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Einführung in die Rechtswissenschaften 5., überarbeitete Auflage EBERHARD | GRABENWARTER | KODEK | SPITZER

Einführung in die Rechtswissenschaften KORR · Einführung in die Rechtswissenschaften 5., überarbeitete Auflage Eb ER h AR d u.a. Einführung in die Rechtswissenschaften Das vorliegende

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Einführung in dieRechtswissenschaften5., überarbeitete Auflage

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Das vorliegende Buch wendet sich vor allem an Studierende des Bachelor- studiums Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Die „Einführung in die Rechtswissenschaften“ stellt als Teil der Studieneingangs- und Orientierungs-phase den ersten wichtigen Zugang der Studierenden zu Grundfragen des Rechts dar. Damit soll den Studierenden bereits am Beginn des Studiums eine fachübergreifende Orientierung über die Anforderungen im Wirtschaftsrechts-studium und über wichtige Grundbegriffe des Privatrechts und des öffentlichen Rechts samt ihrer ideengeschichtlichen Grundlagen geboten werden. Diese Grundbegriffe stellen das unentbehrliche „Handwerkszeug“ dar und werden die Studierenden nicht nur durch ihr gesamtes Studium, sondern auch durch die weitere Berufslaufbahn begleiten.

EbERhARd | GRAbENWARTER | KOdEK | SPITZER

ISBN 978-3-7089-1914-0

facultas.at

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Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr, eine Haftung der Autoren oder des Verlages ist ausgeschlossen.

Copyright © 2019 Facultas Verlags- und Buchhandels AGfacultas Universitätsverlag, 1050 WienAlle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitungsowie der Übersetzung, sind vorbehalten.Satz: Wandl Multimedia-AgenturDruck: Finidr, s.r.o., Cesky, TésinPrinted in AustriaISBN 978-3-7089-1914-0

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V Eberhard/Grabenwarter/Kodek/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften5

Vorwort zur 5. Auflage

Die vorliegende fünfte Auflage dieses Lehrbuches wurde im dritten und vierten Teil auf Basis der dritten Auflage aktualisiert und überarbeitet, basiert im Übrigen aber auf der vierten Auflage. Das Werk dient als Unterlage auf die gleichnamige Prüfung im Rahmen der Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) des Bachelorstudiums Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Die „Einführung in die Rechts-wissenschaften“ soll die Grundlagen und Methodenlehre sowie eine Einführung einer-seits in privatrechtliche Grundlehren einschließlich ihrer historischen Grundlagen und andererseits in das öffentliche Recht samt seiner historischen Grundlagen sowie von Grundzügen der Rechts- und Staatsphilosophie vermitteln. Das parallel dazu geführte Fach „Grundlagen des öffentlichen Rechts“ gibt einen vertieften Einblick in die Grund-satzfragen und Kerngebiete des öffentlichen Wirtschaftsrechts einschließlich der not-wendigen unionsrechtlichen Grundlagen, während im Rahmen des Faches „Einführung in die Rechtswissenschaften“ jeweils die grundlegenden und bereichsübergreifenden Inhalte beheimatet sind. Dieser Abgrenzung entsprechend war eine Harmonisierung der öffentlich-rechtlichen Inhalte der STEOP vorzunehmen, weshalb im öffentlich-rechtli-chen Teil des vorliegenden Lehrbuchs gegenüber der Vorauflage eine Kürzung im Be-reich des Verwaltungsverfahrensrechts sowie der Verwaltungsgerichtsbarkeit und des Rechts der Europäischen Union vorgenommen wurde.Das Lehrbuch ist als Begleitung für die Einführungsvorlesung gedacht, kann und soll jedoch den Besuch dieser Vorlesung nicht ersetzen. Der Besuch eines begleitenden Prü-fungskurses und das für diesen erstellte Skriptum „Prüfungsvorbereitung“ werden aus-drücklich empfohlen.Die Autoren wurden auch diesmal von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen der beteilig-ten Institute maßgeblich und tatkräftig unterstützt. Dabei ist die selbständige Mitarbeit von Frau Univ.-Ass. Mag. Theresa Ganglbauer und Herrn Univ.-Ass. Peter Gruber, LL.M. (WU) BSc (WU) hervorzuheben. Georg Lienbacher hat in der vierten Auflage maßgeblich den dritten und vierten Teil mitgestaltet, ihm sei an dieser Stelle herzlich gedankt.Die Verfasser wünschen Ihnen beim Studium viel Erfolg und freuen sich weiterhin über Anregungen und Verbesserungsvorschläge.

Wien, September 2019Harald Eberhard Christoph Grabenwarter Georg E. Kodek Martin Spitzer

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VII Eberhard/Grabenwarter/Kodek/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften5

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 5. Auflage ................................................................................................. VAbkürzungsverzeichnis ............................................................................................. XV

1. TeilGrundlagen und Methodenlehre

I. Rechtswissenschaften ........................................................................................ 1 A. Die Rechtswissenschaft als Wissenschaft ................................................... 1 B. Die verschiedenen Rechtswissenschaften ................................................... 1II. Das Recht im objektiven Sinn ........................................................................... 2 A. Definition .................................................................................................... 2 B. Die normativen Ordnungen von Sitte und Moral ....................................... 3 1. Sitten .................................................................................................... 3 2. Moral .................................................................................................... 4III. Das Recht im subjektiven Sinn .......................................................................... 4IV. Rechtsquellen ..................................................................................................... 5 A. Definition .................................................................................................... 5 B. Entstehungsquellen des Rechts ................................................................... 5 C. Österreich als Mitglied der EU ................................................................... 6 D. Erkenntnisquellen des Rechts ..................................................................... 7V. Rechtsvorschriften ............................................................................................. 7 A. Definition .................................................................................................... 7 B. Sachverhalt .................................................................................................. 7 C. Tatbestand ................................................................................................... 8 D. Subsumtion ................................................................................................. 8 E. Rechtsfolge ................................................................................................. 9 F. Geltung von Rechtsvorschriften ................................................................. 9 G. Novellierung ............................................................................................. 10VI. Arten von Rechtsvorschriften .......................................................................... 11 A. Materielles Recht – Formelles Recht ........................................................ 11 B. Zwingendes Recht – Dispositives Recht ................................................... 11VII. Normenkonkurrenz .......................................................................................... 13 A. Problemstellung ........................................................................................ 13 B. Derogation ................................................................................................. 13 1. Lex specialis derogat legi generali ..................................................... 13 2. Lex posterior derogat legi priori ........................................................ 13 3. Formelle Derogation – Materielle Derogation ................................... 14 C. Anwendungsvorrang ................................................................................. 14 D. Kumulative oder alternative Anwendung ................................................. 15 E. Invalidation ............................................................................................... 15

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VIII

Inhaltsverzeichnis

VIII. Gesetzesinterpretation und Rechtsanwendung ................................................ 16 A. Materialsuche ............................................................................................ 16 B. Allgemeines .............................................................................................. 16 C. Wortauslegung und grammatikalische Interpretation ............................... 17 D. Systematische Interpretation ..................................................................... 18 E. Historische Interpretation .......................................................................... 19 F. Teleologische Interpretation ...................................................................... 20 G. Analogie .................................................................................................... 20 H. Teleologische Reduktion ........................................................................... 22 I. Authentische Interpretation ....................................................................... 23IX. Unterscheidung Öffentliches Recht – Privatrecht ........................................... 23 A. Allgemeines .............................................................................................. 23 B. Abgrenzungstheorien ................................................................................ 24 C. Folgen der Unterscheidung ....................................................................... 24 1. Behördenzuständigkeit .......................................................................... 24 2. Haftung für schädigendes Verhalten ..................................................... 25 3. Gesetzgebungskompetenz ..................................................................... 25

