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Udo Ulfkotte, Jahrgang 1960, studierteRechtswissenschaften, Politik und Is-
lamkunde. Er hat lange Jahre als Redakteur bei der FAZ gear-beitet; seine Spezialgebiete sind Sicherheitsmanagement, Spio-nage- und Terrorismusabwehr, Organisierte Kriminalität, derNahe Osten sowie die Politik der Geheimdienste. Seit 2000lehrt er an der Universität Lüneburg Security Management.Er bereiste mehr als sechzig vorwiegend nahöstliche und afri-kanische Staaten, in denen er auf die Hintermänner der is-lamistischen Terrorgruppen traf. Mit engagierten Büchernwie Krisenherd Nahost, Verschlusssache BND, Marktplatz derDiebe, So lügen Journalisten, Propheten des Terrors sowie zu-letzt Der Krieg in unseren Städten hat er sich als Bestseller-autor einen Namen gemacht. 2003 erhielt er den Annette-Barthelt-Preis für seine jahrelangen Recherchen über Terrorund Islamismus.
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UDO ULFKOTTE
Der Kriegim DunkelnDie wahre Machtder Geheimdienste
WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN
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Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100
Aktualisierte Taschenbucherstausgabe 03/2008
Copyright © Eichborn AG, Frankfurt am Main, Februar 2006Der Wilhelm Heyne Verlag, München, ist ein Verlag
der Verlagsgruppe Random House GmbHwww.heyne.de
Printed in Germany 2008Umschlaggestaltung: Hauptmann und Kompanie Werbeagentur,
München – ZürichSatz: Uhl + Massopust, Aalen
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN: 978-3-453-60069-0
SGS-COC-1940
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Das für dieses Buch verwendete FSC-zertifizierte PapierHolmen Book Cream liefert Holmen Paper, Hallstavik, Schweden.
Omnia silendo ut audiam nosco – »Alles erfahre ich, indemich schweige, um zu horchen.«
Pater Joseph, Kapuzinermönch und Geheimniszuträgerdes Kardinals Richelieu im 17. Jahrhundert
»Bei jeder Operation agiert man oberhalb der Gürtellinie undunterhalb der Gürtellinie. Oberhalb der Gürtellinie handeltman nach den Gesetzen, unterhalb der Gürtellinie erfüllt manseine Aufgabe.«
John LeCarre
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Inhalt
Einführung 13
Im Auftrag Ihrer Majestät: MI5 und MI6 29
Das britische Geheimdienstnetz 36
Das geheimnisvolle »Red Book« 45
Operation Snuffbox und andere »Missgeschicke« 47
»Shoot-to-kill« und andere »Präventivmaß-nahmen« 50
Im Auftrag Mord, Krieg, Umsturz 55
Der lange Arm des MI6 58
Der MI6 und die Europäische Union 61
Handlungsreisende für Rüstungsexporte 64
Der MI6 und die angebliche Schlagkraft irakischerAtomwaffen 65
Großer Lauschangriff auf die Vereinten Nationen 68
Die Leibwache Davids: Mossad 74
David gegen Goliath – mit Mossads Hilfe 76
Der Geheimdienst, der Adolf Eichmannentführte 83
Diebstähle und Entführungen aller Art 85
Verräter! 91
Spionage im All und im Netz 97
Die Schattenseiten einer Legende 100
Gestörte Beziehungen 104
»Wo nicht weiser Rat ist…« 112
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Der Staat im Staat: CIA 116
Außerirdische Täuschungsmanöver 117
Vom Office of Strategic Services (OSS) zurCentral Intelligence Agency (CIA) 120
Anything goes – das Erbe der Nazis 122
Wunderwaffe LSD – Operation »MidnightClimax« 127
Schmelztiegel Europa 129
Iran 1953 – Operation »Ajax« 134
Belgisch-Kongo 1960 – der Mord an PatriceLumumba 139
Kuba 1961 – Operation »Schweinebucht« 144
Projekt »Jennifer« – auf der Suche nach einemU-Boot 150
Vietnam – Operation »Phönix« 153
Chile 1973 – die Pepsi-Connection 157
Iran 1979 – Jimmy Carters schlimmsteNiederlage 161
Zuspitzung im Nahen Osten – Reagan gegenGaddafi 168
Warnschüsse gegen die Hisbollah, Bomben aufGaddafi 174
Undercover auf dem Balkan 179
