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1913. AG 3. ANNALEN DER PHYSIK. VIEBTE FOLBE. BAND 40. 1. Uher Eleilctrizitatslei~ung dumb freie EZektronen wnd TrGgeP, I.; von P. Lennrd. Die experimentell konstatierte groBe Beweglichkeit der negativen Elektrizitatstrager in Flammen und dann auch in kalten Gasen hat bereits zum SchluB gefuhrt, da6 dieselben zeitweilig oder dauernd freie Quanten (Elektronen) seien I), und auch in festen Metallen nimmt man freie Elektronen als Trager des elektrischen Stromes an.3 Es herrscht aber dabei Un- 1) DaB die schnellen, also fur die Elektrizitatsleitung hauptsiichlich in Betracht kommenden negativen Trlger in den Flammen freie Elek- tronen seien, habe ich zuerst 1902 (Anu. d. Phys. 9. p. 649, ausgegeben 21. Oktober) geschlossen. Dieser SchluB, aus der damals kurz vorher von Hrn. G. Moreau neu gemessenen Wanderongsgeschwindigkeit, auf die Natur der negativen Trager war mir mijglich gewesen, da ich bereits vorher den Zusammenbang zwischcn Wanderungsgeschwindigkeit und GroSe von Elektrizitatstriigern allgemein uutersucht hatte (Ann. d. Phys. 5. p. 312. 1900). Hr. BIoreau erwlhnt dalnals (vgl. Compt. rend. 134. p. 1577. 1902) noch immer nur die bis dahin fast allgemciu angenommene Vorstellung, daS die negativen Trtiger der Flammen OH- Ionen seien, spricht sie allerdings mit Reserve aus, geht aber erst spiiter (zuerst Compt. rend. 136. Sitzung vom 24. November 1902) dazu iiber, ebenfalls freie Elektronen in den Flammen anzunehmen (ohne jedoch rruch damals noch zu erkennen, da6 deren Entstehung nicht an das Vorhandensein gluhen- der Elektroden gebunden sei). Es scheint daher, daB ich den iibrigen Autoren , welcbe qleicbzeitig rnit der Untersuchung der Elektrizitats- leitung in Flammen beschaftigt waren, mit dem Schlusse auf freie Elek- tronen zuvorgekommen bin. - In kalten, leitenden Gasen sind Falle standigen Vorhandenseins freier Elektronen erst vie1 spiiter, wohl euerst von Hrn. J. Franck (Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. 12. 1910) erkannt worden. 2) H. A. Lorentz, Kon. Akad. v. Vetensch. Amsterdam, Jan. 1905. p. 438; siehe dort auch seine Vorganger hierin, E. Riecke, P. Drude, J, J. Thomson (lSOO), bei welchen die Elektronen (als identisch mit den Quanten der Kathodenstrahlen) und deren Rolle bei der metallischen Leitung noch nicht so bestimmt hervortreten. Annalen der Physik. IV. Folge. 40. 26

Über Elektrizitätsleitung durch freie Elektronen und Träger, I

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1913. AG 3.

ANNALEN DER PHYSIK. VIEBTE FOLBE. BAND 40.

1. Uher Eleilctrizitatslei~ung dumb f re i e EZektronen wnd TrGgeP, I.;

von P. L e n n r d .

Die experimentell konstatierte groBe Beweglichkeit der negativen Elektrizitatstrager in Flammen und dann auch in kalten Gasen hat bereits zum SchluB gefuhrt, da6 dieselben zeitweilig oder dauernd freie Quanten (Elektronen) seien I), und auch in festen Metallen nimmt man freie Elektronen als Trager des elektrischen Stromes an.3 Es herrscht aber dabei Un-

1) DaB die schnellen, also fur die Elektrizitatsleitung hauptsiichlich in Betracht kommenden negativen Trlger in den Flammen freie Elek- tronen seien, habe ich zuerst 1902 (Anu. d. Phys. 9. p. 649, ausgegeben 21. Oktober) geschlossen. Dieser SchluB, aus der damals kurz vorher von Hrn. G. Moreau neu gemessenen Wanderongsgeschwindigkeit, auf die Natur der negativen Trager war mir mijglich gewesen, da ich bereits vorher den Zusammenbang zwischcn Wanderungsgeschwindigkeit und GroSe von Elektrizitatstriigern allgemein uutersucht hatte (Ann. d. Phys. 5. p. 312. 1900). Hr. BIoreau erwlhnt dalnals (vgl. Compt. rend. 134. p. 1577. 1902) noch immer nur die bis dahin fast allgemciu angenommene Vorstellung, daS die negativen Trtiger der Flammen OH- Ionen seien, spricht sie allerdings mit Reserve aus, geht aber erst spiiter (zuerst Compt. rend. 136. Sitzung vom 24. November 1902) dazu iiber, ebenfalls freie Elektronen in den Flammen anzunehmen (ohne jedoch rruch damals noch zu erkennen, da6 deren Entstehung nicht an das Vorhandensein gluhen- der Elektroden gebunden sei). Es scheint daher, daB ich den iibrigen Autoren , welcbe qleicbzeitig rnit der Untersuchung der Elektrizitats- leitung in Flammen beschaftigt waren, mit dem Schlusse auf freie Elek- tronen zuvorgekommen bin. - In kalten, leitenden Gasen sind Falle standigen Vorhandenseins freier Elektronen erst vie1 spiiter, wohl euerst von Hrn. J. F r a n c k (Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. 12. 1910) erkannt worden.

2) H. A. L o r e n t z , Kon. Akad. v. Vetensch. Amsterdam, Jan. 1905. p. 438; siehe dort auch seine Vorganger hierin, E. R i e c k e , P. D r u d e , J, J. Thomson (lSOO), bei welchen die Elektronen (als identisch mit den Quanten der Kathodenstrahlen) und deren Rolle bei der metallischen Leitung noch nicht so bestimmt hervortreten.

Annalen der Physik. IV. Folge. 40. 26

394 P. Jenard.

klarheit uber das Zusammenwirken dieser freien Elektronen mit den Atomen und Molekiilen des Korpers, in welchem sie wandern. Man nimmt gern an, z. B, bei festen Metallen, daB die Elektronen nach Art von Gasmolekiilen an den materiellen Atomen reflektiert werden; man kann jedoch nicht sagen, da6 dies in direkter fjbereinstimmung mit der Erfahrung ware. Denn ein bewegtes freies Elektron ist ein Kathodenstrahl von gegebener, in den vorliegenden Fallen geringer Geschwindig- keit, und solche Strahlea werden an den materiellen Atomen nicht nur eventuell reflektiertl), sondern sie werden von den- selben absorbiert , woriiber eingehende Messungen schon seit lingerer Zeit vorliegen.a) Nimmt man also dauerndes Vor- handensein freier Elektronen in einem Medium an, so wurde es sich nach bisheriger Kenntnis am ehesten um steten Wechsel zwischen Absorption und Wiederfreiwerden dieser Elektronen handeln konnen. Solche Absorption mit nachfolgendem Wieder- freiwerden ist aber in zweierlei Beziehungen verschieden von Reflexion. Denn erstens kann das Elektron im Falle der Absorption verhaltnismaBig lange Zeit am Atom bleiben , und es hat dann wahrend endlicher Zeit gemeinsame Geschwindig- keit mit demselben, was bei blober (quasi- elastischer) Reflexion nicht der Fall ist, und zweitens kann beim Wiederfreiwerden aus dem absorbierten Zustand die Qeschwindigkeit, mit welcher das Elektron das Atom verlabt, eine ganz andere sein, als bei blober Reflexion. Im allgemeinen ist zu erwarten, da6 zeitweilige Absorption eine geringere mittlere (beobachtbare) Wanderungsgeschwindigkeit ergeben wird (wegen der Aufenthalte im absorbierten Zustand), als blobe Reflexion, und in Wirk- lichkeit ist auch z. B. die beobachtete Wanderungsgeschwindig- keit der negativen Trager der Bunsenflamme vie1 kleiner als die unter der Annahme von gastheoretischer Bewegung der Elektronen mit bloBer Reflexion berechnete Geschwindigkeit (vgl. Teil I, 8, 12), was also ebenso auf starkes Mitwirken der Absorption hindeutet, wie die erwahnten direkten Beob- achtungen an Kathodenstrahlen. Ahnlich wie in Gasen miissen auch die Vorgange sein, welche an den Elektronen in festen

1) Uber ,,Reflexion" von Kathodenstrahlen sind viele unreine Ver-

2) P. Lenard, Ann. d. Phys. 12. p. 714. 1903. suche publieiert worden, vgl. dariiber weiter unten, Abschnitt C.

Elektrizitatsleitung durch freie Elektronen und %ger, 1; 395

Metallen sich abspielen; da aber selbst fur den einfacheren Fall der Gase noch kein einwandfreies Bild dieser Vorgange vorhanden ist, so ist es nicht zu verwundern, daB die Tbeorie der Elektrizitatsleitung in Metallen noch mit Schwierigkeiten behaftet erscheint.l)

Der Zweck des Nachfolgenden ist es, die in bezug auf die Elektronenbewegungen vorhandenen, eben beriihrten M6g- lichkeiten quantitativ zu hehandeln und auf ihre Folgen hin zu untersuchen, urn sie exakt mit der Erfahrung vergleichen zu kiinnen. Es ist dies der Weg, den man beschreiten mu& wenn man aus Messungen von Wanderungsgeschwindigkeiten, Leitfiihigkeiten und anderen beobachtbaren Symptomen Auf- schluh erhalten will iiber das zugrunde liegende Verhalten freier negativer Elektronen inmitten von materiellen Molekiilen verschiedener Art. Unsere Entwickeluugen werden sich in der Hauptsache auf den gasformigen Aggregatzustand beziehen ; doch scheint die Anwendung auf feste Metalle und auch auf' andere Falle nicht fernliegend (vgl. Teil 111).

Wir gehen dabei von den Gleichungen der elektrischen Wanderungen aus, die ich bereits 1900 angegeben hatte.a)

1) Die Schwierigkeiten wurden, als in den Grundannahmen dieser Theorie liegend, schon fruher hervorgehoben (Ann. d. Phye. 12. p. 740, FuBnote 2. 1903 und 17. p. 243, FuWnote 3. 1906). Es ist dort bereits darauf aufmerksam gemacht , da8 nach den Erfahrungen an Kathoden- strahlen keineswegs Reflexion der Elektronen an den Metallatomen, da- gegen wohl Absorption und nachfolgende Wiederausstrahlung (mit einer nicht nach gastheoretischen Gesetzen vorauszuvagenden Geschwindigkeit) anzunehmcn sei. Dies bewahrt sieh in der gegenwlrtigen Untersuchung vollkommen (vgl. hesonders Teil 11). Hr. J. K o e n i g e b e r g e r hat diesen Gesichtspunkt spater ausfiihrlicher behandelt (vgl. Verh. d. Deutsch. Phys. Gea. 9. p. 391. 1907 und 14. p. 278. 1912).

2) P. L e n s r d , Ann. d. Phys. 3. p. 312 u. ff. 1900; im folgenden kurz ale ,,1900" zu zitieren. Es ist dort bereits das Wesentliche der hier weiter zu verfolgenden Zusarnmenhange enthalten. Eine verwandtc und noch friihere mathematische Behandlung elektrischer Wanderungen, allerdings nur den Spezialfdl freier Elektronen in festen Kiirpern be- treffend, vgl. bei E. R i e c k e , Wied. Ann. 66. p. 353. 1898. Spater haben auch die Herren L a n g e v i n , J. J. T h o m s o n u. Andere Formeln fur die Wanderungsgeschwindigkeiten von ElektrizitBtstragern entwickelt, welche aher im Punkte der Anwendung auf die Erfahrung nicht mehr, in ge- wisser Bcziehung sogar weniger bieten, als die Formeln der erwlihnten Arbeit von 1900, nnd wclche, weil sie zu speziell sind, zum Teil auch

26*

396 P. Xeriard.

Von spateren Theorien der Wanderungen werden sich unsere Entwickelungen dadurch unterscheiden, daB sie davon Abstand nehmen, die von einzelnen (freien, oder von Atomen getragenen) Elektronen auf Molekule ausgeiibten Krafte nach der Elektro- dynamik der gro6en Korper zu berechnenl), daB sie dagegen die vorhandene, an bewegten Elektronen (Kathodenstrahlen) gesammelte Erfahrung zu Rate ziehen, was bisher merkwurdiger- weise wenig geschehen ist.

Im hier vorliegenden I. Teil entwickeln wir die Glei- chungen, welche die verschiedenen, bei elektrischen Wande- rungen moglich erscheinenden Falle zu berechnen erlauben. Dabei kommen auch die Erfahrungen zur Sprache, auf welche wir uns stiitzen - besonders Absorption und Reflexion von Kathodenstrahlen betreffend (Abschnitt C!, a) - , und deren Beziehungen zur Frage nach den Fernkraften zwischen Elek- tronen und Molekiilen (Abschnitt A, b, Sa). Indem wir fur die ungeordnete Qeschwindigkeit der freien Elektronen Orenzen finden (15, 16), wird die Anwendung unserer Gleichungen auf die Bunsenflamme - den bestuntersuchten Fall von Elektrizi- tatsleitung durch freie Elektronen - moglich (8, 12, 28, 30), wodurch Schliisse auf die wirklichen Bewegungen der Elek- tronen in diesem Falle gezogen werden konnen.

I n einem 11. und 111. Teile2) werden die gewonnenen Glei- chungen systematisch auf mehrere spezielle E'alle der Elektri- zitatsleitung angewandt. Die Untersuchung der Energiever- haltnisse der dabei gefundenen Elektronenbewegungen zeigt, daB die quasi-elastischen StoBe der Gastheorie, welche man gewohnlich auch auf das Zusammenwirken von Molekulen mit Elektronen augewandt hat, eines Ersatzes bedurfen durch andere Austauschmittel der Energie, wofur die Energiequanten der Strahlung sich geeignet zeigen. Metallflammen , positive Strahlen und feste Metalle werden soweit betrachtet, als es

bereits zu Fehlschlussen gefuhrt haben. Vgl. uber Flille der letzteren Art die FuSnote zu 5; auch A. B e c k e r , Ann. d. Phys. 36. p. 217. 1911; G. Eckmann, Jahrb. d. Radioaktivitat 9. p. 157. 1912, Auf Hrn. L a n g e v i n s Theorie von 1905 kommen wir noch speziell zuriick (Sa).

1) Die Zweifel am Zutreffen dieser Elektrodynamik bei Anwendung auf einzelne Elektronen habe ich fruher hervorgehoben (,,Uher Ather und Materie", Heidelberg, b. Winter 1911).

2) In folgenden Annalenheften.

