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227 12. Ueber Selbstelektrisirumrzclzy des memschUchm Kzirpers; von A do If Hey dw ei I2 er. Die nachstehenden Versuche sind auf Anregung und unter Mitwirkung des Breslauer Nervenarztes Dr. Ad1 er ansgefiihrt worden, der sich fur die medicinische Seite der Frage inter- essirte. Fur den Physiker haben sie wenigstens das Interesse, dass sie auf eine nicht unwichtige und bisher wohl kaum be- achtete Fehlerquelle bei elektrometrischen Arbeiten aufmerk- Sam machen. Dass die, Bewegungen des Korpers veranlassenden Muskel- deformationen die Quelle elektrischer Strome sind, ist lange bekannt, und namentlich E. du Bois-Reymond hat deren Art, Starke und Richtung eingehend untersucht ; wenig oder gar nicht bekannt diirfte aber sein, dass sie auch zu betracht- lichen statischen Ladungen des Kihpers ftihren, die sich nicht schnell, sondern nur allmahlich ausgleichen. Die Nadel eines Quadrantelektrometers nach Mascart sei mit einer Zambonisaule nach Elster und Geitel auf einige Hundert Volt Spannung geladen; das eine Quadranten- paar zur Erde abgeleitet, das andere mit einer isolirten Metall- platte von 15 cm Durchmesser leitend verbunden. Halt man dann eine Hand in die N&he der Platte im Abstand von 5-10 cm, ohne sie zu beruhren, und besteigt bei unveranderter Lage der Hand (am besten sie isolirt aufstutzend) einen Isolir- schemel, so giebt das Elektrometer einen betrachtlichen Aus- schlag, eine negative Ladung der Hand anzeigend, der nur langsam zuruckgeht. Die Grosse des Ausschlages, sowie die Geschwindigkeit, mit der er abnimmt , wechseln mit der Ver- suchsperson und deren Disposition, sowie mit den ausseren Bedingudgen - Temperatur, Luftfeuchtigkeit etc. Einen Ausschlag von ungefahr gleicher Grossenordnung erhalt man, wenn man der ersten Platte eine zweite in gleichem Abstande, wie vorher die Hand, gegeniib&stellt, und diese auf 15-

Ueber Selbstelektrisirung des menschlichen Körpers

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12. Ueber Selbstelektrisirumrzclzy des memschUchm Kzirpers;

von A do If H e y dw e i I 2 e r .

Die nachstehenden Versuche sind auf Anregung und unter Mitwirkung des Breslauer Nervenarztes Dr. Ad1 e r ansgefiihrt worden, der sich fur die medicinische Seite der Frage inter- essirte. Fur den Physiker haben sie wenigstens das Interesse, dass sie auf eine nicht unwichtige und bisher wohl kaum be- achtete Fehlerquelle bei elektrometrischen Arbeiten aufmerk- Sam machen.

Dass die, Bewegungen des Korpers veranlassenden Muskel- deformationen die Quelle elektrischer Strome sind, ist lange bekannt, und namentlich E. d u Bois -Reymond hat deren Art, Starke und Richtung eingehend untersucht ; wenig oder gar nicht bekannt diirfte aber sein, dass sie auch zu betracht- lichen statischen Ladungen des Kihpers ftihren, die sich nicht schnell, sondern nur allmahlich ausgleichen.

Die Nadel eines Quadrantelektrometers nach M a s c a r t sei mit einer Zambonisaule nach E l s t e r und Ge i t e l auf einige Hundert Volt Spannung geladen; das eine Quadranten- paar zur Erde abgeleitet, das andere mit einer isolirten Metall- platte von 15 cm Durchmesser leitend verbunden. Halt man dann eine Hand in die N&he der Platte im Abstand von 5-10 cm, ohne sie zu beruhren, und besteigt bei unveranderter Lage der Hand (am besten sie isolirt aufstutzend) einen Isolir- schemel, so giebt das Elektrometer einen betrachtlichen Aus- schlag, eine negative Ladung der Hand anzeigend, der nur langsam zuruckgeht. Die Grosse des Ausschlages, sowie die Geschwindigkeit, mit der er abnimmt , wechseln mit der Ver- suchsperson und deren Disposition, sowie mit den ausseren Bedingudgen - Temperatur, Luftfeuchtigkeit etc.

