12
Acta Medica Scandinavica. Vol. LXXXVII, fasc. V-VI, 1936. -4us der iiineren Ahteilung des allgemeinen Krankenhauses zu Jonkopirig (Schweden), Uber eine Methode zur Gewinnung reinen, nativen Fibrinogens aus Menschenblut.' VOll ESKIL KYLIN und FRIEDRICH PAULSEN. Im Jahre 1930 hat Theorell als der erste festgestellt, dass im elektrischen Feld die Bluteiweisse nach der Anode wandern, und zwar mit verschiedener Geschwindigkeit. Am schnellsten wandern die Albumine, etwas langsamer die Globuline und am langsamsten das Fibrinogen. Durch die Arbeiten Bennholds, uber die Vehikel- funktion der Bluteiweisse wurde der Michaelissche Uberfiihrungs- apparat in der Modifikation von Theorell zu einem wertvollen Instrument der klinischen Eiweissforschung gemacht. Es sind durch diese Arbeiten einige Probleme gelost, manche der Losung naher gebracht und viele neu aufgeworfen werden. Eines der wichtigsten Ergebnisse ist, dass man in dieser Methodik wohl endlich einen neuen Weg zu dem Ziel gefunden hat, das alte nicht ausreichende Einteilungsprinzip der Bluteiweisse nach den Fallungs- verhaltnissen mit Ammonsulfat durch ein neues zu erganzen. Dieses neue Prinzip, das zum Beispiel auf der verschiedenen Wanderungs- geschwindigkeit der einzelnen Eiweissfraktionen im elektrischen Feld beruhen konnte, wurde vielleicht etwas andere Abgrenzungen, moglich machen, die der funktionellen Einheit des ganzen Blut- eiweisssystems als eines besonderen ,Bluteiweissorganeso (Benn- hold) gerechter werden konnten. Diese letztere Formulierung Bennholds driickt die gleichen Gedankengange in etwas zuge- Bei der Redaktion am 24. Oktober 1935 eingegangen.

Über eine Methode zur Gewinnung reinen, nativen Fibrinogens aus Menschenblut

Embed Size (px)

Citation preview

Acta Medica Scandinavica. Vol. LXXXVII, fasc. V-VI, 1936.

-4us der iiineren Ahteilung des allgemeinen Krankenhauses zu Jonkopirig (Schweden),

Uber eine Methode zur Gewinnung reinen, nativen Fibrinogens aus Menschenblut.'

VOll

ESKIL KYLIN und FRIEDRICH PAULSEN.

Im Jahre 1930 hat Theorell als der erste festgestellt, dass im elektrischen Feld die Bluteiweisse nach der Anode wandern, und zwar mit verschiedener Geschwindigkeit. Am schnellsten wandern die Albumine, etwas langsamer die Globuline und am langsamsten das Fibrinogen. Durch die Arbeiten Bennholds, uber die Vehikel- funktion der Bluteiweisse wurde der Michaelissche Uberfiihrungs- apparat in der Modifikation von Theorell zu einem wertvollen Instrument der klinischen Eiweissforschung gemacht. Es sind durch diese Arbeiten einige Probleme gelost, manche der Losung naher gebracht und viele neu aufgeworfen werden. Eines der wichtigsten Ergebnisse ist, dass man in dieser Methodik wohl endlich einen neuen Weg zu dem Ziel gefunden hat, das alte nicht ausreichende Einteilungsprinzip der Bluteiweisse nach den Fallungs- verhaltnissen mit Ammonsulfat durch ein neues zu erganzen. Dieses neue Prinzip, das zum Beispiel auf der verschiedenen Wanderungs- geschwindigkeit der einzelnen Eiweissfraktionen im elektrischen Feld beruhen konnte, wurde vielleicht etwas andere Abgrenzungen, moglich machen, die der funktionellen Einheit des ganzen Blut- eiweisssystems als eines besonderen ,Bluteiweissorganeso (Benn- hold) gerechter werden konnten. Diese letztere Formulierung Bennholds driickt die gleichen Gedankengange in etwas zuge-

Bei der Redaktion a m 24. Oktober 1935 eingegangen.