2. Teil Zivilrecht

I. Grundbegriffe des Zivilrechts .......................................................................... 27 A. Einteilung des Privatrechts ....................................................................... 27 1. Allgemeines Privatrecht und Sonderprivatrechte ............................... 27 2. Einteilung des allgemeinen Privatrechts ............................................ 28 3. Dispositives, einseitig zwingendes und zwingendes Recht ............... 28 B. Rechtssubjekte .......................................................................................... 29 1. Natürliche Personen ........................................................................... 29 2. Juristische Personen ........................................................................... 33 C. Rechtsobjekte ............................................................................................ 34 D. Grundbegriffe der Rechtsgeschäftslehre ................................................... 34 1. Privatautonomie ................................................................................. 34 2. Willenserklärungen ............................................................................. 36 3. Arten von Rechtsgeschäften ............................................................... 37 E. Der Abschluss von Verträgen .................................................................... 38 1. Das Angebot ....................................................................................... 38 2. Die Annahme ...................................................................................... 39 3. Die Auslegung von Willenserklärungen ............................................. 40 4. Allgemeine Geschäftsbedingungen .................................................... 41 F. Absolute und relative Nichtigkeit von Verträgen ...................................... 42 G. Willensmängel .......................................................................................... 43 1. Drohung und List ............................................................................... 43 2. Irrtum .................................................................................................. 44

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IX Eberhard/Grabenwarter/Kodek/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften5

Inhaltsverzeichnis

H. Stellvertretung ........................................................................................... 45 1. Allgemeines ........................................................................................ 45 2. Voraussetzungen der direkten Stellvertretung .................................... 46 3. Die Trennung von Innen- und Außenverhältnis ................................. 48 4. Der „Missbrauch“ der Vertretungsmacht ........................................... 50 5. Vertretung ohne Vertretungsmacht: Falsa procuratio (Scheinvertretung) .............................................................................. 51 6. Anscheinsvollmacht ........................................................................... 52II. Schuldrecht ...................................................................................................... 52 A. Grundbegriffe ............................................................................................ 52 B. Leistungsstörungen ................................................................................... 53 1. Allgemeines ........................................................................................ 53 2. Nachträgliche Unmöglichkeit ............................................................ 54 3. Verzug (§§ 918 ff ABGB) .................................................................. 55 4. Gewährleistung (§§ 922 ff ABGB) .................................................... 57 C. Schadenersatzrecht .................................................................................... 60 1. System ................................................................................................ 60 2. Verschuldenshaftung (§§1293 ff ABGB) ........................................... 60III. Sachenrecht ...................................................................................................... 66 A. Grundlagen und Prinzipien ....................................................................... 66 B. Innehabung – Besitz – Eigentum .............................................................. 67 C. Eigentumserwerb ...................................................................................... 68 1. Derivativer Eigentumserwerb ............................................................ 68 2. Originärer Eigentumserwerb .............................................................. 68 D. Das Grundbuch ......................................................................................... 69 E. Beschränkte dingliche Rechte ................................................................... 70 1. Pfandrecht .......................................................................................... 70 2. Dienstbarkeit ...................................................................................... 71IV. Familienrecht und Erbrecht ............................................................................. 71 A. Familienrecht ............................................................................................ 71 B. Erbrecht ..................................................................................................... 72 1. Grundlagen ......................................................................................... 72 2. „Berufungsgründe“ ............................................................................ 72 3. Die gesetzliche Erbfolge .................................................................... 73 4. Die gewillkürte Erbfolge .................................................................... 75V. Grundzüge des Zivilverfahrensrechts .............................................................. 78 A. Zweck ........................................................................................................ 78 B. Rechtsquellen ............................................................................................ 78 C. Die ordentliche Zivilgerichtsbarkeit ......................................................... 79 1. Zuständigkeiten .................................................................................. 79 2. Gerichtsbesetzung .............................................................................. 80 D. Verfahrensablauf ....................................................................................... 80 E. Wirkungen einer rechtskräftigen Entscheidung ........................................ 82VI. Historische Grundlagen des Zivilrechts ........................................................... 82 A. Römisches Recht ....................................................................................... 82

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X

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ........................................................................................... 82 2. Altrömisches Recht ............................................................................ 83 3. Spätere Privatrechtsgesetzgebung ...................................................... 83 4. Die Rolle des Prätors .......................................................................... 84 5. Die römischen Juristen ....................................................................... 84 6. Nachklassische Rechtsentwicklung ................................................... 85 7. Grundbegriffe des Sachenrechts ........................................................ 85 8. Eigentumserwerb und Eigentumsschutz ............................................ 86 9. Dingliche Sicherungsrechte ............................................................... 87 10. Obligationenrecht ............................................................................... 87 11. Nachwirkung und Rezeption .............................................................. 90 12. Die heutige Bedeutung des römischen Rechts ................................... 92 B. Naturrecht und erste Privatrechtskodifikationen ....................................... 92 C. Pandektistik und Begriffsjurisprudenz ...................................................... 93 D. Spätere Privatrechtskodifikationen ........................................................... 94 E. Privatrechtsentwicklung in Österreich bis zum ABGB ............................ 94 1. Entwicklung bis zur Rezeption .......................................................... 94 2. Kanonisches Recht und Rezeption ..................................................... 95 F. Das ABGB ................................................................................................ 97 1. Kodifikationsgeschichte ..................................................................... 97 2. Römischrechtlicher Einfluss ............................................................... 97 3. Naturrechtlicher Einfluss .................................................................... 98 4. „Moderne“ Positionen im ABGB ....................................................... 99 G. Weitere Entwicklung ............................................................................... 100 H. Die Auslegung des ABGB im Wandel der Zeit ....................................... 101 I. Auf dem Weg zu einem Europäischen Privatrecht? ................................ 101

3. Teil Öffentliches Recht

I. Der rechtswissenschaftliche Begriff des öffentlichen Rechts ........................ 103II. Allgemeine Staatslehre .................................................................................. 104 A. Staatsbegriff ............................................................................................ 104

1. Staatsgebiet ...................................................................................... 104 2. Staatsvolk ......................................................................................... 105 3. Staatsgewalt ...................................................................................... 105

B. Verfassungsbegriff .................................................................................. 105 C. Staatsformen ........................................................................................... 106 1. Monarchie und Republik .................................................................. 106 2. Einheitsstaat und Bundesstaat .......................................................... 106 D. Regierungsformen ................................................................................... 107 1. Demokratie und Autokratie .............................................................. 107 2. Aristokratie und Oligarchie .............................................................. 108

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XI Eberhard/Grabenwarter/Kodek/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften5

Inhaltsverzeichnis

III. Der Stufenbau der Rechtsordnung ................................................................. 108 A. Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit ........................................... 108 B. Stufenbau nach der derogatorischen Kraft .............................................. 109IV. Geschichte des Verfassungsrechts ................................................................. 110 A. Einleitung ................................................................................................ 110 B. Die Phase des Frühkonstitutionalismus (1848 bis 1851) ........................ 110 1. Die Verfassungen 1848 .................................................................... 110 2. Kremsierer Verfassungsentwurf 1848/49 .......................................... 111 3. Die Oktroyierte Märzverfassung 1849 .............................................. 111 4. Das Silvesterpatent 1851 .................................................................. 112 C. Der Neoabsolutismus und der monarchische Einheitsstaat (1851 bis 1867) ....................................................................................... 112 D. Der Konstitutionalismus in der österreichisch-ungarischen Monarchie (1867 bis 1918) ..................................................................... 113 E. Die Entstehung der Ersten Republik ....................................................... 114 F. Ständestaat und Nationalsozialismus ...................................................... 115 G. Die Zweite Republik ............................................................................... 115V. Grundzüge des Verfassungsrechts ................................................................. 117 A. Rechtsquellen des Verfassungsrechts ...................................................... 117 B. Grundprinzipien der Verfassung ............................................................. 117 1. Eigenschaften und Bedeutung der Grundprinzipien ........................ 117 2. Demokratie ....................................................................................... 119 3. Rechtsstaat ........................................................................................ 121 4. Sonstige Grundprinzipien ................................................................. 123 C. Grundrechte ............................................................................................. 123 1. Allgemeines ...................................................................................... 123 2. Besonderer Teil ................................................................................ 128 D. Verfassungsgerichtsbarkeit ..................................................................... 130 1. Organisation ..................................................................................... 130 2. Ausgewählte Zuständigkeiten .......................................................... 131VI. Grundzüge des Verwaltungsrechts ................................................................. 132 A. Die Staatsfunktion Verwaltung ............................................................... 132 B. Begriffe ................................................................................................... 133 1. Juristische Personen des öffentlichen Rechts ................................... 133 2. Organbegriff ..................................................................................... 134 C. Organisation der Verwaltung .................................................................. 135 1. Organe der Bundesverwaltung ......................................................... 135 2. Organe der Landesverwaltung ......................................................... 136 3. Organe der Gemeindeverwaltung .................................................... 136 4. Nichtterritoriale Selbstverwaltung ................................................... 137 D. Prinzipien des Verwaltungsrechts ........................................................... 137 1. Gesetzesbindung .............................................................................. 137 2. Erlassung von Durchführungsverordnungen .................................... 138 3. Weisungsbindung ............................................................................. 138 4. Amtsverschwiegenheit ..................................................................... 138

