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Ueber einige Reactionen des Wasserglases

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Page 1: Ueber einige Reactionen des Wasserglases

ARCHIV DER PHARMACIE,

CXCIV. Bandes zweites Heft.

A. Originalmittheilungen.

I. Chemie und Pharrnacie.

Ueber einige Reactionen des Wasserglases; von F. A. Fli ickiger.

(Beeonderer Abdruok aus B u c h n e r' s ,, N. Repertorium fir Pharmacie" Bd. XIX, El. 267, v. H e m Verf. eiugesandt. Die Red.)

Herr Professor A. V o g e 1 hat unlangst*) hervorgehoben, dass bei der Mischung concentrirter ,Losungen von Kalium- silicat und Kaliumborat , welche iiberschussiges Aetzkali en t- halten, Kieselsaure abgeschieden wird. Es ist m der That bemerkenswerth , dass der Austritt der Kieselsaure durch die Borsaure herbeigefuhrt wird , obwohl freies Alkali stark vor- waltet.

Ich erlaube mir jedoch , einige Beobachtungen vorzufiih- ren, welche geeignet sind, zur Erkliirung dieser sonderbaren Reaction einigermassen beizutragen, nnd jedenfalls zeigen, dass sie keineswegs allein dasteht. Zunachst erinnere ich , dass schon F u c h a, sowie P e r s o z *) die Wasserglaslosungen vermittelst der Chloriire , Carbonate und Acetate der Alkali- metalle eersetzbar gefunden haben. Weihrhin -ermittelte G r a h a m , dass die reine Kieselsaure aus ihrer auf dia- lytischem Wege dargestellten wasserigen Auflosung durch alkalische Carbonate, durch Leim und sogar durch Kohlen

*) Neues Repertorium f ~ r Phamacie XVIII (1869), 613. **) Gmelin's Chemie. 5. Adage 11. 338.

Amh. d. Pharm. CXCIV. Bds. 9. Hh. 7

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siiure gefiillt werde. *) Die Thatsache , dass kohlensaures Ammoniak aus concentrirter Silicatlosung Kieselsaure abzu- scheiden vermag, ist bekanntlich praktisch verwerthet worden, um die Pottasche von Kieselsaure zu befreien, wie I. B. Rie c k h e r empfohlen hat. ") Aus Auflosungen des Kalium- carbonates, welche mit Kieselsaure verunreinigt sind , tritt bekanntlich nach einiger Zeit die Kieselsaure aus , was im Einklange mit den folgenden Beobachtungen steht.

Dass concentrirte Natriumsilicatlosung (Natronwasser- glas) sogar schon beim Eindampfen Kieselsaure fallen lasst, hat S c h eu r e r - K e s t n e r ***) nachgewiesen. Nach demsel- ben findet diese Ausscheidung statt, bis 66 pC. Kieselsaure, d. h. vermuthlich wohl das Salz NaO, 2 Si Oet), in der Fl,Us- sigkeit enthalten sind.

Die Beobachtungen van Ord w a j , welche ich jedoch nur im Auszuge -it) kenne , bestatigen , dass Wasserglaslosun- gen besonders durch neutrale Chloriire und Acetate der Al- kalimetalle gefiallt werden, und zwar um so reichlicher, je concentrirter die Silicatlosungen und je armer an uberschus- sigem Alkali sie sind. O r d w a y zeigte, dass die Nieder- schliige aus Kieselsaure , Alkali und Wasser bestehen; wir diirfen wohl einfach sagen, das austretende Kieselsaurehydrat reisse, wie nicht anders zu erwarteu, bald mehr bald weni- ger der Basen in loser Verbindung mit nieder. O r d w a y deutete auch schon einen*?von V o g e 1 m) wieder hervorge- hobenen Punkt an, dass nemlich die Ausscheidung der Kie- selsaure unter den erwahnten Umstanden mitunter durch die Warme begiinstigt werde.

*) Ann. der Chemie CXXI (1868), 38. **) Neuea Jahrbuch der Pharmacie CVIII (1862), 67. Dieselbe Me-

thode ist schon friiher von H. W n r t z angegeben worden. S. n. Repert. f. Pharm. I (1852), 479.