E I h E W E T H O D E Z U R G E W I N N U N C . l l E l V E N N k T I V E N F I B R I N O G E N S . 443

spitzter Form aus, die der eine von uns, Kylin, schon fruher in Bezug auf die Funktion des Bluteiweisses vertrcten hat.

Ohne schon jetzt abschliessend zu der Frage, ob man Albumin, Globulin und Fibrinogen als ausreichend definierte hesondere Stoffe ansehen kann, Stellung nehrnen zu wollen, wollen wir docli betonen, dass die letzten bedeutungsvollen Untersuchungen von Geill (3) Mutzenhecher (4), Grbnwall (5), Kylin (6), u. A. ebenso wie unsere eigenen in unseren Augen diesen Standpunkt erschuttert haben.

Alle diese Autoren beschaftigten sich mit der Frage der Einheit- lichkeit der Albumin- und Globulinfraktionen. Fur die Unter- suchung des Fibrinogens lagcn fur die althergebrachten Unter- suchungsmethoden die Bedingungen vie1 ungunstiger, sodass in den Angaben der Literatur ,ein geradezu beispielloser Widerspruch)) be- steht, wie Theorell richtig sagt. Wir haben nun fur einige der wich- tigsten Widerspriiche, z. B. in Bezug'auf die elektrische Ladung, eine Erklarung versucht, die sich u. E. experimentell bestatigt hat. Der beispiellose Widerspruch in den Angahen iiber den isoelektri- schen Punkt des Fibrinogens, die zwischen pH4 und pH9 schwanken, liessen schon Theorell und Hober (8) im Gegensatz zu Wohlisch (9) vermuten, dass das Fibrinogen im Blut zum mindesten schwacher negativ geladen ist als Albumin und Globulin. Es sprachen einige Autoren auch von einer breiten isoelektrischen Zorie; und Wohlisch sah unter dem Mikroskop zwischen zerquetschten Blutkorperchen weisse Faden entstehen, die er fur das Gel des Fibrins halt, das aus dem Fibrinogen entsteht und einen isoelektrischen Punkt hat, der der neutralen Blutreaktion wesentlich naher liegt als der isoelektrische Punkt aller anderen Eiweissfraktionen; bei 6.9 vermutet WBhlisch ihn, dagegen 4.9 fur Fibrinogen. Aber den Gedanken, dass eine Form des Fibrinogens existieren konnte, die im Blut eine positive elektrische Ladung besitzt, hat unseres Wissens niemand geaussert. Es scheint zwar, als oh Theorell so etwas vermutet hat.

Durch die Arbeiten Theorells, Bennholds und Kylins ist uns eine Methode gegeben, die uns ermoglicht, durch Ausnutzung der ungleichen Wanderungsgeschwindigkeit der Kolloide im elektrischen Feld reine Nativlosungen von Albumin und Globulin zu gewinnen. Wenn man die Existenz einer positiv geladenen Fibrinogenfraktion fur moglich hielt, musste es mit dieser Methode moglich erscheinen, sie festzustellen und zu isolieren.

444 E S K I L K Y L I N und F R I E D R I C B P A U L S E N .

Diese his dahin experimentell durch nichts gefestigte Vermutung wurde wesentlich wahrscheinlicher gemacht, als einer von uns (Kylin) bei seinem Untersuchungen iiber Bluteiweisse entdeckte, dass nicht alles Eiweiss, wie Bennhold und Theorell angeben, bei dem unverandertem pH des Blutes zur Anode wandert. Sondern es fand sich bei der Anwendung von Plasma ein Eiweiss in der Seitenfliissigkeit (Ringerlosung) an der Kathode.

Von diesem Ausgangspunkt her haben wir eine Reihe von Untersuchungen vorgenommen, die eine zusammenhtingende Arbeit hilden, und deren bisheriges Resultat wir hier vorlaufig mitteilen.

Wir benutzten das zum hequemeren Abpipettieren mit einer offenen Verlangerung der U-Schenkel von Theorell modificierte U-Rohr Michaelis. Und zwar wendeten wir dass grosse Rohr von 2 cm Durchmesser und einem Elektrodenabstand von etwa 85 cm an, urn fur alle notwendigen Bestimrnungen eine ausreichende Menge der zu untersuchenden Fliissigkeit entnehmen zu konnen. Stromquelle war die Stadtleitung von 250 V. (Gleichstrom). Die Elektroden waren die unpolarisierbaren, wie Michaelis sie vor- schreibt: Cu-Cu SO,--KCl Agar-KC1-KC1 Agar, Die Spannung hetrug zwischen 50 und 100 V.

