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Essay. ~'ber physikalisch-chemische Erkl~rungen der Veriinderungen der Kernsubstanz (mit besonderer Berticksichtigung der Arbeit yon Paolo Della Valle: La morfologia della eromatina dal punto di vista fisico). 1) Von Dr. Josef Spek, Heidelberg. (Eingeqangen am 24. Juli 1919.) Es mehren sieh dieVersuche, die stofflichen Grundiagen der Lebenserscheinungen, die morphologischen Ver/i,nderungen der lebenden Substanz mit Hilfe der Kolloid- chemie zu erkl~rem Aueh die vielen auffii, lligen Ver~nderungen der Substnnz der ZeUkerne scheinen sich allmghlich rein physikaliseh und spezieU kolloidchcmisch deuten zu lassen. In einer umfangreichen italienischen Arbeit hat P. Della Valle schon 1912 nile eigenen physikalischen Erkl~trungsversuehe der )Iorphologie des Chromntins und die yon andern Autoren zusammengefaflt. Vieles davon ist kol- loidchemisch; uad weil manehe koUoidchemisehen Faktoren, welehe in Della Valles Betraehtungen cine groBe Rolle spielen, wie besonders die Entre iseh- ungsprozesse auch in neuerer Zeit wieder das Interesse yon Forsehern, die sich mit der physikalischen Chemie derZellen und Gewebe beschg, ftigen; auf sich ziehen," weil fernerhin verschiedene Punkte der Della Valleschcu Arbeit einer Korrektur zu bedtirfen scheinen, erscheint es mir bereehtigt, diese Fragen auch an dieser Stelle zu erSrtm~. Ieh werde mich an die Disposition des Delia Valleschen Buches hnlten und alle Hauptabschnitte desaclben zur Sprache bringen, diejenigen aber, mit denen ich nicht ganz einverstanden bin, besonders hervorheben. Hinter Abschnitte, in denen einfach referiert wird, seize ieh den ~amen Delia VaIles, hinter eigene Ansichten meinen. Schon aus der Frage nach dem Aggregntszustand des Kernes und seiner eventuell versehiedenartigen iVIembran ergeben sich wichtige physikalische )'olge- rungen. In t~oto besitzt der Kern jedenfaUs eine Konsistenz, die zwischen feat und fliissig steht. Aus Zentrifugierversuehen sowie aus einer Reihe yon Beobach- tungen tiber die natiirliche Lagerung des Kernes in der lebenden Ze|le ergibt sieh, daft der Kern bald leiehter, bald schwerer sein mu[3 als das Cytoplasms. Der Kern der Asterlas- und der Rana-Eier z. B. is~ leichter. Im Leben erseheinen die ruhen- den Kerne ftir gewShnlich als klare, homogene B~schen in dem durch Einlage- rungen weniger durehsichtigen Plasma, doeh lieBen sich aueh sehon an lebenden Kernen, die nicht in einem Stadium der Vorbereitung zur Teilung standen, gri~l~ere 1) Arch. zool. italiano 6, 37--321 (1912). 2) Auf sog. Eatmischungsprozesse (s. w. u.) sucht man z. B. aueh die Aus- scheidung der koUagenen Fibrillen aus der Zwisehenzellsubstanz, die Entstehung der Sekrettriipfehen in Driisenzellen (Literatur s. w. u.) und sehliel31ich auch die ~ntstehnng des perivitellinen Saftraumes der Eizelle nach der Befruehtung und die wiehtigsten physik.-chemisehen Veri~nderungen der Eizelle w~hrend dieses Prozesses zuriiekzuftihren (J. S p e k, Arbeit in den kolloidehem. Beiheften im Druek). Archly fiir Entwicklungsmechanik Bd. 46. 35

Über physikalisch-chemische Erklärungen der Veränderungen der Kernsubstanz

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Essay. ~ 'be r p h y s i k a l i s c h - c h e m i s c h e E r k l ~ r u n g e n d e r V e r i i n d e r u n g e n d e r

K e r n s u b s t a n z

(mit besonderer Berticksichtigung der Arbeit yon P a o l o De l l a Va l l e : La m o r f o l o g i a d e l l a e r o m a t i n a d a l p u n t o di v i s t a f i s ico) . 1)

Von

Dr. J o s e f S p e k , Heidelberg.

(Eingeqangen am 24. Ju l i 1919.)

Es mehren sieh dieVersuche, die stofflichen Grundiagen der Lebenserscheinungen, die morphologischen Ver/i, nderungen der lebenden Substanz mit Hilfe der Kolloid- chemie zu erkl~rem Aueh die vielen auffii, lligen Ver~nderungen der Substnnz der ZeUkerne scheinen sich allmghlich rein physikaliseh und spezieU kolloidchcmisch deuten zu lassen. In einer umfangreichen italienischen Arbeit hat P. D e l l a V a l l e schon 1912 nile eigenen physikalischen Erkl~trungsversuehe der )Iorphologie des Chromntins und die yon andern Autoren zusammengefaflt. Vieles davon ist kol- loidchemisch; uad weil manehe koUoidchemisehen Faktoren, welehe in D e l l a V a l l e s Betraehtungen cine groBe Rolle spielen, wie besonders die E n t r e i seh- u n g s p r o z e s s e auch in neuerer Zeit wieder das Interesse yon Forsehern, die sich mit der physikalischen Chemie derZellen und Gewebe beschg, ftigen; auf sich ziehen," weil fernerhin verschiedene Punkte der D e l l a Val leschcu Arbeit einer Korrektur zu bedtirfen scheinen, erscheint es mir bereehtigt, diese Fragen auch an dieser Stelle zu erSrtm~. Ieh werde mich an die Disposition des D e l i a Val leschen Buches hnlten und alle Hauptabschnitte desaclben zur Sprache bringen, diejenigen aber, mit denen ich nicht ganz einverstanden bin, besonders hervorheben. Hinter Abschnitte, in denen einfach referiert wird, seize ieh den ~amen D e l i a V a I l e s , hinter eigene Ansichten meinen.

