Upload
doanthuan
View
216
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Übergewicht im Kindesalter-Fakten, Trends, Handlungsstrategien
Sögel, den 24. Januar 2009Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Gliederung des Vortrags
1) Einleitende Bemerkungen
2) Sichtweisen von Kindheit
3) Problemfelder – Beschreibung und Analyse
4) Ansätze für Lösungen
5) Schlußbemerkungen
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Der Zustand einer Generation?
„Generation XXL – Deutsche Kinder werden immer dicker.“
„Fett, faul und fernsehsüchtig.“
„Generation f@t“
„Die Einhand-Esser“
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Der Zustand einer Generation?
„Sind Deutschlands Schüler doof?“
„Der PISA-Schock!“
„Vom Volk der Dichter und Denker zum Volk der Deppen und Dicken?“
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Der Zustand einer Generation?
„Stress und Ängste plagen den Nachwuchs.“
„Unsere Kinder werden Sozialkrüppel.“
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
„Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet
die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander
und tyrannisieren ihre Lehrer.“
Sokrates, 470-399 v. Chr.Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Veränderte Kindheit (Schmidt 2006, Hirtz 2007, Kretschmer & Wirszing 2007)
• Verhäuslichung• Verinselung• Verplanung• Verstädterung• Mediatisierung• Veränderte Sozialstrukturen• Veränderte Ernährungsgewohnheiten• Veränderte Kinder- und Erwachsenenrollen
„Gleichzeitigkeit und Dichte der Veränderungen“
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Vom „Homo Sapiens“ zum „Homo Zappiens“?
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Homo Zappiens Homo Sapiens
• Multitasking • Monotasking
• Vernetztes Denken • Lineares Denken
• Digital • Analog
• Lernen durch Spielen • Lernen oder Spielen • Fantasievoll • Realitätsbezogen
• Konventionelle • HochgeschwindigkeitGeschwindigkeit
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Heranwachsende heuteSonnenseite
Hoffnungsträger unserer Gesellschaft mit der
Chance zur Gestaltung eines eigenen Lebensstils
SchattenseiteRisikogruppe mit physischen
und psychosozialen Defiziten
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
ZukunftZukunft20402040
30 kg/m30 kg/m22
GegenwartGegenwart20002000
26 kg/m26 kg/m22
VergangenheitVergangenheit∼∼19601960
median 21 kg/mmedian 21 kg/m22
BMI (kg/mBMI (kg/m22))
Übergewicht FettleibigkeitNormalgewicht
(Danielzik, 2004)14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44
Die übergewichtige Gesellschaft Untergewicht Extreme Fettleibigkeit
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
„Deutsche haben in der Moppel-Liga den Bauch vorne“(Pressemeldung August 2007)
„ 2/3 der Männer und ½ der Frauen sind übergewichtig“(DGE 2008)
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Folge 1: Steigendes Übergewicht bei Kindern
Folge 2: Steigendes Gesundheitsrisiko
Folge 3: Geringere Leistungsfähigkeit
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Gesundheitszustand der Heranwachsenden (KiGGS,2006)
Anteil normalgewichtiger, dicker und dünner Kinder zwischen 0 und 17 Jahren
78%
9%6%2% 5%
normalgewichtig
übergewichtig
adipös
starkuntergewichtiguntergewichtig
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Übergewicht bei Kindern (KiGGS 2006)
Alter Übergewicht Adipositas
0 bis 2 7,8% 3,9%3 bis 6 6,2% 2,9%7 bis 10 9,0% 6,4%11 bis 13 11,4% 7,2%14 bis 17 8,6% 8,5%
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Ein wichtiger Moment:Die Einschulung ....
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
.... oder Einstuhlung?
Das Stillsitzen war einmal ein Qual für die Kleinen; nun tun sie es freiwillig!!!
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Kindheit ist die kritische Alterspanne
• Tracking (aus dicken Kindern werden dicke Erwachsene)
• Lebensstile (werden in Kindheit und Jugend angelegt)(vgl. Whitaker et al. 1997; Brettschneider et al. 2004; Zwiauer 2005, Völker, 2008)
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Kinder und Jugendliche
Prognose für die USA:
Im Jahre 2030 leiden 30% der 30jährigen an Altersdiabetes
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Was sind die Ursachen von Übergewicht?
…. eine einfache Erklärung!Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Energieverbrauch Energieaufnahme< = Positive Energiebilanz
Gewichtszunahme
….aber doch kompliziert!
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Ursache für die Entstehung von Übergewicht ist ein noch unentschlüsseltes
Zusammenspiel von...