Die schichtweise Entnahme der Seiteafliissigkeit an der Kathode grschah entsprechend Bennholds Methodik.

Als Mittelfliissigkeit nahmen wir teil menschlisches Plasma, teils tierisches - und teils menschlisches Serum. Als Seiten- fliissigkeit verwendeten wir physiologische Kochsalzlosung, oder Ringerslosung, ohne dass wir einen wesentlichen Unterschied feststellen konnten.

Wahrend wir uns in mehreren Versuchen durch verschiedene allgemeine Eiweissproben, (Heller, Kochprobe, Sulfosalicylsaure, (NH,), SO,,) von der Existenz eines Eiweisses iiber Nullinie an der Kathodenseite iiberzeugen wollten, erhielten wir widersprechende Ergebnisse, je nach dem Zeitraum, der zwischen Beginn der Kata- phorese und der Entnahme lag. Deshalb versuchten wir zunachst festzustellen, rnit welcher Geschwindigkeit das unbekannte Ei- weiss zur Kathode wanderte, um zu wissen, wo und wann wir es am leichtesten in moglichst grosser Konzentration finden konnten. Nach Priifung aller allgemeinen Eiweissreaktionen wahlten wir die Hellersche Probe, als die empfindlichste und zuverliissigste fur unseren Zweck; ihre Fehlerquellen kamen hier ja nicht in Frage.

E l N E M E T H O D E Z U R G E W I N N U N G R E I N E N N A T I V E N FIBRINOGENS 445

Mit Hilfe der Hellerschen Probe untersuchten wir in bestimmten Zeitabstanden die Seitenfliissigkeit an der Kathode auf Eiweiss und setzten die Ergebnisse in Beziehung zur Dauer der Kataphorese und der Wanderungsgeschwindigkeit der Albumine. Diese letztere konnte man ja einfach an dem Steigen des Spiegels auf der Anoden- seite verfolgen, wahrend das unbekannte Eiweiss an der Kathode nicht durch irgendeinen Farbenunterschied oder Spiegel ausserlich erkennbar war. Ein ungefahres Bild der relativen Wanderungs- geschwindigkeit gibt das Protokoll 6.

Dauer der Kataphores in Stunden

3 6 8

11 23 25

Protokoll 6. 29. 9. 35.

Ziel: Bestimmung der relativen Wanderungsgeschwindigkeit des Eiweisses

Mittelfliissigkeit: 0.1 %iges Lithiumoxalatplasma (Mensch). Seitenfliissigkeit: Physiologische NaCl Losung. Spannung: 50 V. Spiegel des Plasma an der Anode bei 0.

an der Kathode.

n )) )) D )) Kathode bei 0.

HGhe des Anoden-Spiegels

Heller an der Kathode bei ern iiber 0

an der in em iiber 0 5 em 1 6 c m 1 12 em I Oberfllche

- - - - 1.5 3.2 4.2 -t- I- + 6.7 i-+ ++ (+) 9.2 fl-i- ++ +

-t Spur - - - -

- -

10.8 + + + + + + + +

In einigen Kontrollversuchen erhielten wir nur kleine Abwei- chung betreffs der absoluten Wanderungsgeschwindigkeit. Aber das Verhaltnis von Albumin zu dem kathodenwarts wandernden Eiweiss blieb nicht immer das gleiche. In einem Quotienten lasst sich dieses Verhaltnis daher nur sehr ungenau ausdriicken. ES scheint allerdings, als ob die Albumine langsamer wandern als dieses kathodenwarts wandernde Eiweiss. Etwas absolut genaues lasst sich nicht dariiber aussagen, weil die Entnahme zu bestimm- ten Zeiten, an bestimmten Hohen immer nur ein ungefahres Bild des Wanderns gehen kann. 29 - A d a med. scandinau. Vol. L X X X V I I .

