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VuR Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht Nomos Aus dem Inhalt Editorial Die EG-Verordnungen und der Spielraum des nationalen Gesetzgebers Prof. Dr. Klaus Tonner, Rostock 201 Aufsätze Rechtsprechungsübersicht zum Reiserecht 2008 bis 2009 Daniela Schulz, LL.M., Hamburg und Sophie Kettner, LL.M., Kiel 203 Fluggastrechte und der EuGH Prof. Dr. Klaus Tonner, Rostock 209 Im Fahrwasser der Athener Verordnung zu Seereisenden: Neuere Entwicklungen des europäischen Passagierrechts Jens Karsten, LL.M., Brüssel/Oslo 213 Rechtsprechung Reiserecht Fluggastrechte, Ausgleichszahlung, Annullierung, außergewöhnliche Umstände EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Rs. C-549/07 225 Allgemeine Reisebedingungen, Einbeziehung, Verkürzung der Verjährung BGH, Urt. v. 26.02.2009, Az.: Xa ZR 141/07 228 Fluggastrechte, Ausgleichszahlung, Nichtbeförderung, Umbuchung BGH, Beschl. v. 07.10.2008, Az.: x ZR 96/06 230 Pauschalreise, Verkehrssicherungspflichten, Schwimmbad OLG Köln, Urt. v. 30.03.2009, Az.: 16 U 71/08 232 Vor Ort gebuchter Ausflug, Einbeziehung in Reisevertrag, Fremdleistung LG Frankfurt a. M., Urt. v. 12.03.2009, Az.: 2/24 S 218/08 234 6 / 2009 Jahrgang 24 · Seiten 201–240 ISSN 0930-8369 · E 20025 www.vur-online.de In Verbindung mit Verbraucherzentrale Bundesverband und Bund der Versicherten herausgegeben von Prof. Dr. Hans-W. Micklitz Prof. Dr. Udo Reifner Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski Prof. Dr. Klaus Tonner Prof. Dr. Joachim Bornkamm Dr. Friedrich Bultmann Prof. Dr. Peter Derleder Prof. Dr. Stefan Ernst Prof. Dr. Günter Hirsch Dr. Günter Hörmann Prof. Dr. Wolfhard Kohte Dr. Rainer Metz Prof. Dr. Norbert Reich Prof. Dr. Astrid Stadler Prof. Dr. Dirk Staudenmayer Walter Stillner Andreas Tilp Verbraucher und Recht Anlegerschutz Konsumentenkredit Versicherung private Altersvorsorge Verbraucherinsolvenz Verbraucherschutz Schwerpunktheft Reiserecht

und Recht . Diese reformierten VVG. Daniela Schulz, LL.M ... · Daniela Schulz, LL.M., Hamburg und Sophie Kettner, LL.M., Kiel 203 Fluggastrechte und der EuGH Prof. Dr. Klaus Tonner,

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VuRZeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht

Nomos

Aus dem Inhalt

EditorialDie EG-Verordnungen und der Spielraum des nationalenGesetzgebersProf. Dr. Klaus Tonner, Rostock 201

AufsätzeRechtsprechungsübersicht zum Reiserecht2008 bis 2009Daniela Schulz, LL.M., Hamburg undSophie Kettner, LL.M., Kiel 203Fluggastrechte und der EuGHProf. Dr. Klaus Tonner, Rostock 209Im Fahrwasser der Athener Verordnung zu Seereisenden:Neuere Entwicklungen des europäischen PassagierrechtsJens Karsten, LL.M., Brüssel/Oslo 213

Rechtsprechung

ReiserechtFluggastrechte, Ausgleichszahlung, Annullierung,außergewöhnliche UmständeEuGH, Urt. v. 22.12.2008, Rs. C-549/07 225Allgemeine Reisebedingungen, Einbeziehung,Verkürzung der VerjährungBGH, Urt. v. 26.02.2009, Az.: Xa ZR 141/07 228Fluggastrechte, Ausgleichszahlung, Nichtbeförderung,UmbuchungBGH, Beschl. v. 07.10.2008, Az.: x ZR 96/06 230Pauschalreise, Verkehrssicherungspflichten,SchwimmbadOLG Köln, Urt. v. 30.03.2009, Az.: 16 U 71/08 232Vor Ort gebuchter Ausflug, Einbeziehung in Reisevertrag, FremdleistungLG Frankfurt a. M., Urt. v. 12.03.2009, Az.: 2/24 S 218/08 234

6/2009Jahrgang 24 · Seiten 201–240ISSN 0930-8369 · E 20025

www.vur-online.de

In Verbindung mitVerbraucherzentraleBundesverband undBund der Versicherten

herausgegeben vonProf. Dr. Hans-W. MicklitzProf. Dr. Udo ReifnerProf. Dr. Hans-Peter SchwintowskiProf. Dr. Klaus Tonner

Prof. Dr. Joachim BornkammDr. Friedrich BultmannProf. Dr. Peter DerlederProf. Dr. Stefan ErnstProf. Dr. Günter HirschDr. Günter HörmannProf. Dr. Wolfhard KohteDr. Rainer MetzProf. Dr. Norbert ReichProf. Dr. Astrid StadlerProf. Dr. Dirk StaudenmayerWalter StillnerAndreas Tilp

Verbraucher und Recht

A n l e g e r s c h u t z ■ K o n s u m e n t e n k r e d i t ■ V e r s i c h e r u n g ■ p r i v a t eA l t e r s v o r s o r g e ■ V e r b r a u c h e r i n s o l v e n z ■ V e r b r a u c h e r s c h u t z

Der Problemlöser zum reformierten VVG.

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Der neue Handkommentar bietet eine profunde und praxis-gerechte Kommentierung des neuen Versicherungsvertrags-gesetzes. Die Autoren entwickeln dabei Lösungsmodelle fürzahlreiche neu auftretende Fragestellungen aus der Praxis.

Praktikable Leitlinien für die erstmals vom Gesetz geforderte„quotale“ Leistungskürzung liefert die Kommentierung des § 28zur Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit und des § 81zur Herbeiführung des Versicherungsfalles. Hoch aktuell undnützlich erläutern die Autoren zudem wichtige Musterversiche-rungsbedingungen, z.B. die AKB, VGB, VHB, AHB, ARB, BUZ,AUB, MBKK und MBKT in der jeweils aktuellen Fassung.

Das neue Werk liefert außerdem eine eigenständige Kommen-tierung der VVG-Informationspflichtenverordnung. Diesebehandelt umfassend unter anderem die für Versicherungs-unternehmen brisanten Themen Kostenausweise und Produkt-informationsblätter.

Alle neuen Regelungen können durch Kurzsynopsen mitden Altregelungen verglichen werden. Eine klare Gliederungermöglicht den schnellen Zugriff auf die jeweilige Problem-stellung.

Die Autoren:

RA Manuel Baroch Castellvi, Syndikusanwalt | RA Dr. Marko Brambach, FAStR, Syndikusanwalt | Prof. Dr. Christoph Brömmelmeyer, RWTH Aachen | Joachim Felsch, RiBGH | RiOLG Dr. Dirk Halbach | RA Dr. Carsten Harms, FAVersR,FA Transport- und SpedR | RiOLG Dr. Christoph Karczewski | RA Dr. Volker Marko, LL.M., Syndikusanwalt | RA Ansgar Mertens| RA Dr. Thomas Münkel, FAVersR | RA Dr. Jens Muschner | RiLG Dr. Jens Rogler | RA Dr. Wilfried Rüffer | Prof. Dr. Peter Schimikowski

Das VVG gilt jetztauch für Altverträge.Rechtsstand: 1.1.2009

Versicherungs vertragsgesetzHandkommentarHerausgegeben von RA Dr. Wilfried Rüffer, RiOLG Dr. Dirk Halbach und Prof. Dr. Peter Schimikowski2008, 1.728 S., geb., 118,– €, ISBN 978-3-8329-3062-2

Schwerpunktheft

Reiserecht

Umschlag 6_2009 03.06.2009 11:29 Uhr Seite U4

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VERBRAUCHERRECHTAKTUELL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II

EDITORIALDie EG-Verordnungen und der Spielraum des nationalen GesetzgebersProf. Dr. Klaus Tonner, Rostock . . . . 201

AUFSÄTZERechtsprechungsübersicht zum Reiserecht 2008 bis 2009Daniela Schulz, LL.M., Hamburg undSophie Kettner, LL.M., Kiel . . . . . . .203

Fluggastrechte und der EuGHProf. Dr. Klaus Tonner, Rostock . . . .209

Im Fahrwasser der Athener Verordnung zu Seereisenden: Neuere Entwicklungen des euro-päischen PassagierrechtsJens Karsten, LL.M., Brüssel/Oslo . . .213

RECHTSPRECHUNG

REISERECHT

Fluggastrechte, Ausgleichszahlung,Annullierung, außergewöhnliche UmständeEuGH, Urt. v. 22.12.2008, Rs. C-549/07 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Allgemeine Reisebedingungen, Einbeziehung, Verkürzung der VerjährungBGH, Urt. v. 26.02.2009, Az.: Xa ZR 141/07 . . . . . . . . . . . . . . 228

Fluggastrechte, Ausgleichszahlung,Nichtbeförderung, UmbuchungBGH, Beschl. v. 07.10.2008, Az.: x ZR 96/06 . . . . . . . . . . . . . . . . 230

Pauschalreise, Verkehrssicherungs-pflichten, SchwimmbadOLG Köln, Urt. v. 30.03.2009, Az.: 16 U 71/08 . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Vor Ort gebuchter Ausflug, Einbeziehung in Reisevertrag, FremdleistungLG Frankfurt a. M., Urt. v. 12.03.2009, Az.: 2/24 S 218/08 . . . . . . . . . . . . . 234

Haftung des Reisebüros für Flugbuchung, Beratungspflicht überStornierungsbedingungenAG Hamburg, Urt. v. 21.10.2008, Az.: 14 C 391/07 . . . . . . . . . . . . . . . 236

BUCHBESPRECHUNGGuski, Sittenwidrigkeit und Gläubigerbenachteiligung, 2006Banksyndikus Arne Wittig, Frankfurt a. M. . . . . . . . . . . . . . . . .240

INFORMATIONENVerbraucherzeitschriften im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . .V

Veranstaltungshinweise . . . . . . . .VI

I N H A LT

IMPRESSUM

Schriftleitung: Prof. Dr. Kai-Oliver Knops (V.i.S.d.P.), e-mail: [email protected]

Redaktion:Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff)Rödingsmarkt 31–33, 20459 HamburgTelefon (0 40) 30 96 91 26Telefax (0 40) 30 96 91 22e-mail: [email protected]

Die redaktionelle Arbeit der Zeitschrift wirddurch den Verbraucherzentrale Bundesver-band und den Bund der Versicherten finan-ziert.

Druck und Verlag: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Waldseestraße 3-5, D-76530 Baden-Baden, Telefon 07221/2104-0, Fax 07221/2104-27

Anzeigen: sales friendly, Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos, Siegburger Straße 123, 53229 Bonn, Telefon 0228/978980, Telefax 0228/9789820,E-Mail: [email protected]

Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthalteneneinzelnen Beiträge und Abbildungen sind ur-heberrechtlich geschützt. Jede Verwertung,die nicht ausdrücklich vom Urheberrechts-gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigenZustimmung des Verlags. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssennicht die Meinung der Herausgeber/Redak-tion wiedergeben. Unverlangt eingesandteManuskripte – für die keine Haftung über-nommen wird – gelten als Veröffentlichungs-vorschlag zu den Bedingungen des Verlages.Es werden nur unveröffentlichte Originalar-beiten angenommen. Die Verfasser erklärensich mit einer nicht sinnentstellenden redak-tionellen Bearbeitung einverstanden.

Erscheinungsweise: monatlich

Bezugspreis 2009: jährlich 154,– € (inkl. MwSt),Einzelheft 18,– €. Die Preise verstehen sich incl.MwSt zzgl. Versandkosten. Bestellungen neh-men entgegen: Der Buchhandel und der Verlag.Kündigung: Drei Monate vor Kalenderjahres-ende. Zahlungen jeweils im Voraus an: NomosVerlagsgesellschaft, Postbank Karlsruhe, Konto73636-751 (BLZ 660 100 75) und Stadtspar-kasse Baden-Baden, Konto 5-002266 (BLZ662 500 30).

ISSN 0930-8369

Zeitschrift für Verbraucher und Unternehmen

24. Jahrgang, S. 201-240

6/2009

VuR V E R B R A U C H E R

U N D R E C H T

Vorschau auf Heft 7/2009AUFSÄTZEAufklärungspflichten über Kick-Backs bei der Distribution vonRestschuldversicherungsver-trägenRA Tim Geßner, Bremen

Probleme der UWG-Novelle zurUmsetzung der Richtlinie überunlautere GeschäftspraktikenDr. Stephanie Jungheim, Erlangen-Nürnberg und Wiss. Mit. MarkusHaberkamm, Speyer

VuR 6/2009 | I

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V E R B R A U C H E R R E C H T A K T U E L L

Kein Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechte-verordnung wegen „Nichtbeförderung“ bei ver-passtem Anschlussflug

Der unter anderem für das Reiserecht zuständige Xa-Zivilse-nat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass einemFluggast keine pauschalierte Ausgleichszahlung nach der Ver-ordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlamentsund des Rates über eine gemeinsame Regelung für Aus-gleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fallder Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Ver-spätung von Flügen (im Folgenden: Verordnung) zusteht,wenn er einen Anschlussflug nicht erreicht.

In einem der beiden gleich gelagerten entschiedenen Fälle hat-ten der Kläger und seine Lebensgefährtin bei der Beklagten fürden 27. September 2006 eine Flugreise von Frankfurt am Mainüber Paris nach Bogotá gebucht. Das Flugzeug nach Paris soll-te um 7.25 Uhr starten und um 8.45 Uhr in Paris landen, derWeiterflug war für 10.35 Uhr vorgesehen. Die Reisenden gabenihr Gepäck zwar bis Bogotá auf, erhielten jedoch in Frankfurtnoch keine Bordkarten für den Weiterflug. Der Abflug inFrankfurt verzögerte sich wegen Nebels und des überfülltenFlugraums über Paris, sodass die Landung in Paris erst um 9.43Uhr erfolgte. Als die Reisenden am Terminal eintrafen, wurdensie unter Hinweis auf den bereits abgeschlossenen Einsteige-vorgang für den Flug nach Bogotá nicht mehr abgefertigt. Siekonnten erst am nächsten Tag nach Bogotá weiterfliegen.

Die Parteien streiten darüber, ob es eine „Nichtbeförderung“im Sinne der Verordnung darstellt, wenn ein Fluggast einenAnschlussflug nicht erreicht, weil der – gemeinsam mit demAnschlussflug gebuchte und von derselben Fluggesellschaftdurchgeführte – Zubringerflug erheblich verspätet erfolgt.Die Reisenden haben jeweils eine Ausgleichszahlung in der –für die verweigerte Beförderung auf einem Flug über eine Ent-fernung von mehr als 3.500 km vorgesehenen – Höhe von600 Euro beansprucht.

Amts- und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidungen bestätigt.Der Ausgleichsanspruch hat nach der Verordnung drei Vor-aussetzungen: – Der Fluggast muss entweder über eine bestätigte Buchung

für den betreffenden Flug verfügen oder von einem ande-ren Flug, für den er eine solche Buchung besaß, auf den be-treffenden Flug umgebucht worden sein.

– Der Fluggast muss sich – wenn ihm nicht schon vorher dieMitnahme verweigert worden ist – zur angegebenen Zeit zurAbfertigung („Check-in“) eingefunden haben.

– Dem am Flugsteig anwesenden Fluggast ist der Einstieg(„Boarding“) gegen seinen Willen verweigert worden

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Fluggastwegen der Verspätung des Zubringerflugs nicht rechtzeitigzur Abfertigung (und infolgedessen auch nicht am Flugsteig)erscheinen kann und den Anschlussflug verpasst. Angesichtsdieses eindeutigen Ergebnisses bedurfte es einer Vorlage anden Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs betrifft nur den von einemVerschulden der Fluggesellschaft unabhängigen Ausgleichs-

anspruch nach der Verordnung. Die Frage, ob und unter wel-chen Voraussetzungen dem Fluggast ein vertraglicher Scha-densersatzanspruch zusteht, war nicht Gegenstand desRechtsstreits.

Urteil vom 30.04.2009, Az.: Xa ZR 78/08

Quelle: Pressemitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs v.30.04.2009

Erleichterung für Bausparkredite

Bausparkassen können ab sofort Darlehen bis zu 30.000 Euroohne Eintragung einer Grundschuld vergeben. Das ist dasErgebnis der kürzlich von der Bundesanstalt für Finanz-dienstleistungsaufsicht (BaFin) beschlossenen Änderung derBausparkassenverordnung.

Wie die Landesbausparkassen (LBS) mitteilen, konnten dieBausparkassen bislang Darlehen in verschiedenen Fällen nurbis zu einer Höhe von 5.000, 10.000 oder 15.000 Euro ohneEintragung eines Grundpfandrechts vergeben. Die BaFinhabe mit der Neuregelung in der Bausparkassenverordnungdie alten Höchstbeträge der Preisentwicklung angepasst.

Zudem werde damit die Chance genutzt, einen neuen Rah-men für kleinere Wohnungsbaudarlehen zu schaffen, dereine unbürokratische Kreditvergabe für die immer wichtigergewordene Bestandssanierung bis hin zum altersgerechtenUmbau erlaubt.

Für Bausparkunden sei es wichtig, ohne unnötige Kosten fürdie Eintragung von Grundschulden in den Genuss ihrer zins-günstigen Darlehen zu kommen, so LBS-VerbandsdirektorHartwig Hamm. Eine Prüfung der Bonität bzw. des Kreditrisi-kos sei für die Bausparkassen selbstverständlich und auchweiterhin vorgeschrieben.

Quelle: www.banktip.de v. 06.05.2009

Kredite mit Ausstiegsoption weitgehend unbekannt

Über die Hälfte der Deutschen kennt sich nicht mit moder-nen Krediten mit Ausstiegsoptionen aus. Das geht aus deraktuellen Studie des Baufinanzierungsvermittlers Hypothe-kenDiscount hervor. So sind 56,7 Prozent der Befragten derMeinung, eine lange Zinsbindung könne teuer werden, weilman nicht frühzeitig aus dem Kredit kommt. 51,8 Prozenthalten eine Vorfälligkeitsentschädigung für zwingend, wennman aus dem Kredit aussteigen will.

Tatsächlich mussten Kreditnehmer bis vor einigen Jahreneine teure Vorfälligkeitsentschädigung zahlen, wenn sie trotzeiner lang vereinbarten Zinsbindung frühzeitig ihr Darlehenkündigen wollten. Fakt ist aber, dass sich Immobilienkäufernbei der Wahl des richtigen Kredites in den vergangenen zweiJahren viele neue Türen geöffnet haben, heißt es in einer Mit-teilung des Baugeld-Vermittlers. Unabhängig von einer optio-nalen Ausstiegsoption können Kreditnehmer laut Gesetznach zehn Jahren generell mit einer Frist von sechs Monatenkündigen.

Quelle: www.banktip.de v. 06.05.2009

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Kontenpfändungsschutz im Bundestag beschlossen

Bereits 2007 hatte die Bundesregierung einen Entwurf zumKontenpfändungsschutz im Bundestag eingebracht (dazuSchumacher, ZVI 2007, 455; zu den Eckpunkten der Schuld-nerberatung VuR 2008, 176). Im Rechtsausschuss stieß dieserEntwurf zunächst auf eine große Skepsis und auf Widerstän-de, die teilweise auf wenig realistischen Szenarien beruhten,die in den Rechtsausschuss eingespeist worden waren (dazuKohte, Kontenpfändungsschutz – eine unendliche Geschich-te? in: Zypries (Hrsg.), Die Renaissance der Rechtspolitik,2008, S. 97 ff.).

Nach längeren intensiven Verhandlungen wurde im Rechts-ausschuss ein Kompromiss gefunden, der kurzfristig am23.04.2009 als zusätzlicher Tagesordnungspunkt ohne münd-liche Aussprache in das Plenum eingebracht wurde. DieserEntwurf wurde dann ohne Gegenstimmen angenommen(Protokoll S. 23636; die Reden wurden zu Protokoll gegeben,S. 23720 – 23725).

Die Beschlussvorlage BT-Drs. 16/12714 dokumentiert, dassdie Grundzüge des Regierungsentwurfs und der ihm voraus-gegangenen Entwürfe (dazu Busch, ZVI 2007, S. 138) erhaltengeblieben sind. Der Kontenpfändungsschutz soll erreichtwerden durch eine Sockellösung, die aus dem unpfändbarenFreibetrag nach § 850 c Abs. 1 S. 1 sowie bei entsprechendemNachweis den Aufstockungsbeträgen nach § 850 c Abs. 1 S. 2ZPO besteht. Dieser Sockelschutz wird durch ein Pfändungs-schutzkonto gewährleistet; zusätzlich gelten auch dieSondervorschriften nach § 55 SGB I zunächst weiter. Die sozi-alrechtliche Schutzfrist ist von einer Woche auf zwei Wochenverdoppelt worden, sodass dieser Pfändungsschutz, der miteinem Verrechnungsschutz verbunden ist, in der Praxis bes-ser wahrgenommen werden kann.

Das Gesetz soll allerdings erst in einem Jahr in Kraft treten.Zum 01.01.2012 soll dann die im Regierungsentwurf ange-legte Mehrgleisigkeit zwischen dem bisherigen Kontenpfän-dungsschutz (§ 850 k ZPO alt bzw. § 850 l ZPO neu) und demPfändungsschutzkonto (§ 850 k ZPO neu) aufgelöst werden,zugunsten eines einheitlichen Pfändungsschutzkontos mitgesondertem Verrechnungsschutz bei Sozialleistungen. Inha-bern eines Girokontos steht ein Umwandlungsanspruchgegen das Kreditinstitut zu. In der Debatte wurde von denRegierungsparteien die Erwartung geäußert, dass damit dasProblem des „Girokonto für jedermann“ gelöst sei. Hier istSkepsis angebracht, auch wenn die Einrichtung eines Kon-tenpfändungsschutzes mit Sockellösung einen beachtlichenFortschritt darstellt. Nach der endgültigen Verabschiedungwerden wir ausführlich auf diese wichtige gesetzliche Neure-gelung eingehen.

Prof. Dr. Wolfahrd Kohte, Halle/Saale

Wissenschaftler gaben in Referaten und Diskussio-nen Anstoß für die Arbeit des BdV - Altersvorsorge-produkte vergleichbar machen

Die 19. Wissenschaftstagung des Bundes der Versicherten inTimmendorfer Strand befasste sich wesentlich mit demThema Altersvorsorge. Dabei spielte erstmals die Kostentrans-parenz im Sinne einer generellen Vergleichbarkeit aller Pro-dukte eine herausragende Rolle. Doch die Referentenbeschränkten sich nicht allein auf nationale Gegebenheiten.Sie beleuchteten zudem europäische Perspektiven. Einen wei-teren Schwerpunkt bildete die Entwicklung der Gesundheits-politik.

Dr. Mark Ortmann, Geschäftsführer des in Berlin ansässigenInstituts für Transparenz in der Altersvorsorge, stellte dieVielzahl der Kostenpunkte vor, die als Grundlage in eine Ver-gleichsrechnung eingehen könnten. Damit wäre eine Ver-gleichbarkeit über fast alle Angebotsformen möglich. Ort-mann hat sich im Auftrag des BdV mit dieser Thematikbeschäftigt und ein Gutachten dazu vorgelegt. Der BdV wirddiese Arbeit zur Basis weiterer Aktivitäten machen. Den Ein-fluss der Besteuerung auf die Altersvorsorgeentscheidunghatte Professor Dr. Dirk Kiesewetter von der UniversitätWürzburg zum Thema.

Einen Wandel auf dem Markt der privaten wie gesetzlichenKrankenversicherungen erwartet der renommierte Gesund-heitsökonom Professor Dr. Eberhard Wille von der Univer-sität Mannheim. Zunächst sprach Wille über die Wachstums-schwäche der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) undbeschrieb die unterschiedlichen Varianten der Beitragsausfäl-le. Unter anderem machte er veränderte Arbeitsverhältnisseund Berufskarrieren sowie unstete Beschäftigungssituationendafür verantwortlich. Eine immer älter werdende Gesellschaftwirke sich zudem negativ auf das Finanzsystem der GKV aus.

Wille beschrieb sodann Wirkungen und Chancen desGesundheitsfonds. Im Anschluss skizzierte er Optionen fürKrankenkassen bei drohenden Defiziten oder andererseitssolche bei Überschüssen im Zusammenhang mit der Einfüh-rung des Gesundheitsfonds. Der Referent sprach sich füreinen funktionsfähigen Wettbewerb aus.

Weitere Referenten der Tagung waren unter anderem die Pro-fessoren Jochen Zimmermann von der Universität Bremenund Christoph Brömmelmeyer von der Rheinisch-Westfäli-schen Technischen Hochschule Aachen.

Auch der Workshop junger Wissenschaftler am Vorabend derTagung beschäftigte sich mit den Themenblöcken Altersvor-sorge und Gesundheitspolitik sowie mit internationalenRechungslegungsvorschriften.

Der BdV wird die Themen der diesjährigen Wissenschaftsta-gung schwerpunktmäßig in seine praktische Arbeit einbezie-hen. Derzeit entwickelt der BdV-Vorstand einen umfassendenForderungskatalog, den er im Herbst der neuen Bundesregie-rung gleich nach deren Amtsantritt präsentieren wird.

Quelle: Bund der Versicherten

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VuR 6/2009 | 201

Herausgeber: Prof. Dr. Udo Reifner, Universität Hamburg, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (geschäftsführend); Prof. Dr. Hans-W. Mick-litz, Universität Bamberg; Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität Berlin; Prof. Dr. Klaus Tonner, Universität Rostock

Prof. Dr. Joachim Bornkamm, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe; Dr. Friedrich Bultmann, Rechtsanwalt, Berlin; Prof. Dr. Pe-ter Derleder, Universität Bremen; Prof. Dr. Stefan Ernst, Rechtsanwalt, Freiburg; Prof. Dr. Günter Hirsch, Präsident des Bundesgerichtshofs a.D., Versicherungsombudsmann, Berlin; Dr. Günter Hörmann, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Hamburg e.V.; Prof. Dr. Wolfhard Koh-te, Universität Halle-Wittenberg; Dr. Rainer Metz, Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Berlin; Prof. Dr.Norbert Reich, Universität Bremen; Prof. Dr. Astrid Stadler, Universität Konstanz; Prof. Dr. Dirk Staudenmayer, Europäische Kommission, Re-feratsleiter Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz, Brüssel; Walter Stillner, Rechtsanwalt, Stuttgart; Andreas Tilp, Rechtsanwalt,Tübingen

Schriftleitung: Prof. Dr. Kai-Oliver Knops, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff), Rödingsmarkt 31-33, 20459 Hamburg

6/200924. Jahrgang, Seiten 201-240

Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht

VuR V E R B R A U C H E R

U N D R E C H T

Eine EG-Verordnung „ist inallen ihren Teilen verbind-lich und gilt unmittelbar injedem Mitgliedstaat.“ Sosteht es im Amtsblatt derEuropäischen Union unterjeder Verordnung. Bei einerVerordnung erübrigt sichdie Frage, ob sie dem Mini-malstandardprinzip oderder Vollharmonisierungfolgt, sie bedeutet eo ipsoVollharmonisierung. Wäh-rend das herkömmliche Ver-braucherrecht der Gemein-schaft, das auf Richtlinienberuht, derzeit gerade vomMinimalstandardprinzip auf

die Vollharmonisierung umgestellt werden soll, gibt es einenwichtigen Bereich, der stark in der Entwicklung befindlichist, nämlich die Passagierrechte, der ohnehin seit jeher aus-schließlich durch Verordnungen geregelt wird. Im Mittel-punkt steht dabei die Fluggastrechte-Verordnung aus demJahre 2004 (VO (EG) Nr. 261/2004), die durch die im Dezem-ber 2009 in Kraft tretende Fahrgastrechte-Verordnung fürBahnreisende ergänzt wird (VO (EG) Nr. 1371/2007). WeitereVerordnungen zum Seeverkehr und zum Busverkehr stehenkurz vor der Verabschiedung.

Doch auch eine Verordnung bedeutet trotz ihrer Nähe zurvollharmonisierenden Richtlinie keineswegs, dass die Mit-

gliedstaaten in ihrem Anwendungsbereich jeder legislativenTätigkeit enthoben sind. So hat der Deutsche Bundestag am23. April 2009 ein Gesetz zur Anpassung eisenbahnrecht-licher Vorschriften über die Rechte und Pflichten der Fahrgäs-te im Eisenbahnverkehr beschlossen, wonach die Rechte ausder VO (EG) Nr. 1371/2007 vorzeitig in Kraft treten, dieAnsprüche präzisiert werden, die bei Nichterreichen des Zielsam selben Tag bestehen, die Regelungen auf den Nahverkehrerstreckt und Grundzüge einer Schlichtung geregelt werden.Der deutsche Gesetzgeber hat damit tatsächlich nur präzisiertund angepasst, nicht jedoch eigenständig auf nationalerGrundlage weitere Fahrgastrechte geschaffen.

Die Frage ist, ob eine mitgliedstaatliche Ausdehnung des Ver-braucherschutzes über den Schutzstandard einer Verordnungmöglich ist. Tatsächlich müssen die Mitgliedstaaten auch beiVerordnungen innerstaatliche Regelungen erlassen, denn siesind verpflichtet, den effet utile der Verordnung sicherzustel-len. Dazu müssen Durchsetzungsmaßnahmen ergriffen wer-den. Sowohl die Fluggastrechte-Verordnung als auch dieEisenbahn-Fahrgastrechte-Verordnung verpflichten die Mit-gliedstaaten zur Benennung einer Durchsetzungsstelle undeiner Stelle, bei der sich die Fahrgäste beschweren können.Die Mitgliedstaaten würden ihre gemeinschaftsrechtlichenPflichten verletzen, wenn sie nicht entsprechend aktiv wür-den, obwohl doch die Verordnung unmittelbar gilt. Nichtviel anders ist es bei einer Richtlinie, die dem Vollharmoni-sierungsprinzip folgt. Auch hier können es die Mitgliedstaa-ten keineswegs nur bei einer 1:1-Umsetzung belassen, son-dern müssen den effet utile gewährleisten. Die Richtlinienfordern sie dazu regelmäßig mit der auf den EuGH zurückge-

Die EG-Verordnungen und der Spielraum desnationalen GesetzgebersVon Prof. Dr. Klaus Tonner, Rostock

Prof. Dr. Klaus Tonner, Rostock

E D I T O R I A L

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202 | VuR 6/2009

henden Formel auf, die Sanktionen müssten „wirksam, ver-hältnismäßig und abschreckend“ sein.

So weit die Pflicht der Mitgliedstaaten, trotz Vollharmonisie-rung oder trotz unmittelbarer Geltung einer Verordnung da-rüber hinaus legislativ tätig werden zu müssen. Auch hier istkaum ein Unterschied zu einer vollharmonisierenden Richt-linie zu sehen. Die prinzipielle Antwort nach weitergehendenMöglichkeiten des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers lautet inbeiden Fällen nein, doch gilt dies nur für den jeweiligenRegelungsbereich. Wollen die Mitgliedstaaten in Zukunft im

Verbraucherrecht eigene Akzente setzen, müssen sie sorgfäl-tig ausloten, ob ihnen der Regelungsbereich der BrüsselerVorschriften dazu Spielraum lässt. Dabei ist Fantasie gefragt,denn der jeweilige Regelungsbereich liegt nicht immer aufder Hand. Das Fahrgastrechte-Gesetz fällt eher bescheidenaus. Z. B. ist nicht ausgelotet worden, ob statt der in der Ver-ordnung vorgesehenen 60-minütigen Verspätung, ab der dieRechte des Fahrgastes greifen, auch 30 Minuten zulässiggewesen wären. Dem Gesetzgeber ist in Zukunft mehr Mut zuwünschen.

E D I T O R I A L

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Trotz – oder besser – gerade wegen der anhaltenden Wirt-schaftsflaute lassen sich die deutschen Verbraucher ihre Rei-selust nicht verderben. Allerdings verstärkt sich ungeachtetder Gegenbewegungen der Reiseveranstalter der Trend zurLast-Minute-Reise. Das Münchner MarktforschungsinstitutULYSSES prognostiziert auch für die Zukunft einen Anstieg derkurzfristigen Buchungen, da in Zeiten wirtschaftlicher Unsi-cherheit eher spontan und später nachgefragt werde.1 Hier-von werden insbesondere die virtuellen Reiseportale profi-tieren. Bereits im vergangenen Jahr wurden etwa 46 % derLast-Minute-Reisen online gebucht. Dies dürfte sich künftigin der Rechtspraxis widerspiegeln. Fragen rund um den Ver-tragsschluss, die Einbeziehung von Reisebedingungen und dieProspektgestaltung werden im zunehmenden Umfang dieRechtsanwender beschäftigen. Die aktuellen Rechtsfragenstellt anschließend an den Beitrag in VuR 2008, 213, die vor-liegende Rechtsprechungsübersicht vor.

A. Vertragsschluss

Bucht jemand für mehrere Personen eine Reise, stellt sich re-gelmäßig die Frage, ob er einen einzigen Vertrag abschließtund alleiniger Vertragspartner des Reiseveranstalters wird, oderob er als Vertreter der anderen kontrahiert und für diese ei-genständige Verträge zustande kommen. Das AG Ludwigs-burg2 hat entschieden, dass Reisender im Sinne von § 651aBGB neben dem Buchenden auch der mitreisende Lebensge-fährte sei. Werden in der Buchungsbestätigung als Reiseteil-nehmer der Anmeldende und ein Mitreisender angegeben, soergebe sich bei unbefangener Betrachtung aus Sicht des Reise-veranstalters, dass der Buchende für sich und seinen Lebens-partner den Vertragsschluss vorgenommen habe.3 Das Gerichtstellt sich insoweit gegen die überwiegende Ansicht4, die bis-her lediglich bei Familienreisen einen Reisevertrag mit dembuchenden Familienangehörigen bejaht hat, und die übrigenAngehörigen als Begünstigte im Sinne des § 328 BGB in denReisevertrag als einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunstenDritter einbezogen hat. Dieser Grundsatz sollte gerade nichtfür solche Fälle gelten, in denen sich – wie vorliegend – wegeneiner Namensverschiedenheit kein Rückschluss auf ein ver-wandtschaftliches oder Ehegattenverhältnis ziehen lässt. Hierging man wie bei anderen Gruppenreisen davon aus, dass derAnmeldende bei der Buchung als Vertreter der übrigen Reise-teilnehmer handelt, sodass mit jedem Teilnehmer ein einzel-ner Reisevertrag zustande kommt.

B. Allgemeine Reisebedingungen

Das OLG Köln5 hat eine Klausel in den allgemeinen Reisebe-dingungen der Reiseveranstalter, wonach ein weniger als 30Tage vor Reisebeginn erklärter Änderungswunsch des Reisen-

den als Rücktrittserklärung zu behandeln ist, wegen Versto-ßes gegen § 308 Nr. 5 BGB für unwirksam erklärt. Der Reisen-de wolle sich mit seiner Änderungserklärung gerade nicht vomVertrag lösen, sondern diesen lediglich modifizieren. Die Klau-sel lege der Erklärung des Reisenden daher einen anderen In-halt bei, als von ihm gewollt und erklärt werde. Es handele sichdabei um eine unzulässige Erklärungsfiktion, die im Zu-sammenhang mit nachträglichen Änderungswünschen zu ei-nem Reisevertrag unzulässig sei. Für unwirksam hat das OLGKöln6 ferner die Bestimmung in den ARB befunden, wonacheine Abtretung von Ansprüchen eines Reiseteilnehmers ge-gen den Veranstalter an Dritte, auch an Ehegatten und Ver-wandte, ausgeschlossen sowie die gerichtliche Geltendma-chung der Ansprüche des Reiseteilnehmers durch Dritte imeigenen Namen für unzulässig vereinbart werden. Da dieserAusschluss insbesondere bei Familien- und Gruppenreisendie Anspruchsdurchsetzung derjenigen Teilnehmer, für die einanderes Familien- oder ein Gruppenmitglied die Reise ge-bucht hat, erschwert, ohne dass das Abtretungsverbot durchein berechtigtes Interesse des Reiseveranstalters gerechtfertigtsei, verstoße er gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Die Klausel „Ihre Ansprüche nach den §§ 651c bis f BGB ver-jähren in einem Jahr“, ist wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7aund 7b BGB unwirksam, da sie auch vertragliche Schadenser-satzansprüche des Reisenden gemäß § 651f Abs. 1 BGB er-fasst, die auf Ersatz eines Körper- oder Gesundheitsschadenswegen eines vom Veranstalter zu vertretenden Mangels ge-richtet oder auf grobes Verschulden des Reiseveranstalters odereiner seiner Erfüllungsgehilfen gestützt werden. Gleicherma-ßen kann ein Vorbehalt zur Änderung des Programmablaufseiner Reise in den ARB gegen § 308 Nr. 4 BGB verstoßen. Hier-nach ist ein Änderungsvorbehalt nur dann zulässig, wenn dieVereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berück-sichtigung der Interessen des Verwenders für den anderenVertragsteil zumutbar ist. Fehlt ein derartiges Zumutbarkeits-kriterium in den ARB, ist der Vorbehalt unwirksam.7

C. Ersetzungsbefugnis nach § 651b BGB

§ 651b BGB gibt dem Reisenden das Recht, seine Rechte undPflichten aus dem Reisevertrag auf einen Dritten zu übertra-

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Rechtsprechungsübersicht zum Reiserecht 2008 bis 2009Von Daniela Schulz, LL.M.,* Hamburg und Sophie Kettner, LL.M.,** Kiel

* Daniela Schulz, LL.M. ist Doktorandin an der Universität Rostock undRechtsreferendarin am Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg.

** Sophie Kettner, LL.M., ist Studentin der Rechtswissenschaften an derChristian-Albrechts-Universität zu Kiel.

1 Pressemitteilung v. 15.04.2009, abzurufen unter: www.web-tourismus.de.2 RRa 2009, 21.3 Kritisch hierzu Böhringer, RRa 2009, 22 f.4 MünchKomm/Tonner, 5. Aufl. 2008, § 651a Rn. 84 ff. m.w. N.5 RRa 2009, 18 (n. rkr.).6 A.a.O.7 LG Nürnberg-Fürth RRa 2008, 245; so jetzt auch BGH VuR 2009, 230 ff. (in

diesem Heft).

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8 RRa 2008, 272.9 LG Frankfurt a. M. NJW-RR 1987, 747.10 AG Köln RRa 2008, 271.11 LG Frankfurt a.M. RRa 2008, 74.12 LG Baden-Baden RRa 2008, 112.13 AG Köln RRa 2008, 271.14 LG Duisburg RRa 2008, 71.15 AG Ludwigsburg RRa 2009, 21.16 AG Bad Homburg v.d.H. RRa 2008, 128.17 BGH NJW 2008, 2775.18 AG Bad Homburg v.d.H. RRa 2008, 124 (Wechsel von einer Boeing 767 zu

einer Boeing 757).19 LG Frankfurt a.M. RRa 2008, 80.20 LG Frankfurt a.M. RRa 2008, 76.21 LG Baden-Baden RRa 2008, 112.

gen. Hierdurch erhält der reiseunwillig gewordene Kunde dieMöglichkeit, statt eines Rücktrittes nach § 651i BGB unter In-kaufnahme von Stornogebühren einen Ersatzreisenden zu stel-len. Nach dem Wortlaut der Norm kann das Ersetzungsrechtzwar bis zum Beginn der Reise geltend gemacht werden. Dieswird jedoch dahingehend eingeschränkt, dass dem Reisever-anstalter die Neuausstellung von Reiseunterlagen und dieMitteilung an seine Leistungsträger noch zumutbar sind. DasAG Leipzig8 hat hierfür eine Frist von zwei Tagen vor Reise-antritt ausreichen lassen. Widerspricht der Reiseveranstalterder Teilnahme des Ersatzreisenden unberechtigterweise, sowird er dem ursprünglichen Reisenden gegenüber aus den§§ 280, 281 BGB schadensersatzpflichtig.