~~ektrizitafsleitunging durch freie Elektronen und Trager, I. 397

im Zusammenhange mit den neu gewonnenen Anschauungen unmittelbar sich ergibt.

Als Hauptresultat unserer Arbeit sehen wir in allen drei Teilen die mitgeteilten Gleichungen an, als ein Mittel zum weiteren Eindringen in den Mechanismus der Elektronen- bewegungen, und die mit Hilfe dieser Gleichungea aus der bereits vorhandenen Erfahrung schon gewonnene Einsicht in diesen Mechanismus.

E r s t e r Te i l .

f iber das Znsammenwirken langsam bewegter Elektronen (nnd E1ektrizit'dtstriiger)tstrEger) rnit Molekiilen (Atomen); Cileichungen der

Wanderungsgesehwindigkeiten.

I n h a1 t : A. Duuernde Zustbhde : a) Dauernd absorbierte Elek- tronen ; Wanderungen von Elektrizitatstragern oder Fr'emdmolekulen irgendwelcher Art in einem Gase. b) Dauernd freie Elektronen, welche naeh Art von Gasmolekulen sich bewegen; nicht vie1 Fernkrafte zwischen Elektroeen und nic$tmetalliechen Molekulen. c) Dauernd freie Elektronen, welche mit beliebiger Geschwindigkeit sich bewegen. - B. Wechselnde Zustafide: a) Absorption und Wiederfreiwerden; Grenzeh fur die An- fangsgeschwindigkeiten beim Wiederfreiwerden. b) Freies Elektron , das absorbiert wird und dann im Tragerzustand weiterwandert. c) Ab- wechselnd freies und absorbiertes Elektron, jedoch mit AusschluB von Reflexionen im freien Zustande; Beispiel der Bnnsenflamme. - C. Re- flektierte EEektronela : a) ifber Reflexion von Kathodenstrahlen. b) All- gemeiner Fall steten Abwechselns des frei reflektierten und des absor- bierten Zustandes eines wandernden Elektrons. e) Geschwindigkeits- lnderungen von Elektronen beim Zusammentreffen mit Molekulen.

1. obey die Behandlungsweise des Problems sei folgendes vorausbemerkt :

Zur Berechnung der Bewegungseinfliisse (,,Stobwirkungen'l), welche Molektile und Trliger , sowie auch Elektronen, auf- einander ausuben, halten wir uns (wie schon 1. c. 1900) nur an das Energieprinzip und das Schwerpunktsprinzip ; bei der Annahme von Reflexionen von Elektronen an Molekiilen lassen wir auBerdem nach Mabgabe der Erfahrung noch einen ge- wissen Verlust an kinetischer Energie der Elektronen zu (vgl. Abschnitt C, c).

Die Molekule (bzw. Atome) selbst erscheinen in unserer teilweise statistischen Betrachtungsweise kugelfirmig mit nur

398 P. Zenard.

zentralen Kraften. Die speziellen Gesetze dieser Krafte, welche Molekiile und Elektrizitatstrager bzw. Elektronen wahrend der StoBzeit aufeinander ausiiben (indem sie aus Dynamiden be- stehen und auBerdem im Falle der Elektrizitatstrager uber- schiissige Elektrizitat haben), werden in der hier angewandten Betrachtungsweise nicht untersucht. Wir schreiben vielmehr den Molekiilen, bzw. Atomen, Radien zu, welche fur jeden be- stimmten Fall eine bestimmte GroBe haben, derart, daB au6er- halb dieser Radien keine Krafte anzunehmen sind, welche die Bewegungen benachbarter Atome (Trager) bzw. Elektronen wesentlich beeinflufiten, daB aber innerhalb dieser Radien reflektierender StoB, bzw. Elektronen gegeniiber auch Ab- sorption erfolgt. Dns Vorhandensein und die Kompliziertheit der so von uns nicht im einzelnen betrachteten Kraftfelder an den Grenzen der Molekiile wird sich in unseren Formeln nur dadurch auBern, daB der Molekiilradius von der Molekul- geschwindigkeit (d. i. von der Temperatur), bzw. der Geschwin- digkeit der freien Elektronen, abhangig gedacht werden muB. Will man also unsere E’ormeln anwenden, so muB man der Erfahrung entnommene, fur den betreff enden Fall passende Molekfilradien einsetzen ; umgekehrt konnen aber die Formeln auch dazu dienen, diese Radien aus der Erfahrung zu er- mitteln und also die auBeren Kraftfelder der Molekule (Atome) zu studieren, wie sie wirklich sind, unabhangig von der zweifel- haften Annahme, daB die gewohnliche Elektrodynamik auf einzelne Atome oder Elektronen anwendbar sei.

Fur jetzt werden wir die Molekulradien, sofern es sich um die ZusammenstoSe der Molekule untereinander oder mit Elektrizitatstragern, und um den Gaszustand handelt, stets den Messungen uber innere Reibung entnehmen I); denn dieser Ietztere Vorgang ist im wesentlichen vollkommen analog dem der Tragerwanderung und mu6 also zutreffende Radienwerte ergeben.

Was die Wechselwirkung der Molekule mit freien Elek- tronen anlangt, so stehen zur Berechnung des hierfiir einzu-

1) Man hat dabei seit Hrn. Mil l ikans Messungen des elektrischen Elementarquants noch den Vorteil, die zur Berechnung des Radius n6tige Lo s c h m i d t sche Zahl vollkommen ausreichend zu kennen. Was den Ein- fluB der Temperatur anlangt, steht die durch die Reibungsmessungen ge- priifte Su therlandsche Beziehnng zur Verfugung.

Elektrizitatsleitung dumh freie Elektronen und Trager, I. 399

setzenden Molekiilradius schon seit langerer Zeit die Beob- achtungen an Kathodenstrahlen zur Verfiigung. Die Unter- suchung der Einwirkung verschieden schnell bewegter Elektronen (Kathodenstrahlen) auf Molekiile hat gezeigt I), daB bei groBen Geschwindigkeiten der Elektronen die gewohnlichen (gastheo- retischen) Molekiilradien iiberhaupt keine Rolle mehr spielen, sondern daB die Molekule (Atome) dann von den Elektronen grotltenteils durchquert werden; sind aber die Qeschwindig- keiten genugend klein, so gelangt man zu Molekiilradien, welche den fur die innere Reibung der Gase maBgebenden Radien nahe gleichkommen, und welche von der Creschwindig- keit nur wenig abhangen. Da wir es nun in den hier zu be- handelnden Problemen stets nur mit sehr geringen Elektronen- geschwindigkeiten zu tun haben, so ist ersichtlich, daB man zu erster Annaherung sogar einheitlich , Molekiilen wie Elek- tronen gegeniiber, den der inneren Reibung bei der betreffen- den Temperatur entsprechenden Molekulradius einsetzen kann.

Hervorgehoben rnuB jedoch werden, daB die direkte Er- fahrung in bezug auf die langsamen Elektronen nur bis zu Geschwindigkeiten von 4 Volt, neuerdings bis zu ca. 0,5 Volt8) herabgeht, wiihrend wir es bei der Elektrizifatsleitung mit noch geringeren Elektronengeschwindigkeiten zu tun haben. 3,

Es ist daher wohl moglich, da6 der Molekulradius den Elek- tronen gegenuber etwas groSer einzusetzen ware, als er sich aus der inneren Reibung oder der Absorption von 4 Volt- oder '/, Volt-Strahlen ergibt. Wir fiihren daher in den Bei- spielen des Teiles I1 die Rechnung zwar fur den der inneren Reibung entsprechenden Radius nus, beriicksichtigen aber auch die Resultate, welche fur den doppelten Wert des Radius sich ergaben. Zwischen diesen beiden Grenzen wird die Wirklich- keit zunachst wohl gesucht werden konnen (vgl. Sa).

1) P . L e n a r d , 1. c. 1903. 2) Letsteres nach noch unveriiffentlichten Messungen, welche Herr

Franz Meyer im Radiolog. Institut ansgefuhrt hat und welche zeigen, daS die von mir zwischen 8 und 4Volt gefundene, nahe Konstanz dee absorbierenden Querschnittes auch bis zu 'I9 Volt herab noch gilt.

Es kamen nach unseren Endresultaten (Teil 11) etwa die in Tab. I angegebenen Geschwin- digkeiten in Betracht (ca. 0,OSVolt bei gewiihnlicher Temperatur, 0,3 Volt in Flammen).

3) Uber diese Geschwindigkeiten vgl. 15, 16.

400 P. Lenard.

Die fur die Elektrizitatstrager, d. i. fur elektrisch nicht neutrale Molekule (Atome) in Betracht kommenden Radien kiinnen in allen Fallen nur aus den Formeln selbst entnommen werdan, um so mehr, als diese Trager auch durchaus nicht immer Molekule von normaler GriiBe sind (vgl. daruber Teil1JJ.l)

2. Bezeichnungen und allgemeine Beziehungen. F elektrisehe Feldstiirke. e Elementarquant der Elektrizitiit = 16,3. Coulombe). m Masse desselben = 0,96.10-e7 gs). u, bzw. v1 mittlere ungeordnete Geschwindigkeit der Elektronen (vgl.

L, mittlere freie Weglange der Elektronen. M Masse eines Gasmolekuls, fur H = 1,70. W rnittlere ungeordnete Geschwindigkeit der Gasmolekule. L mittlere freie Wegliinge der Molekule. M,, W,, Lt entsprechende GroBen f i r Elektrizitatstrager.

r Molekulradius (vgl. 1). s D Dichte des Gases. A- Zahl der Gasmolekule in der Volumeneinheit = 2,64.10'9 bei Oo C .

und 1 Atm. o Wanderungegeschwindigkeit im elektrischen Felde. Indizes bei o

(z. R. oabs., qrei gasth., weS) beziehcn sich auf den Zustand des Elektrons wiihrend der Wanderung. in ununterbrochen frsiem Zustande zuruckgelegte Wegliingeuzahl eines Elektrons.

14, 37).

g.

p = Mt/(Mt + M ) .

Badiensumme von Trager und Gasmolekul.

g

1) Ihrer Ladung wegen wiiren keine wesentlich anderen Radien der Eletrizitatstrlger - wenigstens der negativen - zu erwarten, als bei neutralen Molekulen. Denn wenn wir nach MaBgabe der Kathoden- strahlabsorptionsbeobachtungen annehmen, daB freie Elektronen im wesent- lichen uuabgelenkt an neutralen Molekiilen auBerhalb deren Radius vorbei- gehen, so gilt dies auch fur negative Trliger, d. i. fur Elektronen, die mit Molekulmasse verbunden sind, falls ,,gastheoretiache Geschwindig- keiten" (2) herrschen. Denn fur Ablenkungen durch elektrische Krafte ist die lebendige Kraft mal3gebend. Fur Ablenkungen durch magnetische .graft gilt der SchluB in verstiirktem MaBe, denn bei diesen wirkt nur die erste Potenz der Geschwindigkeit (vgl. z. B. die Ablenkungsgleichungen Wied. Ann. 64. p. 285, 286. 1898).

2) R.A. M i l l i k a n , Phys. Rev. 32. April 1911. 3) Da wir keine griiBere Anniiherung erstreben als auf l/lo,,o, wird

m als Summand neben 114 oder Me stets stillschweigend vernachllissigt werden. Es ist z. B. m / M fur Wasserstoffatome = 1/1840, fur Stickstoff- molekule = 1/5,,ooo.

Elektrizitatsleitun.g durch f ie ie Elektronen und Trager, I. 401

5 in ununterbrochen absorhiertem (Triiger-) Zustand zuriickgelegte Weg- langenzahl.

,, ffastheoretische Oesehwindigkeit" der Elektronen nennen wir diejenige ungeordncte Geschwindigkeit , welche Gasmolekiilen von Elektronen- masse bei der betreffenden Tcmperatur (To abs.) nach der kinetiecheii Gastheorie (im blittel) zukiirne; sie ist

= W 1 / M l m = 6,55mkm/sec = 1 , 2 3 ~ 1 0 - ~ T Volt (vgl. Tab. I w. u.).

vgl. 37) Verhaltnissahl, welche die ungeordnete Elektronen- geschwindigkeit v1 (bzw. ?j ) als Multiplum der gastheoretischen Ge- schwindigkeit angibt. Es 1st demnach

a, (bzw. a,

t@

v1 = a, w ~ G = a, T V ~ ~ . Da wir die Zahlen der Trager und der freien Elektronen

stets klein annehmen im Vergleich zur Gessmtzahl N der Molekule, so gilt nsch Maxwell1)

_ _ _ ~ - -~ LP = 1/Na TZ 11 + lI ' / U , Z = l / N n 7-2

(da niemals a, << 1 ist);

I;, = !viIrVns2vwtx+wZ = l/pni/iu,/.iv~~~; 1; = 1/4v: N n r2.

A. Dauernde Illusttnde.

Wir beginnen hier mit der Betrachtung dreier einfacher Falle (A, a, b, c).

A, a. Dauernd absorbier te Elektronen.

3. Dies ist der Fall von Tragern beliebiger GroBe. Er ist bereits im fruheren (I. c. 1900, p.313) erledigt; die Wande- rungsgeschwindigkeit (dort mit rr) bezeichnet) ist in der hier benutzten Bezeichnungsweise z):

1) J. C. Maxwel l , Phil. Mag. (4 ) 19. p. 29. 1860. 2) Diese hier folgende, aus der friiheren Arbeit iihernommene Glei-

chung enthalt bereits den Kern aller weiteren Entwickelungen; denn sie gilt ihrer Ahleitung nach fur wandernde, mit e geladene Massen Aft vou jeder beliebigen GroEe und riiumlichen Abmessung, falls nur letztere nicht bie zur GrOBenordnung der freien Weglsngen geht. Der Leser jener friiheren Mitteiluug wird bemerken, da6 dort (bei den nur in Worten an- gegebenen Mittelwerthildungen durch Integrale) bereits dieaelhen Prinzipien befolgt sind, wie hier unter 1 angegeben. (Es sei bei dieser Gelegen- heit ein ubrigens leicht ersichtlicher Druckfehler in der Gleichung (3) p. 313 1. c. 1900 angemerkt: es sol1 dort 1 /M statt l / m heilen.)

