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20 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 204. 1932 Uber Silberferrite Struktur und Polymerisation des braunen Orthoferrihydroxyds Von ALFONS KRAUSE und M. CIOKOWKA 111. Mittejlung Vor kurzem wurde aus dem Orthohydroxyd ein Silberferrit der Zusammensetzung Ag,H(FeO,), erhalten, was zu der Aufstellung folgender Strukturformel fur das Orthohydroxyd fuhrtel) : OH OH Ho~Fe-O-Fe-O-~e--O-li'e=O I . HO/ Dabei wurde noch die Moglichkeit erwogen, daJ.3 evtl. ein Vielfaches der ob@n Formel mit Seiten- und Parallelketten in Betracht kommen konnte, wobei natiirlich das Gesamtbild prinaipiell dasselbe bleiben mufite. Insbesondere ist als charakteristisches Merkmal hervorzuheben, dafi auf 4 Fe-Atome eine OH-Gruppe kommt, deren H durch Ag nicht austausohbar ist. Die OH-Gruppe bedingt den basischen Charakter des Orthohydroxyds (isoelektr. Pkt. pH = 7,7), und es ist demnach verstiindlich, da13 das lufttrockene Hydroxyd etwas GO, enthalt, wahrend die eisenige Saure (gelbes Metahydroxyd nach KRAUSE)~), deren samtliche OH-Gruppen durch Silber austauschbaren Wasser- stoff enthalten, tatsachlich im lufttrockenen Zustand GO,-frei ist. Aus einer FeC1,-Losung (5 g FeCI3.6H,O in 100 g H,O) mit Ammoniak bei etwa 200 gefalltes Orthohydroxyd, das innerhalb etwa 30 Stunden von NH', und Cl' ausgewaschen tvurde, enthielt nach dem Luft- trocknen: 67,8°/0 Fe,O,, 30,7% H,O, 1,5O/,, CO,. Der Wassergehalt ist, wie man sieht, grol3, indem auf 1 No1 Fe,O, etwa 4 Mol H,O kommen. In der obigen 4Fe-atomigen Strukturformel 1) A. KRAUSE u. K. PILAWSKI, Z. anorg. u. allg. Chem. 197 (1931), 301 (Silberferrite I); A. KRATJSE u. W. BUCZKOWSKI, Z. anorg. u. allg. Chem. 200 (1931), 144 (Silberferrite 11). - *) A. KRAUSE, Z. anorg. u. allg. Chem. I74 (1928), 145.

Über Silberferrite. III. Mitteilung. Struktur und Polymerisation des braunen Orthoferrihydroxyds

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20 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 204. 1932

Uber Silberferrite

Struktur und Polymerisation des braunen Orthoferrihydroxyds Von ALFONS KRAUSE und M. CIOKOWKA

111. Mittejlung

Vor kurzem wurde aus dem Orthohydroxyd ein Silberferrit der Zusammensetzung Ag,H(FeO,), erhalten, was zu der Aufstellung folgender Strukturformel fur das Orthohydroxyd fuhrtel) :

OH OH Ho~Fe-O-Fe-O-~e--O-li'e=O I . HO/

Dabei wurde noch die Moglichkeit erwogen, daJ.3 evtl. ein Vielfaches der ob@n Formel mit Seiten- und Parallelketten in Betracht kommen konnte, wobei natiirlich das Gesamtbild prinaipiell dasselbe bleiben mufite. Insbesondere ist als charakteristisches Merkmal hervorzuheben, dafi auf 4 Fe-Atome eine OH-Gruppe kommt, deren H durch Ag nicht austausohbar ist. Die OH-Gruppe bedingt den basischen Charakter des Orthohydroxyds (isoelektr. Pkt. pH = 7,7), und es ist demnach verstiindlich, da13 das lufttrockene Hydroxyd etwas GO, enthalt, wahrend die eisenige Saure (gelbes Metahydroxyd nach KRAUSE)~), deren samtliche OH-Gruppen durch Silber austauschbaren Wasser- stoff enthalten, tatsachlich im lufttrockenen Zustand GO,-frei ist. Aus einer FeC1,-Losung (5 g FeCI3.6H,O in 100 g H,O) mit Ammoniak bei etwa 200 gefalltes Orthohydroxyd, das innerhalb etwa 30 Stunden von NH', und Cl' ausgewaschen tvurde, enthielt nach dem Luft- trocknen: 67,8°/0 Fe,O,, 30,7% H,O, 1,5O/,, CO,.

