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Stabilität von Mo/B 4 C-Multilagenspiegeln für Synchrotronstrahlung und resonante Röntgenstreuung an defekt- und kristallfeldinduzierten Elektronendichteanisotropien in Rutil und BaTiO 3 Diplomarbeit zur Erlangung des wissenschaftlichen Grades Diplom-Physiker vorgelegt von Carsten Richter geboren am .. in Wurzen Institut für Strukturphysik der Technischen Universität Dresden

und resonante Röntgenstreuung an defekt- und ...€¦ · Stabilität von Mo/B4C-Multilagenspiegeln für Synchrotronstrahlung und resonante Röntgenstreuung an defekt- und kristallfeldinduzierten

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  • Stabilität von Mo/B4C-Multilagenspiegeln für Synchrotronstrahlung

    und resonante Röntgenstreuung an defekt- und kristallfeldinduzierten

    Elektronendichteanisotropien in Rutil und BaTiO3

    Diplomarbeit

    zur Erlangung des wissenschaftlichen Grades

    Diplom-Physiker

    vorgelegt von

    Carsten Richter

    geboren am .. in Wurzen

    Institut für Strukturphysik

    der Technischen Universität Dresden

  • Eingereicht am ..

    . Gutachter: Prof. Dr. D. C. Meyer. Gutachter: Dr. D. Novikov

  • Kurzdarstellung

    Ziel der Arbeit war die Charakterisierung der Stabilität von Multischicht-Spiegeln für hochenergeti-

    sche Röntgenstrahlung. Im Fokus der Untersuchungen stand ein periodisches System aus Molybdän-

    Borcarbid-Schichtpaaren. Es konnte gezeigt werden, dass die Multischichten bezüglich ihrer optischenEigenschaften nach Erwärmung auf 400 ◦C und Belastung mit Röntgenstrahlung einer Leistungsdichte

    von bis zu 3W/mm2 keine Verschlechterungen aufweisen. Temperaturen bis zu 400 ◦C führten dabei

    sogar zu einer Erhöhung der Reflektivität. Rein strahleninduzierte Degradation konnte im Rahmen

    der Arbeit nicht beobachtet werden, jedoch kann die thermische Belastung bei hohen Strahlintensitä-ten nicht immer durch Kühlung kompensiert werden. Weiterhin wurden verschiedene Einflüsse auf die

    Reflektivität von Multischichten diskutiert und modelliert. Insbesondere stand dabei die durch reso-

    nante Wechselwirkung zwischen Photonen und Elektronen entstehende Polarisationsabhängigkeit von

    Formfaktoren und Brechzahl im Vordergrund. Die Beiträge von Sauerstoffleerstellen und Temperaturauf diese Anisotropie wurden in Messungen an Rutil untersucht. Am Beispiel einer Domänengrenze

    im ferroelektrischen Bariumtitanat wurde die daraus resultierende Reflexion von Röntgenstrahlung

    berechnet.

    Abstract

    This work was aiming for the characterization of multilayer mirrors for high energy X-rays. A periodic

    system of molybdenum boron carbide double layers was in the focus of investigations. It could beshown that the optical properties of the multilayers after annealing up to 400 ◦C and exposure to beam

    intensities of as much as 3W/mm2 do not exhibit any degradation. Temperatures up to 400 ◦C even

    cause an increase of reflectivity. Purely exposure induced degradation could not be observed within

    the scope of this work, although thermal load cannot always be compensated by cooling. Further,diverse influences on the reflectivity of multilayers have been discussed and modelled. In particular

    the polarization dependence of atomic scattering factors and refraction index evoked by resonant

    interaction of photons and electrons was in the focus of interest. The contributions of oxygen vacancies

    and temperature on the anisotropy have been investigated within measurements on rutile. For theexample of a domain boundary in the ferroelectric barium titanate the resulting reflectivity of x-rays

    has been calculated.

  • iv

  • Inhaltsverzeichnis

    Abbildungsverzeichnis vii

    Tabellenverzeichnis ix

    . Einleitung

    . Grundlagen

    .. Elastische Röntgenstreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Wellenausbreitung in homogenen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Streuung am Elektron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Streuung am Atom - Resonante Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Streuung am Kristall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Phänomenologie der anisotropen resonanten Streuung . . . . . . . . . . . . . . .

    .. Streuung an Grenzflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Elektromagnetische Wellen an Grenzflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Reflexion und Transmission an Grenzflächen - Fresnelsche Formeln . . . . . . .

    ... Einfluss der Grenzflächenbeschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    .. Reflexionsvermögen von Vielfachschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Dynamische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Periodische Vielfachschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    .. Vielfachschichten als Röntgenoptik für Synchrotronstrahlung . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Materialsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Stabilität von Multischichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    . Experimentelle Methoden

    .. Probenherstellung und -behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Wärmebehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Bestrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    .. Charakterisierung der Multischichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Röntgenreflektometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Röntgendiffraktometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Spannungsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    .. Messung der Anisotropen Streuung an Rutil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    .. Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Modellierung von Reflektometriedaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    v

  • . Ergebnisse

    .. Mo/B4C Multischichten im Ausgangszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Probe PS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Die Serie PS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... Die Serien PS und PS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    .. Stabilität von Mo/B4C Multischichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Thermische Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Stabilität bei Bestrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Ergebnisse der AAS-Messungen an Rutil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    .. Auswirkungen der anisotropen resonanten Streuung auf die Reflektivität . . . . . . . . .

    . Zusammenfassung und Ausblick

    A. Anhang

    A.. Ergänzende Reflektogramme und Anpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Literaturverzeichnis

    vi

  • Abbildungsverzeichnis

    ... Wirkungsquerschnitt verschiedener Wechselwirkungsprozesse von Photonen mit Gold im

    Röntgen- und Gammabereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Streuebende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Formfaktor f von Molybdän im Röntgenbereich für Vorwärtsstreuung. . . . . . . . . . . .

    ... Strahlenverlauf an einer Grenzfläche zweier Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Reflektivität an einer Grenzfläche bei verschiedenen Extinktionskoeffizienten. . . . . . . .

    ... Darstellung des Unterschiedes zwischen Rauigkeit und Unschärfe. . . . . . . . . . . . . .