Kriegsschauplatz Afghanistan 183
Aufrüstung für Terroristen 188
Graymail – Freifahrschein für Waffenhändler 194
Saddam Hussein – vom Handlanger zumStaatsfeind 198
1993: Angriff auf das World Trade Center und eineOhrfeige für die CIA 206
Al Qaida im Visier 209
Terror in Amerika – 9/11 217
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9
Jagd auf Bin Laden 222
Die National Security Agency (NSA) – dergeheimste aller Geheimdienste 231
Das größte Abhörsystem der Welt: Echelon 234
Outsourcing – auch bei der CIA 241
Zielrichtung Bagdad 244
Umdenken – zurück zu den Wurzeln 249
Der Mann mit dem Rotfilter 253
Sonderabteilung für psychologische Kriegführung:Covert Action Staff 255
Der »Vierte Weltkrieg« 262
Operationsgebiet Iran 267
Eine ganz besondere Fluggesellschaft der CIA 272
Guantanamo-Bay-Express und andereFolterflieger 275
Geistergefängnisse 282
Die verborgene Geschichte der CIA-Folter 287
Nix amore: italienische Haftbefehle 292
Entführung in Mailand – durch CIA-Beamte 295
Hochschulen im Visier 301
Die Geheimdienste der Grande Nation 309
Die französischen Geheimdienste DGSE undDST 311
Eine unrühmliche Vergangenheit 315
Pleiten und Pannen bei der DST 320
Der größte Flop – die Versenkung der »RainbowWarrior« 323
Waffen aus Libyen für die IRA 326
Französisch-algerische Verbindungen 328
Zum Wohl der heimischen Rüstungsindustrie 330
Operation »14. Juli« 331
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10
»Plan Vigipirate« – für den Notfall 335
Spionage im Interesse der französischenWirtschaft 336
Schmiergelder in Millionenhöhe 340
Französische Söldner für besondere Fälle 343
Einsatzgebiet Großbritannien 345
Russland: alle Macht den Geheimdiensten 348
Der Auslandsgeheimdienst KGB 349
Aktiv in Ost und West 352
Der Mord an Anwar al-Sadat 354
Das Attentat auf Papst Johannes Paul II. 355
Wanzen für die amerikanische Botschaft 360
SWR, der Nachfolgedienst des KGB 361
Notfalls auch Mord 364
Späher im Kirchenstaat 367
»Illegale« Mitarbeiter 369
Putins Geheimdienstkarriere 371
Der Inlandsgeheimdienst FSB 373
Bombenterror in russischen Städten 375
FAPSI – für die fernmeldetechnischeÜberwachung 378
Geheime Waffenlager und der größte Bunkerder Welt 385
Die Fortsetzung des Kalten Krieges 387
Geschätzt in Ost und West:der Bundesnachrichtendienst 393
Historische Wurzeln 394
Organisation und Aufgaben des BND 398
Die Spionageschule des BND 406
Tarnfirmen und merkwürdige Reisen 411
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11
Prima Zusammenarbeit mit dem Mossad 415
Im Irak und auf dem Balkan 418
Enttarnungen und andere Missgeschicke 423
Waffengeschäfte 426
Der BND zeigt Weitblick 429
Illegale Inlandsbespitzelung 431
Weltmeister im Abhören 434
Jeder gegen jeden 439
Agentinnen im Sexeinsatz 439
Agentenschiff »USS Liberty« unter Beschuss 446
Flug KAL-007 450
Der Untergang der Estonia 456
Jagd auf die eigenen U-Boote? 461
Falsche Fährten – Spanien nach dem Terror-anschlag 465
»Information Warfare« 470
Ausblick 476
Geheimdienstvokabular 485
Abkürzungsverzeichnis 492
Dank 496
Literatur 498
Register 505
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Einführung
Schöne Frauen, schnelle Autos, Luxusherbergen, eine Pistoleunter dem gut sitzenden Designeranzug und ständig im Pri-vatjet unterwegs – so zeigen uns Hollywoodfilme das Lebenvon Geheimagenten. Wer James Bond oder Mission Impossiblegesehen hat, der weiß, was die smarten Helden tagtäglich tun:Frauen verführen, in wilden Verfolgungsjagden einen AstonMartin, eine Motoryacht oder auch mal einen Panzer ver-beulen, Bösewichte verprügeln und abends entspannt einenWodka Martini trinken – geschüttelt, nicht gerührt, verstehtsich. Die in diesem Buch geschilderten Aktivitäten der Ge-heimdienste zeigen allerdings ein deutlich anderes Bild.