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XII

Inhaltsverzeichnis

5. Auskunftspflicht ............................................................................... 138 6. Amtshilfe .......................................................................................... 138 7. Amts- und Organhaftung .................................................................. 139 E. Verwaltungshandeln ................................................................................ 139 1. Hoheitsverwaltung ........................................................................... 139 2. Privatwirtschaftsverwaltung ............................................................. 141 F. Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtliche Kontrolle .............. 142VII. Grundbegriffe des Völkerrrechts ................................................................... 142 A. Rechtsnatur und Grundsätze des Völkerrechts ....................................... 142 B. Rechtsquellen des Völkerrechts .............................................................. 143 1. Rechtserzeugungs- und Rechtserkenntnisquellen ............................ 143 2. Rang der Völkerrechtsquellen und ius cogens ................................. 144 C. Subjekte des Völkerrechts ....................................................................... 144 1. Übersicht .......................................................................................... 144 2. Staaten .............................................................................................. 145 3. Internationale Organisationen .......................................................... 146 D. Die Vereinten Nationen ........................................................................... 147 1. Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen ................................. 147 2. Die Organe der Vereinten Nationen ................................................. 148 3. Instrumente der Friedenssicherung .................................................. 149 E. Rechtsdurchsetzung im Völkerrecht ....................................................... 151 F. Völkerrecht und innerstaatliches Recht .................................................. 151 1. Das Verhältnis von Völkerrecht und innerstaatlichem Recht ........... 151 2. Die Übernahme von Völkerrecht in das nationale Recht ................. 152 3. Rechtsfolgen einer Kollision von Völkerrecht und nationalem Recht ................................................................................................ 152

4. Teil Grundzüge der Rechts- und Staatsphilosophie

I. Naturrechtslehre und Rechtspositivismus ...................................................... 153II. Theorieansätze der Rechts- und Staatsphilosophie im Wandel der Geschichte ............................................................................................... 154 A. Antike: die Frage nach der idealen Staatsform ....................................... 154 1. Plato: Herrschaft der Philosophenkönige oder des Gesetzes ........... 155 2. Aristoteles: Theorie der Staatsformenlehre ...................................... 155 3. Cicero: Die römische Republik als ideale Staatsform ...................... 156 B. Mittelalter: Verhältnis von weltlicher und geistlicher Herrschaft ........... 157 1. Augustinus: Trennung von Religion und weltlichem Staat .............. 157 2. Thomas von Aquin: Hierarchisierung der normativen Ordnung ...... 158 3. Dante Alighieri: Trennung von weltlicher und geistlicher Herrschaft ......................................................................................... 159 4. Marsilius von Padua: Souveränität des Volkes ................................ 159 C. Neuzeit: Verweltlichung der Staatsphilosophie ...................................... 160

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XIII Eberhard/Grabenwarter/Kodek/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften5

Inhaltsverzeichnis

1. Legitimationstheorien staatlicher Gewalt und Souveränität ............ 160 2. Frühe Theorien des Völkerrechts ..................................................... 162 3. Die Gesellschaftsvertragstheorien .................................................... 163 4. Die Grundlegung der Gewaltenteilung durch Charles Louis de Montesquieu ................................................................................ 165 5. Naturrechtslehren der Neuzeit .......................................................... 166 6. Vorstellungen vom idealen Staat im Lichte der industriellen Revolution ................................................................... 168 D. Moderne: Vielfalt und Interdisziplinarität der Ansätze ........................... 169 1. Der Rechtspositivismus: Recht als positiv gesetzte Zwangsordnung ................................................................................ 170 2. Die Integrationslehre Smends .......................................................... 171 3. Niklas Luhmann: Systemtheorie des Rechts .................................... 171 4. Jürgen Habermas: Diskurstheorie des Rechts .................................. 172 5. Die Gerechtigkeitstheorie John Rawls’ ............................................ 172III. Die rechts- und staatstheoretischen Grundlagen des Bundes- verfassungsrechts ........................................................................................... 172

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1 Eberhard/Grabenwarter/Kodek/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften5

1. Teil Grundlagen und Methodenlehre

I. Rechtswissenschaften

A. Die Rechtswissenschaft als Wissenschaft

Das vorliegende Werk hat das Ziel, Studierende in die Rechtswissenschaften einzufüh-ren. Bevor der Gegenstand dieser Wissenschaft näher beschrieben wird, ist zu klären, was unter Wissenschaft zu verstehen ist. Wissenschaft ist auf Wissen bezogen, auf die Erarbeitung neuer Erkenntnisse als Ergebnis von Forschung. Neue Erkenntnisse werden bestimmten Denkgesetzen folgend erzielt. Unverzichtbares Merkmal einer je-den Wissenschaft ist es, eine bestimmte wissenschaftliche Methode zugrunde zu legen.

B. Die verschiedenen Rechtswissenschaften

Gegenstand der Rechtswissenschaften ist das Recht. Es kann aus der Perspektive ver-schiedener Disziplinen der Rechtswissenschaft beleuchtet und untersucht werden. Die zentrale Disziplin der Rechtswissenschaften, der auch der Großteil eines Rechtswis-senschaftsstudiums gewidmet ist, ist die Rechtsdogmatik. Sie ist darauf gerichtet, das geltende Recht zu erfassen und den Inhalt von Rechtsvorschriften zu ermitteln. Dies geschieht mit rechtswissenschaftlicher Methode und unter Berücksichtigung von Inter-pretationsregeln. Die Rechtsphilosophie beschäftigt sich mit den philosophischen Grundlagen jeder Rechtsordnung. Im 4. Teil dieses Lehrbuchs werden Grundzüge der Rechts- und Staats-philosophie einschließlich der Allgemeinen Staatslehre dargestellt.Die Rechtstheorie ist eine Wissenschaft, die darauf gerichtet ist, allgemeine Struktur-prinzipien von Rechtsordnungen herauszuarbeiten und darzustellen. Sie will nicht den Inhalt bestimmter Rechtsvorschriften ermitteln.Die Rechtsgeschichte ist eine Teildisziplin der Rechtswissenschaften und der Ge-schichtswissenschaft. Daher ist sie nicht auf die Forschungsmethoden der Rechtswis-senschaften beschränkt. Ihr Erkenntnisanliegen ist ein anderes. Sie ist darauf gerichtet, die historische Entwicklung von Rechtsordnungen oder Teilen davon zu ermitteln und darzustellen. Die Rechtsgeschichte beschränkt sich aber nicht bloß auf die Darstellung der Entwicklung von Rechtsvorschriften, sondern trägt mit ihren Forschungsergebnis-sen auch zum Verständnis des geltenden Rechts bei. Sie hat insoweit auch Zuträgerfunk-tion für die historische Interpretation, einer bestimmten Spielart der Interpretation von Rechtsvorschriften.

Beispiel: Für die Frage, wie der Verfassungsgesetzgeber den Begriff „Angelegenheiten des Gewer-bes“ in Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG verstanden hat, wird die Entwicklung des Rechtsgebiets des Gewer-berechts bis zum Inkrafttreten dieser Bestimmung in den Blick genommen.

