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927 Stahlbau 82 (2013), Heft 12 DOI: 10.1002/stab.201320124 Berichte Umgang mit Stahlgusslagern am Beispiel der Sanierung der Lechbrücke, Augsburg Lutz Other 1 Bauwerk Die Augsburger Localbahn GmbH betreibt seit 1926 eine eingleisige Brücke über den Lech. Das Bauwerk liegt im nordöstlichen Teil von Augsburg und dient als wichtige Transportverbindung in den Stadtteil Lechhausen (Bild 1). Es wird wegen seiner seitlichen Fußgängerwege und we- gen des nahegelegenen Osram-Werkes Osramsteg genannt. 2 Konstruktion, Lagersystem Beim Überbau handelt es sich um eine Stahlkonstruktion aus zwei genieteten Vollwandträgern, die als vier Einfeldträ- ger den Lech überspannen (30 m – 34 m – 30 m – 24 m, ins- gesamt 118 m). Hierbei besteht der Flansch der Träger aus einem Lamellenpaket von bis zu acht Lamellen (t = 13 mm). Die Lamellen haben variable Längen, und ihre größte An- zahl befindet sich in Feldmitte. Am Widerlager West befin- den sich die Festlager, ausgeführt als Linienkipplager aus Stahlguss. Auf den drei Pfeilerachsen und dem Widerlager Ost ist der Überbau beweglich gelagert. Eine Besonderheit ist hierbei die Ausbildung von nur zwei Lagern je Pfeilerachse, obwohl hier vier Längsträger aufliegen. Die Untergurte der Hauptträger sind in den Pfei- lerachsen nur durch Federbleche horizontal gekoppelt, ver- tikal angeordnete Endschotte stehen gelenkig in den obe- ren Gusskörpern der Vierrollenlager und ermöglichen den Tragwerkfeldern jeweils unabhängig eine Drehbewegung um die Querachse. Die relative Beweglichkeit der aneinander stehenden Bauteile wird interessanterweise durch dazwischen ange- ordnete Bronzebleche gewährleistet. Es handelt sich bei den Lagern somit um Konstruktionen, die – beispielsweise beim Lastfall „Fahrzeug auf nur einem Feld“ – gegebenen- falls zwei voneinander wesentlich differierende Lasten auf- zunehmen haben. Auf der oberen Lagerplatte sind also zwei Gelenkachsen angeordnet, am beweglichen Widerla- ger konventionell gebaute Doppelrollenlager mit oberem Kippteil. Keines der vorhandenen Lager kann eine Verdre- hung um die Bauwerkslängsachse aufnehmen. Auf die Un- terbauten aus Beton wird hier nicht eingegangen (Bilder 2, 3 und 4). 3 Baumaßnahme Aufgrund erheblicher Korrosionsschäden mit Querschnitts- verlust an Tragwerksteilen der Fußgängerstege (Bild 5), Mängeln an den Widerlagern und dem fortgeschrittenen Verschleiß der beweglichen Lager wurden umfangreiche Sanierungsmaßnahmen erforderlich, welche unter Maßgabe nur kurzer Betriebsunterberechungen an den Wochenen- den durchzuführen waren und aktuell noch andauern. Auf- Bild 1. Bahnbrücke Osramsteg über den Lech (Foto: Sächsische Bau GmbH ) Bild 2. Bauwerkskizze (Quelle: Localbahn Augsburg)

Umgang mit Stahlgusslagern

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Page 1: Umgang mit Stahlgusslagern

927Stahlbau 82 (2013), Heft 12

DOI: 10.1002/stab.201320124

Berichte

Umgang mit Stahlgusslagernam Beispiel der Sanierung der Lechbrücke, Augsburg

Lutz Other

1 Bauwerk

Die Augsburger Localbahn GmbH betreibt seit 1926 eine eingleisige Brücke über den Lech. Das Bauwerk liegt im nordöstlichen Teil von Augsburg und dient als wichtige Transportverbindung in den Stadtteil Lechhausen (Bild 1). Es wird wegen seiner seitlichen Fußgängerwege und we-gen des nahegelegenen Osram-Werkes Osramsteg genannt.

2 Konstruktion, Lagersystem

Beim Überbau handelt es sich um eine Stahlkonstruktion aus zwei genieteten Vollwandträgern, die als vier Einfeldträ-ger den Lech überspannen (30 m – 34 m – 30 m – 24 m, ins-gesamt 118 m). Hierbei besteht der Flansch der Träger aus einem Lamellenpaket von bis zu acht Lamellen (t = 13 mm).