446 E S K I L K Y L I N und FRIEDRICH PAIJLSEN.

Aber die Tatsache, dass ein Eiweiss aus der Mittelflussigkeit in die Seitenfliissigkeit der Kathodenseite einwandart, steht fest. Auch erklart es sich, dass wir bei unseren ersten allgemeinen Eiweiss- bestimmungen oft ein negatives Resultat hatten; wir hatten wie auch die anderen Untersucher, welche den Eiweissgehalt der Seiten- fliissigkeit untersuchten, zu friih und zu hoch - oberhalb des Kranes - entnommen. So gibt Theorell an, der unseres Wissens als einziger Plasma kataphoretisierte, dass er nach drei Stunden die Krane geschlossen und kein Eiweiss gefunden habe. Das stimmt mit unseren Beobachtungen gut uberein. Auch wir haben nach drei Stunden oberhalb des Kranes kein Eiweiss gefunden. Aber nach sechs Stunden war es da.

Als uns durch einige Kontrollversuche diese neue Tatsache, dass ein Eiweiss im unveranderten Blutplasma und bei neutraler Reaktion der Seitenflussigkeit als Kation wandern kann, gesichert erschien und wir auch wussten, unter welchen Bedingungen, wann und wo wir es in grosster Konzentration finden konnten, erst da konnten wir versuchen iiber die Natur dieses unbekannten Eiweisses Klarheit zu gewinnen,

Zur Erkennung und Abgrenzung etwaiger verschiedener Fraktionen wahlten wir hier die Methode der schichtweisen Ent- nahme mit der Heissluftkapillare nach Bennhold. Und zwar zeigte es sich leichter, Schichten von einiger Millimeter Hohe zu entnehmen, ohne dass sicli Stromungen zwischen den einzelnen Schichten, bildeten, wenn man vorher alle nicht zu untersuchende Flussigkeit mit einem Heber aus dem Seitenrohr ablaufen liess bis zu der Hohe, wo man mit der schichtweisen Entnahme zu beginnen Wnscht. D. h. wir entnehmen nur die oberfltichlich liegende Schicht und vermeiden damit leichter eine Verschiebung der Schichten gegeneinander.

Fiir unser Ziel geniigte es in diesem Fall 5 mm tiefe Schichten zu entnehmen. So bekamen wir in dem grossen Kataphorese- apparat eine fur alle Bestimmungen ausreichende Menge der einzel- nen Probe. Da es sich urn ein schnell wanderndes Kolloid von geringer Konzentration handelte, mussten wir es sehr hoch uber die Nullinie steigen lassen, ehe wir es abpippettieren durften. Zu diesem Zweck mussten wir die Gradeinteilung an dem Bennholdschen Apparat bis zu 13 cm iiber 0 verlangern. Fur die Gewinnung dieser Eiweissfraktion ist also eine langere Dauer der Kataphorese erfor-

E I N E METKODE Z U R C E W I N N U N G REINEN NATIVEN FIBRINOGENS. 447

derlich. Wie aus dem Protokoll6 hervorgeht, llsst man den Strom am besten 24 Stunden wirken.

Sehr wesentlich ist hier die Methode, mit der man das Eiweiss zur Ausfiillung bringt. Wir haben nach zahlreichen Fallungs- versuchen gefunden, dass fur diejenige Konzentration des Eiweisses wie sie in der Kathodenseitenfliissigkeit vorliegt, das Eiweiss am besten durch Zusatz von 1-2 Tropfen 2.5 %iges CaCl, zu etwa 2 em* Seitenfliissigkeit zur Gallertenbildung bringt. Nimmt man hohere Konzentrationen, so gelingt es nicht das Eiweiss quantitativ zu gelatinieren. Auch die NaClSattigung und die anderen Fallungs- methoden fur das Fibrinogen im Plasma sind hier weniger geeignet. Im iibrigen war die Methode die gleiche.

Protokoll 9. 8. 10. 1935.

Entnahme an der Kathode nach 24 Stunden Stromdurchgang. Spannung 70 Volt. Temperatur im Wasserbad 18'. Mittelflussigkeit: 0.1 %iges Lithiumoxalatplasma (Mensch). Seitenfliissigkeit: RingerslBsung. Anodenseite: Albuminspiegel bei 10.5 cm iiber 0. Kathodenseite: 14 cm uber 0, Heller negativ.