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Grundlagen und Methodenlehre

Die Rechtsvergleichung („Komparatistik“) untersucht Rechtsordnungen verschiedener Staaten und versucht, durch den Vorgang des Vergleichens Gemeinsamkeiten und Un-terschiede herauszuarbeiten und dabei letztlich wieder zum Verständnis des geltenden Rechts beizutragen. Legistik und Rechtspolitik beschäftigen sich mit der Erlassung neuer oder der Verbes-serung bestehender Gesetze. Die Gesetzgebungslehre (Legistik) untersucht Rechtsvor-schriften mit dem Ziel einer besseren formalen und verständlicheren Gestaltung von Gesetzen. Kriterien hiefür sind etwa systematische und sprachliche Aspekte, aber auch einheitliche Erscheinungsformen und vieles andere mehr. Die Rechtspolitik beschäftigt sich mit der Frage, was der Gesetzgeber inhaltlich vor-sehen soll. Dazu zählt auch die Abschätzung von Wirkung und Folgen von rechtspo-litischen Gestaltungsmaßnahmen einschließlich deren Kosten (Rechtsfolgenanalyse). Rechtspolitische Fragen stellen sich überall: Themen der vergangenen Jahre waren zB ob eZigaretten nur in Trafiken verkauft werden dürfen; ob gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren dürfen; ob Eltern pflichtteilsberechtigt sein sollen. Aktuelle rechts-politische Fragen sind zB ob die Mindestsicherung für Flüchtlinge gekürzt werden soll; ob Handelsabkommen sinnvoll sind (TTIP); ob das Wahlrecht reformiert und das Ge-werberecht weiter liberalisiert werden soll. Nicht immer nimmt der Gesetzgeber seine rechtspolitische Verantwortung wahr (die Frage der Adoption durch gleichgeschlechtli-che Personen hat der Verfassungsgerichtshof gelöst), nicht immer nimmt der Gesetzge-ber seine Verantwortung richtig wahr (die Beschränkung des Verkaufs von eZigaretten auf Trafiken war verfassungswidrig). Die Rechtssoziologie beschäftigt sich mit der Wechselwirkung des geltenden Rechts mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Sie ist eine ausschließlich empirische Wissen-schaft und bedient sich anderer Methoden als die Rechtsdogmatik, nämlich der Metho-den der empirischen Sozialforschung. Die Rechtssoziologie untersucht nicht nur recht-liche Verhaltensgebote, sondern auch andere normative Ordnungen (etwa moralische Gebote, gesellschaftliche Usancen etc). Das Recht ist für die Rechtssoziologie nicht ein auslegungsbedürftiges System von normativen Vorgaben, sondern eine Erscheinungs-form gesellschaftlicher Wirklichkeit. Die Rechtsökonomie oder Ökonomische Analyse des Rechts (Law and Economics) analysiert das Recht ausgehend von Verhaltensweisen und Motiven von Menschen als Wirtschaftssubjekte, die aus der Volkswirtschaftstheorie entnommen werden. Vor dem Hintergrund der ökonomischen Theorie werden Aussagen über die tatsächlichen Wir-kungen von geltenden Rechtsvorschriften getroffen.

II. Das Recht im objektiven Sinn

A. Definition

Das Recht im objektiven Sinn ist die Summe jener Normen, welche das menschliche Zusammenleben verbindlich regeln und allenfalls mit staatlicher Zwangsgewalt durch-setzbar sind.

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3 Eberhard/Grabenwarter/Kodek/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften5

Das Recht im objektiven Sinn

Die Rechtsordnung sorgt somit für die äußere Ordnung in der Gesellschaft, welche das Zusammenleben erleichtert (Ordnungsfunktion); sie besteht aus Sollensanordnungen, nach welchen sich die Normunterworfenen richten müssen. Die Ge- und Verbote wer-den nötigenfalls mit behördlicher Zwangsgewalt gegen den Willen des Betroffenen durchgesetzt. Eine Verletzung dieser Ge- und Verbote wird vom Staat idR mit Strafen geahndet. Das staatliche Gewaltmonopol gewährleistet die Friedenssicherungs- und Schutzfunktion der Rechtsordnung. Nur in bestimmten Notsituationen darf privater Zwang geübt werden.Die in einer Gemeinschaft geltende Rechtsordnung wird als positives Recht (von Men-schen für Menschen gesetztes Recht) bezeichnet: Gesetze werden erlassen und ihre Be-folgung erzwungen. Die menschliche Gemeinschaft bestimmt die Regeln für das Zu-sammenleben folglich selbst. Lehren des Naturrechts waren vor allem in früheren Zeiten herrschend (siehe auch 4. Teil II.B. und II.C.4.): Naturrechtslehrer wie Aristoteles, Thomas von Aquin, Hobbes und Pufendorf etwa betrachteten das Recht als aus der Natur des Menschen (vor allem seiner Vernunft) oder göttlicher Anordnung vor-gegeben und nicht vom Menschen geschaffen wie das positive Recht. Diese naturrechtlichen Normen seien der menschlichen Erkenntnis zugänglich und enthielten unmittelbar anwendbares, dem positiven Recht im Rang vorgehendes Recht.

In der Anerkennung allgemeiner, vom positiven Recht unabhängiger Rechtsgrundsätze (vgl § 7 ABGB: Entscheidung eines Rechtsfalles nach den „natürlichen Rechtsgrundsät-zen“) sind allerdings heute noch naturrechtliche Ansätze erkennbar. Ebenso wird vertre-ten, dass dem positiven Recht einem ethisch sauberen Rechtsbegriff entsprechend bloß dann Rechtsqualität zukomme, wenn es sich an Gerechtigkeitsvorstellungen orientiert (siehe unten) und den Postulaten der Zweckmäßigkeit und Rechtssicherheit dient.

B. Die normativen Ordnungen von Sitte und Moral Neben den Verhaltensanordnungen des Rechts bestehen in einer Gemeinschaft auch an-dere Verhaltensanordnungen wie zB der Sitte und Moral; auch sie regeln das menschli-che Zusammenleben. Das Recht unterscheidet sich trotz gewisser gemeinsamer Merk-male von diesen anderen normativen Ordnungen durch die Einordnung als staatliche Zwangsordnung (das Charakteristikum, dass es notfalls mit unmittelbarem, staatlich organisiertem Zwang durchgesetzt werden kann).

1. SittenSitten sind allgemein geübte, nach außen erkennbare und rechtlich unbeachtliche Ver-haltensweisen bestimmter Gruppen, welche ohne Rechtsüberzeugung (opinio iuris – Unterschied zum Gewohnheitsrecht, siehe unten IV.B.) praktiziert werden und deren Verletzung keine staatlichen, sondern gesellschaftliche Sanktionen nach sich zieht. Mit ihrer Nichtbeachtung sind häufig geschäftliche und/oder persönliche Nachteile verbun-den (Ächtung, Beziehungsverlust etc).

Beispiel: Sitte ist es etwa, sich zu grüßen, Hände zu schütteln, sich zu bestimmten Anlässen entspre-chend zu kleiden, mit Messer und Gabel zu essen etc. Ein entsprechendes Fehlverhalten führt etwa dazu, dass man von anderen auch nicht mehr gegrüßt wird.

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Grundlagen und Methodenlehre

Sitten können ausnahmsweise in Form von Verkehrssitten oder Unternehmensbräu-chen rechtliche Bedeutung erlangen (so etwa bei der Auslegung von Willenserklärun-gen und Verträgen gemäß § 914 ABGB oder über Verweise des Gesetzgebers, zB in § 346 UGB: „Gebräuche im Geschäftsverkehr“).

