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L. Tsc?bzcgajefi Eine neue komplese Base des Osmiunas. 65 Uber eine neue komplexe Base des Osmium$.') Von L. TSCHUGAJEFF t. Gut bekannt sind gegenwartig einige Reihen von Salzen, welche komplexen Sauren des Osmiums entsprechen, wie z. B. Chlorosmiate, Osmylosalate, Osmiamate usw. Anderemeits ist nur eine komplexe Base dieses Metalls bestimmt und gut charakterisiert. Die Reihe Salze, welche dieser Base entsprechen, ist unter dem Namen der Salze des Osmylcliammoniums [ObOZ . 4 NHJX, bekannt. TJnlangst ist es mir gelungen, eine Reihe Salze einer komplexen Base, welche gleichzeitig Osmium nnd Thioharnstoff enthalt, zu ent- decken. Die Chlorverbindung dieser Base w u d e auf folgendem Wege dargestellt, wobei als Ausgangsprodukt losliche Chlorosmiate dienten. In waiBrigem Medium, welchem einige Tropfen Salzsaure hinzu- gefugt werden, vermengt man 1 g Na,OsCl, und 1,5 g Thioharnstoff, und erwarmt das Gemenge bis zur Siedehitze wahrend einiger Minuten. Die Flussigkeit, welche nun eine intensiv rote Farbung asgenommen hat, wird noch warm filtriert, und unter alimahlicher Abkuhlung wird dann derselben konzentrierte Salzsaure und kristal- linisches Lithiumchlorid im OberschuB hinzugefugt (die Beimischung von Lithiumchlorid bezweckt eine moglichst hohe Konzentration der Chlorionen Cl' in der Flussigkeit). Auf diese Weise erhalt man einen kristallinischen Niederschlag, der sich wie ein Gemenge von zwei Substanzsn verhalt, denn die- selben unterscheiden sich sehr scharf voneinander durch ihre Los- lichkeit in Allcohol. Das Hauptprodukt der Reaktion ist leicht l) Durch verschiedene Amtsobliegenheiten verhindert, die Bearbeitung dsr nachgelassenen Materialien des verstorbenen Prof. L. TSCHUGAJEFF weiter- zufuhren, beeile ich mich bei der rnir gegenwxrtig dargebotenen Gelegenheit, dieselbe baldrnogliehst zu beenden. Die vorliegende Untersuchuug war Ende 1917 angefangen, und die ersten Besultate derselben sind in der Sitzung der Rugs. Chem. Ges. am 15. Februar 1919 vorgetrsgen worden. Die Abhandlung ist vom Verstorbenen h6chstwahr- scheinlich erst kurz vor dem Tode verfaBt worden. E. FRITZXANK. Z. anorg, u. dig. Chew Bd. 113. 5

Über Eine neue komplexe Base des Osmiums

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L. Tsc?bzcgajefi Eine neue komplese Base des Osmiunas. 65

Uber eine neue komplexe Base des Osmium$.') Von L. TSCHUGAJEFF t.

Gut bekannt sind gegenwartig einige Reihen von Salzen, welche komplexen Sauren des Osmiums entsprechen, wie z. B. Chlorosmiate, Osmylosalate, Osmiamate usw. Anderemeits ist nur eine komplexe Base dieses Metalls bestimmt und gut charakterisiert. Die Reihe Salze, welche dieser Base entsprechen, ist unter dem Namen der Salze des Osmylcliammoniums [ObOZ . 4 NHJX, bekannt.

TJnlangst ist es mir gelungen, eine Reihe Salze einer komplexen Base, welche gleichzeitig Osmium nnd Thioharnstoff enthalt, zu ent- decken. Die Chlorverbindung dieser Base w u d e auf folgendem Wege dargestellt, wobei als Ausgangsprodukt losliche Chlorosmiate dienten.

In waiBrigem Medium, welchem einige Tropfen Salzsaure hinzu- gefugt werden, vermengt man 1 g Na,OsCl, und 1,5 g Thioharnstoff, und erwarmt das Gemenge bis zur Siedehitze wahrend einiger Minuten. Die Flussigkeit, welche nun eine intensiv rote Farbung asgenommen hat, wird noch warm filtriert, und unter alimahlicher Abkuhlung wird dann derselben konzentrierte Salzsaure und kristal- linisches Lithiumchlorid im OberschuB hinzugefugt (die Beimischung von Lithiumchlorid bezweckt eine moglichst hohe Konzentration der Chlorionen Cl' in der Flussigkeit).

