5
Berthclot. Umbildung des Rlannits ctc. 507 zurGck, dass die speciellen Reactionen damit angestellt werden konnen, oder cs muss vorher noch durch wieder- holtes Aufloser~ in Alkohol oder Aether gerciiiigt werden. Ausser den hier mitgetheilten haben vielfach in meinem Laboratoriuni wiederholte Versuche die Zweckmassiglieit cler angegebenen Verfahrungsweise und besonders die Brauchbarkeit der PhosphormolgbdBnsaure als Fallungs- mittel fiir Alkaloide ergeben, so dzss ich auf dieselbe als ein bei chemischen Untersuchungen in vielen Fallen sehr schatzbsres IIiilfsmittel aufmerksam mache. xcv. Umbildung des Mannits und des Glycerins in einen eigentlichen Zucker. Von Berthelat. (Compt. rend. 185% 1. XLIV. (it 19.) p. 1002.) Wassrige Losungen von Rlanriit oder Glycerin wurden mit allen moglichen Geweben und stickstoffhaltigen thieri- schen oder ahnlichen Sulrstanzen zusamniengebracht und es xeigte sich in mehreren Fallen die Bildurig eines eigent- lichen Zuckers, der weinsaures Kupferoxyd-Kali reducirte und mit Bierhefe sogleich die geistige Gahrung erlitt. Die Bedingungen der Entstehurig dieses Zuckers sind nur zum Theil mit einiger Genauigkeit zu emiitteln. So habe ich diese Zuckerbildung beobachtet mit Al- bumin, Casein*), Fibrin, Leim, mit den Geweben der Iiaut, *) Ich erwahne hier einige Punkte, welche zu Irrungen in diesen Versuchen Veranlassung geben lionnten. 1) Das Albumin und das Casein enthalten kleine Mengen Zucker, welche man zuyor entferneq

Umbildung des Mannits und des Glycerins in einen eigentlichen Zucker

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Umbildung des Mannits und des Glycerins in einen eigentlichen Zucker

B e r t h c l o t . U m b i l d u n g d e s R l a n n i t s ctc. 507

zurGck, dass die speciellen Reactionen damit angestellt werden konnen, oder cs muss vorher noch durch wieder- holtes Aufloser~ in Alkohol oder Aether gerciiiigt werden.

Ausser den hier mitgetheilten haben vielfach in meinem Laboratoriuni wiederholte Versuche die Zweckmassiglieit cler angegebenen Verfahrungsweise und besonders die Brauchbarkeit der PhosphormolgbdBnsaure als Fallungs- mittel fiir Alkaloide ergeben, so dzss ich auf dieselbe als ein bei chemischen Untersuchungen in vielen Fallen sehr schatzbsres IIiilfsmittel aufmerksam mache.

xcv. Umbildung des Mannits und des Glycerins

in einen eigentlichen Zucker. Von

Berthelat.

(Compt. rend. 185% 1. XLIV. (it 19.) p . 1002.)

Wassrige Losungen von Rlanriit oder Glycerin wurden mit allen moglichen Geweben und stickstoffhaltigen thieri- schen oder ahnlichen Sulrstanzen zusamniengebracht und es xeigte sich in mehreren Fallen die Bildurig eines eigent- lichen Zuckers, der weinsaures Kupferoxyd-Kali reducirte und mit Bierhefe sogleich die geistige Gahrung erlitt. Die Bedingungen der Entstehurig dieses Zuckers sind nur zum Theil mit einiger Genauigkeit zu emiitteln.

So habe ich diese Zuckerbildung beobachtet mit Al- bumin, Casein*), Fibrin, Leim, mit den Geweben der Iiaut,

*) Ich erwahne hier einige Punkte, welche zu Irrungen in diesen Versuchen Veranlassung geben lionnten. 1) Das Albumin und das Casein enthalten kleine Mengen Zucker, welche man zuyor entferneq

Page 2: Umbildung des Mannits und des Glycerins in einen eigentlichen Zucker

508 B e r t h e l o t : U m b i l d u n = des M a i l n i t s etc.

der Nieren, des Pankreas etc., aher iminer nur zufallig und ohne die Redingunpen der Erscheinung feststellen zu konnen.

Ein einziges Gewvebe, dasjenige \-om Testilrel, hat bei Mannit und Glycerin faqt regelmdssig die Rildung von eigentlichem Zuclier ltervorgerufen. Man nimnit den Testikel von Menschen oder Thieren (IIahn, Hund, Pferd), schneidet ihn in kleine Stucken uncl lasst ihn mit einer Losung yon einem Theil Mannit oder Glycerin in zehn Theilen Wasser stehen. Das Gewicht des thierischen Gewebes betragt, auf trockne Suhstanz bezogen, ungefahr *I2,, vom Gewicht des Mannits und des Glycerins. Der Versuch wird in einer offcnen l’lasche, im diffusen Lichte und bei einer Temperstur zw-ischen 10 und %Oo vorgenommen. Das Ge- webe bleibt zurhck ohne zu faulen; wenn es fault, so ist der Versuch misslungen. Die Bildung von Schimmel und besonders von Yeiiicillirm ylaiicurn ist gleichfalls nachtheilig, wenn auch in geriiigerem Grade.