2. MoralGebote der Moral sind für die innere Einstellung und das eigene Gewissen maßgeblich. Während Recht und Sitte außenwirksame Sollensanforderungen enthalten, welche sich im Grunde mit äußerer Befolgung begnügen, erfordern die Appelle der Moral an das eigene Gewissen eine edle Gesinnung. Verletzungen der Moral müssen mit dem eigenen Gewissen vereinbart werden. Auch zwischen Recht und Moral bestehen Überschneidungen: Viele Rechtsvorschriften genügen moralischen Anforderungen; allerdings ist nicht jedes unmoralische Verhalten auch zugleich rechtswidrig. Im Rahmen der §§ 879 und 1295 Abs 2 ABGB sind Moralvorstellungen aller „billig und gerecht Denkenden“ im Rahmen der „guten Sitten“ rechtlich beachtlich. Wer gegen diesen allgemeinen, ungeschriebenen Grundkonsens an Werthaltungen verstößt, han-delt rechtswidrig. Der genaue Umfang der guten Sitten wird durch die Rechtsprechung laufend konkretisiert und bietet aufgrund der nicht leicht fassbaren Ausgestaltung der Moralvorstellungen „aller billig und gerecht Denkenden“ in den Randbereichen häufi-gen Anlass zu Diskussionen.

III. Das Recht im subjektiven Sinn Die Rechtsordnung als Recht im objektiven Sinn trifft Verhaltensanordnungen, räumt aber auch Befugnisse ein. Diese dem Einzelnen vom objektiven Recht (engl „law“) zugestandenen Befugnisse heißen subjektive Rechte (engl „right“). Sie gewähren ein-zelnen Personen somit durchsetzbare Ansprüche.Indes begründet nicht jede Vorschrift des objektiven Rechts zum Schutz bestimmter Interessen stets auch ein subjektives Recht. Für die Annahme eines subjektiven Rechts ist vielmehr entscheidend, dass eine Vorschrift des objektiven Rechts (zumindest auch) dem individuellen Interesse Einzelner zu dienen bestimmt ist. So bezweckt etwa die Straßenverkehrsordnung (StVO) den Schutz der Verkehrsteilnehmer, diese haben allerdings kein Recht, die Einhaltung der StVO von jemandem zu erzwingen; die Einhaltung dieser Vor-schriften wird unabhängig vom Willen der geschützten Personen von öffentlichen Organen amtswegig wahrgenommen. Somit verleiht die StVO kein subjektives Recht, weil keine Befugnis zur Geltendma-chung durch die geschützten Personen besteht. Dagegen bestehen Ansprüche einer Person, dass der Nachbar nicht über die nach der Bauordnung (BauO) zulässige Höhe hinaus baut oder dass er nicht näher als nach der BauO zulässig an die Grund-grenze heran baut (öffentlich-rechtliche subjektive Rechte), weil diese Ansprüche vor den zustän-digen Verwaltungsbehörden und sodann vor den Verwaltungsgerichten durchsetzbar sind. Wird dem Nachbarn unter Verletzung dieser subjektiven öffentlichen Rechte eine Baubewilligung erteilt, steht dem Betroffenen Rechtsschutz offen. Die im Einzelfall schwierigen Abgrenzungsfragen stellen sich vor allem im Bereich des öffentlichen Rechts: Wird etwa jemandem eine Baubewilligung erteilt, obwohl die vorgesehenen Wohnzimmerfens-ter nicht die nach der BauO erforderliche Mindestgröße aufweisen, kann der Nachbar keine Rechtsmit-tel ergreifen, weil es sich hiebei bloß um Bestimmungen des objektiven Rechts handelt, welche von der

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Rechtsquellen

Baubehörde amtswegig wahrzunehmen sind. Der Nachbar wird durch einen solchen Bescheid nicht in seinen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt (denn diese Bestimmung dient allein dem Schutz der dort Wohnenden, nicht dem Schutz der Nachbarn, weshalb keine subjektiven öffentlichen Rechte der Nachbarn begründet werden). Als Leitlinie hat sich in Judikatur und Lehre die sog Schutznormtheo-rie entwickelt, wonach eine Rechtsnorm dann ein subjektives öffentliches Recht begründet, wenn sie nicht ausschließlich zum Schutz der Allgemeinheit oder zur Durchsetzung eines öffentlichen Interesses erlassen wurde, sondern zumindest auch dem Schutz individueller Interessen und damit dem Schutz bestimmter spezifisch betroffener Einzelner dient. Eindeutiger werden Ansprüche im Privatrecht eingeräumt: So hat der Geschädigte nach den Rege-lungen des ABGB gegen den Schädiger einen Schadenersatzanspruch (privatrechtliches subjektives Recht). Dieser Anspruch ist zivilgerichtlich durchsetzbar.

IV. Rechtsquellen

A. Definition Unter Rechtsquellen versteht man jene Erscheinungsformen, aus denen Recht entsteht (Entstehungsquellen) bzw aus denen Recht erkennbar wird (Erkenntnisquellen).

B. Entstehungsquellen des Rechts Darunter versteht man die von der staatlichen Autorität gesetzten bzw anerkannten Akte der Rechtserzeugung: • Gesetze: Diesen kommt in Österreich überragende Bedeutung zu. Gesetzesrecht

wird auch als positives Recht bezeichnet (siehe oben II.A.), weil seine Existenz auf menschliche Rechtsetzung zurückzuführen ist (im Gegensatz zum Naturrecht). Die Regelungen über das Gesetzgebungsverfahren stellen einen der Kerninhalte des de-mokratischen Grundprinzips der Verfassung dar (3. Teil III.B.2.). „Sobald ein Gesetz gehörig kundgemacht worden ist, kann sich niemand damit entschuldigen, dass ihm dasselbe nicht bekannt geworden sei.“: § 2 ABGB wird heute dahingehend ausgelegt, dass im BGBl kundgemachte Gesetze für jedermann verbindlich sind, unabhängig davon, ob er von ihnen tatsächlich Kenntnis hat oder nicht. Verschuldet iSv subjektiv vorwerfbar ist diese Unkenntnis je-doch nur dann, wenn dem Betreffenden die Kenntnisnahme zumutbar war. Generell wird hiebei ein strenger Maßstab angelegt, sodass Rechtsunkenntnis nur selten entschuldigt: Ausländische Au-tofahrer müssen sich etwa über die einschlägigen Normen informieren, wenn sie österreichische Straßen befahren.

• Staatsverträge sind öffentlich-rechtliche Vereinbarungen des Staates mit anderen Völkerrechtssubjekten, also Staaten und Internationalen Organisationen, aber auch damit zusammenhängende einseitige Völkerrechtsgeschäfte wie die Kündigung.

Beispiel: Verträge mit Nachbarstaaten über eine veränderte Grenzziehung.

• Verordnungen sind Hoheitsakte von Verwaltungsbehörden, die nur auf Basis einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen werden dürfen und die sich – wie Gesetze – an einen generellen Adressatenkreis richten (zB alle Betreiber von gewerblichen Be-triebsanlagen).

Zu den generellen Rechtsquellen, welche sich an die Allgemeinheit oder an einen nach Artmerkmalen bestimmten Adressatenkreis wenden, zählen Gesetze, Verordnungen,

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Grundlagen und Methodenlehre

Staatsverträge und Gewohnheitsrecht. Letzteres entsteht durch lang anhaltende, allge-meine, gleichmäßige Anwendung, welche von der Überzeugung getragen werden muss, dass die angewandten Regeln Recht seien (opinio iuris). Das Erfordernis der opinio iuris für die Qualifikation als Gewohnheitsrecht unterscheidet dieses von Sitten und Gebräuchen (bloße opinio usus). In Österreich kommt dem Gewohnheitsrecht eine sehr untergeordnete Bedeutung zu, weil der Gesetzgeber Gewohnheitsrecht im Laufe der Zeit in Gesetze aufzunehmen pflegt und dieses somit verdrängt wird.

Beispiele für generelle Rechtsquelle sind Verordnungen. Sie richten sich an eine unbestimmte An-zahl von Personen, beispielsweise an alle Lenker eines Kraftfahrzeugs in einem bestimmten Gebiet (Straßenverkehrszeichen) oder an alle Grundeigentümer (Flächenwidmungsplan: dieser regelt, ob und welche Bauwerke auf bestimmten Grundstücken errichtet werden dürfen).