402 P. Lenard.

I (311) { was auch geschrieben werden kann:

4. Spezialfalle. - Wird Mt = M (p = f), sind also Trager und die iibrigen, unelektrischen Gasmolekule von gleicher Masse, so wird (vgl. 1. c. 1900 mb)

(4) 3 e F _-..-. 3 L e F

2 W M z z v Z D s 2 W ma))& = -- -

Wird Nt sehr groB ( p = I), so wird (1. c. 1900 me)

was sich von (4) nur sehr wenig unterscheidet. 5. fjberhaupt ist die Tru.qermasse Jf von sehr geringem

Einfiuk auf die Wanderungsgeschwindigkeit, solange diese Masse nicht wesentlich kleiner ist als die Molekulmasse A!. Denn (1 + p ) / 2 vF in Gleichung (3) andert sich nur von 1,06 auf 1,00, wenn p von $- auf 1 geht. Der Triigerradius ist da- gegen stets wesentlich bestimmend fur die Wanderungs- geschwindigkeit. z,

1) Handelt es sich um Gasgemische, welche nicht ale ein Hauptgas mit geringen Beimengungen aufgefa6t werden kSnnen, ist also M nicbt einheitlich, so gilt fur wabs. die von Hrn. W. A l t b e r g (Ann. d. Phys. 37. p. 876. 1912) eutwickelte kompliziertere Gleichung.

2) Diese bereits in den Gleichungen von 1900 (1. c.) enthaltenen Beziehungen fehlen (auch vie1 spater noch) in den Gleichungen anderer Autoren (vgl. FuBnote 2 auf der 3.Seite der Einleitung). Dies hatte die Folge, da6 letztere Gleichungen mehrfach zu Fehlschlussen gefuhrt haben. So bei der Wanderung verschieden schwerer Atome in der Flamme (Phil. Mag. (6) 21. p. 712. 1911), wo es heilit: ,,The equality of the velocities of a Li ion and a Cs ion is difficult to explain on the view that they are simply single atoms, for we should expect the velocity to depend ou the atomic weight. The main object of this paper is to point a way out of this difficulty" (der Ausweg wird aber dort uicht gefunden). Vgl. d a m auch E. N. d a C. A n d r a d e , Diss. p. 42. Heidelberg 1911). Ebenso bei der Wanderung schwerer, radioaktiver Atome, Proc. Roy. SOC. A 82. p. 500. 1909. (Vgl. dazu G. E c k m a n n , Jahrb. der Radioaktivitat 9. p. 158. 1912).

Der einfache Grund fur den geringen EinfluS der Trsgermasse liegt darin, dali der Verlust an Beschleunigung innerhalb jeder freien Weg-

Elektrizitatsleitung durch freie Elektronen und Trager, I, 403

6. Diese Formeln wird man anwenden, wenn es bereits sichergestellt ist, da6 freie Elektronen uberhaupt nicht vor- kommen, wie es z. R. in Gasen wie Sauerstoff, Kohlensiiure nach bisheriger Erfahrung im wesentlichen der Fall ist. Man kann dann aus der beobachteten Wanderungsgeschwindigkeit mit Hilfe der Formeln den Tragerradius berechnen. Hierauf gehen wir im 11. Teil ein. Die Kenntnis der Triigermasse ist dazu (nach 5.) in erster Annaherung nicht erforderlich.

6a. Dieselben Formeln kommen auch in Betracht, sobald es sich um Bewegungen sehr kleiner Xorper in einem Gase unter dem EinfEup irgendwelcher Krafte handelt; denn man kann fiir e P jede beliebige Kraft substituieren, z. B. auch die Schwerkraft. Die Formeln wiirden also anwendbar sein auf das Herabsinken von Nebelkernen in einem Gase, oder auf das Herabsinken (oder Aufsteigen) fremder , in Luft freigelassener, schwererer (oder leichterer) Molekiile. Die Grenze der Giiltigkeit der Formeln mu6 erreicht sein, sobald der Radius des bewegten Kiirpers von der GrOBenordnung der freien Weglange der

lange, welche mit groflerer TrHgermasse verbunden ist, nahezu kompen- siert wird durch die damit ebenfalls verbundene griitlere Aufhilufung der Gescbwindigkeiten von Weglange zu Weglange.

Dies kiinnen die Gleichungen nur dann wiedergeben, wenn sie beide Massen, Trager- und Molekiilmasse, enthalten. Unter den Autoren, welcbc ihre Gleichungen neuerdings auch hierauf eingerichtet haben, ist beaonders Hr. P. L a n g e v i n zu erwiihnen (Ann. d. Cbem. et de Phys. (8) 6. p. 245. 1905), dessen Theorie der Wanderungen noch besonders durch die Einfuhrung von Fernkrlften ausgezeichnet iut. Auf diese letzteren Krafte gehen wir weiter uoten @a) ein; sieht man von denselben ab, so stimmen Hm. L a n g e v i n s Gleichungen mit unserer Gleichung (4) (Spezialfall .M= Xt) uherein. Im allgemeinen Falle ist, soweit ich sehe, die Ubereinstimmung nicht vollkommen. Es erscheint bei Hrn. L a n g e v i n die von uns mit 1 + p bezeichnete GriiBe (Zahler in der Gleichung (3)) durchweg mit dem Werte s/$, wtihrend sie hei uns fur die drei Fiille: M, sehr klein (freie Elektronen oder auch H-Atome in Luft); X, = M; Mt sehr groB - die beziehlichen Werte 1, s/g, 2 onnimmt. Dieser Unter- schied.. ist in erster Annaherung unwesentlich, und es wurden alle Schliisse der vorliegenden Arbeit unverandert bleiben, wenn man an Stalle unserer iilteren Formeln die neueren von Hrn. L a n g e v i n benutzen wollte, je- doch mit Fortlassung der Fernkrafte aus den letzteren. Was die Quelle des Unterschiedes anlangt , 80 glaube ich die physikalischen Voraus- setzungen meiner Ableitung 1. c. 1900 genugend klar dmgelegt zu haben, um dem Leser der beideraeitigen Arheiten eigenea Urteil zu ermoglichen.

404 P. Lerzard.

Gasmolekule ist.l) Er ist dann zu groB fur unsere Formeln, aber doch noch zu klein fur die Widerstandsgleichungen von S t o k e s und Kirchhoff.2)

A, b. Dauernd freie Elektronen, welche mit gastheoretiecher Geschwindigkeit nach Art von Gaamolekulen sich bewegen.

Dies ist die gewiihnliche Annahme des unter elastischen StOBen an den Molekulen hin- und herretlektierten Elektronen s), wobei dieselben von selber die hier vorausgesetzte ungeordnete Geschwindigkeit annehmen und (im Mittel) beibehalten. Die Werte dieser von uns als ,,gastheoretisch" bezeichneten Ge- schwindigkeit (vgl. 2) sind zur besseren Anschaulichkeit fur einige Temperaturen i n der folgenden Tab. I verzeichnet.

7. Auch dieser Fall A, b ist bereits in der friiheren Ab- leitung erledigt. Es gilt fur ihn die LGsung (1. c. 1900 mit we bezeichnet, auch aus Gleichung (3) mit L, = hP, Fft = W f M / m , Jl, = m zu erhalten):

~.

oder nach Gleichung (4)

(7 4 3 WL

1) Das ergibt sich unmittelbar aus der 1900 (1. c.) mitgeteilten Ab- leitung der Formeln, und es wurde auch schon fiuher auf diese Giiltig- keitsgrenze aufmerksarn gemacht (A. B e c k e r , Ann. d. Phys. 31. p. 122. 1910; P. L e n a r d u. C .Ramsauer , Heidelb. Akad. 32, Abh, p. 12. 1910).

2 ) Auf diese schwer zu iiberbruckende Liicke in den Giiltigkeits- bereichen beziehen sich die theoretischen Unfersuchnngen von Hm. E. C u n n i n g h a m , Proc. Roy. SOC. (A) 83. p. 357. 1910 und die Experi- mentaluntersuchungen vou Hrn. R. A. M i l l i k a n , Phys. Rev. 32. p. 376. 1911. Vgl. auch M.Reinganurn, Verh. d. Phys. Ges. 18. 1910, wo auch (p. 1034) eine Formel hergeleitet wird, die rnit der obigen Glei- chung (3) (wenigstens fur den Fall nii=N,) identisch ist.

3) StijBe zwisohen den Elektronen untereinander nehmen wir nicht an, da sich gezeigt hat, da6 zwei entgegengesetzt gerichtete Kathoden- strahlen, denselben Raum durchsetzend, einander nicht stiiren (Ann. d. Phys. 8. p. 165. 1902), was au6erordentliih kleinen Elektronenradien entspricht, weshalb hier auch s = r wird.

Elektrizitatsleitung durch frez'e Elektronen und Y'rager, 1. 405

T a b e l l e I. Gastheoretische Elektronengeschwindigkeiten bei verschiedenen

Temperaturen.

Ter Centigrade

sbsolut

0 4

16 100 273 289 400

2173 10000 16300 81000 89200

8. Man

ieratur

Bernerkung

Helium temperatur flussiger Wasserstoff fliissige Luft 00 c.

16 c. (Zimmertemp.)

1900OC. (Bunsenflamme) Fixsterntemperatur

127O C.

Beginn sekundarer Ra- thodenstrahlung

Geschv

km sec

0 13 26 66

109 112 131 306 657 836

1880 1960

idigkeit

Volt

0 0,00049 0,00197 0,0123 0,0337 0,0356 0,0492 0,267 1,23

2,o 10 11

sieht aus der letzten dieser Gleichungen un- - mittelbar, da6 die Wanderungsgesdhwindigkeit der freien, gas- theoretisch bewegten Elektronen stets sehr vie1 groBer ist als die der absorbierten Elektronen (Elektrizitatstrager). Es ist daher mit Recht a m Beobachtungen sehr gro6er (negativer) Wanderungsgeschwindigkeiten auf die Gegenwart freier Elek- tronen geschlossen worden (zuerst 1902 an Flammen, vgl. die Einleitung)

Beispiel; Bunsenflamme. - Berechnet man jedoch nach Gleichung (7) den numerjschen Wert der Wanderungsgeschwin- digkeit, so zeigt er sich weit gr6Ber als er jemals bisher wirk- lich beobacht ist. Die grijl3te gemessene negative Wande- rungsgeschwindigkeit, namlich die in der Bunsenflamme, ist

wahrend Gleichung (7) fur diesen Fall

1) Nach Hm. G. Moreaus Beobschtungen, vgl. Teil 11.

406 P. zenard.

ergibt.l) Dies zeigt an, dup die Annahme rein gastheoTetischer Bewegungen der Elektronen nicht Z U f T i f f t .

8a. obereinstimmung zwischen der beobachteten und der naeh Gleichung (7) berechneten Wanderungsgeschwindigkeit cler Elektronen in der Bunsentlamme wurde bestehen, wenn man den mittleren Molekularquerschnitt ra n der Flammengase 12mal so groB einsetzte, als es der Reibungskonstante der Flammengase entspricht. Es wiirde dies der Annahme gleich- kommen, daB alle Elektronen, welche innerhalb eines ent- sprechend groBen Umkreises (mit 1/12 fachem Molekiilradius) gegen ein Flammenmolekul gelangen, vollkommen zerstreut werden, so daB beim Weggange von dem Molekul fur jedes beliebige dieser Elektronen jede Richtung der Bahn gleicli wahrscheinlich wiire, und daS auBerhalb dieses Umkreises nur ungestorte, gradlinige Vorbeigange stattfanden. *) Diese Ver- teilung der Elektronenbahnen, oder eine ihr nahekommende, in bezug auf die Wanderungsgeschwindigkeit aquivalente Ver- teilung, konnte durch Fernkrafte hervorgebracht werden, weIche zwischen den Molekulen der Flamme und den Elektronen wirkten. Solche Fernkrafte sind in der Tat von Hrn. P. Langev in in seiner Theorie der elektrischen Wanderungeii eingefuhrt worden3), und da dieser Autor bei der hochst sinn- reichen Durchfuhrung seiner Theorie eben auch fur den Fall der Bunsenflamme zu Ubereinstirnrnung mit der Ercahrung ge- langt (1. c. p. ZSS)*), so folgt aus unserer Rechnung, da8 die von ihm angenommenen Fernkrafte fur diesen Fall, d. i. fur Elektronengeschwindigkeiten von rund 0,3 Volt (vgl. Tab. I),

1) Die numerischen Daten der Rechnung vgl. in Teil 11; es sei hier nur erwlhnt, da6 der Molekiilradius r nach Hrn. A. B e c k e r s Beobach- tungen uber die innere Beibung = 0,123-10-Bmm gesetzt ist.

2) Es ist dies die uneeren Annahmen (1) entsprechende Wirkung der Flache ran in Gleichung (7).

3) P. L a n g e v i n , Ann. de Chim. et de Phys. (8) 5. p.245. 1905. 4) Das von Hrn. L a n g e v i n fur die posifiiven Trager in der Gas-

flamme abgsleitete Resultat (da8 sie Wasserstoffatome seien, 1. c. p. 287) kann jedenfalls nur etwa zuftillig zutreffen; denn die eingesetete Wande- rungsgeschwindigkeit ist ca. 20mal zu groS (vgl. E. N. da C. A n d r a d e , Diss. p. 40. Heidelberg, Nov. 1911). Diese Trsiger sind in Metallflammen (auf welche die bisherigen Messungen der Wanderungsgeschwindigkeiten aich beziehen) metuliischer Natur (vgl. A n d r a d e , 1. c.).

Elektrizitatsleituny durch fTeie Elektronen und Trager, I. 407

der Bedingung wirklich genugen, jene , vollkommener Zer- streuung der Elektronen innerhalb des 12 fachen Molekiil- querschnittes aquivalente Wirkung zu ergeben.

Nicht viel Fernkrafie zwischen Elektronen und Flammen- molekiilen. - Vergleicht man nun aber diese Wirkung der angenommenen Fernkrafte mit der Erfahrung, welche iiber die Vorbeigange von Elektronen an Molekulen fscbon seit 1903) vorliegt, so findet man schroffen Widerspruch. Die von mir angestellten Versuche l) haben gezeigt, daB langsam bewegte Elektronen (Kathodenstrahlen von 4 Volt Geschwindigkeit) auBerhalb des einfachen, gewohnlichen (der inneren Reibung entsprechenden) Molekulquerschnittes keine sehr starke Ande- rung ihrer Bahnrichtung und keinesfalls vollstandige Zerstreuung erfahren. Nur der auf diesen einfachen Molekiilquerschnitt fallende Teil des Elektronenstrahlbundels war vernichtet (ab- sorbiert ”,>, der Rest blieb im wesentlichen unbeeinflu8t. Ge- rinye Bahnkrummungen au6erhalb des gewohnlichen MolekU1- querschnittes vorbeigehender Elektronen waren bei meinen Versuchen unbemerkt geblieben, da die von der auffangenden Flache des Apparates in dieser Weise abgelenkten Elektronen ersetzt wurden durch andere, die durch dieselbe Wirkung hingelenkt wiirden 3); vollstiindige Zerstreuung innerhalb des 12 fachen Molekulquerschnittes hatte jedoch in meinen Ver- sucheu fast genau den Effekt ekes verzwolffachten absorbieren- den Querschnittes der Molekule haben mussen, wogegen nur

1) P. L e n a r d , Ann. d. Phys. 1’2. p. 714. 1903. Es wurden Luft, CO,, Ar und H, untersucht. Spater sind diese Versuche von Hm. P. R o b i n s o n auch auf N,, 0, und CO ausgedehnt worden (Ann. d. Phys. 31. p. 805. 1910).