D. Mängel

Der Reiseveranstalter haftet verschuldensunabhängig für denErfolg der Reise und trägt grundsätzlich die Gefahr des Gelin-gens. Der Inhalt seiner Einstandspflicht bestimmt sich vor-rangig nach der Reisebestätigung mit den Angaben über dieReiseleistungen, gegebenenfalls nach den Individualverein-barungen über Art, Qualität und Umfang der Leistungen, aberauch nach den sonstigen Reisebeschreibungen in den Pros-pekten und Flyern des Veranstalters,9 einschließlich der abge-bildeten Fotos.10 Soweit konkrete Vereinbarungen fehlen, istdie objektive Beschaffenheit maßgeblich, die ein durch-schnittlicher Reisender erwartet. Dabei hat der Veranstalter sei-ne Prospektbeschreibung so zu gestalten, dass die für den Rei-senden wichtigen Informationen an solchen Stellen imProspekt abgedruckt sind, an denen der Reisende diese nachTreu und Glauben auch erwarten darf. Verstößt er hiergegen,etwa indem er wichtige Informationen nicht bei dem betref-fenden Objekt abdruckt, sondern sie in einem vom Haupt-prospekt getrennten Preisteil aufnimmt, werden solche Infor-mationen nicht rechtsverbindlicher Inhalt des Reisevertrages.Dies gilt etwa für den Hinweis, dass es bei einer siebentägigenReise zu einer Zwischenübernachtung sowohl auf der Hin- alsauch auf der Rückreise kommen kann. Eine derart bedeuten-de Information muss bei der Hotelbeschreibung aufgeführtwerden, wenigstens aber ist dort ein drucktechnisch deutlichgestalteter und unmissverständlicher Hinweis auf weiterfüh-rende Seiten des Reiseprospekts aufzunehmen.11

Die Einstandspflicht des Reiseveranstalters gilt nicht unbe-grenzt. So hat er beispielsweise nicht für Risiken einzustehen,die außerhalb des von ihm beherrschbaren Gefahrenbereichsliegen. Dementsprechend liegt nur eine Verwirklichung desallgemeinen Lebensrisikos und kein Mangel vor, wenn in un-mittelbarer Nachbarschaft der Unterbringung des Reisendenein Schiff Feuer fängt und infolge dessen sinkt.12 Auch Natur-erscheinungen können nicht ohne Weiteres einen Mangelbegründen.13

I. Mängel bei der Beförderung

Es stellt einen Reisemangel dar, wenn dem Reisenden der Rei-seantritt seitens des Flugkapitäns zu Unrecht verweigert wird.Zwar steht dem Piloten hinsichtlich der Frage, ob er Maßnah-men zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an-ordnet, ein gewisser Ermessensspielraum zu. Sollten für die Be-einträchtigung der Sicherheit und Ordnung jedoch keinetatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich sein, so steht dem Rei-senden eine Minderung in Höhe von 100 % des Reisepreiseszu.14 Wird der Rückflug durch den Veranstalter um elf Stundenvorverlegt, und kann der Reisende dadurch geplante Tauch-

gänge nicht durchführen, darf er den Reisepreis in Höhe einesTagessatzes mindern.15 Ein Mangel bei der Rückreise liegt zudemvor, wenn der Ausgangsflug derart mit Verspätung durchgeführtwird, dass der Reisende seinen Anschlussflug verpasst. Er ist imWege der Selbstabhilfe berechtigt, Sitzplätze einer höherwerti-gen Kategorie für den Anschlussflug zu buchen, wenn der Ver-anstalter ihm keinen zeitnahen Heimflug anbieten kann und ei-ne der geschuldeten Reiseleistung gleichwertige Leistung nichtverfügbar ist.16 Kommt es auf einem vom Reiseveranstalter ge-buchten Rückflug aufgrund eines technischen Defekts zu ei-nem Beinahe-Absturz und in dessen Folge zu einer Zwischen-landung, weil Reparaturen an dem Fluggerät vorzunehmensind, so kann der Reisepreis nicht nur für die Dauer des Mangels,sondern für die gesamte Reise gemindert werden.17 Der Bundes-gerichtshof hat anhand dieses Falles entschieden, dass be-sonders schwerwiegende Mängel, mögen sie auch erst am Endeder Reise auftreten, den Reisezweck rückwirkend insgesamt inFrage stellen können. Der bloße Wechsel des Flugzeugtyps be-gründet hingegen in der Regel keinen Reisemangel, denn nichtjede Änderung einer Reiseleistung führt automatisch zu einerGewährleistungspflicht des Reiseveranstalters. In Fällen wie die-sen muss durch die Änderung vielmehr der Wert oder die Taug-lichkeit der Reise herabgesetzt oder gemindert sein.18

Die Deutsche Bahn AG ist Erfüllungsgehilfe des Reiseveran-stalters, wenn dem Reisenden im Rahmen seines Pauschalrei-severtrages ein „Rail & Fly-Ticket“ zur Nutzung aller Zugver-bindungen zur Anreise zum Flughafen ausgestellt wird. DerReiseveranstalter muss sich daher Verspätungen der Bahn zu-rechnen lassen.19

II. Mängel der Unterkunft

Wird das gebuchte Hotel als Tagungsort für Kongresse ge-nutzt, sodass andere Hotelgäste nicht alle Hotelbereiche derUnterkunft aufsuchen können, kann nicht mehr von einerbloßen Unannehmlichkeit ausgegangen werden. Regelmäßigbucht der Reisende mit der Zimmerbestellung das Gesamt-Hotel. Deshalb kann er erwarten, nicht mit Auf-, Um- undAbbautätigkeiten, Absperrungen gewisser Bereiche sowie mitder Geschäftsatmosphäre, die von Tagungen zwangsläufig aus-geht, konfrontiert zu werden.20 Der Reisende, der mit acht-zehn weiteren Personen auf einem minderwertigen Tauchbootanstatt in der gebuchten Hotelanlage untergebracht wird, istberechtigt, den Reisepreis für die entfallenen Reisetage um100 % zu mindern. Bietet das anschließend zugewiesene Zim-mer zudem einen unschönen Anblick, weil der Putz von denWänden abblättert, kann eine weitere Minderung von 5 %des Reisepreises gerechtfertigt sein.21

Ist der Reiseveranstalter nicht in der Lage, die vereinbarteUnterkunft wegen Überbuchung oder aus anderen Gründenzur Verfügung zu stellen, so hat er dem Reisenden eine Er-

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satzunterkunft anzubieten, die der gebuchten Unterbringungobjektiv gleichwertig und subjektiv dem Reisenden zuzu-muten ist. Die Gleichwertigkeit ist unter Würdigung allerUmstände des Einzelfalls zu beurteilen. Eine objektive Ver-gleichbarkeit kann nur dann gegeben sein, wenn die Ersatz-unterkunft dem gebuchten Hotel hinsichtlich Kategorie, Aus-stattung und Standard entspricht und in räumlicher Nähe zudem gebuchten Hotel liegt. Für die Gleichwertigkeit und Un-zumutbarkeit trägt der Reiseveranstalter die Beweislast.22 DasLG Frankfurt a.M. entschied, dass dem Reisenden eine Min-derungsquote von 45 % zusteht, wenn das Ersatzhotel nichtüber die vereinbarten Leistungsmerkmale (direkter Strandzu-gang, gleichwertige Swimmingpool-Anlage, Sport- und Unter-haltungsprogramm, Mitternachtssnacks) verfügt.23 Dem Ver-anstalter obliegt auch die Verpflichtung, den Reisendenfrühzeitig über die Überbuchung des ursprünglichen Hotelsaufzuklären. Rügt der Reisende später die abweichende Unter-bringung, umfasst diese Mängelanzeige auch die Rüge derfehlenden Informationen über die Ersatzunterbringung.24

Ein verständiger Reisender kann nicht erwarten, dass in ei-nem Hotel im Ausland ausschließlich deutsche Familien ih-ren Urlaub verbringen. Vielmehr muss er damit rechnen, dasssich in dem gebuchten Hotel neben deutschen auch andereNationalitäten befinden werden. Daher kann er ohne eine ent-sprechende Angabe im Prospekt nicht davon ausgehen, dass indem Vertragshotel die „Clubsprache“ Deutsch ist oder dassdie Hotelangestellten sämtliche denkbaren Sprachen beherr-schen. Dies gilt auch für den im Prospekt erwähnten „Mini-club für Kinder von 4 bis 12 Jahren“.25

Eine wesentliche Urlaubsbeeinträchtigung stellt auch Baulärmdar. Der permanente Lärm von Baustellenverkehr mit Rau-pen, Baggern oder Lkw sowie der Einsatz von Presslufthäm-mern sorgen bei Reisenden oft für absolutes Unbehagen. Mit-hin nahm das LG Duisburg26 einen Mangel an der Unterkunftbei erheblichen Beeinträchtigungen aufgrund von Baustel-lentätigkeiten an der „Jumeirah Palmeninsel“ und an einemHochhaus in der Nähe des hoteleigenen Tennisplatzes an. Dader Lärm durchgängig 24 Stunden andauerte, sprach das Ge-richt dem Reisenden eine Minderungsquote von 45 % zu. Dertäglich zwischen 7:00 und 23:30 Uhr verursachte Baulärmaufgrund einer nicht fertig gestellten Hotelanlage führt zu ei-ner Minderung des Reisepreises um 50 %.27 Bei der Bemes-sung von Minderungsquoten ist aber gegebenenfalls zu be-achten, inwiefern der Reisende andere Orte (etwa auf einerBungalowanlage) aufsuchen kann, um dem Baulärm aus demWege zu gehen.28 Dabei soll es auf die Gewohnheiten einesDurchschnittsreisenden ankommen, der sich in einem Ur-laub am Meer bei sommerlichen Temperaturen typischer-weise tagsüber nur kurzfristig in der Unterkunft aufhält.

Eine weitere besondere Lärmquelle stellen Nachtklubs dar,die in der Regel während der Hauptsaison bis in die frühenMorgenstunden betrieben werden. Eine durchgängige Störungder Nachtruhe durch eine Diskothek in der Nähe der Unter-kunft hat eine Entwertung auch der übrigen Reiseleistungenzur Folge, sodass der Reisende den Reisepreis in Höhe von 60 %mindern und eine Entschädigung für entgangene Urlaubs-freude beanspruchen kann.29 Das LG Frankfurt a. M. sprach ei-nem Reisenden eine Minderungsquote von 50 % zu, der Lärm-belästigungen in Form von Aufbauarbeiten für eineShowbühne und Musikbeschallung von mehr als zwölf Stun-den ausgesetzt war.30 Keine Minderung wird Reisenden dage-gen für Verkehrslärm gewährt, der von einer an die Strand-promenade angrenzenden Straße ausgeht.31

III. Mängel der Verpflegung

Zwischen Reiseveranstaltern und Reisenden führt häufig auchdie Verpflegung im Hotel zu Streitigkeiten. Keinen Mangelder Verpflegung stellt jedoch eine Wartezeit von etwa 15 Mi-nuten zwischen den einzelnen Büffetgängen dar.32 Wird demReisenden die zugesicherte Verpflegung nicht gewährt, kanner die anfallenden Kosten für seine Verpflegung vom Veran-stalter ersetzt verlangen. Nach Ansicht des LG Frankfurt a. M.kommt eine darüber hinausgehende Minderung des Reise-preises nicht in Betracht.33

IV. Mängel des Strandes/Bademöglichkeiten

Für den Zustand eines öffentlichen Strandes muss der Reise-veranstalter nur dann einstehen, wenn er diesen im Prospektbesonders hervorgehoben hat.34 Reisende können den Reise-preis um 5 % mindern, wenn das gebuchte Hotel entgegender Beschreibung nicht direkt an der Strandpromenade liegt.35

Ist die Strandbenutzung zum Zwecke der Durchführung vonim Hotel abgehaltenen Kongressen erheblich beeinträchtigtund kommen infolge von Auf-, Um- und Abbautätigkeiten vonBühnenkonstruktionen weitere Einschränkungen hinzu, sokann der Reisepreis um 10 % gemindert werden.36 Das Glei-che gilt, wenn der Strand aufgrund von Strandverbreiterungs-arbeiten nur eingeschränkt genutzt werden kann und Aus-weichmöglichkeiten nicht bestehen.37 Werden Liegen amhoteleigenen Pool bereits um 17:00 Uhr weggeräumt, obwohlder Pool bis 20:00 Uhr benutzbar ist, liegt hierin ein Mangel,der zu einer Minderung von 10 % des Reisepreises berechtigt.38

Sichert der Reiseveranstalter durch die im Prospekt abgebilde-ten Strandbilder dem Reisenden klares blaues Meerwasser zu,kann der Reisende mindern, wenn das Meereswasser trüb unddunkel verfärbt und der Boden matschig und schlickig war.39

Naturerscheinungen wie Sandflöhe und Sandwespen an einemöffentlichen Strand in der Karibik hat der Reisende hingegenentschädigungslos hinzunehmen.40

V. Weitere Mängel am Urlaubsort

Ein zur Minderung berechtigender Mangel der Reise liegtschließlich auch dann vor, wenn wegen des FastenmonatsRamadan Beschränkungen am Urlaubsort bestehen, nach de-nen Reisenden das Essen und Trinken in der Öffentlichkeituntersagt ist.41 Anders als die Vorinstanz hat das LG Dort-mund42 entschieden, dass eine Aufklärung über die Auswir-kungen des Fastenmonats auch dann erforderlich ist, wenn derReisende erklärt, er wisse um diesen Umstand. Vielmehr muss

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22 AG Hannover RRa 2008, 229.23 LG Frankfurt a.M. RRa 2008, 121 = NJW-RR 2008, 1638.24 LG Frankfurt a.M. RRa 2008, 121 = NJW-RR 2008, 1638.25 LG Frankfurt a.M. RRa 2008, 172.26 LG Duisburg RRa 2008, 119.27 AG Hannover RRa 2008, 131.28 LG Duisburg RRa 2008, 171.29 AG Köln RRa 2008, 173.30 LG Frankfurt a. M. RRa 2008, 264.31 LG Duisburg RRa 2008, 118.32 LG Baden-Baden 2008, 112.33 RRa 2008, 289.34 LG Frankfurt a. M. RRa 2008, 172.35 LG Duisburg RRa 2008, 118.36 LG Frankfurt a. M. RRa 2008, 76.37 AG Köln RRa 2008, 271.38 AG Baden-Baden RRa 2008, 151.39 AG Köln RRa 2008, 271.40 A.a.O.41 LG Dortmund RRa 2008, 114.42 RRa 2008, 114; anders AG Dortmund RRa 2007, 169.

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43 OLG Hamburg RRa 2009, 17.44 OLG Köln RRa 2008, 222 = NJW-RR 2008, 1588.45 LG Bonn RRa 2008, 275.46 LG Bonn RRa 2008, 275.47 OLG Rostock RRa 2009, 49 = NJW 2009, 302.48 LG Hamburg RRa 2008, 277.49 AG Offenbach RRa 2008, 83.50 AG Offenbach RRa 2008, 83.51 LG Berlin RRa 2008, 113.52 AG Bad Homburg RRa 2008, 130.53 BGH NJW 2009, 287.54 LG Dortmund RRa 2008, 114.55 AG Bonn RRa 2008, 270. 56 LG Duisburg RRa 2008, 119.57 A.a.O.

der Reiseveranstalter durch entsprechende Nachfragen sicher-stellen, dass der Buchende tatsächlich über sämtliche Restrik-tionen informiert ist.

VI. Kreuzfahrten

Ferner stellt es einen Mangel dar, wenn der Reiseveranstalterin dem vorgelegten Prospekt die Durchfahrt von „meterdi-ckem Packeis“ beschreibt und dies durch Fotos bildlich dar-stellt, jedoch aufgrund von Klimaveränderungen das Packeistatsächlich nicht mehr vorhanden ist. Zwar haftet der Veran-stalter nicht für unvorhersehbare Witterungsbedingungen.Macht er sich jedoch besondere Naturereignisse zunutze, trägter auch das volle unternehmerische Risiko dafür, dass er dieeingegangene Verpflichtung erfüllen kann.43 Fallen auf einerKreuzfahrt mit einer vereinbarten Reiseroute zu besonderenkulturellen und landschaftlichen Höhepunkten verschiedeneAusflüge mit dem Schlauchboot aus und kommt es darüberhinaus auch zu einer Verkürzung des vorgesehenen Kreuzensvor diesen Ausflugszielen, kann der Reisende den Preis eben-falls mindern. Da eine derartige Reise aber nicht in erster Li-nie dem Erholungszweck dient, verbietet sich eine schemati-sche Beurteilung der Höhe des Minderungsanspruchs.44 Stehtder Expeditionscharakter einer Kreuzfahrt hingegen nicht imVordergrund, kann zur Bestimmung der Minderungsquotenauf die herkömmlichen Ermittlungsmethoden zurückgegriffenwerden.45 Vor diesem Hintergrund ist für solche Mängel, diesich – wie Ausfall oder Verkürzung von Landausflügen bzw. -aufenthalten – auf einzelne Tage erstrecken, eine Minderungauf Grundlage des Tagespreises vorzunehmen und nicht aufGrundlage des Gesamtpreises. Nach Auffassung des LG Bonn46

steht dem Reisenden daher für einen verkürzten Aufenthaltin Island ein Minderungsrecht von 40 % und für ein entfalle-nes Cruising bei den Westmänner-Inseln nebst Landgang einMinderungsrecht von 50 % des Tagespreises zu. Wird das Rau-chen in allen Kabinen auf einem Kreuzfahrtschiff nach derBuchung verboten, ist ebenfalls von einem Mangel auszuge-hen.47 Kann die im Prospekt als herausragendes Merkmal an-gepriesene Durchfahrt der Nordwest-Passage wegen Packeisnicht durchgeführt werden, kann der Reisende den Reisepreisin Höhe von 30 % mindern. Dabei bleibt unerheblich, ob dieEisverhältnisse für den Veranstalter vorhersehbar waren odernicht.48 Einer Haftung auch für höhere Gewalt kann der Rei-severanstalter nur durch eine Kündigung gemäß § 651j BGBentgehen.

Ein Mangel liegt nicht vor, wenn das Schiff wegen einer schwe-ren Erkrankung eines Passagiers zu einem Hafen umkehrenmuss und hierdurch eine Stadtbesichtigung im nächsten An-laufpunkt ausfällt. Hierbei handelt es sich um die Verwirkli-chung des allgemeinen Lebensrisikos, welches die Haftung desReiseveranstalters ausschließt.49 Zwar ist ein Schiffsarzt keinErfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters, jedoch haftet derReiseveranstalter für die sorgfältige Auswahl des Arztes.50

VII.Besondere Reisearten

Werden Jugendliche auf einer Sprachreise entgegen der ver-sprochenen Unterbringung in einer Gastfamilie nur in derenNähe und zusammen mit anderen Jugendlichen unterge-bracht, die nicht Englisch sprechen, ist der Zweck der Sprach-reise beeinträchtigt.51

Die Unterbringung des Gastschülers in einer Region in Südafri-ka, die als nicht völlig malariafrei eingestuft wird („low-risk“-Ge-biet), stellt jedenfalls dann einen Mangel des Gastschulvertrages

dar, wenn eine ausdrückliche Aufklärung über die Malaria-Ge-fährdung seitens des Veranstalters unterblieben ist. Versprichtder Veranstalter die Unterbringung des Gastschülers in der „nä-heren Umgebung“ von vier Großstädten des Landes und er-folgt die tatsächliche Einweisung 400 km entfernt von einer die-ser Städte, liegt hierin ein weiterer Reisemangel. DerReiseveranstalter hat ferner dafür Sorge zu tragen, dass die Vor-aussetzungen eines geregelten Schulbesuches im Sinne des§ 651l Abs. 2 BGB für die gesamte Zeit des Schuljahres gegebensind. Wird der Besuch einer „High School“ vereinbart, kannder Gastschüler einen Unterricht erwarten, der einem entspre-chenden Anforderungsprofil entspricht, wobei die Klassifizie-rung, welche sich die Schule selbst gibt, unbeachtlich bleibt.

Bei einer Fahrradreise von Ort zu Ort hat der Reiseveranstal-ter sicherzustellen, dass der Reisende in den jeweils verein-barten Übernachtungsmöglichkeiten Unterkunft findet. Dienachträgliche Übersendung einer Hotelliste führt zu einerverbindlichen Leistungskonkretisierung nach § 315 BGB,wenn bei Vertragsschluss zunächst keine Unterbringung ineinem bestimmten Hotel vereinbart war. Führt die vertrags-widrige Änderung des Übernachtungsortes durch den Veran-stalter zu unangemessen kurzen oder langen Radetappen,liegt hierin ein weiterer Mangel.52

E. Kündigung wegen erheblicher Beeinträchtigung(§ 651e BGB)

Nach § 651e BGB kann der Reisende den Reisevertrag kündi-gen, wenn die Reise infolge eines Mangels der in § 651c BGBbezeichneten Art erheblich beeinträchtigt oder wenn dem Rei-senden die Reise infolge eines solchen Mangels aus wichtigem,dem Reiseveranstalter erkennbaren Grund nicht zuzumutenist. Ob solche Umstände vorliegen, hängt grundsätzlich vomEinzelfall ab. Hierbei werden die Art und der Umfang der Män-gel, der Reisecharakter, der Reisezweck und das Reisegebietberücksichtigt. So entschied der Bundesgerichtshof53, dass ei-ne erhebliche Beeinträchtigung der Reise nicht vorliege, wennein Reiseteilnehmer aufgrund eines technischen Defekts amFluggerät ein bis zwei Tage einer 14-tägigen Reise verpasst. Et-was anderes könne lediglich dann gelten, wenn in dem Ver-spätungszeitraum herausragende Programmpunkte versäumtwerden. Nach Ansicht des LG Dortmund54 führen Beein-trächtigungen durch den Fastenmonat Ramadan nur bei Vor-liegen besonderer Anhaltspunkte zu einer Unzumutbarkeit derReisefortsetzung. Auch der Tod eines anderen Reiseteilneh-mers führt nicht ohne Weiteres zu einer Unzumutbarkeit derFortsetzung der Reise für die anderen Reisenden.55

Ist die Kündigung zu Unrecht erfolgt, weil die Erheblichkeits-schwelle nicht überschritten wurde, kann allerdings eine hy-pothetische Minderung geltend gemacht werden.56 Dies giltauch in den Fällen unberechtigter Selbstabhilfe.57

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F. Kündigung wegen höherer Gewalt (§ 651j BGB)

Zu einer Kündigung berechtigende höhere Gewalt liegt nurim Falle eines von außen kommenden Ereignisses vor, welchesauch durch äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfaltnicht abwendbar ist. Kann etwa die Gefahr einer Erkrankungdurch einen Chikungunya-Virus durch vertretbare und nichtübermäßig aufwändige Maßnahmen (etwa Mückenschutz-mittel, körperbedeckende Bekleidung und Moskitonetze) ver-hindert werden, liegt kein Fall der höheren Gewalt vor.58 Auchzeitgleich auftretende Terroranschläge in verschiedenen Städ-ten eines Landes begründen nach Ansicht des LG Düssel-dorf59 noch keinen flächendeckend bürgerkriegsähnlichenZustand, der eine Kündigung wegen höherer Gewalt rechtfer-tigt.

G. Die Pflicht des Reisenden zur Mängelanzeige(§ 651d Abs. 2 BGB)

Der Reisende muss gegenüber dem Veranstalter auftretendeMängel rügen, damit diesem die Möglichkeit eröffnet wird,Abhilfe zu schaffen. Kommt der Reisende dieser Anzeigepflichtnicht nach, können die von ihm behaupteten Mängel nicht zurGrundlage eines Gewährleistungsanspruchs gemacht werden.Allerdings kann sich auch eine nicht unmittelbare Mängelan-zeige auf den vor der Rüge liegenden Zeitraum beziehen, wenneine Abhilfe zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich ge-wesen wäre.60 Stellt dies die Grundlage der Behauptung sei-tens des Reisenden dar, so ist der Reiseveranstalter verpflichtetzu beweisen, dass er bei rechtzeitiger Mängelrüge in der Lagegewesen wäre, Abhilfe zu leisten. Hierbei genügt es, wenn derReiseveranstalter zum Zeitpunkt der tatsächlichen Mängelan-zeige in der Position gewesen ist, die geltend gemachten Män-gel beseitigen zu können.61 Der Reiseveranstalter, der sich aufden Ausnahmetatbestand des § 651d Abs. 2 BGB beruft, mussnachweisen, dass eine rechtzeitige Mängelanzeige am Urlaubs-ort unterblieben ist. Er muss darlegen, dass eine (für den Rei-senden auch erreichbare) Person vorhanden war, welche für dieEntgegennahme der Mängelanzeige zuständig war und dass beidieser Person eine Mängelanzeige nicht oder verspätet einge-gangen ist. Dann muss der Reisende vortragen, wem gegen-über er rechtzeitig die Mängelanzeige abgegeben hat oder dasser ohne Verschulden an der rechtzeitigen Abgabe der Mängel-anzeige gehindert war. Ein sich aus der Beweisaufnahme erge-bendes non-liquet geht zum Nachteil des Reiseveranstalters.62

Unterzeichnet der Reiseleiter eine vom Reisenden erstellteMängelliste mit den Worten „zur Kenntnis genommen“, sokann dies lediglich als Kenntnisnahme der geforderten Män-gelanzeige gewertet werden. Ein darüber hinausgehendes Ver-halten, wie etwa ein Anerkenntnis, kann der Reiseleitung nichtzugeschrieben werden.63 Eine Anzeige seitens des Reisenden istauch dann erforderlich, wenn dem Reiseveranstalter die Män-gel bekannt waren.64 Da nicht jeder objektive Mangel von je-dem Reisenden gleichermaßen als Beeinträchtigung seinerReise empfunden wird, besteht ein berechtigtes Interesse desReiseveranstalters, auch hinsichtlich ihm bekannter Mängel,eine Anzeige zu erhalten.65 Minderjährigkeit der Reiseteilneh-mer (14 bzw. 16-jährige Jugendliche) lässt die Verpflichtung zurMängelanzeige ebenfalls nicht entfallen.66 Die Unterlassungder Mängelanzeige ist aber unschädlich, wenn den Reisendendaran kein Verschulden trifft. An diesem fehlt es beispielsweise,wenn dem Reisenden keine zur Entgegennahme der Mängel-anzeige berechtigte Person zur Verfügung stand.67

H. Schadensersatz nach § 651f BGB

Über die übrigen reiserechtlichen Ansprüchen hinaus stehtdem Reisenden ein Entschädigungsanspruch wegen vertanerUrlaubszeit aus § 651f Abs. 2 BGB zu, wenn die Reise vereiteltoder erheblich beeinträchtigt wird. Wann Erheblichkeit vor-liegt, ist nach Ansicht des LG Duisburg bei Minderungsquo-ten von rund 20 % bis 49 % im Einzelfall anhand der Art unddes Umfangs der Mängel, des Reisecharakters, des Zweckes unddes Zielgebietes zu beurteilen.68

Der Reiseveranstalter schuldet dem Reisenden Schadensersatzwegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach § 651f Abs. 2BGB, wenn er den Reisenden zum Rücktritt vom Reisevertragdadurch veranlasst, dass er ihm mitteilt, die Unterbringung imgebuchten Hotel während des vereinbarten Zeitraums nichtzur Verfügung stellen zu können. An der hierin liegendenVereitelung der Reise vermag der Umstand, dass der Reisever-anstalter später erklärt, die geschuldete Reiseleistung doch er-bringen zu können, nichts zu ändern. Insbesondere ist der Rei-sende weder verpflichtet, dem Reiseveranstalter trotz derangekündigten Leistungsverweigerung eine Frist zur Abhilfe zusetzen, noch nach erfolgtem Rücktritt den aufgelösten Reise-vertrag erneut abzuschließen.69

I. Umfang der Verkehrspflicht

Neben seiner vertraglichen Einstandspflicht treffen den Rei-severanstalter auch Verkehrssicherungspflichten bei der Aus-wahl und Kontrolle seiner Leistungsträger und der Vertrags-hotels. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er gegen alledenkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrun-gen treffen muss. Vielmehr umfasst dies diejenigen Maßnah-men, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigenGrenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichendhalten darf, um andere vor Schäden zu bewahren.70 Bietetder Reiseveranstalter die Benutzung einer Sport- und Spielan-lage an, so hat er den Reisenden vor Gefahren zu schützen,die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hin-ausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und für ihn nichtohne Weiteres erkennbar sind. Bei einem Spielgerät, wie etwaeinem Trampolin, das für Kinder ab vier Jahren freigegebenist und ohne besondere Aufsicht genutzt werden kann, mussohne ausdrücklichen Hinweis grundsätzlich nicht damit ge-rechnet werden, dass es bei bestimmungsgemäßer Benutzungzu lebensgefährlichen Verletzungen kommen kann. Trifft derReiseveranstalter, etwa durch einen entsprechenden Warn-hinweis, nicht die Vorkehrungen, die zur Vermeidung einesSchadenseintrittes erforderlich sind, verletzt er seine Ver-kehrssicherungspflichten und haftet dem Reisenden für ent-standene Schäden. Rutscht der Reisende auf einer beschädig-ten und bei Nässe glatten Treppe aus poliertem Marmor ohne

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58 LG München RRa 2008, 269; AG München RRa 2008, 132.59 LG Düsseldorf RRa 2008, 117.60 LG Frankfurt a. M. RRa 2008, 27.61 LG Frankfurt a. M. RRa 2008, 72. 62 LG Frankfurt a. M. RRa 2008, 264.63 LG Duisburg RRa 2008, 72; ebenso LG Berlin NJW-RR 1989, 1213; a. A. LG

Frankfurt a. M. NJW-RR 1989, 307; NJW 1988, 1219; AG CharlottenburgVersR 1984, 373.

64 LG Duisburg RRa 2008, 171; LG Frankfurt a. M. RRa 2008, 79.65 LG Frankfurt a. M. RRa 2008, 79.66 LG Frankenthal Urt. v. 11.02.2009, Az.: 2 S 295/08, zitiert nach juris.67 LG Frankfurt a. M. RRa 2008, 264.68 LG Duisburg RRa 2008, 263 (n.r.k.; die Revision wird beim BGH unter dem

Az.: X ZR 11/08 geführt). 69 AG Bad Homburg v. d. H. RRa 2008, 126.70 BGH RRa 2008, 234.

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71 LG Frankfurt a. M. RRa 2008, 77.72 AG Offenbach a. M. RRa 2008, 233.73 LG Frankfurt a. M. RRa 2009, 31 ff.74 RRa 2009, 31 ff.75 NJW-RR 2007, 1501, siehe die Besprechung von Schulz, VuR 2008, 213,

219.76 So Tonner, RRa 2008, 62 ff.77 LG Frankfurt a. M. RRa 2008, 228.78 Zu den Anforderungen an die Hinweispflicht siehe BGH NJW 2007, 2549.79 RRa 2009, 23 mit abl. Anm. Führich.

Handlauf aus, kann eine Haftung des Reiseveranstalters be-gründet sein. Der Reisende muss sich jedoch ein Mitverschul-den anrechnen lassen, wenn er die Gefährlichkeit der Treppehätte erkennen können.71 Dies gilt insbesondere dann, wenner durch aufgestellte Warnhinweise auf Nässe und die damitverbundenen Gefahren hingewiesen wird.72 Der Reiseveran-stalter hat auch für Verletzungen des Reisenden einzustehen,wenn sich dieser bei Ausflügen verletzt. Wird der Reisendebei einem Bootsausflug beispielsweise aufgefordert, die letz-ten 200 Meter zum Strand schwimmend zurückzulegen undverletzt sich dieser beim Überwinden eines Korallenriffes,welches wegen Niedrigwassers bis circa 50 cm an die Wasser-oberfläche ragt, kann er nach § 651f Abs. 1 BGB Schadenser-satz geltend machen.73 Dieser war vorliegend nicht wegenMitverschuldens des Reisenden zu mindern, da der Reisever-anstalter zwar in dem Reiseprospekt auf die Korallenriffe hin-gewiesen hat, nicht jedoch darauf, dass diese bei dem Ausfluggegebenenfalls zu überklettern wären. Ein Hinweis auf das Nie-drigwasser und die damit verbundene Gefahr erfolgte durchdie Bootsbesatzung nicht.

II. Einstandspflicht für Ausflüge am Urlaubsort

Unsicherheiten bestehen in der Rechtsprechung weiterhin inder Beurteilung, wann eine am Urlaubsort gebuchte Zusatz-leistung Gegenstand des Pauschalreisevertrages wird. Das LGFrankfurt a. M.74 hat im Anschluss an den Bundesgerichts-hof75 verdeutlicht, dass es grundsätzlich auf das Gesamtver-halten des Reiseveranstalters einschließlich einer etwaigenFremdleistungs- bzw. Vermittlungserklärung ankommt. § 651aAbs. 2 BGB als maßgeblicher Anknüpfungspunkt gebietet je-doch, selbst eine unmissverständliche, klare und unüberseh-bare Vermittlerklausel zurücktreten zu lassen, wenn das Ver-halten des Reiseveranstalters einen entgegenstehendenstarken Anschein einer Eigenleistung begründet hat. Aus Sichteines durchschnittlichen Reisenden sprechen für ein Einste-henwollen des Reiseveranstalters für einen vor Ort gebuchtenAusflug beispielsweise die Abwicklung der Buchungen der Leis-tung durch die Reiseleitung des Veranstalters, der Transfervon der Hotelanlage zu dem Boot durch Busse des Veranstal-ters, mehrfache Hinweise in dem Prospekt auf zuverlässigePartner am Urlaubsort, aber auch der Schriftzug und das Logodes Veranstalters auf dem Tour-Ticket.

I. Die Ausschlussfrist des § 651g BGB

Die Ausschlussfrist des § 651g BGB, nach der Ansprüche wegenReisemängeln innerhalb eines Monats nach der vertraglichvorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reisever-anstalter anzumelden sind, ist in der Praxis ein großer Stol-perstein76 für die Geltendmachung von reiserechtlichen An-sprüchen. Eine Mängelanzeige bei dem Reiseleiter gemäߧ 651c Abs. 1 BGB genügt hierfür noch nicht. Zwar kann dieAnmeldung bereits vor Ablauf der Reise am Urlaubsort vorge-nommen werden. Es ist jedoch darauf zu achten, dass die An-spruchsanmeldung gegenüber dem Reiseveranstalter erfolgt.Da ein Reiseleiter weder rechtsgeschäftlicher Vertreter desReiseveranstalters noch Empfangsbote für Erklärungen ist,wird dem Erfordernis des § 651g Abs. 1 BGB nur dann genügt,wenn die Anspruchsanmeldung gegenüber dem Reiseleiter tat-sächlich in schriftlicher oder mündlicher Form bei dem Rei-severanstalter eingeht.77 Nach Ablauf ist der Reisende nurdann erfolgreich, wenn er darlegen kann, dass er ohne Ver-schulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Wurde er

von dem Reiseveranstalter entgegen dessen Verpflichtung aus§ 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoV nicht auf das Bestehen dieser Fristhingewiesen, besteht zu seinen Gunsten eine widerleglicheVermutung dafür, dass die Fristversäumung des Reisenden ent-schuldigt ist.78 Eine unverschuldete Verhinderung will dasAG Köln79 nicht annehmen, wenn der Reisende von der Aus-schlussfrist auf andere Weise, etwa durch seinen Anwalt, er-fahren hat. Eine Verfristung tritt auch dann ein, wenn dieAnspruchsanmeldung rechtzeitig an den Veranstalter abge-sendet wird, diesem jedoch nicht innerhalb der gesetzlichenFrist zugeht.

J. Schlussbemerkung

Die Durchsicht der in den letzten Monaten erschienenen Ge-richtsentscheidungen zeigt die Hürden bei der Geltendma-chung reiserechtlicher Ansprüche auf. Wurde das Besteheneines Pauschalreisevertrages i. S. d. § 651a BGB bejaht, gilt eszu ermitteln, ob überhaupt ein Reisemangel oder eine bloßeUnannehmlichkeit vorliegt, die entschädigungslos hinzu-nehmen ist. Nicht selten werden die Erwartungen der Reisen-den an dieser Stelle zu hoch gesteckt. Auch im Rahmen derVerkehrssicherungspflichten ist eine sorgfältige Abgrenzungangezeigt, ob sich in dem Schaden nicht nur das allgemeineLebensrisiko des Reisenden niedergeschlagen hat. Selbst wenndie Anspruchsvoraussetzungen der §§ 651c ff. BGB vorliegen,scheitert die Geltendmachung neben mangelnden Beweisenhäufig an der fehlenden Mängelanzeige vor Ort und/oder derAnspruchsanmeldung binnen der einmonatigen Frist des§ 651g BGB. Reisende sind daher gut beraten, vermeintlicheMängel entsprechend zu dokumentieren, diese umgehendam Urlaubsort bei der Reiseleitung zu rügen und – sofern essich nicht nur um Unzulänglichkeiten handelt und eine Ein-standspflicht des Veranstalters begründet ist – rechtzeitig ihreAnsprüche beim Reiseveranstalter anzumelden.

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Tonner, F luggast rechte und der EuGH | A U F S Ä T Z E

Die Fluggastrechte-Verordnung (VO (EG) Nr. 261/2004) hatseit ihrem Inkrafttreten zu zahlreichen Problemen geführtund nicht nur die Instanzgerichte, sondern auch den Bundes-gerichtshof und den Europäischen Gerichtshof wiederholt be-schäftigt. Der Beitrag befast sich mit den Versuchen des EuGH,die Mängel der Verordnung auszugleichen, und stellt die ein-schlägige neuere Rechtsprechung zur Fluggastrechte-Ver-ordnung vor.

A. Einleitung

Seit dem 17.02.2005 gilt die VO (EG) Nr. 261/2004.1 Danachhaben Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und beiAnnullierung Ansprüche auf Ausgleichszahlungen unabhän-gig davon, ob ihnen tatsächlich ein Schaden entstanden ist.Dagegen werden bei bloßen Verspätungen keine Ausgleichs-zahlungen gewährt. Die Verordnung löste eine aus dem Jahre1991 stammende Verordnung ab, die lediglich bei Überbu-chungen Ansprüche vorsah.2

Die VO (EG) Nr. 261/2004 führte zu zahllosen Rechtsstreitig-keiten. Die Luftfahrtunternehmen machen sich die unklarenRechtsbegriffe der Verordnung zunutze und verweigern Aus-gleichszahlungen mit der Begründung, es handele sich umeine bloße Verspätung und nicht um eine Annullierung.Wenn eine Annullierung nicht mehr zu bestreiten ist, stütztman sich auf den Ausnahmetatbestand der „außergewöhn-lichen Umstände“, um der Zahlungspflicht zu entgehen.Trotz der verhältnismäßig geringen Streitwerte kam es inDeutschland zu zahlreichen Klagen vor den Amtsgerichten,3

denen inzwischen eine höchstrichterliche Rechtsprechungnachfolgte.4 Der Bundesgerichtshof und andere Gerichtesind ihrer Verpflichtung aus Art. 234 EG nachgekommen, beiZweifelsfragen eine Vorabentscheidung des EuGH einzuho-len, sodass innerhalb weniger Jahre zwei Entscheidungen desEuGH ergangen und derzeit vier weitere Verfahren anhängigsind.

Bemerkenswerterweise stammen alle sechs Verfahren ausDeutschland und Österreich. Ein weiteres Verfahren hatte sei-nen Ursprung in Dänemark, ist aber nach den Schlussanträ-gen der Generalanwältin nicht weiter betrieben worden.5

Offenbar entspricht es deutscher und österreichischer Rechts-kultur, bei Streitigkeiten in dieser Art und Höhe die Gerichtezu bemühen und nicht auf außergerichtliche Konfliktregulie-rungsmechanismen zu setzen – dies trotz der Existenz derSchlichtungsstelle Mobilität in Deutschland. Immerhin sindnur aufgrund dieser Streitfreudigkeit die Grundsatzentschei-dungen des EuGH möglich. Dies ist ein wichtiger Hinweis fürdie Grenzen außergerichtlicher Schlichtung: So sehr sie zubegrüßen ist, darf sie andererseits nicht verhindern, dass es zuGrundsatzentscheidungen der ordentlichen Gerichte kom-men kann.

Die Abgrenzung zwischen Annullierung und Verspätung undder Entschuldigungsgrund der außergewöhnlichen Umstän-de sind nicht die einzigen Auslegungsprobleme der Verord-nung. Sie werden im Folgenden unter Auswertung derinstanzgerichtlichen Rechtsprechung dargestellt, bevor auf

die Rolle von Schlichtung und die „Arbeitsteilung“ zwischenEuGH, Kommission und Mitgliedstaaten eingegangen wird.

B. Anwendungsbereich

Art. 3 der Verordnung legt den Anwendungsbereich fest.Danach fallen alle Flüge von Luftfahrtunternehmen derGemeinschaft unter die Verordnung ohne Rücksicht darauf,ob der Flug in oder außerhalb der Gemeinschaft beginnt. AufFlüge von Luftfahrtunternehmen aus Drittstaaten ist die Ver-ordnung dagegen nur anwendbar, wenn der Flug in derGemeinschaft beginnt. Die Fluggäste müssen sich zur ange-gebenen Zeit am Flugsteig einfinden. Ansprüche aus der Ver-ordnung bestehen nur gegen das ausführende Luftfahrt-unternehmen.

I. Hin- und Rückflug sind getrennte Flüge

Bereits der Anwendungsbereich der Verordnung wirft Proble-me auf, wenn Luftfahrtunternehmen aus Drittstaaten beteiligtsind. Da Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft sich injedem Fall nach der Verordnung zu richten haben, fallen auchRückflüge in das Gebiet der Gemeinschaft in den Anwen-dungsbereich der Verordnung. Bei Luftfahrtunternehmen ausDrittstaaten ist aber nur klar, dass ein in der Gemeinschaftbeginnender Flug der Verordnung unterliegt. Dagegen warstreitig, ob ein in der Gemeinschaft beginnender Flug auchden Rückflug enthält, mit anderen Worten, ob ein einheitlichgebuchter Flug von A nach B und zurück nach A nur ein Flugist. Zur Begründung dieser Ansicht kann man sich auf denRundflug-Begriff des Montrealer Übereinkommens beziehen.6

Der EuGH hat die Frage aber anders entschieden und siehtden Rückflug als einen selbstständigen Flug an, sodass Luft-fahrtunternehmen aus einem Drittstaat bei einem Rückflugvon einem Ort außerhalb der Gemeinschaft in die Gemein-schaft die Verordnung nicht einzuhalten brauchen.7

Der EuGH hat nicht übersehen, dass das Montrealer Überein-kommen vorrangig anzuwenden ist, Bedenken aber mit demArgument zurückgewiesen, dass es von Beförderung spricht,die Verordnung dagegen von einem Flug. Darüber hinausergebe die Auslegung der Verordnung, dass sie mit „Flug“nicht „Hin- und Rückflug“ meine. Ob diese Argumente über-zeugend sind, ist nach der eindeutigen Entscheidung ausLuxemburg aber nicht mehr von praktischem Interesse.8

Fluggastrechte und der EuGHProf. Dr. Klaus Tonner*, Rostock

* Der Autor ist Professor für Bürgerliches Recht und Europäisches Recht ander Universität Rostock und Richter am Oberlandesgericht Rostock.

1 ABl EG L 46/1 v. 17.02.2004.2 VO (EWG) Nr. 295/91, ABl. EG L 36/5 v. 08.02.1991; dazu Führich, NJW

1997, 1044.3 Überblick bis 2007 bei Führich, MDR 2007, Sonderbeilage 7; Schmid, NJW

2006, 1841; ders., NJW 2007, 261; vgl. auch Gaedtke, VuR 2007, 201.4 Überblick bei Kummer, DAR 2009, 121.5 EuGH Rs. C-396/06 - Kramme v. SAS. Die Schlussanträge sind auch abge-

druckt in RRa 2007, 261.6 Giemulla/Schmid-Giemulla, MÜ, Art. 1 MÜ Rn. 7.7 EuGH 10.o7.2008, Rs. C-173/07 - Schenkel v. Emirates, NJW 2008, 2697 =

RRa 2008, 237; ähnlich zuvor bereits AG Düsseldorf RRa 2008, 145; AGBerlin-Mitte NJW-RR 2006, 922.

8 Kritisch zu der Entscheidung Tonner, EuZW, 2007, 571; Wukoschitz, RRa2008, 242.

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9 Anders AG Frankfurt a. M RRa 2008, 146, mit krit. Anm. Schmid; zum Pro-blem auch Zandke-Schaffhäuser, RRa 2008, 168.

10 MünchKommBGB-Tonner, nach § 651 Rn. 15.11 LG Duisburg VuR 2007, 233; AG Düsseldorf RRa 2008, 142.12 BGH NJW 2008, 2119 = RRa 2008, 176.13 Zu Recht stellt AG Frankfurt a. M. RRa 2008, 48, klar, dass bei einem Code-

share-Flug ausschließlich das ausführende Luftfahrtunternehmen passivlegitimiert ist.

14 OLG Frankfurt a. M. RRa 2008, 179 mit krit. Anm. Schmid; Lamberz, RRa2008, 46, mit Nachw. unveröffentlichter Urteile des LG Köln.