Die Lamellen haben variable Längen, und ihre größte An-zahl befindet sich in Feldmitte. Am Widerlager West befin-den sich die Festlager, ausgeführt als Linienkipplager aus Stahlguss. Auf den drei Pfeilerachsen und dem Widerlager Ost ist der Überbau beweglich gelagert.

Eine Besonderheit ist hierbei die Ausbildung von nur zwei Lagern je Pfeilerachse, obwohl hier vier Längsträger aufliegen. Die Untergurte der Hauptträger sind in den Pfei-lerachsen nur durch Federbleche horizontal gekoppelt, ver-tikal angeordnete Endschotte stehen gelenkig in den obe-ren Gusskörpern der Vierrollenlager und ermöglichen den Tragwerkfeldern jeweils unabhängig eine Drehbewegung um die Querachse.

Die relative Beweglichkeit der aneinander stehenden Bauteile wird interessanterweise durch dazwischen ange-ordnete Bronzebleche gewährleistet. Es handelt sich bei den Lagern somit um Konstruktionen, die – beispielsweise beim Lastfall „Fahrzeug auf nur einem Feld“ – gegebenen-falls zwei voneinander wesentlich differierende Lasten auf-zunehmen haben. Auf der oberen Lagerplatte sind also zwei Gelenkachsen angeordnet, am beweglichen Widerla-ger konventionell gebaute Doppelrollenlager mit oberem Kippteil. Keines der vorhandenen Lager kann eine Verdre-hung um die Bauwerkslängsachse aufnehmen. Auf die Un-terbauten aus Beton wird hier nicht eingegangen (Bilder 2, 3 und 4).

3 Baumaßnahme

Aufgrund erheblicher Korrosionsschäden mit Querschnitts-verlust an Tragwerksteilen der Fußgängerstege (Bild 5), Mängeln an den Widerlagern und dem fortgeschrittenen Verschleiß der beweglichen Lager wurden umfangreiche Sanierungsmaßnahmen erforderlich, welche unter Maßgabe nur kurzer Betriebsunterberechungen an den Wochenen-den durchzuführen waren und aktuell noch andauern. Auf-

Bild 1. Bahnbrücke Osramsteg über den Lech (Foto: Sächsische Bau GmbH )

Bild 2. Bauwerkskizze (Quelle: Localbahn Augsburg)

Page 2: Umgang mit Stahlgusslagern

Berichte

928 Stahlbau 82 (2013), Heft 12

tragnehmer für die Gesamtbaumaßnahme ist die Sächsische Bau GmbH aus Chemnitz, die Fachleistung Lagersanierung wurde an die Spezialfirma Other Montagen aus München als Nachunternehmer vergeben.

4 Lager

Bei einer vorbereitenden Bauwerksbegehung wurde festge-stellt, dass die im Entwurf favorisierten Kalottengleitlager als Ersatz für die Rollenlager der Pfeiler nicht ohne weite-res geeignet sind. Es wurden in einem gemeinsamen tech-nischen Gespräch mit dem Aufsteller der Bauherrschaft, dem Bauunternehmen und der Firma Other Montagen die Möglichkeiten einer Sanierung der Bestandslager erörtert. Weil die schweren gussstählernen Oberteile mit ihren dop-pelten Kippgelenkaufnahmen nicht verändert werden soll-ten und der Ersatz des Rollenpaketes durch ein modernes Lagersystem jedes Mal auf Neuland geführt hätte, wurde durch den Bauherrn eine Instandsetzung der Lager unter Beibehaltung der Konstruktion angestrebt (Bilder 6 und 7).

Zur genauen Festlegung des Instandsetzungsumfan-ges wurde im Beisein des Prüfers an einer Pfeilerachse eine Probehebung durchgeführt. Anschließend wurden die Rol-

len eines Lagers ausgebaut, um Erkenntnisse über den Zu-stand der oberen Lagerplatte zu gewinnen. Wegen der augen-scheinlich korrosionsbedingten Unebenheiten von bis zu 5 mm kam eine unbearbeitete Weiterverwendung nicht in Frage (Bilder 8 und 9).