2) Zu bemerken ist hierzu, daB die von mir beobachtete Ver- nichtung des Strahlenbiindels, welche ich als Absorption (Haften der Elektronen an den Molekiilen, welche sie getroffen haben) gedeutet habe, nach dem Ausfall der rein ebltrometrisohen Versuche auch als voil- kommen diffuse Zerstreuung gedeutet werden konnte, aber nur innerhalb des gewohmlichen Xolekiilradius; doch sprechen selbst hiergegen andere Erfahrnngen (vgl. FuBnote 3 zu 35).

3) Vgl. die Diekussion uber die Strahldiffusion als Fehlerquelle bei den Absorptionsmessungen, 1. c. und auch bereits Wied. Ann. 66. p. 255. 1895.

408 P, Jenard.

nahe der einfache Querschnitt sich fand.3 Dabei war die Geschwindigkeit der Elektronen (4 Volt) allerdings gro6er als die gastheoretische in der Bunsenflamme (ca. 0,3 Volt); aber einerseits habe ich (1. c.) gezeigt, da8 beim Ubergang von 8 Volt auf 4 Volt keine starke Anderung des wirksamen Molekulquerschnittes mehr eintritt, und andererseits haben die bereits erwahnten Versuche von Hrn. F r a n z Meyer (vgl. 1) diese Konstanz des Querschnittes auch bis zu ca. 0,5 Volt hin bestatigt, was von jener gastheoretischen Geschwindigkeit nicht mehr fern ist.

Soweit daher die Erfahrung gegenwartig geht, ist zu sagen, dap derartige Pe'el.nkrafie zwischen Elektronen und neutralen Mole- kiilen, wie sie Hrn. Langeq ins Theorie annimmt, bei den ge- wiihnlichen Basen (N,, 0,, CO, USW.) keineswegs wirksarn ge- funden wurden. Sofern also diese Theorie der herrschenden Elektrodynamik entspricht, ware hier ein Fall des Versagens dieser Elektrodynamik in ihrer Anwendung auf die Kraftfelder einzelner Atome und Elektronen zu konstatieren. DaB solches Versagen zu erwarten ist, sobald man diese elernentaren Kraft- felder nach Maxwells Gleichungen zu behandeln versucht, als waren sie von gleicher Eonstitution wie die Kraftfelder groBer Korper, die Unzahlen von Elektronen enthalten, habe ich aus allgemeineren Uberlegungen bereits friiher erortert. 2,

Die weitere Verfolgung dieses Gegenstaudes muB von

1) Kur beim H,-Molekul griffen die nachweisbaren Kraftfelder sehr mcrklich iiber den gewtihnlichen Molekularquerschnitt hiuaus (etwa auf desseri Dreifaches; 1. c. p. 741). Bei Metallatornen erfolgte Wirkung vorbeigehender, schneller Elektronen (nLmlicli Abtrennung eines Elek- trons vom Metallatom) in noch weit groBerem Umkreis (vgl. Heidelb. Akad. (A) 5. Abh. p. 40. 1912); dies steht indessen niclit in unmittel- barer Beziehung zum gegenwiirtigen Problem. Daaselhc gilt auch fur den Fall positiv geladelzer Molekule, Elektronen gegenuher; daE in diesem Falle auf vie1 groBere Distanzen als Molekulradius Krlfte merklich sind, schlieae ich aus dem Wert des Rekombinationskoeffizienten r (Heidelb. Akad. 34. Abh. p. 7. 1911), welcher wesentlich uber Eins geht, wie mir numerische Rechnungen iiber Metallflrimmen und Kanalstralilen nach den 1. c. angegeheneu Gleichungen gezeigt haben (vgl. Teil 111.

2) Vgl. ,,nber Ather und Msterie", 2. Aufl. p. 34. Heidelherg 1911 (1. Aufl. p. 17. 1910). Zu ahnlichem Schlusse kommt auf anderem Wege Hr. E. G e h r c k e (Phys. Ges. Berlin 14. p. 379 u. 945. 1912).

3lektrizitatsleitung durch freie Elektronen u n i Trager, 1; 409

groBtem Interesse sein, und die hier noch folgenden Entwicke- lungen sollen eines der Mittel dazu bieten.

9. Wir wenden uns nun zur Untersuchung einer anderen Annahme uber die Elektronenbewegung, indem wir die Voraus- setzung gastheoretischer Geschwindigkeiten der Elektronen fallen iassen, den dauerdd freien Zustand mit Reflexionen an den Molekulen jedoch noch beibehalten.

A, c. Dauernd freie Elektronen, welche mit beliebiger Geechwindigkeit v, (= a,-fach gaetheoretisch) nach Art von

Gaamolekulen sich bewegen.

Auch dieser Fall ist bereits im fruheren einbegriffen. Es ergibt sich (1900 I. c. p. 313, L durch Lp und V durch v1 ersetzt, l /M gegen 1/2m vernachlassigt; oder in Gleichung (3) 1;, durch Lq, W, durch vl , Mt durch m ersetzt):

(9)l) /oder nach Gleichung (7)

Die Wanderungsgeschwindigkeit freier, reflektierter Elektronen ist also verkehrt proportional deren ungeordneter Geschwin- digkeit vl.

10. Dieser Fall kann in verschiedener Weise aufgefabt werden. Man kann die gewohnliche Anuahme (quasi-) elasti- scher Reflexion der Elektronen machen; dann konnte aber die beliebige Geschwindigkeit vl der Elektronen nicht dauernd be- stehen, sondern sie miibte eben durch die Reflexionen selbst, bald in gastheoretische Geschwindigkeit (al = 1) iibergehen. Der Fall ware dann uberhaupt nur bei kurz dauernden, nicht stationaren Zustanden realisiert zu erwarten, und in dieser Weise betrachten a i r ihn auch spater (B, b; B, c; C, b). Man konnte

1

a, =- - Q)frei, gasth.

1) Die erste Form aeigt unmittelbar, daB die Wanderungsgeschwin- digkeit freier, reflektierter Elektronen gleich deren mittlerer Feld- geschwindigkeit wiihrend jeder einzelnen freien Wegliinge iet; eine merk- liche AufhEiufung der Feldgeschwindigkeiten von Wegltinge zu Wegliinge findet in den Fiillen A, b und A, c wegen der Rleinheit der Elektronen- masse nicht statt.

Annalen der Physik. IV. Folge. 4~. 27

410 P. Lenard.

aber auch annehmcn, da8 es sich urn Absorption von vensebwin- dend kurzer Dsuer mit sofortigem (spontarbem) Wiederfreiwerden des Elektrons handelt, wobei vl die dann dauernd in jeder freien Weglange bestehende Anfangsgesehwindigkeit der Wieder- emission ware. Diese Autfassung verfolgen wir nichh weiter, da sie in der bisherigen, direkten Erfahrung an Elektronen (Xathodenstrahlen) gar keinen Halt findet.')

11. Freie Elektronen und absorbierte Elektronen (nega- tive Trager Ton molekularer GroBe) wiSrden nach den Qlei- chungen (9) und (?a) gleich schnell wandern, wenn

u1 = 4 1/2%!/3 ?'G, d. i. wenn die ungeordnete Gesch windigkeit der Elektronen

v1 = 4 p J l R / 3 m ist. &Jan sieht claraus, daW die Gegenwart freier Elektronen nicht iminer durcli abnorm grofie Wanderungsgeschwindigkeit sich zu erkennen geben mu6. Allerdings kommen so groBe Werte von u l , da6 jene Gleichheit der beiden Wanderungs- geschwindigkeiten eintrate, in den bisher untersuchten Fallen ohne weiteres niclit vor (vgl. Teil 11).2)

12. Beispiel; Bzlnsenflamme. - Der Fall A, c, dauernd freier, reflektierter Elektronen mit der ungeordneten Geschwin- digkeit I+, wurde bei der Bunsenflamme die beobachtete Wanderungsgeschwindigkeit von

ergeben, wenn man a, = 12 setzte. DaB eine so groBe un- geordnete Elektronengeschwindigkeit der Wirklichkeit ent- sprache, ist aber nach gegenwartiger Kenntnis unwahrschein. lich; denn diese Geschwindigkeit wiirde nahezu 40 Volt be.

1) Wir werden vielmehr die Wiederemission eines absorbierten Elektrons stet8 durch aziperen Anlap hervorgebrocht annehmen, spezieil durch Nahewirkung beim ZussmmenstoB des Tragers mit anderen Mole- kii!en (vgl. 13.), wobei nach unseren Endresaltaten die Aufnahme eiiies an das sbsorbierte Elektron kommenden Energiequants die Energic seiner Anfangsgeschwindigkeit hergibt (vgl. Teil 11).

2) Es sei bemerkt, daB wir bei intermittierend freien Elektronen ebenfalls mijgliche FBlle der Verringerung der Wanderungsgeschwindig- keit durch dns Freiwerden cler Elektronen finden werden (vgl. 26, 20).

Elektrizitatsleitung durcfi freie h’lektronen und Y’rager. I. 41 1

deuten (vgl. Tab. I), was mit Nebenerscheinungen, namentlich Sekuntliirstrahlung, verbunden sein miibte, von denen kein Zeichen vorhanden ist (vgl. 16).

Die ditnahme dauerrid freier, reflektierier Blektronen fuhrt also in keiner Feise zu i%ereinstirnmwng mit der l?rfahrung, und es gilt dies nicht nur bei der Bunsenfiamme, sondern auch in den anderen, bisher untersuchten Fallen der Gasleitung durch freie Elektronen (vgl. Teil 11).

B. Weehselnde Zustlnde.

B, a. ifber Wiederfreiwerden absorbier ter Elektronen.

Es wandere das betrachtete Elektron eine Zeit lang in freiem Zustande, eine andere Zeit lang im absorbierten Zu- stande (als negativer Elektrizitatstraiger), wornuf es wieder frei werden kann, so da6 der Wechsel der beiden Zusyande sich beliebig oft wiederholt.

I 3. Das Wiederfreiwerden eines absorbierten Elektrons nchmen wir veranla6t an durch Zusamrnentreffen des nega- tiven Elektrizitatstragers mit anderen iUolekiilen. l) Es ent- spricht dies der Annahme, daB andere Anliisse des Wieder- freiwerdens (2. B. elektronenbefreiende Strahlung, wie Ka- thodenstrahlen von geeigneter Geschwindigkeit, ultraviolettes Licht) nicht vorhanden seien. Wir rechnen daher die Zeit- dauer des absorbierten (Triiger-) Zustandes des Elektrons nach dcr Zahl der freien Weglangen, liings welchen er statthnt. Es ist jedoch hervorzuheben, da8 unsere Resultate auch fur das Vorhandensein beliebiger elektronenbefreiender Wir- kungen anwendbar bleiben; denn das Produkt aus 8 und der mittleren Dauer des freien Weges gibt ganz allgemein die Zeit- dauer des absorbierten (Trager-) Zustandes an, aus welchem

1) Wir nehmen dabei an, da8 ‘die starke Annsherung von Triiger und Molekiil durch das Ineinandergreifen von deren Kraftfeldern eine auslosende Wirkung ausiibt (Nahewirkung; vgl. Ann. d. Phys. 17. p. 244. 1905), wodurcb das Elektron abgetrennt wird. Wenn das Elektron auSer- dem noch eine Anfangsgeschwindigkeit erhalt (mie wir i m oben folgenden aunehmen), so muB dafiir eine besondere Energiequelle gesucht werden; wir finden dieselbe in den Endresultaten dieser Untersuchung in der thermischen Energie (Teil 11).

278

412 P. Lenard.

Grunde auch immer dieser Zustand durch Wiederabtrennung des Elektrons sein Ende findet.

14. Bei dieser Wiederabtrennung des Elektrons , wobei der negative Trager in ein neutrales Molekiil (bzw. Atom) und Gas freie Elektron sich teilt, ist eine gewisse Anfangsgeschwin- djgkeit (v,) des EIektrons anzunehmen, mit welcher es das Atom verla6t. I)

Was diese Bnfangsgeschiuind~~Reiten v1 anlangt, ist ganz allgemein folgendes zu bemerken : Wir nehmen stets jede Richtung der Anfangsgeschwindigkeit u1 als gleich wahrschein- lich an, so da6 v1 ebenso zu den ungeordneten Geschwindig- keiten zahlt, wie die molekularen Geschwindigkeiten auch. I)er ungeordneten Geschwindigkeit der Elektronen ist ihre ge- ordnete Geschwindigkeit in Feldrichtung, die ,,Peldgeschwindig- Keit", wie wir sie kurz nennen wollen, superponiert (wie be- reits 1900 1. c. angenommen). Der Mittelwert dieser Feld- geschwindigkeiten, uber eine beobachtbare Strecke genommen, ist die gesuchte Wanderungsgeschwindigkeit.

15. Es ist nun wichtig, hervorzuheben, daB eine der Feld- starke proportionale Wanderungsgeschwindigkeit (Giiltigkeit des Ohmschen Gesetzes, wie sie bei kleinen Feldern in Gasen von atmospharischem Druck stets ebenso wie in Metallen beob- achtet wurde) nur dann resultiert, wenn die ungeordnete Ge- schwindigkeit groS ist gegenuber der ihr superponierten Feld- geschwindigkeit. Dies gilt auch fur Elektrizitatstrager ganz beliebiger Masse. Die Richtigkeit der Behauptung ergibt sich aus der (bereits 1900 1. c. p. 312, 313 enthaltenen) Uber- legung, da6 die beobachtbare Wanderungsgeschwindigkeit stets ein bestimmter, durch die Verluste an Feldgeschwindigkeit bei den ZusammenstoSen gegebener Bruchteil derjenigen ge- ordneten Endgeschwindigkeit ist, welche die Trager unter dem Einflusse des elektrischen Feldes innerhalb ihrer freien Weg- lange erhalten. Dieser Verlust an geordneter Qeschwindigkeit hei den ZusammenstoBen ist unabhangig von der Peldstarke;

1) Diese Anfmgageschaindigkeit 6011, aie nuch alle ubrigen Ge- schwindigkeiten, stets absolut (d. h. relativ zur ruhenden Gesamtmasse des Gases) verstanden werden, nicht etwa relatir eum bewegten Gas- molekul, von melchem das Freiwerden stattgefunden hat.