Einen Ausschlag von ungefahr gleicher Grossenordnung erhalt man, wenn man der ersten Platte eine zweite in gleichem Abstande, wie vorher die Hand, gegeniib&stellt, und diese auf

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A. Heydweiller.

mehrere Hundert bis zu tausend Volt ladet. Die Ladungen ruhren nicht etwa von Reibung der Kleidung am Xiirper her, denn sie entstehen auch bei unbekleidetem Korper.

Kniebeuge auf dem Scheme1 bewirkt entgegengesetzte Aus- schkge , also positive Elektrisirung der Hand, Strecken des Knies wieder negative; folgen die Bewegungen schnell auf- einander, so neutralisiren sich die entgegengesetzten Ladungen.

Sie entstehen auch bei nicht isolirtem Korper und ver- schwinden dann nur etwas schneller, ebenso auch bei anderen Bewegungen, sodass man bei Hin- und Herbewegung vor der isolirten Platte fortwahrende Schwankungen der Elektrometer- nadel beobachtet.

Contrahirt man bei der obigen Auordnung den Oberarm- muskel des der Platte zugewendeten Armes, so zeigt die Hand dieses Armes negative, beim Strecken des Muskels positive Ladung. In jedem Fall stimmt die Art der Ladung mit den nach E. du Bois -Reymond tius der Richtung der Muskel- strome folgenden elektromotorischen Krilften; Contraction des Arm- oder Beinmuskels ergiebt j a einen im Arm bez. Bein aufsteigenden Strom.

Es kann also uber die Herkunft der Ladungen ein Zweifel kaum mehr bestehen.

Dagegen ist die Frage aufzuwerfen, wo die entgegen- gesetzte Ladung bleibt. Kann man bei nicht isolirtem Korper ein Abfliessen zur Erde annehmen, so ist das bei den Ver- suchen auf dem Isolirschemel nicht moglich. Man erhalt die Auskunft, wenn man die isolirte Platte neben anderen Teilen des Korpers, z. B. neben dem Unterschenkel, aufstellt; es zeigt dieser stets die entgegengesetzte Ladung wie die Hand. Es folgt also das uberraschende Ergebnis, dass auf verschiedenen Teilen des Kbrpers entgegengesetzte Ladungen von betracht- licher Spannung langere Zeit nebeneinander bestehen konnen, im Widerspruch mit der ublichen Anschauung, die den mensch- lichen Korper den verhaltnismassig guten Leitern der Elek- tricitat zuzurechnen pflegt.

Man weiss aber auch, dass zur Durchleitung eines elek- trischen Stromes durch den Korper eine gute Durchfeuchtung der Haut an den Zuleitungsstellen erforderlich ist. Es sind also in der trockenen Epidermis Schichten yon geringem Leit-

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vermogen vorhanden, die wohl als die Trager jener statischen Ladungen anzunehmen sind.

Zur Controle wurden auch die Versuche von E. du Bois - Reymond iiber die Richtung der Muskelstrome wiederholt, und die dabei auftretenden Elektricittitsmengen der Grossen- ordnung nach bestimmt. Dabei tauchten Hand und Fuss in Glasgefasse mit Natriumsulfatlosung , die durch Heber mit anderen, Zinksulfat und Zinkelektroden enthaltenden, verbunden waren, sodass storende elektromotorische Krafte und Polari- sationen miiglichst vermieden waren. Zur Messung diente ein empfindliches d’Arsonvalgalvanometer yon Siemens & H a l s k e (1 mm Impulsivausschlag bei 2000 mm Scalenabstand gleich 2 . Coulomb). Die durch Contraction oder Dehnung des Arm- oder Beinmuskels erhaltenen ElektricitMsmengen liegen zwischen 2 und 5.10-8 Coulomb, was in Verbindung mit den vorher festgestellten Syannungen die Capacitat des Korpers zu etwa 5.10-11 Farad oder 45 cm in elektrostatischem Maasse, also einen sehr wahrscheinlichen Wert ergiebt.

Mit jeder Bewegung ist nach dem vorhergehenden eine elektrische Arbeitsleistung verbunden , die bei guter Isolirung durch eiue folgende entgegengesetzte Bewegung zum grossen Teil wiedergewonnen wird , bei schnellerem Verschwinden der statischen Ladungen aher nicht. Sie ist indessen von sehr geringem und gegen die mechanische Arbeitsleistung bei der Bewegung verschwindendem Betrage, nach obigen Messungen namlich im Maximum gleich 2,5.10-6 Joule oder 250 Erg, oder g-Gewicht-cm.

Miinster i. W., Physikalisches Institut, Marz 1902. (Eingegangen 21. Miirz 1902.)