    ... Ausbreitung des elektrischen Feldes in einer Vielfachschicht. . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Gemessenes und simuliertes Reflektogramm einer Einzelschicht. . . . . . . . . . . . . . .

    ... Skizze Strahlrohr BW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Probenkammer für Bestrahlung an BW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Probenhalterung für Bestrahlung an BW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Skizze HZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Skizze D Reflektometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Skizze Strahlrohr E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Skizze D Diffraktometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Vergleich der Simuliationsergebnisse von IMD und dem eigenen Programm für die Bei-

    spielprobe DEF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Optimaler γ-Wert bei verschiedenen Energien und Rauigkeiten . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Einfluss von Stapelfehlern auf das erste Bragg-Maximum. . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Einfluss von Stapelfehlern auf das erste Bragg-Maximum bei geringer Auflösung. . . . .

    ... Anpassung der Reflektometriedaten von Probe PS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Diffuse Streuung für Probe PS im reziproken Raum. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Diffraktogramm für Multischicht PS im Ausgangszustand. . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Anpassung der Reflektometriedaten von Probe PS-GO. . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Anpassung der Reflektometriedaten von Probe PS-GO. . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Periodendicke in Abhängigkeit des Radius bei der Herstellung. . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Reflektivität und Periodendicke in Abhängigkeit der Temperatur für Serie PS. . . . .

    ... Ausbildung von Phasen in Serie PS ab 600 ◦C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Reflektivität, Periodendicke und Eigenspannung in Abhängigkeit der Temperatur für Se-

    rien PS und PS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Mikroskopische Aufnahmen der Serien PS und PS. . . . . . . . . . . . . . . . . . ... Diffusionskoeffizienten in Abhängigkeit der Temperatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    vii

  • ... Messung und Anpassung der Reflektogramme vor und nach Wärmebehandlung von Probe

    PS-GO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Rekonstruktion der Dichte in Abhängigkeit der Tiefe bei hoher Rauigkeit. . . . . . . . . .

    ... Rekonstruktion der Dichte in Abhängigkeit der Tiefe im Ausgangszustand und nach Wär-mebehandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Messung und Anpassung der Reflektogramme vor und nach Wärmebehandlung von Probe

    PS-GO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Bild des Brennfleckes auf PS nach Bestrahlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... Reflektogramme der Probe PS vor und nach Bestrahlung. . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Maximale Reflektivität in Umgebung des bestrahlten Bereichs. . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Relative Periodendicke in Umgebung des bestrahlten Bereichs. . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Intensität des 001-Reflexes von Rutil bei verschiedenen Leerstellen-Konzentrationen. . . .

    ... Intensität des 111-Reflexes von Rutil bei verschiedenen Leerstellen-Konzentrationen. . . . ... Struktur des Bariumtitanats an einer Domänenwand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Reflektivität und Extinktionskoeffizient einer Domänenwand im Bariumtitanat. . . . . . .

    A... Messung und Anpassung der Reflektogramme vor und nach Wärmebehandlung von ProbePS-GO - kompletter Verlauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    A... Ergebniss der Anpassung der Reflektogramme von Probe PS-GO mit festen Dichten.

    A... Messung und Anpassung der Reflektogramme vor und nach Wärmebehandlung von Probe

    PS-GO - kompletter Verlauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A... Reflektogramme der Schicht PS gemessen an Strahlrohr E. . . . . . . . . . . . . . .

    A... Diffraktogramm der Schicht PS nach Bestrahlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    viii

  • Tabellenverzeichnis

    ... Thermische Stabilität ausgewählter Multischichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Ergebnisse vergangener Bestahlungstests an Multischichten. . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Eigenschaften der Probenserien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Zusammenfassung der Wärmebehandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... Zusammenfassung der Bestrahlungstests. Bei vorher wärmebehandelten Proben ist die

    entsprechende Temperatur ϑ angegeben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Vorbehandung der Rutilproben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Probendetails Beispielprobe DEF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... Probendetails Beispielprobe DEF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Ergebnisse für Probe PS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Ergebnisse für Probe PS-GO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... Ergebnisse für Probe PS-GO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Eigenspannungen nach Beschichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ... Ergebnisse der Reflektometrie für PS-GO im Ausgangszustand . . . . . . . . . . . .

    ... Ergebnisse der Reflektometrie für PS-GO nach Erwärmung . . . . . . . . . . . . . . ... Ergebnisse der Reflektometrie für PS-GO nach Erwärmung . . . . . . . . . . . . . .

    ... Ergebnisse der Reflektometrie für PS-GO nach Erwärmung . . . . . . . . . . . . . .

    ... Maximale Temperaturen während Bestrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    A... Ergebnisse der Anpassung der Reflektogramme von Probe PS-GO mit festen Dichten.

    ix

  • . Einleitung

    Die Nutzung von Röntgenstrahlung hat in vielen Bereichen der Technik Einzug gehalten und erfordert

    wie bei sichtbarem Licht eine gezielte Lenkung des Strahlengangs. Da freie Elektronen in Metallen den

    elektrischen Feldern des Lichts annähernd ungedämpft folgen können, stellen sie ideale Spiegel dar.

    Dies ist für ultraviolette und Röntgenstrahlung mit Frequenzen oberhalb der Plasmafrequenz nichtmehr der Fall. Hier fehlt es an nichtabsorbierenden Materialien um konventionelle Spiegel zu konstru-

    ieren. Generell ist die Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit Materie vergleichsweise schwach und

    der Brechungsindex aller Materialien nahezu 1. Da er jedoch geringfügig kleiner als 1 ist, gibt es die

    Möglichkeit Totalreflexion bei sehr kleinen Einfallswinkeln zu nutzen. Andererseits gibt es viele natürli-che Kristalle, die periodische Strukturen in der Größenordnung der Wellenlänge von Röntgenstrahlung

    besitzen. Dies ermöglicht es, für diskrete Orientierung des Kristalls durch konstruktive, kohärente

    Überlagerung der an Gitteratomen gestreuten Anteile einen Großteil der Strahlung abzulenken.