~~ ~

En t na hm e - tiefe in

cm iiber 0

10-13 9-10 8-9 7-23 6-7 5-6 4-5

3.5-4 3-3.5 2-3 1-2 0-1

0.5-0 1-0.5 2-1

2.5-2 3-2.5 4-3

~~~ ~

1 Trpf. 2.5 yo CaCI,

nach y! Std.

-

- - -

(-1 ++ ++ ++

+++ +++ +++ -1- + + +++ +++ - t + + +++ +++ +++

12 Std.

-

+ + + -1

+ + + + + -i +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ + + - i - + + -1- +++ +++

~- ~~~ ~

Sattimne: des Filtrates zu

50 % $4 Std.

+ +

++ ++

+++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++

75 yo mit

Std.

-

(+) (+) + ++ ++ ++

+++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++

448 E S K I L H Y L I N und F R I E D R I C H P A U L S E N .

Dieser Versuch bringt Klarheit daruber, welches Eiweiss wir vor uns haben. Wir finden, dass die Seitenfliissigkeit, gleich- gultig ob wir Ringerlosung oder 0.9 %iges NaCl anwenden, deren Aussehen sich ausserlich nicht merkbar geandert hat, zwischen der Nullinie und 8 cm dariiber bei Zusatz von einem Tropfen 2.5%- igem CaCl, zu 1 cm3 Seitenfliissigkeit eine feste Gallerte bildet, deren Filtrat eiweissfrei ist. Dass ist das entscheidende Resultat.

Aus dem Protokoll gehen noch einige andere wichtige Einzel- heiten hervor. Die Gallertenbildung durch CaCl , braucht einige Stunden, bis sie alles Eiweiss umgewandelt hat. Schon nach einer halben Stunde fand sich in den meisten Portionen - bis zu 6 cm - eine deutliche Gallertenbildung; aber wenn wir diese Gallerte aus- pressten und das Filtrat untersuchten, so fanden wir eine Fallung bei Halbsattigung mit (NH,), SO,. Am nachsten Morgen jedoch sahen wir, dass sich auch noch hoher liegende Portionen gallertig umgewandelt hatten, bis zu 8 cm iiber 0. Noch wichtiger war, wenn wir jetzt die Gallerte zerquetschten, so blieb das Filtrat eiweiss- frei. Selbst bei Ganzsattigung mit Ammonsulfat gab es keine Fallung mehr, und zwar blieb das Filtrat eiweissfrei bis genau zur Nullinie herunter. Dort begann allmlhlich eine Fallung, die bei Halbsattigung mit Ammonsulfat eintrat, und also das Vorhanden- sein von Globulinen anzeigte.

In den Kontrollversuchen liess sich durch Verfeinerung der schichtweisen Entnahme feststellen, dass Globuline in demjenigen Filtrat auftraten, dass zwischen 0.3 und Oentnommen war, wenn die Albumine an der Anodenseite bei 7cm standen. Obwohl diese Fallung nur schwach war, bestarkt sie die Vermutung Bennholds, dass es eine Globulinfraktion gibt, die hinter dem sichtbaren Ende der Eiweisssaule zuruckbleibt.

Die feste Substanz der Gallerte, die wir im Filter zuriick- behielten, hatte schon ausserlich die feste, zahe Konsistenz und die weisse Farbe der bekannten Fibrinflocken. Und wenn wir ihre Loslichkeit untersuchten, so zeigte es sich, dass sie in Wasser und verdiinnten Salzlosungen unloslich waren.

Mehrere Kontrollversuche brachten dasselbe Resultat und zeigten daneben, dass fur Rinderplasma das gleiche gilt wie fur menschliches Plasma. Weiter fanden wir in ihnen, dass sich ebenso wie die Gallertenhildung durch CaCl, eine Fallung durch 28 %ige Sattigung mit Ammoniumsulfat, zwischen der O-Linie

EINE METHODE Z U R GEWINNUNG REINEN NATIVEN FIBRINOGENS. 449

und 2-5 cni dariiber erzeugen lasst, deren Filtrat ebenfalls ei- weissfrei ist.