Auf diese Weise erhalt man einen kristallinischen Niederschlag, der sich wie ein Gemenge von zwei Substanzsn verhalt, denn die- selben unterscheiden sich sehr scharf voneinander durch ihre Los- lichkeit in Allcohol. Das Hauptprodukt der Reaktion ist leicht

l) Durch verschiedene Amtsobliegenheiten verhindert, die Bearbeitung dsr nachgelassenen Materialien des verstorbenen Prof. L. TSCHUGAJEFF weiter- zufuhren, beeile ich mich bei der rnir gegenwxrtig dargebotenen Gelegenheit, dieselbe baldrnogliehst zu beenden.

Die vorliegende Untersuchuug war Ende 1917 angefangen, und die ersten Besultate derselben sind in der Sitzung der Rugs. Chem. Ges. am 15. Februar 1919 vorgetrsgen worden. Die Abhandlung ist vom Verstorbenen h6chstwahr- scheinlich erst kurz vor dem Tode verfaBt worden. E. FRITZXANK.

Z. anorg, u. dig. C h e w Bd. 113. 5

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liislich in 95O Alkohol, wahrend die andere Substanz in diesem Losungsmittel fast unloslich ist. Die losliche Substanz stellt die Verbindung dar, von welcher in dieser Abhandlung die Rede i8t.l) Um dieselbe in vollig reinem Zustande zu erhalten, wurde das End- produkt mit Alkohol in der Kalte behandelt, filtriert und endgultig aus der filtrierten Flussigkeit, unter vorsichtiger Zugabe von ganz reinem Ather kristallisiert. Zur gr6Beren Sicherheit ist es ratsam, diesc Operation noch einmal zu wiederholen. Auf diese Weise erhslt man quadratische Tafelchen, welche dem Aussehen nach von rot- braunlicher Farbe und metallischem Glanze sind und sich in Wasser mit einer herrlichen Farbung von einem sehr intensiven Rot leicht h e n .

Die Bestimmung des Stickstoffes wurde nach XJELDAHL aus- gefuhrt. Die Analyse ergab folgende Resultate:

0s 6(NH, * CS NH,)CI,OH. Ber. Gef.

C1: - 13,78°,'0 - 13,5'i0/o 6: - 24,92 - 24,75 21,54

0s: - 24,73 - 25,10 N: - 21,78 - 21,86

Hieraus ist zu ersehen, dab die Resultate mit der Bruttoformel 0 s . OH . C1, - 6 (NB, - CS - NH,) , welche dem vierwertigen Osmium entspricht, gut iibereinstimmen. Schreiben wir aber diesem Metalle die Koordinationszahl 6 zu, so Idnnte man fur diese Verbindung die Struktur des basiscben Salzes [Os . 6 (NH,CSNH,)]CI, . OH, welcbes der komplexen Base [Os 6 (NH,CSNH,)] (OH), entspricht, herleiten. Diese Annahme wird auch durch die Daten der kryoskopischen. Bestimmung in waBriger Lasung bestatigt :

C A M i 2,249 0,22 194,3 3,97 2,592 0,40 213,5 3,61

wo C = Konzentration (in gew. T.), A = Depression, J4 = gefundenes Molekulargewicht und i = Ionisationskoeffizient nach VAN'T HOFF bedeutet. Folglich ist das rote Chlorid in 4 Ionen dissoziiert. Die Bestimmung der molekularen elektrischen Leitfahigkeit fiihrte zu demselben Resultate: p = 407,l bei einer Verdiinnung von 1000 1.

') Die andere in Alkohol fast unlosliche Verbindung ist irn Gegenteil in Wasser leicht laslich. Nach den Resultaten von zwei vorlzufigen Analysen zu urteilen, kommt derselben ein und dieselbe prozentige Zusammensetzung zu wie dem in Alkohol leicht lijslichen Chloride.