Die meisten Spionagefälle erblicken nie das Licht der Öf-fentlichkeit. Und wenn, dann wird reißerisch darüber berich-tet. Jeder auch noch so entfernt Involvierte wird sogleich zueinem vermeintlichen James Bond. Nehmen wir nur einmalden 14. Juni 2007. An jenem Tag verbreiteten Nachrichten-agenturen eine Meldung über einen Spionagefall in Öster-reich, sie lautete:
»Nach Angaben von österreichischen Behörden wurde amMontag ein russischer Mann wegen Spionageverdacht inSalzburg festgenommen. Auch sein österreichischer Kontakt-mann konnte verhaftet werden. Das österreichische Innenmi-nisterium hat bestätigt, dass dem Russen vorgeworfen wird,von einem österreichischen Armeemitglied ›sensible Informa-tionen‹ erhalten zu haben. Noch ist allerdings unklar, ob derMann diplomatische Immunität genießt. Der Festgenommene
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ist bei der russischen Raumfahrtagentur ›Roskosmos‹ beschäf-tigt und nahm an einer Sitzung des UN-Weltraumausschussesteil. Die russische Botschaft hat bereits Protest gegen die Ver-haftung eingelegt.« (Quelle: http://www.shortnews.de/start.cfm?id=670931).
So weit die Meldung. Dahinter verbergen sich allerdingsDetails, die keiner der Beteiligten gern in der Öffentlichkeitverbreitet sehen möchte. Der erwähnte verhaftete Russe istein Bruder der Ehefrau des russischen Staatspräsidenten Vla-dimir Putin. Und Putin, ein ehemaliger russischer Geheim-dienst-Chef, soll den Österreichern höchstpersönlich eineFrist von sieben Tagen gesetzt haben, um seinen Verwand-ten aus Gründen »diplomatischer Immunität« wieder freizu-lassen. Andernfalls, so Putin, werde Russland in Österreichviele Aufträge stornieren. Der Leser wird verstehen, dass dieÖsterreicher dem Druck nicht lange standhalten konnten: DerRusse wurde bald freigelassen. Schlimmer erging es dem ver-hafteten Österreicher. Der Mann, nennen wir ihn Hubert B.,ist ein angesehener Hubschrauber-Experte. Er hat mit der gan-zen Angelegenheit eigentlich nichts zu tun – und wird nunzum »Bauernopfer«. Herr B., der auf einem staatlichen Flie-gerhorst der Armee arbeitete, hat mit Rückendeckung seinerVorgesetzten und der österreichischen Dienste Geschäftskon-takte zu den Russen unterhalten. Er hatte in keinem Fallevertrauliche Unterlagen weitergegeben. Das bestätigte aucheine Hausdurchsuchung bei ihm. Er wurde zwei Wochen langinhaftiert – und dann freigelassen. Seither kam es weder zurAnklage noch zur Einstellung des Verfahrens. Der Hinter-grund: Jeder weitere Schritt würde einige österreichische Po-litiker in arge Bedrängnis bringen.