~~ektr i z i tu ts le i t~ iny durch freie Elektronen und Trayer, I. 41 3

es mu8 also bereits die Endgeschwindigkeit in der freien Weg- ]Singe proportional der Feldstarke ausfallen , wenn das 0 h m - sche Gesetz gelten soll. Diese Bedingung kann aber nur dann erfullt sein, wenn das Feld auf jeder freien Weglange eine konstante, von der GroBe des Feldes unabhangige Zeit lang beschleunigend wirkt. Die Konstanz der mittleren freien Weg- lanye genugt nicht; es muB auch die mittlere Geschwindig- keit, mit welcher die freie Weglange durchlaufen wird, kon- stant (unabhangig vom Feld) sein, und dies ist eben nur dann der Fall, wenn eine genagend groBe ungeordnete Geschwindig- keit vorhanden ist, gegeniiber welcher die hinzukommende, ge- ordnete Komponente verschwindet, wie behauptet wurde.

Das genannte Verhaltnis zwischen geordneter und un- geordneter Geschwindigkeit hat den Wert e PL, M, Tyt2, ist also unabhhgig vom Molekulargewicht und von der Tem- peratur des Gases bei konstantem Druck’); es betragt fur P= 100Volt/cm 0,07. Man sieht daraus, daB die Wande- rungsgeschwindigkeit gastheoretisch bewegter Trager bei atmo- sphlirischem Druck erst bei noch groBeren Feldern nicht mehr angenahert dem Feld proportional (sondern langsamer als dieses steigend) zu erwarten ware. Bei vermindertem Druck mussen die Abweichungen. schon bei kleineren Feldern merklich werden.

Untere Grenre fur die Elektronenyeschwindigkeiten. - Handelt es sich um die Wanderung freier Elektronen und haben dieselben gastheoretische Geschwindigkeit, so andert sich i m vorbetrachteten Verhaltnisse nur die freie Wegrange, die den Faktor 4 15 erhlilt, so daB das Verhaltnis fur P- 100 Voltlcm 0,49 wird, was die Moglichkeit merklichen Auftretens der Ab- weichungen vom Ohm schen Gesetz verstarkt. Haben die Elek- tronen a,-fach gastheoretiuche Geschwindigkeit , so tritt der Faktor l]a,a zum Verhaltnis; es wurde dam bei al = + das Verhaltnis schon bei 10 Volt/cm 0,16 werden.a) Es ist hier-

1) Abgeseben von der relativ geringen Abhiingigkeit des Molekiil- radius von der Temperatur.

2) In den festen Metallen i& daa betrachtete VerhLLlnis in dem- selben M d e als sehr klein, das Ohmeche Gesetr also als gultig zu er- warten, aia die freien Wegliingen der Elektronen bei der dichten Lage- rung der Atome klein angenommen werden kgnnen, was hei gewohn- licher Temperatnr wohl zutrifft. Bei sinkender Temperatur ist das Ver-

414 P. Lenard.

nach aus der bcksnnten Giiltigkeit des Ohmsciien Gesetzes fur kleine Felder zu schlieBen, dap sehr riel kleinere als gas- the6reiische tT7eschxindigkeiten der Elektroiten irt. den 6etreffeden Pallen nicht rorltornmen. Die vollstiindige Gleichuiig zur Be- rechnung der Elektronengeschwindigkeit aus gemessenen Ab- weichungen vom Ohmschen Gesetz firidet man im Teil 11.

16. A h odere GTenze f c r die miiglichen Anfangsgeschtmkdiy- keiten ergibt sich 11 Volt aus der Tatsache, daB sekundiire Kathodenstralilung, welche uber 11 Volt I) auftrate und den Charakter der Elektrizitatsleitung d l i g veriiindern xiirde, nicht anzunehmen ist. Diese Grenze von 11 Volt bedeutet (vgl. Tab. I) bei Zimmertemperatur a, < 18, bei der Temperatur der Bunsenflamme al < 6,2. Es ist bei dem geringen Leit- vermogen der metallfreien Bunsenflamme mindestens sehr un- wahrscheinlich, dab Sekundiirstrahlung mitwirkt.

B, b. F r e i e s E l e k t r o n , das ohne alle Reflexionen sofor t absor-

17. Wir betrachten einen Trager von der Masse Nt, der durch Absorption eines Elektrons von der augenblicklichen Feldgeschwindigkeit u entstanden ist und der zwischen Mole- kiilen von der Masse .&? und der Molekulargeschwindigkeit W wandert, 6 freie Weglangen L, lang. Es werde die mittlere Wanderungsgeschwindigkeit o, (u) des Tragers gesucht. 2,

biert wird und als Triiger wei terwandert .

hliltnis steigend zu crwarten; denn der Nenner nimmt ab, wahrend Ab- nahme der freien Wrgliinge durchaus nicht anzunehrnen ist. Im Gegen- teil , diese freien Wegliingen scheinen in tiefsten Tempersturen euorrn groB zii sein (vgl. H. K a m e r l i n g h - O n n e s , Leiden Comm. Nr. 119B. 1911 und Teil 111 des Vorliegenden), und hiernach ware die Gultigkeits- grenze dee Ohm schen Gesetzes in festen Metallen bei tiefen Temperature11 als sehr eng zu erwarten.

1) Vgl. P. L e n a r d , Ann. d. Pbys. 8. p. 1SZff. 1902. 2) Das Besondere des Problemes ist: 1. daE der betrachtete Triiger

seine Wanderung bereits mit einer (vorgegebenen) Geschwindigkeit in Feldrichtung heginnt (welche im gegebenen Falle von der Fcldgrschwin- digkeit u des Elektrons stammt) und 2. daS wir die mittlere Wande- rungsgeschwindigkeit wrihrend einer endlichen Zahl 5 von freien Wcg- lfogen suchen. Diese Bedingungen sind der Verwendung im weiter folgenden (B, c) angepalt. Die Resultate dee vorliegenden Falles B, b wiiren natiirlich auch fur die Wanderung positiver Triiger benutzbar.

~iektriritalslr.itung d u d f i e i e Elektronen m d Trager, I. 415

Die Absorption des urspriinglich freien Elektrons durcli ein Molekiil betreffend, ist zu bemerken, dnB jede Zeit langs tler freien Weglange eines Molekuls gleich wahrscheinlich ist fur das Stattfinden solcher Absorption, dal3 also die mittlere Zeit fur den Beginn des absorbierten ZustandeJ auf die Mitte der freien Wegliinge I;, zu setzen ist. (Hierdurch erscheint der Faktor 4- in den ersten Zeilen der Zusammenstellung auf folgender Seite).

Der durch die Absorption gebildete Triiger nimmt dann zu den verschiedenen Zeiten seiner Wanderung folgende Feld- geschwindigkeiten an, indem sich seine geordnete (Feld-) Be- wegung ergibt:' 1. aus dem anfanglichen StoSe in Feldrichtung, welchen er bei seiner Bildung erhielt, 2. aus den gleichfiirmigen Ueldbeschleunigungen wahrend der freien Weglangen und 3. aus den augenblicklichen Anderungen seiner Feldgeschwindigkeiten bei den ZusammenstiiBen, wofiir die Massenverhaltnisse ma& gebend sind (vgl. 1. c. 1900 p. 312).

(Vgl. hier die Zusammenstellung auf folgender Seite.) Hieraus ergibt sich durch einfache Reihensummierung zu-

nachst leicht die augenblickliche Feldgeschwindigkeit kurz nach dem Eteu ZusammenstoB (g > 0):

ferner ergibt sich die gesuchte, uber die Gesamtzeit genommene mittlere Wanderungsgeschwindigkeit cot (u) als Quotient aus Gesamtweg und Gesamtzeit, wobei ersterer die Summe aller Produkte aus den auf f. S. verzeichneten mittleren Feldgeschwin- digkeiten und deren Dauern, letztere die Summe aller Dauern ist,

2 w (u)= ~ .--, 8 31-6-1

was mit Benutzung von Gleichung (3) wird (&> 0):

Feldgeschwindigkeiten

des Triigers zu den verschiedenen

Zeiten

Augenblickliche G

eschwindigkeit

I m

1 i 2

1.-

Bildung des T

ragers (M

itte seiner eraten freien Weglange)

1 M

t

Daueru

dieser

Kurz vor dern ersten Zusam

menstoS

(am E

nde der ereten freien Wegllnge)

d

Kurz vor dem

dritten Zusamm

emtoB

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nde der dritten freien Weglange)

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egliinge) 1 [. *

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I

Kurz vor dem

zweiten Zusam

menstoS

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eiten Zusamm

enstoS (A

nfang der dritten freien Weglange)

wahrend der ersten (halben) freien

Wegliinge I

wiihrend dcr zw

eiten freien Weglange

I 1

eFL

; 2 M

; IVt c1 (u) + -

- = vs I

wahrcnd dcr drittcn freien W

egllngc

Lt w, I

Elektrizitailsleituny durcli f reze Eiektronen und TrGger. I. 117

18. Das erste Glied in w , (u) (Gleichung 17 a)) , welches den Anteil der vom Elektron ’aus dem freien Zustande mit- gebrachten E’eldgeschwindigkeit u an der Wanderungsgeschwin- digkeit darstellt, ist stets kleiner als das zweite, das vom ab- sorbierten Zustand kommt. I) Selbst im ungiinstigsten Fall, ij = 1, ist in gewohnlichen Gasen das GroBenverhaltnis der beiden Glieder 1 : 10, falls u bei gastheoretischer Geschwindig- keit des Elektrons innerhalb einer freien Weglange im Felde erworben war. 1st t einigerma6en gro8, so ist das erste Glied ganz zu vernachlassigen ; w, (u) wird dann unabhangig von u. Bei = 00 wird w,(u) = @a&,, wie es sein mu6. Fur 6 = 0 (Fall, der nichts Neues bedeutet) sind die Gleichungen (1 7), (1 7 a) nicht eingerichtet.

19. Man bemerkt auch (vgl. das negative Vorzeichen des letzten Gliedes in der eckigen Klammer der Gleichung (17a)). da0 die Wanderungsgeschwindigkeit w, (u) bei beschrankter Zahl t von freien Weglangen des Tragers stets kleiner ist als die Wanderungsgeschwindigkeit w&,s. im stationaren Zu- stand ( E =m). Es hat dies seinen Grund in der mit $ asym- ptotisch wachsenden AufhiCufung von Feldgeschwindigkeit des Trlgers.

R, c. Abwechselnd freiee und absorbiertes Elektron, jedoch mit

20. Wir betrachten ein freies Elektron, das (da es nicht reflektiert werden soll) schon beim ersten Zusammentreffen mit einem Molekiil absorbiert wird, und also in einen negativen Triiger iibergeht; derselbe wandere als solcher freie Weg- langen lang, worauf er (bei seinem gten Zusammensto6 mit anderen Molekulen) das Elektron wieder frei lasse, womit der Zyklus von neuem beginnt. Dieser Zyklus wiederhole sich q mal. Nach seinem ljrten Wiederfreiwerden treffe das Elektron auf einen positiven Trlger, von welchem es absorbiert werde und wodurch sein wanderungsfahiger Zustand aufhort. Es

AusschluB von Reflexionen im freien Zustande.

1) DaS uberhaupt ein Rest von der ursprunglichen Feldgeschwin- digkrit des Elektrons nach der Absorption noch merklich bleibt, kommt von der relativen Kleinheit der Feldgeschwindigkeiten des absorbierten Zustandes.

418 P. Lenurd.

werde die mittlere Wanderungsgeschwindigkeit wiihrend des gmzen wanderungsfahigen Zustandes berechnet.

Dieser ziemlich allgemeine Fall wiirde der allgemeinste mogliche Fall dann sein, wenn Reflexion der Elektronen an blolekulen (Atomen) iiberhaupt niernals vorkame. Es ist dies gewisserma6en das Gegenstiick zu den oben letracliteten Fallen (A, b nnd A, c) ausschlie6lich und dauernd stattfindender Re- flexionen; doch beruhrt sich der gegenwartige Fall auch mit diesen Gegenfallen insofern, als 1 = 0 (mit 4 = a), stets so- fortiges Wiederfreiwerden des Elektrons (ohne jedes Zusammen- treffen des negativen Tragers rnit anderen blolekulen) also im Effekt dasselbe wie dauernde Reflexion bedeutet (vgl. 10). Such der Fall tlauernd absorbierter Elektronen (gemohnliclier Trager, A, a) ist mit umfaBt; er tritt ein, wenn = CO ( u ~ d q = cc) wird.

21. Wir nennen die (ungeordnete) Anfangsgeschwindig- keit, welche das Elektron am Anfange der zu betrachtenden Zeit hat, vl’ (es kann dies die Anfangsgeschwindigkeit bei seiner Abtrennung von einem neutralen Atom sein, oder aber auch die Geschwindigkeit, weiche es anderweitig, z. B. als ur- spriinglicher Kathodenstrahl, ,B-Strahl, 8-Strahl und dgl. hat, die jedoch stets unter 11 Volt gedacht sei); die Anfangs- geschwindigkeit bei seinen Abtrennungen Tom absorbierten Zustand (von den Atomen, die es zu negativen Tragern ge- macht hat) sei vl.

Es kommen dann wahrend des Ablaufs der q Perioden die auf der folgenden Seite verzeichneten Reihen von Feld- geschwindigkeiten vor (vgl. 17).

22. Die gesuchte, iiber die Gesamtzeit genommene mitt- lere Wanderungsgeschwindigkeit w, 811 ergibt sich als Quotient aus Gesamtweg und Gesamtzeit, wie in 17. J3s ist also, bei Einsetzung von L, = 4155 (6 > 0):

Die beiden hierin trorkommenden Summen, deren Glieder rot (u,) und cb (u,) in Gleichung (17a) bzw. (17) sich finden -

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I

420 P. Lenard.

worin hier 4 = M und also p = + zu setzen ist -, sind nach den in der obigen Zusammenstellung enthaltenen Qleichungen fur die u,, berechenbar; es ergibt sich, wie stets unter der vollig unbedeutenden Vernachlassigung von m neben M :

23. Setzt man q = 00, so erhalt man die stationare, ge- wohnlich beobachtete Wanderungsgeschwindigkeit , und diese wird in Wirklichkeit auch schon bei sehr kurzen Wanderungsbahnen eintreten, denn in dem Busdruck von mla, , , welcher aus Glei- chung (22) nach Einsetzung der beiden Summen resultiert, sind die von freien Glieder von keiner hoheren GroBenord- nung als die mit q behafteten Glieder, ausgepomrnen, wenn vl' verschwindend klein ware gegen vl, welchen Fall wir aber hier nicht weiter verfolgen. Diese stationare Wanderungsgesehwin- digkeit ist, wieder mit der unbedeutenden Vernachlassigung von m gegen M und mit Benutzung von GIeichung (4), sowie nach Einfiihrung des gastheoretischen MaBes a1 fur die h n - fangsgeschwindigkeit v1 (vgl. 1 ) (6 > 0) :

(23) w1; =

Xlektrizitatsleitung durch freie hvektronen und Trager, 1; 42 1

24. Eine angenaherte Vereinfachung ergibt sich fiir den Fall, daB die Anfangsgeschwindigkeit v1 der Elektronen nicht klein ist; al 1 (innerhalb der in 16. gegebenen oberen Grenze). Man hat d a m

mit urn so weniger Verlust an Genauigkeit, j e groBer 6 und Al sind. Bei g = 1, Stickstoff und al = 1 gibt die Gleichung noch urn ca. 6 Proz. zu groBe cult (gegenuber Gleichung (23)); bei wesentlich schwereren Gasen, sowie bei allen Gasen uberhaupt, wenn > 4, ist die Abweichung vie1 kleiner:

Spezialf alle: 25. Fur den Fall g = 0 (dauernd freie Elektronen) sind

die Gleichungen (23), (24) nicht eingerichtet; der Fall ist be- reits in A, c erledigt.