Der Wassergehalt ist, wie man sieht, grol3, indem auf 1 No1 Fe,O, etwa 4 Mol H,O kommen. In der obigen 4Fe-atomigen Strukturformel

1) A. KRAUSE u. K. PILAWSKI, Z. anorg. u. allg. Chem. 197 (1931), 301 (Silberferrite I); A. KRATJSE u. W. BUCZKOWSKI, Z . anorg. u. allg. Chem. 200 (1931), 144 (Silberferrite 11).

-

*) A. KRAUSE, Z . anorg. u. allg. Chem. I74 (1928), 145.

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betragt das Verhaltnis Fe,O,:H,O = 1 :1, und das ubrige Wasser ist vielleioht als Kristallwasser (auch kapillares Wasser) aufzufassen. Adsorbiertes Wasser (nach Art der Flussigkeitshullen im Metahydr- oxyd) ist kaum vorhanden, wie seinerzeit aus der Art des Luft- trocknens (am Glase nicht haftende Brocken) und der Peptisations- unfiihigkeit der Trockensubstanz gefolgert wurde.

In der vorliegenden Arbeit sind nun Versuche ausgefuhrt worden, die zugunsten der obigen 4Fe-atomigen Formel sprechen.

Die Silberbindung durch Orthohydroxyde verschiedener Fillungen

Es wurde zu weit fuhren, die groBe Anzahl der von uns durch- gefiihrten Versuche der Reihe nach wiederzugeben, die schlieBlich zur Auffindung derjenigen Versuchsbedingungen fuhrten, bei welchen sich die Polymerisation des Orthohydroxyds durch die Silberferrit- synthese erfassen lieti. Es sei hier nur das Wesentliche gesagt. Zur Darstellung des Silberferrits Ag,H(FeO,), aus Orthohydroxyd wurde nach A. KRAUSE und K. PI LAW SKI^) derart verfahren, da13 ein Losungsgemisch von Perrinitrat und Silbernitrat (Oberschufi) in die ununterbrochcn kochende Natronlauge (C02-frei)2) in kleinen An- teilen eingetragen und in der Regel 'I2 Stunde gekocht wurde. Der UberschuB des rlieht gebundenen -4g20 wurde durch Waschen rnit Arnmoniak in Jer Kalie entfernt, was rnehrere Tage dauerte. Wurden nun d e Versuchsbedinpungen derart modifiziert, daB zuniichst nur Ferrintrat in die Natronlauge eingetragen wurde und das gefiillte Ortholydroxyd noch 3 Minuten lang in der NaOH-Losung kochte, worau das Silbernitrat hinzngefugt und das Reaktionsgemisch weiter

Stinde lang gekocht wurde, so wurde nach Entfernung des iiber- schusqen Ag,O ein Korper erlialten, der in der Farbe, in der Art des Lufttrcknens und insbesondera in seiner chemischen Zusammen- setzun, sich vollig von dem obigen Silberferrit nach KRAUSE und PILAWKI unterschied. Seine Zusammensetzuq entsprach dem Ver- haltnisAgzO :Fe,O, = 1 : 1. Die Konzentration der NaOH-Losung betrug ach Fiillung des Orthohydroxyds 0,s n bis 1,2711, nach er- folgter blberferritsynthese 0,48 n bis 0,94 n-NaOH. Die Versuohe wurden un in bezug auf die Konzentration der NaOH-Losung sowie auf die Eochdauer des gefallten Orthohydroxyds modifiziert, und es ergabemich die folgenden Resultate:

1) , KRAUSE u. K. PILAWSKI, 1. c. 2) a kann auch ebensogut carbonatheltige NaOH-Losung benutzt werden.