Doch der Reihe nach: Herr B. weiß, dass mehrere österrei-chische Politiker in Zusammenhang mit Rüstungsaufträgen
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hohe Bestechungsgelder bekommen haben. Kommt es zumProzess, sagt Herr B. aus. Das will man natürlich nicht. DieEinstellung des Verfahrens wäre allerdings auch unschön,denn dann hätte man Meldungen an die Presse gegeben, hin-ter denen sich eigentlich nichts verbirgt. Doch es kommt nochschlimmer: Der Bruder der Ehefrau des russischen Präsidentenhatte wirklich spioniert und versucht, Baupläne, Handbücherund Reparaturanleitungen für Hubschrauber von Eurocopterzu beschaffen. Diese hat ihm nach meinen Informationenallerdings nicht Herr B. gegeben, sondern ein deutscher Mit-arbeiter von Eurocopter, der inzwischen nicht mehr für dasUnternehmen arbeitet.
Insgeheim ermittelte dann in Deutschland die Generalbun-desanwaltschaft in Karlsruhe wegen Spionageverdachts auchgegen einige deutsche Mitarbeiter von Eurocopter, die Mos-kau bei der Spionage geholfen haben sollen. Natürlich gabes dazu keine Pressemitteilung des Generalbundesanwalts.Denn das alles war geheim. Ich habe die Hinweise auf dieVorfälle in Österreich anschauen dürfen. Für Herrn B. ist dasalles mehr als nur unangenehm: Seine Bezüge wurden ge-kürzt. Und er wurde vom Dienst freigestellt. Sein Ruf ist rui-niert. Immerhin hatten österreichische Medien aus ihm einenJames Bond gemacht. In Wahrheit ist Herr B. nur ein Bau-ernopfer auf dem Schachbrett der großen Geheimdienstope-rationen.
Der vorgenannte Fall ist typisch für das Vertuschen vonSpionagefällen. Denn niemand hat ein Interesse daran, dieseöffentlich zu machen. Die Folgen wären diplomatische Ver-wicklungen und ein Aufsehen, das der Diskretion der Ge-heimdienste und ihrer Auftraggeber entgegenstehen würde.
Unterdessen wird Spionage zu einer Wachstumsbranche.Während in vielen Berufssparten Arbeitsplätze abgebaut wer-
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den, boomt die Spionageindustrie. Einer, der es wissen muss,ist Hannes Katzschmann. Der bärtige Mann war darauf spe-zialisiert, solche Gauner auffliegen zu lassen. Katzschmannleitete bis Frühjahr 2007 ein Abhörschutzteam der DeutschenTelekom. Mit seinen Mitarbeitern spürte er in BürogebäudenWanzen und heimlich eingebaute Kameras auf. »Die meistenBeteiligten haben kaum eine Vorstellung davon, was auf die-sem Gebiet heute möglich ist und tatsächlich auch gemachtwird«, sagt Katzschmann. Die meisten Mittelständler wissennicht einmal, dass die Deutsche Telekom mehrere Abhör-schutzteams unterhält, um illegale fremde Lauscher aufzuspü-ren und Spionen das Leben schwer zu machen. Katzschmannund seine Mitarbeiter haben in den vergangenen Jahren indeutschen Büroräumen vieles gefunden: in Bewegungsmel-der eingebaute Kameras, mit Wanzen präparierte Kugelschrei-ber, und immer wieder in Steckdosenleisten verborgene Ab-höreinrichtungen. »Da ist halt die Stromversorgung gleichdabei«, sagt Katzschmann, »da braucht man keine Batteriemehr.« Die Deutsche Telekom unternimmt viel, um Unterneh-men vor Spionen zu schützen. Für diese Leistungen wirbt sieaber nicht in der Öffentlichkeit. Offenkundig hat man Angst,dass »Abhörschutz« mit Abhören verwechselt wird.