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Das basische Chlorid kann auch durch Wechselzersetzung dargestellt werden. So erzielt man eine Reihe Salze von roker Farbung, deren gr6Bter Teil in Wasser leicht loslich ist. Im Gegenteil zeichnen sich das Chlorosmiat, Chloriridit, Chlorrhodit, die Ferri- und Ferro- cyanverbindung durch vie1 geringere Loslichkeit aus. Dieselben wurden sofort durch Zugabe von 16slichen Salzen komplexer Sauren, welche der Losung des zu betrachtenden Chlorids entsprechen, gefiillt.

Auf Grund dieser Annahme reiht sich unser Chlorid einerseits den Luteosalzen des Cr, Co, Rh, Ir an:

[Cr - 6 NHJX, , [Co - 6 NH3]X3, [Rh 6 NH3]X3, [Ir - 6 NH,]X3 , andererseits der Reihe der Platin-hexaminsalze [Pt - 6 NH3]X, , welche von DRECHSEL und GERDES entdeckt worden ist.

Zugleich aber sei bemerkt, dal3 die oben erwiihnten Zahlen, wie auch die gesamten Eigenschaften des Chlorids

[OS * 6 (NH,CSNH,)JCI,OH auch mit der verdoppelten Formel sehr gut ubereinstimmen:

OH

OH [(NH,CSNHJ,Os Os(NH,CSNH,),]CI, ,

mobei tatsachlich die Annahme der fur Osmium ungewohnlichen Koordinationszahl 8 erforderlich ist.

Um die Wahl zwischen diesen beiden maglichen Hypothesen zu entscheiden, ist eiae ausfiihrlichere Untersuchung der Natur der Verbindungen, welche das Osmium mit Thioharnstoff eingeht, notig. Ich gedenke diese Untersuchungen sofort aufzunehmen, sobald die beschriinkten Verhkltnisse, in denen sich mein Vaterland augen- blicklich befindet, mir es erlauben werden.

Anhang.

Von E. FRITZMANN. Zur Erlauternng dieser Abhandlung fiihre ich noch den Inhalt

einer kurzen Protokollnotiz l) an. Die Bildung des Chlorids der erwahnten komplexen Base kann

als vorziighhe Realr t ion auf Osmium dienen. Zu diesem Zwecke wird die zu untersuchende Lasung, welche Osmium (in Form von 080, oder von Salzen M,OsCI,) enthalten kann, mit einem Uber-

l) J. Russ. Chem. Ges. 49 (1917), 644. 5*

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schu8 von Thioharnstoff und mit einigen Tropfen Salzsaure einige Zeitlang (etwa 3-5 Min.) bis zum Sieden erhitzt. Bei Anwesenheit von Osmium entsteht eine hellrote (Himbeer-) Farbung und in Gegen- wart von geringen Mengen desselben - eine Rosa-Farbung. Die Grenze der Empfindlichkeit dieser Reaktion liegt bei einem Gehalte von 1 Teil Osmium auf 100000 Teile Wasser.

An dieser Stelle sei noch eine andere Reaktion auf 0 ~ 0 , ~ ) notiert, welche von L. TSCHUGAJEFF und J. J. TSCHEBNJAJEFP ent- deckt worden ist. Durch Einwirkung einiger tertiaren Basen (als Pyridin, I Pikolin, Chinolin, Urotropin) auf OsO, wurden zum ersten Ma1 unmittelbare komplexe Derivate des Osmiumtetroxyds dargestellt. Die Verbindung mit Urotropin ist verhaltnism%Big stabil und in Wasser schwer loslich, sie biidet flache Nadeln von orangegelber Farbe. 0,05 mg Urotropin sind noch bequem nachzuweisen: zu diesem Zwecke wird die zu untersuchende Losung eingedampft und zu derselben ein UberschuB von einer 1 O/,,igen Losung von 080, fninzugefugt. Diese Tierbindung entsprich t lau t Analyse der Formel (CH,),N, - 2 080,. Die Pyridinverbindung ist ebenso kristallinisch, aber bisher ist es nicht gelungen, dieselbe in reinem Zustande aus- zuscheiden.

I) J. Russ. Chem. Ges. 48 (1916), 1956.

St. Pcte~sbzcrg - Len$ngrad , Anorganische Abteilung des Ulziversil~tsEaboratol.izcms, den 20. Juni 1925.

Bei der Redaktion eingegangen am 29. Juni 1925.