Individuelle Rechtsquellen richten sich dagegen an einzelne, individuell bestimmte Personen. Dazu gehören Erkenntnisse von Verwaltungsgerichten und Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts und Bescheide von Verwaltungsbehörden (in den Grenzen der Rechtskraft) sowie Gerichtsurteile von ordentlichen Gerichten und Verträge zwischen Privatrechtssubjekten. Im Case-law-System des angloamerikanischen Rechtskreises kommt Gerichtsurteilen generelle Wir-kung zu. § 12 ABGB bestimmt, dass in Österreich Gerichtsurteile Verbindlichkeit bloß für den einzel-nen entschiedenen Fall entfalten; Gerichte können somit kein allgemein gültiges Recht schaffen. Bereits aus dem Gewaltenteilungsprinzip der Verfassung ergibt sich, dass das Parlament allgemein verbindli-ches (Bundes-)Recht schafft, den Gerichten und Verwaltungsbehörden hingegen die Aufgabe zukommt, dieses Recht anzuwenden, also aus dem allgemein verbindlichen Recht durch Urteil, Erkenntnis oder Bescheid verbindliches Recht für den Einzelnen zu schaffen. Aufgrund dieser Bindung der Gerichte an das Gesetz dürfen sie nicht contra legem entscheiden; die Ausdifferenzierung bzw das Weiterdenken unvollkommenen Gesetzesrechts unter Ausschöpfung aller anerkannten Interpretationsmethoden ist im Rahmen der richterlichen Rechtsetzung bzw auch der richterlichen Rechtsfortbildung Aufgabe der Gerichte und Verwaltungsbehörden. Insofern kommt dem Richterrecht auch eine gewisse subsidiäre Bindungskraft im generellen Sinne zu, weil Gerichtsurteile binden, solange nicht nachgewiesen werden kann, dass eine andere Lösungsmöglichkeit der Rechtsordnung besser entspricht. Die Grenzen zur un-erlaubten freien Rechtsfindung sind zum Teil fließend und dürfen nicht überschritten werden. Es besteht auch keine Bindung der Höchstgerichte (VfGH, VwGH und OGH) an (ihre eigenen) Ent-scheidungen (Präjudizien): Bei neuerlicher Vorlage eines vergleichbaren Sachverhalts dürfen sie zu einer anderen Lösung gelangen.

Beispiel: Der VfGH (VfSlg 7461) entschied etwa im Jahr 1974 zunächst, dass die in Vorarlberg ausschließlich für Schülerinnen vorgeschriebene hauswirtschaftliche Ausbildung sachlich gerecht-fertigt sei, weil diese Tätigkeit überwiegend von Frauen ausgeübt werde. Diese Regelung wurde hingegen 1994 durch den VfGH aufgehoben (VfSlg 13.917).

Trotzdem orientiert sich die Rechtsprechungspraxis an älteren Entscheidungen (Präjudizien) aus Grün-den der Rechtssicherheit und Gleichbehandlung. Eine gewisse Bindung der Höchstgerichte an ihre eigene Rechtsprechung ist zur Wahrung der Einheitlichkeit und Verlässlichkeit (im Sinne einer Leit-judikatur) vorgesehen. Solche Leitentscheidungen werden von verstärkten Senaten getroffen, in denen eine höhere Anzahl von Richtern vertreten ist: So ist etwa beim VwGH und beim OGH ein verstärkter Senat vorgeschrieben, wenn eine Entscheidung ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung be-deutet oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung der Gerichte nicht einheitlich beantwortet wurde (§ 13 Abs 1 VwGG; § 8 OGHG).

C. Österreich als Mitglied der EU

Auffällig ist, dass im Katalog der österreichischen Rechtsquellen keine Rechtsakte der EU angeführt sind. Das liegt daran, dass europäische Rechtsakte nicht Teil der österrei-

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Rechtsvorschriften

chischen Rechtsordnung sind, sondern eine eigenständige zweite Rechtsordnung bil-den. Die Rechtsakte der EU sind aber in Österreich anwendbar, so wie Bundesrecht in Österreich in allen Bundesländern gilt. Die Rechtsordnung der EU besteht aus dem Primärrecht („europäisches Verfassungsrecht“), also va den Verträgen und der Grund-rechtecharta, und dem Sekundärrecht, also Rechtsvorschriften, die auf Basis des Pri-märrechts erlassen wurden. Dazu gehören Richtlinien, die sich an die Mitgliedstaaten richten und von diesen in nationales Recht umzusetzen sind, und Verordnungen, die unmittelbar, also ohne Umsetzung anwendbar sind. Diese unmittelbare Anwendbarkeit führt dazu, dass das Europarecht als „supranationales“ Recht bezeichnet wird. Das Europarecht wird geschlossen in Teil 3 V. behandelt.

D. Erkenntnisquellen des Rechts Unter Erkenntnisquellen versteht man jene äußeren Erscheinungsformen, welche es er-möglichen, vom Inhalt des Rechts Kenntnis zu erlangen:• Bundesgesetzblätter, in welchen insb Bundesgesetze und die von Österreich ratifi-

zierten Staatsverträge kundgemacht werden.Seit 1.1.1997 bestehen folgende Teilungen der BGBl: I Gesetze, II Verordnungen, III Staatsver-träge. Seit dem Jahr 2004 wird dabei die authentische Fassung der Rechtsvorschriften im Internet (Rechtsinformationssystem des Bundes: www.ris.bka.gv.at) kundgemacht.

• Landesgesetzblätter, in welchen insb Landesgesetze kundgemacht werden.• Amtsblatt der EU, in welchem insb die Verordnungen und Richtlinien der EU ver-

öffentlicht werden. Im ABl werden verbindliche Rechtsakte im Teil L (legislatio), Mitteilungen und Bekanntmachun-gen im Teil C (communicatio) kundgemacht.

Die entsprechende Rechtsvorschrift gilt in der verlautbarten Form, bei Fehlern ist im selben Kundmachungsorgan eine Druckfehlerberichtigung zu veröffentlichen.

V. Rechtsvorschriften

A. Definition Das Recht im objektiven Sinn tritt in Form von Rechtssätzen (Rechtsvorschriften) in Erscheinung. Rechtssätze sind Sollensanordnungen und bestehen regelmäßig aus Tat-bestand und Rechtsfolge: Der Tatbestand beschreibt abstrakt vertypt eine bestimmte Verhaltensweise bzw Situation, für welche eine bestimmte Konsequenz vorgesehen ist (Rechtsfolge). Rechtssätze ordnen somit bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen an.

B. Sachverhalt Als Sachverhalt bezeichnet man jene konkrete Lebenssituation, auf welche der Rechts-satz angewendet werden soll („Lebenssachverhalt“). Möglicherweise rechtlich erhebli-che Fakten bilden den Sachverhalt.

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Grundlagen und Methodenlehre

Beispiele: Laura ist beim Schifahren unaufmerksam und kollidiert mit der am Sessellift angestellten Lena, die sich ein Bein bricht.Der leicht alkoholisierte Heinz erschießt den Pilze sammelnden Christian im Wald bei dem Versuch, den neben Christian befindlichen Baum zu treffen. Max fährt mit seinem Auto im Wiener Ortsgebiet mit 95 km/h.

C. Tatbestand Dieser beschreibt mittels allgemein gehaltener, abstrakter Tatbestandsmerkmale jene Lebenssituationen und Fakten, für welche die Rechtsordnung Rechtsfolgen anordnet.

Beispiele: § 1295 Abs 1 ABGB lautet: „Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; …“ § 1325 ABGB lautet: „Wer jemanden an seinem Körper verletzt, bestreitet die Heilungskosten des Verletzten, ersetzt ihm den entgangenen, oder, wenn der Beschädigte zum Erwerb unfähig wird, auch den künftig entgehenden Verdienst; und bezahlt ihm auf Verlangen überdies ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzengeld.“ Der erste Halbsatz bildet den konkretisierten Tatbe-stand, der zweite die Rechtsfolge.§ 75 StGB (Mord) lautet: „Wer einen anderen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.“ Der erste Halbsatz bildet den Tatbestand, der zweite die Rechtsfolge. Dabei ist aber auch zu beachten, dass nach § 7 Abs 1 StGB dann, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, nur vorsätzliches Handeln strafbar ist. Bei der Tötung gibt es jedoch auch ein entsprechendes Fahrlässigkeitsdelikt. § 80 Abs 1 StGB (Fahrlässige Tötung) lautet: „Wer fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.“§ 99 Abs 2e StVO erklärt das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet (= 50 km/h: § 20 Abs 2 StVO) um mehr als 40 km/h zur Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von 150 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu 6 Wochen, zu bestrafen ist.