    Dazwischen stehen künstliche periodische Strukturen, die den Vorteil beliebig einstellbarer Perioden-länge bieten und so freie Einstellung des Reflexionswinkels ermöglichen.Eine gleichmäßig alternierende

    Folge von dünnen Nanometer-Schichten hoher Dichte („Absorber“) und geringer Dichte („Spacer“) stellt

    dabei eine mögliche Realisierung dar. Wie Netzebenen eines Kristalls streuen die Grenzflächen dieser

    Multischichten Teile der einfallenden Röntgenstrahlung, welche anschließend kohärent überlagern. Dergestreute Anteil ist umso höher, je größer der Dichtekontrast der beiden schichtbildenden Materialien

    ist. Zur Optimierungdes Reflexionsvermögens sollten sie jedoch auch möglichst wenig Strahlungabsor-

    bieren. Die Absorption der Materialien sinkt in erster Linie mit zunehmender Energie der Photonen,

    steigt jedoch an sogenannten Aborptionskanten bei Anregung elektronischer Übergänge sprunghaft an.Deshalb sind für jeden Energiebereich andere Materialkombinationen geeignet. Auch die Stabilität der

    im Nichtgleichgewicht stehenden Schichtsysteme gegenüber Wärme und Strahlung grenzt die Wahl

    der Materialien ein. In dieser Arbeit soll daher die Stabilität von Multischichten aus Molybdän und

    Borcarbid untersucht werden. Ihre optischen Konstanten versprechen ein hohes Reflexionsvermögen fürPhotonenenergien zwischen 10 und 20keV [DBH+]. Borcarbid hat sich außerdem als sehr stabiles

    Material in dünnen Schichten bewährt [BMP+].

    Ein weiteres Ziel der Arbeit ist es, Reflexionen an Grenzflächen zu untersuchen, die nicht auf Dichteun-

    terschieden basieren, sondern durch eine Polarisationsabhängigkeit der Brechzahl hervorgerufen wer-den. Diese Anisotropie stellt sich ein, wenn die Energie der Photonen im Bereich der oben genannten

    Absorptionskanten liegt. Mit ihr lassen sich bekannte Phänomene wie Dichroismus und Doppelbre-

    chung erklären. Messungen an Rutil dienten dazu, die Stärke der Anisotropie und ihre Ursachen zu

    untersuchen. Später wurde die Polarisationsabhängigkeit für die Struktur des Bariumtitanats berechnetund daraus das Reflexionsvermögen an einer Domänengrenze bestimmt.

  • Kapitel : Einleitung

    In den folgenden Kapiteln werden zunächst die Grundlagen der Wechselwirkung von Röntgenstrahlung

    mit Materie beschrieben und genauer auf die Anwendungsmöglichkeiten von Multischichten eingegan-

    gen. Es werden typische Materialsysteme und Prozesse, die zur Degradation der Multischicht führen,

    beschrieben. Außerdem werden Vorgehensweisen zur Wärmebehandlung und Strahlenbelastung erläu-tert. Die eingesetzten Mittel zur Charakterisierung wie Reflektometrie und Diffraktometrie im Labor

    als auch am Synchrotron sowie Strategien zur Interpretation der gewonnenen Daten werden erklärt.

    Die Diskussion der Ergebnisse teilt sich auf in Beschreibung des Ausgangszustands und der Stabilität

    der Multischichten sowie der Ursachen für anisotrope Streuung und der theoretischen Reflektivitäteiner Domänengrenze im Bariumtitanat.

  • . Grundlagen

    .. Elastische Röntgenstreuung

    Die Abgrenzung zwischen ultravioletter Strahlung, Röntgenstrahlung und Gammastrahlung ist nichtscharf definiert. Für diese Arbeit sind Photonenenergien im Bereich E = ~ω = 102 . . . 105 eV von In-

    teresse, bei denen Photonen durch viele Effekte gestreut werden können. Ein Maß für die Stärke der

    Streuung ist der Wirkungsquerschitt σ. Wird ein Teilchen mit einer bestimmten Intensität bestrahlt,

    dann ist der gesamte durch das Teilchen gestreute Fluss gleich dem Primärfluss durch eine Fläche derGröße σ.

    Bekannte Effekte die zur Streuung beitragen sind atomarer Photoeffekt (Absorption eines Photons, An-

    regung eines Elektrons), elastische Streuung (Photonenenergie bleibt erhalten), inelastische Streuung

    (Photonenenergie durch Streuprozess verändert), Paarbildung (Zerfall des Photons in ein Positron-

    Elektron-Paar in Anwesenheit eines geladenen Teilchens) und Absorption im Kern. Die Wirkungsquer-schnitte eines Goldatoms für einige Effekte im Röntgen- und Gammabereich sind in Abbildung ..

    dargestellt.

    Der gesamte Wirkungsquerschnitt ist die Summe aller einzelnen Prozesse. Im Folgenden wird auf

    die Grundlagen der elastischen Röntgenstreuung eingegangen. Sie ist die Basis aller angewandten

    Streuexperimente.

    ... Wellenausbreitung in homogenen Medien

    Für die Betrachtung der Ausbreitung elektromagnetischer Wellen in Medien wird oft angenommen,

    dass diese homogen sind. Obwohl alle Materialien zumindest auf atomarer Skala inhomogen sind,

    lassen sie elektromagnetische Strahlung zumeist wie in einem homogenen Medium propagieren, was

    seine Ursache in der geringen Streukraft der Materie hat. Folge daraus ist, dass diese Materialienglobal durch optische Konstanten charakterisiert werden können. Eine strengere Betrachtung dazu

    und die Abhängigkeit dieser Näherung von der Extinktionslänge finden sich in [DG, Kap. ..]. Die

    ausgewählten Maxwellgleichungen in Materie lauten

    ~∇ × ~E = − ∂~B

    ∂t, ~∇ × ~H = ~j + ∂

    ~D

    ∂t.