Schon aus der Frage nach dem A g g r e g n t s z u s t a n d des K e r n e s und seiner eventuell versehiedenartigen iVIembran ergeben sich wichtige physikalische )'olge- rungen. In t~oto besitzt der Kern jedenfaUs eine Konsistenz, die zwischen feat und fliissig steht. Aus Zentrifugierversuehen sowie aus einer Reihe yon Beobach- tungen tiber die natiirliche Lagerung des Kernes in de r lebenden Ze|le ergibt sieh, daft der Kern bald leiehter, bald schwerer sein mu[3 als das Cytoplasms. Der Kern der Asterlas- und der Rana-Eier z. B. is~ leichter. Im Leben erseheinen die r u h e n - d e n K e r n e ftir gewShnlich als klare, homogene B~schen in dem durch Einlage- rungen weniger durehsichtigen Plasma, doeh lieBen sich aueh sehon an lebenden Kernen, die nicht in einem Stadium der Vorbereitung zur Teilung standen, gri~l~ere

1) Arch. zool. italiano 6, 37--321 (1912). 2) Auf sog. Eatmischungsprozesse (s. w. u.) sucht man z. B. aueh die Aus-

scheidung der koUagenen Fibrillen aus der Zwisehenzellsubstanz, die Entstehung der Sekrettriipfehen in Driisenzellen (Literatur s. w. u.) und sehliel31ich auch die ~ntstehnng des perivitellinen Saftraumes der Eizelle nach der Befruehtung und die wiehtigsten physik.-chemisehen Veri~nderungen der Eizel le w~hrend dieses Prozesses zuriiekzuftihren (J. S p e k, Arbeit in den kolloidehem. Beiheften im Druek).

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Broeken oder feinere Granula einer dichteren Substanz oder fadige mid netzige Strukturen mit Sicherheit erkennen. Man hgtte vermuten k6nnen, eventuell mit dem Ultramikroskop aueh grSbere Aggregationen der Partikel der Kernkolloide erkennen zu kSnnen, doch haben ultramikroskopi~he Untersuchungen auch keine gr6beren Inhomogeneits nachweisen k6nnen. Im iibrigen ist das ultramikrosko- pische Bild yon Keraen versehiedenen Zellmaterials etwas verschieden. So sind nach G a i d u k o w die dispersen Partikel der Kerne yon Tradescantia-Staubhaaren viel zahlreicher, d. h. dichter aneinander gefiigt, und gr6Ber als die des Plasmas. Die Kerne der Vaucheria-Zellen lassen sich im Ultramikroskop kaum vom Plasma unterscheiden (Ga idukow) uad auch z. B. die Kerne yon BlutkSrperehen und Spermatozoen von Spelerpes erscheinen im bqtramlkroskop nut sehr schwach leuchtend oder gar optisch leer ( A g g a z z o t t i ) , doch ist ja das nicht sehr befrem- dend, da auch manehe Emulsoide nach Wo. O s t w a l d nur schwach diffuses Licht zeigen. Die Macronuclei der I n f u s o r i e n erleiden untcr dem EinfluB schwacher Alkalien (x/looo bis 1/so0 n NaOH) in reversibler Weise ultramikroskopiseh wahr- nehmbare Vcr~ndemngen, ihre Partikel gehen aus der GrSBenordnung der sog. Ultramikronen in Amikronen iiber. ( F a u r e - F r 4 m i e t . ) - - D. V.

P r o p h a s e : :Die die Prophase einleitende Volumzunahme des Kernes ist zum Tell sehr gering, zum Tell ganz enorm. Kerne yon Amphibiencrythrocyten sehwel- len auf das Doppelte ihres Volums an. Gelappte Kerne werden in der Prophase rund und aufgebls Ana loge Erscheinungen (Volumzunahme und Abrundung und Aufbl~hung normalerweise gelappter Kerne) lassen sich bei bestimmten Ob- j ekten auch kiinstlich, dureh Vergnderung des Auflenmediums mit Wasser herbei- fiihren. In hypertordschen L6sungen sieht man gelegentlich auch die KernbIasen schrumpfen. - - D. V.

Fiir die ErSrterung der Ursachen der Volumzunahme der Kerne ist zun//,chst die :Frage yon Bedeutung, ob die Kerne eine Membran haben oder nicht. D e l l a Va l l e erscheint die Existenz einer ~[embran sehr zweifelhaft. In seinen sp/iteren ~berlegungen nimmt er stillschweigend an, dab keine Membran vorhanden ~i . Wir stehen da vor zwei M6glichkeiten: Entweder ist keine Membran vorhanden mid dana miissen Kernsaft und Protoplasma zwei miteinander nicht mischbare- w~i~serige LSsungen (Sole) sein, denn daBt sich der Kern deswegen im Plasma nieht auflOst, well er in allen Teilen ein festes Geil sei, kann insbesondere nach den bekannten Untersuchungen E. A l b r e e h t s l ) nicht angenommen werden; aus den Zellen des Seeigelkeimcs ausgepreBte Kerae k6nnea z. B. zu zweien und dreien verschmelzen, so wie mehrere Fliissigkeitstropfen zu einem grSBeren, einheitlichen zusammenflieI]en. :Die zweite MSglichkeit ist die, dab die Kerne yon einer mit dem Plasma entweder unmischbaren fl~issigen [etwa lipoiden (E. A l b r e c h t ) ] oder gelartigen Membran umgeben sind, dann kSnnen Kernsaft und Plasma mit- einander aueh mischbar sein. Erwcisen sie sieh als mischbar, so wird die :Existenz yon ~Iembranen zum notwendigen Postulat. Bei Zerpressungsversuehen land .E. A l b r e c h t , daB, wenn einmal die Kontinuit~t der Begrenzung des Kernes zer- st6rt ist, der Kern sich regelm/il]ig im umgebenden Zelleib auflSst und sieh auch keine sekun ;dJiren Tropfen bilden (wie etwa beim Zerdriicken grSBerer 17ettropfen in Wasser). ~Es folgt daraus mit Watn-seheinlichkeit, dab der grSB{e Tell des Kerninhaltes mit der Zelleibfliissigkeit misehbar ist. <~ Is t die Kernmembran mehr oder weniger lest (etwa gallertig), so kann bei Zerpressungsversuchen ein Auftreten yon zerknitterten Membranresten erwartet werden. A l b r e c h t land an seinen Objekten (Seeigeleier) nichts derartiges, er muB also fiir sie die Existenz yon f l i i s s i - gen , diinnen Oberfl~henschichten annehmen, welche eine Mischung der ~n sich, wie wir sahen, mischbaren Ker~- und Plasmafli~ssigkeit verhindert. :Die B~-

1) E. A l b r e c h t , Beitr. z. l~athoh Anatom. Festschrift f. Bollinger, 1903.

