oder in ganz verdiinnten Chroms~turelSsungen 5--6 Tage hatte liegen lassen. Es wurde auf diese Weise das Chiasma ~on Menschen, Sehaf, Hund, Katze, Kaninehen und Taube untersueht. Die isolirten zelligen Elemente charakteri- sirten sieh als ungemein dfinne und zarte Platten, deren Contouren ziemlich unregelmiissig und zugleich mannig- faltig erseheinen, indem spitzenartige Fortsittze bald griisser bald kleiner oder schm~tler und breiter dutch nach aussen concave in wechselnder Entfernung yon einander befindliche Zwischenr~ume getrennt werden. (S. Fig. V. a, b, c.) Die Gr(isse der Platten ist eine

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verschiedene, wie auch die der Kerne, wahl.end die Form der le~zteren sich ziemlich regelm~tssig als eine rund- lich-ovale darstellt, die der ersterea als polygonale. Die Kerne sind stark prominirend, und be~onders beim Menschen auffallend ist die Menge des um die Kerne vorhandenen Protoplasmas. Die~e zelligen Elemente liegen hiiufig dieht aneinander reihenweise angeordnet (s. Fig. Y b.) und die Kerne pflegen sich mit ihrem l~tngsten Durchmesser parallel dem Verlauf der Nerven- fasern einzustellen. Die einzelnen :Nervenfasern oder Nervenfaserbiindel erscheinen wie scheideartig yon den zelligen Elementen (vergl. Fig. V a.) umfasst, was be- sonders auf Querschnitten hervortritt, husser diesen kommen sowohl beim Menschen als bei den bezeichneten Thierspecies Zellen vor, die yon mehr rundlicher Form und ~ deren Grenzen sehr verwischt erseheinen; um den ebenfalls rundlichen und relativ grossen Kern in gleichmiissiger Weise vertheilt liegt eine grSssere oder geringere Mange ksrniger Substanz. Diese Zellen, yon grosser Zartheit und Zerbrechlichkeit sind ftir gewiihnlich als eine lange continuirliche Reihe zu isoliren, die in Folge davon, dass die einzelnen Zellen wenig yon einaader sich diffe- renziren, sich als eine balkenartige Protoplasmaanhiiufung, die mit Kernen versehen ist, darstellt. In der schSn- sten Weise sieht man dies bei jungen Thieren, (am besten babe ich es bei einer einige Wochen alten Katze gesehen)~ wo sie oft die allein vorkommenden oder die gegen die beschriebenen Zellplatten sehr tiberwiegenden zelligen Elemente sind.

Auf Querschnitten kann man leicht die Beobachtung machen, dass ausser den zelligen Elementen zwischen den einzelnen Nervenfasern eine Substanz vorhanden ist, die sehr feinkSrnig erscheint und an verschiedenen Stellen einen verschieden grossen Raum einnimmt. Die yon

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Bolt*) in neuester Zeit beschriebenen ,,Pinselzellen" oder De i tors 'sehen Zellen der weissen Substanz des Rackenmarks, als deren Charakteristicum die ausserst zahlreichen, langen und feinen Fortsgtze esscheinen~ welche radienartig in dcr @egend des Kernes ausstrahlen odes pinselfSrmig auf einer oder zwei Seiten abgehen, konnten im Chiasma nicht aufgefunden werden; es kommen aber nach Boll in der weissen Substanz des Gehirns ausser den Deiters 'schen Zellea noch fortsatzarme Zellen mit gut entwickeltem Protoplasmaleib vor, und zahlreiche Uebergangsformen zwischen den D eiters'scbenZellen und den fortsatzarmen Zellen der Hirnsubstanz. Mit diesen fortsatzarmen und theilweise fortsatzlosen Zellen stimmen die im Chiasma beschriebenen fiberein (vergl. I. c. Taf. I. Fig. 11a., b., f. und Fig. 12a.). Eine fernere Ueberein- stimmung liegt auch in dem Vorkommen einer sehr rein vertheilten, feinkSrnigen Substanz zwischen den Nerven- fasern im Rackenmark und im Gehirn**), wie auch in der Art und Weise der Anordnung der zelligen Elemente und der Nervenfasern***).