Fur den Fall = 00 (dauernd absorbierte Elekt,ronen) wird nach Gleichung (23) oder (24) mlm = coabs., wie es sein muB.

26. Besonders hervorgehoben sei der Fall, daB das ab- sorbierte Elektron jedesmal bereits beim ersten ZusammenstoB des Tragers mit einem Molekiil frei wird, so da6 das Elektron abwechselnd j e eine freie Weglange im freien Zustande und j e eine (halbe, vgl. 17) im absorbierten Zustande zuriicklegt. Es ist dann in der Gleichung (23) 6 = 1 zu setzen, und es wird

1 12 -. .-

oder angenahert, wie oben unter 24.,

(26 a)

Die Wanderungsgeschwindigkeit muB also durch alter- nierendes Freiwerden des Elektrons durchaus nicht stets ver- groBert werden, sondern es tritt dies nur dann ein, wenn al < 6, l ist; ist 4 > 5,1, d. i. die Anfangegeschwindigkeit des Freiwerdens, groBer als 5,l fach gastheoretisch, SO wird die Wanderungsgeschwindigkeit durch Freiwerden verkleinert; bei sehr gro6em aI konnte sie bis auf lie zuriickgehen. ES wird

422 P. Lenard.

19000 1100 410 270 110 60 55

in diesen Fallen der Gewinn an Wanderungsgeschwindigkeit, welcher durch das Freiwerden eintritt, uberkompensiert durch den damit verbundenen Verlust von Aufhiiufung der Feld- geschwindigkeit.

27. Ebenso ist angenahert

9400 300 125 94 - - 55

Beispiel: Bunsenflamme. - 28. Die folgende Zusammen- stellung (Tab. 11) enthalt die nach Gleichung (23) berechneten Werte der Wanderungsgeschwindigkeiten , in --:$/:$, von zeitweilig freien, aber stets sofort (ohne jede vorherige Reflexion) wieder absorbierte Elektronen in der Bunsenflamme. l) I)as Wiederfreiwerden aus dem absorbierten Zustande erfolgt nach

freien Weglangen des Tragers ; die Anfangsgeschwindigkeit des Elektrons ist dabei a,-fach gastheoretisch. 2,

T a b e l l e 11. colt; Fall 13, c (und A, c) fiir die Bunsenflamme.

t = 0 1 2 3 10 100 co

38000 4200 1500 960 - - 55

1 1 2 10

1900 21 32 37 - - 55

20

39. Man iibersieht aus diesem Beispiele den Haupt. charakter der Erscheinungen, welche unsere bisherigen Formeln voraussagen: GroBe Wanderungsgeschwindigkeiten kommen i n erster Linie bei Reflexionen bzw. bei stets sofortigem (spon-

1) Die erste Zeile (5 = 0) war naeh Gleichung (9) zu berechnen. Die benubten numerischen Dtiten fur die Bunsenflamme vgl. in Teil 11, wo dieser Fall von noch allgemeinerem Gesichtspunkte aus betrachtet wid .

2) Die in der Tabelle sngenommenen Werte von a, halten sicli un- gefghr innerhelb der nach 15. und 16. mogliehen Grenzen.

Elektrizitatsleituny durch freie Elektronen und Trager, I. 423

tanen) Wiederfreiwerden der sbsorbierten Elektronen zustande (6 = 0) , und zwar besonders dann, wenn die Elektronen- geschwindigkeit ( u ~ ) klein ist. Sobald Absorption von endlicher Dauer eintritt (6 > O), sinkt die Wanderungsgeschwindigkeit bedeutend herab, auf l/lo oder 1/1,,,,, selbst wenn der absorbierte CFriiger-)Zustand nur eine (halbe) freie Weglaoge lang dauert (l = 1). Mit wnchsender Dauer (6) des absorbierten Zustandes nahert sich in jedem Falle die Wanderungsgeschwindigkeit demjenigen Grenzwert; welcher dauerndem TrHgerzustand ent- spricht (6 = 00; letzte Zeile der Tabelle). Man bemerkt auch, daB die Wanderungsgeschwindigkeit bei intermittierender Ab- sorption sowohl groder als auch kleiner sein kann, als im dauernd absorbierten Zustande des Elektrons, je nach dem Werte von a, (vgl. 26.).

30. Speziell die BunsenfEainme betreffend zeigt die Tabelle, da8 q C in zweierlei Weise denjenigen Wert (ca. 1600) an- nelimen kann, welcher nach den Messungen von Hrn. Moreau der Wirklichkeit entspricht. Der eine Fall (a1 = 12, 6 = 0; dauernd freie Elektronen von ca. 12 fach gastheoretischer Ge- schwindigkeit) wurde bereits oben betrachtet (12.) und nach gegenwartiger Kenntnis fur unwahrscheinlich gefunden. Der ziveite Fall (bei a, < 1 , = 1 bis 2) bedeutet Freiwerden des Elektrons beim ersten biu zweiten ZusammenstoB des Tragers, mit einer Geschwindigkeit, die etwas unterhalb der gastheore- tischen liegt (lctztere = 0,261 Volt nach Tab. I). Dies wider- spricht keiner Erfahrung. Es ist also eine mii9liche ErRlarui~~y cler beobaciiteten gropen ii~afiderungs~jesc~toindiykeit der negatiurn Trager in Flarnmen yefunden, und zzcar unter der Annafime so- f brtiger Absorption jedes f i.eien Elektrons i n der Flamme, das aiif ein Gusmolekiil trifft, also ohne alle Regexionen. Ob die liierbei uber a, gemachte Annahme der Wirklichkeit entspricht, kijnnte durch Untersuchung der Giiltigkeitsgrenze des Ohm - schen Gesetzes ermittelt werden (vgl. Teil 11). Zeigte sich z. B. in dieser Weise, da8 a, > 1, so ware das Statthaben des eberi betrachteten Falles ausgeschlossen ; es ware dann gezeigt, daB die beobachtete groBe Wanderungsgeschwindigkeit in Flammen nur durch Reflexionen oder ahnliche, zu sehr schneller Wieder- befreiung der Elektronen fuhrende Vorgange (vgl. lo., 13.) zu- stnnde kommen k6nne.

421 P. Lenard.

C. Iteflebrtierte Elektroneu.

Fur jeden Fall betrachten wir im nun folgenden das Statt- haben von Reflexion eines i m elektrischen Felde wandernden Elektrons, und zunachst (C, a) den Vorgang der Elektronen- reflexion iiberhaupt.

C, a. ffber Reflexion von Kathodenstrahlen.

31. Die Snnahme, welche wir durchfuhren wollen, da8 ein Elektron beim Auftreffen auf ein MoIekul (Atom) von dem- selben reflektiert werden konne, mii6te sich durch Beobach- tungen an Kathodenstrahlen rechtfertigen lassen.

In der Tat ist ,,Reflexion" von Kathodenstrahlen eine viel beobachtete Erscheinung; dennoch aber ist sie bisher wenig nufgeklart worden. Alle Untersuchungen hieriiber bis 1904, und auch mehrere spatere, leiden an der Verwechslung und Vermischung von Reflexion mit sekundarer Kathodenstrahlung des Reflektors (worauf ich bereits Ann. d. Phys. 15. p. 508. 1904 aufmerksam gemacht habe). Diese sekundare Strahlung kommt zur auftreffenden primaren neu hinzu, urid sie ist (wie 1. c. ge- zeigt) stets viel langsamer als die primare. Letzterer Umstand macht es moglich, die beiden Strahlungen - reflektierte pri- mare und sekundare - in reinen Versuchen voneinander zu trennen. Die meisten Beobachtungen iiber Reflexion von Kathodenstrahlen sind aber im gewohnlichen Entladungsrohr ausgefuhrt, wo stets ungewollte elektrische Kriifte mitwirken. Wie leicht unter diesen Umstanden die langsame Sekundgr- strahlung in unvermuteter Weise so beschleunigt wird, da6 sie refiektierte Strnhlung vortiiuschen kann, zeigten bereits die Versuche der Herren Aus t in und S ta rke l ) , in welchen sekun- dare Kathodenstrahlung zwar zuerst (als von reflektierter Strahlung verschieden) erkannt, aber fiir sehr schnell (und vom primaren Einfallswinkel in ihrer Menge stark abhangig) ge- halten worden war, was beides nicht zutrifft, wie ich (1. c.) ge- zeigt habe. Ich glaube daher, da6 man, urn zu Klarheit in der Frage der Reflexion von Kathodenstrahlen zu kommen, alle ohne AusschluB fremder Kriifte angestellten Versuche

1) L. A u s t i n u. H. Star l ie , Ann. d. Phys. 9. p. 271. 1902.

EleRtrizitEtsleitung durch freie Elektronen und Trager, I. 425

(also fast alle daruber veroffentlichten Versuche iiberhaupt) als unrein verwerfen mqB. l)

1) Auch neuere Untersuchungen uber lichtelektrische Eathoden- strahlen scheinen noch unter diesem Mange1 des Mitwirkens ungewollter Krafte zu leiden. Meist riihren diese Krafte von elektrischen Wellen der Induktorentladungen (zur Erzeugung des ultravioletten Lichtes) her, die sehr schwer abzuschirmen sind. Ich habe mich davon bei Gelegenheit der eraten ausfiihrlichen Untersuchungen uber die lichtelektrische Wirkung uberzeugt (Wiener Ber. 1899; Ann. d. Phys. 8. p. 149. 1902). Wo dort Funken ale Quelle des ultravioletten Lichtes benutzt wurden, erhielt ich durchaus nicht ohne weiteres die (1. c. 1902, p. 167 ff.) angegebene, geringe und konstante Anfangsgeschwindigkeit der lichtelektrischen Ka- thodenstrahlen, sondern meist groBe und sehr variable Geschwindigkeiten (ganz wie dies neuerdings von Hrn. M i l l i k a n beschrieben wurde, Verh. d. Deutsch. Physik. Ges. 14. p. 712. 1912); erst bei vijlligem MetalleinschluS des ganzen MeSsystems (inkl. Elektrometer, Hilfsbatterien usw.) erfolgten die konstanten Resultate (was besonders anzugeben mir damals uberfliissig erschien, da ich glaubte, daB jedem Physiker das Verhalten von elektrischen Wellen gegenwiirtig sei). Ich stimme daher Hrn. M i l l i k a n vollkommen zu, wenn er die Frage offen liiBt, ob nicht auch die von ihm beobachteten abnor- men Beschwindigkeitswerte stijrenden Wellenkriiften zuzuschreiben seien.

Erwiihnt sei hier auch, daB fast alle bisherigen neueren Unter- suchungen iiher die Anfangsgescbwindigkeiten lichtelektrisch ausgelSster Quanten die Krafte der Kontaktpotentiale im MeSsystem vernachlfissigt baben; solche Kriifte sind aber meist, auch bei Renutzung scheinbar ein- heitlichen Wandmaterials vorhanden - vgl. Ann. d. Pbys. 8. p. 178. 1902 - und es kdnnen dazu such noch Krafte von polarisierenden Doppelschichten kommen. Es scheinen mir danach die mekten neueren Messungen iiber die lichtelektrischen Anfangsgeschwindigkeiten einen teilweisen Ruckschritt zu bedeuten gegeniiber meinen ersten Messungen (1. c. 1902), bei welchen die fremden Krafte vermittelst Aufsuchung des Knickpunktes der Mengenspaunungskurve eliminiert waren. Einen deut- lichen Fortschritt kann ich auch dort nicht sehen, wo Fehlerquellen zwar beriicksichtigt, die Resultate aber nicht neu sind; z. B. C o m p t o n , Phil. Mag. Apr. 1912. Dessen Hauptresultat 1, p. 593, vgl. 1. c. 1902; Haupt- resultat 2 vgl. bei A. K l a g e s , Ann. d. Phys. 31. p. 343. 1910.) Man hat, statt den Knickpunkt weiter bei verfeinerten Messungen zu benutzen, versucht, ihn starenden Reflexionen zuzuschreiben, was aher nicbt zu- trifft. RuS, welcher in meinen Versuehen stets die Gegenplatte bildete, reflektiert nach den Resultaten von Hrn. G e h r t s kaum. Eingehende Versuche, welche Hr. C. R a m s a u e r im hiesigen Radiologischen Institut durchgefuhrt hat, um die wichtige Frage nach den lichtelektrischen An- fangsgeschwindigkeiten aus der Verwirrung zu befreien , in welche sie durch allzu viele Publikationen unvollkommen durchgefiihrter Versuche geraten ist, werden hieriiber in demnachst erfolgender ausfiihrlicher Ver- iiffentlichung weitere Auskunft geben.