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sehaffenheit dieser t rennenden 0berf l~chenschicht braucht nun aber natt ir l ich nicht bei allen Kernen gleich zu sein. So land ich z. B. bei der Beobachtung yon Zellteilungen lebender Eier k l e i n e r ~ N e m a t o d e n , dal] dann, wenn die in der Prophase stark angeschwollene Kernblase zusammenschrumpft (es geschieht dies so pl6tzlich, dab es den Eindruck macht , als ob sie zerplatze), die Kernoberfli4che ganz runzelig und faltig wird, als ob eben eine ~>zerknitterte, zum Tell entleerte Kernmembran~ iibrig geblieben w~re, die dann allmi~hlich auch versehwindet. All das scheint mir fiir die Kerne der meisten tierischen Zellen, fiir die Exist'enz einer bald fliiSsigen, bald mehr gaUertigen Trennungsschieht zwischen Kern und Plasma zu spreehen, die auch i~ul]crst diinn sein kSnnte. Auch die auch yon :Del la V a l l e zit ierten Befunde L. l ~ h u m b l e r s , dal] sich die Kerne yon Froschblasto- meren und AmSben auf einer Wasserfl/iche nieht ausbreiten, spricht eindeatig fiir die Existenz einer gallertigen :~Iembran. :Die Annahme einer Unmischbarkei t yon Kernsaf t und Plasma ist bisher absolut unbcwiesen. - - Sp.

Is t eine Kernmembran vorhanden, so erkl~irt sich die Volumzunahme des Kernes in der Prophase am einfachsten so, daB, sei es durch 0smose, sei es durch Quellung, etwa infolge des Auftretens eines s tark queUend wirkenden Stoffes (Sp.), Wasser in die Kernblase aufgcnommen wird, bis die Kernmembran pl5tzlich platzte und der Kernsaf t sich mit dem Plasma mischt. :Della V a l l e nimmt, wie erwKhnt, an, dab Kernsaf t und Plasma wenigstens teilweise nicht nfischbar sind, nun aber w~,hrend der Prophase eine allm~hliche Mischung und AuflSsung des Kernes start- finder. Diese AuflSsung des Kerncs im Plasma kSnnte nun yon einer Aufnahme yon Wasser eingeleitet werden, und so wiirde sich auch hier - - im Prinzip freilich wieder auf dieselbe Weise, ns durch Wasseraufnahme ! - - die Volumzunahme erkl~ren. Nach dieser Erkli/rung k6nnte man aber aueh gerade so gut erwarten, da2 der sich mit dem Plasma mischende Kern gleich yon aller Anfang kleiner wird, denn ftir gewShnlich werden ja nieht bei der Mischung, sondern gerade bei einer En tmischung die emulgierten Tropfen einer im Medium nur teilweise mischbaren Fliissigkeit grS$cr !

D a s E r s e h e i n e n de r C h r o m o s o m e n : Vorurteilslose Untersuchungen der Rcalit~t der aus fixierten Prii, paraten bekannten Kernbi ldungen mahnen besonders beziiglich des Spiremstadiums zu groBem Skeptizismus. Am wenigsten fraglieh er- scheint jedenfalls die Existenz der ausgebildeten Clu'omosomen selbst. Ihre Un- sichtbarkeit in der lebenden ZeUe kann auf zu geringer I)ifferenz der Lichtbrechung beruhen; Brechungsdiffercnzen t re ten dann beim Fixieren dadurch hervor, dal~ dichtere Kolloide (wie die Chromosomen) und wiisserige (wie der Kernsaft) bei der Gerinnung graduell verschiedene Zustands/4nderungen erfahrenl) . (Sp.) - - E in Versuch, lebende Chromosomen in den S taubhaaren yon Tradsscantia ultramikro- skopisch nachzuweisen, mfl]lang G a i d u k o w . Das feine Objekt leidet un te r der s tarken Beleuchtung auch zu sehr. - - Vor der Chromosombildung verschwinden die Differenzierungen des Ruhekernes. Die Neuanlage der Chromosomen erfolgt im homogenen Kern in aul]erordentlicher Feinheit , d. h. in Form feinster Aggre- gationen der Part ikel der Kernkolloide. ~ D. V.

D e l l a V a l l e zieht nun eine P a r a l l e l e z w i s c h e n d e m E r s e h e i n e n d e r o "

C h r o m o s o m e n aus d e m h o m o g e n e n K e r n und dem Erseheinen einer neuen Phase in einem vorher homogenen fliissigen Medium, mit anderen Worten eine Parallele mi t d e n E n t m i s e h u n g s p r o z e s s e n . Von Entmisehungsprozessen

1) Gerinnung ist ein typischer EntmischungsprozeB. Bei diesem scheidet sich im w~sserigen KoUoid meist die dichtere Phase, bci GaUerten hingegen die wasserreiehere Phase in Form yon TrSpfchen in der anderen Phase ab. H_ieraus kann ein wesentlicher optischer Unterschied resultieren zwischen dem dichteren KoUoid (Chromosomen) und dem wasserreicheren Cytoplasma,

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sprieht man, wenn sich eine molekulare LSsung eines oder mehrerer Stoffe in irgend einem LSsungsmittel - - sagen wit Wasser, - - in zwei Phasen t rennt , yon denen eine viel Wasser und wenig Gel6stes, die andere ~del yon den gelSsten Stoffen und wenig Wasser enth~ilt, oder wenn sich ein Kolloid in eine konzentriertere, dichtere und oine w~sserige, diinne Phase trennt . Die eine Phase pflegt sich in Tr6pfehen in der anderen auszuscheidea ( D e l l a V a l l e gebraucht fiir Entmisehung den Aus- druck *smescolamento<,). Die En t s t ehung der dichteren Phase eines Kolloides is t "notwendigerweise yon einer Aggregation der koUoiden Part ikel zu grSberen vcrbundenen, es kommt also zu einer ~*Dispersitiitsvernfinderung <~ bzw. auch einer Oberfliiehenverminderung, und scheidet sieh die dichtere Phase zun~ichst in Form yon TrSpfchen aus, so kSnnen diese wiederum zu grSberen Format ionen zusammen- treten. - - Die Entmisehungstheorie der Chromosomenbildung fiihrt zu besonders in teressanten und wichtigen Konsequenzen beztiglich der kons tanten Zahl u n d Grbise der Chromosomen (s. w. u.), doch auch weniger auff~.Uige Eigentiimlich- keiten der Chromosomenbildung riickt sie unscrem Verst//ndnis ngher: Das schon oben erwiihnto erste Auftrcten yon /iuiserst feinen Chromatink6rnchen im homo- genen Kern ist das erste Stadium der DispersitS.tsverminderung der dichteren Phase. Dispersitgtsvermindcrungen kommen in Kolloiden besonders an den Ober- flttchen leicht zustande (wie das yon der En t s t ehung yon sog. Haptogenmembranen und den yon G i b b s erforschten Vorgt/ngen der sog. Oberfl/ iehenkonzentration bekannt ist) ~ auch die Chromosomen soUen sich vorwiegend an der Kem- oberflitche anlegen. Dies kSnnte freilich auch so zustande kommen, daiS ein die Dispersionsverminderung verursachender Fak to r yon aul3en, d. h. vom Plasma (und demnach zuerst auf die Membranen) einwirkt. (Diese Ansicht erseheint mir weniger wahmcheinlich. Sp.) - - ,~Iit Bezug auf die Chromosomcnbildung weist D. V. auch auf die Kristallisationsprozesse hin, die ja wohl manohes Gemeinsamc mi t den Entmisehungsprozessen haben. Die ganze Frage naeh der polaren (kristall inen) xNatur der Chromosomen soil sp/Lter summarisch behandel t werden. Auch friihere Autoren wie R a b l , A l b r e c h t , T e l l y e s n i e z k y verglichen gelegentlich die Chro- mosomenbildung mit einein KristallisationsprozeB. ~ D. V.