15 OLG Hamburg RRa 2008, 139; LG Berlin RRa 2008, 38; AG Bremen NZV2007, 527 mit Anm. Gaedtke.

16 LG Köln RRa 2008, 141.17 LG Berlin RRa 2008, 42; AG Frankfurt a. M. RRa 2008, 46.18 BGH, Urt. v. 30.04.2009, Az.: Xa ZR 78/08. Bei Redaktionsschluss lag ledig-

lich die Pressemitteilung des BGH vor.19 BGH NJW 2009, 285 = RRa 2009, 85, beim EuGH anhängig unter Rs. C-

525/08 – Bienek v. Condor. Ebenso einige Instanzgerichte, OLG HamburgRRa2008, 139; LG Düsseldorf RRa 2008, 45; AG Frankfurt a. M. RRa 2008,93.

20 LG Düsseldorf RRa 2008, 45; AG Frankfurt a. M. RRa 2008, 93; a. A. LGDarmstadt RRa 2008, 228.

Auch nach der Schenkel-Entscheidung bleibt aber ein ausmehreren Abschnitten bestehender (Hin- oder Rück-) Flugein einheitlicher Flug, auf den die Verordnung dann insge-samt anzuwenden ist, wenn sie am Abgangsort gilt.9

II. Code-share-Flüge

Alle Probleme des Anwendungsbereichs sind damit abernicht gelöst. Es stellen sich Fragen, wenn bereits der Hinflugaus mehreren Flugabschnitten besteht, etwa dann, wenn einFlug mit einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft inder Gemeinschaft beginnt und in einem Drittstaat von einemCode-share-Partner dieses Luftfahrtunternehmens fortgesetztwird, der aber selbst kein Luftfahrtunternehmen der Gemein-schaft ist, und es dann Probleme mit diesem Anschlussfluggibt.

Die Beantwortung dieser Frage ist deswegen schwierig, weilAnsprüche aus der Verordnung nur gegen das ausführendeLuftfahrtunternehmen gerichtet werden können. Ein vertrag-liches Luftfahrtunternehmen – das kann z. B. ein Reiseveran-stalter sein10 –, das nicht zugleich ausführendes Luftfahrt-unternehmen ist, ist nach der Verordnung nicht passiv legiti-miert. Obwohl sich dies aus der Verordnung eindeutig ergibt,mussten dies die Instanzgerichte11 und sogar der Bundesge-richtshof12 ausdrücklich klarstellen.

Bei einem Code-share-Flug können Ansprüche daher nurgegen das Luftfahrtunternehmen gerichtet werden, das denFlug tatsächlich durchführt, in dem genannten Beispiel alsodas Luftfahrtunternehmen aus dem Drittstaat.13 Man könnteargumentieren, dass ein derartiges Unternehmen, das einenFlug außerhalb der Gemeinschaft durchführt, nicht in denAnwendungsbereich der Verordnung fallen kann; man könn-te aber auch argumentieren, dass dieses Drittstaatunterneh-men einen Teil eines in der Gemeinschaft beginnenden Flu-ges durchführt.

C. Nichtbeförderung

Die Nichtbeförderung ist in Art. 4 geregelt. Danach muss dasLuftfahrtunternehmen zunächst nach Freiwilligen suchen,wenn abzusehen ist, dass nicht alle gebuchten Fluggäste beför-dert werden können. Mit ihnen können Vereinbarungen überGegenleistungen getroffen werden. Fluggäste, die gegen ihrenWillen nicht befördert werden können, haben Ansprüche aufeine Ausgleichszahlung und Unterstützungsleistungen.

Unter einer Nichtbeförderung ist nach der Definition desArt. 2 lit. j die Weigerung zu verstehen, ordnungsgemäßgebuchte und am Flugsteig eingetroffene Fluggäste zu beför-dern. Lediglich „vertretbare Gründe“ im Zusammenhang mitder Gesundheit, der Sicherheit oder der Reiseunterlagenbefreien von der Beförderungspflicht.

I. Keine Beschränkung auf Überbuchung

Auch der Begriff der Nichtbeförderung weist Probleme auf.Zu ihnen hat der EuGH bislang nicht Stellung genommen.Zum einen geht es darum, ob die Nichtbeförderung auf Fälleder Überbuchung im Sinne der Vorgängerverordnungbeschränkt ist. Diese Ansicht wird zwar von einigen Gerich-ten vertreten,14 überwiegend jedoch abgelehnt.15 Auch einezeitnahe Ersatzbeförderung beseitigt den Tatbestand derNichtbeförderung nicht.16

II. Verpasster Anschlussflug

Zum anderen ist zu entscheiden, welche Fälle der Nichtbe-förderung neben der bloßen Überbuchung anzuerkennensind. Dabei geht es vor allem um einen verpassten Anschluss-flug, insbesondere dann, wenn ein Zubringerflug verspätet istoder annulliert wird, sodass der Anschlussflug nicht mehrerreicht werden kann. Ein Teil der Rechtsprechung lässt dasArgument der Luftfahrtunternehmen nicht gelten, der Sitz-platz in dem Anschlussflug habe doch zur Verfügung gestan-den, sondern geht zu Recht davon aus, dass die Nichtbeför-derung im Anschlussflug vom Luftfahrtunternehmen verur-sacht wurde.17 Der BGH hat jetzt jedoch anders entschiedenund ohne die gebotene Vorlage nach Art. 234 EG an denEuGH einen verpassten Anschlussflug nicht als Nichtbeför-derung gewertet.18 Es bleibt abzuwarten, ob sich ein Gerichtzu einer Vorlage nach Art. 234 EG entschließen wird. Da dieInstanzgerichte, im Gegensatz zum Bundesgerichtshof, nichtzur Vorlage verpflichtet sind, ist es eher wahrscheinlich, dassder Bundesgerichtshof eine Vorabentscheidung einholenwird, wenn ein derartiges Verfahren zu ihm gelangt.

III. Umbuchung

In einer anderen Fallkonstellation hat sich der Bundesge-richtshof bereits zu einer Vorlage entschlossen.19 Es gingdabei um eine Umbuchung. Der Bundesgerichtshof stellt dieFrage, ob eine Nichtbeförderung im Sinne der Verordnungbezüglich des ursprünglich gebuchten Fluges auch dann vor-liegt, wenn der Fluggast auf einen anderen Flug umgebuchtwird, unabhängig davon, ob der ursprüngliche Flug über-bucht war oder nicht. Dem Fluggast wird nicht zugemutet,am Flugsteig zu erscheinen, wenn ihm eine Umbuchung vor-her mitgeteilt wird.20

D. Abgrenzung von Annullierung und Verspätung

Zu den schwierigsten aber praktisch wichtigsten Problemengehört die Abgrenzung zwischen Annullierung und Verspä-tung. Unter einer Annullierung ist nach Art. 2 lit. l die Nicht-durchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest einPlatz reserviert war, zu verstehen. Der betroffene Fluggast hatAnspruch auf Unterstützungsleistungen und eine Ausgleichs-zahlung (Art. 5). Der Anspruch auf die Ausgleichszahlungentfällt allerdings, wenn der Fluggast rechtzeitig über dieAnnullierung informiert und ihm eine angemessene Ersatz-beförderung angeboten wird. Die Verordnung regelt im Ein-

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zelnen, was darunter zu verstehen ist. Als besonders proble-matisch hat sich Art. 5 Abs. 3 erwiesen, wonach die Aus-gleichszahlung entfällt, wenn das Luftfahrtuntermnehmen„nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhn-liche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hättenvermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergrif-fen worden wären.“

Bei einer Verspätung schuldet das Luftfahrtunternehmendagegen nur Unterstützungsleistungen (Art. 6). Wann eineVerspätung angenommen wird, hängt von der Fluglänge ab:Bis zu 1.500 km werden weniger als zwei Stunden toleriert,bei 1.500 bis 3.000 km drei Stunden und bei größeren Ent-fernungen vier Stunden.

Aus der Verordnung selbst lässt sich eine systematischeAbgrenzung nicht herleiten, zumal auf die Verordnung trotzdes langen Katalogs der Begriffsbestimmungen in Art. 2 keineDefinition der Verspätung entfällt. Es liegt daher nahe, dasssich die Luftfahrtunternehmen darauf berufen, es läge einebloße Verspätung vor, um den Ausgleichszahlungen zu ent-gehen, die im Falle einer Annullierung fällig wären. Wennder Fluggast sein Ziel irgendwie doch noch erreicht hat, wirdvon einer Verspätung ausgegangen. Dies kann indes nichtrichtig sein, denn dann bliebe kaum noch ein Anwendungs-bereich für eine Annullierung.

Es bleibt nichts anderes übrig, als eine Abgrenzung mehr oderweniger willkürlich vorzunehmen. Dies ist aber Aufgabe desEuGH. Beim EuGH sind zwei einschlägige Vorabentschei-dungsverfahren anhängig, von denen eines vom Bundesge-richtshof,21 das andere vom Handelsgericht in Wien stammt.In dem österreichischen Fall ging es um eine 22-stündige Ver-spätung und eine Änderung der Flugnummer. Der EuGH hatdie beiden Vorlagen zu einem Verfahren verbunden,22 aberbislang liegen noch nicht einmal die Schlussanträge derGeneralanwältin vor, obwohl die Verfahren schon seit einigerZeit anhängig sind und die mündliche Verhandlung stattge-funden hat.

Bis dahin wird man mit den Entscheidungen der Instanzge-richte leben müssen, die naturgemäß von Fall zu Fall variie-ren und unterschiedliche Abgrenzungskriterien anwenden.So wird etwa auf die Beförderung mit einer anderen Flugge-sellschaft, einem anderen Flugzeug oder einer anderen Besat-zung, die Vergabe einer neuen Flugnummer, die Wiederaus-händigung des Gepäcks oder ein erneutes Eincheckens abge-stellt.23 Daneben ist auch die Dauer der Verspätung als maß-gebliches Kriterium herangezogen worden.24 Eine 15-stündi-ge Verspätung bei einem Fernflug soll noch nicht einerAnnullierung gleichkommen,25 dagegen aber eine 20-stündi-ge.26

Ich selbst habe vorgeschlagen, die Zeiträume des Art. 6 Abs. 1der Verordnung mit dem Faktor 1,5 zu multiplizieren.27 EineAnnullierung würde daher je nach Länge des Fluges beiAbflugverspätungen anzunehmen sein, die größer als drei,41/2 oder sechs Stunden sind.

E. Der Entschuldigungsgrund der außergewöhn-lichen Umstände

I. Außergewöhnliche Umstände und zumutbare Maßnahmen

Das Luftfahrtunternehmen muss im Falle einer Annullierungkeine Ausgleichszahlung leisten, wenn die Annullierung aufaußergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, die mit

zumutbaren Maßnahmen nicht zu beseitigen waren. Es liegtnahe, dass sich die Luftfahrtunternehmen auf derartigeUmstände berufen. Das Luftfahrtunternehmen trägt dieBeweislast für solche Umstände. Es muss zum einen dieaußergewöhnlichen Umstände selbst beweisen, und zumanderen, dass sie mit zumutbaren Maßnahmen nicht zubeseitigen waren. Erwägungsgrund 14 enthält eine Listeaußergewöhnlicher Umstände, die jedoch nicht abschlie-ßend ist. Der EuGH hat erklärt, dass diese Liste lediglich indi-kativ ist,28 das heißt selbst wenn ein derartiger Umstand vor-liegt, muss noch auf die zumutbaren Maßnahmen eingegan-gen werden. In der Praxis spielen die Flugsicherheit und Wet-terbedingungen die größte Rolle. Für die Flugsicherheit liegtseit Dezember 2008 eine Entscheidung des EuGH vor,29 wäh-rend für die Wetterbedingungen eine höchstrichterliche Ent-scheidung noch nicht ergangen und auch nicht in Sicht ist.

II. Flugsicherheit

Bei der Flugsicherheit geht es meistens um technische Prob-leme. Es taucht die Frage auf, ob ein Luftfahrtunternehmenmit der nachweisbaren regelmäßigen Wartung alles Erforder-liche getan hat, um sich auf außergewöhnliche Umständeberufen zu können, wenn trotz der Wartung ein technischesProblem auftaucht, das aus Sicherheitsgründen zu einerAnnullierung führt. Der EuGH hat entschieden, dass diesnicht der Fall ist, vielmehr trotz regelmäßiger Wartung weite-re zumutbare Maßnahmen in Betracht kommen können. Erbegründet dieser fluggastfreundliche Sicht damit, dass dieVerordnung gemäß ihren Erwägungsgründen ein hohes Maßan Verbraucherschutz gewährleisten will und die Berufungauf außergewöhnliche Umstände eine Ausnahme von diesemPrinzip ist, das eng ausgelegt werden muss.30 Daher sindtechnische Probleme grundsätzlich keine außergewöhn-lichen Umstände, es sei denn, sie beruhen auf Ereignissen,die nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit desbetroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm tatsächlichnicht zu beherrschen sind. Das Auftauchen technischer Prob-leme außerhalb der Wartungsintervalle ist damit nicht außer-gewöhnlich. Damit schraubt der EuGH die Voraussetzungenan den Beweis der außergewöhnlichen Umstände und diezumutbaren Maßnahmen so hoch, dass ein Luftfahrtunter-nehmen sich in Zukunft nur ganz ausnahmsweise daraufwird berufen können. Entgegenstehende instanzgerichtlicheRechtsprechung ist dadurch obsolet.31

Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob der Begriff der Flugsicher-heit im Sinne des Erwägungsgrundes 14 lediglich die sog.Flugtauglichkeit betrifft oder auch die so genannte Flugsi-cherheit einschließt.32 Technische Mängel beziehen sich aufdie Flugtauglichkeit, während unter der Flugsicherheit etwaMaßnahmen der Flugüberwachung zu verstehen sind, die aus

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21 BGH NJW 2007, 3437 = RRa 2007, 233; dazu Staudinger, NJW 2007, 3392.22 verb. Rs.C-402/07 - Sturgeon v. Condor und Rs. C-432/07 – Böck v. Air

France.23 Vgl. die Nachweise bei Schmid, NJW 2007, 261; zuletzt etwa AG Rüssels-

heim RRa 2008, 95, (Hotelübernachtung vor Weiterbeförderung); LG KölnRRa 2008, 141, (Umbuchung auf einen anderen Flug).

24 So z. B. AG Frankfurt a. M. RRa 2007, 39 = NJW-RR 2007, 204.25 LG Düsseldorf RRa 2008, 39, 40.26 AG Rüsselsheim RRa 2008, 95.27 Erstmals Tonner, Der Reisevertrag, 5. Aufl. 2007, Beförderungsvertrag Rn.

43.28 EuGH 22.12.2008, C-549/07 – Wallentin-Hermann v. Alitalia, NJW 2009,

347 = RRa 2009, 35.29 A.a.O. (s. o. Fn. 28).30 EuGH Tz. 18.31 LG Berlin RRa 2008, 91; LG Köln RRa 2008, 185 = NJW-RR 2008, 1587.32 Dazu Schmid, NJW 2006, 261.

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33 Schmid, NJW 2006, 261.34 BGH NJW 2009, 360 = RRa 2009, 91. Das Verfahren wird beim EuGH unter

dem Az. C-529/08 – Schulze v. Deutsche Lufthansa geführt.35 OLG Koblenz RRa 2008, 181 = NJW-RR 2008, 1232 (in concreto wurde das

Warten allerdings nicht als zumutbar angesehen); AG Düsseldorf RRa2008, 144.

36 Vgl. dazu Schmid, NJW 2007, 261 ff.37 VO (EG) Nr. 1107/2006, ABl. EG L 204/1 v. 26.07.2006.38 AG Dortmung RRa 2008, 188.39 Zur Haftung des vertraglichen Luftfahrtunternehmens MünchKommBGB-

Tonner nach § 651 Rn. 26 ff.40 Staudinger, RRa 2005, 249; ders., RRa 2008, 183, 184 f.41 Leffers, RRa 2008, 258; Bollweg, RRa 2009, 10.42 Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober

2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr,ABl. EG L 315/14 v. 3.12.2007; dazu Schmidt, RRa 2008, 154; vgl. auchKarsten, VuR 2008, 201, 206.

Gründen der Luftraumsicherheit zu einer Annullierung füh-ren. Es wird vertreten, dass Letzteres ohnehin nicht unter dieaußergewöhnlichen Umstände fällt, sodass sich das Luft-fahrtunternehmen diesbezüglich auch nicht entlastenkann.33 Der Bundesgerichtshof hat zu dieser Frage ein Vorab-entscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet.34

III. Wetterbedingungen

Zu Annullierungen infolge ungünstiger Wetterbedingungengibt es bislang keine höchstrichterlichen Entscheidungen.Die Kriterien sind aus der Wallentin-Hermann- Entscheidungzu entnehmen. Das heißt vor allem, dass ungünstige Wetter-bedingungen allein lediglich indikativ sind und das Luft-fahrtunternehmen darlegen muss, dass trotz der ungünstigenWetterbedingungen mit zumutbaren Maßnahmen eineAnnullierung nicht zu vermeiden war. Zumutbare Maßnah-men können beispielsweise die Benutzung eines nahe gelege-nen Ersatzflughafens oder das Warten auf günstigere Wetter-bedingungen sein.35

Des Weiteren stellt sich die Frage, ob es zu den zumutbarenMaßnahmen auch gehört, dass ein Luftfahrtunternehmendie Flugzeuge mit Navigationshilfen ausrüstet, die über demgesetzlichem Mindeststandard liegen, aber allgemein üblichsind.36 Insbesondere bei Billigfluggesellschaften fehlen derar-tige überobligatorische Einrichtungen. M. E. wäre es „zumut-bar“, auf sie zurückzugreifen.

F. Unterstützungsleistungen

Unter „Unterstützungsleistungen“ versteht Art. 9 der Verord-nung Mahlzeiten und Erfrischungen sowie ggf. eine Hotelun-terbringung. Auf Personen mit eingeschränkter Mobilität istbesondere Rücksicht zu nehmen. Für diese gilt ohnehin –unabhängig von einer Nichtbeförderung, Annullierung oderVerspätung – die Verordnung über Rechte von behindertenFluggästen und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobi-lität.37

Die Vorschrift über die Unterstützungsleistungen hat bislangkeine größeren rechtlichen Probleme mit sich gebracht. Wer-den die vorgeschriebenen Unterstützungsleistungen nichterbracht, hat der Fluggast einen Schadensersatzanspruchgegen das zu dieser Leistung verpflichtete Unternehmen. Sokann er zum Beispiel Hotelkosten geltend machen, wenn ihndas Luftfahrtunternehmen hätte unterbringen müssen. Die-ser Schadensersatzanspruch steht dem Fluggast zusätzlich zurAusgleichszahlung zu.38

G. Weitergehende Schadensersatzansprüche

Die Verordnung stellt klar, dass weitergehende Schadenser-satzansprüche nicht ausgeschlossen sind (Art. 12). Diese wer-den allerdings regelmäßig gegen das vertragliche Luftfahrt-unternehmen geltend zu machen sein und einen tatsächlichentstandenen Schaden voraussetzen. Sie können auf Art. 19MÜ oder auf §§ 280, 281 BGB beruhen, je nachdem ob ein„luftfahrttypisches Ereignis“ vorliegt.39 Die Auffassung,§§ 280, 281 BGB anzuwenden, beruht auf der Einstufung desLuftbeförderungsvertrags als relatives Fixgeschäft.40 Wennman dagegen nach herkömmlicher Ansicht ein absolutes Fix-geschäft annimmt, ist § 283 BGB heranzuziehen. Die Scha-densersatzansprüche sind auf die Ausgleichszahlung anzu-rechnen (Art. 12). Der Fluggast kann also beispielsweise nicht

eine reiserechtliche Minderung gegenüber dem Reiseveran-stalter als vertraglichen Luftfahrtunternehmer geltendmachen und gleichzeitig vom ausführenden Luftfahrtunter-nehmen die volle Ausgleichszahlung beanspruchen. Es istanerkannt, dass eine Minderung als Schadensersatz im Sinnedes Art. 12 gilt. 41 Dies liegt daran, dass der Begriff des Scha-densersatzes in zahlreichen Mitgliedstaaten umfassender ver-standen wird und eine Minderung einschließt.

Umgekehrt darf das vertragliche Luftfahrtunternehmen denFluggast nicht verpflichten, zunächst Ansprüche gegen dasvertragliche Luftfahrtunternehmen geltend zu machen undvom ausführenden Luftfahrtunternehmen lediglich nocheinen überschießenden Teil der Ausgleichszahlung zu verlan-gen. Es ist Sache des ausführenden und des vertraglichenLuftfahrtunternehmens, sich über an einen Fluggast geleiste-te Zahlungen gegenseitig zu unterrichten.

H. Schlichtung

Art. 16 Abs. 1 der Verordnung verlangt die Benennung einerDurchsetzungsstelle durch die Mitgliedstaaten. Das ist inDeutschland das Luftfahrtbundesamt. Darüber hinaus erfor-dert Art. 16 Abs. 2 eine Beschwerdemöglichkeit für den ein-zelnen Fluggast. Es hat sich inzwischen die Erkenntnisdurchgesetzt, dass die Durchsetzungsstelle nicht notwendi-gerweise die Stelle ist, die für die Durchsetzung der Individu-alrechte zuständig ist. Für einige Jahre gab es Irritationen, obdas Luftfahrtbundesamt seinen Aufgaben genügt, wenn esauf Beschwerden von Fluggästen hin lediglich die Stellung-nahme des betroffenen Luftfahrtunternehmens einholt undan den Fluggast weiterleitet, aber nichts zur Durchsetzungseiner Rechte unternimmt. Inzwischen dürfte klargestelltsein, dass das Luftfahrtbundesamt als Durchsetzungsstellelediglich öffentlich-rechtliche Aufgaben zur Überwachungder Einhaltung der Verordnung hat.

Daraus resultiert aber, dass der nationale Gesetzgeber Maß-nahmen zur Umsetzung von Art. 16 Abs. 2 ergreifen muss.Dies ist in Deutschland nicht geschehen. Zwar finanziert derBund mit Haushaltsmitteln die Schlichtungsstelle Mobilität,jedoch gibt es keine gesetzliche Verpflichtung zur Einschal-tung dieser Schlichtungsstelle. Im Gegenteil verweigern diebeiden größten deutschen Luftfahrtunternehmen, die Deut-sche Lufthansa und Air Berlin, die Zusammenarbeit mit derSchlichtungsstelle. Darüber hinaus läuft die Finanzierung derSchlichtungsstelle Mobilität in diesem Jahr aus.

Im Gegensatz zu den Fluggastrechten ist der deutsche Gesetz-geber bei den Fahrgastrechten im Eisenbahnverkehr imBegriff, der Verordnung (EG) Nr. 1371/200742 eine Regelung

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an die Seite zu stellen, die sich unabhängig von der Durch-setzungsstelle – das wird voraussichtlich das Eisenbahnbun-desamt sein – mit der Schlichtung befasst.43 Dies ist gemäßden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auch erforderlich.Bei den Fluggastrechten besteht dagegen eine Lücke, die dernationale Gesetzgeber noch schließen muss. Nicht zuUnrecht mahnt die EU-Kommission in ihrem nach Art. 17der Verordnung vorgeschriebenen Bericht die Beseitigungerheblicher Durchsetzungsdefizite an.44

I. Die Rolle des EuGH und der Kommission

Der EuGH wird vielfach als der Motor der Integration bezeich-net.45 Durch die Anwendung des Primärrechts und insbeson-dere der Grundfreiheiten hat er gewissermaßen das Feldgepflügt, in das die Kommission dann in großem Stil Sekun-därrecht gepflanzt hat. Nun kommt es darauf an, in diesemFeld zu jäten und das Unkraut zu entfernen. Im Bereich derPassagierrechte findet sich eine außerordentlich große Mengevon Unkraut. Während die Kommission mit der einen Hand,der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz, sichgerade um Kohärenz in den herkömmlichen Materien desmateriellen Verbraucherrechts bemüht,46 produziert sie mitder anderen Hand, der Generaldirektion Verkehr und Energie,in großem Stil Inkohärenz mit nicht untereinander abge-stimmten Verordnungen zu den einzelnen Bereichen der Pas-sagierrechte, die schon gar nicht mit dem herkömmlichen Ver-braucherrecht harmonisieren.47 Darüber hinaus leiden dieseVerordnungen an nicht unerheblichen rechtstechnischenMängeln, was hier für die Fluggastrechte-Verordnung aufge-zeigt wird musste. Die Kommission steht damit ihrem erklär-ten Ziel, den Verbraucherschutz zu verbessern, selbst im Wege.

Es wäre Aufgabe der Kommission, die (erkannten!)48 Mängelzu beseitigen und für eine kohärentere Gesetzgebung zu sor-gen. Art. 17 der Verordnung verpflichtet sie ausdrücklichdazu; die Kommission hat nach dieser Vorschrift Vorschlägezur Überarbeitung der Verordnung vorzulegen. Mit ihremBericht aus dem Jahr 2007 hat sie sich dieser Aufgabe entzo-gen; es ist damit zu rechnen, dass die Rechtsanwender weiter-hin mit den Mängeln der geltenden Verordnung leben müs-sen. Die Aufgabe des Jätens fällt dadurch zwangsläufig alleindem EuGH zu. Man kann im Interesse der Weiterentwicklungdes Gemeinschaftsrechts auf der Ebene des Sekundärrechtsnur froh sein, dass es den EuGH gibt und darüber hinausGerichte in der Gemeinschaft, die ihre Vorlagepflicht nachArt. 234 EG ernst nehmen – und nicht zuletzt Verbraucherund ihre Anwälte, die die von der Verordnung geschaffenenProbleme aufgreifen.

J. Die Rolle der Mitgliedstaaten

Eine Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und injedem Mitgliedstaat unmittelbar anzuwenden. Das schließteine eigenständige Rolle der Mitgliedstaaten prinzipiell aus.Die Mitgliedstaaten haben jedoch für die Wirksamkeit desGemeinschaftsrechts zu sorgen, und dafür müssen sie mitun-ter legislative Maßnahmen ergreifen. So sieht Art. 16 der Ver-ordnung die Benennung einer „Durchsetzungsstelle“ vor;dies ist in Deutschland durch eine Einfügung in das LuftVGgeschehen. Darüber hinaus wäre es geboten, wie oben darge-stellt, dass sich der deutsche Gesetzgeber zur Durchsetzungvon individuellen Ansprüchen geäußert hätte (Art. 16 Abs 2).Dies ist unterblieben – anders als bei den Fahrgastrechten imEisenbahnverkehr, wo der deutsche Gesetzgeber ein „Anpas-sungsgesetz“ zu erlassen im Begriff ist.

Insoweit bestehen auch bei einer Verordnung gemeinschafts-rechtliche Pflichten für legislative Maßnahmen der Mitglied-staaten. Ob sie darüber hinaus auch zu weitergehenden Akti-vitäten berechtigt sind, wird sicher noch zu einigen Debattenführen, zumal wenn vollharmonisierende Richtlinien inihren praktischen Auswirkungen Verordnungen nahekom-men. Abstrakt ausgedrückt, dürfen sich die mitgliedstaat-lichen Gesetzgeber nur außerhalb des Regelungsbereichseiner Verordnung bewegen. Was aber innerhalb oder außer-halb eines Regelungsbereichs liegt, dürfte in jedem Einzelfallumstritten sein. Will der mitgliedstaatliche Gesetzgeber sicheine eigene verbraucherrechtliche Gestaltung nicht aus derHand nehmen lassen, muss er hier aktiv werden. Im Bereichder Fluggastrechte hat er davon – anders als bei den Fahr-gastrechten – bedauerlicherweise – noch keinen Gebrauchgemacht, obwohl gerade die Frage der Schlichtung dringendregelungsbedürftig wäre.

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Kars ten, Im Fahrwasser der Athener Verordnung zu Seere i senden | A U F S Ä T Z E

43 Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung eisenbahnrechtlicher Vorschriftenan die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007des Europäischen Parlaments unddes Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahr-gäste im Eisenbahnverkehr, BT-Drucks. 16/11607 (Regierungsentwurf);16/12715 (Bericht des Rechtsausschusses).

44 KOM (2007) 168.45 Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, Rn. 116, spricht von „judicial acti-

vism“.46 Vorschlag einer Richtlinie über Verbraucherrechte, KOM (2008) 614. Zum

Kohärenz-Gedanken zust., sonst aber krit. Tonner/Tamm, JZ 2009, 277; vgl.auch Micklitz/Reich, CMLRev 46 (2009) 471.

47 Krit. dazu Karsten, VuR 2008, 201; ders., VuR 2009, 220 ff. (in diesem Heft).48 Die Kommission spricht die beiden Hauptmängel (Abgrenzung Verspä-

tung/Annullierung und der Entschuldigungsgrund der außergewöhn-lichen Umstände) in ihrem Bericht selbst deutlich an, KOM (2007) 168.

Der Beitrag setzt den Aufsatz VuR 6/20081 mit Beobachtungenaus 2008/9 fort. Er gibt in seinem ersten Abschnitt einen Über-blick über den neueren Entwicklungsstand des europäischenPassagier-Verordnungsrecht. Ein Schwerpunkt wird auf dieVerordnung (EG) Nr. 392/2009 über die Unfallhaftung vonBeförderern von Reisenden auf See (die ‚Athener-VO‘) gelegt

(Passagier-Verordungsrecht). In einem zweiten Abschnitt fin-det sich eine Übersicht der jüngst entschiedenen und neu an-hägig gewordenen EuGH-Rechtssachen zu Passagierrechten

Im Fahrwasser der Athener Verordnung zu Seereisenden:Neuere Entwicklungen des europäischen Passagierrechts Jens Karsten, LL.M.,* Brüssel/Oslo

* Der Autor ist Justiziar eines europäischen Handelsverbandes und arbeitetmit dem seerechtlichen Institut der Universität Oslo zusammen.

1 Karsten, VuR 2008, 201 ff.

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(Passagierrechts-Rechtsprechung). Der dritte Abschnitt be-leuchtet den Richtlinienvorschlag zu Verbraucherrechten vom08.10.2008 (KOM(2008) 614 endg.) aus dem Blickwinkel desPassagierrechts (Passagier-Richtlinienrecht). Der Beitrag setztsich in einem vierten Abschnitt mit der Frage auseinander, obund inwieweit dieser Richtlinienvorschlag im Zusammenspielmit der ‚Rom I‘-Verordnung das auf Passagierverträge an-wendbare Recht regelt (Passagier-Kollisionsrecht).

A. Neue EG-Verordnungen zu Passagierrechten

Der Boom der EU-Passagierrechtsgesetzgebung hält an. MitAusnahme des Personentransports durch Taxis und des Miet-wagenrechts (welches aufgrund des Urteils des EuropäischenGerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache easyCar2 zu den Be-förderungsdienstleistungen gezählt werden kann), ist das Eu-roparecht in allen Verkehrsträgern im Vordringen begriffen. Zuden bereits verabschiedeten Rechtsakten im Luft-, Bahn- undnunmehr auch im Seeverkehr,3 hat die Europäische Kommis-sion am 04.12.2008 ein weiteres Maßnahmenbündel vorge-legt,4 das neben einem zweiten Verordnungsvorschlag fürSeereisende (der Passagiere der Binnenschiffahrt einschließt)5,eine EG-VO über die Rechte von Busreisenden beinhaltet.6

I. Seerecht, vom Stapel gelaufen: Die ‚Athener-Verordnung‘

Die bedeutendste und umfänglichste Erweiterung des europä-ischen Privat- und Verbraucherrechts im Jahre 2009 ist dieVerordnung (EG) Nr. 392/2009 über die Unfallhaftung vonBeförderern von Reisenden auf See.7 Ihre hauptsächliche Be-stimmung ist es, das Protokoll vom 01.11.20028 zum AthenerÜbereinkommen über die Beförderung von Reisenden und ih-rem Gepäck auf See vom 13.12.1974 (Athener Übereinkommenvon 2002; nachfolgend: AÜ) in den gemeinschaftlichen Be-sitzstand (acquis communautaire) zu inkorporieren.9 Der nahe-zu vollständige Text des Übereinkommens ist im Anhang I derVO wiedergegeben.10 Die daher auch „Athener-VO“ genannteVO11 gilt ab dem Tage, an dem das AÜ für die Gemeinschaftin Kraft tritt,12 spätestens jedoch ab dem 31.12.2012.

Das AÜ ist internationales Einheitsrecht. Es entspricht für dasSeerecht dem Übereinkommen vom 28.05.1999 zur Verein-heitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung iminternationalen Luftverkehr13 (Montrealer Übereinkommen;nachfolgend: MÜ) und den „Einheitlichen Rechtsvorschriftenfür den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderungvon Personen und Gepäck“ (nachfolgend: CIV)14 für das Luft-verkehrs- und das Eisenbahnrecht. Mit ihrer Inkorporierungdurch die Athener-VO erhebt sich die EU vollends zur – fürdas internationale Personentransportrecht – regional zustän-digen Körperschaft und kompletiert ihren Passagierrechts-ac-quis durch ein seerechtliches Element. Die Übernahme ganzerKonventionen in den gemeinschaftlichen Besitzstand wirftdie Frage nach dem Verhältnis zwischen dem internationalenzum supranationalen Recht auf. Dessen Über-Unterordnungs-verhältnis erzeugt Spannungen, die bisher nur ansatzweisevon der Rechtsprechung des EuGH gelöst wurden. Zur Sensi-bilisierung für diese Problematik soll dieser Beitrag wo mög-lich auf Wechselwirkungen zwischen internationalen und EG-Sekundärrecht hinweisen (siehe insbesondere unten B. III.).

In der Rezeption des Völkerrechts ist die Athener-VO im Luft-verkehrsrecht mit Verordnung (EG) Nr. 2027/97 über die Haf-tung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen15 in der durchVerordnung (EG) Nr. 889/200216 geänderten Fassung (nach-folgend: VO 889/2002), und im Eisenbahnrecht mit Verord-

nung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten derFahrgäste im Eisenbahnverkehr17 (nachfolgend: VO1371/200718) vergleichbar. Querverweise zu diesen Verord-nungen sind daher hilfreich, um den Sinn der Bestimmungender Athener-VO zu erschließen und um zu einem übergrei-fenden, nicht ausschließlich verkehrsträgerbezogenen Ver-ständnis des europäischen Passagierrechts zu gelangen.

Eine Darstellung des AÜ und seiner ergänzenden völkerrecht-lichen Bestimmungen, namentlich des – außerordentlich kom-plex formulierten – „IMO-Vorbehalts und IMO-Richtlinienzur Durchführung des AÜ vom 19.10.2006“19 (nachfolgend:IMO-Richtlinien) und des in § 486 HGB genannten Überein-kommens vom 19.11.1976 über die Beschränkung der Haf-tung für Seeforderungen20, in der Fassung des Protokolls vom02.05.199621 (nachfolgend: LLMC 199622), kann in diesem Bei-trag nur ausschnittsweise vorgenommen werden. Vorrangigist es, die Athener-VO selbst darzustellen und insbesondere zuzeigen, wo dem mitgliedstaatlichen und daher auch deutschenGesetzgeber Regelungsoptionen aufgetragen sind. Denn in derDreischichtigkeit der Regulierungsebenen liegt die Besonder-heit des EG-Passagierrechts als Bestandteil des europäischenPrivatrechts: Schutzvorschriften für Passagiere finden sich stu-fenweise im Völkerrecht, supranationalen Recht und demRecht der Mitgliedstaaten. Die Athener-VO kreiiert daher ein‚Athener System‘ mit Verweisen „nach oben“ (also dem Völ-kerrecht) und „nach unten“ (in das Recht der Mitgliedstaa-ten), um die Haftung für Seereisende zu regulieren. Die richti-

2 Der EuGH hat in einer Automietverträge betreffenden Entscheidung fest-gestellt, dass der Ausdruck „Dienstleistungen [im Bereich] Beförderung“nach Art. 3 Abs. 2, 2. Spiegelstrich der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG einersektoriellen Ausnahme entspricht, die allgemein die Dienstleitungen imBereich Beförderung bezeichnet (Rs. C-336/03, easyCar (UK) Ltd ./. TheOffice of Fair Trading, [2005] Slg. I-1947).

3 Eine Aufstellung findet sich bei Karsten, a.a.O. (s. o. Fn. 1). 4 Pressemitteilung der Kommission IP/08/1886 v. 04.12.2008 „Neue Kom-

missionsvorschläge stärken Rechte von Busfahrgästen und Schiffspassagie-ren“, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/transport/passengers/mariti-me/maritime_en.htm.

5 KOM(2008) 816 endg. und Folgenabschätzung SEK(2008) 2951 endg.(Zusammenfassung SEK(2008) 2952 endg.); v. 04.12.2008.

6 KOM(2008) 817 endg. und Folgenabschätzung SEK(2008) 2953 endg.(Zusammenfassung SEK(2008) 2954 endg.); v. 04.12.2008.

7 ABl. L 131 v. 28.05.2009, S. 24.8 Pressemitteilung (Press Briefing 34/2002) der International Maritime Orga-

nisation v. 01.11.2002 „Liability limits for ship passengers raised with newAthens Convention, compulsory insurance introduced”, abrufbar unter:http://www.imo.org.

9 Dazu ausführlich: Karsten, Yearbook of Consumer Law 2008, vol. 2, 201-232.10 Die Verweisung auf das AÜ ist nicht pauschal, sondern auf die Art. 1, 1bis,

Art. 2 Abs. 2, die Art. 3 bis 16 sowie die Art. 18, 20 und 21 beschränkt. Voll-ständig ist das Übereinkommen in deutscher Sprache in KOM(2003) 375endg. v. 24.06.2003 und KOM(2005) 592 endg. v. 23.11.2005 nachzulesen.

11 Karsten, Scandinavian Institute of Maritime Law Yearbook 2008,S. 159–202.

12 Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss durch dieEuropäische Gemeinschaft des Protokolls von 2002 zum Athener Überein-kommen von 1974 über die Beförderung von Reisenden und ihremGepäck auf See (KOM(2003) 375 endg. v. 24.06.2003). Pressemitteilung derKommission IP/03/884 v. 24.06.2003 „Kommission schlägt vor, IMO-Vor-schriften zur Fahrgasthaftung anzunehmen“.

13 ABl. L 194 v. 18.07.2001, S. 39.14 Anhang A zum Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnver-

kehr (Convention relative aux transports internationaux ferroviaires(COTIF) v. 09.05.1980, geändert durch das Protokoll v. 03.06.1999.

15 ABl. L 285 v. 17.10.1997, S. 116 ABl. L 140 v. 30.05.2002, S. 217 ABl. L 315 v. 03.12.2007, S. 14 18 Karsten, Yearbook of Consumer Law 2009, vol. 3, pp. 331-341.19 Anhang II der Athener-V0, Commission Staff Working Document on the

compensation for terrorism-related damage (SEK (2007) 377 vom 16.03.2007).

20 BGBl. 1986 II S. 787, von Deutschland gekündigt mit Wirkung vom13.05.2004; BGBl. 2005 II S. 189.

21 BGBl. 2000 II S. 786, für Deutschland am 13.05.2004 völkerrechtlich inKraft getreten; BGBl. 2004 II S. 1793.

22 International Convention on Limitation of Liability for Maritime Claims1976, as amended 1996.

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ge Einordnung der anwendbaren Bestimmungen ist deshalbVoraussetzung für das Verständnis des Passagierrechts.

1. Das ‚Athener System‘ der Haftung und Versicherung

Grundlegend für das durch die VO geschaffene europäische ‚Athe-ner System‘ der Haftung für Seereisende sind die Bestimmungender Haftungsgrundlagen, der Haftungshöchstbeträge und der Ver-sicherungspflicht, die jeweils aus dem AÜ abgeleitet sind.23

Nicht inkorporiert sind allerdings die die Anerkennung und Voll-streckung von Gerichtsentscheidungen betreffenden Bestim-mungen der Artikel 17 AÜ (zuständiges Gericht) und 17bis AÜ(Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen). Erwägungs-grund 11 stellt klar, dass diese erst mit Beitritt der EG zum AÜTeil des acquis werden. Beide Bestimmungen weichen vomEuGVVO, d. h. der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die ge-richtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre-ckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [‚Brüs-sel I‘]24 ab. Die Überarbeitung von ‚Brüssel I‘, angestoßen durchden jüngst vorgelegten Umsetzungsbericht der Kommission25

und dem begleitenden Grünbuch26, wird Gelegenheit geben, dasVerhältnis von EG-IPR und Bestimmungen wie Artikel 17 und17bis AÜ als auch Artikel 33 MÜ und Artikel 57 CIV mit beson-derem Blick auf das Personenbeförderungsrecht zu diskutieren.

a. Haftungsgrundlagen

Für die Haftung für Seereisende, Gepäck und Fahrzeuge sowie dieVersicherung derselben verweist Artikel 3 der Athener-VO auf dieAnwendbarkeit der AÜ. Bei Artikel 3 der Athener-VO handelt essich wie bei Artikel 3 Abs. 1 der VO 889/2002 und Artikel 11 und15 der VO 1371/2007 um eine Rechtsgrundverweisung. Das heißt,dass nicht nur die Rechtsfolgen, sondern auch und vor allem dieTatbestände der AÜ anwendbare Haftungsgrundlage sind.

Die Haftung des Beförderers ist in Artikel 3 AÜ geregelt; diedes ausführenden Beförderers in Artikel 4 AÜ (zu den Be-griffsbestimmungen vgl. Artikel 1 AÜ).

Nach Artikel 3 Abs. 1 AÜ gilt eine der Höhe nach auf 250.000Sonderziehungsrechte (SZR) per capita begrenzte Gefährdungs-haftung soweit es sich um die Haftung für Personenschädendurch ein sogenanntes Schiffahrtsereignis (Artikel 3 Abs. 5 lit.a) AÜ) handelt (mit Exkulpationsmöglichkeit, für die der Be-förderer die Beweislast trägt). Soweit Personenschäden dieseSumme übersteigen, gilt Verschuldenshaftung, wobei es dem Be-förderer obliegt, mangelndes Verschulden zu beweisen, wenner der Haftung entgehen will. Für nicht durch Schiffahrtsereig-nise enstandene Personenschäden haftet der Beförderer nachArtikel 3 Abs. 2 AÜ aufgrund Verschuldens, wobei die Beweis-last für den Nachweis des Verschuldens dem Reisenden obliegt.