Man pruft von Zeit zu Zeit die Fliissigkeit urid findet nach einiger Zeit, welche zwischen drei Monaten und einer Woche schwankt, gewohnlich das Erscheinen einer Substanz, welche weinsaures Kupferoxyd-Kali reducirt und mit Bier- hefe augenbliclrlich gahrt. In diesem Augenhlicke giesst man die Flussigkeit von den Gewehstiicken ab und wascht diese so lange, bis aller Mannit oder alles Glycerin daraus entfernt ist. In diesem Zustande hat das Gewebe die Eigenschaft angenommen , beide Substanzen in wahren Zucker umbilden zu konnen, und um dies zu erreichen, wiederholt man mit dem praparirten Gewebe den Versuch

muss. 2) Der klufliche Mannit, sclbst der schiinste, enthalt noch 1-2 p. C. Zuclrer, von dem cr zuvor gereinigt werden muss. Dieser Zucker stammt aus der Manna, welche 1 0 - 1 5 p. C. davon enthblt. Die Menge des in dcr Manna praexistirenden Zuckers vcrgrossert sich nicht untcr dem EinRuss der Zeit odcr durch das LaSci-n der- selberi an dunkeln und feuchten Ortcn. Ausser dein Znckcr nnd dein &Tannit cnthalt die & h i m ohngefiihr das halbc Gemicht fast iinbeknnnter Substanzen. 3) Das sogenannte gcreinigte ksufliche Glycerin enthHlt einen Korpei., der fahig ist, das wcinsaure Kupfer zu reduciren. Es i s t deshalb nothwendig, sich selbst das rohe Glycerin zu reinigen.

Page 3: Umbildung des Mannits und des Glycerins in einen eigentlichen Zucker

B c r t h e l o t : C m b i l d u n g d e s M a u n i t s etc. 509

wie ich ihn beschriehen habe; man erhalt dann fast immer eine gewisse Menge Zucker. Es geniigt selbst das Gewebe mit einer Losung von Mannit oder Glycerin zu -imprag- niren, urn im Verlauf von einigen Wochen eine sehr reich- liche Zuckerbildung beobachten z u konnen.

Einige mit dem Dulcin gemachte Versuche fuhrten zu 5hnlichen Resultaten.

Der auf diese Weise gebildete Zuclcer ist in seinen meisten Eigenschsften ahnlich der Glucose; nur konnte e r riicht krystallinisch erhalten werden. Er ist sehr loslich in Wasser, wassrigern Allrohol und in Glycerin, wovon man ihn nicht trennen kann. Dieser Zucker ist sehr hygros- kopisch, sehr veranderlich, schon wiihrend des Abdampfens seiner Auflosungen , braunt sich mit Alkalien, reducirt das weinsaure Kupferoxyd-Kali und fallt smmoniakalisches essigsaures Bleioxyd. In Beriihrung rnit Bierhefe geht er unmittelbar in Gahrung iiber unter Biidung von Alkohol und Kohlensaure. Leider konnte wegen seiner leichten Veranderlichlreit und seines schnellen Firaunens beim Con- centriren nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, ob derselbe ein Rotationsvermogen besitzt. Ein einziges Ma1 heobachtete ich eine Abweichung der Uebergangsfarbe von -5,5" auf eine Laiige von 200 Millim. in einer Flus- sigkeit, welche ungefahr 1/20 Zuclrer enthielt. Dieser Zucker wiire daher linksdrehend und verschieden von Glucose und den meisten andern Zuckerarten hinsichtlich seines Rota- tionsvermogens. Ich hoffe durch wiedcrholte Ueobachtungen diesen Yunkt noch vollstiindig festzustellen.

Es entstehen nun die Fragen, welchen Ursprung diese Substanz hat und welchen Einfluss das Testiculargewebe auf seine Bildung ausiibt?

Ich beschreibe von den zahlreichen zur Auflrlarung dieser Fragen gemachten Versuchen nur einen der ent- scheidensten.