Nach dieser far das Verstgndniss der pathologisehen VerS.nderungen erforderlichen Abschweifung komme ich nun zuraek auf einige histologische Details der besehriebenen Hyperplasie, besonders auf die zelligen Elemeate, ihr Verh~iltniss zu den Fasern und die Fasern selbst. Was zuerst die letzteren betrifft, deren Isolirung durch Zer- zupfung wegen ihrer dichten Aneinanderlagerung und ihres Verfilztseins etwas sehwierig war, so zeigen dieselben eine ungemein grosse Aehnlichkeit mit elastischen Fasern (s. Fig. VIb.); sie sind scharf contourirt und glattrandig,

*) ,Die ttistiologie und ttistiogenese der nervSsen Centralorgane" Berlin 1873, 8. 138 S. 2. Tar. (Separat~bdruck aus dem Arch. far Psych. und l~ervenkrankh. IV. 1.}

~*) L. c. p. 23 und 28. ***) L. c: p. 26 und 77°

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stark geschwungen, off yon ~ehr bedeutender Lfinge and scheinen sich nicht za theilen; gleichwie ihr Aussehen, so spricht auch das Verbalten der fraglichen Fasern gegen chemisehe Reageutien sehr dafiir, dass sie dem elastischen Gewebe zuzurechnen sind. Die Priifung mit chemischen Reagentien konnte erst dann vorgenommen werden, als das Praparat bereits in Chromsaure (1/io%) und Alkohol erhartet worden war, allein der Vergleich des ¥erhaltens der Fasern zu dem des Bindegewebes der Piafortsatze des Opticus oder des Chiasma immerhin zur differentiel.len Diagnose herangezogen werden. Der Vergleich fiihrte zu um so auffallenderen Resultaten, ais beide Gewebe, besouders im Opticus, ganz nabe an einandergelagert sind. So widerstehen diese Fasern sehr large der Einwirkung yon hlkalien, werdeu durch Essigsiiure nicht veri~ndert ebensowenig dutch Kochen in salzsaurehaltigem Alkohol, w~thrend bei diesen Manipulationen alas Biudegewebe die, bekannten Ver~nderungen erfahrt. Letzteres hellt sich in Glycerin und NelkenS1 bis zur vollkommenen Durehsichtig- keit auf, die Faseru bleiben unveriiudert, ebenso nehmeu dieselben bei Tinktion mit Carminammoniak kaum eine Spur yon Fiirbung an.

Feine, mit Hamatoxylin oder Schwe igge r -Se ide l - schem Carmin gefiirbte, Quer- und Litngsschnitte verschaff- ten einen Ueberblick tiber die Anordnung und Menge der Kerae der zelligen Elemente. ¥or Allem ist hier her- vorzuheben, class die bindegewebigen Septa durehaus keine Vermehrung in Bezug auf die Kerne aufzaweisen haben.

Innerhalb eines Feldes sind zwischen den einzelnen Nervenfasern eiue etwas griissere Menge yon Kernen ge- farbt, ihre Gestalt ist randlich und gleicht ganz den oben beschriebenen Kernen der normalen Gliazellen. Wo tier oben bescbriebene aus Fasern bestebende Ring anf~tngt, tritt eine grosse Anzahl yon gef$irbten Kernen

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auf, uad an der inncrn Pcripherie (los Ringes ~ixld sie am dichtesten gelagert. Gegen die fiussere Peripherie des Ringes werden sie wieder sp~rlicher (s. Fig. IV.). Die Kerne des Ringes sind viel grO~scr, als dic zwischen den Nervenfasern und schr stark elliptisch und ~o gel~gert, duss ihre Lhngsaxe sich nach dem Verlauf der Yasern des Ringes richter. Die Anzahl der Kerne i~ eine etwas wechselnde, manchmal ~ind sie ganz nahe aneinander- gelagert. Dies gilt hauptgichlich, you den Kernen des Ringes.