Es findet sich also zwischen der Nullinie und 5 cm daruber ein Eiweiss, das alle Kriterien eines Fibrinogens zeigt.

Nun hatte Theorell gefunden, dass Fibrinogen mit Albuminen und Globulinen zur Anode wandert. Zwar wandert es langsamer als die anderen Fraktionen - das Verhaltnis der Wanderungs- geschwindigkeit von Fibrinogen zu Globulinen und zu Albuminen wurde von Theorell als l : l ,S :5 bestimmt. Wenn diese Beobach- tung bestiitigt werden konnte, so musste es also zwei verschiedene Arten des Fibrinogens geben, eines, das im normalen Plasma eine negative Ladung tragt, gerade so wie die Albumine und Globuline, und eines, das unter den gleichen Bedingungen als positives Kation zur Kathode wandert.

Um hieriiber Klarheit zu gewinnen , haben wir bei jeder einzelnen Untersuchung der Seitenflussigkeit auch die Eiweissschichten an der Anodenseite bestimmt. Als Beispiel zeigen wir hier die Verhalt- nisse an der Anode aus der gleichen Untersuchung, deren Protokoll wir oben brachten.

Wir wahllen dicses Beispiel, weil es den gleichen Versuch zeigt, den wir fur den Nachweis des Fibrinogens an der Kathode brachten, obwohl hier die entnommenen Schichten zu gross sind, um einen

Entilalime- g,eiche Menge tiefe in em iiber 0 11/50 CaCl,

I - 9-1 1

8-9 - 6-8 ( -;. ) FSden

+ -t- + 5-6 4-5

+ ’- ’- Gallerte 3-4 2-3 4- + -t 1-2 0-1 +++

‘ - + + I

Protokoll 9. 8. 10. 1935.

Entriahmo an der Anode nach 24 Stunden. Albuminspiegel bei 10.5. 12 cm iiber 0 Heller ++ ubriges siehe Protokoll 9, Seite 6.

Silttigung mit (NH,), SO4

28 % I 50 % 1 75 s!,

++ - - - - +’+

( +) + f -1- + + ++ -k + t- i- ++ + i- +

+++ +++ +++ +++ +++ +++ i- + + +++ +++ +++ + + +

i-+

450 ESKIL K Y L I N und F R I E D R I C H P A U L S E N .

Unterschied in der Wanderungsgeschwindigkeit von Globulin und negativem Fibrinogen aufzeigen zu konnen. Die gleiche Probe, die eine Globulinfallung aufweist, zeigt auch die Fibrinogenreak- tionen. Bei einigen anderen Versuchen liess sich jedoch eine geringe Schicht fibrinogenfreien Globulins gewinnen. Das Verhaltnis von 1: 1.8, das Theorell angibt, ist u. E. ein wenig zu gross. Wir wiirden annehmen, dass ein Vernaltnis von 1: 1.5 richtiger ist. Im ubrigen aber stimmen unsere Befunde mit denen Theorells uberein. So hleibt nichts ubrig als anzunehmen, dass im unver- anderten Plasma gleichzeitig neheneinander bei normaler Reaktions-

Protokoll 12. 12. 10. 35.

Untersuchurig der Seitenfliissigkeit an der Kathode. Mittelfliissigkeit: rnenschliches Serum. Seitenfliissigkeit: 0.9 % NaCL Losung. Spannung: 70-50 Volt. Entnahme nach 16 Stunden. Anodenspiegel: 5.1 c m , iiber 0: Heller an der Kathode iiber 12 cm: neg

Eli t uahmet iefe

10-11 9.5-10 8.5-9.5 7.5-8 7 -7.5 6.3-7 6 -6.3 5.5-6 4.5-5 4 4 . 5 3.8-4 3 -3.8 2.5-3 2 -2.5 1.3-2 0.8-1.3 0.4-0.8

-0.2- +0.4 -0.7- -0.2

1.2-0.7

Slittigung mit (NH4k SO,

28 %

++ +++ +++

50 %

++ +++ +++

=

2 Heller

. . .

E I N E M E T H O D E Z U R G E W I N N U N G R E I N E N NATIVEN F I B R I N O G E N S . 451

lage positiv und negativ geladene Fibrinogenkolloide vorhanden sind. Damit wurde das Fibrinogen auch in Bezug auf sein elektri- sches Verhalten in Gegensatz zu den ubrigen Eiweissfraktionen stehen.