Anaalen der Physik. IV. Folge. 40. 28

426 P. Lenard.

Hiilt man sich danach nur an reine Versuche (deren Mog- lichkeit schon seit Einfiihrung metallischer, fur Strahlen durch- liissiger Wande vorliegt, 1894), so findet man, dap Erscheinunyen, welche als Refiexion von Xathodenstrahlen gedeutet werden kiinnten, nur selten zur Beobachlung kamen. Ich habe bereits friiher hervorgehoben l), da0 mir bei Versuchen sowohl an schnellen wie an mittelschnellen Kathodenstrahlen (1/3 Lichtgeschwindig- keit bzw. 1000-4000 Volt) niemals Reflexion von solcher Starke aufgefallen ist, wie sie gewohnlich angegeben wird, und da0 ich nach der ebenfalls hiiufig beschriebenen regelma0igen Reflexion im zusammenbleibenden Strahlenbiindel (bei mittelschnellen Strahlen) vergeblich gesucht habe. La6t man danach die ge- wohnliche Annahme des Statthabens starker Reflexion bei den mittelschnellen Kathodenstrshlen fallen, so wird die Berech- tigung der Annahme von Reflexion der Kathodenstrahlen uber- haupt zweifelhaft. Nur zwei Versuchsgruppen sind mir be- kannt, in welchen diese Annahme eine Stiitze findet, namlich an sehr xchnellen Strahlen (ca. Lichtgeschwindigkeit) die Ver- suche von Hrn. A. Becker2) , und an ganz langsamen Strahlen (wenige Volt) die Versuche der Herren 0. v. B a e y e r und A. G e h r t ~ . ~ )

32. Wir fiihren zur Diskussion dieser Versuche die Unter- scheidung ein zwischen ,,ee?tter" und ,,unechter Reflexion". Echte Reflexion liege vor, wenn das Elektron an der Ober- fliiche eines Atoms Richtungsanderungen seiner Bahn von solcher Art erleidet, wie sie beim StoBe elastischer Kugeln vorkommen ; unechte Reflexion bedeute eine Zuriickwerfung von Elektronen auf anderen Wegen, z. B. infolge von Ab- sorption und nachheriger Wiederausstrahlung (vermittelst Ein- wirkung von Nachbaratomen), oder infolge von Diffusion (starke Bahnkrummung bei Durchquerung einer ganzen Reihe von Atomen). Wesentlich is t, da0 echte Reflexion durch ein einzelnes Atom bewirkt werden kann, daO sie also eine vom Aggregat- zustande unabhangige Erscheinung ware, wie es z. B. die Ab-

1) P. Lenard, Ann. d. Phys. 16. p.496 u. 504. 1904. Vgl. auch den fiir den unbefangenen Beobachter wohl unmittelbar Auaschlag geben- den Versuch Wied. Ann. 61. p. 232 (oben). 1834.

2) A . B e c k e r , Ann. d. Phys. 17. p. 431, 447 u. 448. 1305. 3) A. Gehrts , Ann. d. Phys. 36. p. 995. 1911.

Elektrizitatsleitnng durch freie Elektronen und Trager, I. 427

sorption, die Diffusion der Kathodenstrahlen und die sekundare Xathodenstrahlung ist. Unechte Reflexion beruht dagegen auf dem Zusammenwirken mehrerer Atome.

33. In den Qersuchen von Hrn. A. B e c k e r wurden reflektierte und sekundare Strahlung getrennt unter metalli- schem Schutz gemessen. Diese Versuche zeigen, da6 die reflelrtierte Strahlung mindestens zum gro6en Teil nicht von der Oberflache des Reflektors, sondern aus seinen tieferen Schichten kommtl), so da6 man mit Recht nicht von echt reflektierter , sondern von sehr stark diffus gewordener (bei der Durchquerung einer ganzen Rz%e von Atomen schliefilich um weit mehr als 90° abgelenkter) Strahlung sprechen kann. Es kann demnach, soweit die bisherige Kenntnis geht, die Reflexion schneller Kathodenstrahlen ale unecht aufgefaBt werden; sie wiire besser iiberhaupt nicht als Reflexion, sondern als Diffusion zu bezeichnen. An einzelnen Atomen fande da- nach keine Zuruckwerfung so schneller Strahlen statt, was damit ubereinstimmt, da6 dieselben bekanntlich in das Atom eindringen und es durchqueren , wobei die .Richtungsanderung der Bahn (Diffusion) so lange nur sehr gering ist, als es sich um die Durchquerung nur weniger Atome hande1t.q Die Diffusion wachst mit der Dichte des Mediums3), und dies ent- spricht der von Hrn. A. Bec k e r gefundenen starkeren ,,Reflexion" bei dichteren Metallen.

34. Die Versuche von Hrn. A. G e h r t s an langsnmsten Strahlen trennen ebenfalls in gewissem Bereiche reflektierte und sekundare Strahlung. Es zeigt sich besonders unter 11 Volt deutliche Reflexion, die bei weiter abnehmender Strahlen- geschwindigkeit noch starker wird, soweit dies verfolgbar war. Da die auffallenden Strahlen unter 11 Volt uberhaupt nicht

1) Dies zeigte sich bei Gold, daa von Hrn. Becker in sehr vemchieden dicker Schicht als Reflektor untersucht wurde (Milre 1905). Weitere Ver- suche dieser Art von Hm. S. Will iams vgl. Berl. Akad..27. Apr. 1905.

2) P. Lenard, Ann. d. Phys. 12. p. 475. 1903; auch ,,ober Kathoden- strahlen", Leipeig 1906, p. 31.

3) P. Lenard, Wied. Ann. 61. p. 263ff. 1894; 66. p. 265f. 1895. Nachdem so die Diffusion der Kathodenstrahlen schon friih untersucht worden war, ist die oben angenommene Erklilrung der Reflexion als Diffusion schon verschiedentlich geiiuBert worden , ohne daB jedoch die Annahme von Reflexion an einzelnen Atomen verschwunden wrirc.

28*

428 P. Aenard.

durch die Atome dringen, welche sie treffenl), so konnte es sich bei den Versuchen des Hrn. G e h r t s um echte Reflexion handeln, die auch an einzelnen Atomen stattfinden wiirde, und diese Persuche scheinen rnir in der Pat die einzige Stiitze zu sein f u r die Annahme, dap echte Reflexion iiberhaupt vorkomme. Die reflektierten Strahlen zeigten in diesen Versuchen einen bedeutenden Geschwindigkeitsverlust. Dieser miiSte, wenn die Reflexion echt, sein sollte, durch die Wirkung einzelner Atome den Strahlen beigebracht sein, und dies ist moglich; denn ich habe solche groBe Geschwindigkeitsverluste beim nahen Vorbei- gang sehr langsamer Strahlen an einzelnen Atomen beobachtet.2) Wir gehen auf diese Verluste unter C, c noch besonders ein.

35. Tndem wir im folgenden Abschnitt (C, b) die Annahme des Statthabens echter Reflexion durchfuhren, gewinnen wir jedenfalls die Moglichkeit, sie durch Beobachtungen iiber Elek- trizitiitsleitung in Gasen zu prufen (Teil 11)3), wo man es stets

1) Unter 11 Volt ist sehr nahe der volle Atomquerschnitt ah- sorbierender Querschnitt (Ann. d. Phys. 12. p. 714. 1903); iiber 11 Volt beginnt Sekundarstrahlung (Ann. d. Phps. 8. p. 192 ff. 1902>, d. i. Atom- durchquerung (Ann. d. Phps. 12. p. 474f. 1903; nur bei Metallatomen wurde Sekundarstrahlung auch ohne Durchquerung, namlich durch blofles Vorbeigehen schneller Elektronen gefunden, Heidelb. Akad. (A) 5. Abh. p. 37. 1912).

2) P . L e n a r d , Ann. d. Phys. 12. p. 727. 1903. 3) Mit den vorhandenen Ahsorptionsbeohachtungen an Kathoden-

strahlen in Gasen stunde dic Annahme von echter Reflexion nicht im Widerspruch. Die Absorptionsbeohaehtungen eeigten, daB bei geringen Elektronengeschwindigkeiten der ganze Querschnitt dcs Molekiils ab- sorbierender Querschnitt ist, ohne daS allerdings durch diese Beobachtungen unterschieden ware, ob die im Gase zuriickgehaltenen Elektronen samt- lich an Molekiile festgelegt waren, oder ob sie vielleicht Bum Teil, oder gar ausschliefllich , nur ao den Gasmolekiilen reflektiert waren. Beides wiirde dieselbe Vernichtung der geordneten Bewegung der Elektronen, d. i. die Vernichtung (Absorption) des StrahIes im Gase ergeben. Man wiirde im erstsn Fallo von echter Absorption, im zweiten von unechter Absorption reden konuen; doch ist bis zum Nachweis des wirklichen Bestehens echter Reflexion kein Grund vorhanden , diese Unterscheidung einzufuhren; im Gegenteil scheint mir nach der Gesamtheit der Beob- achtungen an Kathodenstrahlen, sowie besonders auch nach den End- resultaten der gegenwlrtigen Untersuchung, die Vorstelluug von dcr Ab- sorption, welche ich gleich anfangs (1895-1903) eingef'iihrt hatte, nur zutreffend (vgl. auch A. R o b i n s o n , Ann. d. Phys. 31. p. 805 ff. 1910), und die Annahme der echten Reflexion zeigt sich als unzutreffcnd.

EIektr izitatsleitung durch freie Elektronen und Trager, I. 429

mit den anderweitig schwer experimentell zu behandelnden, sehr langsam bewegten Elektronen zu tun hat. Es sei hier vorausbemerkt, daB dabei keinerlei Stutze fur das Zutreffen dieser Annahme gewonnen wird, sondern da6 im Gegenteil die bisherigen Beobachtungen nur anzeigen, daB beim Auftreffen eines langsam bewegten Elektrons auf ein Atom sofortige Ab- sorption eintrete; man wird indessen noch weitere Beobach- tungen abwarten durfen , auf die unsere Formeln anwendbar sind. Fur jetzt ist der Anschein vorhanden, daB auch die von Hrn. Ge h r t s beobachtete Reflexion unecht war; wahrschein- lich handelte es sich um Absorption der Elektronen rnit nach- folgender, durch Wirkung der Nachbaratome hervorgebrachter Wiederausstrahlung. Die Geschwindigkeit der wieder aus- gestrahlten Elektronen wiirde nach unseren Endresultaten (Teil 11) nahe gastheoretisch zu erwarten sein, d. h. der augen- blicklichen Temperatur der auBersten Molekiilschicht des Reflek- tors (nach Tab. I) entsprechend; in dieser Auffassung wurde die Ruckstrahlung (unecht reflektierte Strahlung) deshalb langsamer sein mussen als die Einstrahlung, weil ein Teil der eingestrahlten Energie ins Innere des Reflektors wandert. DaB RUB kaum reflektiert, kann sowohl mit seiner lockeren, viel Vertiefungen bietenden Oberflachenbeschaffenheit zusammenhlngen, als auch mit dem wohl vielatomigen Bau seiner Molekule, welche (gleich den mehrmolekularen Tragern) Elektronen viel fester gebunden halten konnen als kleinere Atomgruppen (vgl. Teil 11). Die Abnahme der ,,Reflexion", welche Hr. Ge h r t s bei steigender Strahlgeschwindigkeit fand, wurde durch das tiefere Eindringen der schnelleren Strahlen zu erklaren sein, wobei die verlang- samte Wiederausstrahlung weniger zur Oberflache heraus- zudringen vermag.

C, b. Allgemeinster Fall : Elektron, das abwechselnd im freien reflektierten und im absorbierten Zustande (Triiger-

zustande) wandert.

36. Die Reflexion finde langs g freien Wegliingen, also Q - 1 ma1 statt; alsdann trete Absorption ein und diese bleibe

freie Weglangen des Tragers lang bestehen, worauf das Elektron wieder frei werde, so daB der Zyklus mit p - 1

430 P. Jenard.

Reflexionen von neuem beginnt. Es werde die Wanderungs- geschwindigkeit wet gesucht.

Die Annahme, daB das freie Elektron an p - 1 Gasmole- kulen, die es trifft, reflektiert wird, dann aher am $en Gas- molekiil Absorption erleidet, setzt voraus, daB die vorhandenen Gasmolekiile nicht alle in gleicher Weise auf das Elektron wjrken. Dies kann in Gasgemischen jedenfalls zutreff en. Aber auch bei vollig reinen Gasen erscheint der Fall des Ab- wechselns von Reflexion und Absorption von vornherein nicht ausgeschlossen; denn es konnte z. B. die Stelle des Molekiils (bzw. Atoms), auf welche das Elektron auftrifft, entscheidend dafur sein, ob es reflektiert oder absorbiert wird. Die weiteren Untersuchungen der groBen Wanderungsgeschwindigkeiten nega- tiver Trager in reinen Gasen werden auch hieriiber mit Hilfe der hier entwickelten Formeln AufschluB geben konnen.

Wir bezeichnen im folgenden die Masse der reflektieren- den Molekiile mit M, die der absorbierenden mit Mt; im Spezialfalle reiner Gase ware A1 = M, zu setzen.

37. Was die GroBe der ungeordneten Geschwindigkeiten der Elektronen anlangt, so kann man im allgemeinen nicht annehmen, daB sie bei den Reflexionen ungeandert bleibe. 1st also v1 die ungeordnete Geschwindigkeit , mit welcher das Elektron frei wird, so gilt diese nur fur die erste freie Weg- liinge, fur die cite freie Weglange gilt eine andere Geschwindig- keit up. Das Elektron wird also jedenfalls langs der g freien Wege im Felde so wandern, als hatte es eine gewisse mittlere ungeordnete Geschwindigkeit konstant beibehalten. Diese letztere bezeichnen wir mit vle = a -fach gastheoretisch, fuhren sie in die Rechnung ein und ermitteln sie spater gesondert (C, c).

38. Die Wanderungsgeschwindigkeit im betrachteten Falle berechnet sich aus den bereits gefundenen Wanderungs- geschwindigkeiten im freien und im absorbierten Zustande. Fur den freien Zustand gilt mfrei,v,, nach Gleichung (9)l);

1) Hierbei ist die vom vorhergehenden absorbierten Zustand stam- mende Feldgeschwindigkeit vernachlassigt. Sie ware durch Hinzufiigung von cp (2 cofrei,v,) L q / q zum Zahler von 38. oder (im Falle &?=Aft) durch direkten Ausgang von w l E zu beriicksichtigen; doch unterlaasen wir dies, da hierdurch eine nennenswerte und nur kleine Abweichung nur hei e = 1 entsteht, und da fur diesen Fall bereits die ohne diese Vernach- liissigung entwickelte Gleichung (23) vorliegt.

1 e.

Elektrizitatsleitung durch freie Elektronen und Trager, I. 43 1

dieser Zustand dauert 0 freie Weglangen Lq lang, also durch die Zeit eAq /v Ie . Fur den absorbierten Zustand gilt die Wanderungsgeschwindigkeit w E (u), Gleichung (1 7 a), worin u die Feldgeschwindigkeit des Elektrons im Augenblicke vor seiner Absorption, = 2.wfrei, eQ zu setzen ist (vgl. Gleichung(9)); die Dauer dieses Zustmdes ist die Dauer von 6 freien Weg- langen J t , von welchen die erste nur halb zu rechnen ist (vgl. 17.), also die Zeit (6-+)Lt /q .

Die mitt2ere Wanderungsgeschwindigkeit wahrend der Qe- samtzeit ergibt sich also als

oder nach den Gleichungen fur die freien Weglangen und fur die ungeordneten Geschwindigkeiten (vgl. l.), sowie Gleichung (9):

(38 a)

39. &ne sehr brauchbare Annaherung ergibt sich, wenn man in w E das erste Glied vernachlassigt (vgl. 18.).l) Es ist d a m , mit: einem Fehler , welcher nur in den ungiinstigsten Fallen (Q und beide nicht groBer als 1 und zugleich vul nahe seiner oberen Grenze von 11 Volt) ganze Prozente er- reicht: (39) w e t =

1) Diese Vernachlsissigung fsillt, gleich der in 38. bereits eingefuhrten, am meisten ins Gewicht bei 4 = 1; sie betragt dann das dreifache von jener, ohne doch ,beim jetaigen Stand der Experimentalunterauchungen von Belang zu sein. obrigens liegt fur q = 1 die ohne Vernachltissigung entwickelte Gleichung (23) VOY.