Zerzupfungspr~parate zeigen nun, dass die Kerne innerhalb der Nervenfasern den beschriebenen im nor- malen Zustande vorhandenen Platten angehOren, die Kerne des Ringes ebenfalls solchen, die sich aber dutch ihre GrSsse etwas davon unterscheiden (s. Fig. ¥Ia.). Iqicht selten findet man grosse Platten, die 3 oder 4 Kerne haben, und aus einer Versehme]zung frfiher getrennter Zellen hervorgegangen sein mSgen. Um die Kerne herum ist eine geringe Menge you Protoplasma vorhallden. Die Contouren sind unregelm/~ssig, die Form eine polygonale, das tibrige Verhalten ein ~thnliches wie das der normal hier ,¢orkommenden zelligen Elemente. Diese zelligen Elemente sind zwischen dem faserigem Gewebe gleichsam nur ein- gestreut, and es ist besonders hervorzuheben, dass von dell zelligen Elementen durehaus keine Fortsiitze aus- gehen, die als die besehriebenen Fasern betrachtet werden kiinnten. Das Gcsagte gilt yore Opticus, wie vom Chiasma. Die zelligen Elemente sind besonders dicht in der Pro- tuberanz des Chiasma gelagert. Eine Neubildung Yon Gef~ssen hat nirgends stattgefunden. Noch eine Frage w~tre zu erledigen, ob nicht einzelne Nervenfasern durch den pathologischen Process zu Grunde gegangen sin& Es ist dies hinsichtlich des Chiasma unmSglich zu ent- scheiden, hinsichtlieh des Opticus hat die ungeftthre Sehiitzung der Nervenfasern zu der Zahl derjenigea dos

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normalen Opticus auf Querschnitten keine Abnahme er- geben.

Die beschriebene ttyperplasie des Opticus und des Chiasma ware als dadurch entstanden aufzufassen, dass einerseits eine Yermehrung der normalea zelligen Ele- mente, andererseits eine eigenthtimliche Modification der feinkSrnigen Substanz zwischen den einzelnen Nerven- fasern stattgefunden hat, die in einer Umwandlung in wabrscheinlich elastisches Gewebe bestand. Letzteres gruppirte sich in besonderer Weisc ira Opticus und in einem Theil des Chiasma, und zwar als radiar gestellte, concentrisch und Yon vorn nach hinten verlaufende, im Chiasma als yon rechts nach links und yon hinten nach vorn verlaufende Fasern.

Nach ¥ i r chow*) wiirde man der Hyperplasie den Namen einer ,,Sclerose" oder nach Robin**) eines ,,Scleroms" geben miissen, da als Unterschied ffir die Bezeichnung ,,Gliom" angenommen wird, dass bei der Sclerose ,,noch nervSse Theile vorhanden sind und die zellige Wucherung keinen iiberwiegenden Antheil an der Bildung nimmt***)."

Nachdem diese eigenthiimliche Hyperplasie des Chiasma und des rechten Nervus opticus bei der Section

*) Die krankhaften Geschwtilste, II. Bd., pag. 136.

**) ¥irchow 1. c.

*~) Aehnliche Befunde in der pathologischen Histologie, was die Yer~nderungen des Bindegewebes des Opticus, des Gehirns und des Rlickenmarks betrifft, einer vergleichenden Besprechung zu unter- ziehen~ wtirde zu weir fiihren, da gerade die Ansichten fiber das Wesen der Neuroglia so sehr differirten, und damit der pathologische Befund eine entsprechende Deutung bekam. Da Boll nachgewiesen hat, dass in der weissen Substanz des Gehirns theilweise Zellen vor- kommen, welche sich im Rtickenmark nicht finden, so whren immer vor Allem bei pathologischen Ver~nderungen die normalen Verhhlt- ~isse des Bindegewebes an der beLreffenden Stelle zu erairen.