  • Kapitel : Grundlagen

    σ / b

    10-4

    10-2

    100

    102

    104

    106

    Eph / MeV

    10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 104 105

    σcohσincohτ

    κnκeσtot

    Abbildung ...: Wirkungsquerschnitt verschiedener Wechselwirkungsprozesse von Photonenmit Gold im Röntgen- und Gammabereich: σtot - gesamter Wirkungsquer-schnitt, τ - atomarer Photoeffekt, σcoh - elastische Streuung, σincoh - inelasti-sche Comptonstreuung, κn, κe - Paarbildung an Kern bzw. Elektron. Einheitb steht für 1 barn = 10−28 m2. Quelle: [BH]

    Dabei gilt ~D = ε~E und ~H = ~B/µ. Zur Beschreibung elektromagnetischer Wellen mit diesen Gleichun-

    gen müssen noch einige Annahmen getroffen werden. Das Medium, in dem sich die Welle ausbreitet,

    soll wie oben besprochen als homogen betrachtet werden können. Das heißt, man kann eine mittlere

    Ladungsdichte angeben (ρ(~r ) = ρ̄ = const.), sodass grad div~E = 0 gilt. Außerdem muss man anneh-men, dass die Stromdichte Null oder zumindest proportional zum elektrischen Feld ist (~j = σ ~E ). Zur

    Lösung der sich dann ergebenden Differentialgleichung werden ebene Wellen angesetzt ~E ∝ ei(~k~r−ωt),und man erhält

    ∆ ~E = µ(

    −iσω ~E − εω2 ~E)

    =: µε̃ω2 ~E.

    Dabei wurde mit ε̃ = ε+ iσω

    eine verallgemeinerte Dielektrizitätszahl definiert. Mit der Lichtgeschwin-

    digkeit im Medium c = c0/n = 1/√µε̃ folgt die Helmholtzgleichung

    (

    ∆+ n2ω2

    c20

    )

    ~E =(

    ∆ + k2)~E = 0. (..)

    Für hohe Frequenzen (Licht, Röntgenstrahlung), nähert sich die magnetische Permeabilität µ dem

    Wert im Vakuum. Dadurch hängt die Brechzahl n nur noch von der relativen Permittivität ab

    n = c0/c=

    µε̃

    µ0ε0≈√ε̃

    ε0=

    √εr. (..)

    und es ergibt sich mit ~P = (εr − 1)ε0 ~E =: χε0 ~E eine alternative Helmholtzgleichung

    (∆ + k20

    )~E = − k

    20

    ε0~P . (..)

  • . Elastische Röntgenstreuung

    ... Streuung am Elektron

    Die Streuung am punktförmigen Elektron (Thomson-Streuung) bedeutet eine Inhomogenität in der

    Ladungsverteilung ρ = ρ(~r ). Dadurch ist das Medium nicht mehr quellfrei und (..) geht über zu

    ~∇ × ~∇ × ~E − k20 ~E =k20ε0~P . (..)

    Diese lineare Differentialgleichung ermöglichtdie Beschreibungdes elektrischen Feldes als Superposition

    der Felder einer Verteilung von singulären Punktdipolen über die Methode der Greenschen Funktion

    (Huygenssches Prinzip). Man betrachtet also eine Störung durch einen Hertzschen Dipol am Ort ~r ′:~P = ~pδ(~r − ~r ′) = p~epδ(~r − ~r ′).

    xD

    yD

    zD

    ~eσ , ~eσ′

    ~eπ′ ~eπ

    ~k ~k′~q

    θθ

    ψ

    ·

    Abbildung ...: Streuebende

    ~∇ × ~∇ ×G(~r , ~r ′) − k20G(~r , ~r ′) =k20ε0

    1δ(~r − ~r ′) (..)

    Der Greensche Tensor G ist die Lösung der singulären Störung, allgemein für senkrecht (σ) und

    parallel (π) zur Streuebene (s. Abb. ..) polarisierte Strahlung, da der Operator auf dem R3 wirkt.

    Das abgestrahlte elektrisches Feld des Hertzschen Dipols ist aus der Elektrodynamik bekannt [Jac,S. ]. Für große Entfernungen zum Streuer rk ≫ 1 (~r = r~e r) gilt

    δ~E ~p(~r , ~r′) = G(~r , ~r ′) ~p

    r′≪r≈ k20

    4πε0(~e r × ~p)× ~e r

    eik0r

    re−i

    ~k ′~r ′. (..)

    Betrachtet man nun ein punktförmiges freies Elektron im Koordinatenursprung, was durch das elek-

    trische Feld ungedämpft beschleunigt wird

    me~̈r = −e~E 0 ,

    ergibt sich das Dipolmoment

    ~p = q~r = −e~r = − e2

    meω2~E 0. (..)

    Dabei ist ~E 0 das ungestörte, einfallende Feld. Einsetzen in Gleichung (..) ergibt das Streufeld einesElektrons für große Entfernungen.

    δ~E (~r ) = re~e r × (~e r × ~E 0)eik0r

    r,

  • Kapitel : Grundlagen

    wobei re = e2

    4πε0mec2der klassische Elektronenradius ist. Nach Definition der Streulänge b für das

    Gesamtfeld ~E nach der Streuung

    ~E (~r ) = ~E 0(~r ) + b ~E 0(0)eikr

    rfolgt dann b = re(~e r ◦ ~e r − 1). (..)

    Für Beträge der Feldstärken reduziert sich die Streulänge auf ein Skalar b.

    b = re cos 2θ für π-polarisierte Strahlung

    b = re für σ-polarisierte Strahlung

    Sie beschreibt die Form des Dipolfeldes, welche durch Projektion des Dipols auf die Ebene senkrecht

    zur Ausbreitungsrichtung bestimmt ist.

    Bezug zur Brechzahl n

    Betrachtet man eine Verteilung freier Elektronen mit der Elektronendichte ρe und dem induziertenDipolmoment (..) ergibt sich der Zusammenhang zwischen Brechzahl und Elektronendichte

    ~P = χε0 ~E = ρe~p = −ρee

    2

    meω2~E ,

    ⇒ n =√

    1 + χχ≪1≈ 1 + χ

    2= 1− ρee

    2

    2meε0ω2. (..)

    ... Streuung am Atom - Resonante Streuung

    Formt man Gleichung (..) gemäß der Methode der Greenschen Funktion in eine Integralgleichung

    um erhält man~E (~r ) = ~E 0(~r ) +

    d3~r ′ G(~r, ~r ′)~P (~r ′).

    Und mit ~P = χε0 ~E = χε0E~ep

    ~E (~r ) = ~E 0(~r ) + ε0

    d3~r ′G(~r , ~r ′)χ(~r ′)~E (~r ′). (..)