Am 18. December 1856 wurden 2 Grm. frische Testikel eines Hahnes (0,280 Grm. trockne Substanz), 5 Grm. Mannit und 50 Grm. Wasser in eine Fiasche gebracht, die mit der iltrnosphare durch eine mit gelirempelter Baumwolle ge- fullte Rohre communicirte und die Flasche in ein massig

Page 4: Umbildung des Mannits und des Glycerins in einen eigentlichen Zucker

510 B e r t h e l o t : U m b i i d u n g d e s M a n n i t s etc.

warmes Laboratorium gesteilt. Der Versuch wurde am 12. April 1857 beencligt. Die Flussigkeit enthielt 0,250 Grm. eigentlichen Zucker. Die Gewebtheile hntten ihre Form und ihr mikroskopisches Anseheri behalten, uucl hei sclhr genauer I’rufung zeigten sich kaurn wahrnehmbare Spuren von Pflanzen. Nach dem Waschen and Troclrnen wogen diese Gewebtheile 0,230 Grm., hatten also 0,a)SO Grm. ver- loren. Dieser Verlust ist aber mehr scheinhar als wirkiich, denn die frischen Tcstikeln enthalten eine gewisse Menge Salze uiid andere in Wasser loslichc Suhstanzen, anderer- seits zeraetzte sich ein Theil des Gewebes und wurde gleichfalls loslich, ohne sich in Zucker umzubilden. Alle diese Produlite sind als Verlust berechnet, obwohl man sic im loslichen und zum Theil coagulirbaren Zustande beim Verdampfen der Flussigkeit wiederfindet. Reachtet man diese verschiedenen Cmstande, so wie die Menge des i n diesen und andern Versuchen entstandenen Zuckers, so wird man zur Annahme gefiihrt, ohne von Analogien in der Zusammensetzung und Constitution zu sprechen, welche zwischen den Zuckerten, dem Mannit und dem Glycerin existiren, dass der bei diesen Versuchen gebildete Zucker hauptsachlich oder vielleicht ausschliesslich von der Um- bildung des Mannits und des Glycerins herriihrt. Ich habe diese Ansicht durch andere Versuche hestatigt, bei welcher das Testiculargewebe, ohnc merkbar abzunehmen, his sieben Ma1 nach einafider die Cmbildung des Mannits in Zucker h ervorbrachte.

Diese Erscheinungen zeigen, dass der Einfluss des Testiculargewebes mit den sogenannten Contactwirkungen der anorganischen Chemie zusammerizustellen ist , was durch die Destandigkeit der mikroskopischeii Structur des Gewebes wahrend der Dauer des Versuchs bestatigt wird. Es i s t dies aber nur eine Muthmaassung, denn die thieri- when Bewebe hesitzen nicht die Unveranderlichkeit in ihrer Zusammensetzung , welche so oft die mineralischcn Contactsubstanzen charakterisirt. W5ihrend das Gewebe wirkt, zersetzt es sich fortwihrend, ohne jedoch zu fa ulen, wie dies durch Analyse bewiesen worden ist.

Man kann daher nicht mit Sicherheit entscheiden, ob

Page 5: Umbildung des Mannits und des Glycerins in einen eigentlichen Zucker

B e r t h e l o t : U m b i l d u n g d e s M a n n i t s ete. 511

das Gewebe durch Contact wirkt, zufolge seiner organi- schcn Structur oder seiner chemischen Constitution, oder ob seine Zersetzung selbst einigen Einfluss ausubt. Endlich bewirkt die Bcruhrung nlit der Luft, ohne w l c h e diese Versuche nicht gelingen, einc weitere Verwickelung, *denn es ist durch diesen die Eritstehung thierischer und beson- ders vegetabilischcr Wesen moglich und diese konnte nicht vollstiindig vermiedm werden ; es scheint aber dass diese bei der Bildung dcs Zuckers eher nachtheilig als gunstig wirkt. In den gliiclrlichsten Yersuchen war die Bildung organisirter Wesen gerade ein allergeringster.

Diese Details zeigen , wie zusamrnengesetzt die Er- scheinungen der Gahrung sind, wie viele noch unbekannte und dunkle Elemente sie einschliesst. Dennoch konnen die Chemiker die Krafte wclche sie hervorrufen, in Be- wegung setzen, sie auf kestimnite Korper wirken lassen und sie zur Vollendung bestimrntcr Metamorphosen be- nutzen, fast auf dieselbe Weise, wie sie die gewohnlichen Affinitaten wirken lassen, deren eigentliche Natur ihnen nicht vie1 besser bekannt ist. Die Anwendung von Fer- rnenten unterscheidet sich riur durch die Praexistenz einer Form, einer eigenthuinlicheii Constitution, welche ausser- ordcntlich verdnderlich ist und ohne unser Zuthun unter dein Einflusse des Lcbens entstanden ist.

Die vorsteheriden Versuche unterscheiden sich jedoch durch ihren synthetischen Charakter von his jetzt beksnnten GBhrungen. Statt den Zucker, den Nannit , das Glycerin in Alkohol, NIilchsiiurc, Buttersaure umzuwandeln, in Ver- bindungen, welche einfacher und schwerer zu zersetzen sind, habcn sie dshin gefuhrt, den Mannit und das Glycerin, zwei ziemlich stabile Korper ohne Rotationsvermogen, weshalb sie den Korpern nahe stehen, welche wir hervor- zubringen im Stande sind, in Substanzen umzubilden Ton geringerer Stabilitkt und von hoherer Ordnung, d. h. in einen wahren Zucker, analog den Zuckerarten, welche sich unter dem Einfluss dcs Lebens in vegetabilischen und ani- malischen Geweben bilden.