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entdeckt war, erschien es mehr oder minder nothwendig, auch die Nerven der an Elephantiasis erkrankten Ex- tremitiit zu untersuchen. Leider ist die Untersuchung eine ziemlich unvollkommene, da die Nerven der be- treffenden Extremit~t nur soweit mir zu Gebot standen, als sie in dem exarticulirten Unterschenkel verliefen. Die Durchmesser der Nerven (Tibialis posticus, Peronaeus) tier erkrankten Extremitiit tiberstiegen um 3/4 bis 5h Mm. die normalen Durchmesser sowohl in vertikaler als in horizontaler Richtung.*)

In ih~'em Yerlauf nach unten nehmeu diese GrSssen- ~,erh~iltnisse eher zu als ab, wie auch die mikroskopische Untersuchung eine nach unten immer wachsende Ver- iinderung nachweisen konnte. Bei der mikroskopisehen Untersuchung zeigte sich, dass die einzelnen Nervenfasern griisstentheils zu Grunde gegangen sind. Auf Quer- schnitten hatte man Gelegenheit die verschiedenen Grade der eingetretenen Atrophie beobaehten zu kiinnen. An vielen Stellen ist die Markscheide g~nzlich verloren ge- gangen, und inselartig zerstreut erschcinen die einzelnen Nervenfasern, deren Markscheide bald wohl erhalten, bald nur noch auf ein Minimum reducirt ist. Mit be- sonderer Deutlichkeit treten diese Verh•ltnisse bei Fiir- bungen mit Ammoniakcarmin hervor (s. Fig. VIII.). An der Stelle der Nervenfasern is~ ein sich intensiv mit Carmin fiirbendes Gewebe getreten, das sich auch bei Be- handlung mit chemischen Reagentien als Bindegewebe manifestirt. Der Vergleich mit Fig. VII., welehe einen

*) Die Messungen wurden, nachdem das Pr~parat 14 Tage lang in verdiinnter ChromsaurelSsung gelegen war~ vorgenommen, und damit auf gleiche Weise behaadelte Nerven eines gleich grossen Individuums in vergleichender Weise benutzt. Der Tibialis posticus der kranken Extremit~t hatte z. B. c. 2~ Zoll unterhalb der Knie- beuge im vertikalen Durchmesser 5 Mm.~ im horizontalen 5~ Mm, der eine~ gesunden Extremit~t an derselben Stelle im vertikalen 4 Mm.~ im horizontalen 4a/4 Mm.

v. Graefe~s Archly fiir Ophthalmologie~ XIX. 3. 11

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Theil eines Querschnitts yon einem normalen Peronaeus darstellt, lehrt welch' grosse Menge yon Nervenfasern zu Grunde gegangen ist. Die sonst so deutlich zum Vor- sehein kommenden Septa sind in dem Querschnitt des ver~nderten kaum mehr herauszufinden. Die zelligen Elemente scheinen nicht vermehrt zu sein. Diese Veri~tiderungen ~chme~ in dem weiteren Verlauf der Nerven nach unten immer mehr zu und sehliesstich ist kaum mehr eine Jmrmale Nervenfaser auf einem Quer- schnitte zu finden. Das ~Neurilem ist durchaus nicht ver~tndert, wie der Vergleich der beiden Figuren VII. und VIII. lehrt, sondern der ganze pathologische Process hat an oder zwisehcn den Nervenfasern sich abgespielt, als deren Endresultat eine bindegewebige Degeneration der bTerven mit &trophie der h+ervenfasern eingetreten ist. Es ist wohl diese geschilderte Veriinderung in ihrem Anfang in der Weise aufgetreten, wie sie Vircho w*) bei der Besprechung der Ver~nderungen der Nerven bei der Lepra anaesthetica beschreibt: ,,Einmal ist das Neurilem zu einer schwieligen Masse umgewandelt, bald sehr unerheblich ver~tndert. Die wichtigsten Veranderungen betreffen die inneren Septa der Nervenbtindel oder die interstitielle Nervensubstanz (Perineurium). Es findet sich eine dichte Anhiiufung yon Zellen, welche fiberall zwischen die einzelnen I%rvenprimitivfasern sich verbreiten and theilweise zur Fettmetamorphose (Bildung grosser KSrn- chenzeUen) theils Atrophic der Nervenprimitivzellen (Zer- fall der Markscheide) ftihren." Die Beobachtung eines ahnlichen, weit st~trker wie bei Lepra ausgepriigten Be- fundes machte ebenfalls Vircho w**) and zwar nach einer Schussverletzungdes hrmes, ~o in dem Perineurium des

*) ,Die krankhaften Geschw~lste." II. p. 523.