    Also ist die Störung χ(~r ) das Pendant zum Streupotential bei der Streuung von Massefeldern. Die

    Näherung für das Fernfeld gilt nur, falls die Störung so schwach ist, dass Mehrfachstreuung im Nah-

    bereich - z.B. innerhalb eines Atoms - unwahrscheinlich ist. Diese Annahme ist gerechtfertigt, da dieTransmission von Röntgenstrahlung durch eine Monolagevon Atomen für alle Elemente größer als 99%

    ist [HGD], sodass

    G(~r , ~r ′) =k20e

    ik0r

    4πε0re−i

    ~k ′~r′ (1 − ~e r ◦ ~e r) (..)

    und~E (~r ) = ~E 0(~r ) +

    k20eik0r

    4πr

    d3~r ′ e−i~k ′~r ′χ(~r ′)(1 − ~e r ◦ ~e r)~E (~r ′). (..)

  • . Elastische Röntgenstreuung

    Gleichung (..) ist dann eine genäherte Lippmann-Schwinger-Gleichung für Photonen. Sie stellt eine

    Reihe dar (Bornsche Reihe), welche sich iterativ lösen lässt, indem man zuerst das ungestörte Feld in

    den Integranden einsetzt und anschließend jeweils das resultierende Feld.

    Bornsche Näherung

    Geht man von Einfachstreuung innerhalb des streuenden Objektes aus, ist das elektrische Feld im

    Integranden gleich dem einfallenden, ungestörten Feld ~E 0(~r ) = ~E 0(0)ei~k ~r . Außerdem ist dann der

    Polarisationsfaktor (bzw. die Streulänge) nicht mehr vom Ort der Streuung ~r ′ abhängig.Es ergibt sich

    für das gestreute Feld δ ~E mit ~q = ~k ′ − ~k

    δ ~E (~r ) =k20e

    ik0r

    4πr(1 − ~er ◦ ~er )~E 0(0)

    d3~r ′ χ(~r ′)e−i~q ~r′

    . (..)

    Das gestreute Feld ist also in Bornscher Näherung proportional zur Fouriertransformierten der Sus-zeptibilität.

    Bezug zu Brechzahl und Formfaktor

    Betrachtet man ein Atom klassisch als ein System von gebundenen Elektronen, die durch das elek-

    trische Feld analog zu Kap. .. eine erzwungenene, gedämpfte Schwingung durchführen (Lorentz-

    Oszillator-Modell), ergibt sich für ein Elektron

    me~̈r +meΓ~̇r +meω20~r = −e~E, (..)

    wobei ~ω0 die Bindungsenergie des Elektrons und Γ die Linienbreite der entsprechenden Emission ist.

    Über die Amplitude der erzwungenen Schwingung erhält man wieder das induzierte Dipolmoment desElektrons (vgl. (..))

    ~p =e2

    me(ω20 − ω2) + iωΓ~E. (..)

    Dies gilt im Prinzip auch für Kerne, welche jedoch aufgrund ihrer großen Masse (> 1800me) kaum zur

    Streuung beitragen. Möchte man nun die einfache Relation zwischen Brechzahl und Elektronendichte

    (..) erhalten, kann man komplexwertige, energieabhängige Korrekturen für die Elektronendichteeinführen, zu der alle elektronischen Übergänge j im Atom gemäß ihrer Oszillatorstärke foszj beitra-

    gen

    ρe → ρe(ω) =∑

    j∈Atom

    ρe(∞) foszjω2

    ω2 − ω20,j − iΓj ω/me. (..)

    Die Oszillatorstärke liefert in diesem klassischen Modell den Bezug zur Quantenmechanik. In der zeit-

    abhängigen Störungstheorie werden Übergangswahrscheinlichkeiten mit dem Produkt aus Zustands-dichte und Übergangsmatrixelement verknüpft (Fermis Goldene Regel). Die Oszillatorstärken können

    aus dem Ergebnis zeitabhängiger Störungstheorie bis zu Termen zweiter Ordnung berechnet werden

    [CL]. Dabei betrachtet man als Spezialfall für elastische Streuung die Anregung eines Elektrons in

    einen intermediären Zustand |c〉 und anschließende Abregung in den Ausgangszustand |i〉. Unter derVoraussetzung, dass die Wellenlänge groß gegenüber der Ausdehnung des Atoms ist, kann man den

  • Kapitel : Grundlagen

    f / (Elektronen/Atom)

    -10

    0

    10

    20

    30

    40

    50

    Eph / eV0 5000 10000 15000 20000 25000 30000

    Re(f)

    Im(f)

    Abbildung ...: Formfaktor f von Molybdän im Röntgenbereich für Vorwärtsstreuung. Aus[HGD].

    Störoperator in erster Näherung ei~k ~r ≈ 1 setzen (Dipolnäherung). In diesem Fall gilt für die Oszilla-torstärke für einen Übergang j

    foszj ∝ ω0,j〈ij |~ε′~r |cj〉〈cj |~ε~r |ij〉. (..)

    Dabei sind ~ε und ~ε ′ die Polarisationsvektoren des einfallenden bzw. gestreuten Photons. Außerdem ist

    fosz dimensionslos und es gilt die Summenregel

    j

    foszj = 1.

    Betrachtet man nun die Bornsche Näherung (..) und ersetzt die Suszeptibilität χ mit Hilfe von

    Gleichung (..) erhält man die bekanntere Form

    δ ~E (~r ) = b ~E 0(0)eik0r

    r

    d3~r ′ ρe(~r′, ω)e−i~q ~r

    = b ~E 0(0)f(~q , ω)eik0r

    r. (..)

    Dabei istf(~q , ω) = f0(~q ) + f

    ′ (ω) + if ′′(ω) =

    d3~r ′ ρe(~r′, ω)e−i~q ~r

    (..)

    der Formfaktor des Atoms mit den energieabhängigen Korrekturen f ′ und f ′′ der resonanten Streuung,

    welche in erster Näherung nicht von der Streurichtung abhängen. Abbildung .. zeigt als Beispiel

    die Energieabhängigkeit von f(0, ω) = f(0,E/~) an Molybdän. Basierend auf diesen Berechnungsmög-

    lichkeiten und unter Berücksichtigung gemessener Daten wurden die Dispersionskorrekturen für einengroßen Spektralbereich tabellarisiert.