Die Ursache der Chromosomenentmischung soil nach D. V. in den Aufl/Ssungs- ver~,inderungen des Karyoplasmas im oCTtoplasma liegen (S. 80 ff.). Zur Beurtei lung dieser t Iypothese fehlt uns jeder Anhal t spunkt , doch wird man wohl viel mehr als D. V. es tut, sich vor Augen hal ten miissen, dal3 sicherlich auch ganz bedeutende ehemische Ums~tze bei der Mitose s ta t t f inden und dab erst sic die physikalisehen Ver~nderungen mit sieh bringen.

So ist es auch sehr Wahrseheinlich, daiS die Chromosomen nicht nur physi- kaliseh, soadern auch chemiseh yore Karyoplasma verschiedcn sind. ~N'un war aber eigentlich die Bezeiehnung *Entmischungsprozel]* nur fiir die Trennung yon physikalisch verschiedenen Phasen einer LSsung der s e l b e n chemischen Stoffe best immt. Sie kSnnte aber jedenfalls aufrechterhal ten werden, wenn die MSglich- keit often bliebe, dab entweder die ehemisehe Verschiedenheit der Phasen ersl; nach, trt~glich nach der prim~ren Entmisehung hinzugekommen ist, oder aber das zum mindesten w/thrend der Entmischung selbst b e i d e P h ~ e n a l l e Substanzen gelSst enthielten. Ieh erw/ihnte oben schon, dais es aueh v e r ~ c h t wurde, die :E*ntstehung der yon der kollagenen Grundsubstanz chemiseh ganz verschiedenen koilagenen Fibril len (v. E b n e r l ) ) und dann auch der Sekrettropfen yon spezifisebem Chemis- mus aus dem Plasma der sezernierenden Zellen2) den Entmi~hungsprozessen ein- zureihen. Im ersten Falle wurdc danli auch angenommen, daiS die noch homogene

1) V. v, E b n e r , Sitzber. d. Wiener Akad. math.-nat . Kl. Abt. I IL 115 (1906). 2) Vgl. z. B. Wo. O s t w a l d , Die Wel~ der vernachl/i, ssigten Dimensionen,

Dresden 1915, S. ]39.

Essay. 5 4 l

~pr~kollagene ~ Substanz ein Gemenge yon all den Substanzen sei, die darm sp~iter teils in den Fibrillen, teils in der Grundsubs tanz vorhanden sind~ - - Sp.

Durch fortschreitende .a.ggregation der ursprtinglicb sehr feinen Chromatin- partikelchen entstehen schlieBlich (tie Chromosomenschleifen. Da ist es interessant, daB auch sonst bei der Agglutination disperser Par t ikel yon KoUoiden (bei: unvoll- kommcner Dispersit~tsverminderung) Neigung zu linearer Aneinanderreihung der- selben besteht, wie man bei Wasseffi~llung alkoholischer HarzlSsungen, bei Ko- agulation des Kautschukl~tex, bei Alkohoifiillung yon ,~bumosen u. a~ beobachten kann. Auch die Mitoebondrien bei der En t s t ehung yon Myo- und ~'eurofibrillea o r d n e n sich geradlinig an. J a bei der Aneinanderreihung urspriinglich isolierter kleiner Einhei ten wie Kolloidpartikelchen, h'Iitochondrien usw. kann es sogar zu s p i r a l e n T o r s i o n e n kommen, die fiir die Chromosomen auch sehr charakterist isch sind und yon D. V. besonders genau studier t wurden. Uber dieses Kapitel will i ch gerade nur das Wichtigste sagen: Die Torsionen sind nicht regelms oft ist, ein langes Stiick der Chromosomen ungewunden, dann folgt ein k u ~ e s Stiick mit versctfiedenen Windungen. Es gibt Chromosomen mi t ganz einheitlicher Aufwindung und solche, (lie halb reebts, halb l inks-gewunden sind. Die Zahl der Chromosomen mit Rechtswindung ist ungef~hr gleich der mit Linkswindung. Die maximale Zahl yon Torsionen ist schon vorhanden, sobald die Chromosomen sicht- bar werden, sic vcrmindert sich dana immer mehr. Hypothesen versehiedener Autoren, so z. B. die yon H a i d e n h a i n , die diese Chromosomentorsionen erkl~ren sollen, nehraen haup t~ch l i eh eine lokal behinderte L~ngenausdehnung der Chromo- somen an; sie werden jedoch den Tatsachen nicht in allen P u n k t e n gereeht (s. ] ) e l l a V a l l e ; S. 92 ff.). - - D. V.

Z a h l u n d GrSi~e de r C h r o m o s o m e n : Scheidet sich bei eiuem Entmischungs- prozeB eine Phase in Fomn yon TrSpfchen in einer andern aus ~ ha t sie einen ge- wissen Grad yon Viskosit~t, so brauchen die TrSpfchen nicht Kugelform zu er- langen ~ , so beherrschen Obeffl~chenspannungskr:Mte und evenCuell noch elek- trisehe Vorgiinge diese Ausscbeidung in gesetzm~13iger Weise. Sind wirklich keine stSrenden fremden Einfliisse vorhanden, so bewirken sie, dab d ie s i ch a u s s c h e i - d e n d e n T r O p f c h e n e ine b e s t i m m t e O be r f lS . che ( u n d d a m i t a u e h e i n e b e s t i m m t e GrSl]e) h a b e n . :~Iul~ weiterhin ein Dispersoid untcr bes t immten Bedingungen eine best immte Oberfl~chenentfaltung zwischen Dispersionsmitte | und der dispersen Phase haben, so wird die a b s o l u t e Z a h l s e i n e r P a r t i k e l dem Volum des Systems proportional, oder mit andera Worten, wenn auch das Volum ein bestimmtes ist, e b e n f a l l s e i n e g a n z b e s t i m m t e se in . Sehon W. G i b b s und dann sparer 17. D o n n a u und C. ~[c. C. L e w i s baben es auch versucht, diesem Gedanken seirm mathematische Formulierung zu geben. ~ Fiir die Verh~lt- nisse in den Zellkernen wiirde somit also aus der Entmischungstheorie folgen, dab die Chromosomen unter den normalen gesetzm~Bigen Bedingungen eine bes t immte GrSBe und eine bestimmte Zahl haben miissen. DaB die Begleitumstiinde der Chromosomenausseheidung im allgemeinen wirklich gesetzm~Big best immt sind, ist ~a wohl kaum zweifelhaft, so wichtige biologische Prozesse erweisen sich bei gen u- erem Studium immer w i e d e r - - u m einen Ausdruck L. R h u m b l e r s zu benutzen