Um weitere Klarheit uber die Fihrinogennatur des hei normaler Reaktion als Kation wirkenden Eiweisses zu gewinnen, unter- suchten wir auch Serum unter den gleichen Bedingungen.

Wir selien hier, was schon Bennhold festgestellt hatte, ist richtig: oberhalb der Nullinie ist bei Serum als Mittelflussigkeit an der Kathode kein Eiweiss zu finden. Der Unterschied zwischen der uberfuhrung von Serum und Plasma unter sonst gleichen Bedingungen geht deutlich aus folgender Zeichnung hervor.

Diese Zeichnung zeigt nicht nur die Tatsache, dass es bei normaler Blutreaktion eine schnell kathodenwarts wandernde Eiweiss- fraktion gibt, die nur im Plasma vorkommt und alle Charakte- ristika eines Fibrinogens aufweist, aus ihr geht ebenfalls hervor, dass es durch diese Methode moglich geworden ist, das Fibrinogen unverandert, in seiner ursprunglichen Form zu isolieren, und zwar in nicht unbetrachtlicher Menge. Die Bedeutung dieser Moglichkeit liegt auf der Hand. Es ist moglich geworden, mit einer relativen einfachen Methodik reines natives Fibrinogen zu isolieren,

Es braucht wohl nicht betont zu werden, dass diese Methode zur Zeit nur einen reinen praktischen Wert hat. Wohl konnen wir die Ergebnisse jedcrzeit unter den angegebenen Bedingungen gut reproduziercn, aber sie lassen bei der Unzulanglichkeit der ange- wandten Methodik naturlich nicht zu, etwas uber die absolute Wanderungsgeschwindigkeit der beiden Fibrinogenfraktionen oder uber die elektrische Oberflachenintensitat der Partikelchen aus- zusagen. Diese vorlaufige Mitteilung sollte nur mit der Methode bckannt machen, natives Fibrinogen zu gewinnen, ohne es durch Aussalzen zii verandern.

Die eingehende Untersuchung der physikochemischen Eigen- schaften dieser Eiweissfraktion und die Frage der Unterscheidung auch durch andere Eigenschaften von dem als Anion im Blut vorhandenen Fibrinogen und die physiologische Bedeutung dieser seltsamen Doppelfunktion des Fibrinogens sind Gegenstand von zur Zeit im Gang befindlichen Untersuchungen, die eine zusammen- hangende Arbeit bilden.

452 ESKlL KYLIN und FRIEDRICH PAULSEN.

E I N E M E T H O D E Z L R G E W I N N U N G R E l N E N N A T I V E N F I B R I N O G E N S . 453

Zusammenfassung.

1). Im unverandertcn Lithiumoxalatplasma ist eine Eiweiss-

2). Diese Eiweissfraktion wandert schneller als die Albumine. 3). Die kathodenwarts wandernde Eiweissfraktion hat viele

Eigenschaften eines Fibrinogens. 4). Unter den gleichen Bedingungen wandert gleichzeitig

ein anderes Fibrinogen zur Anode, sodass die Existenz von zwei verschieden geladeaen Fibrinogenfraktionen im unveranderten Blutplasma angenommen werden muss.

5). Es wird eine Methode angegeben, Fibrinogen in reiner nativer Form zu isolieren.

fraktion als Kation vorhanden.

Litteratur.

1 ) Theorell: Biochem. Z., Bd. 223, 1-3, 1930. 2) Bennhold: Erg. inn. Med. 42. und Med. Kolloidlehre, Dresden 1933. 3) Geill: Klinische Wschr. 1927, 220 urid Z. klin. Med. 110, 334, 1929. 4 ) Mutzenbecher: Biochem. Z. 266 5) Gronwall: Archiv f . exp. Path. Bd. 175. 6 ) Kylin: Archiv, f . exp. Path. 7 ) Mainzer: Biochem. z. Bd. 246, 1-3. S) Hober: Handb. d. norm. u. path. Physiol. Bd. 6/1. 9) Wohlisch, Zeitschr. f. rxp. Med. Bd. 40, S. 137, 1924. 10) Michaelis: Praktikum drr physiol. Chemie, Berlin 1930.