Hinsichtlich des Verlusts und der Beschädigung von Kabi-nengepäck (Artikel 1 Nr. 6 AÜ) haftet der Beförderer gemäßArtikel 3 Abs. 3 AÜ für vermutetes Verschulden bei einemSchiffahrtsereignis, in anderen Fällen aufgrund Verschuldens.Für anderes als Kabinengepäck (einschließlich Fahrzeugen) be-steht eine Gefährdungshaftung des Beförderers nach Artikel 3Abs. 4 AÜ für Ereignisse (nicht nur Schiffahrtsereignisse). Vonihr kann er sich durch den Nachweis befreien, dass der Scha-den ohne sein Verschulden eingetreten wäre. Der Befördererhaftet nicht für Wertsachen, es sei denn, diese wurden zur Auf-bewahrung hinterlegt (Artikel 5 AÜ).

b. Haftungshöchstbeträge

Die Haftungsobergrenze für Personenschäden ist durch Arti-kel 7 Abs. 1 AÜ per capita bei 400.000 SZR angesetzt

(320.000 DM27 (rund 163.613 Euro) nach bisherigem deut-schen Recht28), kann jedoch nach Artikel 7 Abs. 2 AÜ vonMitgliedsstaaten höher angesetzt oder durch unbeschränkteHaftung ersetzt werden. Die Kommission hatte im Interesseder Herstellung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen ur-sprünglich vorgeschlagen, diese Klausel nicht anzuwenden,„sofern nicht alle Mitgliedstaaten die Anwendung bei der Än-derung dieser Verordnung vereinbaren“. Davon ist der Ratabgerückt.29 Es bleibt daher bei der in der AÜ vorgesehenenZuständigkeit (→ Option für den mitgliedstaatlichen Gesetz-geber Nr. 1).

Für die Haftung für Kabinengepäck sieht Artikel 8 Abs. 1 AÜ ei-ne Haftungshöchstsumme von 2.250 SZR vor (4.000 DM (rund2.045 Euro) nach bisherigem deutschen Recht30). Für Fahr-zeuge, einschließlich des in oder auf dem Fahrzeug beförder-ten Gepäcks, gilt nach Artikel 8 Abs. 2 AÜ eine Haftungs-höchstsumme von 12.700 SZR (16.000 DM (rund 8.181 Euro)nach bisherigem deutschen Recht31). Für sonstiges Gepäck giltnach Artikel 8 Abs. 3 AÜ die Haftungshöchstsumme von 3.375SZR (6.000 DM (rund 3.068 Euro nach bisherigem deutschenRecht32). Alle Haftungssummen können nach Artikel 23 desProtokolls von 2002 vom 01.05.2008 an im Wege eines ver-einfachten Revisionsverfahrens weiter erhöht werden.

c. Globale Haftungsbeschränkungen

Artikel 19 AÜ zu sonstigen Übereinkommen über Haftungs-beschränkung (der es Mitgliedstaaten gestattet hätte, globaleHaftungsbeschränkungen internationaler Übereinkommenanzuwenden, die eine Obergrenze der per capita Haftung bei ei-ner Vielzahl von Geschädigten ermöglicht) wurde entgegender Vorschläge der Kommission nicht übernommen. Statt ei-ner generellen Öffnungsklausel, erklärt Artikel 5 Abs. 1 derAthener-VO ausschließlich die Beschränkungen des LLMC1996, soweit für den Mitgliedstaat bindend, für anwendbar.Gemäß Begründungserwägung 18 haben die Mitgliedstaatenbis zum 01.01.2012 zu bekunden, ob sie an das LLMC 1996gebunden sind. In diesem Falle können die Mitgliedstaatenim Rahmen des Artikels 15 Abs. 3bis des LLMC 199633 Haf-

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23 Karsten, a.a.O. (s. o. Fn. 9 und 11). 24 ABl. L 12 v. 16.01.2001, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung (EG)

Nr. 280/2009 (ABl. L 93 v. 07.04.2009, S. 13). 25 KOM(2009) 174 endg. v. 21.04.2009.26 KOM(2009) 175 endg. v. 21.04.2009.27 Der Anhang zu § 664 HGB zählt zu den letzten Vorschriften des deutschen

Rechts, die sich als Währungseinheit auf Deutsche Mark bezieht. 28 Art. 5 der Anlage zu § 664 HGB.29 Italien etwa hat mit dem Umstand umzugehen, dass der italienische Corte

costituzionale (abrufbar unter: http://www.cortecostituzionale.it) in sei-nem Urteil Nr. 132 v. 02.05.1985 (N. 132 Sentenza 2 maggio 1985) die Haf-tungshöchstgrenzen des Warschauer Übereinkommens für mit der italie-nischen Verfassung unvereinbar erklärte (vgl. ebenfalls das Urteil Nr. 323v. 18.05.1989 (N. 323 Sentenza 18 maggio - 6 giugno 1989)). Diese Recht-sprechung gilt, möchte man annehmen, ebenso für das MÜ, das AÜ unddas CIV und erklärt das Interesse, keine durch das Gemeinschaftsrecht fest-gelegten Haftungshöchstgrenzen akzeptieren zu wollen.

30 Art. 6 Abs. 1 der Anlage zu § 664 HGB.31 Art. 6 Abs. 2 der Anlage zu § 664 HGB.32 Art. 6 Abs. 3 der Anlage zu § 664 HGB.33 Art. 15 Abs. 3bis lautet: „Ungeachtet des in Art. 7 Abs. 1 vorgeschriebenen

Haftungshöchstbetrags [‚In respect of claims arising on any distinct occasionfor loss of life or personal injury to passengers of a ship, the limit ofliability ofthe shipowner thereof shall be an amount of 175,000 Units of Account multip-lied by the number of passengers which the ship is authorized to carry accordingto the ship’s certificate.’] kann ein Vertragsstaat durch besondere Vorschrif-ten des innerstaatlichen Rechts die Haftung für Ansprüche wegen desTodes oder der Körperverletzung von Reisenden eines Schiffes regeln,sofern der Haftungshöchstbetrag nicht unter dem in Art. 7 Abs. 1 vorge-schriebenen Betrag liegt. Ein Vertragsstaat, der von der in diesem Absatzvorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, hat dem Generalsekretär diebeschlossenen Haftungshöchstbeträge mitzuteilen oder ihn zu unterrich-ten, dass es solche Höchstbeträge nicht gibt.“

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34 Siehe ebenso Erwägungsgrund 4 zur Athener-VO. 35 Es gilt mutatis mutandis das Odenbreit-Urteil (Rs. C-463/06, FBTO Schade-

verzekeringen NV ./. Jack Odenbreit, Urt. v. 13.12.2007), wonach die Ver-weisung in Art. 11 Abs. 2 ‚Brüssel I‘ auf Art. 9 Abs. 1 lit. b) ‚Brüssel I‘ dahinauszulegen ist, dass der Geschädigte vor dem Gericht des Ortes in einemMitgliedstaat, an dem er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbargegen den Versicherer erheben kann, sofern eine solche unmittelbareKlage zulässig und der Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaatsansässig ist.

36 Richtlinie 98/18/EG über Sicherheitsvorschriften und -normen für Fahr-gastschiffe (ABl. L 144 v. 15.05.1998, S. 1), zuletzt geändert durch Richtli-nie 2003/75/EG (ABl. L 190 v. 30.07.2003, S. 6). Eine Neufassung der Richt-linie wird im Laufe des Jahres verabschiedet werden.

37 Vgl. Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 über die Rechte vonbehinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobi-lität (ABl. L 204 v. 26.07.2006, S. 1) und Art. 25 der VO 1371/2007.

38 Ein elektrischer Rollstuhl kann beispielsweise bis zu 10.000 Euro kosten.39 Die Mitteilung der Kommission über den Umfang der Haftung von Luft-

fahrtunternehmen und Flughäfen für Zerstörung, Beschädigung oder Ver-lust von Mobilitätshilfen von Flugreisenden eingeschränkter Mobilität(KOM(2008) 510 endg. v. 07.08.2008) fasst die Problematik zusammen.

40 Lagoni, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht, vol. 4/2007, 1079-1096,insbesondere 1086-1088; Røsæg, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht,vol. 3/2008, 599-604.

41 Art. 7 Abs. 2 des AÜ gestattet eine Anhebung der Haftungshöchstsummenfür Körper-, nicht jedoch für Sachschäden. Vgl. Art. 23 AÜ für Änderungenanderer Höchstbeträge im vereinfachten Revisionsverfahren.

42 Dazu ausführlicher Karsten, a.a.O. (s. o. Fn. 9),. 217-219. 43 Art. 2(a) der VO 1107/2006, a.a.O. (s. o. Fn. 37) und Art. 3 Nr. 15 der VO

1371/2007.44 Art. 2(w) der Richtlinie 98/18/EC, a.a.O. (s. o. Fn. 36).45 Vgl. Art. 5 der VO 889/2002 und Art. 13 der VO 1371/2007. 46 Vgl. Art. 6 der VO 889/2002 und Art. 29 der VO 1371/2007.

tungsbeschränkungen vorsehen (→ Option für den mitglied-staatlichen Gesetzgeber Nr. 2).

Schadenersatz für Personenschäden mit Terrorismusbezug istgemäß den IMO-Richtlinien begrenzt, die wie das AÜ selbstin den acquis inkorporiert (Artikel 1 Abs. 1 lit. b) der Athener-VO) und mit bindender Wirkung ausgestattet (Erwägungs-gründe 7 bis 9) sind (Artikel 5 Abs. 2 der Athener-VO).

d. Versicherungspflicht

Der Beförderer ist nach Artikel 4bis Abs. 1 AÜ (vgl. Artikel 50MÜ (einschl. VO 785/2004) und Artikel 12 der VO 1371/2007)verpflichtet, seine Haftungsverpflichtungen nach dem Über-einkommen ausreichend zu versichern (Pflichtversicherung),und zwar für die Haftung für Personenschäden bis zu einer Ver-sicherungssumme von 250.000 SZR, entsprechend dem Be-trag der Gefährdungshaftung (Artikel 3 Abs. 1 AÜ).34 Praktischwichtig ist der Direktanspruch des Geschädigten gegen denVersicherer nach Artikel 4bis Abs. 10 AÜ35 (Durchgriffshaf-tung). Erwägungsgrund 4 und Artikel 9 Abs. 1, Unterabs. 2der Athener-VO mahnen dazu, die Versicherungsanforderun-gen den finanziellen Mitteln der Schiffseigner und Versiche-rungsgesellschaften anzupassen.

2. Erweiterungen des Geltungsbereichs

Das Übereinkommen ist auf die internationale Beförderung(Artikel 1 Abs. 9 AÜ) beschränkt. Artikel 1 Abs. 2 der Athener-VO unterscheidet demgegenüber nicht zwischen inländischerund internationaler Beförderung und weitet den Geltungsbe-reich der VO auf den Seeverkehr innerhalb eines Mitglied-staates (Seekabotage) aus (Erwägungsgrund 3). Diese Erweite-rung ist jedoch auf die in Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinie98/18/EG36 bezeichneten Schiffsklassen A und B begrenzt. Ei-ne Ausweitung auf die „Sommerbetriebs“-Klassen C und Ddes Küstenverkehrs ist zu einem späteren Zeitpunkt von derKommission zu prüfen (Artikel 1 Abs. 3 der VO). Zwischen-zeitlich steht es den Mitgliedstaaten nach Artikel 2 Satz 2 derAthener-VO frei, die VO auf alle inländischen Seereisen ohneRücksicht auf die Schiffsklasse anzuwenden (→ Option fürden mitgliedstaatlichen Gesetzgeber Nr. 3). Umgekehrt kön-nen die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 11 der Athener-VO dieAnwendung auf Schiffe der Klasse A für bis zu vier Jahre ab demAnwendungsbeginn der Athener-VO aufschieben und fürSchiffe der Klasse B bis zum 31.12.2018 (→ Option für denmitgliedstaatlichen Gesetzgeber Nr. 4).

3. Ergänzende Anforderungen

Weitergehende Ansprüche des Passagiers jenseits der Vorgabendes AÜ enthalten die Artikel 4 bis 7.

a. Mobilitätshilfen und Spezialausrüstung

Die Haftungshöchtsgrenze für Mobilitätshilfen und Spezial-ausrüstung von Reisenden mit eingeschränkter Mobilität(„PRM“ nach dem englischen Ausdruck persons with reducedmobility) ist nach Artikel 4 der Athener-VO nicht auf 2.250SZR für Kabinengepäck beschränkt (Artikel 1 Abs. 6, Artikel 3Abs. 3 und Artikel 8 Abs. 1 AÜ), sondern, ähnlich dem Luft-verkehrs- und Eisenbahnrecht37, auf den Wiederbeschaf-fungswert bzw. die Reparaturkosten angehoben. Die Haf-tungssumme kann daher ganz erheblich über dervölkerrechtlich vorgegebenen Haftungshöchstgrenze liegen.38

Im Luftverkehrs-39 wie im Seerecht40 hat die Zulässigkeit ei-ner solchen impliziten Änderung des internationalen Ein-heitsrechts zu Kontroversen geführt.41 Dieser Problematik ver-

sucht die Athener-VO dadurch zu entgehen, indem Erwä-gungsgrund 13 „Mobilitätshilfen“ sowohl von Gepäck als auchFahrzeugen unterscheidet. Mobilitätshilfen müssten daherentweder als eine sui generis Kategorie von an Bord mitge-führten Gegenständen oder aber als künstliche Erweiterungdes PRM-Passagiers selbst betrachtet werden. Diese gewagteUminterpretation des Konventionenrechts findet sich in derPräambel zur VO, nicht in den operativen Bestimmungen.Politische und handfeste praktische Erwägungungen mögendie Bevorzugung des PRM-Passagiers rechtfertigen. Jedoch er-staunt der unbekümmerte Umgang des europäischen Gesetz-gebers mit dem internationalen Einheitsrecht, der Problememit dem Konzept der international governance im Bereich desTransportrechts offenlegt.42

Eine weitere Schwäche der PRM-Klausel ist, dass die Athener-VO, anders als das Luftverkehrs- und Eisenbahnrecht,43 aufeine Begriffsbestimmung für PRM verzichtet. Deshalb hat dieRechtsprechung zu klären, ob analog die Definitionen desEG-Passagierrechts anzuwenden sind oder aber die sehr weiteDefinition des EG-Seerechts,44 die jedoch für das Sicherheits-und nicht für das Haftungsrecht geschaffen wurde.

b. Vorschusszahlung

Obgleich das AÜ anders als das MÜ (Artikel 28 MÜ) die Vor-schusszahlungen als Option für den nationalen oder supra-nationalen Gesetzgeber nicht vorsieht, hat Artikel 6 der Athe-ner-VO eine im EG-Passagierrecht übliche, allerdings aufPersonenschäden begrenzte Klausel aufgenommen.45 Dort wiehier stellt der Vorschuss keine Haftungsanerkennung dar (Er-wägungsgrund 5). Der Vorschluss kann mit später gezahltenBeträgen verrechnet, nicht jedoch in anderen als den im AÜund den IMO-Richtlinien genannten Fällen oder wenn derEmpfänger nicht ersatzberechtigt war zurrückgezahlt werden.

c. Unterrichtung der Reisenden

Das AÜ enthält keine dem Artikel 3 Abs. 4 MÜ entsprechendeVorschrift über die Unterrichtung des Passagiers. Wie das Luft-verkehrs- und das Eisenbahnrecht,46 sieht Artikel 7 der Athe-ner-VO dennoch Informationpflichten des Beförderers und

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ausführenden Beförderers vor. Bereitgestellt werden sollen die-se Informationen spätestens bei der Abfahrt (Erwägungsgrund6), wenn der Abgangsort in der EU liegt vor der Abfahrt, undbei Vertragsabschluss in der EU bei dieser Gelegenheit (in Ver-kaufstellen oder in den im Fernabsatz üblichen Formen) be-reitzustellen. Dieser Pflicht ist in „der am besten geeignetenForm“ nachzukommen. Der Kommission ist aufgetragen, ei-ne Zusammenfassung der Bestimmungen der Athener-VO zuerstellen und zum Gebrauch durch Beförderer bereitzustellen.

4. Änderungen des deutschen Rechts

Von dem Zeitpunkt, an dem die VO Geltung erlangt, tritt § 664HGB und dessen durch das Zweite Seerechtsänderungsgesetz47

angefügte Anlage in den sich überschneidenden Bereichenhinter die europarechtlichen Bestimmungen zurrück. Jedochfindet etwa die inländische Gerichtsstandsklausel des Artikels14 des Anhangs zu § 664 HGB keine Entsprechung in der Athe-ner-VO und dem AÜ und könnte daher bestehenbleiben;ebenso die §§ 665 bis 675 HGB. Dem deutschen Gesetzgeberist aufgetragen, die dem mitgliedstaatlichen Gesetzgeber be-lassenen Optionen zu erwägen. Über Artikel 5 Abs. 2, 3. Unter-abs. der Pauschalreiserichtlinie48 wird implizit auch § 651hAbs. 2 BGB modifiziert.

II. Seerecht auf der Werft: Die ‚Athen II‘-Verordnung

Eine das ‚Athener System‘ ergänzende (daher: ‚Athen II‘) unddie Gleichstellung des Seereisenden mit Passagieren andererVerkehrsträger fördernde Initiative hat sich seit 2001 ange-kündigt49 und wurde in der Kommissionsmitteilung „Stär-kung der Rechte von Reisenden in der Europäischen Union“50

zum Politikziel erhoben. Der gegenwärtig das EU-Gesetzge-bungsverfahren durchlaufende Verordnungsvorschlag51 siehtbesondere Maßnahmen zugunsten von PRM vor, automatischeSofortleistungen bei Unterbrechung der Reise (große Verspä-tungen, Annullierung oder Nichtbeförderung), Verpflichtun-gen zur Unterrichtung der Reisenden sowie zur Bearbeitungvon Beschwerden und Rechtsmittel. Anders als die Athener-VO umfasst der Anwendungsbereich auch den Binnenschiffs-verkehr.52 Während der Rat noch verhandelt,53 hat das Euro-päische Parlament (EP) eine Legislative Entschließung bereitsverabschiedet.54

III. Straßenverkehrsrecht

Ein Initative zum Schutz von Busreisenden wurde ebenso inder Kommissionsmitteilung zu Passagierrechten55 ange-bahnt.56 Mit einem Verordungsvorschlag ist die Passagierpo-litik der Kommission schließlich im unteren Bereich der Ein-kommensskala angekommen.57 Der Vorschlag58 sieht,vergleichbar dem ‚Athen II‘-Vorschlag, Rechte für PRM sowieEntschädigungs- und Hilfeleistungen bei Unterbrechung derReise vor. Darüber hinaus jedoch beschäftigt er sich mit Haf-tungsfragen und schlägt ein dem Recht anderer Verkehrsträgerentlehntes Haftungssystem für Personenschäden und die Be-schädigung oder den Verlust von Reisegepäck vor. Da es imStraßenverkehrsrecht einem anwendbaren internationalenAbkommen mangelt,59 ist dieser Ansatz originär europarecht-lich. Auch zu diesem Vorschlag liegt eine Legislative Ent-schließung des EP bereits vor.60

IV. Luftverkehrsrecht

1. Flugpreise

Mit Wirkung vom 01.11.2008 ersetzt das Kapitel IV (Artikel22 bis 24 und Erwägungsgründe 15 und 16) der Verordnung(EG) Nr. 1008/2008 über gemeinsame Vorschriften für dieDurchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft[Neufassung]61 die Bestimmungen der damit aufgehobenenFlugpreisverordung von 199262 und erweitert diese.63

Hinsichtlich der Diskriminierungsproblematik, nach der Preis-diskriminierungen aufgrund des Wohnsitzes oder der Staats-angehörigkeit des Fluggastes oder aufgrund des Orts derNiederlassung des Reisebüros vorkamen, markiert die VO denSchlusspunkt einer verschlungenen Debatte. Zwar ist die Kom-mission bisweilen gegen Diskriminierungen vorgegangen,64

war aber 2004 nach Anhörung der beteiligten Kreise65 zu derAuffassung gelangt, dass solche Praktiken nicht mehr vor-kommen.66 Diese Überzeugung ablegend, legte die Kommis-sion in der 2006 vorgeschlagenen Zusammenfassung des Drit-ten Luftverkehrspackets von 199267 jedoch die nunmehr neugeltenden Zugangsbestimmungen vor.

Die entsprechende Klausel Artikel 23 Abs. 2 enthält deshalbeine dem Artikel 20 der (auf Verkehrsdienstleistungen nichtanwendbaren68) Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG ver-

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47 Gesetz v. 25.07.1986 (BGBl. I S. 1120).48 Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen (ABl. L 158 v. 23.06.1990,

S. 59). Vgl. dessen Erwägungsgrund 19. 49 Karsten, VuR 6/2008, 203. 50 KOM(2005) 46 endg. v. 16.02.2005. 51 A.a.O. (s. o. Fn. 4 und 5).52 Die von der Kommission ursprünglich vorgeschlagene Ausweitung der

Athener-VO auf die Binnenschiffahrt (KOM(2005) 592 endg. v.23.11.2005) hat sich im Gesetzgebungsverfahren als nicht durchsetzungs-fähig erwiesen. Zur Haftung für die Beförderung von Reisenden und ihremGepäck in der deutschen Binnenschiffahrt siehe § 77 des Binnenschif-fahrtsG (dazu: Czerwenka, NJW 2006, 1250).

53 Ratsdokument 7141/09 v. 05.03.2009.54 Entwurf eines Berichts v. 27.01.2009 von Berichterstatter Michel Teychen-

né, MdEP. Pressemitteilungen des Europäischen Parlaments v. 01.04.2009„Equal passenger rights on all modes of transport“ und v. 23.04.2009„Gleiche Rechte für Fahrgäste aller Verkehrsträger“.

55 A.a.O. (s .o. Fn. 50), Rz. 38.56 Die Vorarbeiten sind dokumentiert in: Karsten, VuR 6/2008, 201, Fn. 6. 57 „These passengers are generally on a low income and economically vulnerable”

(Commission Staff Working Paper: Rights of passengers in internationalbus and coach transport – A consultation document by the services of theDirectorate General Energy and Transport, 14.07.2005, Rz. 5, abrufbarunter: http://ec.europa.eu/transport/road/consultations/index_en.htm.

58 A.a.O. (s. o. Fn. 4 und 6).59 Das CVR-Übereinkommen über den Vertrag über die internationale Beför-

derung von Personen und Gepäck auf der Straße v. 01.03.1973 ist obsolet. 60 Entwurf eines Berichts v. 28.01.2009 von Berichterstatter Gabriele Alberti-

ni, MdEP. Pressemitteilung der Europäischen Parlaments v. 01.04.2009„Equal passenger rights on all modes of transport“ und v. 23.04.2009„Gleiche Rechte für Fahrgäste aller Verkehrsträger“.

61 ABl. L 293 v. 31.10.2008, S. 3, Ernst, GPR 2009, 18. 62 Verordnung (EWG) Nr. 2409/92 über Flugpreise und Luftfrachtraten (ABl.

L 240 v. 24.08.1992, S. 15) 63 Pressemitteilung der Kommission IP/08/1603 v. 30.10.2008 „Transparente

Preise und mehr Sicherheit für wettbewerbsfähige und hochwertige Luft-verkehrsdienste“ und MEMO/08/667 „Ein neuer Rahmen für Luftver-kehrsdienste in der Europäischen Union“ von demselben Tage.

64 Vgl. etwa die Entscheidung der Kommission v. 22.06.1987 über die Tarif-ermäßigungen im Luft- und Seeverkehr, die ausschließlich den spanischenBewohnern der Kanarischen Inseln und Balearen vorbehalten sind (ABl. L194 v. 15.07.1987, S. 28) .

65 Pressemitteilung der Kommission IP/03/1786 v. 19.12.2003 „Luftverkehr:Airlines sollen Preisdiskriminierungen erklären“.

66 Pressemitteilung der Kommission IP/04/720 v. 07.06.2004 „Luftverkehr:Keine Preisdiskriminierungen mehr bei Verkäufen über das Internet“.

67 KOM(2006) 396 endg. v. 18.07.2006. Vgl. Pressemitteilung der Kommis-sion IP/06/1010 v. 18.07.2006 „Mehr Wettbewerb und Qualität: Europäi-sche Kommission will Luftverkehrsbinnenmarkt stärken” undMEMO/06/294 „Proposed Regulation of the European Parliament and theCouncil on common rules for air services in the European Union.”

68 Vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. d) und Begründungserwägung 21 der Richtlinie2006/123/EG.

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69 ABl. L 35 v. 04.02.2009, S. 47. Die Definition des Begriffs „Mutterunter-nehmen“ (Art. 2 Nr. 7) bedurfte eines Auslegungsvermerk in Bezug auf dieDefinition des Begriffs „Mutterunternehmen“ (ABl. C 53 v. 06.03.2009,S. 4).

70 VO (EWG) Nr. 2299/89 über einen Verhaltenskodex im Zusammenhangmit computergesteuerten Buchungssystemen (ABl. L 220 v. 29.07.1989,S. 1), geändert durch VO (EWG) Nr. 3089/93 (ABl. L 278 v. 11.11.1993,S. 1) und VO (EG) Nr. 323/1999 (ABl. L 40 v. 13.02.1999, S. 1); zum Regu-lierungsbedarf: Karsten, VuR 2008, 206, Fn. 88.

71 Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 über die Erstellung einer gemeinschaft-lichen Liste der Luftfahrtunternehmen, gegen die in der Gemeinschafteine Betriebsuntersagung ergangen ist, sowie über die Unterrichtung vonFluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens(ABl. L 344 v. 27.12.2005, S. 15); Corrigenda (ABl. L 186 v. 07.07.2006, S.60 und ABl. L 189 v. 12.07.2006, S. 27). Dazu jüngst: Pressemitteilung derKommission IP/09/560 v. 08.04.2009 „Kommission aktualisiert SchwarzeListe der Luftfahrtunternehmen, für die in Europa ein Flugverbot gilt“.

72 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Aus-gleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbe-förderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen undzur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46 v. 17.02.2004,S. 1).

73 Zu den bis Juni 2008 entschiedenen Rechtssachen siehe Karsten, VuR 2008,202.

74 Rs. C-173/07, Emirates Airlines – Direktion für Deutschland ./. DietherSchenkel, Urt. v. 10.7.2008.

75 Rs. C-549/07, Friederike Wallentin-Hermann ./. Alitalia – Linee Aeree Itali-ane SpA, Urt. v. 22.12.2008.

76 Rs. C-529/08, Friedrich Schulze, Jochen Kolenda, Helmar Rendenz ./.Deutsche Lufthansa AG (anhängig).

wandte Nicht-Diskriminierungsklausel. In der Praxis bedeu-tet dies, dass für ein und denselben Flugdienst – also für einund denselben Sitzplatz auf ein und demselben Flug, gebuchtzum selben Zeitpunkt – nicht unterschiedliche, vom Wohn-ort oder von der Staatsangehörigkeit des Fluggasts abhängigePreise gelten dürfen.

Verordnung 1008/2008 bestätigt außerdem den Grundsatz derPreisfreiheit (Artikel 22). Die VO sorgt auch für transparentePreisfestsetzung für Flugdienste, indem sie festlegt, dass derEndpreis neben dem Flugpreis (vgl. Artikel 2 Nr. 18) sämtli-che Steuern, Gebühren und Entgelte einschließt (Artikel 23Abs. 1).

Eine weitere wichtige Neuerung ist, dass fakultative Zusatz-kosten (für eine Reiseversicherung etwa oder vorzugsweisemEinsteigen) nach Artikel 23 Abs. 1 klar und deutlich zu Be-ginn des Buchungsvorgangs mitzuteilen sind. Sie bedürfen desausdrücklichen Einverständnisses des Kunden („opt-in“), alsoeiner Individualabrede. Fakultative Nebenkosten können demFlugreisenden nicht durch Voreinstellungen auf der Benut-zeroberfläche der Buchungs-Webseite auferlegt werden (dazuunten C. II. 1.).

2. Computerreservierungssysteme

Vom 29.03.2009 an nimmt die Verordnung (EG) Nr. 80/2009über einen Verhaltenskodex in Bezug auf Computerreservie-rungssysteme69 die Stelle der mehrfach geänderten Verord-nung von 1989 ein.70 Der Kodex (alt und neu) dient der Nicht-diskriminierung und der Sicherstellung fairen Wettbewerbs„und damit auch dem Schutz der Verbraucherinteressen“ (Er-wägungsgrund 1 der VO 80/2009). Diesem trägt die neue VOin ihren Bestimmungen insbesondere zur AnzeigetransparenzRechnung, einschließlich der Flugpreise gemäß VO 1008/2008(Erwägungsgrund 14). Artikel 5 etabliert ein Täuschungsverbotfür Hauptanzeigen (Artikel 2 Nr. 12), das durch die Inhaltsan-gaben des Anhangs I präzisiert wird. Insbesondere dürfen In-formationen über „gebündelte Produkte“ (Artikel 2 Nr. 14) –eine Bestimmung, die dem Begriff der Pauschalreise der Richt-linie 90/314/EWG nahekommt – nicht in der Hauptanzeige er-scheinen. Flüge von Luftfahrtunternehmen, gegen die eine Be-triebsuntersagung ergangen ist,71 sind nach Artikel 5 Abs. 3und 4 besonders zu kennzeichnen.

Bemerkenswert für die Entwicklung des europäischen Privat-rechts ist, dass die VO eine vetragsrechtliche Bestimmung zumSchutz von Reisebüros („abonnierte Nutzer“; Artikel 2 Nr. 11)als KMU (Artikel 6 Abs. 2) enthält.

B. EuGH-Rechtsprechung

Vor allem im Luftverkehrsrecht wird das Passagier-Vordungs-recht von der Rechtsprechung des EuGH begleitet. Darin sindUmrisse erkennbar, wie der EuGH das Verhältnis von sekun-därrechtlichem Passagierrecht und internationalem Einheits-recht bestimmen will.

I. Überbuchungs-VO

Die europäische Justiz ist weiterhin bemüht, Klarheit in derAuslegung der Überbuchungs-VO 261/200472 zu schaffen. DerGerichtshof hat seit Verbraucher & Recht 6/200873 auf Betreibendeutscher und österreichischer Gerichte zwei weitere Malezur VO geurteilt, wobei der Gerichtshof jeweils auch auf dasMÜ Bezug genommen hat. Drei weitere Verfahren sind noch

anhängig, womit die VO im fünften Jahr ihrer Geltung auf ins-gesamt 11 EuGH-Fälle kommt.

In der Rechtssache Schenkel74 – der sog. ‚Rundflug-Entschei-dung‘ – entschied der Gerichtshof auf Vorlage des OLG Frank-furt am Main in Auslegung des Artikels 3 Abs. 1 lit. a) der VO261/2004, dass dieser nicht auf den Fall einer Hin- und Rück-reise anwendbar sei, bei der die Fluggäste, die ursprünglichauf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das denBestimmungen des EG-Vertrags unterliege, einen Flug ange-treten haben, zu diesem Flughafen mit einem Flug ab einemFlughafen in einem Drittstaat zurückreisen. Der Umstand, dassHin- und Rückflug gemeinsam gebucht werden, wirke sichauf die Auslegung dieser Bestimmung nicht aus. Statt in sol-chen Fällen „eine einzige Beförderung“ wie Artikel 1 Abs. 3 MÜanzunehmen, stellte der Gerichthof fest, dass der Begriff des„Flugs“ im Sinne der VO als Luftbeförderungsvorgang ausSicht des die Flugroute festlegenden Luftfahrtunternehmenszu verstehen sei.

In der vom Handelsgericht Wien vorgelegten Rechtssache Wal-lentin-Herrmann75 befand der EuGH in Auslegung des in Arti-kel 5 Abs. 3 der VO 261/2004 verwandten Begriffs „außerge-wöhnliche Umstände“, dass das Luftfahrtunternehmen inaller Regel nicht ablehnen dürfe, Fluggästen nach der Annu-lierung eines Fluges wegen technischer Probleme des Flug-zeugs eine Ausgleichszahlung zu leisten. Die Ausgleichszah-lung dürfe allerdings verweigert werden, wenn dietechnischen Probleme auf Vorkommnisse zurückgehen, dieaufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalenAusübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens und vonihm tatsächlich nicht zu beherrschen seien. Artikel 19 desMÜ wurde in der Urteilsbegründung geprüft, aber für Ent-scheidungsfindung als für nicht ausschlaggebend befunden.

Im Anschluss an Wallentin-Herrmann hat der BGH in derRechtssache Schulze76 eine weitere Frage zur Auslegung desArtikel 5 Abs. 3 der VO 261/2004 (technischer Defekt als außer-gewöhnlicher Umstand einschließlich solcher, die die Luft-tüchtigkeit des Flugzeugs oder die sichere Durchführung desFlugs beeinträchtigen; zumutbare Maßnahmen des Luftfahrt-unternehmens und Nachweispflicht) vorgelegt. Die Unter-scheidung zwischen Verspätung (Artikel 6 der VO 261/2004)

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und Annulierung (Artikel 5 der VO 261/2004) ist dem EuGHin den Rechtssachen Sturgeon77, vom BGH vorgelegt, undBöck78, vorgelegt vom Handelsgericht Wien, angetragen. Dasebenfalls vom BGH stammende VorabentscheidungsersuchenBienek79 dreht sich um die Frage, ob eine Umbuchung auf ei-nen anderen Flug einen von Artikel 4 Abs. 3 der VO 261/2004erfassten Sachverhalt der Nichtbeförderung darstellt.

II. Internationales Privatrecht

Die Rechtssache Rehder80 hat ihren Ursprung ebenfalls in derÜberbuchungs-VO (dem Verfahren zugrunde liegt eine Aus-gleichszahlung nach Artikel 7 Nr. 1 lit. a) der VO 261/2004wegen der Annullierung eines Fluges), betrifft jedoch die Aus-legung der ‚Brüssel I‘-VO.81 Darin fragt der BGH, ob Art. 5 Nr. 1lit. b) 2. Spiegelstrich der ‚Brüssel I‘-VO dahin auszulegen ist,dass auch bei Flugreisen von einem Mitgliedstaat der Ge-meinschaft in einen anderen Mitgliedstaat ein einheitlicher Er-füllungsort für sämtliche Vertragspflichten an dem nach wirt-schaftlichen Kriterien zu bestimmenden Ort der Hauptleistunganzunehmen ist. Sofern ein einheitlicher Erfüllungsort zu be-stimmen ist, fragt der BGH weiter, welche Kriterien für seineBestimmung maßgeblich sind und wie der einheitliche Erfül-lungsort insbesondere durch den Ort des Abflugs oder denOrt der Ankunft bestimmt wird.82

In der Rechtssache Pammer83 will der österreichische OGHzunächst wissen, ob eine „Frachtschiffreise” eine Pauschalrei-se im Sinne des Artikels 15 Abs. 3 der ‚Brüssel I‘-VO darstellt,vergleichbar etwa mit einer Kreuzfahrt. Sollte diese Frage be-jaht werden und der Anwendungsbereich von ‚Brüssel I‘ folg-lich eröffnet sein, will der OGH weiter geklärt wissen, ob esfür das „Ausrichten” der Tätigkeit im Sinne von Artikel 15Abs. 1 lit. c) ‚Brüssel I‘ ausreicht, dass eine Webseite eines Ver-mittlers im Internet abrufbar ist. Damit wird eine wichtigeFrage des Internetrechts aufgeworfen. Zwar steht fest, dass manmit dem im Vergleich zum EVÜ neuen Tatbestandsmerkmalder „Ausrichtung“ der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeitauf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers den elektronischenHandel erfassen wollte.84 Strittig ist allerdings, welche Anfor-derungen an den Internetauftritt zu stellen sind, um diesenals „Ausrichten“ auf ein bestimmtes Land einzuordnen. Inder zu Artikel 15 ‚Brüssel I‘ abgegebenen Gemeinsamen Erklä-rung des Rates und der Kommission vom 01.12.200085 wurdebetont, „dass die Zugänglichkeit einer Website allein nicht aus-reicht, um die Anwendbarkeit von Artikel 15 zu begründen.Vielmehr ist es erforderlich, dass diese Webseite auch zumVertragsschluss im Fernabsatz auffordert, und dass tatsäch-lich ein Vertragsschluss im Fernabsatz erfolgt ist, mit wel-chem Mittel auch immer“. Der BGH hat jüngst in einem ver-gleichbaren Fall bestätigt, dass die Zugänglichkeit einer nurpassiven Website als solche und der Umstand, dass sich derVerbraucher des Angebots einer Dienstleistung oder der Mög-lichkeit, Waren oder Dienstleistungen, durch eine solche inseinem Mitgliedstaat zugängliche Website bewusst wird, nichtausreicht, um den Kompetenztatbestand zu erfüllen.86

III. Internationales Einheitsrecht

Das die Haftung von Luftfahrtunternehmen regelnde inter-nationale Einheitsrecht beschäftigt den EuGH nunmehr ingleich zwei Verfahren.

In der Rechtssache Bogiatzi87 stellt der luxemburgische Kassa-tionsgerichtshof die zunächst grundsätzliche Frage nach derAuslegungskompetenz des EuGH, also ob das (dem MÜ vor-

angehende) Warschauer Übereinkommen (WÜ), auf das sichdie (zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht durch VO 889/2002geänderte) VO 2027/97 bezieht,88 zu den Vorschriften desGemeinschaftsrechts gehört, für deren Auslegung der Ge-richtshof gemäß Artikel 234 EG zuständig ist. Das Gericht fragtweiter, ob die VO 2027/97 in ihrer ursprünglich geltendenFassung dahin auszulegen ist, dass für die nicht ausdrücklichgeregelten Fragen die Bestimmungen des WÜ (hier dessen Ar-tikel 29, der eine Ausschlussfrist von zwei Jahren vorsieht),im Fall eines Flugs zwischen Mitgliedstaaten der Gemeinschaftanwendbar sind. Schließlich für den Fall, dass diese Fragenbejaht werden, wird angefragt, ob die Ausschlussfrist des WÜin Verbindung mit der VO 2027/97 so zu verstehen ist, dass diedort vorgesehene Frist gehemmt oder unterbrochen werdenkann oder dass das Luftfahrtunternehmen oder sein Versiche-rer darauf mit einer vom nationalen Richter als Haftungsan-erkenntnis gewerteten Handlung verzichten können.

In der Rechtssache Walz89 geht das vorlegende spanische Ge-richt von der Auslegungskompetenz des EuGH für das MÜ of-fenbar bereits aus und fragt, ob der Haftungshöchstbetrag,der in Artikel 22 Abs. 2 des MÜ genannt wird,90 sowohl ma-terielle als auch immaterielle Schäden umfasst, die durch denVerlust des Reisegepäcks eintreten. Über die Ersatzfähigkeit im-materieller Schäden hat der EuGH im Rahmen der Pauschal-reiserichtlinie in der Rechtssache Leitner91 entschieden. Bevorder Gerichtshof jedoch Aussagen zum Regelungsumfang desMÜ treffen kann, wäre zu klären, ob die mehrfach wiederhol-te Formel, nach der das MÜ „integraler Bestandteil der Ge-meinschaftsrechtsordnung“ ist (IATA,92 Intertanko,93 Schen-kel,94 Walletin-Hermann95) dessen Zuständigkeit zur Auslegunginternationalen Einheitsrecht rechtfertigen kann.

VuR 6/2009 | 219

77 Rs. C-402/07, Christopher Sturgeon u. a. ./. Condor Flugdienst GmbH(anhängig).

78 Rs. C-432/07, Stefan Böck und Cornelia Lepuschitz ./. Air France SA(anhängig). Diese und die Rs. Sturgeon wurden, da sie ihrem Gegenstandnach (der Unterscheidung zwischen „Verspätung“ und „Annulierung“(Art. 5 und 6 der VO 261/2004) in Zusammenhang stehen, durch Beschl.v. 19.10.2007 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahrenund zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

79 Rs. C-525/08, Sylvia Bienek ./. Condor Flugdienst GmbH (anhängig).80 Rs. C-204/08, Peter Rehder ./. Air Baltic Corporation (anhängig).81 A.a.O. (s. o. Fn. 24). 82 Vgl. ebenso Rs. C-381/08, Car Trim GmbH ./. KeySafety Systems SRL

(anhängig) betreffend Verträge über die Lieferung herzustellender Waren.83 Rs. C-585/08, Peter Pammer ./. Reederei Karl Schlüter GmbH & Co KG

(anhängig).84 Vorschlag für eine Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die

Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Han-delssachen (KOM(1999) 348 endg. v. 07.09.1999), ABl. C 376 E v.28.12.1999, S. 1).

85 Erklärung zu den Artikeln 15 und 73 (Anlage II des Dokuments 13742/00JUSTCIV 131).

86 Urt.v. 17.09.2008, Az.: III ZR 71/08.87 Rs. C-301/08, Irène Bogiatzi ./. Deutscher Luftpool (anhängig).88 Art. 2 Abs. 1 lit. f) der VO 2027/97, a.a.O. (s. o. Fn. 15).89 Rs. C-63/09, Axel Walz ./. Clickair S.A. (anhängig). 90 Begrenzt auf regelmäßig 1.000 SZR. 91 Rs. C-168/00, Simone Leitner ./. TUI Deutschland GmbH & Co. KG [2002]

Slg. I-2631.92 Rs. C-344/04, The Queen on the application of International Air Transport

Association (IATA) & European Low Fares Airline Association (ELFAA) ./.Department for Transport, [2006] Slg. I-403, Rz. 35 f.

93 Rs. C-308/06, The Queen on the application of the International Associa-tion of Independent Tanker Owners (Intertanko), the International Asso-ciation of Dry Cargo Shipowners (Intercargo), the Greek Shipping Co-ope-ration Committee, Lloyd’s Register, and International Salvage Union ./.Secretary of State for Transport, [2008] ECR I-4057, Rz. 42.

94 Rs. C-173/07, a.a.O. (s .o. Fn. 74), Rz. 43.95 Rs. C-549/07, a.a.O. (s. o. Fn. 75), Rz. 28.

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220 | VuR 6/2009

96 ABl. L 33 v. 03.02.2009, S. 10.97 Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen (ABl. L 158 v. 23.06.1990,

S. 59).98 Materialien finden sich auf: http://ec.europa.eu/consumers/rights/times-

hare_en.htm. 99 Schriftliche Anfrage E-6327/08 von Karin Riis-Jørgensen, MdEP. Antwort

der Kommissarin Meglena Kuneva v. 08.01.2009: „(...) Subject to the out-come of the Impact Assessment, which will be conducted in 2009, theCommission may present a proposal on a revised Directive in 2010.”

100 KOM(2008) 614 endg. v. 08.10.2008. Pressemitteilung der KomissionIP/08/1474 v. 08.10.2008 „Verbraucherschutz: Vorschlag der Kommissionfür EU-weit gültige Käuferrechte“ und MEMO/08/609 „Frequently askedquestions on the proposed consumer rights directive“ vom selben Tage.

101 Tonner/Tamm, Juristenzeitung 6/2009, 277-290.102 Richtlinie 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von

außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. L 372v. 31.12.1985, S. 31).