Dabei kann jeder selbst mit einfachsten Mitteln Einblickein die geheimnisvolle Welt der Spionage nehmen: Wer im In-ternet in eine Suchmaschine die Worte »spy shop« (Spionage-Laden) eingibt, erhält Links zu Millionen Seiten, von denenviele geheime Abhörtechnik, in Lippenstifte eingebaute Ka-meras, in Kugelschreibern und Steckdosen versteckte Wan-zen und andere Dinge verkaufen, die man aus James-Bond-Filmen kennt. Da gibt es Kopierer, die neben der Kopie gleichnoch eine digitale fotografische Aufnahme machen und dieseüber mehrere hundert Meter unbemerkt an einen Empfänger
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außerhalb des Unternehmens funken. Und ein winziges Bau-teil (»key ghost«), das in weniger als zwei Sekunden heimlichzwischen Tastatur und Rechner gesteckt wird, zeichnet heim-lich mehrere Millionen Tastaturanschläge auf und funkt dieseebenfalls unbemerkt aus dem Unternehmen an einen Empfän-ger. Die große Zahl solcher Angebote im Internet belegt, dasses weltweit eine rege Nachfrage nach Spionage-Ausrüstunggibt. In Deutschland aber ist das alles relativ unbekannt.
Jahrelang war das Feindbild beim Ausspähen aus westli-cher Sicht klar definiert. Die bösen Spione kamen aus demOsten, meist aus weit entfernten Staaten. Aus China etwa, ausKorea und manchmal auch aus nahöstlichen »Schurkenstaa-ten«. Sie beschafften sich militärische und politische Informa-tionen, immer wieder aber auch wirtschaftliches Know-how.Im Zeitalter der Globalisierung jedoch sind Arbeitsplätze zueinem knappen Gut geworden. Und deshalb gelten die altenRegeln nicht mehr. Auch mittelständische Unternehmen, Be-hörden und Privatpersonen sollten sich mit der Arbeitsweisevon Spionen vertraut machen.
Wie wenig bekannt die Angriffsmöglichkeiten von Spionenmitunter selbst in größeren deutschen Unternehmen sind, do-kumentiert der nachfolgende Fall.
Hamburg-Finkenwerder, 27. August 2005Es hätte alles so schön werden können. Bratwürstchen und ge-kühlte Getränke standen auf dem Firmengelände von Airbusin Hamburg-Finkenwerder reichlich bereit. Auch die Haupt-attraktion war wirklich sehenswert. Zehntausende Menschenfolgten der Einladung. Sie alle wollten einem historischen Er-eignis beiwohnen: Zum ersten Mal flog der Airbus A-380, dasgrößte Verkehrsflugzeug der Welt, über Hamburg und zog beisonnigem Wetter mehrere Schleifen über dem Firmengelände.
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Zehntausende Fans starrten gebannt in den Himmel. Auch dieKamerateams der Fernsehsender waren zufrieden.
Mindestens ebenso interessant aber war das, was zeitgleicham Boden geschah. Während die Menschen draußen »Ahhh«und »Ohhhh« riefen, gab es andere, die, mit Rucksäcken be-waffnet, scheinbar zufällig jenseits der Absperrungen ihrenWeg suchten. Aufkleber mit der Aufschrift »Unbefugten istdas Betreten nicht gestattet« wurden ignoriert. Wo Schilderdeutlich ein Fotografierverbot signalisierten, da wurde fleißiggeknipst und gefilmt. Ein Container mit der Aufschrift »Da-tenträgervernichtung« wurde geöffnet. Statt im Reißwolf ver-schwanden Teile des Inhaltes in Rucksäcken. Doch bei Airbusbekam davon zunächst niemand etwas mit. Das Unterneh-men feierte den Tag als großen Erfolg. So wurde es am Abendauch in den Nachrichtensendungen im Fernsehen gezeigt.
Flughafen München, 25. November 2005In einem Hotel am Münchner Flughafen begutachten zweiMitarbeiter von EADS, dem Mutterkonzern von Airbus, mehrals zweihundert Fotos. Die auf einem USB-Stick gespeichertenAufnahmen belegten eindrücklich, wie einfach es am 25. Au-gust gewesen sein muss, heimlich Unterlagen und Aufnahmenaus dem Airbus-Betriebsgelände nach draußen zu schaffen.Immerhin wurden in den Büros Post und Faxe fotografiert;Einbauunterlagen und vertrauliche Firmenunterlagen wurdenkopiert oder verschwanden in Rucksäcken.