***) W i l l , Jahresbericht der Chemie 1863. t) 0 = 8. w) W i l l ' s Jahresb. 1863. 749.

748.

tw) L. C. 612;

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Mehrfache Versuche berechtigen mich nun zu dem ganz allgemeinen Satze, dass d i e i n W a s s e r a m r e i c h l i c h s t e n l o s l i c h e n S a l z e d e s Ka l ium, N a t r i u m , L i t h i u m und,Ammonium i i b e r h a u p t d a s V e r m o g e n b e s i t z e n , a u s c o n c e n t r i r t e r W a s x e r g l a s l o s u n g K i e s e l s a u r e a b z u s ch e i d en.

Ich begniige mich, die folgenden Sake als solche zu nennen, denen in kalt gesattigter wasseriger Losung died Eigenschaft zukommt ; nemlich von den A m m o n i u m s a1 z en : dem Chloriir, Bromiir, Sulfur, Phosphat, Molybdat, Nitrat, Acetat. Bus der Zahl der N a t r i u m s a l z e : dem Chloriir, Nitrat, Nitrit, Arseniat. Ferner unter den K a 1 i urn v e r bi n - d u n g e n: dem Jodiir , S u l f ~ , Rhodaniir , Tartrat, Acetat. Von L i t h i u m s a 1 z e n endlich habe ich gepriift : das Nitrat, Sulfat und Acetat.

Dieses Verzeibhniss wiirde noch sehr stark vermehrt werden konnen , geniigt aber vollig, um festzustellen, dass das Wasserglas in concentrirter Auflosung neben so leicht loslichen Salzen nicht bestehen kann.

Im einzelnen zeigen die genannten Salze in dieser Hin- sicht mauche Eigenthiimlichkeiten. Wahrend die meisten bei geringer Verdiinnung rasch die Fahigkeit verlieren , Kiesel- saure zu verdrangen, behalten mehre Ammoniumsalze die- selbe besonders lange. Mischt man z. B. eine Auflosung des Natronwassergleses von 1,392 spec. Gewichte mit 29 Theilen Wasser und setzt einige Tropfen Salmiaklosung (1 in 8 Was- ser) zu, so erfolgt bei gelindem Erwarmen eine Abscheidung von Kieselsaure, obwohl hier kaum noch 2 pC. Silicat in Lo- sung vorhanden sind. Bei einem Gehalte von pC. Silicat bewirkt Chlorammonium nach einiger Zeit kaum noch eine schwache Triibung , wiihrend sowohl Rhodankalium , als auch Ammoniumnitratlosung sogleich Kieselsaure ausfallen. Weit weniger empfindlich sind die Chlorhydrate des Methylamins und Aethylamins.

Kalt gesattigte Auflosungen von Bromkalium oder Chlor- kalium zerse tzen bei Mitteltemperatur die erwahnte Wasser- glaslosung nicht, wohl aber verrniigen sie es in der Warme.

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Natriumsulfat wirkt auch in der Warme nicht, wenn kaltes Wasser mit dem krystallisirten Salze (Glaubersalze) gesiittigt wurde; lost man aber Glaubersalz in so weuig heissem Was- ser, dass 1 Theil wasserfreies Sulfat auf 2 Theile Wasser kommt, so wird nunmehr die auf gleiche Temperatur gebrachte Silicatlosung durch das Natriumsulfat gefallt. - Kalium - Natriumtartrat , Kaliumnitrat, gelbes und rothes Blutlaugen- salz sind schon zu sparlich loslich, um das Wasserglas zersetzen zu k6nnen, wenigstens bei Anwendung von Na- triumsilicat von angegebener Concentration.