• genetischer Prädisposition
• Lebensstil
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
• Der menschliche Genpool hat sich seit 10.000 Jahren substanziell nicht verändert
• Daher gerät der Lebensstil in den Fokus der Aufmerksamkeit
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Die üblichen Verdächtigen:• Ernährung
• Medienkonsum
• Bewegung
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
• XXL – Portionen
• ungünstige Verteilung
• zu fett
• zu süß
• zu wenig Ballaststoffe
• zu wenig Gemüse
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Gesamtenergieaufnahme sinkt im Verlauf der letzten Jahrzehnte – bei
allerdings ungünstiger Verteilung der Nahrungsmittel
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Fernseher
Videorecorder/DVD
HandyComputer
ComputerspieleGame-Boy
Spielekonsole
MP 3 - Player
Medienbesitz bei Kindern und
Jugendlichen
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Mediennutzung
Brettschneider & Naul 2004; Medienforschung ORF 2004
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
92
48
95
8578
59
48
71
20
40
60
80
100
1998 1999 2000 2002 2003 2004
%
Fernsehen Radio Zeitung lesen Computer
(erstellt nach Daten des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest, 1998-2004)
Mediennutzung von Heranwachsenden in Europa
• variiert in Europa nach Alter, Geschlecht und Region• im Durchschnitt 90-120 Min/Tag• in der EU über 25 % „Dauerseher“
(> 4 Std./Tag)
• ca. 60-90 Min/Tag• ca. 13 % „Computerfreaks“ (> 3 Std./Tag); • ca. 24 % am Wochenende
(Brettschneider & Naul 2006)
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Fernsehen für Babys
• Fernsehprogramm für Kleinkinder (von1/2 bis 3 Jahre)• seit Ende Oktober 2008 in Deutschland (NRW und
Hessen)• Kritik der Medienpädagogen• entwicklungsgefährdend, da keine emotionale
feinfühlige und ganzheitliche Interaktion
(Becker-Stoll, 2009)
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Tagesablauf eines Kindes
9 Stunden liegen9 Stunden sitzen
15-30 Minuten Sport
5 Stunden stehen
1 Stunde bewegen davonProf. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Wie sieht es mit der Leistungsfähigkeit aus?
• 6-Minuten-Lauf bei 10-Jährigen (1976:1024m; 1996: 876m) (Kuhn, 2003)
• Standweitsprung bei 11-Jährigen (im Vergleich 1974-2003: 10-20cm Verlust) (Dordel, 2003)
• verschiedene motorische Grundeigenschaften (1975-2000: 10-15% Verlust) (Bös, 2003)
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Wie sieht es mit der Leistungsfähigkeit aus?
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Sit-ups
141516171819202122
1975 2000
Anz
ahl i
n 30
sec
Differenz in Prozent: Jungen = +6,1; Mädchen = +11,2
20m-Lauf
4,2
4,4
4,6
4,8
5,0
5,2
1975 2000
(m/s
)
Differenz in Prozent: Jungen = -10,3; Mädchen = -10,3
6-Min-Lauf
2,52,72,93,13,33,53,73,94,14,3
1975 2000
(m/s
)
Differenz in Prozent: Jungen = -24,7; Mädchen = -15,8
12-Min-Lauf
2,3
2,4
2,5
2,6
2,7
2,8
2,9
3,0
1975 2000m
/s
Differenz in Prozent: Jungen = -11,3; Mädchen = -14,1
6-Min-Lauf 12-Min-Lauf 20m-Lauf
1975 1975 19752000 2000 2000Rumpfbeugen
-2
-1
0
1
2
3
4
5
6
7
1975 2000
cm
Standweitsprung
145
150
155
160
165
170
175
1975 2000
cm
Differenz in Prozent: Jungen = -10,3; Mädchen = -6,5
Rumpfbeugen Standweitsprung Sit-ups
1975 19752000 2000 2000
Jungen
M ädchen
JungenMädchen
1975
(Bös, 2003)
Mangelnde Koordinationsfähigkeit
• 35 % der Kinder können nicht 2 oder mehr Schritte rückwärts balancieren
• 86% der Kinder können nicht 1 Minute einbeinig auf einer T-Schiene (3cm breit) Balance halten
• 43% der Kinder erreichen nicht das Fußsohlenniveau bei Rumpfbeugungen
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Beispiele für körperliche Inaktivität im Alltag:
• Im Jahr 2000 verbrachten 6- bis 9-jährige Schweizer Kinder 80 Minuten pro Tag im Auto, Bus oder Zug
• Verdopplung der Anzahl britischer Kinder, die von den Eltern mit dem Auto zur Schule gefahren werden
• In Deutschland kamen in den 60er Jahren drei Kinder auf ein Auto; heute sind es drei Autos pro Kind
• Schulsport Quo vadis?