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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Ghemie. Band 204. 1032

Tabelle 1 'Silberferrite aus Orthohydroxyd, das in NaOH-Losungen 3 Minuten

lang gekocht wurde

Normalitit der NaOH. osung Loslichkeit Die Analyse

Silberferrite Zu 50cm3 n. Fal- wcher- d. gekochten der lufttrockenen

kochender NaOH Ferri- lung de folgter

hydr- ox& these

wurde hinzugeftigt Fmi- hydroxyds in1 sp- I Eisessig I Ag,O: Fe,O,

I 100 01113 Fe(NO,),-

I Fe203), nach 3 Nin. I 72cm%1/1O-AgNO,- I Lasung

Losung (=0,2878 g I :'itn 1'27

0,099 n J

laslich 1 : 1,20 1,03 n 1 : 1,06 0,94 n , 1 : O,B9 0,75 n ,, ~ 1 : 1,02 0,48 n ,3 1 1 : 1,035 0,057 n nicht vollig ~ 1 : 1,30

0,94 n - 1 1 : 1,13 loslich ~

Wie Nr. 1-6, doch 1,27 n wurde das Ferrihydr- oxyd 10Mi. gekocht

Die Zahlen sind Mittelwerte einer Reihe gut iibereinstimmender Analyeen- erge bnisse.

H,O (Diff . ) 5,15 3,on 2,lO 2,53 1,91 4,98

3,45

Man sieht, daIj unter gewissen Versuchsbedingungen (in einem ziemlich breiten Gebiet der NaOH-Konzentration) ein Silberferrit aus Orthohydroxyd erhalten wird, dessen Zusammensetzung Ag,O : Fe,O, =1:1 entspricht (Nr. 3, 4, 5 in Tabelle 1). Bisher konnte ein Silber- ferrit dieser Zusammensetzung nur ELUS der eisenip.i Siiure bew. y-FeOOH in groBer Annaherung erhalten we:den.l) I n struktureller Beeiehung haben jedooh die beiden emprisch ubereinstimnenden Silberferrite nichts miteinander zu tun. Das Orthohydroxyd st ein sehr labiler und aktiver Korper, der einer weitgehenden PoPmeri- sation unterliegt, die auf Grund seiner Strukturformel versthdlich ist. Unter dem EinfluB der OH-Ionen erleidet das Orthohysoxyd leicht VerBnderungea2) Die Polymerisation kommt durch osung der Eisen-Sauerstoffdoppelbindung zustande, die in der 4Fe-atmigen Strukturformel vorhanden ist. Befinden sich 2 Molekule M h o - hydroxyd in folgender Stellung

HO I I I I HO/ HO so resultiert ein 8Fe-atomiges Molekiil:

OH OH OH OH

Fe-0-Fe-0-Fe-C-Fe=O , Ho> 'Fe-0-Fe-0-Fe-0-Fe=O ,

HO

HO/ ~FeO-(FeOOH),-Fe=O ,

1) A. KRAUSE u. K. PILAWSKI, 1. c.; A. KRAUSE u. W. Bucmom, 1. c. z, A. KRAUSE, Z . anorg. u. allg. Chem. 176 (1928), 398.

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das auf 8Fe-Atome 7 durch Silber austauschbare Wasserstoffe ent- halt, und das Verhaltnis hg:Fe betrtgt 7:8 = etwa 1 : 1,14 statt 3:4 bzw. 1:1,33 im einfachen Molekul. Wird nun die Kette ]anger, so verschiebt sich des Verhaltnis immer mehr zugunsten des Silbers, und man nahert sich asympt'otisch dem Verhiiltnis Ag : Pe = 1 : 1. Die Silberferrite dieser langkettigen Polyorthohydroxyde sind rot (Stich violett) und bilden keine Brocken beim Trocknen an der Luft. Der Wassergehalt der lufttrockenen Substanz ist klein (etwa 2O/J. Sie sind in 30%iger HNO, in der Ktlte leicht loslich.