Ganz ausserordentlich merkwiirdig ist das Verhalten des Natriumnitrates zu der Ton mir gepriiften Wasserglaslosung. Bei dem spec. Gewichte von 1,392 hinterlies8 dieselbe nach dem Abdampfen und Gluhen 62,8 pC. Ruckstand, welcher ausser Silicat auch geringe Mengen von Chlornatrium und Natriumsulfat enthielt, da ich mich zu meinen Versuchen zunachst des kauflichen Wasserglases bediente. Von iiber- schiissigem Alkali enthalt diese Losung so wenig, dass der erste Tropfen Weingeist oder irgend eine Slurelosung schon eine Fallung giebt. Versetzt man nun dieses Wasserglas mit einer Auflosung von Natronsalpeter in 1 Theil Wasser, so wird sogleich Kieselsaure ausgeschieden. Wendet man aber Natriumnitrat in 2 Theilen Wasser an und mischt gleiche Theile dieser Anflosung mit dem Wasserglase, so entsteht kein Niederschlag mehr. So wie man hingegen das Gemisch auf nur 54OC. erwarmt, scheidet sich die Kieselsaure gallert- artig ab und das Gemenge erstarrt fast ganz. Wird der Versuch in einem Kolbchen vorgenommen und dasselbe als- dann plotzlich wieder auf gewohnliche Temperatur gebracht oder gar auf Oo abgekiihlt, so l o s t s i ch d i e a u s g e s c h i e - d e n e G a l l e r t e e b e n s o r a s c h w i e d e r auf. Dieser Versuch kann beliebig oft wiederholt werden und empfiehlt sich in hohem G r a d e a l s V o r l e s u n g s v e r s u c h , indem dergleichen Falle von geringerer Loslichkeit in der Warme nicht allzu zahlreich sind. Ausser dem Calciumtartrat, ge- lost in Kalilauge, ist mir in der That kein Beispiel bekannt, Welches die- fragliche Erscheinung so augenfallig darbote.

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Die Wiederauflosuug der durch Natriumnitrat ausgeschiedenen Kieselsaure findet langsamer statt , wenn die Menge jenes Salzes vermehrt wird und gar nicht mehr, wenn man 2 Theile oder mehr der Natronsalpeterlosung zu 1 Theil Wasserglas mischt. Ebenso erleidet die Wiederauflijsung der Kieselsaure, selbst bei gleichen Mengen der Salpeter- und der Wasser- glaslosung, eine Verzogerung, wenn das Gemisch in geschlos- senem Gefasse wahrend einiger Tage bei 80° erhalten wird. Die Kieselsaure geht unter solchen Umstiinden mehr und mehr glasartig zusammen und wird entlich unloslich.

Die Wirkung des Natriumnitrates erreicht iibrigens bald ihre Grenzen. Nimmt man von dessen Losung (immer 1 in 2 Wasser) nur 1 Theil auf 2 bis 3 Theile Wasserglaslosung, so erfolgt erst bei looo eine sparliche Fallung, bei grosserer Verdiinnung gar nicht mehr.!

Wenn unter den oben angegebenen Bedingungen die Kieselsaure, ihre Hydrate, oder auch ihre iibersauren Kalium - und Natriumsalze sich in der Warme vie1 weniger loslich zeigen, so darf dieser Satz doch nicht verallgemeinert wer- den. Er passt sehr wohl noch z. B. auf Bromkalium, wah- rend die meisten der oben aufgezahlten Salze keine so be- triichtlichen Unterschiede wahrnehmen lassen, wenn sie in concentrirter Losung mit Wasserglas erwarmt werden.

Ueberraschende Verhaltnisse bietet hingegen das Am- moniak dar. Nirgends finde ich erwahnt, dass k a u s t i s c h e s A m m o n i a k in d e r K a l t e K i e s e l e r d e a u s W a s s e r - g l a s l o s u n g a b z u s c h e i d e n v e r m a g und doch bewirkt dasselbe bei einem spec. Gewichte von 0,921 in der Wasser- glaslosung von 1,392 apec. Gewicht einen reichlichen Nieder- schlag von gallertartiger Kieselerde. Verschliesst man das Kolbchen und erwarmt, so lost sich dieselbe alsbald wieder auf. Wir haben in diesem Falle das Gegentheil des bei Anwendung van Salzen beobachteten Verhaltens. In Am- m o n i a k l o s t s i ch d i e K i e s e l e r d e l e i c h t e r i n d e r U'arme a l s i n d c r Kal te . Allein auch hier kommt alles auf die Yischungsverhaltnisse an. In 10 Theilen der Silicat- losung bewirkt 1 Theil Ammoniak keine Veranderung, erhoht

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man aber den Alkalizusatz auf 2 Theile, so fallt der grosste Theil der Kieselerde nieder. Wird das Gemisch in ge- schlossener Flasche auf '9OOC. erwiirmt, so tritt die Wie- derauflosung bald ein; nach dem Erkalten bildet sich die Kieselgallerte @eder.