Der Tatbestand eines Rechtssatzes muss notwendig abstrakt formuliert sein, weil dieser für eine Vielzahl von Fällen einschlägig sein muss. Der Gesetzgeber kann nicht für jeden Einzelfall eine individuelle Lösung treffen, so beispielsweise an-ordnen, dass Laura Lena € 3.000 Schmerzengeld zahlen muss, wenn sie ihr einen Beinbruch zufügt. Die Zahl und die konkreten Konstellationen der möglichen Konflikte in der Realität sind unendlich, sodass allgemein angeordnet wird: Bei schuldhafter Schädigung ist Ersatz zu leisten. Alle Autofahrer, die die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten, sind wegen einer Verwaltungs-übertretung zu bestrafen, wenn keine die Strafbarkeit ausschließenden Gründe vorliegen.

D. Subsumtion

Ob ein Sachverhalt rechtlich erheblich ist, hängt davon ab, ob der Sachverhalt in den Regelungsbereich eines gesetzlichen Tatbestands fällt. Diese Prüfung, ob der Sachver-halt einem Tatbestand entspricht, obliegt dem Rechtsanwender: Jenen Vorgang, bei welchem festgestellt wird, dass ein Sachverhalt die Merkmale eines gesetzlichen Tatbestands erfüllt, bezeichnet man als Subsumtion. Diese erfolgt mithilfe eines Syllogismus: Den Obersatz stellt der Tatbestand dar, den Untersatz der Sachver-halt. Der Schlusssatz stellt fest, dass der Sachverhalt die Tatbestandsmerkmale erfüllt.

Beispiele: Tatbestand (Obersatz): „Wer jemanden an seinem Körper verletzt, …“Sachverhalt (Untersatz): Laura ist beim Schifahren unaufmerksam und kollidiert mit der am Sessel-lift angestellten Lena, die sich ein Bein bricht.

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Rechtsvorschriften

Schlusssatz: Laura hat Lena eine körperliche Verletzung zugefügt; sie handelt aufgrund ihrer Un-aufmerksamkeit objektiv und subjektiv sorgfaltswidrig (fahrlässig) und muss somit Schadenersatz leisten.Tatbestand (Obersatz): „Wer einen anderen tötet …“ Sachverhalt (Untersatz): Der leicht alkoholisierte Heinz erschießt den Pilze sammelnden Christian im Wald bei dem Versuch, den neben Christian befindlichen Baum zu treffen. Schlusssatz: Heinz hat Christian getötet, weil sein Schuss zum Tod geführt hat. Er ist aber kein Mörder (§ 75 StGB), weil er nicht vorsätzlich gehandelt hat. Er hat aber fahrlässig gehandelt, weil er alkoholisiert und in unmittelbarer Nähe eines anderen auf einen Baum gezielt hat. Daher hat Heinz Christian fahrlässig getötet (§ 80 StGB). Tatbestand (Obersatz): „Wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h überschreitet …“ Sachverhalt (Untersatz): Max fährt mit seinem Auto im Ortsgebiet von Wien mit 95 km/h.Schlusssatz: Max hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h überschritten. Max hat daher eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 2e StVO begangen. Wenn eine Verwaltungsvorschrift nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Handeln (§ 5 VStG), was hier jedenfalls anzunehmen ist.

Erst nachdem der Sachverhalt erfolgreich unter einen Tatbestand subsumiert wurde, kann die auf den Sachverhalt anzuwendende Rechtsfolge bestimmt werden, da diese die Erfüllung des Tatbestands voraussetzt.

E. Rechtsfolge

Wird ein gesetzlicher Tatbestand verwirklicht, führt dies im konkreten Fall zu einem Rechtserwerb, Rechtsverlust, einer Verpflichtung oder sonstigen Änderung der Rechts-verhältnisse, je nachdem, was der Gesetzgeber als Konsequenz des tatbestandsmäßigen Verhaltens in der Rechtsvorschrift anordnet.

Beispiel: Der Mörder soll ins Gefängnis kommen; der Schädiger soll Schadenersatz leisten; der rasende Autofahrer soll bestraft werden etc.

F. Geltung von Rechtsvorschriften Eine Rechtsvorschrift erlangt rechtliche Existenz und wird Bestandteil der Rechts-ordnung, sobald sie den vorgesehenen Regeln entsprechend beschlossen und im vor-gesehenen Kundmachungsorgan veröffentlicht wird. Sie gilt unabhängig von ih-rer Effektivität (dem Maß an Rechtsbefolgung durch die Rechtsunterworfenen und Rechtsdurchsetzung durch die staatlichen Organe) bis zu ihrer allfälligen Aufhebung oder Abänderung. Rechtsvorschriften bestimmen für diverse Personen gewisse Verhaltensweisen unter be-stimmten Voraussetzungen. Inhaltlich können somit folgende Anwendungsbereiche unterschieden werden:• Der persönliche Geltungsbereich einer Rechtsvorschrift wird entweder nach Gat-

tungsmerkmalen (generell) oder individuell (für eine bestimmte Person) festgelegt. Gesetze und Verordnungen enthalten grundsätzlich generelle Anordnungen (rich-ten sich somit an die Allgemeinheit oder eine nach Gattungsmerkmalen bestimmte Gruppe von Menschen [zB die Studierenden, die Arbeiter]), während Bescheide,

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Grundlagen und Methodenlehre

Entscheidungen und Urteile individuelle Vorschriften beinhalten (richten sich an Frau X, Herrn Y).

• Den örtlichen Geltungsbereich zB von Bundesgesetzen stellt gemäß Art 49 B-VG grundsätzlich das gesamte Bundesgebiet dar. Landesgesetze gelten hingegen nur im Bereich des jeweiligen Bundeslandes.

• Der sachliche Geltungsbereich bestimmt, welche Sachverhalte und Verhaltenswei-sen vom Tatbestand der entsprechenden Rechtsvorschrift erfasst sind. Gesetze und Verordnungen stellen meist auf abstrakt-typisierte Verhaltensweisen ab, während Urteile, Entscheidungen und Bescheide konkret umschriebene Verhaltensweisen enthalten.

• Zeitlicher Geltungsbereich: Gemäß Art 49 Abs 1 B-VG treten – mangels abwei-chender Bestimmung – Bundesgesetze mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung (0 Uhr des Tages nach dem Kundmachungstag) in Kraft und werden verbindlich: Verbindlichkeit und Geltungsbeginn treten somit grundsätzlich gemeinsam ein.

Geltungs- und Verbindlichkeitsbeginn können bei entsprechender gesetzlicher Anord-nung auch auseinanderfallen: Im Falle einer Legisvakanz tritt die Verbindlichkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt ein.

Beispiel: Das Erbrechtsänderungsgesetz 2015 wurde im Juli 2015 vom Parlament beschlossen und im BGBl kundgemacht, aber erst am 1. Jänner 2017 wirksam. Davor war, obwohl das Erbrechts-änderungsgesetz 2015 Bestandteil der Rechtsordnung geworden ist, noch die alte Rechtslage anzu-wenden.

Der Gesetzgeber kann unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes (sachliche Recht-fertigung!) auch eine Rückwirkung anordnen, sodass ein Gesetz auf Sachverhalte An-wendung findet, welche sich vor seiner Erlassung ereignet haben. Der Gesetzgeber hat dabei allerdings verfassungsrechtliche Grenzen in Gestalt des (aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden) Vertrauensschutzprinzips zu beachten (3. Teil III.C.2.b). Im Strafrecht gilt allerdings ein Rückwirkungsverbot (vgl die Verfassungsbestimmung des Art 7 EMRK und die Ausführungen in einfachen Gesetzen wie zB § 1 StGB, § 1 VStG). Die Geltung einer Rechtsvorschrift kann durch Zeitablauf, Eintritt einer auflösenden Bedingung, Derogation (Aufhebung durch eine andere Rechtsvorschrift – siehe unten VII.B.) oder Aufhebung durch ein aufhebungsbefugtes Organ enden.