103 Richtlinie 93/13/EWG über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherver-trägen (ABl. L 95 v. 21.04.1993, S. 29), geändert durch Richtlinie2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richt-linie 87/102/EWG (ABl. L 133 v.22.05.2008, S. 66).

104 Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssenim Fernabsatz (ABl. L 144 v. 04.06.1997, S. 19), zuletzt geändert durchRichtlinie 2007/64/EG über Zahlungsdienste im Binnenmarkt [SEPA] (ABl.L 319 v. 05.12.2007, S. 1).

105 Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufsund der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. L 171, 07.07.1999, S. 12).

106 Karsten, VuR 2008. 207.107 Rs. C-183/00, María Victoria González Sánchez ./. Medicina Asturiana SA,

Slg. 2002 I-3901, Rz. 23-25. Rs. C-52/00, Kommission ./. Frankreich, Slg.2002 I-3827 (Rz. 14-16); Rs. C-154/00, Kommission ./. Griechenland, Slg.2002, I-3879 (Rz. 12); Rs. C-402/03, Skov Æg ./. Bilka Lavprisvarehus A/Sund Bilka Lavprisvarehus A/S ./. Jette Mikkelsen und Michael Due Nielsen,Slg. 2006 I-199 (Rz. 23); Rs. C-327/05, Kommission ./. Dänemark, Slg. 2007I-93 (Rz. 15f.) zur Produkthaftungsrichtlinie. Rs. C-44/01, Pippig Augen-optik ./. Hartlauer Handelsgesellschaft [2003] Slg. I-3095, Rz. 44 zur Richt-linie über vergleichende Werbung. Verbundene Rs. C-261/07, VTB-VAB NV./. Total Belgium NV und Rs. C-299/07, Galatea BVBA ./. Sanoma Magazi-nes Belgium NV, Urt. v. 23.04.2009, Rz. 52 zur Richtlinie über unlautereGeschäftspraktiken.

108 Durch die Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt(ABl. L 376 v. 27.12.2006, S. 36) wird der deutsche Gesetzgeber jedochmöglicherweise genötigt sein, eine solche einzuführen: Schmidt-Kessel,GPR 2/2008, 63, 70, schlägt zur Umsetzung des Art. 22 der Richtlinie2006/123/EG als Möglichkeit die Einführung eines allgemeinen Titels überVerträge über Dienstleistungen vor § 611 BGB vor.

109 Zum Begriff des Passagiers im Gemeinschaftsrecht: Karsten, VuR 2008, 201ff.

C. Passagierrecht im Richtlinienrecht

I. Reiserichtlinien

Wie das vor allem auf EG-Verordnungen gestützte Passagier-recht bleibt auch das richtlinienbasierte europäische Reise-und Tourismusrecht in Bewegung. Zum einen ist eine neueTimeshare-Richtlinie, die Richtlinie 2008/122/EG über denSchutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspektevon Teilzeitnutzungsrechten, langfristigen Urlaubsproduktensowie des Wiederverkaufs und Tausches derselben96, bis zum23.02.2011 in das nationale Recht umzusetzen. Zum anderenschreiten die Vorarbeiten zu einer Reform der Pauschalreise-richtlinie97 voran.98 Ein Richtlinienvorschlag, der sich mas-siv auch auf das Passagierrecht auswirken würde, könnte be-reits im Jahr 2010 vorgelegt werden.99

II. Der Richtlinienvorschlag über Verbraucherrechte

Eine dritte Richtlinie könnte in einigen wichtigen Teilen fürdas Reise- und Passagierrecht bedeutsam werden. Gegenwärtigwird in erster Lesung der am 08.10.2008 von der Europäi-schen Kommission vorgelegte Vorschlag für eine Richtlinieüber Rechte der Verbraucher100 (im Folgenden ‚der Richtli-nienvorschlag‘) beraten.101 Der Richtlinienvorschlag führtvier Verbraucherrichtlinien – die Haustürwiederufsrichtlinie85/577/EWG,102 die Klauselrichtlinie 93/13/EWG,103 die Fern-absatzrichtlinie 97/7/EG,104 und die Gewährleistungsrichtli-nie 1999/44/EG105 – in einem Rechtsakt zusammen. Der Richt-linienentwurf verfolgt den Ansatz der Vollharmonisierung.106

Danach muss das im mitgliedstaatlichen Recht enthalteneSchutzniveau im Falle der Inkongruenz mit der Richtlinie aufdas Gemeinschaftniveau herabgesetzt werden.107

Der Richtlinienentwurf ist auf business-to-consumer („B2C“)Passagierverträge (Verträge zur Beförderung von Personen)anwendbar.

Von seinem materiellen Schutzbereich her ist der Richtlinien-entwurf unter anderem auf „Dienstleistungsverträge“ (N.B.:nicht „Dienstvertrag“) anwendbar, wobei darunter jeder Ver-trag verstanden wird, „der kein Kaufvertrag ist [der als Waren-umsatzvertrag definiert ist] und der die Erbringung einer Dienst-leistung durch den Gewerbetreibenden an den Verbraucherzum Gegenstand hat“ (Artikel 2 Nr. 5). Darunter wird manBeförderungsverträge, die nach deutschen Recht Werkverträgeim Sinne der §§ 631 ff. BGB sind, einordnen können, auchwenn das deutsche Zivilrecht die Kategorie des „Dienstleis-tungsvertrages“ bisher nicht kennt.108

Hinsichtlich seines persönlichen Schutzbereichs erfasst derRichtlinienentwurf ausschließlich Verträge zwischen Verbrau-chern und Gewerbetreibenden. Er ist damit auf Beförderungs-verträge zwischen einem zu privaten Anlass reisenden Passa-gier und einem Beförderer anzuwenden. Ist die Reise jedochdienstlich, ist der Passagier – jedenfalls formell – von der Pri-veligierung des EG-Verbraucherrechts abgeschnitten.109

Von diesem verbraucherrechtlich außerordentlich bedeutsa-men und umstrittenen Gesetzgebungsprojekt sollen in diesemAbschnitt zwei Punkte herausgegriffen werden. Zum einen sol-len die Bestimmungen über den Ausschluss des Zahlungsan-spruchs bei Verletzung der Informationspflicht für Zusatzkos-ten (Artikel 6 Abs. 1) und der Rückzahlungsanspruch beiVerwendung von Voreinstellungen (Artikel 31 Abs. 3) in ih-ren Bezügen zur oben vorgestellten VO 1008/2008 betrachtetwerden. Zum anderen soll die Priveligierung des Völkerrechts

in der Klauselkontrolle (Artikel 30 Abs. 3) mit Blick auf dieunten zu diskutierenden kollisionsrechtlichen Fragen erläutertwerden.

1. Zusatzkosten und Voreinstellungen

Artikel 6 Abs. 1 des Richtlinienvorschlags bestimmt im Falleder „Verletzung der Informationspflicht“: „Kommt der Ge-werbetreibende seiner Pflicht zur Information über Zusatz-kosten gemäß Artikel 5 Absatz 1 lit. c) nicht nach, so kann ervom Verbraucher keine Zahlung für diese Zusatzkosten ver-langen.“ Artikel 31 Abs. 3 des Richtlinienvorschlags zu den„Anforderungen an die Transparenz von Vertragsklauseln“bestimmt: „Der Gewerbetreibende hat die ausdrückliche Zu-stimmung des Verbrauchers zu jeder Zahlung einzuholen, dieüber das Entgelt für die Hauptvertragspflicht des Gewerbe-treibenden hinausgeht. Hat der Gewerbetreibende vom Ver-braucher keine ausdrückliche Zustimmung eingeholt, sondernsie dadurch herbeigeführt, dass er Voreinstellungen [‘defaultoptions’ in der englischen Sprachversion] verwendet hat, die vomVerbraucher abgelehnt werden mussten, wenn er die zusätzli-che Zahlung vermeiden wollte, so hat der Verbraucher An-spruch auf Erstattung dieser Zahlung.“

Es soll folglich erstens kein Zahlungsanspruch bei Verletzungder Informationspflicht für Zusatzkosten und zweitens einRückzahlungsanspruch für fakultative Zusatzkosten bei Ver-wendung von Voreinstellungen bestehen. Die Kommissionsieht vor allem bzgl. Artikel 31 Abs. 3 einen Zusammenhang

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mit dem Passagierrecht, wie sich aus dem den Richtlinienvor-schlag begleitenden Frage&Anwort-Papier110 ergibt.111 Wennsomit die Motive der Kommission für die Einführung dieserNeuerungen deutlicher hervortreten, schließen sich wenig-stens drei Fragen an. Zum ersten ist das Zusammenwirkenbeider Bestimmungen unklar. Zweitens ist nicht ersichtlich,wie sich Artikel 31 Abs. 3 des Richtlinienvorschlags und (imLuftverkehr) Artikel 23 Abs. 1 der VO 1008/2008112 zu-sammenfügen. Wie oben gezeigt stellt letztere Vorschrift dieAufnahme fakultativer Zusatzkosten durch den Kunden (Flug-gast) auf eine „opt-in“-Basis. Die Schaffung eines Rückzah-lungsanspruchs für „opt-out“-Nebenpflichten erscheint da-neben nicht notwendig. Drittens ist das Verhältnis derBestimmungen des Richtlinienvorschlags zu den Bestimmun-gen zu der Pauschalreiserichtlinie113 erläuterungsbedürftig. ImGesetzgebungsverfahren sollte auf eine Klärung dieser Fragenhingewirkt werden.

2. Vorrang des internationalen Transportrechts

Wie bereits mehrfach betont ist die Prägung durch völker-rechtliche Vorgaben eine Besonderheit des Passagierrechts imKontext des europäischen Privatrechts.114 Für das MÜ hat derEuGH mehrfach bestätigt, dass nach Maßgabe des Artikels300 Abs. 7 des EG-Vertrags geschlossene Abkommen verbind-lich und integraler Bestandteil der Gemeinschaftsrechts-ordnung sind. Ratifizierte Konventionen genießen daherVorrang vor den Bestimmungen des abgeleiteten Gemein-schaftsrechts.115

Dieses Völkerrechtsprivileg erstreckt sich auf die Klauselkon-trolle. Kapitel V des Richtlinienvorschlags über „Verbraucher-rechte in Bezug auf Vertragsklauseln“ sieht deshalb in Artikel30 Abs. 3 („Geltungsbereich“) vor: „Dieses Kapitel gilt nicht fürVertragsklauseln, die auf zwingenden Rechts- und Verwal-tungsvorschriften beruhen, die mit dem Gemeinschaftsrechtund den Bestimmungen oder Grundsätzen internationaler Über-einkommen, bei denen die Mitgliedstaaten oder die GemeinschaftVertragsparteien sind, im Einklang stehen.“ Erwägunsgrund 46erläutert: „Klauseln, die auf Grundsätzen oder Bestimmungeninternationaler Übereinkommen – insbesondere im Verkehrsbe-reich – zurückgehen, denen die Gemeinschaft oder die Mit-gliedstaaten beigetreten sind, [sollten] keiner Missbräuchlich-keitsprüfung unterzogen werden“.116

Der Richtlinienvorschlag folgt damit beinahe wörtlich dem Ar-tikel 1 Abs. 2 der Klauselrichtlinie117 und dessen 13. Erwä-gungsgrund. Bezweckt wird, den Variantenreichtum der Um-setzung der Klausel im Recht der Mitgliedstaaten118 durch einevollharmonisierte und daher verbindliche Ausschlussklauselersetzen. Es verwirrt daher ein wenig, dass dem zitierten Er-wägungsgrund zufolge nur die Missbrauchskontrolle ausge-schlossen sein soll, wie dies gegenwärtig im deutschen Rechtnach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Fall ist, während Einbezie-hungs- und Transparenzkontrolle möglich bleiben könnte.119

Jedoch lässt Artikel 30 Abs. 3 des Richtlinienvorschlags kei-nen Zweifel an der Intention der Kommission, vom Gesetzes-und Konventionenrecht abgeleitete Vertragsklauseln insge-samt einer Klauselkontrolle zu entziehen.

Damit wären fünf Übereinkommen priveligiert.120 Das MÜ,das AÜ, die CIV sowie das Pariser Übereinkommen über dieHaftung der Gastwirte für die von ihren Gästen eingebrach-ten Sachen vom 17.12.1962121 und das Straßburger Überein-kommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnen-schiffahrt vom 08.11.1988 (CNLI).122

Artikel 30 Abs. 3 des Richtlinienvorschlags als vollharmoni-serte und damit bindende Ausschlussklausel ist zu begrüßen.Er stellt eine klare Normenhierarchie her. Für das Passagier-recht klärt die Bestimmung das Verhältnis zwischen dem imRichtlinienvorschlag enthaltenen Vertragsrecht und vertrags-rechtlichen Vorgaben der Transportkonventionen. Der Wort-laut des Richtlinienvorschlags könnte jedoch präzisiert wer-den.123

D. Richtlinienvorschlag und ‚Rom I‘, Passagierver-träge und Kollisionsrecht

Seit dem 11.01.2009 ist die Verordnung (EG) Nr. 864/2007über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwen-dende Recht [‚Rom II‘]124 anwendbar. Dieser wird am17.12.2009 die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf ver-tragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht [‚Rom I‘]125

folgen, die das Römische Schuldrechtsübereinkommen(EVÜ)126 ablösen wird.

Bezugnehmend auf diesen erneuerten Rahmen des interna-tionalen Privatrechts, räumt der Richtlinienentwurf den Be-stimmungen der ‚Rom I‘-VO (nicht jedoch in derselben Aus-drücklichkeit ‚Rom II‘127) absoluten Vorrang ein.128 Entgegendem ersten Anschein ist dies jedoch nicht die einzige Aussagedes Richtlinienvorschlags zum IPR. Denn anders als ihre Vor-gängerrichtlinien enthält der Entwurf keine Bestimmungenüber den Anwendungsbereich des Verbrauchergemeinschafts-rechts (Klauseln über die kollisionsrechtliche Unabdingbar-

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110 MEMO/08/609 v. 08.10.2008 “Frequently asked questions on the proposedconsumer rights Directive”, a.a.O. (s. o. Fn. 100).

111 „A new ban on default pre-ticked opt-in boxes: There is new protection tocrack down on default options which are being increasingly used denyconsumers a real choice. All pre-ticked boxes which apply to payments arebanned – for example, for travel insurance, priority boarding and baggage.Consumers have to expressly consent to such additional payments by forexample ticking a consent box. Under the new rules consumers, for thefirst time, have a right to be reimbursed any the sums unduly paid usingthese default options.”

112 A.a.O. (s. o. Fn. 61).113 A.a.O. (s. o. Fn. 48). Nach Vertragsschluss gilt der Preisänderungsvorbehalt

des Art.s 4 Abs. 4 der Richtlinie (§ 651a Abs. 4 und 5 sowie § 309 Nr. 1BGB).

114 Karsten, VuR 2008, 204 f. 115 IATA, a.a.O. (s. o. Fn. 92); Intertanko, a.a.O. (s. o. Fn. 93); Schenkel, a.a.O.

(s. o. Fn. 74); Wallentin-Herman, a.a.O. (s. o. Fn. 75).116 Hervorhebung durch den Verfasser.117 A.a.O. (s. o. Fn. 103).118 Zusammengefasst im Legal Compendium, Kapitel C.III.3.a, S. 368 f., abruf-

bar unter: http://ec.europa.eu/consumers/rights/contract_law_en.htm). 119 Karsten, VuR 2008, 209.120 Vgl. Begründungserwägung 19 zur Pauschalreiserichtlinie zu den Haf-

tungsbeschränkungen aufgrund internationaler Übereinkommen (Art. 5Abs. 2, 3. Unterabs. der Richtlinie 90/314/EWG).

121 Abrufbar unter: http://conventions.coe.int, Konvention Nr. 41. BGBl.1966 II S. 269 und §§ 705 ff. BGB.

122 BGBl. 1998 II S. 1643 und §§ 5d bis 5m des Binnenschiffahrtsgesetzes(BinSchG).

123 Art. II. – 9:407 Abs. 1 des Entwurfs für einen Gemeinsamen Referenzrah-men für ein europäisches Vertragsrecht lautet: „Dieses Kapitel gilt nicht fürVertragsklauseln, wenn sie (a) auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen,(b) auf internationalen Übereinkommen beruhen, denen die Mitgliedstaa-ten oder die Europäische Gemeinschaft beigetreten sind, oder (c) auf dervorliegenden Richtlinie beruhen.“

124 ABl. L 199 v. 31.07.2007, S. 40.125 ABl. L 177 v. 04.07.2008, S. 6.126 Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwen-

dende Recht von 1980 (konsolidierte Fassung), ABl. C 334 v. 30.12.2005,S. 1.

127 Gemäß Art. 5 Abs. 3 des Richtlinienvorschlags schließt dieser Anwen-dungsvorrang die allgemeinen Informationspflichten des Richtlinienvor-schlags ein, obgleich diese als vorvertragliche Pflichten (Art. 1 Abs. 2 lit. i)und dem 10. Erwägungsgrund zu ‚Rom I‘) und als Offenlegungspflichteneigentlich Fälle der culpa in contrahendo gemäß ‚Rom II‘ sein müssten (Art.12 und 30. Erwägungsgrund zu ‚Rom II‘).

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128 Erwägungsgründe 10 und 59 lauten: „(10) Die Bestimmungen dieser Richt-linie sollten ‚Rom I‘ unberührt lassen.“ „(59) Den Verbrauchern sollte dermit dieser Richtlinie gewährte Schutz nicht entzogen werden können. Istauf den Vertrag das Recht eines Drittstaats anwendbar, so sollte sich dieBeurteilung der Frage, ob der Verbraucher weiterhin von dieser Richtliniegeschützt wird, nach ‚Rom I‘ richten.“

129 Karsten, VuR 2008, 204.130 Art. 43 des Richtlinienvorschlags lautet: „Ist auf den Vertrag das Recht

eines Mitgliedstaats anwendbar, so können Verbraucher auf die Rechte, dieihnen mit dieser Richtlinie eingeräumt werden, nicht verzichten.“

131 „‘Nur-Sitzplatz-Verkauf‘ ist der Verkauf ausschließlich von Sitzplätzen -ohne Zusatzleistungen wie Unterbringung - durch das Luftfahrtunterneh-men, seine bevollmächtigten Agenturen oder einen Charterer unmittelbaran die Öffentlichkeit“ (Art. 2 Nr. 15 der VO 1008/2008).

132 Die Verortung im IPR eines „gebündelten Produkts“, also einer „im Vorauszusammengestellten und zu einem Gesamtpreis angebotene Kombinationvon Beförderungen mit anderen Leistungen, die keine Nebenleistungenzur Beförderung sind“ (Art. 2 Nr. 14 der neuen CRS-VO, a.a.O. (s. o. Fn. 69)zwischen Beförderungs- und Pauschalreisevertrag ist noch klärungsbedürf-tig.

133 Zur Entstehungsgeschichte: Wagner, TranspR 2008, 221, 222 f., Mankowski,TranspR 9/2008, 339.

134 Die meisten anderen Sprachfassungen der ‚Rom I‘-VO sprechen hier vom„Passagier“.

135 Zu den Motiven vgl. das Grünbuch über die Umwandlung des Überein-kommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuld-verhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowieüber seine Aktualisierung (KOM (2002) 654 endg. v. 14.01.2003), Kap.3.1.2, S. 22-24.

136 Zur Gesetzgebungsgeschichte: Wagner, IPRax 2008, 377, 380. 137 Beide Vorschriften sind in ihrer Zweckbestimmung mit Art. 14 Abs. 2 ‚Rom

II‘ vergleichbar. 138 Die deutsche Sprachfassung entspricht der französischen (« tous les autres

éléments de la situation ») und niederländischen („alle overige [..] bestaan-de Aanknopingspunten“) Formulierung, während die englische Sprachfas-sung nach „all other elements relevant to the situation“ fragt. Ebenso dieitalienische, spanische und portugiesische Sprachversionen: « tutti gli altrielementi pertinenti alla situazione »; « todos los demás elementos pertinentesde la situación » bzw. « os outros elementos relevantes da situação ». Ob des-halb ‚relevante‘ Sachverhaltsmerkmale von ‚irrelevanten‘ unterschiedenwerden müssen, ist der Auslegung durch die Rechtsprechung überlassen.

keit). Diese geplante Änderung des IPR, die, soweit ersicht-lich, ohne Erörterung Eingang in den Vorschlag gefundenhat, sowie die passagierrechtlichen Neuerungen der ‚Rom I‘-VO sind nachfolgend anhand eines Beipielsfalls zu beleuchten:

Passagier P, wohnhaft in der EU, bucht einen Flug aus demGebiet der Gemeinschaft in ein Drittland von der Zweignie-derlassung einer mit einer in diesem Drittland ansässigen Flug-gesellschaft. Das für den Beförderungsvertrag gewählte Rechtist dasjenige des Drittstaates. Der Beförderungsvertrag enthältmißbräuchliche Klauseln die jedoch nach dem Recht des Dritt-staates keiner Klauselkontrolle unterzogen werden können.Kann P dennoch von dem nach Artikel 5 Nr. 1 lit. b), 2. Spie-gelstrich ‚Brüssel I‘ angerufenen (Artikel 33 MÜ ist auf Beför-derungsklauseln nicht anwendbar), in der EU belegenen Ge-richt sich auf eine Unwirksamkeit dieser Klauseln berufen?

Die freie Rechtswahl ist im Grundsatz in Artikel 3 Abs. 1 ‚RomI‘ garantiert. Für den Bereich der Personenbeförderung ist infünf Prüfungsschritten zu untersuchen, ob diese Wahl wirksamgetroffen werden konnte.

I. Einschränkung der Rechtswahl bei Verbraucherverträgen(Artikel 6 ‚Rom I‘)

An erster Stelle ist zu bestimmen, ob P’s Vertrag dem Pau-schalreise- oder dem Passagierrecht unterfällt, also ob es sichum einen Verbraucher- oder um einen Beförderungsvertraghandelt. Dabei ist zunächst irrelevant, ob P privat oder beruf-lich reist, denn – dies ist eine Besonderheit des Reiserechts –„Verbraucher“ im Sinne des Artikels 2 Nr. 4 der Richtlinie90/314/EWG kann auch ein Geschäftsreisender sein.129 Für ei-nen Beförderungsvertrag als Bestandteil eines Pauschalreise-vertrags gilt Artikel 6 ‚Rom I‘. Soweit daher nach Artikel 6Abs. 1 ‚Rom I‘ das Recht eines Mitgliedstaates Anwendungfindet, ist der Verbraucher auch dann geschützt, wenn dieParteien das Recht eines Drittstaates wählen. Dies deshalb, daArtikel 6 Abs. 2 ‚Rom I‘ in diesem Fall keine Abweichung vondenjenigen Vorschriften zulässt, von denen die Parteien nichtdurch Vereinbarung abweichen können. Da Artikel 43 desRichtlinienentwurfs über die Unabdingbarkeit der Richtli-nie130 die Richtlinie zu solcherart zwingenden Vorschriftendeklariert, wäre die Rechtswahl im Verbund einer Pauschal-reise unwirksam.

Anderes gilt jedoch für uneingebundene Beförderungsverträ-ge (seat-only sales131) wie den im Beispielsfall genannten. Fürdiese schließt Artikel 6 Abs. 4 lit. b) ‚Rom I‘ die Anwendungdes Verbraucher-IPR aus.132

II. Einschränkung der Rechtswahl bei Beförderungsverträgen(Artikel 5 ‚Rom I‘)

Für reine Personenbeförderungsverträge gilt der neu einge-fügte Artikel 5 Abs. 2 und 3 ‚Rom I‘.133 Dieser limitiert dieRechtswahl auf bestimmte Rechte, und zwar erstens auf dasRecht des Staates, in dem die zu befördernde Person134 ihrengewöhnlichen Aufenthalt hat [lit a) Artikel 5 Abs. 2, 2. Unter-abs.], zweitens das Recht des Staates, in dem der Befördererseinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. seine Hauptverwal-tung hat [lit. b) und c)], sowie drittens das Recht des Staates,in dem sich der Abgangs- bzw. der Bestimmungsort befindet[lit. d) und e)]. Die objektive Anküpfung [Artikel 5 Abs. 2, 1.Unterabs.] ist das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufent-haltsorts des Passagiers; eine den Gedanken des Passagier-schutzes belegende Vorschrift, die jedoch zu ihrer Anwendung

weiter davon abhängig ist, dass sich in diesem Staat auch derAbgangs- oder der Bestimmungsort befindet. Ohne eine solchekumulative Anknüpfung würde das Recht des Staates des ge-wöhnlichen Aufenthalts des Beförderers gelten. Die Aus-weichklausel Artikel 5 Abs. 3 erlaubt Abweichungen von die-sen Regeln im Falle offensichtlicher Unbilligkeiten.

Auf den Beispielsfall angewandt, konnte nach Artikel 5 Abs. 2,Unterabs. 2 ‚Rom I‘ [lit. b), c) und e) wären gleichermaßeneinschlägig] die Rechtswahl des Drittlandes zulässigerweise ge-troffen werden.

III. Einschränkung der Rechtswahl durch Artikel 3 Abs. 4 ‚Rom I‘

Es stellt sich nächstens die Frage, ob und gegebenenfalls wiezwingendes europäisches Verbraucherrecht auch bei wirksa-mer Rechtswahl eines Drittstaates angewandt werden kann.Diese Aufgabe könnte dem ebenfalls neuen Artikel 3 Abs. 4‚Rom I‘ zukommen.135 Die Vorschrift bestimmt:

„Sind alle anderen Elemente des Sachverhalts zum Zeitpunktder Rechtswahl in einem oder mehreren Mitgliedstaaten bele-gen, so berührt die Wahl des Rechts eines Drittstaates durchdie Parteien nicht die Anwendung der Bestimmungen des Ge-meinschaftsrechts – gegebenenfalls in der von dem Mitglied-staat des angerufenen Gerichts umgesetzten Form –, von dernicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann.“

Wie Erwägungsgrund 15 unterstreicht, dient Artikel 3 Abs. 4‚Rom I‘ dem Schutz vor Umgehungen des Gemeinschafts-rechts136 (so wie Artikel 3 Abs. 3 ‚Rom I‘ die Anwendungzwingenden nationalen Rechts absichert).137 Wählen die Par-teien das Recht eines Drittstaates, so soll das zwingende Ge-meinschaftsrecht gleichwohl gelten, wenn – abgesehen vonder Rechtswahl – alle anderen (relevanten138) Elemente des

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Sachverhalts zum Zeitpunkt der Rechtswahl in einem odermehreren Mitgliedstaaten belegen sind.

Damit ist der Anwendungsbereich eng umrissen. Der Bei-spielsfall würde von Artikel 3 Abs. 4 ‚Rom I‘ nicht erfasst wer-den, da wesentliche Elemente der Erfüllungshandlung und da-mit des Sachverhalts (nämlich Bestimmungsort undHauptverwaltung der Fluggesellschaft) im Drittstaat und nichtausschließlich in der EU belegen sind. Es bliebe bei der Wirk-samkeit der Rechtswahl.

IV. Einschränkung der Rechtswahl aufgrund der Klauseln überdie kollisionsrechtliche Unabdingbarkeit des Verbraucher-gemeinschaftsrechts

In bestimmten Bereichen ist dem Gemeinschaftsgesetzgeberdurch Artikel 20 EVÜ bzw. Artikel 23 ‚Rom I‘ freigestellt, Kol-lisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse vorzu-schreiben.139 Von dieser Möglichkeit machte die EU bis injüngste Zeit Gebrauch. Nach (noch) geltender Rechtslage wer-den EVÜ bzw. ‚Rom I‘ nämlich verbraucherrechtlich ‚ergänzt‘.Artikel 6 Abs. 2 der Klauselrichtlinie,140 Artikel 12 Abs. 2 derFernabsatzrichtlinie und Artikel 7 Abs. 2 der Gewährleis-tungsrichtlinie enthalten Bestimmungen über den Anwen-dungsbereich des Verbrauchergemeinschaftsrechts. Ebenso Ar-tikel 12 Abs. 2 der Richtlinie 2002/65/EG über den Fernabsatzvon Finanzdienstleistungen an Verbraucher,141 Artikel 22Abs. 4 der neuen Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG142

und Artikel 12 Abs. 2 der neuen Timeshare-Richtlinie2008/122/EG143 (wie vormals Artikel 9 der Richtlinie94/47/EG144).

Diesen Bestimmungen gemeinsam ist der Zweck, „der Gefahr[zu] begegnen, dass dem Verbraucher der gemeinschaftsrecht-liche Schutz dadurch entzogen wird, dass das Recht eines Dritt-lands als das auf den Vertrag anwendbare Recht bestimmtwird. Zu diesem Zweck sieht sie [die Klausel über die kollisions-rechtliche Unabdingbarkeit] die Aufrechterhaltung des den Ver-brauchern durch die Richtlinie gewährten Schutzes in Ver-tragsbeziehungen vor, die Drittstaaten berühren, wenn derVertrag eng mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten verknüpftist.“145 Den Mitgliedstaaten ist folglich auferlegt, sicherzu-stellen, dass dem Verbraucher die von den Richtlinien einge-räumten Rechte nicht durch die Wahl eines anderen, wenigergünstigen Rechts entzogen werden. Es handelt sich bei denKlauseln nicht um Kollisionsnormen mit objektiver Anküp-fung,146 sondern um Rechtswahlbeschränkungen, die denVerbraucherschutz auf kollisionsrechtlicher Ebene unabding-bar machen, ohne allerdings das anwendbare Recht festzule-gen.

Anküpfungsmerkmal ist der „enge Zusammenhang mit demGebiet der Mitgliedstaaten“. Damit wird der territoriale Bezugzum Staat des gewöhnlichen Aufenthalts durch das Territo-rium der EU ersetzt. Die Klauseln über die kollisionsrechtli-che Unabdingbarkeit gehen folglich von anderen Vorausset-zungen aus als Artikel 3 Abs. 4 ‚Rom I‘. Dort müssen sich alleElemente (außer der Rechtswahl) auf die EU beziehen. Hiersind die umgesetzten EG-Standards des Verbraucherrechts be-reits dann anwendbar, wenn der Vertrag trotz Wahl des Rechtseines Drittstaates lediglich einen - nicht näher bestimmten -„engen Zusammenhang“ mit einem EU-Mitgliedstaat auf-weist.

Ebenfalls abweichend von ‚Rom I‘ erstreckt sich der kollision-rechtlicher Verbraucherschutz auch auf Beförderungsverträgemit zu privaten Zwecken reisenden Passagieren, die anson-

sten sowohl von Artikel 5 Abs. 4 a) EVÜ als auch Artikel 6Abs. 4 lit. b) ‚Rom I‘ vom Verbrauchervertragsstatut ausge-schlossen waren bzw. sind.147

Da es sich bei den genannten Klauseln um Richtlinienrechthandelt, mussten dieses von den Mitgliedstaaten umgesetztwerden. Die entsprechende Vorschrift des deutschen Rechts istArtikel 29a EGBGB (vormals § 12 AGB-Gesetz bzgl. Richtlinie93/13/EWG), ab dem 17.12.2009 ersetzt durch Artikel 46bEGBGB n.F. („Verbraucherschutz für besondere Gebiete“).148

Wie vom Gemeinschaftsrecht gefordert, sichert die Bestim-mung einen einheitlichen Mindestschutz des europäischenVerbrauchers „nach außen“149 und trifft damit eine Unter-scheidung zwischen dem Recht in der EU (trotz nicht uner-heblicher Unterschiede in der Richtlinienumsetzung als ver-braucherrechtlichen Binnenraum) einerseits, und dem vonDrittstaaten, die das europäische Verbraucherrecht nicht an-wenden, andererseits. Das anwendbare Recht ist im Falle vonumgesetztem Richtlinienrecht das Recht des Staates, mit demder enge Zusammenhang besteht. Hierin liegt ein Wertungs-widerspruch zu Artikel 3 Abs. 4 ‚Rom I‘ nachdem das Rechtdes Staates, in dem das Gericht liegt, also die lex fori anwend-bar ist. Sollte sich der Beispielsfall daher vor einem deutschenGericht abspielen, käme die Klauselrichtlinie nicht in allendenkbaren Fällen in Gestalt der §§ 305 ff. BGB zur Anwendung.

Im Vergleich zwischen bestehendem EG-Verbraucherrechtund dem Richtlinienvorschlag unterscheiden sich folglichdie Ergebnisse:

Die Fallösung de lege lata: Im Beispielsfall liegen gewöhnlicherAufenthalt des Passagiers, gewöhnlicher Aufenthaltsort derZweigniederlassung (Artikel 19 Abs. 2 ‚Rom I‘), Vertragsschlussund Abgangsort in der Gemeinschaft, nur der Bestimmungs-ort und die Hauptverwaltung der Fluggesellschaft im Dritt-land. Von einem engen Zusammenhang mit dem Gebiet derMitgliedstaaten kann daher ausgegangen werden. Das Ge-richt kann deshalb nach gegenwärtiger Rechtslage eine Klau-selkontrolle des Beförderungsvertrages vornehmen, da trotzRechtswahl das Recht der Klauselrichtlinie zur Anwendung ge-langt.

Die Fallösung de lege ferenda: Von diesem, die Anwendung ge-meinschaftlichen Verbraucherschutzes im Verhältnis zu Dritt-staaten wahrenden, Konzept verabschiedet sich der Richtli-nienvorschlag (beschränkt jedoch auf den Bereich derKlauselkontrolle, des Fernabsatzes und den Gewährleistungs-rechten). Eine Klausel zur kollisionrechtlichen Unabdingbar-keit des Verbraucherrechts enthält der Richtlinienvorschlag

VuR 6/2009 | 223

139 Wagner, TranspR 2009, 103, 106; zu sektoriellen, sich auf das Kollisions-recht auswirkende Rechtsinstrumente siehe: Grünbuch, a.a.O. (s. o. Fn.135), S. 20-22.

140 Zu Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG vgl.: Jayme/Kohler, IPRax 1993,357; Roth, IPRax 1994, 165; Fallon, Le droit applicable aux clauses abusivesaprès la transposition de la directive n 93/13 du 5 avril 1993, R.E.D.C., 1996,p. 3; Schulte-Nölke/Schulze-Tenreiro/Karsten, Europäische Rechtsanglei-chung und nationale Privatrechte 1999, S. 223-276 (insbesondere S. 247-253).

141 ABl. L 271 v. 09.10.2002, S. 16.142 ABl. L 133 v. 22.05.2008, S. 66.143 A.a.O. (s. o. Fn. 96).144 ABl. L 280 v. 29.10.1994, S. 83.145 Rs. C-70/03, Kommission ./. Spanien (2004) Slg. I- 7999, Rz. 30. Vgl. die

22. Begründungserwägung zu Richtlinie 93/13/EWG. 146 Ein Beispiel dafür wäre Art. 12 der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückga-

be von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ver-brachten Kulturgütern (ABl. L 74 v. 27.03.993, S. 74).

147 Roth, IPRax 1994, 169.148 Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des internationalen Privatrechts an

die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (BT-Drs. 16/12104).149 MüKo-Martiny, 2006, 4. Aufl. Art. 29a EGBGB, Rz. 2.

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150 A.a.O. (s. o. Fn. 130).151 Rs. C-381/98, Ingmar GB Ltd. ./. Eaton Leonard Technologies Inc., [2000]

Slg. I-9305.152 ABl. L 382 v. 31.12.1986, S. 17.153 Ingmar-Urteil, a.a.O. (s. o. Fn. 151), Rz. 25.154 „Zudem stellt die [Klausel-]Richtlinie, die den Verbraucherschutz verbessern

soll, eine Maßnahme nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe (t) EG dar, die für dieErfüllung der Aufgaben der Gemeinschaft und insbesondere für die Hebungder Lebenshaltung und der Lebensqualität in der ganzen Gemeinschaftunerlässlich ist.“ (Rs. C-168/05, Elisa María Mostaza Claro ./. Centro MóvilMilenium SL, [2006] Slg. I-10421, Rz. 37). Vgl. nun ebenso die Schlussanträ-ge der Generalanwältin Trstenjak v. 07.05.2009 zu Rs. C-227/08, Eva MartínMartín ./. EDP Editores, S.L., Rz. 83 und v. 14.05.2009 zu Rs. C-40/08, Astur-com Telecomunicationes SL ./. Cristina Rodríguez Nogueira, Rz. 68 und 81.

155 Angestoßen wurde eine Diskussion im ‘Rom I’-Grünbuch, a.a.O. (s. o. Fn.135), Kap. 3.1.1.1, S. 20-22, dann aber ausschließlich begrenzt auf die Bera-tungen der neuen Timeshare-Richtlinie fortgeführt.

156 Karsten, VuR 2008, 204.157 Vgl. z. B. BGH, Urt. v. 19.03.1997, Az.: VIII ZR 316/9. 158 A.a.O. (s. o. Fn. 52).

nicht. Im Gegenteil: die Formulierung des Artikels 43150

erlaubt im Umkehrschluss die Annahme, dass die Anwend-barkeit des Rechts eines Drittstaates die Unanwendbarkeit eu-ropäischen Verbraucherrechts nach sich zieht. Die (Teil-) Ab-schaffung der Bestimmungen über den Anwendungsbereichbewirkt daher, dass im Beispielsfall nach zukünftiger Rechts-lage die Rechtswahl vollumfänglich möglich ist.

V. Einschränkung der Rechtswahl durch Einordnung des Verbrau-cherschutzes als europäischer ordre public? (Artikel 9 ‚Rom I‘)

Um sich dieses Ergebnisses abschließend zu versichern, ist ineinem letzten Prüfungsschritt der Frage nachzugehen, ob derSchutzgedanke des Verbraucherrechts über die Bestimmungüber Eingriffsnormen (Artikel 9 ‚Rom I‘), also der ordre public,durchgreift. Europäisches Verbraucherrecht, verstanden alsVorschriften, die das Gericht unabhängig von dem für den Ver-trag maßgeblichen Recht anwenden kann, könnte die Wirk-samkeit der Rechtswahl nach Abschaffung der Klauseln überdie kollisionsrechtliche Unabdingbarkeit dennoch verhin-dern.

Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an die Ingmar-Recht-sprechung des EuGH151 zur Handelsvertreterrichtlinie86/653/EWG152, wonach deren zwingender Charakter bei„starkem Gemeinschaftsbezug“ die Anwendung der Richtli-nienbestimmungen durch Rechtswahl nicht ausgeschlossenwerden kann, obgleich nicht alle Elemente in der Gemeinschaftbelegen waren (der Unternehmer hatte seinen Sitz in einemDrittland). Das Urteil stützt sich maßgeblich auf Artikel 19 derHandelsvertreterrichtlinie, einer dem Artikel 43 des Richtli-nienvorschlags vergleichbaren Bestimmung über die Unab-dingbarkeit des Gemeinschaftsrechtsakts. Ist also der Verbrau-cherschutz allgemein oder die Klauselkontrolle im Besonderen„für die gemeinschaftliche Rechtsordnung von [so] grundle-gender Bedeutung“, dass „diese Bestimmungen nicht schlichtdurch Rechtswahl“153 umgangen werden können?

Vergleicht man die Ingmar-Rechtsprechung mit der deutlichenHervorhebung der Bedeutung der Klauselkontrolle durch denEuGH in der Rechtssache Claro,154 so erscheint zunächst nichtausgeschlossen, dass der Gerichtshof sich zu einer Ingmar ver-gleichbaren Entscheidung entschließen könnte, die das EG-Verbraucherrecht dem europäischen ordre public zuzuordnete.

Dem steht jedoch der klare Wortlaut des Artikel 9 ‚Rom I‘ ent-gegen, der auf zwingende Vorschriften eines Staates beschränktist, d .h. Normen des nationalen Rechts. Der Richtlinienvor-schlag enthält jedoch zwingende Normen des Gemeinschafts-rechts, dem der Charakter als zwingene Eingriffsnorm nichtzukommt. EG-Verbraucherrecht kann also nicht ohne Umge-hung des Wortlautes des Artikel 9 ‚Rom I‘ zum Bestandteil ei-ner europäischen ordre public erhoben werden. Im Beispiels-fall bliebe es letztgültig bei der Wirksamkeit der Rechtswahl.

VI. Fortbestehende Unsicherheiten

‚Rom I‘ und die (Teil-) Abschaffung der – in der IPR-Kreisenohnehin als Korrumpierung der „reinen Lehre“ der Artikel 5EVÜ/Artikel 6 ‚Rom I‘ ungeliebten – Bestimmungen über denAnwendungsbereich durch den Richtlinienvorschlag entzie-hen folglich Passagier P. die gegenwärtig noch bestehendeMöglichkeit, sich gegen mißbräuchliche Klauseln zur Wehrzu setzen. Ob diese Konsequenz in der Vorbereitung des Richt-linienvorschlags in dieser Deutlichkeit gesehen wurde, istnicht erkennbar.155 Klar scheint allerdings, dass ‚Rom I‘ durch

seinen Artikel 5 dem Passagier ganz bewusst ein geringeresSchutzniveau gewährt als dem Verbraucher. Diese Differen-zierung könnte eine Überzeugung des europäischen Gesetz-gebers widerspiegeln, nach der in der Personenbeförderungdas EG-Verbraucherrecht eben nicht in vollem Umfang gel-ten sollte – möglicherweise, weil ein Passagier in ein Dritt-land reist oder, weil er, da er die Dienste eines in einem Dritt-staat ansässigen Beförderers in Anspruch nimmt, wenigerschutzbedürftig ist. Ein weiterer Grund könnte der großzügi-ger als der verhältnismäßig enge, auf die Privatnützigkeit ab-stellende Verbraucherbegriff definierte Passagierbegriff sein,der Geschäftsreisende in seinen Schutzbereich einbezieht.156

In Abwesenheit klarer Aussagen des europäischen Gesetzge-bers bleiben diese Motive jedoch Spekulation und die obenausgearbeitete Auslegung nicht ganz sattelfest. Eine anders-lautende „kreative“ Rechtsprechung des EuGH und auch deut-scher Gerichte (in einer Fortschreibung der Gran CanariaRechtsprechung157) ist zumindest denkbar. Als feststehendkann allein gelten, dass die Klauseln über die kollisionsrecht-liche Unabdingbarkeit bisher eine Ingmar vergleichbare, dieAnwendung des europäischen Verbraucherrechts in Sachver-halten mit internationalen Bezügen sichernde Auslegung un-nötig gemacht haben. Nach dem Richtlinienvorschlag, dernicht zu erkennen gibt, ob Überlegungen zum Umfang derKlauselkontrolle in Passagierverträgen angestellt wurden,könnte ein Vakuum entstehen, wodurch eine unangeleiteteJustiz versucht sein könnte, dies mit einer an Billigkeitsge-sichtspunkten orientierten Rechtsprechung zu füllen. AusGründen der Rechtssicherheit und auch der Glaubwürdigkeitdes europäischen Rechts im internationalen Kontext (Beför-derer aus Drittstaaten würden sich auf die oben herausgear-beitete Lösung verlassen), ist es wünschenswert, klare Aussa-gen zu treffen. Deshalb sollte der Richtlinienvorschlag nichtden Abschluss, sondern den Anfang einer Diskussion überden räumlichen Anwendungsbereich der Klauselkontrolle imReise- und Passagierrecht darstellen.