Mischt man 6 bis 8 Theilen Wasserglas 1 Theil Ammo- niak (beide Losungen immer von der angegebenen Concen- tration) in geschlossener Flasche eu, so erhalt man bei ungefiihr 30° C. eine ganz klare Fliissigkeit , welche sich bei Mitteltemperatur aber sehr bald in zwei Schichten von nahezu gleichem Volum trennt. Nach einigem Stehen , besonders in der KIilte klaren sich beide Schichten vollkommen.

Die Wasserglaslosung, deren ich mich zu diesen Ver- suchen bediente, war wie gewohnlich von einer schwach gelb- lichen Farbung, welche nun bei der Behandlung mit Ammo- niak vollstandig in die obere Schicht iibergegangen war. Diese letztere besass nur ein specifisches Gewicht von 1,064 und hinterliess beim Eindampfen nicht mehr als 9 bis 10 pC. Gliihriickstand. Als derselbe mit verdiinnter Salpetersaure wiederholt ausgezogen wurde , fanden sich Salzsaure und Schwefelsaure reichlich im Filtrat.

Im auffallendsten Gegensatze zu der leichtern dunnflus- sigen gelben Schicht zeigte sich die untere syrupdick , voll- standig farblos nnd lieferte 38 bis 45 pCt. gegliihten Ruck- standes, worin merkwiirdiger Weise C h l o r i i r e und S u l - f a t e e n t w e d e r n i ch t m e h r v o r h a n d e n o d e r doch s e h r v e r r i n g e r t w ar en. Wahrend die leichte Fliissig- keit das Animoniak beim Erwiirmen sehr bald abgab, wurde das letzterc von der schweren Fliissigkeit hartnackig zuriick- gehalten. W ir haben hier offenbar neben Natriumsilicat auch das Ammoniumsalz vor uns , dessen Existenz bekanntlich durch P r i b r a m *) dargethan worden ist. Derselbe hat direct die Verbindnng NH40, 6 SiOa erhalten.

*) W i t t ti t e i n , Vierteljahresschrift fur praktische Pharmacie XV (1867), ~ 3 9 .

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Lasst man die syrupdicke Fliissigkeit eintrocknen , so bleibt das reinste farblose Glas zuriick, welches mit Kalilauge gekocht Ammoniak entwickelt.

Auch das Propylamin besitzt die Fahigkeit, das Wasser- glas zu zersetzen; dem Coniin nnd Nicotin geht diese Eigen- schaft ab.

Dass ein Tropfen Brom, eine Blase Chlorgas sofort Kie- selsiiure aus der Wasserglaslosung ausscheiden , selbst wenn die betreffenden Wasserstoffsiiuren sorgfiil tig ausgeschlossen werden, befremdet nicht; das Jod jedoch vermag diese Zer- setzung nicht herbeizufuhren. Aber im hochsten Grade kommt diese Fahigkeit wieder dem Kr e o s o t aus Buchenholz und dem P h e n o 1 (der Carbolsaure) zu. Mischt man z. B. gleiche Theile des letztern mit Glycerin*) und Wasser, so bewirkt jeder Tropfen dieser Losung eine Fallung von Kieselsaue. Da indessen Sauren sowohl als Alkohol diese Eigenschaft besitzen, so mag man sie an ,,Carbolsaure oder Phenylalko- hol(' begreiflich finden. Auch reines C h 1 o r a 1 h y d r a t , wel- ches Silberlosung und Lackmuspapier ganz unverandert lasst, ist im Stande, in concentrirter wiisseriger Losung das Na- triumsilicat sofort zu zersetzen. Wird letzteres so weit verdunnt, dass es nur noch 6 bis 10 pC. enthalt, so verwan- delt sich nach kurzem das ganze Gemisch in eine durch- sichtige , nur schwach opalisirende Gallerte. Sicherlich spielt das durch Zersetzung des Chlorals entstehende Ameisensaure- sale hierbei eine Rolle; das Chloroform ist ja mit Wasser oder Wasserglas nicht mischbar und Mlt das letztere da- her nicht