Die Gunst der Stunde zu nutzen und Unternehmen auszu-spähen, ist nicht schwer. Im vorliegenden Fall hatten die Tä-ter das ohne Wissen von Airbus dokumentieren wollen.
Das vorliegende Buch will einen Einblick geben in diegroße bunte Welt der Spionage.
Doch angesichts der Vielzahl von Geheimdiensten in al-
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ler Welt musste für dieses Buch notgedrungen eine Auswahlgetroffen werden, denn es will und kann kein umfassendesNachschlagewerk zu sämtlichen existierenden Geheimdiens-ten sein. Es beschränkt sich daher auf die Dienste Frank-reichs, Großbritanniens, Deutschlands, Israels, Russlands undder Vereinigten Staaten. Für den deutschsprachigen Leser ha-ben die genannten Dienste und ihr Zusammenwirken eine be-sondere Bedeutung, weil es jene Geheimdienste sind, mit de-nen wir es am meisten zu tun haben. Zugleich ist ihr Bild inder Öffentlichkeit eher diffus. Deshalb sollen ihre Geschichte,ihre Bedeutung und ihre wechselseitigen »Kämpfe« besondersbeleuchtet werden. Im Falle Deutschlands wurde die Staatssi-cherheit der DDR bewusst ausgeklammert, weil es dazu inzwi-schen in Bibliotheken reichlich Literatur gibt, Gleiches gilt fürden Verfassungsschutz.
Aus zwei Gründen werden die Geheimdienste der Vereinig-ten Staaten ausführlicher als alle anderen dargestellt: Zumeinen ist ihr Einfluss in der Weltpolitik ungebrochen, undauch ihr gegenwärtiges Handeln wird nur verständlich, wennman die wichtigsten Fälle der amerikanischen Geheimdienst-geschichte kennt. Zum anderen verdanken wir dem 1967 inden Vereinigten Staaten in Kraft getretenen »Freedom of In-formation Act«, dass zahlreiche Einzelheiten über Geheim-dienstoperationen ans Licht der Öffentlichkeit gekommensind, wie es in anderen Ländern (noch) nicht der Fall ist. Mitdiesem Gesetz verfügen US-amerikanische Bürger schon seitJahrzehnten über eine rechtliche Handhabe, ihrem Informa-tionsbedarf über Behördenerkenntnisse und Regierungshan-deln – zeitversetzt – Genüge zu tun.
Geheimdienste arbeiten im Verborgenen, und ihre ge-heimen Erkenntnisse vor dem Zugriff anderer zu schützen istTeil ihrer Aufgabe. Die Quellen* über den »Krieg im Dunkeln«
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sind spärlich und verschwiegen wie jene, die dem Spionage-metier nachgehen. Wie also erfährt man Einzelheiten überdas »Geheimwissen« dieser Behörden? Und wie kann man si-cherstellen, dass die erlangten Informationen nicht Teil einer(geheimen) Desinformationsstrategie sind? Gewiss, selbst derBundesnachrichtendienst (BND) logiert heute nicht mehr un-ter der altbackenen Tarnung einer »Behördenunterkunft« undverfügt wie viele andere große Geheimdienste neben einerAbteilung für Öffentlichkeitsarbeit auch über einen Auftrittim Internet. Dort aber sucht man Geheimnisse bislang ver-geblich.
Zumindest begrenzte Erkenntnisse über Geheimdienste zu-sammenzutragen ist heutzutage, in Zeiten der globalen Mas-senkommunikation, auch für den Normalbürger erheblicheinfacher geworden. Man kann heute per E-Mail Anfragen anParlamente, Botschaften und Öffentlichkeitsreferate richten.Und es ist erstaunlich, wie viel man bei einer gründlichen Re-cherche in Literatur, Internet und in Gesprächen mit »Ehema-ligen« über Geheimdienste erfährt. Zwar darf niemand glau-ben, so auch an die letzten Geheimnisse zu kommen. Dochman erfährt genug, um sich eine Vorstellung von Wesen, Wir-ken und Selbstverständnis der Geheimdienste zu machen.
