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142 XI. Ueber eine neue Localitat oon Gay-Lussit- Pseudomorphosen; uon W. Haidinger. E i n e Beobacbtung, welclie ich kurzlich zu machen Ge- ,legenbeit batte, so vereinzelt sie aucli gegenuartig noch dasteht, ist in ibrer Sonderbarkeit ein Beweis, wie sehr die Natur bis in die kleinsten Details unsere Aufurerk- samkeit in Anspruch nimmt. Ich besucbte im Laufe des verflosscnen Sommers in Gesellscbaft dea Hrn. Bergraths v o n K o c h die Kalk- steinbbhle in der Tufua bei Hermauecz unweit Neusohl. Obwohl keine der grilfseren Hbhleu, ist sie inerkwurdig reicb an Knocbenresten, vorziiglich des Hiihlenbaren, und mancber Scbadel ist scliou aus derselben in die Samm- lungen verschickt worden, wenn auch keiue erschiipfen- den Nachgrabungen und Bestimmungen stattgefunden ha- ben. unter einer Gerbll- und Kalksiuterscliiclrt von zwei Furs Dicke ist schon fiinf Furs tief in Kuochen, mit Sin- ter bedeckt, hinabgearbeitet werden, ohnc das Ende der n’iederlage zu errcicheu. Nach einer Arbeit voii einigen Stunden wurde auch diesesmal ein ziemlich gut erbalte- ner Schiidel voin Ursus spelaeus angetroffen. Iu Neu- solil wurde er aus dem Grbbslen gereinigt und einge- packt. Als ich ilin in Scheinnitz beliufs einer sorgfiilti- gereu Packung wieder hervoroahui uud niiher betracli- tete, fielcn plbtzlich aus den bolilen Rluinen der Sinus frontales, fast wie Gerstenkirruer, bis & Zoll lange krystalltihnlicbe Kfirper heraus. Sie waren uudurchsich- tig, batten eine gelblich~vcifse Farbe, und eiu schiefwink- lig vierseitig pyramidales Ansehcn, abulich der beuripris- inatischen Gestalt Fig. 6 Taf. I. Bei genauerer Unlersuchung stellten sicli diese je- docb uicht als wirkliche Krystalle, sbndern als Pseudo-

Ueber eine neue Localität von Gay-Lussit-Pseudomorphosen

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XI. Ueber eine neue Localitat oon Gay-Lussit- Pseudomorphosen; uon W. Haidinger.

E i n e Beobacbtung, welclie ich kurzlich zu machen Ge- ,legenbeit batte, so vereinzelt sie aucli gegenuartig noch dasteht, ist in ibrer Sonderbarkeit ein Beweis, wie sehr die Natur bis in die kleinsten Details unsere Aufurerk- samkeit in Anspruch nimmt.

Ich besucbte im Laufe des verflosscnen Sommers in Gesellscbaft dea Hrn. Bergraths v o n K o c h die Kalk- steinbbhle in der Tufua bei Hermauecz unweit Neusohl. Obwohl keine der grilfseren Hbhleu, ist sie inerkwurdig reicb an Knocbenresten, vorziiglich des Hiihlenbaren, und mancber Scbadel ist scliou aus derselben in die Samm- lungen verschickt worden, wenn auch keiue erschiipfen- den Nachgrabungen und Bestimmungen stattgefunden ha- ben. unter einer Gerbll- und Kalksiuterscliiclrt von zwei Furs Dicke ist schon fiinf Furs tief in Kuochen, mit Sin- ter bedeckt, hinabgearbeitet werden, ohnc das Ende der n’iederlage zu errcicheu. Nach einer Arbeit voii einigen Stunden wurde auch diesesmal ein ziemlich gut erbalte- ner Schiidel voin Ursus spelaeus angetroffen. Iu Neu- solil wurde er aus dem Grbbslen gereinigt und einge- packt. Als ich ilin in Scheinnitz beliufs einer sorgfiilti- gereu Packung wieder hervoroahui uud niiher betracli- tete, fielcn plbtzlich aus den bolilen Rluinen der Sinus frontales, fast wie Gerstenkirruer, bis & Zoll lange krystalltihnlicbe Kfirper heraus. Sie waren uudurchsich- tig, batten eine gelblich~vcifse Farbe, und eiu schiefwink- lig vierseitig pyramidales Ansehcn, abulich der beuripris- inatischen Gestalt Fig. 6 Taf. I.