nicht nor einfach, sondern sogar mehrfach gesichert (Sp.). ] ) e l l a V a l l e ' w e i s t daxauf bin, dab auch andere disperse Par t ikel ia Zellen in kons tanter Zahl vorh om- men kSnnen, so die ()ltropfen in den T e l e o s t e e r e i e r n und die Do t t e rkSrne r in den Eiern anderer Tiere. ~ D. V.

Ab~inderung der Bedingungen kann eine Abi~nderung der Zahl und GrOBe der Chromosomen bedinge n. Unter d e m EinfluB yon ul t raviolet tem Liehte erhielt z. B. S t e v e n s bei A~car/s-Eiern Mitosen mi t vielen kleinen Chromosomenbroeken, doeh wissen wir in diesem Versuch nicht reeht, was fiir Bedingungen wit da ab- ~ndern. (Sp.) Viel wichtiger w~re es fiir den Entwicklungsmechaniker , nun syste-

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matisch zu versuchen, etwa durch eine bestimmte Ab~nderung der Oberfl~chen- spannung (z. B. durch den Zusatz stark oberfl~iehenaktiver Stoffe), eine bestimmte im voraus erwartete (berechnete) Zahl und GriiBe der Chromosomen zu erhalten. (Sp.) Hierzu fordert die Entmischungstheorie doch sogleich auf!

G eringfiigigere Sehwankungen der Bedingungen, unter denen die Chromosomen- entmischung stattfindet, kSnnen wohl auch im normalen Gesehehen gegeben sein und Unterschiede wie die der Chromosomen yon Furchungs- und yon Somazellen yon Asca- ria erkl~ren. Auch nile U~bergRnge yon der 5Iitose zur Amitose kSnnen als Chromatin- entmischungen yon schrittweise sich ~nderndem Dispersionsgrad aufgefaBt wei'den (De l i a Va l l e 1911). - - AuBere oder innere Bedingungen k6nnen dann so .wie bei den physikalischen Entmischungen auch bei der Chromosomenbildung einige Par, tikel (bzw. Chromosomen) die DurchschnittsgrSl]e tibersehreiten lassen, andere lassen sie sie nicht erreichen und aueh gewisse Schwankungen der Zahl, ~rie sie bei den Chromosomen zur Beobachtung kommen, lassen sieh bei der Einstellung solcher physikalischer Gleichgewiehte, wie wit sie ffir die Chromosomencntmischung annehmen, a priori erwarten. Bei Entmisehungen bilden sich bisweilen Tropfen yon zwei oder drei verschiedenen GrSi3enordnungen, ohne alle ~berg~nge. Man wird an das Vorkommen einzelner grol]er Heterochromosomen zwischen unter- einander gleiehen, kleineren Chromosomen erinnert. - - Die gahl der Chromosomen ist proportional dem Quotient zwi~hen der verfiigbaren ]~Ienge des Chromatins und der mittleren GrS~e der Chromosomen. Bei gleicher ZaM sind die Chromo- somen, die yon groflen Kernen stanmlen, gr6Ber als die yon kleinen Kernen. In- teressant ist auch der yon C o n k l i n beobachtete Fall, da~ bei Crepidula die Chromo- somen der Spermatiden viel kleiner sind als die der Oatiden; kommt nun abet das Chromatin des Kernes in die Eizelle, also in gleiehe Umgebung, so fallen die Chro- mosomen dcr Vorkerne gleich aus. - - D. V.

A g g r e g a t z u s t a n d u n d K o n s i s t e n z de r C h r o m o s o m e n : Die Chromo- somen miissen im Leben eine Viskosit'~t haben wie etwa eine GelatinelSsung, die eben noch nieht ganz lest ist. Sind sie noch- fliissig? Zeigen sie etwa noch die R h u m b l e r s c h e Ausbreitungserscheinung an einer Grenzfl~i~he zwischen einer Fliissigkeit und einem Gas? S a m a s s a beobachtete, dab sieh an der Grenzfli4che der Chromosomen yon Tradescantia-Staubhaaren unter der Einwirkung yon Chloro- form Vakuolen bildeten, ohne jedoch mit Sicherheit etwas yon einer Ausbreitung der Chromatinsubstanz zu erkennen. Solange man ja eben den Inhalt der Vakuolen nicht kennt, ja sogar damit rechnen muB, da~ er chloroformhaltig und somit eine sehr niedrige 0berfl~i~henspannung hat (Sp.), beweist die Beobachtung niehts. :Die Chromosomen haben jedenfalls eine ziemliche Formbest~ndigkeit, aenn naeh F o 0 t u n d S t r o b e l l kSnnen sie in Zerzupfungspr~paraten yon mitosenreichem Gewebe unversehrt bleiben.

:Die G e s t a l t de r C h r o m o s o m e n : Die Chromosomen kommen in zwei Haupttypen vor: :Die kleineren sind kurze Ellipsoide, bei grSBeren fiberwiegt die Ausdehnung der einen Achse wesentlich fiber die der andern, sie sind band- oder stabfSrmig. Die Gestalt der Chromosomen benutzt D. V. als ein Hauptargument zur Stfitze eincr Theorie, dab die C h r o m o s o m e n k r i s t a l l o i d e l ~ a t u r . haben , dab sie vor allem den f l i i s s i g e n K r i s t a l l e n ( L e h m a n n ) n a h e s t ehen . :Fliissige Kristalle kSnnen z. B. auch lange, bandf0rmige Gebilde sein, die eventuell auch mehr[ach gebogen sind. Sie nehmen nieht die Kugelgestalt an, sondern behalten die langgestreckte Form, ja beim Wachstum nehmen sie nur in der I~ngsriehtung zu, wiihrend die Dieke unver~ndert bleibt, sie haben polare, anisotrope Eigen- sehaften. So ist die innere Reibung (ViskositAt) anisotrop, sie ist gering in der Richtung der l~ngeren, und groB in der Riehtung der kleinen Aehse, so dab dann eben die Expansivkraft der ~olekfile nur, oder doch viel starker in der IAngsriehtung der hIolekfile zur Wirlmng kommen kann. Wird die Gestalt der flfissigen Kristalle