E. Gleiche Rechte für Passagiere aller Verkehrsträger

Wie eingangs gesagt, erstreckt sich das EG-Passagierrecht be-reits im gegenwärtigen Stadium der Entwicklung auf beinahealle Verkehrsträger. Mit Annahme der Verordungsvorschläge‚Athen II‘ und ‚Busreisende‘ werden auch die Binnenschiff-fahrt und der Straßenverkehr mit Regelungen bedacht werden.Kompletiert werden würde der Regelungsrahmen mit einer„Verordnung über die Unfallhaftung von Beförderern von Rei-senden in der Binnenschiffahrt“ – die ‚Loreley-VO‘ –, gleich-sam als Pendant zur der auf das Seerecht beschränkten158

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Athener-VO. Der Zeitpunkt zu einer solchen Initiative wird ge-kommen sein, wenn die Überarbeitung des Straßburger Über-einkommens159 abgeschlossen ist,160 auf deren Grundlage einden Bedingungen der Binnenschiffahrt angepasstes gemein-schaftsrechtliches Haftungsregime begründet werden kann. Eswird dann zu prüfen sein, ob tatsächlich Passagiere aller Ver-kehrsträger vergleichbare Rechte genießen und – vielleicht

wichtiger – wie Gesetzgebung dieses Umfangs in ein Systemdes europäischen Privatrechts integriert werden kann.

VuR 6/2009 | 225

159 CNLI, a.a.O. (s. o. Fn. 122).160 Tournaye, Haftung des Binnenschifffahrts- im Vergleich zum Seerecht,

Schriftenreihe des Instituts für Binnenschifffahrtsrecht, Bd 9, 2009,S. 64-84, ders., und Tournaye, TranspR 4/2009, 156-162.

Reiserecht | R E C H T S P R E C H U N G

R E I S E R E C H T

Fluggastrechte, Ausgleichszahlung, Annullierung,außergewöhnliche Umstände

„Luftverkehr – Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – Art. 5 – Aus-gleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste bei An-nullierung von Flügen – Befreiung von der Ausgleichspflicht –Annullierung aufgrund von außergewöhnlichen Umständen,die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn allezumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären“(Leitsatz des Gerichts)

EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Rs. C-549/071

(ID 42843)

Aus den Gründen:

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwi-schen Frau Wallentin-Hermann und der Alitalia – Linee AereeItaliane SpA (im Folgenden: Alitalia) nach deren Weigerung,der Klägerin des Ausgangsverfahrens, deren Flug annulliertwurde, Ausgleich zu leisten.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

3 Das am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossene Über-einkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriftenüber die Beförderung im internationalen Luftverkehr (imFolgenden: Übereinkommen von Montreal) wurde von derEuropäischen Gemeinschaft am 9. Dezember 1999 unter-zeichnet und in ihrem Namen mit dem Beschluss2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 (ABl. L 194, S. 38)genehmigt. Dieses Übereinkommen ist für die Gemeinschaftam 28. Juni 2004 in Kraft getreten.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

9 Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Frau Wal-lentin-Hermann für sich, ihren Ehemann und ihre Tochterbei Alitalia drei Plätze für einen Flug von Wien (Österreich)über Rom (Italien) nach Brindisi (Italien) buchte. Der Abflugab Wien war für den 28. Juni 2005 um 6.45 Uhr vorgesehenund die Ankunft in Brindisi am selben Tag um 10.35 Uhr.

10 Nach der Abfertigung wurde den drei Fluggästen fünfMinuten vor der geplanten Abflugzeit mitgeteilt, dass ihr

Flug annulliert sei. Sie wurden sodann auf einen Flug derGesellschaft Austrian Airlines nach Rom umgebucht, wo sieum 9.40 Uhr ankamen, d. h. 20 Minuten nach der Abflugzeitihres Anschlussflugs nach Brindisi, den sie deshalb versäum-ten. Frau Wallentin-Hermann und ihre Familie erreichtenBrindisi um 14.15 Uhr.

11 Die Annullierung des Fluges von Alitalia ab Wien ging aufein komplexes Motorgebrechen in der Turbine zurück, dasam Vorabend bei einer Überprüfung entdeckt worden war.Alitalia war davon in der Nacht vor dem Flug um 1.00 Uhrinformiert worden. Die Reparatur des Flugzeugs, die die Bei-schaffung von Ersatzteilen und den Einflug von Technikernerforderte, wurde am 8. Juli 2005 abgeschlossen.

12 Frau Wallentin-Hermann forderte von Alitalia wegen derAnnullierung ihres Fluges eine Ausgleichszahlung in Höhevon 250 Euro gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1der Verordnung Nr. 261/2004 sowie den Ersatz von 10 EuroTelefonkosten. Alitalia wies diese Forderung zurück.

13 Im Rahmen des sodann von Frau Wallentin-Hermannangestrengten Gerichtsverfahrens gab das Bezirksgericht fürHandelssachen Wien ihrem Antrag auf Ausgleichszahlungu. a. mit der Begründung statt, dass die technischen Gebre-chen der betroffenen Maschine keine „außergewöhnlichenUmstände“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der VerordnungNr. 261/2004 seien, die die Ausgleichspflicht entfallen ließen.

14 Alitalia erhob gegen diese Entscheidung Berufung an dasHandelsgericht Wien, das beschlossen hat, das Verfahren aus-zusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorab-entscheidung vorzulegen:

1. Liegen außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 unter Bedachtnahmeauf Abs. 14 der Präambel der Verordnung vor, wenn ein tech-nisches Gebrechen am Flugzeug, insbesondere ein Trieb-werksschaden, die Annullierung des Fluges zur Folge hat,und ist die Interpretation der Entschuldigungsgründe gemäßArt. 5 Abs. 3 der Verordnung im Sinne der Bestimmungendes Übereinkommens von Montreal (Art. 19) vorzunehmen?

2. Wenn die Frage 1 bejaht werden sollte: Liegen bei Luft-fahrtunternehmen, bei denen überdurchschnittlich häufigAnnullierungen von Flügen mit technischen Gebrechenbegründet werden, allein aufgrund von deren Häufigkeitaußergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3der Verordnung vor?

R E C H T S P R E C H U N G *

* Alle Urteile sind im Volltext in der FIS-Datenbank mit der jeweiligen IDabrufbar unter: www.iff-hamburg.de

1 Verfahrenssprache: Deutsch.

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3. Wenn die Frage 1 bejaht werden sollte: Hat ein Luftfahrt-unternehmen alle „zumutbaren Maßnahmen“ gemäßArt. 5 Abs. 3 der Verordnung ergriffen, wenn es die Durch-führung der gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterforder-nisse an Wartungsarbeiten am Flugzeug nachweist, und istdies ausreichend, um das Luftfahrtunternehmen von derPflicht zur Ausgleichszahlung gemäß Art. 5 in Verbindungmit Art. 7 der Verordnung zu befreien?

4. Wenn die Frage 1 verneint werden sollte: Sind außerge-wöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Ver-ordnung Fälle höherer Gewalt oder Naturereignisse, dienicht in einem technischen Gebrechen gelegen sind undsohin außerhalb der Sphäre des Luftfahrtunternehmensliegen?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur vierten Frage

15 Mit seiner ersten und seiner vierten Frage, die zusammenzu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, obArt. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 im Licht des14. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegenist, dass ein technisches Problem eines Flugzeugs, das zurAnnullierung eines Fluges führt, unter den Begriff der „außer-gewöhnlichen Umstände“ im Sinne dieser Vorschrift fällt,oder ob dieser Begriff vielmehr Situationen anderer Artabdeckt, die nicht in einem technischen Problem gelegensind. Außerdem fragt es, ob die in dieser Vorschrift genann-ten Befreiungsgründe im Einklang mit den Bestimmungendes Übereinkommens von Montreal, insbesondere seinemArt. 19, auszulegen sind.

16 Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände gehörtnicht zu denen, die in Art. 2 der Verordnung Nr. 261/2004bestimmt werden. Er wird auch in den anderen Artikeln die-ser Verordnung nicht definiert.

17 Nach ständiger Rechtsprechung sind Bedeutung und Trag-weite von Begriffen, die das Gemeinschaftsrecht nicht defi-niert, entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichenSprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammen-hangs, in dem sie verwendet werden, und der mit der Rege-lung, zu der sie gehören, verfolgten Ziele zu bestimmen. Ste-hen diese Begriffe in einer Bestimmung, die eine Ausnahmevon einem Grundsatz oder, spezifischer, von gemeinschafts-rechtlichen Verbraucherschutzvorschriften darstellt, so sindsie außerdem eng auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteilvom 10. März 2005, easyCar,C-336/03, Slg. 2005, I-1947,Randnr. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zudemkönnen die Erwägungsgründe eines Gemeinschaftsrechtsaktsseinen Inhalt präzisieren (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteilvom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA,C-344/04, Slg.2006, I-403, Randnr. 76).

18 Die Ziele, die mit Art. 5 der Verordnung Nr. 261/2004 ver-folgt werden, der die Verpflichtungen des ausführenden Luft-fahrtunternehmens im Fall der Annullierung eines Flugesfestlegt, ergeben sich insoweit klar aus dem ersten und demzweiten Erwägungsgrund dieser Verordnung, wonach dieMaßnahmen der Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrsu. a. darauf abzielen sollten, ein hohes Schutzniveau für Flug-gäste sicherzustellen und den Erfordernissen des Verbrau-cherschutzes im Allgemeinen Rechnung zu tragen, da dieAnnullierung von Flügen für die Fluggäste ein Ärgernis ist

und ihnen große Unannehmlichkeiten verursacht (vgl. indiesem Sinne Urteil IATA und ELFAA, Randnr. 69).

19 Wie aus dem zwölften Erwägungsgrund und Art. 5 derVerordnung Nr. 261/2004 hervorgeht, wollte der Gemein-schaftsgesetzgeber das Ärgernis und die Unannehmlichkei-ten, die Fluggästen durch die Annullierung von Flügen ent-stehen, verringern, indem er die Luftfahrtunternehmen ver-anlasst, Annullierungen im Voraus anzukündigen und unterbestimmten Umständen eine anderweitige Beförderunganzubieten, die bestimmten Kriterien entspricht. Für denFall, dass die Luftfahrtunternehmen solche Maßnahmennicht sollten ergreifen können, wollte der Gemeinschaftsge-setzgeber, dass sie den Fluggästen einen Ausgleich leisten,sofern die Annullierung nicht auf außergewöhnlicheUmstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten ver-meiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffenworden wären.

20 In diesem Zusammenhang zeigt sich klar, dass, wennArt. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004 denGrundsatz aufstellt, dass Fluggäste bei Annullierung einesFluges Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben, Art. 5Abs. 3, der die Voraussetzungen festlegt, unter denen das aus-führende Luftfahrtunternehmen von der Zahlung des ent-sprechenden Ausgleichs befreit ist, als Ausnahme von diesemGrundsatz anzusehen ist. Demzufolge ist diese letztgenannteBestimmung eng auszulegen.

21 Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat, wie aus dem 14. Erwä-gungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 hervorgeht, dazuangegeben, dass solche Umstände insbesondere bei politi-scher Instabilität, mit der Durchführung des betreffendenFluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicher-heitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und denBetrieb eines Luftfahrtunternehmens beeinträchtigendenStreiks eintreten können.

22 Aus dieser Angabe in den Erwägungsgründen der Verord-nung Nr. 261/2004 geht hervor, dass der Gemeinschaftsge-setzgeber die genannten Vorkommnisse, deren Aufzählungim Übrigen nur Hinweischarakter hat, nicht selbst als außer-gewöhnliche Umstände angesehen hat, sondern nur ausdrü-cken wollte, dass sie solche Umstände eintreten lassen kön-nen. Daraus folgt, dass nicht alle Umstände, die mit solchenVorkommnissen einhergehen, unbedingt Gründe für eineBefreiung von der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c dieser Verord-nung niedergelegten Ausgleichspflicht darstellen.

23 Wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber „unerwartete Flugsi-cherheitsmängel“ in die entsprechende Aufzählung aufge-nommen hat und ein technisches Problem eines Flugzeugs zusolchen Mängeln gezählt werden kann, können die Umstän-de im Zusammenhang mit einem solchen Vorkommnisnichtsdestoweniger nur dann als „außergewöhnlich“ imSinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 qualifi-ziert werden, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das wie dieim 14. Erwägungsgrund dieser Verordnung aufgezähltennicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffe-nen Luftfahrtunternehmens ist und aufgrund seiner Naturoder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist.

24 Angesichts der besonderen Bedingungen, unter denen derLuftverkehr durchgeführt wird, und des Maßes an technolo-gischer Komplexität der Flugzeuge ist festzustellen, dass dieLuftfahrtunternehmen sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeitgewöhnlich verschiedenen technischen Problemen gegen-

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übersehen, die der Betrieb solcher Maschinen unausweich-lich mit sich bringt. Zur Vermeidung solcher Probleme undzum Schutz vor Zwischenfällen, die die Flugsicherheit inFrage stellen, unterliegen die entsprechenden Maschinen imÜbrigen regelmäßigen und besonders strikten Kontrollen, dieBestandteil der gewöhnlichen Betriebsbedingungen der Luft-fahrtunternehmen sind. Die Behebung eines technischenProblems, das auf die fehlerhafte Wartung einer Maschinezurückzuführen ist, ist daher Teil der normalen Ausübung derTätigkeit des Luftfahrtunternehmens.

25 Folglich können technische Probleme, die sich bei derWartung von Flugzeugen zeigen oder infolge einer unterblie-benen Wartung auftreten, als solche keine „außergewöhn-lichen Umstände“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der VerordnungNr. 261/2004 darstellen.

26 Indessen lässt sich nicht ausschließen, dass technischeProbleme zu solchen außergewöhnlichen Umständen zurechnen sind, soweit sie auf Vorkommnisse zurückzuführensind, die nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit desbetroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tat-sächlich nicht zu beherrschen sind. So verhielte es sich z. B.dann, wenn der Hersteller der Maschinen, aus denen die Flot-te des betroffenen Luftfahrtunternehmens besteht, oder einezuständige Behörde entdeckte, dass diese bereits in Betriebgenommenen Maschinen mit einem versteckten Fabrika-tionsfehler behaftet sind, der die Flugsicherheit beeinträch-tigt. Gleiches würde bei durch Sabotageakte oder terroristi-sche Handlungen verursachten Schäden an den Flugzeugengelten.

27 Das vorlegende Gericht hat somit zu prüfen, ob die tech-nischen Probleme, auf die sich das im Ausgangsverfahrenbetroffene Luftfahrtunternehmen beruft, auf Vorkommnissezurückzuführen sind, die nicht Teil der normalen Ausübungder Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sindund von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind.

28 In Bezug auf die Frage, ob der in Art. 5 Abs. 3 der Verord-nung Nr. 261/2004 genannte Befreiungsgrund im Einklangmit den Bestimmungen des Übereinkommens von Montreal,insbesondere seinem Art. 19, auszulegen ist, ist festzustellen,dass dieses Übereinkommen integraler Bestandteil derGemeinschaftsrechtsordnung ist. Im Übrigen geht ausArt. 300 Abs. 7 EG hervor, dass die von der Gemeinschaftgeschlossenen Abkommen für ihre Organe verbindlich sindund daher Vorrang vor den Bestimmungen des abgeleitetenGemeinschaftsrechts haben (vgl. Urteil vom 10. Juli 2008,Emirates Airlines, C-173/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 43).

29 Nach Art. 19 des Übereinkommens von Montreal kann einLuftfrachtführer von seiner Haftung für einen Verspätungs-schaden befreit sein, „wenn er nachweist, dass er und seineLeute alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung desSchadens getroffen haben oder dass es ihm oder ihnen nichtmöglich war, solche Maßnahmen zu ergreifen“.

30 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Abs. 3 der Ver-ordnung Nr. 261/2004 auf den Begriff „außergewöhnlicheUmstände“ Bezug nimmt, während dieser Begriff weder inArt. 19 des Übereinkommens von Montreal noch in eineranderen Vorschrift dieses Übereinkommens enthalten ist.

31 Ferner ist festzustellen, dass dieser Art. 19 sich auf Verspä-tungen bezieht, während Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr.261/2004 Fälle der Annullierung eines Fluges betrifft.

32 Wie aus den Randnrn. 43 bis 47 des Urteils IATA undELFAA hervorgeht, stehen zudem Art. 19 des Übereinkom-mens von Montreal und Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr.261/2004 in einem jeweils anderen Kontext. Denn dieArt. 19 ff. des genannten Übereinkommens regeln die Vor-aussetzungen, unter denen die betroffenen Fluggäste im Fallder Verspätung eines Fluges auf Schadensersatz als individua-lisierte Wiedergutmachung klagen können. Dagegen siehtArt. 5 der Verordnung Nr. 261/2004 standardisierte undsofortige Wiedergutmachungsmaßnahmen vor. Diese Maß-nahmen, die unabhängig von den Maßnahmen sind, für diedas Übereinkommen von Montreal die Durchführungsvor-aussetzungen festlegt, greifen somit vor diesem Übereinkom-men. Daraus folgt, dass die in Art. 19 des Übereinkommensvorgesehenen Gründe für die Befreiung des Luftfrachtführersvon der Haftung nicht unterschiedslos auf Art. 5 Abs. 3 derVerordnung Nr. 261/2004 übertragen werden können.

33 Somit kann das Übereinkommen von Montreal für dieAuslegung der Befreiungsgründe nach Art. 5 Abs. 3 nicht aus-schlaggebend sein.

34 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die ersteund die vierte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 3der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass einbei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, daszur Annullierung eines Fluges führt, nicht unter den Begriff„außergewöhnliche Umstände“ im Sinne dieser Bestimmungfällt, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnissezurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil dernormalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrt-unternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherr-schen sind. Das Übereinkommen von Montreal ist für dieAuslegung der Befreiungsgründe nach Art. 5 Abs. 3 der Ver-ordnung Nr. 261/2004 nicht ausschlaggebend.

Zur zweiten Frage

35 Bei einer Gesamtbetrachtung der vorgelegten Fragen istdavon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit dieserFrage wissen möchte, ob es allein die Häufigkeit der techni-schen Probleme ausschließt, diese zu den „außergewöhn-lichen Umständen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verord-nung Nr. 261/2004 zu rechnen, wenn Luftfahrtunternehmenaufgrund der genannten Probleme überdurchschnittlich vieleFlüge annullieren.

36 Wie in Randnr. 27 des vorliegenden Urteils dargelegt wor-den ist, hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob die techni-schen Probleme, auf die sich das im Ausgangsverfahren inRede stehende Luftfahrtunternehmen beruft, auf Vorkomm-nisse zurückzuführen sind, die nicht Teil der normalen Aus-übung seiner Tätigkeit sind und von ihm tatsächlich nicht zubeherrschen sind. Daraus folgt, dass die Häufigkeit der beieinem Luftfahrtunternehmen festgestellten technischen Pro-bleme als solche kein Umstand ist, anhand dessen sich aufdas Vorliegen oder Fehlen „außergewöhnlicher Umstände“im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004schließen ließe.

37 Angesichts dessen ist auf die zweite Vorlagefrage zu ant-worten, dass die Häufigkeit der bei einem Luftfahrtunterneh-men festgestellten technischen Probleme als solche keinUmstand ist, anhand dessen sich auf das Vorliegen oder Feh-len „außergewöhnlicher Umstände“ im Sinne von Art. 5Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 schließen ließe.

Reiserecht | R E C H T S P R E C H U N G

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Zur dritten Frage

38 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wis-sen, ob ein Luftfahrtunternehmen „alle zumutbaren Maßnah-men“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004ergriffen hat, wenn es die Durchführung der gesetzlich vorge-schriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an demFlugzeug, dessen Flug annulliert wurde, nachweist, und ob die-ser Nachweis ausreicht, um das Luftfahrtunternehmen von sei-ner Verpflichtung zur Ausgleichszahlung gemäß Art. 5 Abs. 1Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung zu befreien.

39 Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gemeinschaftsgesetz-geber nicht alle außergewöhnlichen Umstände als Gründefür eine Befreiung von der Verpflichtung, den Fluggästen imFall der Annullierung eines Fluges Ausgleich zu leisten, fest-legen wollte, sondern nur diejenigen, die sich auch dannnicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maß-nahmen ergriffen worden wären.

40 Da nicht alle außergewöhnlichen Umstände zu einerBefreiung führen, obliegt es demnach demjenigen, der sichdarauf berufen möchte, darüber hinaus den Nachweis zu füh-ren, dass sie sich jedenfalls nicht durch der Situation ange-passte Maßnahmen hätten vermeiden lassen, d. h. solche, diezu dem Zeitpunkt, zu dem die entsprechenden außerge-wöhnlichen Umstände auftreten, für das betroffene Luft-fahrtunternehmen insbesondere in technischer und wirt-schaftlicher Hinsicht tragbar sind.

41 Dieses hat nämlich nachzuweisen, dass es ihm auch unterEinsatz aller ihm zur Verfügung stehenden personellen,materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht mög-lich gewesen wäre, ohne angesichts der Kapazitäten desUnternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbareOpfer die außergewöhnlichen Umstände zu vermeiden, mitdenen es konfrontiert war und die zur Annullierung des Flu-ges geführt haben.

42 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu überprüfen, obdas betroffene Luftfahrtunternehmen unter den Umständendes Ausgangsverfahrens die der Situation angemessenenMaßnahmen ergriffen hat, also diejenigen, die zu dem Zeit-punkt, zu dem die von ihm nachzuweisenden außergewöhn-lichen Umstände aufgetreten sein sollen, für dieses Unter-nehmen insbesondere in technischer und wirtschaftlicherHinsicht tragbar waren.

43 Nach alledem ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten,dass allein der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen diegesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an War-tungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, nicht fürden Nachweis, dass dieses Unternehmen „alle zumutbarenMaßnahmen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der VerordnungNr. 261/2004 ergriffen hat, und somit für seine Befreiung vonder Verpflichtung zur Ausgleichszahlung gemäß Art. 5 Abs. 1Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung ausreicht.

Allgemeine Reisebedingungen, Einbeziehung,Verkürzung der Verjährung

Dem Reisenden, der in einem Reisebüro eine Reise bucht, wirdnur dann die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise vonden Allgemeinen Reisebedingungen Kenntnis zu nehmen, dieder Reiseveranstalter dem Reisevertrag zugrunde legen will,wenn der Reiseveranstalter die Reisebedingungen dem Rei-senden vor Vertragsschluss vollständig übermittelt.

Eine Klausel in Allgemeinen Reisebedingungen, mit der diegesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Reisendenwegen eines Mangels der Reise abgekürzt wird, ist wegenVerstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. aund b BGB insgesamt unwirksam, wenn die in diesen Klausel-verboten bezeichneten Schadensersatzansprüche nicht vonder Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden.

(Leitsätze des Gerichts)

BGH, Urt. v. 26.02.2009, Az.: Xa ZR 141/07

(ID 42844)

Gründe:

7 Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebungdes angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung derSache an das Berufungsgericht.

8 I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im We-sentlichen wie folgt begründet:

9 Etwaige Ansprüche des Klägers seien verjährt. Die Reise-und Zahlungsbedingungen der Beklagten, mit denen siein Nummer 10.7 von der nach § 651m Satz 2 BGB gege-benen Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, die Verjäh-rung zu erleichtern, seien wirksam in den Vertrag einbe-zogen worden. In der bei der Buchung im Reisebüroerstellten Reiseanmeldung liege das Angebot des Klägersauf Abschluss eines entsprechenden Reisevertrages. BeiAbgabe dieses Angebots sei der Kläger ausreichend deut-lich darauf hingewiesen worden, dass für den abzuschlie-ßenden Vertrag die Reise- und Zahlungsbedingungen gel-ten sollten. In der Reiseanmeldung heiße es nämlich, dassdie Reise- und Zahlungsbedingungen anerkannt wordenund Vertragsinhalt seien. Der Kläger habe auch eine zu-mutbare Möglichkeit gehabt, von den Reise- und Zah-lungsbedingungen Kenntnis zu nehmen. Da die Buchunganhand des die Reise- und Zahlungsbedingungen enthal-tenen Katalogs erfolgt sei, habe der Kläger die Möglich-keit gehabt, in den Katalog und damit auch in die Reise-und Zahlungsbedingungen der Beklagten Einsicht zu neh-men. Es gelte daher die ein-jährige Verjährungsfrist gemäßNummer 10.7 der Reise- und Zahlungsbedingungen. DieVerjährung sei durch die Klageerhebung nicht gehemmtworden, da die Zustellung der Klageschrift erst nach Voll-endung der Verjährung und infolge der vom Kläger un-vollständig angegebenen Adresse der Beklagten nicht„demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt sei.

10 II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfungnicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht ange-nommen, dass etwaige Ansprüche des Klägers auf teilweiseRückerstattung des Reisepreises unter dem Gesichtspunktder Minderung nach §§ 651d Abs. 1, 651c Abs. 1, 638Abs. 3 und 4 BGB und auf Zahlung einer angemessenenEntschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeitnach § 651f Abs. 2 BGB verjährt seien. Nach § 651g Abs.2 Satz 1 BGB verjähren Ansprüche des Reisenden nach den§§ 651c bis 651f in zwei Jahren. Diese Frist ist durch dieReise- und Zahlungsbedingungen der Beklagten nichtwirksam verkürzt worden; die Verjährung in der gesetz-lichen Frist ist durch die Klageerhebung gehemmt worden.

11 1. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen bereitsnicht die Annahme, die Reise- und Zahlungsbedingun-

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gen seien in den von den Parteien geschlossenen Reise-vertrag einbezogen worden.

12 Die Reise- und Zahlungsbedingungen sind Allgemeine Ge-schäftsbedingungen, die nach § 305 Abs. 2 BGB nur dannVertragsbestandteil werden, wenn der Verwender die an-dere Vertragspartei nicht nur gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 1auf diese Bedingungen hinweist, sondern ihr auch dieMöglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihremInhalt Kenntnis zu nehmen. Es kann dahinstehen, ob derHinweis in der Reiseanmeldung § 305 Abs. 2 Nr. 1 genügt.Das erscheint deshalb nicht unzweifelhaft, weil “die” Rei-se- und Zahlungsbedingungen, auf die verwiesen wordenist, weder durch einen Hinweis auf den Katalog, in demdiese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ab-gedruckt waren, noch in sonstiger Weise identifiziert wor-den sind. Jedenfalls hat das Berufungsgericht aber diezweite Obliegenheit zu Unrecht für erfüllt gehalten. Ent-gegen seiner Auffassung ist es dem Reisenden, der im Rei-sebüro eine Reise bucht, nicht zuzumuten, durch Ein-sicht in den Katalog Kenntnis von den AllgemeinenGeschäftsbedingungen zu nehmen, die der Reiseveran-stalter dem Reisevertrag zugrunde legen will.

13 Bei den Reisebedingungen handelt es sich typischerweise– und so auch im Streitfall – um umfangreiche, im Klein-druck wiedergegebene Klauselwerke. Sie im Reisebürowirklich zur Kenntnis zu nehmen, ist praktisch unmöglichund kann jedenfalls vom Reisenden nicht erwartet werden(vgl. Kappus, RRa 2003, 198, 200; Tonner in Münch-Komm./BGB, 4. Aufl., § 651a Rdn. 67; § 6 BGB-InfoV Rdn.19; Staudinger/Schlosser, BGB, Neubearb. 2006, § 305 Rdn.145; Tempel, NJW 1996, 1625, 1630; RRa 2002, 185,186 f.). Denn das Gesetz verlangt von dem Reiseveran-stalter, dass er seine Allgemeinen Geschäftsbedingungendem Reisenden in die Hand gibt. Nach § 6 Abs. 3 BGB-In-foV müssen Allgemeine Geschäftsbedingungen, die derReiseveranstalter dem Vertrag zugrunde legt, dem Reisen-den vor Vertragsschluss vollständig übermittelt werden.Diese Verpflichtung kann der Reiseveranstalter nach § 6Abs. 4 Satz 1 BGB-InfoV zwar auch dadurch erfüllen, dasser auf die in einem von ihm herausgegebenen und demReisenden zur Verfügung gestellten Prospekt enthaltenenAngaben verweist, die den Anforderungen nach Absatz 3entsprechen. Dies setzt indessen voraus, dass der Reise-veranstalter dem Reisenden den Prospekt zur Verfügungstellt. Zumindest bei einer Buchung im Reisebüro muss derKatalog dem Reisenden ausgehändigt werden; es genügtgerade nicht, dass der Katalog nur im Reisebüro einseh-bar ist (BGH, Urt. v. 12.6.2007 - X ZR 87/06, NJW 2007,2549, 2551 f.). Auch wenn § 6 Abs. 3 BGB-InfoV nichtunmittelbar die Voraussetzungen für eine wirksame Ein-beziehung von Reisebedingungen in den Reisevertrag be-stimmt (Basedow in MünchKomm./ BGB, 5. Aufl., § 305Rdn. 62; Staudinger/Eckert, BGB, Neubearb. 2003, § 651a,Rdn. 85; Staudinger, RRa 2007, 245, 250 f.), genügt ange-sichts dieser gesetzlichen Verpflichtung des Reiseveran-stalters die bloße Gelegenheit, den Katalog im Reisebüroeinzusehen, nicht dem Erfordernis des § 305 Abs. 2 Nr. 2BGB, dem Reisenden die Möglichkeit zu verschaffen, in zu-mutbarer Weise vom Inhalt der Reisebedingungen Kennt-nis zu nehmen. Dementsprechend wird auch in der Be-gründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführungder Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschal-reisen zu § 3 Abs. 3 InfoV a.F. (§ 6 Abs. 3 BGB-InfoV n.F.)

ausgeführt, dass durch die besonderen Erfordernisse des§ 3 Abs. 3 dieser Verordnung die “Möglichkeit der Kennt-nisnahme” im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGB-Gesetz (jetzt:§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB) verstärkt werde (BT-Drucks.12/5354, S. 18).

14 Auch die Erwägung des Berufungsgerichts, dem Reisen-den, der sich mit der Lektüre der Geschäftsbedingungenim Reisebüro überfordert fühle, bleibe es unbenommen,den Katalog mit nach Hause zu nehmen, dort die Bedin-gungen in Ruhe zu studieren, um danach wieder im Rei-sebüro zur Buchung der Reise zu erscheinen, führt nichtweiter. Dies läuft darauf hinaus, dass der Kläger um die(vorübergehende) Aushändigung des Katalogs hätte bittenkönnen. Es ist jedoch nicht die andere Vertragspartei,sondern der Verwender, der die Möglichkeit schaffenmuss, in zumutbarer Weise die Geschäftsbedingungenzur Kenntnis zu nehmen (BGHZ 109, 192, 196).

15 2. Darüber hinaus ist die Verjährungsfrist im Streitfall auchdeshalb nicht verkürzt worden, weil die einschlägige Rei-sebedingung unwirksam ist.

16 a) Die Bestimmung in Nummer 10.7 Satz 1 der Reise- undZahlungsbedingungen der Beklagten verstößt gegen dasKlauselverbot des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB.

17 Nach § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB kann in Allgemei-nen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung fürSchäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oderder Gesundheit nicht, für sonstige Schäden nur für denFall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenztwerden. Eine Begrenzung der Haftung in diesem Sinn istauch die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit ent-sprechender Schadensersatzansprüche durch Abkürzungder gesetzlichen Verjährungsfristen (BGHZ 170, 31, 37;BGH, Urt. v. 29.5.2008 - III ZR 59/07, NJW-RR 2008, 1129,1134). Hiergegen verstößt Nummer 10.7 Satz 1 der Reise-und Zahlungsbedingungen der Beklagten (vgl. LG Frank-furt am Main RRa 2008, 243, 244; A. Staudinger, RRa 2007,245, 249). Denn die Reisebedingung schließt nach Ver-jährungseintritt die Haftung für Schadensersatzansprü-che des Reisenden wegen eines Mangels der Reise nach§ 651f Abs. 1 BGB generell aus, ohne Schäden durch dieVerletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheitoder Fälle eines groben Verschuldens des Reiseveranstal-ters oder seiner Erfüllungsgehilfen auszunehmen.

18 § 651m Satz 2 BGB lässt es zwar ausdrücklich zu, vor Mit-teilung eines Mangels die Verjährungsfrist auf mindes-tens ein Jahr zu verkürzen. Nach der Begründung des Ent-wurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechtssteht die dem Reiseveranstalter in § 651m Satz 2 BGB ein-geräumte Möglichkeit zur Verkürzung der Verjährung inAllgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch ausdrücklichin den Grenzen des § 309 Nr. 7 BGB (BT-Drucks. 14/6040,S. 269).

19 b) Die verbotswidrige Begrenzung der Haftung hat zurFolge, dass Nummer 10.7 Satz 1 der Reise- und Zahlungs-bedingungen unwirksam ist. Verstößt eine Formularbe-stimmung gegen ein Klauselverbot, so kann sie nur unterder Voraussetzung teilweise aufrechterhalten bleiben, dasssie sich nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlichund sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und einenunzulässigen Regelungsteil trennen lässt (BGHZ 170, 31,38). Dies ist hier nicht möglich. Die Klausel enthält in

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Nummer 10.7 Satz 1 eine einzige Regelung, mit der fürsämtliche vertragliche Ansprüche des Reisenden die Ver-jährung auf ein Jahr abgekürzt wird. Um zu einem inhalt-lich zulässigen Inhalt zu gelangen, müsste die Klausel umeine Ausnahmeregelung für die Verjährung der in § 309Nr. 7 Buchst. a und b BGB aufgeführten Schadensersatz-ansprüche ergänzt werden. Hierbei würde es sich indes-sen um eine geltungserhaltende Reduktion auf denerlaubten Inhalt handeln, die nach ständiger Recht-sprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Betrachtkommt (vgl. BGHZ 170, 31, 38; BGH, Urt. v. 3.6.2004 – XZR 28/03, NJW 2004, 2965, 2966; BGHZ 100, 157, 184 f.).

20 c) Mit dem VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGHZ170, 31, 39) sieht auch der Senat im Hinblick auf die vomBundesarbeitsgericht in zwei jüngeren Entscheidungenvertretene Auffassung, es sei keine Haftungsbegrenzungim Sinne des § 309 Nr. 7 BGB, wenn eine Ausschlussklau-sel die schriftliche oder klageweise Geltendmachung vonAnsprüchen vorsieht (BAG, NJW 2006, 795, 797; NJW2005, 3305, 3306), keinen Anlass zur Anrufung des Ge-meinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes,weil die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts nichtauf der abweichenden Rechtsauffassung beruhen (vgl.BGHZ 141, 351, 357; GmS-OGB BGHZ 88, 353, 356). Inbeiden Fällen waren die betreffenden Klauseln wegen un-angemessener Benachteiligung der Vertragspartner desVerwenders aufgrund unangemessen kurzer Ausschluss-fristen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

21 III. Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand ha-ben. Zur Prüfung des geltend gemachten Reisemangels istdie Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Fluggastrechte, Ausgleichszahlung, Nichtbeförderung,Umbuchung

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werdengemäß Art. 234 EG zur Auslegung von Art. 4 Abs. 3 der Ver-ordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments unddes Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Rege-lung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Flug-gäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierungoder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung derVerordnung (EWG) Nr. 295/91 folgende Fragen vorgelegt:

a) Stellt die Umbuchung auf einen anderen Flug einen von Ar-tikel 4 Abs. 3 der Verordnung erfassten Sachverhalt dar?

b) Falls die erste Frage zu bejahen ist:

Ist diese Vorschrift auch auf eine Umbuchung anzuwenden,die nicht durch das Luftfahrtunternehmen, sondern alleindurch das Reiseunternehmen veranlasst worden ist? (Vorlagefragen des Gerichts)

BGH, Beschl. v. 07.10.2008, Az.: x ZR 96/06

(ID 42845)

Aus den Gründen:

1 I. Die Klägerin verlangt von dem beklagten Charterflug-unternehmen Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der Ver-ordnung (EG) 261/2004 des Parlaments und des Rates übereine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unter-

stützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeför-derung und bei Annullierung oder großer Verspätung vonFlügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG)Nr. 295/91 vom 11. Februar 2004 (ABl. EG L 46 vom17.2.2004 S. 1 ff.; im Folgenden: Verordnung; VO) nebstAnwaltskosten und Zinsen. Sie buchte für sich und drei Fa-milienangehörige bei der T. GmbH (im Folgenden: Reise-veranstalterin) eine Flugpauschalreise in die Türkei. Dervon der Beklagten durchzuführende Rückflug war für den15. Juli 2005 von Antalya nach Berlin-Tegel mit einer Start-zeit von 10:40 Uhr mit dem Flug Nr. … der Beklagten vor-gesehen. Am 12. Juli 2005 wurden die Klägerin und ihreFamilie durch die örtliche Reiseleitung benachrichtigt,dass der Rückflug von der Reiseveranstalterin aus organi-satorischen Gründen geändert worden sei. Die Klägerinund ihre Familienangehörigen wurden am 15. Juli 2005mit Flug Nr. … der Beklagten mit Abflugzeit 11:00 Uhrzum Flughafen Leipzig und von dort aus mittels Bus-transfers nach Berlin weiterbefördert. Der Flug Nr. … wur-de von der Beklagten planmäßig durchgeführt.

2 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Be-klagte nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. b, Art. 4 Abs. 2, 7 VO zurZahlung eines Ausgleichsbetrags in Höhe von 1.600 EUR(je 400 EUR für vier Reiseteilnehmer) sowie von vorge-richtlichen Anwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, ver-pflichtet sei. Die Beklagte hat erwidert, dass sie die Beför-derung nicht verweigert habe und dass sie für dieUmbuchung durch die Reiseveranstalterin nicht verant-wortlich sei. Das Amtsgericht hat der Klage im Wesent-lichen (mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachtenAnwaltskosten) stattgegeben (AG Rüsselsheim RRa 2006,92). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgerichtdie Klage in vollem Umfang abgewiesen (LG DarmstadtRRa 2006, 228). Hiergegen richtet sich die vom Landge-richt zugelassene Revision der Klägerin, mit der diese dieKlageforderung mit ihren in der Berufungsinstanz gestell-ten Schlussanträgen weiterverfolgt. Die Beklagte verteidigtdas angefochtene Urteil.

5 3. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung desArt. 4 Abs. 3 der Verordnung ab. Das Revisionsverfahrenist deshalb auszusetzen, und es ist gemäß Art. 234 Abs. 1Buchst. b, Abs. 3 EG eine Vorabentscheidung des Ge-richtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu den imBeschlusstenor gestellten Fragen einzuholen.

6 a) Der von der Klägerin für sich und ihre Angehörigengeltend gemachte schadens- und verschuldensunabhän-gige, in der Höhe standardisierte Ausgleichsanspruch nachArt. 7 VO setzt nach Art. 4 Abs. 3 VO die Verweigerungder Beförderung gegen den Willen der Fluggäste voraus.Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob und gegebenenfallsunter welchen Voraussetzungen eine Verlegung (Umbu-chung) der Reisenden auf einen anderen Flug als Verwei-gerung der Beförderung im Sinn des Art. 4 Abs. 3 VO ge-wertet werden kann.

7 Die „Nichtbeförderung“ ist in Art. 2 Buchst. j VO als dieWeigerung legal-definiert, Fluggäste zu befördern, ob-wohl sie sich unter den in Art. 3 Abs. 2 genannten Bedin-gungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine ver-tretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind,z.B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der all-gemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzurei-chenden Reiseunterlagen. Aus dieser Definition könnte

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gefolgert werden, dass die Beförderungsverweigerung ei-ne Zurückweisung der Fluggäste am Flugsteig (durch dieausführende Fluggesellschaft) voraussetzt. Der Senat kannjedoch nicht ausschließen, dass damit der Schutzzweckdes Art. 4 Abs. 3 VO unvollständig erfasst wäre.

8 Nach Erwägungsgrund 5 VO soll sich, da die Unterschei-dung zwischen Linienflugverkehr und Bedarfsflugverkehran Deutlichkeit verliere, der Schutz der Verordnung nichtauf Fluggäste im Linienflugverkehr beschränken, sondernauf Fluggäste im Bedarfsflugverkehr, einschließlich Flügenim Rahmen von Pauschalreisen, erstrecken.

9 Dies könnte lediglich bedeuten, dass Fluggäste im Pau-schalreiseverkehr wie Fluggäste im Linienverkehr gegenVerspätungen, Annullierungen von Flügen und Beförde-rungsverweigerungen durch die Fluggesellschaft geschütztwerden sollen. Hierfür könnte auch sprechen, dass Norm-adressat des Art. 4 Abs. 1 VO die ausführende Fluggesell-schaft ist, die, wenn für sie nach vernünftigem Ermessenabsehbar ist, dass Fluggästen die Beförderung zu verwei-gern ist, zunächst zu versuchen hat, Fluggäste gegen eineentsprechende Gegenleistung unter Bedingungen, diezwischen dem betreffenden Fluggast und dem ausführen-den Luftfahrtunternehmen zu vereinbaren sind, zumfreiwilligen Verzicht auf ihre Buchungen zu bewegen.Ebenso ist in Art. 4 Abs. 2 VO dem ausführenden Luft-fahrtunternehmen das Recht gegeben, Fluggästen – dann,aber auch erst dann – gegen ihren Willen die Beförderungzu verweigern, falls sich nicht genügend Freiwillige fin-den, um die Beförderung der verbleibenden Fluggäste mitBuchungen mit dem betreffenden Flug zu ermöglichen.Hieran könnte die in Art. 4 Abs. 3 VO angesprochene Be-förderungsverweigerung anknüpfen, zumal in der akti-visch formulierten französischen und der spanischenSprachfassung die Fluggesellschaft ausdrücklich als dieje-nige genannt ist, die sich weigert, Fluggäste an Bord zunehmen und diesen deshalb unverzüglich die Ausgleichs-leistungen gemäß Art. 7 und die Unterstützungsleistungengemäß den Art. 8 und 9 zu erbringen hat („S’il refuse despassagers à l’embarquement contre leur volonté, le trans-porteur aérien effectif indemnise immédiatement ces der-niers conformément à l’article 7, et leur offre une assis-tance conformément aux articles 8 et 9. – En caso de quedeniegue el embarque a los pasajeros contra la voluntad deéstos, el transportista aéreo encargado de efectuar el vue-lo deberá compensarles inmediatamente de conformidadcon el artículo 7 y prestarles asistencia de conformidad conlos artículos 8 y 9.“), während zahlreiche andere Sprach-fassungen (etwa die englische, die schwedische, die nieder-ländische, die dänische, die italienische und die portugie-sische Fassung) wie die deutsche Art. 4 Abs. 3 im Passivformulieren und damit nach ihrem Wortlaut offenlassen,durch wen die Verweigerung erfolgt.