Der Gesamtwassergehalt des lufttrockenen Polyorthohydroxyds betriigt etwa 25%. Beim Trocknen an der Luft entstehen fast schwarze, am Glase nicht haftende Brocken, die vielleicht etwas kleiner und glgnzender sind als die des frischen Hydroxyds. Das frische Hydroxyd sowie das Polyorthohydroxyd sind leicht loslich in Eisessig.

AuBer dem die Polymerisation begunstigenden EinfluB der OH- Ionen ist noch ihr peptisierender EinfluDl) zu beriicksichtigen, der naturgemao mit zunehmender NaOH-Konzentration sich mehr und mehr geltend macht und einer zu weitgehenden Polymerisation ent- gegenwirkt ; nur so ist erklarlich, daB das in > 1,27 n-NaOH 3 Minuten lang gekochte Orthohydroxyd weit weniger polymerisiert ist als das in 0,8 n bis 1,27 n-NaOH gekochte Hydroxyd, was in der geringeren Silberbindung zum Ausdruck kommt (vgl. Tabelle 1, Nr. 1, 2). Man hat es in dem Falle offenbar mit Gemischen von kurzkettigen und langkettigen Orthohydroxyden zu tun. Bei sehr konzentrierten Laugen ist der peptisierende EinfluB sehr groB und kann schliefilich zur Auf- teilung der Primarteilchen fuhren : Das Orthohydroxyd wird gelost und man erhiilt eine molekulardisperse Natriumferritlosung. Wir haben uns ubereeugt, daB erst in > 6 n-NaOH-Losung das Ferri- hydroxyd loslich ist.

Umgekehrt nimmt mit sinkender NaOH-Konzentration der pepti- sierende EinfluB ab, dagegen nimmt die Polymerisation eu, und es konnen auch anders gebaute (ringformige) Individuen entstehen, wobei auch Dehydratation eintreten kann. Das in 0,Ol n-NaOH ge- kochte Orthohydroxyd enthielt vie1 in Eisessig unlosliches gelbes Hydroxyd (Goethit) und besteht offenbar aus Polyorthohydroxyd (Ag:Fe = 1 :1) nebst Goethit, der bekanntlich kein Ag bindet2), so

1) Vgl. J. CIOIIOWSKI, Diplomarbeit (1930). 2) Vgl. Z. CZAPSIA, Z. anorg. u. dlg. Chem. 191 (1931), 306.

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daB die Mischsubstanz mehr Eisen eeigte, als dem obigen Verhaltnis 1 : 1 entspricht.

Bei langerer Kochdauer (10 Minuten statt 3 Minuten) inacht sich offenbar der EinfluB der Dehydratation bemerkbar l) (vgl. Tabelle 1, Nr. 7).

Daran anschliel3end wurden nun Versuche ausgefiihrt, bei welchen das Erhiteen des Ort,hohydroxyds in der Natronlauge miiglichst ver- mieden wurde. Der polymerisierende EinfluB des alkalischen Milieus war jedoch nirgends zu vermeiden, ja, es zeigte sich, dal3 man das Orthohydroxyd mit NaOH aus Ferrisalzlosung uberhaupt nicht im unpolymerisierten Zustand fdlen kenn. Ein tier Fnrmel Ag,H(FeO,), entsprechendes Ferrit konnte selbst in dem Falle nicht erhalten werden, wenn clas Orthohydroxyd mit NaOH his zur aul3erst schwach alkalischen Reaktion kalt gefallt und nach sofortiger Zugabe von iiberschiissiger AgN0,-Losung in die ununterbroclien kochende Natron- lauge in kleinen Anteilen nach der Vorschrift von A. KRAUSE: und K. PILAWSKI eingetragen wurde (vgl. Nr. 4, Tabelle 2)

Tabelle 2

1 Normalitiit I Analyse der ,nxh erfolgter lufttrocknen Silberferrite Ausfiihrung der NaOH 1

der Silberferritsynthese Synthese 1Ag,O : Fc,O, ~O/@HI,0 (Diff.)