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gewaltsam veriindert, so nehmen sie doch immer wieder die urspriingliehe, typ!sche Form an. - - So k6nnten nun auch die Chromosomen ihre typische Gestal t einer Anisotropie ihrer Viskosit~it verdanken und sie wiirden dana ihre Gestalt auch dann behalten, wenn sie noeh fliissig und damit noch der Wirkung der Ober- fl / ichenspannung ausgesetzt w/i, ren. Dieser P u n k t ist fiir diese ganze Frage sehr wichtig. Sind ns die Chromosomen, wie mir das wahrscheinlich erscheint (Sp.), sehon so feste Gele, dab die Oberfl/~ehenspannung sie i iberhaupt nieht mehr, oder doch nur ganz minimal ver/indern kann, so ist die Gesetzm/~lligkeit ihrer Gestal t nur durch die Vorgiinge bei ihrer Ents tehung bedingt. (Sp.) Dadureh, dall nun D e l l a V a l l e selbst bei Bespreehung der Chromosomenentstehung eine ganze Reihe yon F~llen anfiihrt, in denen durch Aneinanderreihung (unvollkommene Dispersit~tsverminderung) der Part ikel yon Kolloiden st~bchenf6rmige oder ~hleifenf6rmige Gebflde entstehen k6nnen, entzieht er sich offensichtlieh selbst das beste Argument fiir die anisotrope S t ruk tu r der Chromosomen. A priori ist doch die kolloidale Natur der Chromosomen jcdenfalls viel wahrscheinlieher als die kristalloide; erst wenn die Kolloidchemie zur Erkl/i, rung der Chromosomen. bildungen nicht ausreiehen und aus irgendwelchen Tatsachen eine polare, aniso- trope Na tu r derselben hervorgehen wikrde, mfillten wir zur KristaUphysik greifen. Aber hierzu zwingen uns weder die .typischen Chromosomenformen, noch - - was dann noeh am meisten beaehtet werden mul3 - - , die Vorg/~nge bei der L/ingsspaltung tier Chromosomen. Es w/~re zwar ganz plausibel, dal3 eiae Spaltung, wenn die Claromosomen etwa aus lauter bl/itteherrf6rmigen Kristal leinheiten (~[olekiilen) best/i, nden, die alle zur Liingsrichtung parallel gestellt ws nun parallel zu dieser Ebene (in der auch die Viskosit~t am kleinsten sein soll) leicht e intre ten kSnnte, doch in gewissem Sinne kSnnte dieses selbe auch ftir m(iglieh gehalten werden, wenn die Chromosomen, wie schon oben er6rtert, dutch eine seriale An- und '.Xeben- einanderreihung yon feineren Kolloidpartikelehen entstiinden. Alle die iibrigen zahlreichen Gegeniiberstellungen yon Eigehti imlichkeiten der Chromosomen und (zum Tell nicht sehr eindeutigen) Erscheinungen aus derKris ta l lwel t erschcinen mir blol] als oberfl/~chliche ~.hnlichkeiten, die nfich nieht iiberzeugen konnten yon dem Satze: *Si accumulano sempre piu gli argomenti per affermare inveee, che i cromosom2 sono dei cristalloidi., (D. V. S. 165.) - - Sp.

In gef/irbten Schnittpr/i.paraten (vielleicht aber n u r dort !) erscheinen Eiweil~- kristalle und andere Einschliisse, die in den verschiedenen Tier- und Pflanzenzellen gefunden worden sind, chromosomen~hnlich. - - Indem D e l l a V a l l e die bes t immte Gestalt der Chromosomen aus ihrer gesetzm/s molekularen S t~ lk tur erkl.~rt, folgt fiir ihn hieraus fiir alle Chromosomen mit gleicher Gestalt (also meist alle einer Mitose) die I d e n t i ~ t der sie zusammcnsetzenden Substanz, und es erseheint ihm die Homogeneit24t des ganzen Chromosomenleibes wahrscheinlich, wenn nicht gerade einzelae Teile des Chromosomas andern ver~ndernd wirkenden ~ulleren Einfliissen ausgesetzt sind, wie dies fiir die Enden der Chromosomen der ersten Teilungen yon Ascaris megalocephala, die in das Plasma hineinragen, zu sein scheint.

F/i, r b b a r k e i t d e r Chr 'o moso m e n : Die starke F~rbbarkei t der Chromoso- men wiirde sich schon uas ihrer Gelnatur erkl/~ren. Der typische ~Chromatinfarb- stoff ~ Methylenblau fiirbt z. B. auch feste Gelatine, l~'Iocken yon Ovalbumin,*kblloi- dale Kiesels/iure u. a. gut. Die F/~rbung ist u m so intensiver, je wasserKrmer das Gel ist. Aueh EiweiBkristalle sind s tark f/~rbbar. (aLa colorabilita e funzione della densi taa [D. V. S. 176]). - - Man erh/i, l t aueh schon mi t sehr verdi innten ~'arb- 16sungen (7. B. Gentianaviolett) sehr intensive F~rbungen, die sieh im Wasser er- halten, zum Tefl fis aueh saute Farben gut, was ja night anders zu erwarten [st, wenn wirklich einfaeh die Gelnatur die st/i.rkere F.Xrbbarkeit bedingt, wie das auch mir sehr wahrscheinlieh ist. Is t dies der Fall, so kann man aber auch aus der F/~rbbarkeit mit sauren Farbstoffen absolut kein Argument gegen die alte Ansieht

544 Essay.

machen, dab die Chromosomen vorwiegend Nukleoproteide seien (Sp.), bei denen bekannglich der S/iurecharakter fiber den Basencharakter fiberwiegt, nur die Hypo- these, dal3 alle Chromosomenf~rbungen einfach durch Bindung basischer Faxb- stoffe durch die _Nukleing4ure zustande k/~men, wird dadureh (wie fibrigens auch schon durch allgemeine Uberlegungen fiber das Wesen der F~rbbarkei t ) in Frage gestellt, l~brigens gilt die l~iirbbarkeit der Chromosomen mi t sauren l%rbstoffen nur fiir Fi~rbungen mit e ine m Farbstoff, aus Farbgemisehen hingegen, wie etwa dem yon E h r l i c h - B i o n d i nehmen die Chromosomen doch vorwiegend den basi- schen Farbstoff auf. Die ganze Frage steht - - um kurz zusammenzufassen-- heute also so, dab man aus den F/irbungen keinen Beweis ftir, aber auch keinen gegen die Zusammensetzung der Chromosomen aus vorwiegend sauren Nukleoproteiden machen kann. (CQntra D e l l a VaIle . )

O p t i s e h e E i g e n s c h a f t e n de r C h r o m o s o m e n : Ruhende Kerne und Ckromosomen h.aben eine gewisse O p a z i t ~ t g e g e n u l t r a v i o l e t t e s L i c h t , die um so grSi3er zu sein scheint, je dichter die betreffenden Gebilde sind. - - D. V. Eine o p t i s c h e A n i s o t r o p i e der Chromosomen konnte bisher n i c h t n a e h g e w i e . s e n werden, es l~St sich also auch auf diesem Wege k e i n Beweis ftir eine Aniso- tropie und l~istalloide Natur der Chromosomen erblicken (Sp.).