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Sport- und Bewegungskarriere der frühen Kindheit
• vom Maxi-Cosi zum Mama-Taxi
• von Draußen nach Drinnen
• von großräumigen zu kleinräumigen Bewegungen
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Körperliche Aktivität und kognitive Entwicklung
Erklärungsansätze (nach Sibley & Etnier, 2003):
• (neuro-) physiologische Prozesse
• lerntheoretische Wirkmechanismen
• Kombination der Erklärungsansätze
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
2001 Grade 5 SAT 9 and Physical Fitness S
29 32 36 40 46
55
36 40 45 5058
71
0 10 20 30 40 50 60 70 80
1 2 3 4 5 6
Number of Fitness Standards Achieved
SAT
9 Pe
rcen
tile
Reading Mathematics
Quelle: National Association for Physical Education and Health 2003
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Die Abbildung zeigt den motorischen Quotienten als Ausdruck der Gesamtkörperkoordination in Bezug zur Klassifikation der quantitativen Leistung des DLKEs (Konzentrationsleistung). Die Kinder aus der Gruppe „weit überdurchschnittlich“ schnitten auch im KTK am besten ab.
Quelle : Graf et al. 2003
Ursache – Wirkung?
„Toben macht schlau?“
„Toben ist schlau!“
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Evaluationsstudie (Dordel & Breithecker 2004)
• Entwicklung der Konzentrationsleistung (GZ-F) am Schulvormittag
• Bewegungspausen während des Unterrichts und bewegtes Lernen (Klasse A)
• Bewegungsangebote in den Pausen (Klasse B)
• Klasse C: Kontrollklasse
0
100
200
300
400
500
600
1. Stunde 3. Stunde 5. Stunde
GZ-
F
Klasse AKlasse BKlasse C
• Längsschnittstudie (4 Jahre)• 8 Minuten Bewegung pro Schulstunde• Signifikant positive Effekte zugunsten der „bewegten
Grundschule“ nur im Bereich Koordination: Ballgeschicklichkeit, Zielgenauigkeit, Gewandtheit, Reaktions-, Rhythmusfähigkeit
• Keine signifikanten Unterschiede im Vergleich zu Kontrollschulen in Konzentrationsleistung, Schulleistungstests, Lernfreude und konditionellen Tests
• Schlussfolgerung der Autoren: immerhin gleich gute kognitive Leistungen obwohl weniger Unterrichtszeit
Evaluationsstudie (Müller & Petzold 2002)
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Wir müssen etwas tun ....
und zwar möglichst früh im Lebenslauf ...
Nur was?
Einige Beispiele....
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Wir müssen etwas tun ....
und zwar möglichst früh im Lebenslauf ...
Nur was?
Einige Beispiele....
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Beispiel 1:
Bewegter Kindergarten
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
(1) Bewegungsaufgaben zur Begrüßung
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
(2) Bewegtes Zähneputzen
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
(3) „Bewegender“ Raum
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Beispiel 2:
Der Sportunterricht
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Prof. Dr. Hans-Peter Brandl-BredenbeckUniversität Paderborn
Anteil fachfremd unterrichtender Sportlehrer
(laut Schulleiter nach Schulform)
51%
70%
89%
97% 97% 98%
49%
30%
11% 3% 3% 2%0%
20%
40%
60%
80%
100%
GS HS RS MS/SE IG GY
nicht fachfremd fachfremd
Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung (2004)
Ganztagsschulen – Zeit für mehr!
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Beispiel 3:
Alltagsbewegung fördern
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Beispiel 4:
Verhältnisse ändern
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Klaus Hurrelmann:
„Kinder aus bildungsfernen Schichten, die ohne Bücher, geistige und sportliche Anregung aufwachsen, werden früh abgehängt!“
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Aktuelle Ergebnisse zu sozialräumlichen Kontextbedingungen in Köln (vgl. Brandl-Bredenbeck et al., 2008):
Kinder aus dem gleichen sozialen Milieu und der gleichen Bildungsschicht, die in Hochhaussiedlungen leben, sind deutlich übergewichtiger und fettleibiger als Kinder, die im Stadtzentrum oder in alten Arbeitervierteln leben.
Hochhaus andereÜbergewicht 19 % vs. 13 % Adipositas 20,5 % vs. 8,7%
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn
Quelle: Wössmann, 2008
Prof. Dr. Hans Peter Brandl-Bredenbeck Universität Paderborn