Ich habe über viele Jahre hinweg Mitarbeiter von Geheim-diensten getroffen: im Nahen Osten, in Afrika, in Europa, inAsien und in den Vereinigten Staaten. Diese Kontakte ha-ben mir erlaubt, Leben und Handeln von Geheimdienst-mitarbeitern intensiv kennenzulernen. Solche Kontakte sindwichtig, wenn es darum geht, Geheimdienstberichte und In-formationen einzuordnen und ihren Wahrheitsgehalt zu be-urteilen. In einigen wenigen Fällen haben Mitarbeiter auslän-discher Dienste mir auch gefälschte Geheimdienstunterlagenzukommen lassen. Doch nicht etwa, um mich in die Irre zu
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führen. Sie sollten vielmehr als Beleg dafür dienen, dass Ge-heimdienste regelrechte Fälscherwerkstätten unterhalten undetwa Journalisten gezielt mit dort produziertem Material »an-füttern«, um in der Öffentlichkeit eine bestimmte Berichter-stattung zu lancieren. Doch selbst wenn man Mitarbeiter vonGeheimdiensten über Jahre hin kennt, kann man nie aus-schließen, von diesen in Einzelfällen hinters Licht geführt zuwerden.
Um an Informationen über die Arbeit der Geheimdienste zukommen, greift man auch auf sogenannte »offene Quellen«zurück. In den Vereinigten Staaten ist das erwähnte Gesetz –der »Freedom of Information Act« – ein wesentlicher Bestand-teil investigativer journalistischer Arbeit, ohne den viele Ent-hüllungen nicht möglich gewesen wären. In Großbritannientrat ein sehr ähnliches Gesetz am 1. Januar 2005 in Kraft. InDeutschland dagegen galt bis zum Ende des Jahres 2005 wei-terhin das Prinzip des »Amtsgeheimnisses«, das heißt, bis da-hin wurden sämtliche Informationen, die in Deutschland beiöffentlichen Stellen vorliegen, noch immer unabhängig vonihrer tatsächlichen Schutzbedürftigkeit grundsätzlich als »Ver-schlusssache« oder gar als »geheim« behandelt. Erst am 1. Ja-nuar 2006 trat endlich auch in Deutschland das von der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder imJuli 2005 auf den Weg gebrachte Informationsfreiheitsgesetzin Kraft. Damit bekommt der Bürger auch hierzulande grund-sätzlich ein Einsichtsrecht in Behördenunterlagen. Staatsge-heimnisse sind davon natürlich weiterhin ausgenommen.
Zu den oftmals unterschätzten weiteren Informationsquel-len zählen im Übrigen unzufriedene Mitarbeiter aus den Rei-hen der Geheimdienste selbst. Obwohl zur Geheimhaltungverpflichtet, bringen Ärger mit Vorgesetzten, stockende Be-förderungsaussichten oder einfach der schiere Frust sie häu-
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fig zum Reden. Und auch ehemalige Geheimagenten liefernoft wichtige Informationen, Aussteiger wie Richard Tomlin-son vom britischen Auslandsgeheimdienst Secret IntelligenceService (SIS), David Shyler vom britischen Inlandsgeheim-dienst Security Service, der BND-Mann Norbert Juretzko, dieCIA-Mitarbeiter Robert Baer und Michael Scheuer. Sie allehaben »ihren« jeweiligen Dienst nach Jahren teils aufopfe-rungsvoller Tätigkeit enttäuscht verlassen. Die Vorstellung,dem eigenen Land in Organisationen nach rechtsstaatlichen,kontrollierten Abläufen dienen zu können, mussten sie vordem Hintergrund ihrer Erfahrungen aufgeben. Spricht manmit solchen »Ehemaligen«, so sind die meisten von ihnen zu-tiefst enttäuscht – enttäuscht, weil Kompetenzstreitigkeiten,bürokratische Abläufe und Intrigen ihr Leben bestimmten.Enttäuscht, weil sie Aufträge erledigen mussten, die sie mitihrem Gewissen nicht vereinbaren konnten. Und enttäuscht,weil sie ihren Idealismus rückblickend von den jeweiligen Re-gierungen oder Führungen oftmals missbraucht sahen.