Verdiinnte H u h n e r e i w e i s s l o s u n g so Efut wie L e i m - 1 o s n n g schlagen ebenfalls Kieselsaure nieder - ; vielleicht wiirde es sich lohnen zu untersuchen, ob nicht rnit Hulfe von Wasserglas statt mit Tannin gegerbt werden konnte. - Das Emulsin der Mandeln hingegen scheidet keine Kiesel- saure ab.

*) In Glycerin lost eich krystallisirtes Phenol auffallend leicht, reich- licher als in Wasser.

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Es ist langst bekannt, dass a rab i sches Gummi gleich- falls die ZerHetzung der Wasserglaslosung herbeifrihrt , wah- rend manche andere Schleim- oder Gummiarten sich damit klar mischen. Letzteres gilt z. B. vom Schleime des Gum- migutt , ' sowie von demjenigen des weissen Senfsamens. In Betreff des arabischen Gummis mag aber erinnert werden, dass es sauer reagirt; neutralisirt man e8, so verhalt e8 sich jedoch zu Wasserglas immer noch gleich. Ich habe mich uberzeugt , dass der Niederschlag , welcher durch Gummilo- sung in Wasserglas hervorgerufen wird, kein Gummi enthalt, sondern nach dem Auswaschen wesentlich aus Kieselsanre besteht. Seine Bildung aber ist bedingt durch den Salzge- halt dea Gummis, wie der folgende Versuch beweist. Ich gab 4 Theile Gummilosung (1 Qummi, 2 Wasser) mit 1 Theil verdiinnter Salzsaure von ungefahr 1,06 spec. Gewicht auf den Dialysator. Nachdem das destillirte Wasser irn iiussern Gefasse so lange erneuert worden war, bis es sich ganz frei von Calcium und beinahe frei von Salzsiiure erwies, enthielt auch die Gummilosung auf dem Diapbragma keine Spur von Calcium mehr und reagirte kaum noch wahrnehmbar auf Silhersalze. Nach genauer Neutralisation mit Ammoniak gab nunmehr diese G u m m i l o s u n g i n W a s s e r g l a s k e i n e F a l l u n g mehr, auch nicht als ich den Schleim eintrocknete und 1 Theil des so erhaltenen Gummis nun wieder in 2 Thei- len Wasser aufloste.

Da wie oben gezeigt eine Menge wasserbegieriger Alka- limetallsalze die Wasserglaslosung zersetzen , so priifte ich auch einige andere sehr leicht losliche Substanzen in dieser Richtung. Zucker ,' Dextrin , Glycerin, Harnstoff z. B. vermo- gen jedoch selbst in der Wiirme und in concentrirter Losung keine Kieselsaure abzuscheiden; salpetersaurer Harnstoff, den man zuvor schwach alkalisch macht , bewirkt keine Ausschei- dung, auch nicht beim Erwarmen. Wasseriger Seifenlosung wird umgekehrt durch Wasserglas die Seife entzogen, 80 gut wie durch Kochsalz. Saponin aus Quillaja Saponaria ist ohne Wirkung auf Wasserglas. Dass Rohrzucker - Melasse die Wasserglaslosung zersetzt , diirfte wohl mit dem Gehalte der

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erstern an Salzen zusammenhangen. Losungen von Con- volvulin, Jalapin oder Coloyhonium in Kali mischen sich klar mit Wasserglas.

Die obigen Versuche sind , wie ich 'ausdriicklich hervor- heben muss, mit kauflichem Natronwasserglas von der bezeich- neten Concentration angestellt worden. Kaum ist es nothig zu erwahhnen, dass die Resultate zum Theil ganz anders aus- fallen, wenn eine andere Wasserglaslosung herbeigezogen wird. Enthalt eine solche z. B. auch nur einen geringen Ueberschuss an Alkali , so muss dadurch die Ausscheidung der Kieselsaure nothwendig in geringerem Masse stattfinden oder verhindert werden. Eine betrachtliche Verunreinigung des Silicates mit Chloriir oder Sulfat hingegen wird umge- kehrt den Austritt der Kieselsaure, sei es in Form von .Hy- drat, sei es als Sale rnit Ueberschuss von Kieselsaure, begun- stigen miissen.