**) Virchow's Archly, Bd. 53~ 4. Heft, p, 441.

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Nervus medianus Alles ,,mit jungen Granulationen voll- gepfropft warund ~iele Nervcnfasern bereits in ihrer GrSsse abnahmen." Der Process wird mit dem ~amen einer Neurit. interstitial, prolifera belegt.

Eine weitere Frage w~re nun die, ob die beschriebenen pathologischen Verinderungen der Nerven der erkrankten Extremitfi.t prim~ir aufgetreten, zu sogenannten trophischen St6rungen an derselben geffihrt.haben, oder ob die patho- logischen Producte der Elephantiasis bei ihrem Weiter- schreiten auch innerhalb der Nerven eine Stelle gefunden haben. Das Vorkommen von gleichzeitigen Ver~nderungen an ~'erven in entlegenen Theilen, ~'ie im beschriebenen Falle, diirfte vielleicht ffir die Annahme des primiren Befalbnseins der hTerven sprechen. Man miisste denn das Znsammen- treffen tier ¥eriinderungen der :Nerven der an Elephan- tiasis erkrankten Extremitat mi~ tier Hyperplasie des Chiasma und des rechten Opticusstammes als etwas ganz Zufalliges betraehten wollen.

Es ware wtinschenswerth, dass gelegentlieh bei Sectionen yon Elephantiasis auf die Nerven aueh an ent- fernteren Stellen yon tier Erkrankung geaehtet wiirde, um vielleicht noch 5fbrs das Vorkommen yon hyperplastischen Processen an Nerven zu constatiren, die sich im beschrie- benen Falle als ,,Sclerose" oder ,,Selerome" des Optieus und des Chiasma dargestellt haben.

E r l angen , den 10. April 1873.

11"

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E r k l ~ r u n g der Figuren*) (Tat: III. Fig. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8). Fig. I. Hyperplasie des Chiasma und des rechten 0pticus.

Untere Fli~che. Natiirliche GrSsse. Fig. II. Querschnitt durch den hyperplastischen rechten

0pticus, circa 5 Mm. nach seinem Abgang yore Chiasma. Lupen- vergr5sserung.

Fig. III. Querschnitt dureh das hyperplastische Chiasma un- gef~hr in der Mi¢te desselben. Natfirliche Lage. Lupenver- grSsserung.

Fig. IV. Quersehnitt des rechten 0pticus, circa 6 Mm. hinter dem foramen opticum.

a. Piafortsatz, b. der aus der besehriebenen Auordnung yon Fasern be-

stehende Ring, c. Nervenfaser (Markscheide) mit Axeneylinder and zwischen

den einzelnen ~ervenfasern die Querschnitte der yon vorn nach hinten verlaufenden Fasern. Fi~rbung mit Carmin- ammoniak. Canadabalsampri~parat. tiartnack Ocular 3 und Objectiv 8.

Fig. V. Zerzupfungspr~parat aus Miiller'scher LSsung yore Chiasma des Schafes. ttartnack Immersion 10 und Ocular 3.

a. Gliazelle, einer Nervenfaser anliegend~ b. zwei solcher Zellen, in reihenweiser Anordnung, e. Einzelne Zellen.

Fig. VL Zerzuphmgspr~par~t eines in sagittaler Richtung durch das 0hiasma gefiihrten Schnittes. ¥ergriisserung ~ie bei Fig. V.

a. Zellen, b. Fasern~ c. Querschnitte yon Nervenfasern.

Fig. VII. Querschaitt eines normalen menschlichen Peronaeus, circa 2~ Zoll unterhalb der Kniebeuge. F~rbung mit Carminammoniak. Hartnack Ocular 3 und 0bjectiv 4.

Fig. VIII. Querschnitt des veri~nderten Peronaeus~ Herstellung des Praparats und VergrSsserung wie bei Fig. VII.

*) Die Zeiehnungen verdanke ich grossentheils der Gfite des t4errn Dr. Thier fe lder in Leipzig.

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