Auch die Memoiren ehemaliger Geheimagenten, die seitder Mitte der Neunzigerjahre in Mode gekommen sind, ver-raten uns etwas über die Arbeitsweise der Dienste. In Frank-reich griff Pierre Martinet zur Feder, in den NiederlandenFrits Hoekstra, in Deutschland Norbert Juretzko, in Groß-britannien Richard Tomlinson, in Russland Oleg Gordievskiund in den Vereinigten Staaten Autoren wie Robert Baer undJames Bamford. Wer sich für die Schattenwelt der Geheim-dienste interessiert, findet heute ein reichhaltiges Angebot.Und die Kommunikationsmöglichkeiten der zunehmend ver-netzten Welt sorgen dafür, dass ständig neue Begebenheitenaus der Spionagewelt bekannt werden.
Dennoch bleibt die Frage, wie man die gewonnenen Infor-mationen auf ihre Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit hin
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überprüfen kann. Denn es ist unglaublich, was Geheimdiensteangeblich so alles wissen. So rauchte der frühere ägyptischePräsident Sadat gern Haschisch. Der indonesische PräsidentSukarno liebte es, beim Sex im Bett gefilmt zu werden. Undder am 1. August 2005 verstorbene saudische König Fahdsprach bisweilen kräftig dem Alkohol zu. Zwar entstammenvorgenannte Details tatsächlich offiziellen (geheimen) Do-kumenten der Dienste, doch solange die Betroffenen die ge-schilderten Vorlieben nicht selbst bestätigten, könnte es sichin der Tat natürlich auch um gezielte Desinformation han-deln. Über Jahrzehnte hin gelangten aus den großen Geheim-diensten der Welt allenfalls Bruchstücke ihrer Tätigkeit an dasLicht der Öffentlichkeit. Im globalen Dorf, im Zeitalter derMassenkommunikation, hat sich das geändert. Nur sind vieleNachrichten aus der Geheimdienstwelt schlicht peinlich.
Mit den meisten Journalisten allerdings stehen die Ge-heimdienste auf Kriegsfuß. So gibt es etwa innerhalb der US-amerikanischen »National Security Agency« (NSA) die Abtei-lung Signals Intelligence Directorate (SID), die eine Datei mitdem Codenamen »First Fruits« führt. In dieser Datei sind dieNamen kritischer Publizisten sowie ihre Artikel und Äuße-rungen gespeichert. Die investigativen amerikanischen Jour-nalisten Seymour Hersh (New Yorker), Wayne Madsen (OnlineJournal), James Bamford (Publizist), James Risen (New YorkTimes), Vernon Loeb (Washington Post), Bill Gertz (Washing-ton Times) und John Daly (UPI) gehören zu den bekanntes-ten amerikanischen Namen dieser Liste. Doch tauchen dortauch mehr als tausend nichtamerikanische Publizisten auf,unter ihnen etwa der Autor und Journalist Hans Leyendecker(Süddeutsche Zeitung) und der französische Autor GuillaumeDasquier. Um amerikanische Bürgerrechte und Datenschutz-bestimmungen zu umgehen, werden die Namen in der »First
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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE
Udo Ulfkotte
Der Krieg im DunkelnDie wahre Macht der Geheimdienste
Taschenbuch, Broschur, 544 Seiten, 11,8 x 18,7 cmISBN: 978-3-453-60069-0
Heyne
Erscheinungstermin: Februar 2008
Wie CIA, Mossad, MI6, BND und andere Geheimdienste die Welt regieren Udo Ulfkotte erzählt die Geschichte der Geheimdienste als eine Geschichte von Höhepunktenund Niederlagen, Pannen und Skandalen, legalen und illegalen Methoden. Anhand aktueller,brisanter und skandalöser Fälle schildert der Experte, wie Agenten die Weltwirtschaftlenken, was Politiker von den Aktionen ihrer Spionageeinrichtungen wissen und wie dieNachrichtendienste zusammenarbeiten. Das kritische Standardwerk über die großenGeheimdienste der Welt.