-~ - . ~ - ~ ~ - -_ Zu kalter NaOH ( UberschuB) wurden 100 cm3 Fe(NO,),-Lsg. (= 0,2878 g Fe,O,) zugegeben, nach 2Minuton 72cm3 n'10- AgN0,-Losung, dann gekocht

Wie Nr. 1 Wie Nr. 1, doch wurde koch. NaOH verwendet und die ilgNO,-Lsg. sofort zugegeben Nach Fallung dee Orthohydr- oxyds(ka1t) mitgeringemuber- schul3 n/lO-NaOH und Zugabe von 72 cm3 n/lO-AgN0,-Lsg. wurde Losungsgemisch in koch. NaOH in kleinen Anteilen ein-

getragen

0,05 n 1 : 1,15 0,05n 1 1: 1,11

1 : 1,23 i

1,07 n I

2,24 1,98

4.40

Auf diesen Befund hin erhob sich naturgemaB die Frage, ob es uberhaupt moglich sei, unpolymerisiertes Orthohydroxyd zu f8llen. Entsprechende Versuche hat A. LEWANDOWSKI~) ausgefiihrt, und er konnte zeigen, daB ein aus FeC1,-Losung mit dmmoniak kalt gefiilltes

') Vgl. J. ClCHOWSKI, 1. C.

z, A. LEWANDOWSEI, Diplomarbeit (1931).

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A. Krause 11. M. Ciokbwna. ober Silberferrite 25

Hydroxyd pralrtisch unpolymerisiert ist. Allerdings mul3te das Priiparat miiglichst schnell von der Hauptmenge der anhaftenden Elektrolyte gewaschen werden, da mit der Zeit die Polymerisation sich starker geltend machte.

Tabelle 3 Silberferrite aus ammoniakgefillltem Orthohydroxyd

Waschdauer des Ausfuhrung der Silber- AgzO : B'e20$ im luft- ferritsynthese trocknen Silberferrit Orthohydroxyds

~

Nr. I ~ ~~ _ _ _ _ _ __ ~ - .- _ _ _ _ _ ~ ~ ~-

I 2

sehr Im Vergleich mit der Natronlauge ist eine Ammoniaklosung jedenfalls ein ,,schonendes" Filllungsmittel.

Diskussion

Rekanntlich ist das Orthohydroxyd ein sehr aktiverl) und leicht veriinderlicher Korper, indem das unter Wasser aufbewahrte Gel ,,altert", was schon auBerlich an der dahei auftretenden Farbiinderung zu erkennen ist. Dieser Alterungsvorgang fiihrt bei Zimmertemperatur leteten Endes ZIX Goethit bzw. a-FeOOH lwahrscheinlich iiber Hydro- hamatit2)J und wird nach KRAUSE~) durch OH-Ionen auBerordentlich beschleunigt . Nach unseren Untersuchungen lrann die Alberung als ein Polymerisationsvorgang des Orbhohydroxyds erkliirt werden, der auf Grund seiner Strukturformel verstandlich ist, was schon oben be- sprochen wurde.

Bemerkenswert ist, da13 nur die freien Orthohydroxydmolekule beim Kochen in Natronlauge der Polymerisatinn unterliegen, nicht dagegen das Silberferrit Ag,H(FeO,),, obwohl das Ferrit eine OH- Gruppe und den an Fe doppelt gebundenen Sauerstoff enthiilt und bei der Synthese nach KRAUSE und PILAWSKI (1 G . ) in Natronlauge gekocht wird. In der Strukturformel des Orthohydroxyds hat aber die eine der beiden OH- Gruppen (am ersten Fe-Atom) basischen Charakter, und ihr Wasserstoff ist daher nicht austauschbar und unbeweglich, so daB er zur Losung der Eisen-Sauerstoffdoppelbindug nicht be- fiihigt ist.

Die Auffassung der langkettigen Molekiile, %vie sie bei der Poly- merisation des Orthohydroxyds entstehen, wird ubrigens auch von

I) G. F. H ~ ~ T T I G u. H. GARSIDE, Z. anorg. u. allg. Chem. 178 (1929), 49;

2) 0. RUFP, Ber. 34 (1901), 3420; G. F. HUTTIC u. A. ZORNER, Z. Elektro-

8, A. KRAUSE, 1. c.