10 Die Absicht des Verordnungsgebers, den Schutz der Ver-ordnung auf Flüge im Rahmen von Pauschalreisen zu er-strecken, könnte jedoch auch dafür sprechen, in der Um-buchung des Pauschalreisenden eine Weigerung zu sehen,diesen mit dem (ursprünglich) gebuchten Flug zu beför-dern.

11 Aus der Sicht des Fluggasts, der der Umbuchung nicht zu-gestimmt hat, kommt die Umbuchung einer Weigerunggleich, ihn mit dem vorgesehenen Flug zu befördern. DieUmbuchung lässt sich demgemäß gedanklich in eine Ver-

weigerung der vorgesehenen Beförderung und die Bu-chung auf einen neuen Flug zerlegen. Die Einbeziehungder Umbuchung in den Tatbestand der Beförderungsver-weigerung könnte deshalb erforderlich sein, um den Pau-schalfluggast davor zu schützen, dass ihm der Schutz derVerordnung dadurch entzogen wird, dass er – anders alsein Linienfluggast – nicht erst am Flugsteig zurückgewie-sen wird, sondern bereits zuvor auf einen anderen Fluggebucht wird, weil bei Pauschalflügen häufiger als bei Li-nienflügen bereits im Voraus absehbar sein wird, ob ge-nügend Plätze für alle am Flugsteig zu erwartenden Flug-gäste vorhanden sein werden oder nicht.

12 Der Klärung der Frage, wie die Verordnung insoweit aus-zulegen ist, dient die erste Vorlagefrage.

13 b) Sollte die Umbuchung grundsätzlich als Beförderungs-verweigerung in Betracht kommen, stellt sich die weitereFrage, ob auch eine Umbuchung, die durch den Reisever-anstalter erfolgt, bei dem der Fluggast die Pauschalreise ge-bucht hat, eine solche Beförderungsverweigerung dar-stellt.

14 Der Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 VO lässt insoweit, wie be-reits ausgeführt, jedenfalls in den im Passiv formuliertenSprachfassungen keine eindeutige Beurteilung zu.

15 Gegen die Einbeziehung derartiger Umbuchungen könn-te sprechen, dass die Verordnung – jedenfalls in erster Li-nie – die Verpflichtungen regelt, die das ausführende Luft-fahrtunternehmen treffen, wenn sich ein Flug verspätetoder wenn er annulliert wird oder wenn Fluggäste amFlugsteig zurückgewiesen werden. Es ist demgemäß auchdas ausführende Luftfahrtunternehmen, das die Aus-gleichsleistungen gemäß Art. 7 und die Unterstützungs-leistungen gemäß den Art. 8 und 9 zu erbringen hat, undnicht der Reiseveranstalter. Da das ausführende Luftfahrt-unternehmen gegebenenfalls gar keinen Einfluss auf eineUmbuchung durch den Reiseveranstalter haben kann (et-wa wenn dieser umbucht, weil er eine größere Anzahl Pau-schalreisender zu befördern hat, als er Plätze bei demUnternehmen gebucht hat), könnte dies dagegen spre-chen, das Luftfahrtunternehmen für ein Verhalten desseiner Weisung nicht unterworfenen Reiseveranstaltershaften zu lassen.

16 Andererseits wird der Pauschalfluggast bei einer Verlegung(Umbuchung) vielfach nicht überprüfen können, wer dieÄnderung tatsächlich veranlasst hat, zumal wenn ihm diesnicht offengelegt wird, sondern er nur die Mitteilung er-hält, dass eine Verlegung stattfinden soll. Dies könnte da-für sprechen, Verlegungen durch Dritte wie das Reiseun-ternehmen nicht anders zu behandeln als Verlegungendurch das Luftfahrtunternehmen. Zudem könnte die Be-schränkung der Haftung auf Handlungen des Luftfahrt-unternehmens dazu führen, dass die Verantwortunggegenüber dem Fluggast dem nicht haftenden Partner zu-geschoben wird. Es erscheint daher denkbar, dass die Ver-ordnung den Reisenden vor solchen Unsicherheiten be-wahren und auch für diese Fälle einen einfachen Zugriffauf das Lufttransportunternehmen ermöglichen soll, mitdem der Reisende anlässlich seiner Beförderung ohnehinKontakt aufnehmen muss. Ein solches Ergebnis entsprä-che auch einer in der deutschen reiserechtlichen Litera-tur vertretenen Meinung, nach der es Sinn und Zweckder Verordnung gebieten, die Verlegung (Umbuchung)als Nichtbeförderung anzusehen, da sonst das Luftfahrt-

Reiserecht | R E C H T S P R E C H U N G

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unternehmen oder der Reiseveranstalter die Rechtsfolgender Verordnung durch Verlegung auf spätere oder fremdeFlugkapazitäten umgehen könnte (Führich, Reiserecht,5. Aufl. 2005 Rdn. 1019; Lienhard in Zeitschrift für Ge-meinschaftsprivatrecht - GPR - 2004, 258, 261 f.).

17 Der bei einer Haftung des Luftverkehrsunternehmens imAußenverhältnis zum Reisenden unrichtigen Verteilungim Innenverhältnis von Luftverkehrsunternehmen undReiseveranstalter könnte dadurch Rechnung getragensein, dass dem Luftverkehrsunternehmen für den Fall desFehlens eigener Veranlassung Ausgleichsansprüche gegenden Reiseveranstalter zustehen. Solche Ansprüche regeltdie Verordnung unmittelbar allerdings nicht; sie lässtaber nach ihrem Artikel 13 anderweitig begründete Aus-gleichsansprüche unberührt und erwähnt in diesem Zu-sammenhang ausdrücklich Erstattungsansprüche gegen-über einem Reiseunternehmen.

Pauschalreise, Verkehrssicherungspflichten,Schwimmbad

Der Reiseveranstalter verletzt seine Verkehrssicherungs-pflicht, wenn er nicht kontrolliert, ob in einem zu einem Hotelgehörenden Schwimmbad Startblöcke nur an Stellen aufge-stellt sind, an denen eine ausreichende Wassertiefe besteht.(Leitsatz von Prof. Dr. Klaus Tonner)

OLG Köln, Urt. v. 30.03.2009, Az.: 16 U 71/08

(ID 42846)

Aus den Gründen:

I.

Am 17.07.2006, dem zweiten Tag einer von seiner Mutter beider Beklagten gebuchten Reise in das Hotel X. in Y./Tsche-chien, suchte der seinerzeit 14 Jahre alte Kläger gegen Mittagdas dem Hotel angeschlossene Hallenschwimmbad auf. DasBecken hat eine verschachtelte Form mit teilweise geschwun-genen Seitenwänden; teilweise sind sie rechteckig ausgebil-det. An einer schmalen Seite des rechteckig ausgebildetenTeils befand sich ein Startblock mit einem nach vorne geneig-ten Trittbrett. Auf die rückwärtige Stirnseite des Trittbrettswar mit roter Schrift auf weißem Grund der Hinweis„HLOUBKA 1,40 m“ (deutsch: Tiefe 1,40 m) aufgeklebt. Ander parallel zu dieser Seite des Beckens verlaufenden Seiten-wand des Bades waren in ca. 2 m Höhe nebeneinander zweirunde Aufkleber in der Form eines roten Kreises mit einemdiagonal verlaufenden roten Balken auf weißem Hintergrundangebracht. Bei einem der Schilder in der Größe einer Wand-kachel bezog sich das durch den roten Balken signalisierteVerbot auf das Piktogramm eines Kopfspringers, bei demanderen auf eine laufende Person.

Unmittelbar nach Betreten des Bades ging der Kläger, ohnedie Piktogramme an der Wand und die Aufschrift auf derStirnseite des Startblocks zu sehen, seitlich zu dem Startblockund machte von dort einen Kopfsprung in das nur 1,40 mtiefe Wasser. Dabei zog er sich eine HalswirbelkörperfrakturC5 und C6 sowie einen Bänderabriss C4/C5 zu.

Der Kläger hat von der Beklagten die Zahlung eines ange-messenen Schmerzensgeldes, mindestens 15.000,– EUR, dieRückerstattung des Reisepreises für 4 Tage in Höhe von230,32 EUR aus abgetretenem Recht seiner Mutter, die Erstat-

tung eines materiellen Schadens von 110,41 EUR sowie dieFeststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftigenmateriellen und immateriellen Schaden begehrt.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 25.09.2009 (…) die Klageabgewiesen. Mit der hiergegen eingelegten Berufung verfolgtder Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung ist teil-weise begründet.

Dem Kläger stehen wegen des Unfalls vom 17.08.2006 einSchmerzensgeld von 10.000,– EUR sowie die weiter geltendgemachten 340,73 EUR zu. Ferner ist das Feststellungsbegeh-ren gerechtfertigt.

1. Die Beklagte ist gem. § 651f Abs. 1 i.V.m. §§ 253, 278 BGBverpflichtet, dem Kläger, der als Mitreisender in die Schutz-wirkung des von seiner Mutter abgeschlossenen Reisevertra-ges einbezogen war, ein Schmerzensgeld von 10.000,- EUR zuzahlen.

Ein Reiseveranstalter schuldet aufgrund seiner Obhuts- undFürsorgepflichten Abwehrmaßnahmen gegen solche mit denReiseleistungen verbundenen Gefahren, mit denen der Rei-sende nicht zu rechnen braucht und die er deshalb nicht wil-lentlich in Kauf nimmt. Deshalb stellen auch Beeinträchti-gungen infolge von Sicherheitsdefiziten im Verantwortungs-bereich des Reiseveranstalters, d.h. infolge einer Verletzungeiner Verkehrssicherungspflicht, für deren Einhaltung er odersein örtlicher Leistungsträger einzustehen hat, einen Reise-mangel i.S.d. § 651c Abs. 1 BGB dar (BGH, NJW 2007, 2549,2551; Senat, RRa 2007, 65).

a) Vorliegend hat der Betreiber des Schwimmbades durch dasAufstellen des Startblocks an einer Stelle, in der dasSchwimmbadbecken nur 1,40 m tief war, als örtlicher Leis-tungsträger eine ihn treffende Verkehrssicherungspflicht ver-letzt.

Derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, ist grundsätzlich ver-pflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zutreffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.Die gebotene Verkehrssicherung erfasst dabei diejenigen Maß-nahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünfti-gen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausrei-chend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Da nichtjeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann,wird eine Gefahr erst dann haftungsbegründend, wenn sichfür ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeitergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. BGH,NJW 2008, 3775, 3776). Dabei kommt dem Kriterium der Ver-kehrserwartung entscheidende Bedeutung zu. Diese geht in derRegel dahin, dass eine bestimmungsgemäße Nutzung einer fürden Verkehr eröffneten Einrichtung gefahrlos möglich ist (J.Lange/Schmidbauer in: jurisPK-BGB, [4. Aufl. 2008], § 823 BGB,Rn. 86). Speziell für Schwimmbäder folgt hieraus, dass derenBenutzer vor den Gefahren zu schützen sind, die über das übli-che Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen und vonihnen nicht vorhersehbar oder ohne weiteres erkennbar sind.Wenn sie – wie vorliegend – auch von Kindern und Jugend-lichen benutzt werden, die zu unbesonnenem Handeln undzur Missachtung von Vorschriften und Anordnungen neigen,ist dem durch besondere Maßnahmen vorzubeugen (BGH,NJW 1980, 1159, 1160; NJW 2004, 1449, 1450).

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VuR 6/2009 | 233

Enthält das Bad eine Sprunganlage, ist sie so einzurichten,dass für die Benutzer die Gefahr der Grundberührung beimSpringen ausgeschaltet ist (vgl. OLG Brandenburg, ZfS 2000,287 zu „5 cm hohen, startblockähnlichen Erhöhungen“ aufdem Steg eines Badesees bei einer Wassertiefe von 1,40 m;OLG Celle, VersR 1969, 1049 zu einem 1,5 m hohen Sprung-brett bei einer Wassertiefe von 1,70 m). Der Kläger hat mitRecht darauf hingewiesen, dass die bestimmungsgemäßeBenutzung von Startblöcken darin besteht, von diesen in dasangrenzende Schwimmbecken zu springen, sei es per Kopf-oder per Fußsprung. Die insoweit vom Landgericht Köln vor-genommene Unterscheidung zwischen „normalen Start-sprüngen, die im flachen Winkel ausgeführt werden“ und„steilen“, „extremen“ Sprüngen überzeugt unabhängigdavon nicht, dass jedenfalls in Deutschland die einschlägigenUnfallverhütungsvorschriften bei Startblöcken eine Mindest-tiefe von 1,80 m vorsehen (OLG Brandenburg a.a.O.), alsoeine solche von nur 1,40 m entgegen der Meinung des Land-gerichts gerade nicht ausreichend ist. Gegen eine solche Dif-ferenzierung spricht bereits, dass die Grenzziehung zwischen„normalen Startsprüngen“ und „steilen Sprüngen“, die nichtmehr von der Verkehrssicherungspflicht erfasst sein sollen,nur schwer möglich ist. Die Frage, ab welchem Neigungswin-kel ein „normaler Startsprung“ in einen „steilen Sprung“ mitder Folge umschlägt, dass für die sich aus letzterem ergeben-den Folgen nicht mehr gehaftet werden soll, lässt sich nichtbeantworten. Deutlich wurde dies auch bei der Anhörung desKlägers, der die Frage, wie genau er gesprungen sei, nichtbeantworten konnte, sondern angab, er habe, ohne sichetwas dabei zu denken, einen „normalen“ Kopfsprung, wie erihn gewohnt sei, gemacht.

Vor allem aber trifft auch die Verkehrsauffassung eine solcheUnterscheidung nicht: Die Benutzer eines Bades gehen davonaus und können davon ausgehen, dass das Schwimmbeckenunterhalb einer Sprungeinrichtung eine für alle Arten vonSprüngen ausreichende Tiefe aufweist (OLG Stuttgart, VersR1961, 1026, 1028). Wenn ein Benutzer von einem Startblockeinen Kopfsprung – wie auch immer – macht, macht er vondieser Einrichtung nur seinen bestimmungsgemäßenGebrauch. Die nach vorne geneigte Trittfläche bot zudem fürderartige Sprünge gerade bei Jugendlichen einen besonderenAnreiz. „Startsprünge“ können im Übrigen missglücken undmit einem steileren Eintauchwinkel als geplant enden.

b) Die Aufkleber waren nicht geeignet, der Gefahr zu begeg-nen, die von dem Startblock ausging, der an einer Stelle ange-bracht war, wo er wegen der zu geringen Wassertiefe nichts zusuchen hatte. Dies betrifft zunächst das Piktogramm mit demdurchgestrichenen Kopfspringer, das nach den zutreffendenFeststellungen des Landgerichts anhand der eingereichtenFotos einen Durchmesser von etwa 15 cm hatte und sich ineiner Entfernung von ca. 3 m von dem Startblock befand. Eswar zudem nicht dort angebracht, wo es Personen, die – woauch immer in dem verwinkelten Schwimmbadgelände – insWasser springen wollten, sehen mussten. Der Blick hieraufwurde im Gegenteil von einer Person, die – wie der Kläger –parallel zu der Wand von der Seite her kam, noch durcheinen Vorsprung mit einem ziemlich dicken zylinderförmi-gen Rohr vom Boden bis zur Decke eingeschränkt. Damit warnicht gewährleistet, dass die mit dem Piktogramm verbunde-ne Anordnung des Verbots von Kopfsprüngen auch vonBenutzern erkannt wurde. Im Übrigen wurde sie praktischdurch den Startblock mit der geneigten Trittfläche wiederentwertet, also durch eine Einrichtung, deren bestimmungs-

gemäßer Gebrauch darin besteht, Kopfsprünge auszuführen.Auch ist das Becken dort so konstruiert, dass man daran den-ken kann, dass dieser rechteckige Teil anders als das in run-den Formen verlaufende übrige Becken, jedenfalls für „Start-sprünge“ geeignet ist.

Der Hinweis „HLOUBKA 1,40 m“ in einer Größe von ca. 25 x5 cm auf der rückwärtigen Stirnseite des Startblocks stelltekeine hinreichende Warnung vor der für einen Kopfsprungzu geringe Wassertiefe dar; denn auch er befand sich nicht aneiner Stelle, an der Gewähr dafür bestand, dass er auch gese-hen wurde, was etwa bei einem Aufkleber oben auf der Tritt-fläche der Fall gewesen wäre. Vielmehr konnte er nur vonsolchen Personen erkannt werden, die sich dem Block vonhinten näherten.

c) Das Verschulden des Schwimmbadbetreibers, für das dieBeklagte gem. § 278 BGB einzustehen hat, wird gemäß § 651fAbs. 1, HS. 2 BGB vermutet. Den ihr daher obliegenden Ent-lastungsbeweis hat die Beklagte nicht geführt. Ihr Vortrag,dass die für den Betrieb des Schwimmbades erforderlichenbehördlichen Abnahmen und Genehmigungen vorlagen,reicht nicht; denn die Verkehrssicherungspflicht orientiertsich an anderen rechtlichen Aspekten. Das Vorhandenseineiner behördlichen Genehmigung schließt die Verletzungeiner Verkehrssicherungspflicht nicht ohne Weiteres aus,sofern für den Sicherungspflichtigen die ungeachtet derGenehmigung verbleibende Gefahr erkennbar ist (BGH, NJW1985, 620, 621). So liegt der Fall hier. Der Betreiber derSchwimmanlage, von dem größere Sachkunde und Aufmerk-samkeit als von den Benutzern der Anlage zu fordern ist,hätte die von der zu geringen Wassertiefe ausgehende Gefahrerkennen können und müssen. Er hat diese offenbar aucherkannt, wie das Piktogramm und die Aufschrift an der Stirn-seite des Blocks deutlich machen. Nur waren die getroffenenMaßnahmen – wie ausgeführt – nicht geeignet, um der durchden Startblock geschaffenen Gefahrenlage zu begegnen, wasder Betreiber ebenfalls hätte erkennen können.

Da hiernach die Voraussetzungen einer vertraglichen Haf-tung der Beklagten vorliegen, kommt es nicht darauf an, obdaneben noch eine deliktische Haftung gem. § 823 BGBwegen Verletzung der einem Reiseveranstalter obliegendeneigenen Verkehrssicherungspflicht besteht, die für sie tätigenLeistungsträger im Hinblick auf deren Eignung und Zuverläs-sigkeit sorgfältig auszuwählen und die Art und Weise der Leis-tungserbringung durch diese regelmäßig zu überwachen.

d) Der Anspruch des Klägers ist nicht nach § 254 BGB wegenMitverschuldens zu mindern und erst recht nicht – wie dasLandgericht gemeint hat – ausgeschlossen.

Dem Kläger kann nicht vorgehalten werden, dass er sich vordem Sprung von dem Startblock nicht über die Wassertiefevergewissert, sondern – wie von ihm geschildert– „einfachso“ und ohne weitere Überlegungen einen Kopfsprung in dasihm nicht bekannte Becken gemacht hat. Von dem Benutzereiner Sprungeinrichtung in einem Schwimmbad ist nämlich– wie ausgeführt – nicht zu verlangen, dass er sich vor Aus-führung des ersten Sprunges der dafür ausreichenden Was-sertiefe, etwa durch Absteigen in das Becken, vergewissert.Vielmehr darf er sich darauf verlassen, dass das Wasser fürSprünge von dieser Einrichtung, also für eine bestimmungs-gemäße Nutzung ausreichend tief ist. Die Hinweise, die die-ses Vertrauen entkräften konnten, nämlich das Piktogrammund die Aufschrift auf dem Block hat der Kläger unstreitignicht gesehen und brauchte diese auch nicht zu sehen.

Reiserecht | R E C H T S P R E C H U N G

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Sonstige Feststellungen, die ein Mitverschulden begründenkönnten, konnten nicht getroffen werden. Insbesondere lässtsich nicht feststellen, dass die zu geringe Wassertiefe für denKläger auch ohne die Hinweise erkennbar war. Die Erkenn-barkeit der Wassertiefe in einem Schwimmbad hängt von derjeweiligen Lichtsituation und von Spiegelungen im Wasserab. Auch auf den Fotos ist nur zu sehen, dass vor dem Start-block in dem hellen Schwimmbadboden eine durchgezogeneschwarze Kachelreihe eingelassen ist, im Übrigen ein Merk-mal, das typisch für ein „normales“ Hallenbad ist und denEindruck erweckt, dass man sich in dem rechteckigen Teilaußerhalb des „Spaßbereichs“ des Bades befindet. Dazu, dassdie Wassertiefe aufgrund von stehenden Personen in dementsprechenden Bereich gerade im Zeitpunkt des Unfallserkennbar war, hat die Beklagte trotz einer entsprechendenAnheimgabe in der Ladungsverfügung zur Konkretisierungeines mehrdeutigen erstinstanzlichen Vortrags Tatsachennicht dargetan. Die Angabe des Klägers während seinerAnhörung, es hätten sich nur in dem „runden Bereich“ desBades Personen aufgehalten, ist daher nicht zu widerlegen.Entsprechendes gilt für seine weitere Angabe, er habe mit denübrigen Familienmitgliedern nach der Anreise am Vortagzum ersten Mal das Bad aufgesucht.

e) Der hiernach dem Grunde nach gerechtfertigte Schadens-ersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt, da die gesetzli-che Verjährungsfrist von zwei Jahren (§ 651g Abs. 2 BGB)durch die Zustellung der Klage am 19.10.2007 lange vorihrem Ablauf unterbrochen wurde. Die Klausel in Ziff. 13.2,S. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten,mit der die Verjährungsfrist für „Ansprüche des Reisendennach den §§ 651c bis 651f BGB“ auf ein Jahr abgekürzt wurde,entspricht inhaltlich derjenigen, die dem Urteil des Bundes-gerichtshofs vom 26.2.2009 – Xa ZR 141/07 – zugrunde liegt,und ist daher unwirksam. Darauf, ob die AGB wirksam in denReisevertrag einbezogen worden sind und wie lange die Fristgehemmt war, kommt es deshalb nicht an.

f) Der Höhe nach rechtfertigen der Unfall und dessen Folgenein Schmerzensgeld von 10.000,– EUR.

Die Unfallfolgen waren erheblich. Der Kläger wurde am Tagdes Unfalls in das örtliche Krankenhaus eingeliefert und am21.08.2006 in das Krankenhaus A. verlegt. Dort hielt manwegen eines zunächst nicht festgestellten Bänderabrisses eineOperation nicht für erforderlich, sodass der Kläger am25.8.2006 mit einer verstärkten Schanz´schen Krawatte ausder stationären Behandlung entlassen wurde. Nach anhalten-den Beschwerden und Feststellung des Bänderabrisses erfolg-te ein erneuter stationärer Aufenthalt vom 17. bis 26.10.2006mit zwei Operationsgängen. Anschließend musste der Klägernoch bis zum 28.10.2006 eine weiche Cervikalstütze tragenund wurde bis Ende März ärztlich und physiotherapeutischversorgt. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte er nicht am Sport-unterricht teilnehmen. Auch musste er einen geplantenTanzkursus ausfallen lassen.

Derzeit sind die Unfallfolgen zwar im Wesentlichen abge-klungen und äußern sich nur in einem von dem Kläger beiseiner Anhörung beschriebenen Spannungsgefühl, wenn erseinen Kopf einige Zeit nicht bewegt. Besonders belastendmusste sich jedoch für ihn auswirken, dass während derBehandlungsphase die dringende Gefahr einer Querschnitts-lähmung bestand. Dass der Kläger, der als damals 14-jährigerJunge noch den größten Teil seines Lebens vor sich hat undseinerzeit mit der Perspektive eines Lebens im Rollstuhl kon-

frontiert war, während dieser Zeit unter erheblichen Ängstengelitten hat, ist natürlich und führt dazu, dass ein deutlichhöheres Schmerzensgeld anzusetzen war, als der Senat untergeringerer Gewichtung der erheblichen psychischen Folgenin der mündlichen Verhandlung zur Diskussion gestellthatte.

Das weitergehende Begehren des Klägers ist indes nichtgerechtfertigt.

(…)

2. Der bezifferte Zahlungsantrag ist gerechtfertigt.

Wegen des Unfalls und des damit verbundenen Abbruchs desAufenthalts in S.-Mühle infolge der Verlegung des Klägers inein Krankenhaus nach A. war die Reise auch für seine Famili-enangehörigen mit einem Mangel behaftet, so dass seineMutter als Vertragspartnerin der Beklagten für die wegen dernotwendigen Rückreise nicht in Anspruch genommenen Rei-setage gem. § 651d Abs. 1 BGB den anteiligen Reisepreis von230,32 EUR zurückverlangen konnte. Diesen Anspruch hatsie wirksam an den Kläger abgetreten. Das in Ziff. 13.3 derAGB der Beklagten enthaltene Abtretungsverbot steht demunabhängig davon, ob es sich überhaupt auf die Abtretungvon Reisenden untereinander bezieht und ob die AGB wirk-sam Vertragsbestandteil geworden sind, nicht entgegen;denn die Klausel ist, wie der Senat mit inzwischen rechts-kräftigem Urteil vom 08.12.2008 – 16 U 49/08 – (RRa 2009,18) im Rahmen eines Verbandsklageverfahrens nach § 3Abs. 1 UKlaG entschieden hat, unwirksam.

Des Weiteren hat der Kläger gem. § 651f Abs. 1 BGB einenAnspruch auf Erstattung des ihm unstreitig entstandenenmateriellen Schadens von 110,41 EUR.

3. Der Feststellungsantrag ist ebenfalls gerechtfertigt, weilwegen der Arthrosegefahr die Entstehung weiterer materiellerund immaterieller Schäden möglich ist.

4..(…)

Die Revision war nicht zuzulassen, weil der Senat lediglichallgemein anerkannte Rechtsgrundsätze auf den Einzelfallangewandt hat.

Vor Ort gebuchter Ausflug, Einbeziehung inReisevertrag, Fremdleistung

Der Reiseveranstalter ist dann für einen vor Ort gebuchten undbezahlten Ausflug verantwortlich, wenn dieser aus Sicht desReisenden im Verantwortungs- und Organisationsbereich desReiseveranstalters stattfindet und der Reisende sich bei Män-geln allein mit dem Reiseveranstalter auseinanderzusetzen hat.(Leitsatz von Prof. Dr. Klaus Tonner)

LG Frankfurt a. M., Urt. v. 12.03.2009, Az.: 2/24 S 218/08

(ID 42847)

Aus den Gründen:

Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere form- und frist-gerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat siejedoch keinen Erfolg.

Der Kläger macht gegen die Beklagte aufgrund eines Unfallsanlässlich einer zusätzlich gebuchten Vulkanbesteigung Min-derungsansprüche in Höhe von 60 % des Reisepreises

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VuR 6/2009 | 235

(770,– EUR) für sich, in Höhe von 30 % (385,– EUR) für seineEhefrau, einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 1.500,–EUR sowie den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskos-ten geltend.

Das Amtsgericht hat die Passivlegitimation der Beklagten ver-neint und die Klage mit der Begründung abgewiesen, demVortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, dass die Beklag-te Reiseveranstalterin hinsichtlich des Ausflugs gewesen sei.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes ist die Beklagtezwar als Reiseveranstalterin hinsichtlich der gebuchten Vul-kanbesteigung anzusehen; die Berufung ist aber dennochzurückzuweisen, da der Beklagten eine Verletzung einer ihroder ihrem Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) obliegenden Ver-kehrssicherungspflicht nicht zur Last gelegt werden kann,weshalb die Reise auch nicht mangelhaft war (s. u.).

Die tatsächlichen Gesamtumstände rechtfertigen hier dieAnnahme, dass die Beklagte hinsichtlich des vor Ort gebuch-ten Ausflugs als Reiseveranstalterin zu werten ist.

Wenn bei einem Pauschalreisevertrag i. S. d. § 651a Abs. 1BGB zu den Hauptleistungen Beförderung und Unterkunftwahlweise und gesondert zu buchende Leistungen hinzutre-ten, insbesondere solche, die erst am Urlaubsort vereinbartund von einem Dritten ausgeführt werden, wie z. B. kosten-pflichtige Sportmöglichkeiten oder Tagesausflüge, so kommtes hinsichtlich der Haftung für diese Zusatzleistungen daraufan, ob sie nachträglich in den Reisevertrag einbezogen wordensind und deshalb zu den vom Reiseveranstalter vertraglichgeschuldeten Reiseleistungen gehören oder ob sie von ihm nurals Fremdleistung vermittelt worden sind. In der Recht-sprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass Rei-seunternehmen in verschiedener Weise tätig werden können,einerseits als Vermittler von Reiseleistungen, andererseits alsErbringer von Reiseleistungen in eigener Verantwortung, wo-bei sie sich Dritter als Leistungsträger bedienen können. Diesgilt auch für Pauschalreiseveranstalter, soweit es um eine nichtvom Pauschalpreis umfasste Zusatzleistung geht. Der Gesetz-geber wollte mit § 651a Abs. 2 BGB klarstellen, dass dem Rei-severanstalter nicht verwehrt sein soll, einzelne Reiseleistun-gen lediglich zu vermitteln (BGH, RRa 2007, 221, 223/224).

Nach der Vermittler- oder aber Veranstaltereigenschaft desReiseunternehmens richtet sich seine Haftung für einenUnfall des Reisenden.

Welche Art von Tätigkeit des Pauschalreiseveranstalters vor-liegt, hängt entscheidend davon ab, wie sich die Vertrags-partner tatsächlich gegenüberstehen, insbesondere, wie dasReiseunternehmen aus der Sicht des Reisenden auftritt. Legtdas Verhalten des Reiseveranstalters für den Reisenden nahe,dass die Veranstaltung trotz gesonderter Buchung im Organi-sations- und Verantwortungsbereich des Reiseveranstaltersstattfindet und der Reisende sich bei Mängeln allein mit demReiseveranstalter auseinanderzusetzen hat, so wird dieser Ver-tragspartner. Darf der Reisende das Gesamtverhalten des Rei-seunternehmens dahin verstehen, dass dieses selbst der Ver-anstalter und damit sein Vertragspartner ist, dann setzt sichdas Reiseunternehmen nach dem Grundsatz von Treu undGlauben in unvereinbaren Widerspruch mit seinem tatsäch-lichen Auftreten, wenn es vorgibt, nicht in eigenem, sondernin fremdem Namen zu handeln. Nicht nur für die Hauptleis-tungen des Pauschalreisevertrags, sondern auch für zur Wahlstehende Zusatzleistungen gilt § 651a Abs. 2 BGB, wonachdie Erklärung, nur Verträge mit den Personen zu vermitteln,

welche die einzelnen Reiseleistungen ausführen sollen (Leis-tungsträger), unberücksichtigt bleibt, wenn nach den sonsti-gen Umständen der Anschein begründet wird, dass der Erklä-rende vertraglich vorgesehene Reiseleistungen in eigener Ver-antwortung erbringt (BGH, a. a. O.).

§ 651a Abs.2 BGB stellt eine Ausprägung des auch bei derAuslegung von Verträgen zu beachtenden rechtlichen Grund-satzes dar, dass widersprüchliches Verhalten unzulässig ist(venire contra factum proprium), wenn für den anderen Teilein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist und er imHinblick darauf bestimmte Dispositionen getroffen hat. Die-ses Vertrauen kann indessen von vornherein scheitern bzw.nicht schutzwürdig sein, wenn der Reiseveranstalter eineklare, unmissverständliche und unübersehbare Fremdleis-tungserklärung abgibt und dadurch sein sonstiges, für sichgenommen auf eine Eigenleistung hindeutendes Verhalten inein anderes Licht rückt. Es kommt daher auf das Gesamtver-halten des Reiseveranstalters einschließlich einer etwaigenFremdleistungs- bzw. Vermittlungserklärung an. Wann erdurch sein sonstiges Verhalten einen so starken Anscheineiner Eigenleistung begründet hat, dass demgegenüber seinegegenteilige Erklärung in den Hintergrund tritt und unbe-rücksichtigt bleiben muss, hängt von den Umständen desEinzelfalls ab und entzieht sich einer generellen Beurteilung(Urteil der Kammer, RRa 2009, 31).

Im vorliegenden Fall liegen lediglich Umstände vor, die füreine Reiseveranstaltereigenschaft der Beklagten sprechen,während weder ersichtlich noch von Beklagtenseite substan-tiiert vorgetragen worden ist, dass die Beklagte hier gegen-über dem den Zusatzausflug buchenden Kläger klargestellthätte, dass sie diesen Ausflug lediglich vermittele:

Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält der Hinweisin der Prospektbeschreibung: „Gegen Gebühr: Ausflüge (…)“keine Fremdleistungs- bzw. Vermittlungserklärung. Hierausergibt sich lediglich, dass diese Zusatzleistung nicht vom Pau-schalreisepreis umfasst ist. Diesem Hinweis lässt sich abernicht entnehmen, dass diese Zusatzleistung von der Beklag-ten lediglich als Fremdleistung vermittelt wird. Im Gegenteilspricht dieser Hinweis eher dafür, dass die Beklagte auch Ver-anstalterin des Ausfluges sein sollte.

Ein weiteres Indiz dafür, dass die Beklagte Reiseveranstalterindes gebuchten Ausflugs ist, ist der Umstand, dass der Ausflugbei der Reiseleiterin der Beklagten gebucht und bezahlt wor-den ist.

Den Vortrag des Klägers, dass der Ausflug bei dem Reiseleiterder Beklagen vor Ort am 17.11.2007 gebucht worden sei, hatdie Beklagte zwar als unsubstantiiert angesehen, da sie derAuffassung ist, der Reiseleiter sei namentlich zu bezeichnen.Wenn in dem etwas unklaren Vorbringen der Beklagten einBestreiten liegen sollte, wäre dies jedenfalls ihrerseits zuunsubstantiiert. Die Beklagte müsste schon genauer vortra-gen, bei wem denn sonst diese Zusatzleistungen gebucht wor-den sein sollen. Im Übrigen war die Benennung des Reiselei-ters zur Substantiierung des klägerischen Vortrags auch nichterforderlich. Der Kläger hat jedoch seinen Vortrag dahinge-hend ergänzt, dass die Reiseleiterin den Vornamen S. gehabthabe.

Die Beklagte hat zwar auch den Vortrag des Klägers, die Rei-seleiterin habe seine Zahlung quittiert, als unsubstantiiertbezeichnet. Indessen lässt sich diesem Vorbringen aber eben-falls ein substantiiertes Bestreiten des klägerischen Vorbrin-

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gens, nach dem der Zusatzausflug bei der Reiseleitung bezahltworden ist, nicht entnehmen.

Zwar ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten im Schrei-ben vom 18.2.2008), welches sich der Beklagtenvertreter zueigen gemacht hat, dass die örtliche Reiseleitung einzig alsVermittler aufgetreten sei. Wie dies aber konkret ausgesehenhaben soll, ist nicht ersichtlich. Insbesondere nachdem derKläger bestritten hat, dass die Reiseleiterin Angaben zuFremdveranstaltungen gemacht haben solle, hätte die Beklag-te ihren pauschalen Vortrag substantiieren müssen.

Letztendlich kann jedoch die Frage, ob die Beklagte Reisever-anstalterin des gebuchten Zusatzausfluges gewesen ist odernicht, dahinstehen, da das Urteil des Amtsgerichtes jedenfallsim Ergebnis richtig ist.

Der Kläger kann nämlich weder eine Minderung des Reise-preises gemäß § 651d Abs. 1 BGB noch ein Schmerzensgeldgemäß §§ 651 f Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 253 BGB ver-langen, da der Beklagten eine Verletzung einer ihr oder ihremErfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) obliegenden Verkehrssiche-rungspflicht nicht zur Last gelegt werden kann.

Nach dem Vortrag des Klägers hätten sich in die Gruppe derTeilnehmer von ca. 10 Personen immer wieder Einheimischegemischt, die Getränke hätten verkaufen wollen. Die ohneBeleuchtung herumlaufenden Balinesen hätten sowohl dieTeilnehmer als auch insbesondere den Kläger bedrängt undseien immer wieder vor deren Füßen herumgelaufen. DerKläger sei hierdurch ins Stolpern geraten. Der mehrfachenAufforderung, sich endlich zu entfernen, seien die Einheimi-schen nicht nachgekommen. Der Kläger habe sich an denGuide gewandt und habe ihn aufgefordert, für ein sicheresGehen auf dem Steig zu sorgen. Dieser habe aber trotz mehr-maligen Aufforderns des Klägers nichts unternommen. Nach-dem sich nichts getan habe, die Getränkeverkäufer vielmehrimmer wieder den Pfad versperrt hätten, sei einer der Geträn-keverkäufer ruckartig vor dem Kläger stehengeblieben, sodassdieser erneut gestolpert sei, jedoch keinen Halt mehr gefun-den habe und den Aufstiegspfad ca. 5 bis 6 Meter hinunter-gefallen sei. Erst daraufhin hätten sich die Getränkeverkäuferentfernt. Der Kläger sei mit der ihm möglichen Vorsicht wei-ter aufgestiegen und habe auch den entsprechenden Abstandzum Vordermann gehalten. Dies habe aber nichts genützt,weil die Getränkeverkäufer im Dunkeln zwischen der Gruppehin- und hergelaufen und auch immer wieder plötzlich vonder Seite vor die einzelnen Teilnehmer gesprungen seien. Essei Aufgabe des Guides, für eine sichere Besteigung zu sorgen,sodass er nötigenfalls unter körperlichem Einsatz dafür hätteSorge tragen müssen, dass sich die Getränkeverkäufer vonden Reiseteilnehmern fernhielten.

Diesem Vorbringen lässt sich entnehmen, dass der Klägerschon vor dem eigentlichen Unfall durch die ohne Beleuch-tung herumlaufenden Balinesen ins Stolpern geraten ist, dadiese den Teilnehmern einschließlich dem Kläger immer wie-der vor den Füßen herumgelaufen sind. Damit war dem Klä-ger bekannt, welche Gefahren ihm durch die Balinesengedroht haben.

Es fehlt im Übrigen schon an einer Befugnis des Guides,andere zu vertreiben, da sich die Gruppe auf öffentlichenWegen bewegt hat. Es kann den Einheimischen nicht verbo-ten werden, dass sie sich auf den gleichen öffentlich zugäng-lichen Wegen wie die Touristen aufhalten. Den sog. „fliegen-den Händlern“ ist es auch nicht verboten, ihre Waren anzu-

bieten. Die Führer eines Ausfluges sind nicht verpflichtet,diese zu vertreiben. Vielmehr müssen sich die Reisendenselbst dieser Händler erwehren.

Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der Guide – selbst beieiner unterstellten Befugnis – durch körperlichen Einsatz dieeine Gefahr darstellenden Getränkeverkäufer hätte „vertrei-ben“ können. Auf welche Art und Weise die Gruppe von Bali-nesen auf dem unwegsamen Gelände von den Reiseteilneh-mern hätte ferngehalten werden können, erschließt sich derKammer nicht.

Dergestalt hat sich für den Kläger lediglich das allgemeineLebensrisiko verwirklicht. Eine Haftung der Beklagten bestehtauch nicht auf deliktischer Grundlage.

(…)

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keinegrundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung desRechts noch die Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert,§ 543 Abs. 2 ZPO.

Haftung des Reisebüros für Flugbuchung,Beratungspflicht über Stornierungsbedingungen

Ein Reisebüro muss darüber aufklären, dass ein bei ihm ge-buchter Flug nicht kostenlos zu stornieren ist.(Leitsatz von Prof. Dr. Klaus Tonner)

AG Hamburg, Urt. v. 21.10.2008, Az.: 14 C 391/07

(ID 42848)

Sachverhalt (gekürzt):

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückerstattung von Flugkostenim Wege des Schadensersatzes wegen Verschuldens bei Vertrags-schluss (ungenügende Beratung) in Anspruch. Streitig ist zwi-schen den Parteien insbesondere, inwieweit aufgrund der konkre-ten Vertragsschlusssituation überhaupt eine Haftung gerade derBeklagten besteht. Im Einzelnen:

Der Kläger wollte für sich und seine Frau zwei Hin- und Rückflügevon Bremen nach Nantes buchen, um seine dort als Architektintätige Tochter zu besuchen. Der Kläger wusste, dass seine Tochteraufgrund ihrer Tätigkeit als Architektin oft projektabhängig kurz-fristig außerhalb von Nantes arbeiten musste. Er wusste auch, dassdies während des von ihm geplanten Reisezeitraums passierenkönnte und er dann gegebenenfalls schon gebuchte Flüge würdestornieren müssen. Der Kläger sprach mit dem Ziel der Buchungder Flüge am 13.3.2007 in einer Halle des Airport Bremen eineMitarbeiterin der A. Services (folgend A.) an.

Die A. ist eine Tochtergesellschaft der bundesweit agierenden Be-klagten. Die Mitarbeiterin der A. stand zu diesem Zeitpunkt hintereinem Schalter. Dieser befand sich in einem Tor der Flughafenhal-le, in dem sich insgesamt zwei Schalter befanden. Über dem einenSchalter hing ein Schild mit der Beschriftung „A.“. Über dem an-deren Schalter hing ein Schild, das unter anderem mit den Logos„Air France“ und „KLM“ beschriftet war. Hinter den beiden Schal-tern befand sich ein offener Raum für die Mitarbeiter der A., dieeinheitliche Uniformen trugen. (…)

Der Kläger erklärte am Schalter, dass er mit seiner Frau von Bre-men nach Nantes fliegen wolle. Dabei teilte er mit, an welchen Ta-gen die Flüge stattfinden sollten. Weitere Einschränkungen seinerNachfrage machte der Kläger nicht. Die Mitarbeiterin der A.nannte dem Kläger daraufhin für Hin- und Rückflug jeweils eineFlugverbindung mit der Air France mit den zugehörigen Flugprei-sen. Der Kläger war mit diesen Flügen einverstanden. Anschlie-

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ßend erfolgte die Buchung der Flüge zum Preis von 2 x 217,- EURje Flugschein zzgl. Steuern und Gebühren für Ende April bzw. An-fang Mai 2007. Der Kläger bezahlte die Tickets zzgl. Kosten mitKreditkarte. Der Kläger stornierte am 11.4.2007 alle Flüge. Aufsein Erstattungsverlangen bzgl. der Flugpreise von 2 x 217,- EURerhielt er weder von der Air France noch von der Beklagten oderder A. eine Rückzahlung. (…)

Der Kläger behauptet, die Mitarbeiterin der A. habe während desgesamten Vorgangs hinter dem Schalter mit der Beschriftung „A.-büro“ gestanden. Er sei nicht darauf hingewiesen worden, dass dieangebotenen Flugtickets nicht gegen volle Rückerstattung desFlugpreises stornierbar waren. Er macht geltend, dass die Infor-mierung über die Kostenfolge der Stornierung gebuchter Flüge zuden Pflichten des Reisevermittlers aus dem Reisevermittlungsver-trag gehöre.