Verwickeltere Verhaltnisse miissen begreiflich eintreten, wenn man Natronwasserglas mit Kaliumsalzen oder umge- kehrt Kaliumsilicat rnit Natriumsalzen zusammenmischt. Es leuchtet ein , dass z. B. Kaliumsilicat sich rnit Natriumnitrat umsetzt und Kalisalpeter fallen lasst , wenn die Auflosungen eine angemessene Concentration besitzen; ahnliche Um- setzungen dienen ja in der Technik zur Uebertragung der Siiure des Chihalpeters an Kali. Aber auch beim Vermi- schen der gesattigten Auflosung des Kalisalpeters rnit con- centrirtem Kaliwasserglas wird nicht Kieselsaure , sondern Kaliumnitrat abgeschieden.

Die in diesen Zeilen niedergelegten Beobachtungen for- dern zu Erorterungen auf dem Gebiete der Technik und der Geologie auf. Manche der praktiwhen Anwendungen des Wasserglases beruhen hanptsachlich auf der Ausscheidung der Kieselsaure und wiirdeu ohne Zweifel vollkommener BUS-

fallen, wenn gleichzeitig eines der oben genannten Salze her- beigezogen wiirde. Als das billigste steht das Chlornstrium in erster Linie , obwohl das Chlorammonium weit wirksamer ist. Ich vermuthe', dass z. B. Flachen, welche man verkie- seln will, harter und gleichmassiger ausfallen mussten, wenn

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man sie abwechselnd mit Wasserglas und Kochsalzlosung behandeln wiirde. Nach jedem Anstrich miisste nothigenfalls durch einiges Zuwarten die erforderliche Concentration der Wasserglaslosung herbeigefuhrt werden ; vielleicht aber wiirde es vortheilhafter sein , Steine oder Holz , welche verkieselt werden sollen, zuvor mit Salmiak- oder Kochsalzlosung zu tranken und nahezu trocknen zu lassen.

Moglicherweise durften manche Ablagerungen von Kie- selsaure, welche in der Natur vorkommen, durch das Zusam- mentreffen von aufgelosten Silicaten mit Kochsalz oder Sal- miak entstanden sein. Jedenfalls werden Silicatlosungen durch diese Salze vollstandiger zersetzt als durch die Kohlen- saure. I m Laboratorium erhalten wir durch die hier beschrie- benen Reactionen niemals krystallisirte Kieselsaure ; wenn wir iins aber die der Geologie zu Dienste stehenden machti- gen Hiilfsmittel , Druck, Wiirme , grosse Zeitraume, in Wirk- samkeit denken, so ist es wohl erlaubt, in der Natur auch andere Resultate zu erwarten.

Konnten nicht verdunnte Silicatlosungen bei sehr lang- gamer Zersetzung vermittelst der genannten Salze schliess- lich auch krystallisirte Kieselsaure geliefert haben? Eine solche Entstehungsweise ist in manchen Fallen sogar weniger unwahrscheinlich als die Annahme von Schmelzprocessen.

Ich finde in der Literatur der chemischen Geologie ein einaiges Beispiel des gleichzeitigen Vorkornmens von Kiesel- siiure und Kochsalz. S a u v a g e *) nemlich traf tertiare Ge- steine der Insel Milo im allgemeinen kieselhaltig und oft von Salzen , vorzugsweise von Kochsalz , durchdrungen. Ich ver- mag nicht zu beurtheilen, ob dieses Vorkommen zu meinen Vorstellungen passt oder nicht; aber ich glaube, dass in Zu- kunf't eine Beriicksichtigung der den obigen Beobachtungen zu Grunde liegenden Eigenschaften der Kieselsaure fur die chemische Erklarung mancher geologischer Verhaltnisse frucht- bringend sein wiirde.

*) Giehe Bis ch o f , Lehrbuch der chemischen und physikalischen Geologiie I (1847), 766.