    Analog ergeben sich über Gleichung (..) komplexe, energieabhängige Korrekturen für die Brech-

    zahl n. Man geht von der gesamten Elektronendichte zur Atomdichte eines Materials über, um den

    Zusammenhang mit den Formfaktoren herzustellen. Für elementare Stoffe gilt dann

    n = 1−Naρ

    M

    e2

    2meε0ω2f(0, ω) =: 1− δ − iβ. (..)

  • . Elastische Röntgenstreuung

    Dabei sindNa die Avogadrozahl, ρ die MassendichteundM die Atommasse. Bei Verbindungen addieren

    sich die Formfaktoren der verschiedenen Elemente gemäß ihrer Teilchendichten. Man kann sehen, dass

    der Realteil der Brechzahl im Röntgenbereich kleiner als der Vakuumswert 1 ist. Die Korrekturen sind

    jedoch sehr klein. Typische Werte finden sich bei δ = 10−4 . . . 10−6 und β = 10−4 . . . 10−8, sind jedochstark von Material und Energie abhängig.

    Bezug zu Messgrößen

    Mit k = n ωc0

    folgt für das elektrische Feld einer ebenen Welle in Ausbreitungsrichtung (r‖ = ~r~kk) im

    Material mit der Brechzahl n

    ~E (~r , t) = ~E (0, 0)ei[

    (1−δ−iβ) ωc0

    r‖−ωt]

    = ~E (0, 0)e−β ωc0

    r‖ ei[

    (1−δ) ωc0

    r‖−ωt]

    .

    Der Imaginärteil der Brechzahl bzw. des Formfaktors beschreibt also die Abschwächung des Feldes

    im Material durch Photoabsorption. Messbare Größe ist die Intensität, welche sich aus dem zeitlichen

    Mittel des Betrages des Poynting-Vektors berechnet und keine Informationen über die Phase mehrenthält. Er hängt bei transversalelektromagnetischen Wellen vom Quadrat des elektrischen Feldes ab.

    Da µ ≈ µ0 für Licht und Röntgenstrahlung erhält man

    ~S(~r , t) =~ekµ0c

    ~E (~r , t)2 . (..)

    Für die Intensität gilt dann

    I =∣∣∣~S (~r , t)

    ∣∣∣ =

    1

    2

    1

    µ0c~E (0, 0)2 e

    −2β ωc0

    r‖ =: I0e−2βω/c0r‖ . (..)

    Sie klingt also exponentiell ab. Mit der Definition des Absorptionskoeffizienten α,

    dI

    I= −αdr‖, wird α = 2βω/c0. (..)

    Kramers-Kronig-Beziehungen

    Aus der Funktionentheorie ergeben sich Beziehungen zwischen Real- und Imaginärteil der optischen

    Konstanten δ und β bzw. des Formfaktors f ′ und f ′′, die hier kurz erläutert werden sollen. Man

    geht von der Abhängigkeit g(ω) der Amplitude in Gleichung (..) von der Kreisfrequenz der Er-regerwelle ω aus. Die frequenzabhängigen Korrekturen in Brechzahl bzw. Formfaktor lassen sich als

    Linearkombination dieser darstellen, weshalb es reicht sich darauf zu beschränken.

    g(ω) =1

    me(ω20 − ω2) + iωΓ

    Diese stellt, da die linke Seite in (..) eine harmonische Schwingung und deshalb die Fouriertrans-

    formierte der δ-Funktion ist, die Fouriertransformierte der Greenschen Funktion G(t − t′) dar. Siebeschreibt die Antwort des harmonisch gebundenen Elektrons auf eine Störung zum Zeitpunkt t′. Aus

  • Kapitel : Grundlagen

    Kausalitätsgründen muss also G(t) für t < 0 Null sein. Es kann gezeigt werden, dass dies nur erfüllt

    ist, wenn g(ω), erweitert auf die komplexe Ebene, keine Polstelle in der unteren Halbebene hat, was

    bedeutet, dass Γ > 0. Unter dieser Bedingung lässt sich der Residuensatz anwenden. Eine Integration

    entlang der reellen Achse und einem Halbkreis mit unendlich großem Radius in der unteren Halbebene,wo g(ω) → 0, liefert mit g(−ω) = g∗(ω) die Kramers-Kronig-Beziehungen [Kro]

    Re(f(ω)) =2

    πP

    ∫ ∞

    0

    ω′ Im(f(ω′ ))

    ω′2 −ω2 dω′, (..)

    Im(f(ω)) = − 2ωπ

    P

    ∫ ∞

    0

    Re(f(ω′ ))

    ω′2 − ω2 dω′. (..)

    P steht dabei für den Cauchyschen Hauptwert des Integrals.

    ... Streuung am Kristall

    In makroskopisch ausgedehnten Kristallen lässt sich die Mehrfachstreuung der Photonen nicht mehr

    ausschließen. Der Großteil der Streuintensität lässt sich jedoch gut in der Bornschen Näherung er-klären (kinematische Streutheorie). Man betrachtet also wieder das gestreute Feld wie in (..) als

    Fouriertransformierte der Elektronendichte. Die Elektronendichte im Kristall ist per Definition die

    Faltung aus dem dreidimensionalen Punktgitter mit der Elektronendichte in der gewählten Elementar-

    zelle (EZ). Letztere ist wiederum eine Faltung der diskreten Atompositionen mit den entsprechenden

    atomaren Ladungsdichten.

    Gemäß dem Faltungstheorem zerfällt also die Fouriertransformierte in ein Produkt aus Fouriertrans-formierter des Punktgitters, Fouriertransformierter der Basispunkte und Atomformfaktoren. Die dis-

    kreten Positionen des Punktgitters sowie der Basis lassen sich durch Delta-Funktionen beschreiben,

    sodass die Fouriertransformation in eine diskrete Fouriertransformation zerfällt. Übrig bleibt die Fou-

    riertransformierte G des unendlich ausgedehnten, periodischen Punktgitters, welches scharfe Reflexeliefert, moduliert mit der Fouriertransformierten der Elementarzelle (EZ), dem Strukturfaktor F

    fKristall(~q ) = F (~q )G(~q ) =∑

    Atome

    i

    Lagen

    j∈EZ

    fi(~q )e−i~q~r ij

    (u,v,w)∈Z3

    e−i~q~Ruvw. (..)