Bei genauerer Unlersuchung stellten sicli diese je- docb uicht als wirkliche Krystalle, sbndern als Pseudo-

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morpbosen dar. Sie besteben ngmlicb aus einem sehr locker zusammenbhgenden Gewebe von ganz kleinen Krystallen von Kalkspatb, die jedoch nocb immer grb- ker sind, rls die Individuen der sie umgebenden zarten pulverartigen Bildungen von Bergmilcb. Die Form, ob- wohl die Oberfltiche fern- von einiger Vollkommenheit ist, ltifst sich docb binltioglich auf die des Gaylussits VOR

B o u s s i n g a o l t ') und die der Pseudomorpbosen von Sangerhaosen, des Calcits von F r e i e sl e b e n ) zuriick- fobreo, nnd die Substanz ist also gHnzlich mit der letzte- ren zu vergleichen. Die umgebende Masse der einge- wacbsenen Krystalle ist bei dem Gaylussit bbchst merk- wiirdig; sie bestebt aus dem, 1; bis 2 Fufs dicken, scblei- migen Bodensatze eines Sees, von der unbedeutenden Tiefe von 6 bis 18 Fufs. Diese Scbicht erneuert sich in einem bis zwei Jabren, so wie die darunter liegendc zwei bis vier 2011 dicke Scbicbt von Trona, dort Uroo genannt. Den Calcit von Sangerhausen treffen wit schon in einem vie1 weoiger feuchten Muttergestein, in Thou. WBbrend der Tbon seine grbfsere Festigkeit erlangte, ging die parasitische Bildung im Innern der Gaylussit- Krystalle vor sich. Die Pseudomorphosen von Herma- necz sind auch um und urn ausgebildet, aber das umge- bende Mittel ist verscbwunden. Sollten sie urspriioglich in der organischen Materie, welche das Inuerc des BH- renscbHdels erfiillte, angeschosseu seyn ? Auf jeden Fall miissen wir eincn analogen Zustand bei der Bildung der urspriinglicben Krystalle bier voraussetzen, wie dejeuigc ist, welchen wir beutc in der Natur heobachten.

B o u s s i n g a u l t betracbtet den Gaylussit als einc Verbindung von gleichen Atomen von kohleosaurcin Na- tron, kohlensaurem Kalk und Wasser in den Verbtilt-

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1) Annal. de dim rt phys. XXXL p . 270. - Philosoph. itlag, Yo/. I p . 263. - Poggendorff'a Annal. 1826, Bd. VI1 S. 97.

2) May& & die Oryk~~(lraphic von S a c k n , Heft VII S,,118.

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nissen von 34,76, 33,95 und 32,29. K e r s t e n fand in den Pseudomorphosen vou Sangerhausen nichts a h koh- lensauren Kalk, zu dem Betrage von 96,4 Proc., nebst etwas Gyps, Eisen- und Manganoxyd, iind Thon. Wo- her das Uebermaab: von kohleusaureln Kalk in der Her- maneczer H6hle kam, '.ist leicht zu begreifen; nicbt so leicht durfte sich die Menge des kolilensauren .Natrons erklsren lassen, wenn auch diesc Basis sowohl in der organischen Materie; als auch besonders in dem, wenig- stens voriibergehend, mit den Thierresten in Beriihrung gewesenen Seewasser sich findct.

Zurait. Ich kann den angegebenen Fundiirtern, an wclchen sich Afterkrystalle des Gaylyssits finden , noch einen dritten hinzufugen. Schon im vorigcn Jabre theiltc mir einer meiner Zubbrer, Hr. P a u l s , Krystalle mit, die sich in der N3he von Tonuingen in Schleswig, bei dem Dorfe Kating, in Mergel eingewachsen, 6 bis 7 Fufs unter der Dammerde gefunden hatten. Es waren den Sangerhausenschen ganz ahnliche Afterkrystalle, die mit diesem im Allgemeinen, sowohl dem aufsern Ansclien als auch ihrer GrbLe nach, ganz iibereinkommen, und sicb nur durch etwas mattere Oberfliicbe und etwas gel- berc Farbe uuterscheiden. Im Iunern sind sic ebenfalls ganz poras, und bestehen aus einer Zusammeohsufung von kleinen Kalkspathkrystallen, die noch etwas grofser sind als bei den Krystallen von Sangerhauseu. In Chlor- wasserstoffs;iure lasen sie sich vollstandig auf. Sie sol- len sich in dcin Mergel von Kating'sehr hiiufig finden.

G. Rose .