G. Novellierung

Rechtsvorschriften dürfen von den sie erlassenden Rechtssetzungsautoritäten grundsätz-lich jederzeit geändert werden. Durch Novellen kann eine Änderung der sprachlichen Fassung einzelner Formulierungen, eine Aufhebung früher erlassener Rechtsvorschrif-ten und eine Einfügung neuer Bestimmungen bewirkt werden. Sobald die Anordnung der Novelle in Kraft tritt, gilt die geänderte Fassung.

Beispiel: Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl I 2012/51); Erbrechtsänderungsgesetz 2015 (BGBl I 2015/87); Steuerreformgesetz 2015/16 (BGBl I 2015/118).

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Arten von Rechtsvorschriften

VI. Arten von Rechtsvorschriften

A. Materielles Recht – Formelles Recht Materielles Recht befasst sich mit der inhaltlichen Ordnung menschlichen Zusam-menlebens. Materielle Rechtsvorschriften regeln etwa, auf welche Leistungen jemand unter welchen Voraussetzungen einen Anspruch hat, wann ein Rechtsgeschäft anfecht-bar ist, unter welchen Umständen Arbeitnehmer gekündigt werden können, unter wel-chen Voraussetzungen eine gewerbliche Betriebsanlage betrieben werden darf, etc. Da-rüber hinaus regelt das materielle Recht spiegelbildlich die inhaltlichen Determinanten für das Handeln der Staatsorgane, etwa unter welchen Voraussetzungen die Errichtung einer Betriebsanlage zu bewilligen ist. So sind bspw Zivil-, Arbeits-, Straf- und Unternehmensrecht sowie das besondere Ver-waltungsrecht materielles Recht.Diese inhaltlichen Regelungen müssen notfalls durch staatlichen Zwang durchgesetzt werden. Das formelle Recht legt fest, welche Behörden dabei wie vorzugehen haben; es dient der Verwirklichung des materiellen Rechts. Unter formellem Recht versteht man somit jene Rechtsvorschriften, welche Verfahren und Art der Rechtsdurchsetzung vor den staatlichen Behörden festlegen, also zB wie man eine Betriebsanlagengenehmi-gung bekommen oder wie man sich gegen Organstrafmandate wehren kann.Das formelle Recht wird weiter unterteilt:• Das Organisationsrecht regelt Einrichtung und allgemeine Aufgabenstellung der

einzelnen Staatsorgane. ZB legt die JN die Arten der ordentlichen Gerichte, ihre innere Organisation (Senate, Einzelrichter) und ihre Zuständigkeiten fest; das Bun-desverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) regelt die Organisation und Zusammenset-zung des Bundesverwaltungsgerichts, der jeweilige Landesgesetzgeber den Aufbau der neun Landesverwaltungsgerichte; das BundesministerienG bestimmt die Bun-desministerien, ihre Wirkungsbereiche und innere Organisation (Abteilungen, Sek-tionen etc).

• Das Verfahrensrecht bestimmt den förmlichen Ablauf des Entscheidungsverfah-rens; näher geregelt sind die Verfahrensparteien, das Ermittlungsverfahren, die Be-weismittel, die Entscheidungsformen (Urteile, Erkenntnisse, Beschlüsse, Bescheide) sowie die Rechtsmittel (Berufung vor den ordentlichen Gerichten, Beschwerde vor den Verwaltungsgerichten). Die ZPO regelt zB das Verfahren bestimmter Zivilpro-zesse vor den ordentlichen Gerichten, die StPO das gerichtliche Strafverfahren, das AVG das verwaltungsbehördliche Bescheiderlassungsverfahren und das VwGVG das Verfahren zur Erlassung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und der Landesverwaltungsgerichte.

B. Zwingendes Recht – Dispositives RechtDispositives (nachgiebiges) Recht weicht der gegenteiligen Parteienvereinbarung und lässt somit abweichende privatautonome Rechtsgestaltung zu. Es erfüllt folgende Funk-tionen:• Wenn die Vertragsparteien nicht alle Details vereinbaren, der Vertrag somit unvoll-

ständig ist, greift das dispositive Recht: Sofern die Parteien in Hauptpunkten Einig-

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Grundlagen und Methodenlehre

keit erzielten, ergänzt das dispositive Recht (Ergänzungsfunktion) die nicht abwei-chend geregelten Nebenpunkte.

Beispiel: Wenn bloß die Reparatur des Autos vereinbart (Werkvertrag), allerdings kein Preis festgesetzt wurde, greift § 1152 ABGB und es gilt ein angemessenes Entgelt als geschuldet.

Einigen sich die Vertragsparteien bei einem Kaufvertrag über Ware und Preis (essentialia negotii – Hauptpunkte des Vertrages), so gilt mangels abweichender Parteienvereinbarung gemäß § 905 ABGB als Erfüllungsort für eine Leistung der Wohnsitz des Schuldners zur Zeit des Vertragsab-schlusses; der Verkäufer hat für die Ware gemäß §§ 922 ff ABGB Gewähr zu leisten.

• Bedienen sich die Vertragsparteien einer undeutlichen Äußerung, bestimmt das Ge-setz die maßgebende Auslegung (Auslegungsfunktion).

• Das dispositive Recht gibt Auskunft darüber, wie sich der Gesetzgeber eine aus-gewogene Berücksichtigung der jeweiligen Interessen der Vertragspartner vorstellt; bei groben Abweichungen kann die Vereinbarung nach der Generalklausel des § 879 Abs 1 ABGB gegebenenfalls sittenwidrig sein (gewisse Richtigkeitsgewähr).

Beispiel: So ist nach hA der gänzliche Gewährleistungsausschluss bei fabriksneuen Waren (auch) zwischen Unternehmern (teil)unwirksam gemäß § 879 Abs 1 ABGB, weil er gegen die guten Sitten verstößt.

Zwingendes Recht kann hingegen durch Parteienvereinbarung nicht abgeändert wer-den und schränkt insofern die Privatautonomie ein. Bei abweichender Vereinbarung ist diese nichtig (rechtsunwirksam).

Beispiel: Zwingende Regelungen bestehen für die Auflösung von Mietrechtsverhältnissen insbeson-dere in Form der Kündigungsschutzbestimmungen. Ebenso wenig können die Bestimmungen im Konsumentenschutzrecht oder die guten Sitten (§ 879 ABGB) durch abweichende Vereinbarungen ausgeschlossen werden.

Man unterscheidet:• Absolut zwingendes Recht: erlaubt keinerlei Abweichungen; auch nicht zugunsten

der Betroffenen (zweiseitig zwingend).• Relativ zwingendes Recht: ist bloß zugunsten einer, nämlich der schutzwürdigen

Partei abänderbar; es soll bloß eine Mindestabsicherung stattfinden, sodass Ver-schlechterungen unzulässig sind (einseitig zwingend).

Ist im Privatrecht zwingendes Recht zum Schutz typischerweise schwächerer Markt-teilnehmer (Verbraucher, Arbeitnehmer, Mieter) vorgesehen, so handelt es sich zumeist um relativ zwingendes Recht, welches bloß einen gewissen Mindeststandard bzw Min-destschutz bieten soll; für den Geschützten günstigere Vereinbarungen sind dagegen erlaubt und durchaus erwünscht. Dagegen ist das öffentliche Recht auf Grund der im Vordergrund stehenden Allgemeininteressen in der Regel absolut zwingend:

Beispiel: Eine Baubewilligung darf nur erteilt werden, wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen da-für erfüllt sind. Man kann nicht einzelne Genehmigungskriterien in den Bestimmungen der Bauord-nungen mit der Behörde „wegverhandeln“, also etwa im Grünland bauen.