    Dabei ist ~Ruvw = u~a+v~b+w~c die Schar der Gittervektoren mit (u, v,w) ∈ Z3 und der Metrik (~a ,~b , ~c).Aus G erhält man die Bedingung, unter welcher Beugungsreflexe auftreten. Die Summe divergiert, wenn

    alle Summanden 1 sind. Das heißt wenn gilt

    e−i~q~Ruvw = 1. (..)

    In diesem Fall entspricht (..) auch der Definition eines reziproken Gittervektors ~q . Die Bedingungist äquivalent zur Lauebedingung.

    Vernachlässigt man Mehrfachstreuung nicht, kann man die Suszeptibilität als diskrete Fourierreihe über

  • . Elastische Röntgenstreuung

    den Kristall mit den Gitterpunkten als Stützstellen entwickeln, da sie die gleicheTranslationssymmetrie

    aufweisen muss. Fordert man, dass auch die Lösungen der Helmholtzgleichung (elektrische Felder)

    im Kristall die gleiche Periodizität besitzen, erhält man ein Fundamentalsystem von unendlich vielen

    linearen Gleichungen. Im Zweistrahlfall ist der Betrag des Impulses der gestreuten Welle nahe demder einfallenden Welle und das Gleichungssystem reduziert sich auf Gleichungen, mit deren Hilfe es

    möglich ist, das Reflexprofil abhängig vom Streuwinkel zu berechnen [Shm, S. ]. Betrachtungen im

    Rahmen der Theorie der dynamischen Streuung an Kristallen waren für die Anfertigung dieser Arbeit

    nicht notwendig. Für die Beschreibung der gespiegelten Streuung an periodischen Vielfachschichtenwird in Kap. .. jedoch ein rekursives Modell benutzt, welches auch Mehrfachstreuung berücksichtigt

    und ähnliche Reflexprofile vorhersagt.

    ... Phänomenologie der anisotropen resonanten Streuung

    Aus Gleichung (..) erkennt man, dass die Dispersionskorrekturen (..) in der Nähe von Absorp-

    tionskanten von der Polarisation abhängen.Bei freien Atomen sind die Elektronenzustände so entartet,

    dass sie nach Linearkombination kugelsymmetrisch sind, wodurch bei Anregung mit einer bestimmtenPhotonenenergie keine Richtung ausgezeichnet ist. Im Kristall dagegen sind die unbesetzten Zustände,

    welche durch angeregte Elektronen eingenommen werden können, verzerrt und die Kugelsymmetrie

    gebrochen. Gründe dafür sind

    • Kristallfeld der lokal anisotropen Umgebung, [TT]

    • Punktdefekte [DO],

    • nicht-sphärische Elektronendichteverteilung im Valenzzustand,

    • thermische Schwingungen [DO].

    Außerdem können die Elektronen bei ausreichender Photonenenergie das Atom verlassen und in Kon-

    tinuumszustände angehoben werden. Die Wellenlänge der Photoelektronen liegt in der Größenordnung

    typischer Gitterabstände, sodass die gestreuten Photoelektronenwellen stark mit denen, die vom Absor-beratom auslaufen, interferieren. Die Wellenlänge wird durch die kinetische Energie des Photoelektrons

    und somit letztlich durch die Energie der einfallenden Photonen bestimmt. Die Interferenzen beein-

    flussen die Dichte der angeregten Zustände. Die dadurch bewirkte Energieabhängigkeit der Zustands-

    dichte für angeregte Elektronen bewirkt eine sogenannte Feinstruktur fos in der Energieabhängigkeitdes Formfaktors

    f(~q , ω) = f0(~q ) + f′(ω) + if ′′(ω) + f ′os(ω) + if

    ′′os(ω). (..)

    Diese wird in der Röntgenabsorption (XAFS - X-Ray Absorption Fine Structure) sowie in der elasti-

    schen Streuintensität (DAFS - Diffraction Anomalous Fine Structure) sichtbar. Die Berechung der zur

    Feinstruktur führenden Interferenzen erfolgt über Summation aller Elektronenwellen, die von Atomeninnerhalb einer gewissen Entfernung gestreut und gedämpft werden [SCR+].

  • Kapitel : Grundlagen

    Die besprochene Richtungsabhängigkeit (Anisotropie) der Zustandsdichte der angeregten Zustände

    in Verbindungen bzw. Kristallen spiegelt sich in einer Abhängigkeit des Formfaktors (..) von der

    Polarisation der Photonen wider. Diese Abhängigkeit lässt sich durch eine Erweiterung des Formfaktors

    auf einen Formfaktortensor f beschreiben [MSF].

    f (~q , ω) = f0(~q )G∗0 + f

    ′(ω) + if ′′(ω) (..)

    G∗0 ist hier ein Tensor zur Erweiterung von f0 in das probenfeste Koordinatensystem. Falls dieses

    kartesisch ist, ist G∗0 gleich der Einheitsmatrix. Die gestreute Amplitudeberechnet sich dann ausgehendvon Gleichung (..) gemäß

    δ ~E (~r ) = b · fD(~q , ω, ψ) ~E 0(0)eik0r

    r. (..)

    Dabei ist zu beachten, dass b bezüglich des Diffraktometersystems und f bezüglich des Probensystemsfest ist, weshalb hier fD die Darstellung von f im Diffraktometersystem ist. Sie hängt bei festem

    Impulsübertrag ~q vom Azimutwinkel ψ ab, der für die Rotation um ~q steht. Zusammengefasst sei hier

    Ξ eine Matrix zur Transformation von f in ein Orthonormalsystem sowie Rotation in Reflexstellung

    und Ψ Drehmatrix um ~q . Dann gilt

    fD(~q , ω, ψ) = Ψ(ψ) fD(~q , ω) Ψ(ψ)T = (Ψ(ψ)Ξ) f (~q , ω) (Ψ(ψ)Ξ)

    T. (..)

    Da sich (..) bei Vertauschung der Polarisationsvektoren nicht ändert, ist der Formfaktortensor inDipolnäherung symmetrisch und die Zahl der freien Parameter reduziert sich von auf . Bei Streu-

    ung an Kristallen muss f außerdem die lokale Lagesymmetrie des resonant angeregten Atoms erfüllen.