D i e K a t a p h o r e s e de r C h r o m o s o m e n : Verschiedene Zellteilungstheorien liel3en zuerst die Frage yon Interesse erscheinen, ob die Chromosomen eine elek- trische Ladung haben. Die Saehe mul3te als sehr wolff mSglich erseheinen, als man einmal fiir suspendierte Teilchen der verschiedensten Stoffe eine Wa~derung im elektrischen Stromfeld naehgewiesen hatte. ~Ffir den Biologen sind die Verh~It- nisse bei den Kolloiden yon besonderem Interesse. Bei den Suspensoiden ist die Ladung der Teilehen meist betr~chtlich, bei den Emulsoiden zum Teil sehr gering oder variabel. Es h~ngt dies in hohem MaI3e yon dem Gehalt der Stoffe an H- oder OH-Ionen ab, in der Weise, dal3 ein vsllig neutrales Emulsoid (etwa ein Eiweil3- kSrper) so gut wie keine Kataphorese zeigt, nach Zusatz einer Spur yon S~iure oder Base aber mit dem Strome wandert; zum Tell kSnnte ein negatives Ausfallen der Kataphoreseversuche mit Emulsoiden damn liegen, dab die Partikelchen typischer Emulsoide nach der allgemeinen Auffassung in sehr enger Beziehung mit dem LSsungsmittel stehen, yon diesem zum Tell durchsetzt sind und - - wohl das Ausschlaggebende - - keine scharfen Umrisse haben (Sp.). Auf diesen Punkt wiirde ich dutch die .a~ngaben yon C. Mc. C. LewisZ) au/merksahl, da dieser Autor an MineralSlemulsionen, in dem ja di~ ()ltrSpfchen schaffe Konturen haben dfirften, eine Ladung und Wanderungsgesch~vindigkeit konstatierte, die der der kolloiden Metalle sehr nahe steht! Auch die Teilchen des Gummisaftes (latex) sind e lektr i~h geladen. Andererseits weisen auch die Kolloide mit saurem Chaxakter, wie Mastix, Gerbs~4ure, Kiesels~ure und andere alle eine Wanderung zur Anode auf. Dem- gegeniiber will es sehr wenig sagen, wenn in den Beispielen, mit denen ] ) e l l a V a l l e seine ablehnende Stellung in der Fruge begrfindet, ich meine bei St~rke-, Glykogen-, Agar- und GelatinelSsungen Kataphoreseversuche ganz oder so gut wie negativ ausfaUen; sie haben absolut neutralen Charakter (Gelatine eventuell ausgenommen) und sind ganz typische Emulsoide. ~ Die Chromosomen haben scharfe Grenz- fliichen und ihr saurer Charakter kann fiir mSglich gehalten werden (con t ' r a / ) e l l a Val le) , folglieh bleibt einstweilen aueh die ~Sglichkeit einer elektrisehen Ladung aicht ausgeschlossen. - - Sp.

Die bisherigen Kataphoreseversuche mit mi(~senreichem Gewebe lassen noch sehr viel an Genauigkeit zu wfinschen fibrig. Dic ffir die Versuche absolut nStigen Angaben der GrSl3e des P0tcntialgef~lles pro em felflen z. ]3. in allen. :Della V a l l e s verniehtendem Ur~eil fiber P e n t i m a l l i s Arebeitsmethoden sehliel3e ich

z) C. Me. C. L e w i s , KoUoidzeitschr. 4, 211---212 (190{}).

Essay: 545

reich an. In Mc C l e n d o n s Arbeit bleibt das Verhalten gemde der Chromosomen �9 ira Stromfeld noch eine ziemlich fraglich e Sache, w~hrend die Wanderung der

Chromatinbrocken des ruhenden Kernes Ms ziemlich atfff~llig erscheint. Weitere Experiment~ fiber diesen interessanten Gegenstand wEren sehr erwiinscht. - - Der Einwand D e l l a Va l l e s , dab die Wanderungsgeschwindigkeit der Chromosomen iedenfalls nur gleieh sein k6nnte ihrcr eigenen Gesehwindigkeit minus der der Pro~oplasmateilchen gilt natiirlich nicht, wenn das Plasma eventueU iiberhaupt keine oder gar entgegengesetzte Ladung hat, wa-~ beides mSglieh ist.

M e t a p h a s e : In der l~fetaphase nimmt die Zahl der Chromosomenwindungen ab und der Prozentsatz an Chromosomen mit einsinniger Drehung wird grSBer. Aa vielen Chromosomen weist das Mittelstiick gar keine Windungen mehr auf. Offenbar heben sieh benachbarte entgegengesetztc Windungen allm/~hlich auf. m Die Chromosomen verkiirzen sich dann; man konstatiert haupts~ichlich eine Ab- nahme der L~ngsrichtung, eventueU auch e ine geringe Zunahme der Dieke. Die Vcrkfi~ung nimmt eigentlieh schon zu Beginn des Prophase ihren Anfang. Ein Vergleich mit der Verkiirzung der Muskelfibrillen scheint nahe zu liegen; yon der ~uBcrlichen UnEhnliehkeit und der Verschiedenheit dcr Gesehwindigkeit der Pro- zesse miissen wir natiirlich absehen, im Prinzip.k6nnte aber im einen wie im andern Falle die Verkiirzung dadurch zustande koramen, dab ein in die IA4nge gestreckter Gallertfadcn aufquillt und sich dabei - - w i c ein gespannter Gelatinefaxten bei der Quellung - - verkrirzen und verdieken muB (Sp.). Die aadere Erkl~ixungsm6glioh- keit, die D. V. in den Vordergrund stellt, ist die, dab allm~,hlich die OberflEehen- spannung des eben noch etwas fliissigen Chromosomleibes seine ViskositEt iiber- winder und eine Oberfl~ichenverminderung anstrebt, t t e i d e n h a i n beobachtete bei der Anaphase yon Mitosen im Gewebe der Salamanderlarve plStzliche, *explo- siver Verkiirzungen der Chromosomen. :N~mee beobachtete eine betr~ehtliche Verkiirzung de~" Chromosomen aus den Wt~rzeln yon Al l ium montanum bei Ein- wirkung yon Benzind~mpfen. ~ D. V.