(…)

Die Beklagte behauptet, die Mitarbeiterin der A. habe währenddes gesamten Gesprächs hinter dem Schalter mit dem Schild „AirFrance“ und „KLM“ gestanden. Sie habe den Kläger vor der Bu-chung darauf hingewiesen, dass im Falle einer Stornierung die Ti-cketpreise nicht erstattet würden. Zum Beleg beruft sich die Be-klagte auf zwei sog. Incident Reports. (…)

Gründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz in Höhevon 434,– EUR verlangen. Anspruchsgrundlage ist § 675Abs. 1, § 280 Abs. 1 BGB.

1.Vor der eigentlichen Buchung der Flüge (Beförderungsver-trag) ist am Schalter ein Reisevermittlungsvertrag nach § 675Abs. 1 BGB zustande gekommen. Ein Reisevermittlungsver-trag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Reisende voneinem anderen die Vermittlung einer Reise wünscht. Zu denPflichten des Vermittelnden gehört neben der Vermittlungder Reise auch die Beratung bei der Auswahl der Reise (BGHNJW 2006, 2321, 2322). Diese Grundsätze gelten in gleicherWeise für die Beratung über Pauschalreisen wie auch bei derBeratung über einzelne Reiseleistungen. Ein Beförderungsver-trag ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass sich der Rei-sende unmittelbar mit dem Beförderungsunternehmen überdie Beförderung einigt.

Was für eine Art von Vertrag zustande kommt, ist ggf. nachden Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB vom objektiven Emp-fängerhorizont her zu ermitteln. Ein solcher Reisevermitt-lungsvertrag ist auch dann anzunehmen, wenn der Kundesowohl eine Beratung als auch die anschließende Buchungwünscht. In diesen Fällen wird das Reisebüro in einer Dop-pelfunktion tätig. Es schließt im eigenen Namen mit demReisenden einen Reisevermittlungsvertrag. Aus diesem schul-det das Reisebüro den erfolgreichen Abschluss des vermittel-ten Beförderungsvertrags und Beratung hinsichtlich der Aus-wahl des Beförderungsvertrags. Die vertraglichen Beratungs-pflichten aus diesem Vermittlungsvertrag enden mit demZeitpunkt, in dem die Auswahlberatung abgeschlossen istund der Kunde sich für eine bestimmte Reise entscheidet(BGH NJW 2006, 2321, 2322). Ab diesem Zeitpunkt greifenPflichten aus dem Beförderungsvertrag ein, der mit demBeförderungsunternehmen geschlossen wird. Hier tritt dasReisebüro als Vertreter des Beförderungsunternehmens auf.Vorliegend musste die Mitarbeiterin der A. die Erklärungendes Klägers als Bitte um eine Reisevermittlung verstehen,

nämlich dahin, dass der Kläger auch gerade Beratung bei derAuswahl der Flüge wünschte.

Der Umstand, dass sich der Kläger nicht explizit nach einemFlug mit der Air France nach Nantes erkundigte, spricht nachder Verkehrssitte dafür, dass er über Angebote für Hin- undRückflüge von Bremen nach Nantes für die von ihm genann-ten Reisezeiten informiert werden wollte. Die Mitarbeiterinder A. musste also davon ausgehen, dass der Kläger nicht nurüber Angebote der Air France, sondern auch über möglichegünstige Angebote anderer Fluggesellschaften, z.B. der KLMinformiert werden wollte. Aus den weiteren Begleitumstän-den des Gesprächs ergibt sich nichts anderes: Dabei kannoffen bleiben, an welchem Schalter das Gespräch geführtwurde. Soweit das Gespräch, wie klägerseits behauptet, amSchalter mit dem Schild „A.-Reisebüro“ stattfand, spricht diessogar zusätzlich für die Annahme eines Vermittlungsvertra-ges, denn es ist üblich, dass Kunden sich an ein Reisebürowenden, um über Reisemöglichkeiten beraten zu werden.Aber auch, soweit das Gespräch unter dem Schild „Air France– KLM – SkyTeam“ stattgefunden haben sollte, ergibt sichnichts anderes; denn für einen Kunden wie den Kläger istungeachtet der farblich einheitlichen Gestaltung dieses Schil-des nicht ohne weiteres erkennbar, dass es sich um Flugge-sellschaften derselben Firmengruppe handelt, und hinzukommt, dass es sich trotz der Firmengruppe um getrennteFluggesellschaften handelt, so dass die A. auch an diesemSchalter nicht erwarten konnte, dass der Kläger nur Angebo-te zu Flügen einer bestimmten Gesellschaft, etwa der AirFrance, unterbreitet bekommen wollte. Auch Einzelfragen zurBekleidung der Mitarbeiter hinter den Schaltern könnenoffen bleiben. Nach den Erörterungen in der mündlichenVerhandlung war die Bekleidung jedenfalls einheitlich (strei-tig ist nur, ob Uniform oder weißes Oberhemd/Bluse).

Bedient allerdings an beiden Schaltern einheitlich gekleidetesPersonal, so spricht dies für den herantretenden Kundendafür, dass zwischen den beiden Schaltern überhaupt keineTrennung besteht. Auch dann musste die bedienende Mitar-beiterin die Frage des Klägers, mit der er nur die Reisedatennannte und nicht eine bestimmte Fluggesellschaft vorgab, alsBitte um eine Beratungsleistung auffassen. Dies alles umsomehr, als sich hinter beiden Schaltern ein Raum befand, deroffen war und von den Mitarbeitern beider Schalter betretenwerden konnte.

Der Umstand, dass es sich bei der bedienenden Mitarbeiterinum eine solche der A. handelte, ist für die Frage, welchenInhalt der Vertrag hatte, nicht erheblich, denn die Einzelhei-ten des Anstellungsverhältnisses waren für den Kläger nichterkennbar. Selbst wenn sie erkennbar gewesen sein sollten, sowäre dann jedoch die Person der Mitarbeiterin für den Klägereher dem Schild „A.-Reisebüro“ zuzuordnen gewesen. Denndie weiter von der Beklagen geltend gemachten Gesichts-punkte, die A. sei als Dienstleister aufgrund Agenturvertragsallein für die Air France tätig, war dem Kläger als Kunden nachder Gestaltung der beiden Schalter erst recht nicht erkennbar.Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte intern aufgrund desHandlingvertrags verpflichtet war, für Air France tätig zu wer-den, ergibt sich nichts anderes, selbst wenn sie entgegen ihrerAussage in der mündlichen Verhandlung allein Flüge der AirFrance verkaufte. Zwar wäre kein Reisevermittlungsvertragzustandegekommen, hätte die Beklagte durch Ausschilderungoder Ähnliches verdeutlicht, dass bei ihr ausschließlichTickets der Air France zu erwerben waren, denn ein Reisever-mittlungsvertrag ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass er

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Angebote verschiedener Reiseveranstalter vermittelt. Jedochkonnte der Kläger eine solche Exklusivität nicht erkennen.Der Kläger musste unabhängig davon, unter welchem Schilddie Beratung stattgefunden hat, davon ausgehen, dass manüber die Beklagte Flüge verschiedener Fluggesellschaftenbuchen konnte. Sollte das Gespräch unter dem Schild A.-Rei-sebüro stattgefunden haben, so ergibt sich dies schon aus demBegriff Reisebüro, mit dem gerade das Angebot verschiedenerReisemöglichkeiten verbunden wird.

Sollte das Gespräch unter dem Schild der Air France, KLMund dem Sky Team stattgefunden haben, so musste zumeinen der Kläger davon ausgehen, dass ein Zusammenhangmit dem Reisebüro bestand, zum anderen standen auf demSchild die Namen verschiedener Fluggesellschaften, so dass ernicht davon ausgehen konnte, an diesem Stand nur Flüge derAir France buchen zu können; dass die Gesellschaften internkonzern- oder gruppenmäßig verbunden gewesen seinmögen, war für den Kläger nicht erkennbar.

2. Dieser Reisevermittlungsvertrag ist auch mit der Beklagtenzustande gekommen. Die Erklärungen der bedienenden Mit-arbeiterin wirkten für die Beklagte; das folgt aus § 164 BGB.Die Vorschrift setzt Handeln in fremdem Namen und in Ver-tretungsmacht voraus. Beides liegt hier vor.

a) Die bedienende Mitarbeiterin handelte im Namen derBeklagten; das folgt zumindest aus den Umständen des Ver-tragsschlusses gem. § 164 Abs. 1, S. 2 BGB. Bei unterneh-mensbezogenen Geschäften muss der Wille, im Namen desUnternehmens zu handeln, hinreichend zum Ausdruck kom-men und für den anderen erkennbar sein (BGH NJW 1995,44). Er kann sich jedoch auch aus den Umständen ergeben(Palandt/Heinrichs, BGB [67. Aufl. 2008], § 164 Rn. 2). Vorlie-gend musste der Kläger die Mitarbeiterin mit dem Schild A.-Reisebüro in Verbindung bringen, unabhängig davon an wel-chem Stand sie ihn beriet. Es ist verkehrsüblich, dass die inden Geschäftsräumen eines Unternehmens tätigen Mitarbei-ter auch in dessen Namen kontrahieren wollen. Der Klägermusste daher davon ausgehen, dass die Mitarbeiterin für dasA.-Reisebüro handeln wollte.

b) Die hinter dem Schalter bedienende Mitarbeiterin der A.handelte mit Vertretungsmacht für die Beklagte. Dabei folgtdie Vertretungsmacht aus den Grundsätzen der Vollmachtkraft Rechtsscheins. Das Verhalten, das den Rechtsscheineiner Bevollmächtigung erzeugt, muss von einer gewissenDauer oder Häufigkeit sein (BGH NJW 1956, 1673). Vorlie-gend hing die den Rechtsschein erzeugende Beschilderungvor der Buchung des Klägers schon für eine gewisse Dauerüber dem Stand der A.

Eine Verletzung von Sorgfaltspflichten muss dem Vertretenenzur Last fallen, d.h. er muss die Möglichkeit gehabt haben,das vollmachtslose Handeln vorauszusehen und zu verhin-dern (BGHZ 5, 116). Die Beklagte hat hier eine solche Sorg-faltspflichtverletzung begangen. Selbst wenn sie die Beschil-derung der Stände ihrer Bremer Tochter nicht kannte, so trafsie doch die Sorgfaltspflicht sicherzustellen, dass ihre Toch-tergesellschaft nicht den Namen der Beklagten auf ihrenSchildern trug, soweit sie den Rechtsschein einer Bevoll-mächtigung vermeiden wollte. Allein der Besuch der Home-page des Airport Bremens hätte genügt, um die Beschilderungdes Standes der A. zu erkennen. Die Beklagte war verpflichtetvon ihrer Bremer Tochtergesellschaft eine klare Beschilde-rung zu verlangen, die die rechtliche Selbstständigkeit der A.für Kunden erkennbar werden ließ.

Der Rechtsschein der Bevollmächtigung muss zur Zeit desvollmachtslosen Auftretens noch bestanden haben und fürdas Handeln des anderen Teils ursächlich geworden sein(BGH NJW 1956, 460). Auch das war hier der Fall: Der durchdie Beschilderung gesetzte Rechtsschein war kausal dafür,dass der Kläger sein Vertragsangebot an die Beklagte undnicht an die A. adressierte. Hätte er gewusst, dass der tatsäch-lich „nur“ mit einer Mitarbeiterin der A. sprach, so ist anzu-nehmen, dass er sein Vertragsangebot auch an die A. adres-siert hätte. Der andere Teil muss gutgläubig gewesen sein, erwird nicht geschützt, wenn er den Mangel der Vollmachtkannte oder infolge Fahrlässigkeit nicht kannte (BGH NJW1958, 2062). Vorliegend war der Kläger hinsichtlich der feh-lenden Vertretungsmacht gutgläubig, er konnte aus den dasGespräch begleitenden Umständen nicht einmal die Existenzder A. erkennen. Er musste daher annehmen, dass deren Mit-arbeiter für die Beklagte tätig wurden.

3. Die Beklagte hat im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB einePflicht aus dem Reisevermittlungsvertrag verletzt, und zwarin Form der Verletzung einer Aufklärungs- und Beratungs-pflicht. Den Reisevermittler trifft aus dem Reisevermittlungs-vertrag die Pflicht, den Reisenden bei der Auswahl der Reisezu beraten und aufzuklären. Diese Pflichten enden mit derEntscheidung des Reisenden für eine konkrete Reise. Die Aus-wahlberatung umfasst auch die Frage, ob ein Ticket mit oderohne kostenlose Stornierungsmöglichkeit gebucht werdensoll, denn diese Entscheidung trifft der Kunde regelmäßig,bevor er sich für eine konkrete Reisemöglichkeit entscheidet.Eine solche Beratung ist für den Reisenden von einer solchenErheblichkeit, dass sie auch dann nicht unterbleiben darf;wenn der Reisende dieses Thema selbst nicht anspricht. Ins-besondere darf der Reisevermittler nicht annehmen, dass derReisende bei Stillschweigen konkludent erkläre, er wolleeinen möglichst günstigen Flug, wenn auch mit einer kos-tenpflichtigen Stornierungsmöglichkeit, buchen, obwohldies nach § 649 S. 2 BGB der gesetzliche Regelfall ist. In derPraxis besteht sehr häufig die Möglichkeit der kostenlosenStornierung eines gebuchten Fluges. Die kostenpflichtigeStornierungsmöglichkeit ist nicht so sehr Regelfall, dass derReisevermittler bei Schweigen des Kunden davon ausgehenkann, dass dieser einen Flug zu einem Tarif mit einer kosten-pflichtigen Stornierungsmöglichkeit buchen möchte. Alleinbei dem ausdrücklichen Nachfragen nach möglichst billigenAngeboten kann eine Ausnahme von der Beratungspflichthinsichtlich der Stornierungsmöglichkeit vorliegen, da dannder Reisenden annehmen muss, dass der günstige Tarif aufder Einschränkung einiger der Rechte des Reisenden beruht.Eine solche Ausnahme von der grundsätzlich bestehendenBeratungspflicht ist hier jedoch nicht anzunehmen. Der Klä-ger hat nicht zum Ausdruck gebracht, dass es ihm allein aufmöglichst geringe Flugkosten ankomme, z.B. hat er nichtausdrücklich nach Last Minute Angeboten gefragt.

b) Für die Entscheidung ist davon auszugehen, dass dieBeklagte ihre Pflicht verletzt hat und der Kläger vor derBuchung nicht entsprechend der vorstehenden Vorgabenberaten worden ist.

Die Beklagte hat zwar behauptet, dass der Kläger bei derBuchung darauf hingewiesen worden sei, dass die Ticketsnicht erstattbar waren. Der Kläger hat dies aber bestritten undbehauptet, dass ein solcher Hinweis nicht erfolgt sei. DasGericht legt seinen Vortrag zu Grunde und glaubt ihm. DieBeklagte ist schon ihrer gesteigerten Darlegungspflicht für diePflichterfüllung nicht hinreichend nachgekommen, denn

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ihre Angaben erscheinen als ins Blaue hinein gemacht. Es istnicht erkennbar, auf welcher Ermittlungsgrundlage ihr Vor-trag erfolgt ist. Zwar trägt im Ausgangspunkt der Gläubiger(Kläger) die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung derAufklärungspflicht.

Jedoch muss der Schuldner (Beklagte) bei streitiger Aufklä-rung substanziiert darlegen, in welcher Weise er seiner Ver-pflichtung nachgekommen ist, bevor dieser Vortrag vomGläubiger zu widerlegen ist. Diesen Anforderungen ist dieBeklagte nicht gerecht geworden.

Ihr Vortrag beschränkt sich letztlich im Wesentlichen auf dieBezugnahme auf zwei sog. Incident Reports (Anlagen B 1 undB 2). Diese geben jedoch den Verlauf des Gesprächs nicht wie-der und sind zudem widersprüchlich, denn in B 1 heißt es, derKläger sei auf die Nichterstattung „hingewiesen“ worden, in B2, „den Gästen“ sei die Nichterstattung „bekannt“ gewesen.Die Urkunden belegen letztlich auch lediglich, dass ein ent-sprechender nachträglicher Bericht verfasst worden ist, nichtaber, wie der Verlauf des Gespräches tatsächlich war, denn eshandelt sich bei den Reports einseitig in der Sphäre der A.gefertigte Papiere, die vom Kläger nicht in irgendeiner Formgenehmigt oder gegengezeichnet worden sind. Darüberhinaus fehlt den Incident Reports auch jede bloße Indizkraft.B 2 soll von einem Herrn S. erstellt worden sein, der unstrei-tig am Beratungsgespräch nicht teilgenommen hat. Aus B 1 istnicht ersichtlich, wer mit der Bezeichnung „MA“ gemeint istund ob es sich dabei tatsächlich um die seinerzeit beratendeMitarbeiterin handelt, die beklagtenseits nicht namentlichbenannt worden ist. Welche ihr obliegenden Nachforschun-gen die Beklagte also tatsächlich unternommen hat, um denInhalt des Gesprächs zu klären, bleibt danach letztlich unklar.Auch der Aufdruck „No Refund“ auf den Tickets ist keinerleisichere Grundlage zur Beurteilung des Verlaufs des Beratungs-gesprächs, denn es handelt sich auch insofern nicht uni eineProtokollierung. Die Tickets wurden auch erst am Ende derBuchung ausgedruckt und ausgehändigt, d.h. der Ausdruckwar nicht Teil des vorangegangenen Beratungsgesprächs. Esbesteht kein Anscheinsbeweis dafür, dass bei einem „NoRefund“- Ausdruck auf den Tickets ein entsprechender Hin-weis im Beratungsgespräch zuvor erteilt worden ist, denn eineentsprechende Lebenserfahrung existiert nicht. Auf den Auf-druck konnte sich die Beklagte daher bei ihren etwaigenNachforschungen nicht verlassen. Soweit die Beklagte für denInhalt des Gesprächs den Mitarbeiter S. als Zeugen benannthat, ist auch dieser Verweis keine geeignete Grundlage fürihren Vortrag, weil der Mitarbeiter – wie schon gesagt – andem maßgeblichen Beratungsgespräch nicht teilgenommenhat. Die Beklagte hat auch keine Tatsachen benannt, die vor-liegend z.B. eine Einvernahme des Mitarbeiters als Zeuge vomHörensagen rechtfertigen könnten, insbesondere hat dieBeklagte nicht dargestellt, wann, von wem und was genau derZeuge vom Inhalt des Gesprächs erfahren haben soll. Diejeni-ge Mitarbeiterin der Beklagten, die das Gespräch geführthaben soll, ist dagegen nicht als Zeugin benannt worden. Esbleibt unklar, inwiefern bei der Beklagten mit dieser Mitarbei-terin überhaupt detaillierte Rücksprache gehalten worden ist.Nach allem besteht darüber hinaus für das Gericht Veranlas-sung, dem Kläger auch ohne Beweis zu glauben. Im Rahmender freien Beweiswürdigung folgt das das Gericht den Anga-ben des Klägers, weil sie im Vergleich zu den Angaben derBeklagten als sehr viel zuverlässiger erscheinen. Der Kläger hatin seiner mündlichen Anhörung den Sachverhalt detailliertgeschildert. Er konnte sich an zahlreiche Einzelheiten des

Gesprächs erinnern. Seine Schilderungen wirkten spontan,lebhaft und unmittelbar, in keiner Weise einstudiert, sodassdas Gericht den Eindruck gewonnen hat, dass es sich um dieWiedergabe eines tatsächlich selbst erlebten Geschehens han-delte. Im Vergleich dazu erscheinen die Angaben der Beklag-ten zum Inhalt des Gesprächs als unzuverlässig und nichtnachprüfbar (vgl. oben aa).

c) Der Haftung der Beklagten steht § 280 Abs. 1, S. 2 BGBnicht entgegen. Die Beklagte hat keine Umstände geltendgemacht, nach denen sie die vorstehend benannte Pflicht-verletzung nicht zu vertreten hätte.

4. Als Rechtsfolge kann der Kläger Erstattung von 434,- EURvon der Beklagten verlangen. Denn deren Haftung ist daraufgerichtet, den Kläger so zu stellen, wie er stünde, wenn dieBeratung korrekt erfolgt wäre.

a) Hätte die Beklagte den Kläger über die Kostenfolge bei derStornierung der später von ihm gebuchten Flüge informiert,so hätte der Beklagte einen Flug, wenn auch zu einem höhe-ren Flugpreis, mit der Möglichkeit der kostenlosen Stornie-rung gebucht. Der Kläger wusste, dass aufgrund der beruf-lichen Tätigkeit seiner Tochter die Möglichkeit bestand, dassdiese im geplanten Zeitraum nicht in Nantes sein würde undder Kläger gegebenenfalls dann schon gebuchte Flüge würdestornieren müssen. Im Fall der Stornierung von Flügen, die zueinem solchen Tarif gebucht worden waren, wäre der volleFlugpreis rückerstattet worden. Es ist auch davon auszuge-hen, dass eine solche Buchungsmöglichkeit bestanden hätte.Zwar liegt die Darlegungs- und Beweislast dabei im Aus-gangspunkt auf Klägerseite. Der Kläger hat eine solche alter-native Buchungsmöglichkeit allerdings behauptet; dieseBehauptung ist auch zulässiger Parteivortrag, denn sie erfolg-te nicht ins Blaue hinein. Der Kläger hat sich hierzu auf dasSchreiben der Air France berufen, in welchem auf die gene-relle Möglichkeit solcher Buchungsmöglichkeiten hingewie-sen wird. Angesichts des Umstandes, dass die Buchung 6Wochen vor Reiseantritt erfolgte, kann davon ausgegangenwerden, dass auch vorliegend eine solche Buchungsmöglich-keit generell noch bestand, jedenfalls ist die Beklagte ange-sichts des Schreibens darlegungs- und beweispflichtig dafür,dass konkrete Anhaltspunkte bestanden, dass eine solcheAlternativbuchung gerade im vorliegenden Fall nicht mehrmöglich gewesen wäre. Solche Anhaltspunkte hat die Beklag-te nicht benannt. Ihr Vortrag, die Buchungssituation lassesich im Nachhinein nicht mehr feststellen, ist insofern nichtausreichend, denn darin liegt nur die Erklärung, sich zu derFrage nicht erklären zu können. Damit aber vermag dieBeklagte die Indizwirkung des Schreibens nicht zu entkräften.

b) Der durch das Beratungsverschulden verursachte Schadenbesteht also in Höhe der Preise der vom Kläger gebuchtenFlüge in Höhe von 434,- EUR. Es kann offen bleiben, ob beider Buchung kostenlos stornierbaren Flüge zu einem höherenFlugpreis auch höhere Steuern hätten entrichtet werden müs-sen, die auch bei Rückerstattung des Flugpreises nicht rücker-stattet worden wären. Ein solcher Vorteil wäre allenfalls imWege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Die Darle-gungspflicht hinsichtlich einer Vorteilsausgleichung trifftden Schädiger (Palandt/Heinrichs, a.a.O., vor § 249 Rn. 123b).Vorliegend hat die Beklagte zu etwa höheren Nebenkosten imFalle eines frei stornierbaren Fluges nichts vorgetragen.

(…)

Reiserecht | R E C H T S P R E C H U N G

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Guski, Sittenwidrigkeit und Gläubiger-benachteiligungZu den Schranken von Kreditsicherheiten unterBerücksichtigung gemeinschafts- und kollisions-rechtlicher Bezüge, Diss. Heidelberg, 2006,Schriften zum Wirtschaftsrecht, Band 204,Duncker & Humboldt GmbH, Berlin, 412 S.

Des einen Freud ist des anderen Leid – in derInsolvenz eines Schuldners wird ein grund-sätzliches Dilemma deutlich: Wenn einzelneGläubiger ihre Ansprüche mithilfe ding-licher Rechte absichern und sich dadurchAbsonderungsrechte bewahren, hat dies fürdie übrigen (sicherungslosen) Gläubiger zurFolge, dass diese ihre Forderungen nichtmehr oder nur noch mit einer geringerenQuote realisieren können. Häufig stellt sichdann die Frage, ob die letztlich zum Nachteilder übrigen Gläubiger führende Besicherungdrittbezogenen Schranken unterliegt odergegen die guten Sitten verstößt. Die Diskus-sion dieses Spannungsfelds – Sicherungsfrei-heit einzelner Gläubiger auf der einen Seiteund die Interessen der übrigen Gläubiger aufder anderen Seite – in Literatur und Recht-sprechung ist intensiv und ringt vorwiegendmit Argumenten, die auch schon zum altenKonkursrecht zu Felde geführt wurden. Hiersetzt die im Sommersemester 2006 an derUniversität zu Heidelberg vorgelegte Disser-tation von Roman Guski an. Er untersuchtSittenwidrigkeit und Gläubigerbenachteili-gung als Schranken, die bei im Vorfeld einer(bevorstehenden) Insolvenz die wirksameBesicherung verhindern können.

Das Werk ist in fünf Teile gegliedert. Imersten Teil stellt der Verfasser die Entwick-lung der bisherigen Rechtsprechung zu gläu-bigerbenachteiligendem und sittenwidrigemSicherungsverhalten dar. Guski zeigt die Leit-linien auf, die heute noch Geltung bean-spruchen. In den Teilen zwei bis vier beschäf-tigt sich der Verfasser damit, welche Schran-ken der Privatautonomie sich aus dem Rechtder Anfechtung – insbesondere des Insol-venzanfechtungsrechts – ergeben. Dabeizeigt er auf, welche Wertungskriterien der inTeil I dargestellten Entscheidungen auchunter der Insolvenzordnung bedeutsam sind.Ausgangspunkt und Prämisse auch für die

Insolvenzordnung bleibt der Grundsatz derGläubigergleichbehandlung, mit dem sichGuski intensiv auseinandersetzt. Darauf auf-bauend befasst er sich eingehend mit derAuslegung der einzelnen Tatbestandsmerk-male der Insolvenzanfechtung durch dieRechtsprechung. Aus dem Grundsatz derGläubigergleichbehandlung folgen Rück-sichtnahmepflichten. Der Verfasser unter-sucht den Zeitpunkt, ab dem Rücksichtnah-mepflichten bestehen, und stellt dar, wiediese ausgestaltet sind. Schutz finden dieGläubiger durch die Regelungen des Insol-venzanfechtungsrechts. Da das Anfechtungs-recht der Verzögerung der Insolvenzauslö-sung jedoch nicht entgegenwirkt, prüftGuski, ob die Anfechtungsregeln abschlie-ßend sind, welche Rolle die §§ 138, 826 BGBals ergänzende Normen spielen und welchezusätzlichen Erfordernisse für dessen Erfül-lung notwendig sind. Dabei hält Guski dieAnwendung der §§ 138, 826 BGB als zusätz-liche Sicherung der Gläubiger unter demGesichtspunkt der Gleichbehandlung fürerforderlich und gibt dem Sicherungsneh-mer über die Insolvenzordnung hinausge-hende Verhaltensnormen im Sinne eines dif-ferenzierten Rücksichtnahmeprogrammsauf. Rücksichtnahmepflichten bestehen, soder Verfasser, insbesondere deshalb, weil dieBeziehung zwischen dem Kreditgeber undden anderen Gläubigern dadurch geprägt ist,dass jeder Kreditgeber für eine erfolgreicheInvestition auch auf die Risikobereitschaftder anderen Gläubiger angewiesen ist. Kre-ditsicherheiten sind dann institutsmiss-bräuchlich, wenn das Bedürfnis nach Absi-cherung gegenüber den AbwehrinteressenDritter unverhältnismäßig geringer ist.

Der Verfasser zeigt, dass die Insolvenzverzö-gerung bzw. Insolvenzverschleppung miss-bräuchlich sind, während die Investition inder Krise in Erwartung einer wirtschaftlichenErholung aufgrund einer objektiven Chanceals funktionsadäquat anzusehen ist. DerMaßstab für Missbräuchlichkeit ist, so Guski,in der Rücksichtslosigkeit zu suchen, die einegrobe Verletzung dessen voraussetzt, was ankaufmännischer Sorgfalt vom jeweiligenSicherungsnehmer verlangt werden kann.Ausreichend sei für institutionelle Kreditge-

ber, dass bei bekannten Umständen, dieZweifel an der fortdauernden Lebensfähig-keit des Schuldners begründen, eine Pflichtzu vertiefter Nachforschung besteht. Ergibtdiese die wirtschaftliche Sinnlosigkeit, istvon der Besicherung Abstand zu nehmen.Demgegenüber ist die Bestellung von Sicher-heiten für Überbrückungskredite nicht alsmissbräuchlich anzusehen.

Das Problem ist dann, wann Kreditwürdig-keit noch vorliegt und ab welchem Zeit-punkt absehbare Insolvenzreife bzw. Zah-lungsunfähigkeit gegeben ist. Diesen Zeit-punkt versucht Guski auszumachen und fest-zustellen, in welchem Ausmaß der Siche-rungsnehmer die Solvenz zu erforschen hatund welche subjektiven Voraussetzungenvorliegen müssen. Hier zeigen sich die Ausle-gungsfähigkeit des Merkmals des Instituts-missbrauchs bzw. die Abgrenzungsschwierig-keiten und die damit einhergehenden Unsi-cherheiten und Gefahren für die Praxis. Ins-besondere heute, in Zeiten der wirtschaft-lichen Krise, sind Stützungsmaßnahmen vonKreditgebern von großer Bedeutung. Wasaber macht ein zur Unterstützung bereiterGläubiger bei Ungewissheit um seine Sicher-heit und der damit verbundenen unvorher-sehbaren Risiken? Dies stellt ein Kernprob-lem dar. Da die Bestellung einer Sicherheit zudiesem Zeitpunkt für den Kreditgeber vonentscheidender Bedeutung ist, ist ein mög-lichst klarer rechtlicher Rahmen erforder-lich. Diesen stellt Guski dar.

Mit dieser Dissertation hat Guski einenumfassenden Blick auf die Problematik gläu-bigerbenachteiligender Sicherheitenbestel-lung geworfen und dieses Thema nicht nurwissenschaftlich, sondern auch praxisbezo-gen durchleuchtet. Die für den Kreditgeberbestehenden Risiken und Handlungspflich-ten zeigt er auf und stellt dar, von welchemZeitpunkt an diese bestehen. Damit hatGuski eine in der heutigen Krise höchstaktuelle Problematik erörtert. Insgesamthandelt es sich um eine empfehlenswerteund die Problematik umfassend behandeln-de Arbeit.

Banksyndikus Arne Wittig, Frankfurt am Main

B U C H B E S P R E C H U N G

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VuR 6/2009 | V

I N F O R M AT I O N E N

■ Die Zeitschrift Informationen zum Verbrau-cherrecht des österreichischen Vereins fürKonsumenteninformation (VKI) berichtet ineinem Artikel vom 24.04.2009 über dieintransparente Vorgehensweise und Irre-führung von Seiten der BAWAG PSK Bank.Beim VKI häuften sich Beschwerden über ei-ne Konditionenänderung der BAWAG-PSK.Diese sende derzeit an Kunden die Mittei-lung, dass deren Konto mit 1.7.2009 auf die„Konto-Box neu“ umgestellt werde. DerKunde könne binnen 6 Wochen widerspre-chen, sonst werde die Änderung wirksam.Auf „kontoinfo.pskbank.at“ werde ein „Ent-geltvergleich“ durchgeführt. Blass-Grau aufWeiss werde auf der Rückseite auf einen in-dividuellen Entgeltvergleich verwiesen; samtPasswort zum Einloggen. Wer diese Infor-mationen dennoch finden und sich einlog-gen würde, bekomme seine aktuellen Kon-ditionen mit den neuen verglichen. Dochdie Zusammenfassung des Ergebnisses schei-ne immer gleich zu sein und gebe an, manhabe das jeweilige Konto analysiert und fest-gestellt, dass ein entsprechendes Kontomo-dell aus der neuen Produktpalette der Bankihres Erachtens am besten für den Kundengeeignet sei. Diese Zusammenfassung hätteauch ein Kunde lesen müssen, bei dem derVergleich in jeder Einzelheit ergeben hätte,dass sein altes Kontomodell billiger als dasneue sei. Der VKI warnt die Konsumenten da-her vor dieser intransparenten Vorgehens-weise und der offensichtlichen Irreführung.

■ In der französischen VerbraucherzeitschriftINC Hebdo Nr. 1512 vom 23.03.2009 gehtes um mehrere missbräuchliche oder sit-tenwidrige Klauseln einer Bank, in diesemFall des Crédit mutuel Maine-Anjou-Basse-Normandie, aufgrund derer diese von einemfranzösischen Gericht verurteilt wurde. EineBank muss demzufolge einem Kunden dieseinem Konto belasteten Beträge zurücker-statten, wenn das Bankgeschäft unrechtmä-ßig von einem der Angehörigen des Kunden

mit dessen Bankkarte getätigt wurde und essich nicht um einen schweren Fehler hande-le. Auch die französische Verbraucherschutz-organisation Union fédérale des consomma-teurs (UFC-Que choisir) betrachtet dieKlauseln, die Teil der Allgemeinen Geschäfts-bedingungen der Bank sind, als missbräuch-lich oder unlauter, und letztere wurde dazuverurteilt, die betreffenden Klauseln sofort zustreichen und Schadenersatz an die Verbrau-cherorganisation zu leisten.

■ Die Zeitschrift des belgischen Verbraucher-verbandes CRIOC, Du Côté des Consomma-teurs vom 24.04.2009, befasst sich mit ei-ner seit Kurzem in Kraft getretenen Reform,die es verbietet, dem Schuldner die Kosteneines außergerichtlichen Vergleichsver-fahrens zu berechnen. Für CRIOC ist dieseauch von anderen Verbraucherschutzorga-nisationen schon seit Langem angestrebteReform ein Sieg im Kampf gegen die Über-schuldung. Die neuen Bestimmungen zieltenim Besonderen auf die Gerichtsvollzieher ab,wenn diese als Rechtsvertreter eines Gläubi-gers und nicht in ihrer Eigenschaft als öf-fentliche Amtsperson intervenierten. Bishersei der säumige Zahler oft mit einer ArtSchneeballeffekt konfrontiert gewesen, wo-bei sich zu den anfänglichen Schulden immerneue Kosten addierten und sich somit eineGeldschuld um ein Vielfaches multiplizierte.Gerade hinsichtlich der Gerichtsvollzieherund der von ihnen erhobenen Gebühren hät-te seitens der Verbraucher Unsicherheit ge-herrscht, was in vielerlei Fällen dem Miss-brauch Vorschub geleistet hätte.

■ In der Online-Ausgabe der Zeitschrift CHOI-CE des australischen VerbraucherverbandesACA vom 28.04.2009 wird ein neuer Ge-setzesentwurf betreffs Verbraucherkredi-te begrüßt, der mittels Änderungen der ge-setzlichen Bestimmungen zur Entschuldungbeitragen und im November dieses Jahres inKraft treten soll. Zweck des neuen Gesetzes

sei es Konsumenten, die sich in finanziellenSchwierigkeiten befänden, zu erleichtern,einen Antrag auf Änderung ihrer Hypothekenaufgrund erschwerter Umstände zu stellen.Der monetäre Grenzwert, um die Vorausset-zungen für einen Härtefall zu erfüllen, sollevon $312.400 auf $500.000 erhöht werden.Dies bedeute, dass Konsumenten mit Hypo-theken von bis zu einer halben Million Dol-lar berechtigt seien, Darlehensgeber um Hil-fe zu ersuchen. Im Zentrum der nationalenVerbraucherkreditschutzordnung stehe fürden zuständigen australischen Senator die Er-höhung der monetären Grenzwerte, gemäßderer Verbraucher Hilfe erhalten könnten,wenn sie mit Schwierigkeiten eine Hypothekbetreffend zu kämpfen hätten. Viele gerie-ten durch außerhalb ihrer Kontrolle liegen-de Umstände in die Schuldenfalle und wüss-ten nicht, dass sie ihre Schulden neuverhandeln könnten. Dabei sei es unerläss-lich, sofort zu handeln. Das Verbraucherkre-ditgesetz erlaube es, im Falle von kurzzeiti-gen finanziellen Schwierigkeiten einenAntrag zu stellen im Hinblick auf eine Härte-falländerung ihres Darlehens. So könne z.B.eine Bank mit dem Schuldner einen neuenTilgungsplan ausarbeiten. Zu den weiterenwichtigen Verbesserungen des Gesetzes ge-höre der Umstand, dass Verbraucher kosten-los Zugang zu einer unabhängigen Schlich-tungsstelle hätten und Banken und andereDarlehensgeber eine Verpflichtung zu einerverantwortlichen Darlehensvergabe einge-hen würden.

Übersetzungen: Doris Luik, Hamburg

V E R B R A U C H E R Z E I T S C H R I F T E N I M A U S L A N D

Die entsprechenden Links auf dieaktuellen Zeitschriften finden Sie imInternet unter www.vur-online.deunter der Rubrik „Verbraucherzeitschrif-ten im Ausland“.

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Recht der AltersvorsorgeTextsammlungHerausgegeben von Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski und Dr. Thorsten Rüffert2. Auflage 2008, 527 S., brosch., 26,– €, ISBN 978-3-8329-3756-0(Schriften zur Rechtsbiometrik und zum Alterssicherungssystem, Bd. 1)

Die 2. Auflage der Textsammlung berücksichtigt das neue Versicherungsvertragsgesetz und bringtdas Werk auf den aktuellen Stand. Sie enthält alle wichtigen nationalen und europäischen Rechts-vorschriften zur Altersvorsorge. Der Band richtet sich an alle, die sich in Praxis und Wissenschaftmit den Fragen der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorge beschäftigen.

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VI | VuR 6/2009

Lebens- und Berufsunfähigkeitsversiche-rung – ausgewählte Probleme 200927.06.2009, Berlin, Victors Residenz Hotel,Berlin

Seit dem 01.01.2008 gilt für Neuabschlüsseund seit dem 01.01.2009 grundsätzlich auchfür Altverträge in der Lebens- und Berufsun-fähigkeitsversicherung das reformierte Versi-cherungsvertragsrecht. Im Vordergrund dertäglichen Praxis stehen vor allem Leistungs-ansprüche aus eingetretenen Versicherungs-fällen. Gerade in diesem wichtigen Bereich istdas alte Recht aufgrund der Übergangsbe-stimmungen aber noch längst nicht passé. Aufwelches Recht und welche Fassung der Allge-meinen Versicherungsbedingungen kommtes an?

Im Fokus der für die Lebens- und Berufsunfä-higkeitsversicherung wesentlichsten Ände-rungen im allgemeinen Teil des neuen Rechtsstehen die Beratungs- und Informations-pflichten der Versicherer und die Folgen ihrerVerletzung sowie die immer wieder kritischenFälle, in denen dem Versicherungsnehmer dieVerletzung der vorvertraglichen Anzeige-pflicht vorgeworfen wird.

Wer muss insoweit was vortragen und bewei-sen? Und wie verhält es sich mit der Annah-me zu anderen Bedingungen? Und außer-dem: Welche Rechtsfolgen hat es, wenn derVersicherte seinen Mitwirkungsobliegenhei-ten im Leistungsfall nicht oder nur ungenü-gend nachkommt? Das sind neben einem kur-zen Überblick über die für die Praxisrelevantesten Gesetzesänderungen dieHauptthemen.

Maßgebliche Rechtsprechung zu den neuenBestimmungen wird es erst in geraumer Zeitgeben. Durch die Übernahme einer Vielzahlbewährter Regelungen in das neue Recht sinddie dazu ergangenen und noch ergehendenUrteile aber nicht überholt. Letztes Haupt-thema ist deshalb ein Überblick über aktuelleEntscheidungen, vornehmlich zur Berufsun-fähigkeitsversicherung.

Weitere Information:www.anwaltakademie.deJenny Steger Tel.: 030 726153-126Fax: 030 726153-111E-Mail: [email protected]

17. Reiserechtstag25.und 26. 09.2009 in Münster

Der Reiserechtstag ist eine zweitägige reise-rechtliche Tagung der DGfR, die vorwiegendden Mitgliedern offensteht. Sie findet jährlichin wechselnden Städten Deutschlands jeweilsim Herbst eines Jahres statt. Zum Programmgehören Vorträge und Workshops von undmit namenhaften Referenten sowie die Mit-gliederversammlung der DGfR.

Weitere Information:http://www.dgfr.de/

21. IFTTA Konferenz03.10.2009-06.10.2009, Brasilien, Sao Paulound Illhabela

Zum 21. IFTTA Konferenz erwartet IFTTA sei-ne Mitglieder und alle am Reiserecht Interes-

sierten vom 03. bis zum 06. Oktober in Brasi-lien. Konferenzorte werden Sao Paulo und Ill-habela sein.

Programm:Samstag, den 03.10.09 , São Paulo

Main topic 1: Accidents in travel and tourism sector: pre-vention, risk management and liabilitySection 1- Tort Liability and the Travel Indus-tryDiscussionSection 2- Adventure tourism (rules and re-gulation in different countries)DiscussionSection 3- Terrorism, Tourism and LawDiscussionSection 4- Traveller accidents (cases, insuran-ce, statistics)Discussion

Sonntag, den 04.10.09, São Paulo

Main Topic 2: Recent national and internatio-nal developments in travel and tourism law.

Montag, den 05.10.09, Ilhabela

Main Topic 3: Tourism and its impact on theenviromentSection 1 – Enviroment Law and Travel andTourism LawDiscussionSection 2 – Community rights and TourismDiscussionSection 3 – Tourism and EconomyDiscussion

Weitere Information:http://www.iftta.orghttp://www.ifttabrasil.org

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Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt im europäischen und amerikanischen KartellrechtVon RAin Dr. Silke Möller, LL.M.2008, 260 S., brosch., 59,– €, ISBN 978-3-8329-3891-8(Wirtschaftsrecht und Wirtschaftspolitik, Bd. 227)

Die Verbraucher und die Verbraucherwohlfahrt stehen zunehmend im Fokus europäischerWettbewerbspolitik. Vor diesem Hintergrund analysiert die Arbeit diese Konzepte im euro-päischen und amerikanischen Kartellrecht und bezieht in der Debatte über einen möglichenParadigmenwechsel im bislang vom Wettbewerbsprinzip geprägten europäischen Wettbe-werbsrecht Stellung.