432 P. Jenard.

mfrei, gas&. bedeutet hierin sinngemaB die Wanderungsgeschwin- digkeit freier, gastheoretisch bewegter Elektronen im Gase, wenn alle seine Molekiile reflektierend gedacht sind (nach Gleichung (7)), wabs. die Wanderungsgeschwindigkeit der absor- bierenden Molekule (als Triiger) im Gasgemisch, wie es ist (Gleichung (3)).

Spezialf alle: 40. Kann oder sol1 das Gas als einheitlich behandelt

werden, so ist fur M= ;nl ein mittleres Molekulargewicht ein- zusetzen, wobei p = Q wird; zugleich wird dann der Radius r der reflektierenden Molekiile gleich dem der absorbierenden Molekiile (Trager), 'also s = 2 T . ') Dies ergibt:

.- 1 191 1

Y i "I/-;- 1- (F - a) 41/2 1

e oder mit Gleichung (7 a):

Fur die Anwendung der Gleichung (40) (Teil 11) ist die Be- merkung nutzlich, daB die eckige Klammer sich von E - + durch einen Faktor unterscheidet, welcher fur alle Werte von 1 (1 bis m) nur von bis 1 sich bewegt, ohne diese Grenzen jemals zu uberschreiten.

41. Setzt man 8 = 1 bei M= M, (nur eine freie Weg- lange des freien Elektrons, also gar keine Reflexion, in ein- heitlichem Gas), so geht wee der Gleichung (38a) nach Um-

1) Diese Gleichheit der Radien der verschiedenen Molekiile ist fiir manche Gasgemische (z. B. aus N,, €la, Ar) sehr nahe vorhanden. Den- noch wiirden die Gleichungen (40), (40al Fir diese Gemische, ja auch fur reine Gase unbrauchbar (und durch Gleichung (39) zu ersetzen) sein, falls die absorbierten Elektronen sogleich Molekularkomplexe bildeten. Diese Komplexbildung ist jedoch sehr wahrscheinlich als ausgeschlossen zu betrachten, sobald iiberbaupt Wiederfreiwerden des Elektrons voraus- gesetzt wird; denn solche Komplexe lassen das Elektron, einmal gebildet, nur sehr schwer wieder frei (vgl. Teil 11).

Elek trizitatsleitung dwch freie Elektronen und Trayer, 1. 433

formung sehr angenahert in m I E iiber (Gleichung (23)). Der Ubergang kann nur angenahert sein wegen der in 38. ein- gefiihrten Vernachlassigung.

42. 1st Q = 0 (vollstandiges Fehlen des freien Zustandes), so wird c i e t = m e (=m,ba., bei 6 =m), wie es sein mu8. 1st Q = m (dauernd freier Zustand), so wird met = wfrei, (Glei- chung (9)), ebenfalls wie es sein muB.

C, c. aber aeschwindigkeitsiinderungen langsam bewegter

43. Anderung der ungeordneten Qeschwindigkeit der freien Elektronen bei Reflexion von Molekulen ware schon nach der einfachsten, gegenwartig gewiihnlichen Annahme zu erwarten, daB namlich bei der Reflexion eine ahnliche Energie- umsetzung stattfinde, wie beim vollkommen elastischen StoB, wonach die Summe der kinetischen Schwerpunktsenergien von Molekiil und Elektron bei der Reflexion ungeandert bliebe. Es gelten dann die von Maxwell fur die StiiBe der Gas- molekiile bereits entwickelten Resultate. Die Geschwindigkeit der Elektronen wiirde sich bei den stets wiederholten Re- flexionen allmahlich derjenigen Geschwindigkeit niihern miissen, welche wir von vornherein gastheoretische Geschwindigkeit nannten (l.), und zwar so, da6, wenn vl die ungeordnete Ge- schwindigkeit der ersten freien Weglange des Elektrons ist, fiir die der eten freien Weglange, ve (nach e - 1 Retlexionen), gilt l) :

Elektronen beim Zusammentreffen mit Molekulen (Atomen).

m v - M P = Ce- l (mv12 - M W a ) , e so daB v a = - LW 2 [l + Ce-1 (q - l)] e nz

und also (43) 1

a = 1 + Ce-l(a12 - l ) , e wobei

Diese Annaherung an die gastheoretische Geschwindig- keit ist bei der Kleinheit der Elektrononmasse m relativ sehr

1) J. C. Maxwell, Coll. Papers 1. p. 383. 1890 (Phil. Mag. Jannar uod Juli 1860). Vgl. die Gleichung fur p' dort.

434 P. Zenard.

langsam. Eine ursprunglich groBe Geschwindigkeit des Elek- trons wurde z. B. nach 1000 Reflexionen an Stickstoffmole- kiilen (bei beliebiger Temperatur) erst um 1,9 Proz. ab- genommen haben (C = 0,9999612).

44. Vie1 grogere Geschwindigkeitsverluste sind bei den Reflexionsversuchen an langsamen Kathodenstrahlen von Hrn. A. G e h r t s beobachtet worden (1. c.), Nimmt man an, da8 es sich dabei um echte Reflexion gehandelt habe, d. h. um Re- flexion an den einzelnen Molekulen des Spiegels (vgl. 32.), so mugten diese Geschwindigkeitsverluste auch fur den Gas- zustand gelten. I n der Tat habe ich ahnlich groBe Ge- schwindigkeitsverluste auch frUher an langsamen Kathoden- strahlen in Wasserstoffgas beobachtet. l) Durchsetzten S Volt- Strahlen eine 7,70 cm dicke Schicht Wasserstoffgas von 0,00254 mm Druck, so erlitten sie Geschwindigkeitsverluste, die zwischen 0 und 3 Volt lagen; bei 4 Volt-Strahlen waren die Verluste zwischen 0 und 1,5 Volt. In beiden Fallen waren also (quadratische) Geschwindigkeitsverluste von 0 Proz. bis rund 30 Proz. vorhandenea) Die mit diesem Verluste durch- laufene Strecke, 7,7 cm, ist nur wenig geringer als die mitt- lere freie Weglange eines Elektrons im benutzten Medium, welche 9cm betragt; man kann daher annehmen, da8 der Verlust 0 Proz. zu solchen Elektronen gehiirte, welche uber- haupt nicht mit Gasmolekulen zusammengetroffen sind, und daB der Verlust 30 Proz. bei einem einzigen Zusammentreffen erlitten worden war. Dieses Zusammentreffen ist als dichtes Vorbeigehen - oder als streifende Reflexion - des Elektrons an dem Molekiil aufzufassen; denn fur Strahlen der hier benutzten

1) P. L e n a r d , Ann. d. Phys. 12. p. 727. 1903. 2) Bei vie1 schnelleren Strahlen (ca. ' Is Lichtgeschwindigkeit) war

kein nennenswerter Geschwindigkeitsverlnst beim Durchgang durch Materie zu konstatieren (Wied. Ann. b2. p. 23. 1894). Der prozentische Verlust steigt offenbar mit sinkender Strahlgeschwindigkeit stark an bis zu der oben fir langsamste Strahlen angegebenen, aufierordentlichen GriiBe. Hiermit stimmen auch die spiiteren Resultate der Herren L e i t h i i u s e r (Ann. d. Phys. 15. p. 483. 1904; cat. ' / 6 Lichtgeschw.) nnd B e s t e l m e y e r (Ann. d. Phys. 36. p. 909. 1909; ca. 1OOOVolt) uberein. Ob der von einigen Beobachtern konstatierte, besonders langsame Anteil der durch- gegangenen Strahlung nicht durch ungewollte Kriifte beschleunigte sekun- dare Strahlung enthielt, scheint mir noch eine offene Frage zu sein (vgl. 31).

Blektrizitatsleitung durch freie E'lektronen und Trayer, I. 435

geringen Geschwindigkeit wirkt bereits fast der ganze Querschnitt des Molekiils als absorbierender Querschnitt, d. h. ee kommen Durchquerungen von Molekulen kaum vor (vgl. 1. c. 1903).

45. Jedenfalls ist also der hier beobachtete Riickgang der Geschwindigkeit von 30 Proz. an der Oberflache einzelner, gesonderter Molekiile eingetreten I), und wir werden im folgen- den - mangels eingehenderer Kenntnis - mit dieser Ver- lustgroBe rechnen. Wir nehmen dabei an, daB die Reduktion um 30 Proz., d. i. auf ca. 0,7, bei der Reflexion an einem Molekiil, nur den (quadratischen) Uberschup der Geschwindig- keit iiber gastheoretisch betreffe, d. h. da6 die Endgeschwindig- keit nach sehr vielen Reflexionen doch gastheoretisch (nicht Null) werde. Es ist dann in den Gleichungen (43) C- 0,7 zu setzenS2) Diese, der gegenwartigen Kenntnis entsprechenden, etwas rohen Annahmen geniigen fur den gegenwartigen Zweck und werden unsere (im Teil I1 zu ziehenden) Schltisse nicht beeintriich- tigen. 9, Unsere Gleichungen wiirden iibrigens erlauben, in

1) Auch nach dem Bau der Atome ist es wahrscheinlich, d a l Elek- tronen beim Zusammentreffen mit Atomen besondere Anderungen ihrer kinetischen Energie erleiden; denn es ist nicht anzunehmen, dafl die Atome den Elektronen gegeniiber sich wie Kiirper verhalten, die nur durch Beschleunigung ibres Schwerpunktes Energie aufnehmen. (Eine grobmechanische Analogie des bier gedachten Verhaltens der Atome kiinnte man in den von Hrn. C. R a m s a u e r untersuchten Fallen von StoS komplizierter elastischer Kiirper sehen (Ann. d. Phys. 30. p. 417. 1909.)

Bemerkt m u l werden, daB die Verluste von kinetischer Energie, welche wir demnach bei der Refiexion von Elektronen an Atomen an- nehmen, ihr Aquivalent nicht etwa in der Ausliisung sekundarer Ka- thodenstrahlung von den Atomen finden kiinnen, denn solche Auslosung findet bei den in Betracht kornmenden Geschwindigkeiten (unter 11 Volt) nicht statt (Ann. d. Phys. 8. p. 193. 1902). Das Aquivalent kann ge- sucht werden in Rewegungen, welche innerbalb des Atoms nach dem Stole zuruckbleiben (,,dynamidale Bewegungen", wie ich sie fruher ge- nannt habe; vgl. Ann. d. Phys. 17, p. 243. 1905), vor allem aber in hherstrahlung, welche bei der pliitzlichen Richtungsanderung der Ge- schwindigkeit des Elektrons ihren Ursprung nimmt.

2) Zu bemerken ist dahei, dafl diese Gleichungen bei a, < 1 stets eine Energieaufnahme der Elektronen von seiten des reflektierenden Atoms implizieren.

3) Wir werden die Gleichungen dieses Abschnittes nur fur den Fall anfiinglich grofler, allmahlich abnehmender Elektronengeechwindigkeiten anwenden, der sich sehr nahe der speziellen Erfahrung anschlielt, von wdcher wir bier ausgehen.

436 P. Xenard.

Fallen, wo Reflexion der Elektronen an Molekulen tatsachlich vorkiime, auch uber die dabei obwaltenden GroBen- und Rich- tungsverhaltnisse der Geschwindigkeiten bessere Auskiinfte zu erhalten.

46. Zur Ermittelung des Einflusses, welchen Geschwin- digkeitsverluste bei den Reflexionen der Elektronen auf die Wanderungsgeschwindigkeit haben, ist nur die Berechnung der (in 37.) bereits eingefiihrten GrSBe ale notig. Es sind dazu die Bewegungszustande des freien Elektrons wahrend Q auf- einander folgender Weglangen .Lq in derselben Weise zu be- trachten, wie es bereits in 17. und 21. geschehen ist, nur daB dabei fiir die ungeordneten Geschwindigkeiten der einzelnen Weglilngen der Reihe nach die Werte vl, v2 , . . , up anzu- nehmen sind. Man bildet d a m die mittlere Feldgeschwindig- keit coprei, wahrend der ganzen Dauer der p freien Weg- langen, ebenfalls wie es bereits oben (17., 22.) geschehen ist, wobei die Bemerkung, daB bei freien Elektronen keirie Auf- haufung der Feldgeschwindigkeiten statthat (9.), eine Verein- fachung ergibt, und erhalt:

e

1 e ?+ Wfrei, v, = P Lp

2-k’ 1

woraus sich nach Gleichung (9) ergibt:

v - l e -

e

2af, und also a -

l e -

Fur die vQ bzw. ae sind dabei die Gleichungen.(43) anwendbar. E s ist all = a,, alm = 1.

47. Die folgende Zusammenstellung (Tab. 111) enthalt Werte von ale, nach Gleichung (46) fur einige bemerkenswerte Falle berechnet. l)

1) Die Berechnung ist von Hm. E. Wi lckens ausgefuhrt worden, der mir auch bei Verifikation einiger Ableitungen behilflich war.

Elektrizitatsleitung durch freie Elektronen und Trager, I. 437

Tabe l l e 111. Werte von al,, bei gegebenen a, und q.

48. Man sieht aus den beiden ersten Zeilen der Tabelle, da6 die der gewbhnlichen Gastheorie entsprechenden Geschwin- digkeitsverluste far die Probleme der Wanderungsgeschwindig- keiten iiberhaupt nicht in Betracht kommen; denn die gro6en Werte von Q (> lOOO), bei welchen sie merklich wurden, spielen (nach Teil 11) keine Rolle.

Die der Erfahrung an Kathodenstrahlen entsprechenden vier letzten Zeilen zeigen, da6 man (soweit die in diesem Punkte geringe Erfahrung geht) bei gewohnlicher Temperatur, sowie in Flammen, wohl mit Anniiherung a le = al setzen darf, solange q < 4 ist, und ale = 1, wenn e > 30 ist. Man sieht auch, daS Falle, in welchen p groB (> 30) und zugleich ale wesentiich gri5Ber als 1 sich ergabe, eine Anfangsgeschwindig- keit v1 voraussetzen wurden, die uber 11 Volt lage, wodurch diese Falle, als nicht der Wirklichkeit entsprechend, sich aus- schlieBen (vgl. 16.), was wir in Teil I1 benutzen.

He ide lbe rg , 3. Januar 1913.

(Eingegangen 4. Januar 1913.)