Die S p a l t u n g der C h r o m o s o m e n : .4a~aloge Vorg~nge kSnaten die L~ngs- teilung yon ~fuskelfibrillen sein. Frir Spaltungen spreehen aueh die h/iufig vor- kommenden Padre yon zwei vollstw gleichen Stricken yon granulEren, stEbchen- f6rmigen oder filament/~ren Gebilden in den verschiedensten Zellen. ~ Teilungen kommen aueh bei Kristalloiden yon Pflanzenzellen vor. Die yon L e h m a n n be- obachteten F~lle einer spontan.en Teilung fliissiger Kristalle haben mit der Chromo- somenteilung sehr wenig ~hnlichkeit. - - In welcher Weise :Della Va l l e aus einem angenommenen Aufbau der Chromosomen aus polar gebauten Kristallmolekiilen die L/~ngsteilung abzuleiten sucht, wurde schon oben erw~,hnt. Ich habe nut noch nachzutragen, dab er noch in Erw~igung zieht, ob nieht ~die allmghlich zur Geltung kommende Oberfl~ehenspannung des Chromosomenleibes (s. o.) das Auseinander- gehen der H~lften mit sieh br ingt , Von Interesse ist dann in diesem Zusaramen- hang aueh noch, dal] man aueh vielen emulsoiden Kolloiden nicht runde, sondern ebenfalls polar gebaute, also etwa bl~ttchenfSrmige Partikel zuschreiben muB. Fiir gewShnlich befinden sie sich nicht in gesetzmgBigcr Beziehung zueinander, kSnnen jedoch unter dem EinfluB gul]erer Kr/ifte wie :Druck. und Zugspannung (Dehnung) alle in gleiche Lage gebraeht werden, so dab dann das geprel]te* oder gedehnte KoUoid (Gelatine, Tragafith, Kirschgummi usw.) sq.gar optiseh anisotrop ist. Sind nun auch die Kolloidpartikel der Chromosomer; durch irgend einen ~-uBe- rea, bci der Entstehung wirkenden Faktor in gleichmEBige Orientierung gebracht, so wiirde auch hierdurch der yon D. V. angenommene fiir die 1.5,ngsspaltung be- senders giinstige Zustand der Chromosomen hergestellt sein (Sp.). Von einer optischen Anisotropie ist, wie erw~hnt, bis je tz t freilich nichts gefunden worden. Durch die L/~ngsteilung werden die r/~,umlichen Gleiohgewiehtsverh~ltnisse der Chromosomen (die Verh~ltnisse ihrer Dimensionen zueinander) gest6rt. Am Ende

546 Essay.

der Anaphase sind sie bereits wieder hergestellt, indem die IAinge betr~chtlieh vermindert worden i s t und die Dieke zugenommen hat. ~ D. V.

T e l o p h a s e : Die F~rbbarkeit der Chromosomen nimmt in der Telophase ab. Das Chromosom nimmt besonders in transversaler Richtung zu, in longitudinaler viel weniger. AufqueUung und partielle Aufl6sung dtirften die Ursaehen der Ver- ~nderungen sein. Es entstehen diehtere und weniger diehte Partien. Die Homo- geneit~t geht also verloren. Alle Chromosomen zeigen Korrosion, welche die kleinsten am rasehesten ganz verschwinden I~Bt. ~ Dutch Einwirkung yon sehwachen Alkalien, yon Chloroform, warmemWasser, KNOa u. a. erhielten 0 e s und ~ ' ~ m e e aueh auf ktinstliehem Wege ~hnliehe Alterationen pflanzlicher Chromo- somen: Sie zeigten bedeutende AufqueUung und suehten sieh mehr oder weniger abzukugeln, bisweilen erschienen sie ganz yon Vakuolen durehsetzt. Bei starker Wirkung zeffailen sie in einzelne Granula oder sind unregelms zerkliiftet und zeigen verschwommene Konturen. Ieh bemerke zu diesen Vemuehen, dab aUe die angewandten ~[ittel (Alkalien, Narkotika, Nitrat~ usw. sich dadureh aus- zeiehnen, dab sic die Quellung yon KoUoiden erhShen, die Versuche w~ren dem. nach aueh als indirekte Beweise fiir den kolloidalen Charakter der Chromosomen zu betrachten.

Die Dispersionssteigerung und .~,uflSsung der Chromosomen ist begleitet yore A u f t r e t e n y o n K e r n s a f t . D e l i a V a l l e denkt an eine Entmisehung aus dem Plasma, die in kausalem Zusammenhang mit dem Versehwinden der Chromosomen stehen soil (s. bes. S. 248!). Aueh ieh habe mir, bevor ieh D e l i a V a l l e s Arbeiten kaante, die Entstehung der neuen kleinen Kernbl~.sehen immer als Entmisehungs- prozeB gedeutet, dachte aber an eine Entmischung des zerfallenden Chromatins, das reiehlieh eine diinne Phase (den Kernsaft) ausscheidet, die dann noeh dutch Wasserau/nahme sekund~,r zunimmt. Die bei der Entmischung zuriiekbleibende festere Phase ~heint in vielen F~llen die ganze Obeffliiehe des Kernbl~schens zu iiberziehen. Ihre Hauptmasse geht dann weiterer AuflSsung entgegen. - - Sp.

Der AuflSsungsprozeB der Chromosomen verlangsamt sich allm~hlich. Die letzten Reste der Chromosomen 15sen sieh sehr langsam auf. - - Gelegentlich finder in der Anaphase eine Teilung yon Chromosomen start; diese haben dann gerade die Dieke vor der metaphasischen Teilung stehender Chromosomen. - - D. V.

D e l l a V a l l e ist ein Gegner der Hypothesen B o v e r i s yon der verschiedenen Individualit~t der Chromosomen. Auch andere angebliehe Beweise ftir die Kon- tinuitii, t der Chromosomen, wie die Identit~t ihrer Position in der Telophase und der folgenden )[etaphase erkennt er nieht an. ~'ur in einzelnen Fi~llen 15sen sich die Chromosomen in der T~lophase nieht voUst~ndig auf und bleiben dann in diesem Zustand im Ruhekern erhalten. Ob sic dann in der n~ehsten Prophase als Kon- densationskerne fiir die neuen Chromosomen wirken kSnnen, erseheint fra~glieh, da ja die Chromosomen sieh gleieh in voller Li4nge anlegen, nieht erst allm~hlich yon einem Punkte aus wavhsen. Jedenfalls gibt es hSchstens eine partielle gene- tisehe Kontinuit~t der Chromosomen. - - D. V.