G. F. HiiTTIa u. A. ZORNER, Z. anorg. u. allg. Chem. 184 (1929), 180.

chem. 36 (1930), 259.

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JANDER und WINK EL^) vertreten. Die Entstehnng der Ketten (Hydro- lyse von Ferriperchloratlosungen) ist dabei durch Aggregation der Molekule unter Wasseraustritt gedacht. Solche Kondensationen durften unter Umstanden von groBer Bedeutung sein.

AuBer den bei der Polymerisation resultierenden langkettigen Molekulen konnten eventl. noch Molekule mit Seiten- und Parallel- ket ten ents tehen : €IO\,OII

Fe I 0 I

IPe - OH\

OH Diese Fassung wurde empirisch der 4Fe-atomigen Formel gleich-

kommen, da auf 8 Fe-Atome 6 durch Ag austauschbare Wasser- stoffe vorhanden sind. Verfolgt man nun die Polymerisation dieser Molekiile, so kann man selbst im extremen Fall niemals den Zustand erreichen, wo die Anzahl der durch Ag ersatzfahigen Wasserstoffe praktisch dem Verhlltnis 1 : 1 gleichkommt. Der Wert 1 : 1,14 wird praktisch nicht uberschritten, da bei n Molekulen Orthohydroxyd

(mit 8 Fe-Atomen) das Verhlltnis __ =

Noch ungunstiger liegen die Verhaltnisse bei Polymerisation von 12Fe-atomigen Molekulen mit Seiten- und Parallelkette. Bestenfalls wurde hier die Polymerisation zu dem Verhaltnis der ersatsfahigen H

zu Fe bzw. -=- fuhren, d. h. praktisch 1 : 1,20 nicht

iiberschreiten. Urn praktisch das Verhaltnis Ag: Fe = 1 : 1 zu er- reichen, muBte man sich eine Polymerisation der groBen Molekule (mit Seitenkette bsw. mit Seiten- und ParalleIkette) uberwiegend rnit kleinen, 4Fe-atomigen Orthohydroxydmolekulen vorstellen.

Auf Grund dieser Erwagungen kommen wir zu dem bemerkens- werten Resultat, daB die Primiirteilchen des frisch geflllten Ortho- hydroxyds vornehmlich aus einfachen, 4Fe-atomigen Molekulen be- stehen, die offenbar durch Restvalenzen zusammengehalten werden. Ahnliche Vermutungen hat schon HABER~) ausgesprochen, wobei u. a.

Ag + (n - ') betrGgt. Fe 8n

Ag g n - t ( n - 1 ) F e 12 n

G. JANDER u. A. WINKEL, Z. anorg. u. allg. Chem. 193 (1930), 1. 2, F. HABER, Naturwissensch. 13 (1926), 1010.

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A. Krause u. bf. Ciokbwna. Uber Silberferritc 27

auch die Existenz eines Hydroxyds der Formel Fe(OH), als unwahr- scheinlich hingestellt wnrde. Trotzdem halten wir es fiir zweckmiiBig, die Rezeichnung ,,Orthohydroxyd" beizubehalten, da das Hydroxyd im lufttrockenen Zustand viel, und zwar iiberwiegend nicht adsor- biertes Wasser enthiilt, weit mehr als der Gesamtwassergehalt der kristallisierten gelben Hydroxyde betrligt.

Bei der Polymerisation des Orthohydroxyds tritt eine gewisse Ordnung der Molekiile ein, die aber zur Schaffung des kristallinen Zustands noch nicht ausreicht. Diese langkettigen Gebilde, die schatzungsweise mindestens40-50Fe-Atome enthalten, sind gleich dem frischen Orthohydroxyd in Eisessig loslich. Die Polymerisation vollzieht sich offenbar im Rahmen desselben Primarteilchens. Das Molekular- gewicht des Orthohydroxyds wiirde demnach ungefahr 4000 betragen.