Bild 3. Stoßbereich zweier Einfeld-träger; die Endschotte der Haupt-träger stehen beide auf einem einzigen Lageroberteil auf (Aus-schnitt Bestandsplan von 1926, Foto: Other Montagen)

Bild 4. Vierrollenlager Pfeiler (Auflast (d) 5700 kN) mit oben vorhandener Aufnahme für die zwei Endschotte, (Ausschnitt Be-standsplan aus 1926, Maschinen-fabrik Augsburg-Nürnberg A.G.)

Bild 5. Tragwerkuntersicht, Hauptträger und Fußgängerstege (Foto: Other Montagen)

Page 3: Umgang mit Stahlgusslagern

Berichte

929Stahlbau 82 (2013), Heft 12

5 Durchführung der Lagerarbeiten

Durch die Lagersanierungsfirma wurde daher eine Zusatz-platte als Rollenplatte vorgesehen (Nachweis + Lieferung Fa. Gumba GmbH & Co KG in Borken), welche unter dem verbleibenden Lageroberteil mittels einer Ausgleichsfuge aus Methylmetacrylatmörtel angeschlossen sein wird. Da-runter werden neue Rollen nebst Rollenkäfig und neuer

Unterplatte angeordnet werden. Bis auf die Zusatzplatte werden alle Ersatzteile nach dem historischen Plan aus neuem Material angefertigt. Die durch die Zusatzplatte und Anschlussfuge entstehende zusätzliche Bauhöhe wird durch Abbruch am Auflager bzw. Lagersockel gewonnen werden. Durch örtliche Sondierung konnte die Baufirma feststellen, dass keine Überschneidungen mit vorhandener Bewehrung zu erwarten sein werden. Als erstes wurde der

Bild 6. Konventionelles Doppelrollenlager am Widerlager Lechhausen (Foto: Other Montagen)

Bild 7. Vierrollenlager; Pfeiler Lechhausen, oben Federblech als Verbindung der beiden Hauptträger (Foto: Other Montagen)

Bild 8. Vierrollenlager; Pfeiler Lechhausen bei der Probe-hebung vorgefunden mit großen Mengen feuchtem Schmutz und Korrosionsprodukten (Foto: Other Montagen)

Bild 9. Vierrollenlager; Unebenheit nach Abschlagen von Rostschichten (Foto: Other Montagen)

Bild 10. Blick vom Widerlager Lechhausen kurz vor der Fahrpause (Foto: Other Montagen)

Bild 11. Anhebekonstruktion mit Gleiteinrichtung und Fein-messuhr (Foto: Other Montagen)

Page 4: Umgang mit Stahlgusslagern

Berichte

930 Stahlbau 82 (2013), Heft 12

Lagerwechsel am Widerlager Ost durchgeführt. Die Arbei-ten an den Pfeilerachsen dauern zum Redaktionsschluss noch an. Es standen jeweils Wochenendfahrpausen zur Verfügung (Bilder 10 bis13).

6 Fazit

Die Rollenlager des Bestandes hatten bis zur Instandset-zung einer Gebrauchsdauer von über 85 Jahren standge-halten. Ohne die langjährige Tausalzeinwirkung auf den Fußgängerstegen und bei regelmäßiger Reinigung wäre der korrosionsbedingte Materialverlust möglicherweise gerin-ger ausgefallen. Ein vollständiger Ersatz dieser Lager mit heute gebräuchlichen Lagertypen hätte sich äußerst schwie-rig gestaltet und für das Tragwerk durch die dann mögliche

Drehbewegung um die Längsachse eine veränderte Bean-spruchung bedeutet. Das doppelte Gelenk an den Obertei-len der Lager auf den Pfeilern kann ohne gravierenden Ein-griff am Tragwerk nicht erneuert werden. Die realisierte Instandsetzung der historischen Lager durch Lager dieses Typs ist deshalb gleichermaßen wirtschaftlich wie nachhal-tig. Es ist anzuzweifeln, ob für eine moderne Lagerkon-struktion eine vergleichbare Standzeit hätte angenommen werden können.

Autor dieses Beitrages:Lutz Other, Other Montagen,Alfred-Schmidt-Straße 33, 81379 München,[email protected]

Bild 12. Verbleibendes Oberteil, einrichten der neuen Teile (Foto: Other Montagen)

Bild 13. Instandgesetzte Lagerung Widerlager Ost (Foto: Other Montagen)