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36 IN|FO|NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 2012; Vol. 14, Nr. 6 Multiple Sklerose potenziellen Nebenwirkungen waren identisch mit de- nen des ersten Abschnitts der Studie. Ergebnisse: Über fünf Jahre reduzierte sich das Risiko einer bestätigten Erkrankungsprogression gegenüber Interferon beta-1a s. c. um rund 72 % und die Schubrate um etwa 68 % (Abbildung 1). Die jährliche Schubrate betrug von Baseline bis nach fünf Jahren unter Alemtu- zumab 0,11, unter Interferon beta-1a s.c. jedoch 0,35. Schwere Infektionen traten unter Alemtuzumab bei 7% versus 3% in der Kontrollgruppe auf. Schilddrüsener- krankungen wurden unter Alemtuzumab bei 30%, aber nur bei 4% der Patienten der Kontrollgruppe gesehen. Immunogene Thrombozytopenien (ITP) traten bei 3% der Patienten unter Alemtuzumab und bei 0,9% der Patienten unter Interferon beta-1a s.c. auf. Schlussfolgerungen: Auch in der Extensionsphase bleibt Alemtuzumab signifikant wirksamer als Interferon beta-1a s.c., zeigt allerdings ein komplizierteres und umfangreicheres Nebenwirkungsprofil. Journal Screen Coles A, Fox E, Vladic A et al. Alemtuzumab more effective than inter- feron ß-1a at 5-year follow up of CAMM- S223clinical trial. Neurology 2012; 78: 1069 – 78 Alemtuzumab seit fünf Jahren auf dem klinischen Prüfstand Überzeugende Wirksamkeitsdaten Fragestellung: Wie sehen die langfristige Wirkung und Sicherheit von Alemtuzumab bei Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose (MS) im Vergleich zu Interferon beta-1a s.c. (Rebif 44) nach fünf Jahren aus? Hintergrund: Die CAMMS223-Studie begann 2002 als dreiarmige Phase-II-Studie, in der zwei Dosierungen von Alemtuzumab gegen Interferon-beta-1a s.c. in der Behandlung der schubförmigen MS verglichen wurden. Die initiale Studienphase betrug 36 Monate, wobei sich eine signifikant höhere Reduktion der Schubrate, aber auch der Erkrankungsprogression unter beiden Alem- tuzumab-Armen im Vergleich zu Interferon beta-1a s.c. zeigte. Patienten und Methodik: Von initial 334 Patienten, die an der Studie teilnahmen, wurden 198 in die Exten- sionsphase überführt, davon 41% der Kontrollgruppe (n = 47) und 67% der Alemtuzumab-Patienten (n = 151). Die klinischen Outcome-Parameter wie jährliche Schubrate und Erkrankungsprogression sowie alle Kommentar: Die Daten sind beeindruckend. Auch wenn es sich nach dem zwischenzeitlichen Medika- tionsstopp in beiden Alemtuzumab-Gruppen um eine relativ heterogene Population für die 5-Jahres-Follow- up-Auswertung handelt, muss festgestellt werden, dass Alemtuzumab eine hochwirksame Substanz ist, mög- licherweise die wirksamste, die sich derzeit in klinischen Prüfungen befindet. Die hohe Wirksamkeit wird aller- dings mit einem komplizierten Nebenwirkungsspek- trum erkauft, das dazu führte, dass der Hochdosisarm der Studie vorzeitig beendet wurde. Die niedrigere Dosis wurde auch in allen weiteren Studien verwendet. Das Nebenwirkungsspektrum umfasst insbesondere das Auftreten weiterer Autoimmunerkrankungen wie der ITP (Immunogene Thrombozytopenie) in immerhin 3 % der Fälle oder das Goodpasture-Syndrom sowie eine erhöhte Rate an Schilddrüsen- und Infektionser- krankungen. Um diese Substanz breit für Patienten mit schubförmiger MS anbieten zu können, wären weitere Studien mit niedrigeren Dosierungen wünschenswert. Auch werden sich alle Neurologen, die die Substanz anwenden möchten, mit nicht-neurologischen Autoim- munerkrankungen beschäftigen müssen. Die beeindru- ckende Wirksamkeit sollte jedoch alle Mühen wert sein. Volker Limmroth, Köln Nach Neurology 2012 Interferon beta-1a s. c. Alemtuzumab 12 mg/d Alemtuzumab 24 mg/d Alemtuzumab gepoolt Zeit (Monate) 0 6 12 18 24 30 36 42 48 54 60 66 72 78 84 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Patienten mit Behinderungsprogression (%) Zeit (Monate) 0 6 12 18 24 30 36 42 48 54 60 66 72 78 84 2,2 2,0 1,8 1,6 1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 Kumulative Schubrate Behinderungsprogression Schubrate Abbildung 1 Gerin- gere Behinderungs- progression und weniger Schübe unter Alemtuzumab.