Kristallisierte gelbe Hydroxyde, deren leichtes Entstehen aus dem Orthohydroxyd unter dem EinfluB von OH']) beobachtet wurde2), konnen ebenfalls durch Polymerisation des Orthohydroxyds abgeleitet werden, und zwar durch Polymerisation ,,unter erhohtem Ordnungs- grad". Bei folgender Anordnung3) entstehen ringformige Gebilde, die in Eisessig unloslich sind und auf 16 Fe-Atome 16 ersatzfahige H enthalten: 0-==o

0- t) Die Struktur dieses Kijrpers erinnert lebhaft an die der eisenigen

Siiure bzw. y-FeOOH, deren ringformige Struktur vor kurzem von KF~AUSE und PI LAWS^) befiirwortet worden ist. Auch die Betrach- tungen HUTTIC'S und ORN NEB'S') sprechen fur eine ringformige Struktur des durch Luftoxydation von Fe(OH), unter Wasseraustritt entstehenden gelben kristallisierten Monohydrats:

Fe(OH), Fe(OH), 0,

Fe(OH), Fe(OH), ___ 1) A. KRAUSE, 1. c. Erklirt wurde seinerzeit diese Umwandlung durch

den Unterschied in der Lage der isoelektrischen Punkte des Orthohydroxyds (PH = 7,7) und des Metahydroxyds bzw. der eisenigen SLure (pa = 5,2). Tat- sSichlich ist auch der Saurecharakter der Polymerisatiomprodukte viel aus- geprigter ah beim Orthohydroxyd.

2) Vgl. J. Born, Z. anorg. u. allg. Chem. 149 (1925), 203; vgl. A. LEWAN-

3) Das Schema - = 0 bedeutet ein 4Fe-atomiges Orthohydroxyd-

4) A. KRAUSE u. K. PILAWSKI, 1. c. G. F. HUTTIC u. A. ZORNER, 1. c.

DOWSEI, 1. C.

moIekiil.

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KRAUSE und PILAWSKI sind auf Grund anderer Uberlegungen auf die ringformige Struktur gekommen.

Die dnzahl der zu einem Ring sich polymerisierenden Ort8ho- hydroxydmolekiile kann natiirlich verschieden groB sein ; mir haben in der obigen FaSsung an eine quadrimolekulare Polymerisation ge- dacht, mom uns besondere Grunde veranlaBt haben. Tor kurzem ist namlich von C. CAILIUS~) gezeigt worden, da13 dem Ferroferrit, das nach der Auffassung von A. K R ~ U S E und J. TULECKI~) sowie von C. CARIUS~) als Salz der eisenigen Saure (y-FeOOH) anzusehen ist, das Gitter des Magnetis zukommt. Nun besteht der Elementarwiirfel des Magnetits4) aus 8 Molekeln FeII(FeIIIO,), und enthalt somit 16 an- ionische FeIII-Atome, was dcr oben angegebenen Ringstrulitur ent- sprechen wurde. Das Molekulargewicht der eisenigen SEiure bzw. y-FeOOH ist also n-ahrscheinlich ein Vierfaohes des Orthohydroxyds, d. h. mindeatens 15000.

Da aus der eisenigen Saure, besonders aus der ,,arnorphen", der Goethit (cx-FeOOH) entstehen kann5), so durfte aixch ihm eine ring- formige Struktur znkommen, und der AlterungsprozeB des Ortho- hydroxyds ware als ein Polymerisationsvorgang anzusehen, wobei auch - insbesondere bei der letztgenannten Umwandlung - mit einer Aggregation der Molekiile zu rechnen ist und oft noch Dehydrationserscheinungen zu beriiclisichtigen sind.

I) C. CARIUS, Z. anorg. u. allg, Chem. 197 (1931), 254. ") A. KRAUSE u. J. TULECKI, Z. anorg. u. dlg. Chem. 195 (1930), 228.

4 ) Vgl. GMELINS Handb. d. anorg. Chem. 8. Aufl. (Eisen) B, 1 (1929), 46. 5 , Wird in Kiirze veroffentlicht.

3) c. CARIUS, 1. c .

Pose%, InInstitut f i ir an.organische Chemie der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 27. November 1931.