Überzeugende Wirksamkeitsdaten

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36 IN|FO|Neurologie & Psychiatrie 2012; Vol. 14, Nr. 6

Journal Screen Multiple Sklerose

potenziellen Nebenwirkungen waren identisch mit de-nen des ersten Abschnitts der Studie.

Ergebnisse: Über fünf Jahre reduzierte sich das Risiko einer bestätigten Erkrankungsprogression gegenüber Interferon beta-1a s.c. um rund 72% und die Schubrate um etwa 68% (Abbildung 1). Die jährliche Schubrate betrug von Baseline bis nach fünf Jahren unter Alemtu-zumab 0,11, unter Interferon beta-1a s.c. jedoch 0,35. Schwere Infektionen traten unter Alemtuzumab bei 7% versus 3% in der Kontrollgruppe auf. Schilddrüsener-krankungen wurden unter Alemtuzumab bei 30%, aber nur bei 4% der Patienten der Kontrollgruppe gesehen. Immunogene Thrombozytopenien (ITP) traten bei 3% der Patienten unter Alemtuzumab und bei 0,9% der Patienten unter Interferon beta-1a s.c. auf.

Schlussfolgerungen: Auch in der Extensionsphase bleibt Alemtuzumab signifikant wirksamer als Interferon beta-1a s.c., zeigt allerdings ein komplizierteres und umfangreicheres Nebenwirkungsprofil.

Journal Screen

Coles A, Fox E, Vladic A et al.

Alemtuzumab more effective than inter-feron ß-1a at 5-year follow up of CAMM-

S223clinical trial. Neurology 2012; 78:

1069–78

Alemtuzumab seit fünf Jahren auf dem klinischen Prüfstand

Überzeugende WirksamkeitsdatenFragestellung: Wie sehen die langfristige Wirkung und Sicherheit von Alemtuzumab bei Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose (MS) im Vergleich zu Interferon beta-1a s.c. (Rebif 44) nach fünf Jahren aus?

Hintergrund: Die CAMMS223-Studie begann 2002 als dreiarmige Phase-II-Studie, in der zwei Dosierungen von Alemtuzumab gegen Interferon-beta-1a s.c. in der Behandlung der schubförmigen MS ver glichen wurden. Die initiale Studienphase betrug 36 Monate, wobei sich eine signifikant höhere Reduktion der Schubrate, aber auch der Erkrankungsprogression unter beiden Alem-tuzumab-Armen im Vergleich zu Interferon beta-1a s.c. zeigte.

Patienten und Methodik: Von initial 334 Patienten, die an der Studie teilnahmen, wurden 198 in die Exten-sionsphase überführt, davon 41% der Kontrollgruppe (n = 47) und 67% der Alemtuzumab- Patienten (n = 151). Die klinischen Outcome-Parameter wie jährliche Schubrate und Erkrankungsprogres sion sowie alle

Kommentar: Die Daten sind beeindruckend. Auch wenn es sich nach dem zwischenzeitlichen Medika-tionsstopp in beiden Alemtuzumab-Gruppen um eine relativ heterogene Population für die 5-Jahres-Follow-up-Auswertung handelt, muss festgestellt werden, dass Alemtuzumab eine hochwirksame Substanz ist, mög-licherweise die wirksamste, die sich derzeit in klinischen Prüfungen befindet. Die hohe Wirksamkeit wird aller-dings mit einem komplizierten Nebenwirkungsspek-trum erkauft, das dazu führte, dass der Hochdosisarm der Studie vorzeitig beendet wurde. Die niedrigere Dosis wurde auch in allen weiteren Studien verwendet. Das Nebenwirkungsspektrum umfasst insbesondere

das Auftreten weiterer Autoimmunerkrankungen wie der ITP (Immunogene Thrombozytopenie) in immerhin 3 % der Fälle oder das Goodpasture-Syndrom sowie eine erhöhte Rate an Schilddrüsen- und Infektionser-krankungen. Um diese Substanz breit für Patienten mit schubförmiger MS anbieten zu können, wären weitere Studien mit niedrigeren Dosierungen wünschenswert. Auch werden sich alle Neurologen, die die Substanz anwenden möchten, mit nicht-neurologischen Autoim-munerkrankungen beschäftigen müssen. Die beeindru-ckende Wirksamkeit sollte jedoch alle Mühen wert sein.

Volker Limmroth, Köln

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Interferon beta-1a s. c.Alemtuzumab 12 mg/d

Alemtuzumab 24 mg/dAlemtuzumab gepoolt

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Behinderungsprogression Schubrate

Abbildung 1 Gerin­gere Behinderungs­

progression und weniger Schübe unter

Alemtuzumab.