    Da das oft der Ausgangspunkt ist, erhält man f zunächst in der Darstellung des Kristallsystems. Zur

    Beschreibung der Streuung am Kristall muss man ausgehend von (..) beachten, dass Atome aufsymmetrieäquivalenten Lagen nicht mehr gleich streuen, da außer dem Ort noch die Ausrichtung des

    Atoms entscheidend ist. Man geht von den Atomen in der asymmetrischen Einheit (AE) aus und er-

    hält die gesamte Elementarzelle durch Anwendung der Symmetrieoperationen der Generatoren (j) der

    Raumgruppe (RG). Der Strukturfaktortensor wird dann

    F(~q , ω) =∑

    Atome

    i∈AE

    j∈RG

    fij(~q , ω)ei~q ~r ij. (..)

    Dabei berechnet sich der Formfaktortensor des Atoms i an der Position j über den Rotationsanteil Rjdes entsprechenden Generators

    fij =RjfiRTj .

    Der Strukturfaktortensor ist wiederum fest bezüglich des Kristallsystems und muss wie in (..) in

    das Diffraktometersystem transformiert werden, wodurch in der Intensität wieder eine Abhängigkeit

    vom Azimutwinkel ψ entsteht. Für die gesamte gestreute Intensität folgt dann

    I ∝∣∣∣δ~E

    ∣∣∣

    2

    = ~ET0 F†D(~q , ω, ψ)b

    TbFD(~q , ω, ψ)~E 0

    1

    r2.

  • . Elastische Röntgenstreuung

    Man hat so einen Zugang zu den anisotropen Struktur- und Formfaktortensoren über Messung der

    winkelabhängigen Intensitäten. Besonders interessant sind dabei Reflexe die durch Schraubenachsen

    oder Gleitspiegelebenen ausgelöscht sind.Diese Symmetrien können bei resonanter Anregung gebrochen

    werden und so diese sogenannten „verbotenen“ Reflexe auftreten. Ihre Intensität wird nur durch die ani-sotrop streuende Partialstruktur hervorgerufen, wodurch starke relative Signale auftreten. Sie wurden

    erstmals an Natriumbromat entdeckt [TT] und später von Kirfel et al. auch an Rutil TiO2 gemessen

    [KPE]. Der Tensorcharakter des Strukturfaktortensors macht sich außerdem in einer Mischung der

    Polarisationen bemerkbar. Das heißt, dass senkrecht polarisierte Strahlung nach der Streuung zum Teilparallel polarisiert ist und umgekehrt.

    Die Anisotropie der Streukraft der Atome äußert sich auch in der Brechzahl des Materials. Hat diesesMaterial die Dichte ρ, die molare Masse M und νi Atome der Sorte i je Molekül, berechnet sich

    die Brechzahl ausgehend von (..) aus der Summe über alle partiellen Teilchendichten der Atome

    (..). Alternativ kann man auch die Elementarzelle eines Kristalls als Molekül betrachten. Dann

    lässt sich die Summe einfach über den Strukturfaktortensor und das Volumen der Elementarzelle VEZausdrücken. Man erhält den Brechzahltensor

    n = −Naρ

    M

    reλ20

    i

    νifD,i(0, ω, ψ) = 1 −reλ

    20

    2πVEZFD(0, ω, ψ). (..)

    Orientiert an Jones [Jon] kann man das Problem auf die Polarisationsebene und somit auf zwei

    Dimensionen reduzieren. Die skalare Brechzahl ermittelt sich dann mit dem oben definierten Polarisa-

    tionsvektor ~ε nach

    n = ~ε Tn~ε. (..)

    Mit der anisotropen Brechzahl lassen sich Phänomene wie Doppelbrechung und Dichroismus beschrei-ben. Bei Rotation der Probe um die Ausbreitungsrichtung der Strahlung (hier als x gewählt) und um

    einen Winkel φ ändert sich die Brechzahl gemäß

    n = ~ε TΦnΦT ~ε mit Φ =

    1 0 0

    0 cos φ sin φ

    0 − sinφ cos φ

    .

    Ein Teilziel der Arbeit war es zu untersuchen, wie stark der Einfluss der oben genannten Ursachen aufdie anisotrope Streuung ist. Speziell wurde dabei auf die Abhängigkeit der anisotropen Streuung an

    Rutil von Temperatur und Sauerstoff-Leerstellen eingegangen. Zur Bestimmung des Tensorelements

    f12 wurden die davon abhängigen Intensitäten I(ψ) des 001- und 111-Reflexes vermessen.

    Des Weiteren sollen potentielle Auswirkungen des anisotropen Formfaktors auf die Brechzahl und

    dadurch resultierende Reflexionen an Grenzflächen, die im nächsten Kapitel erklärt werden, diskutiertwerden.

  • Kapitel : Grundlagen

    z

    ~Ee ~Er

    ~Ed

    ~ke ~kr

    ~kd

    θ1θ1

    θ2

    x

    Abbildung ...: Strahlenverlauf und Feldvektoren für parallel polarisierte Strahlung an einerGrenzfläche beim Übergang von Material in Material mit einfallendem (e),reflektiertem (r) und durchgelassenem (d) Strahl. y wird wieder senkrecht zurStreuebene gewählt.

    .. Streuung an Grenzflächen

    ... Elektromagnetische Wellen an Grenzflächen

    Das Verhalten der elektrischen Feldstärke an einer Grenzfläche erhält man aus dem Induktionsgesetzin integraler Form

    ∂A

    ~E · d~r = −µ0d

    dt

    A

    ~H ·d ~A. (..)

    Legt man nun die Integrationsfläche A in die Streuebene senkrecht zur Grenzfläche und zieht sie um

    diese Grenzfläche auf infinitesimale Breite zusammen, so ergibt das Integral auf der rechten Seite Null,

    da ~H auf der Grenzfläche nicht divergiert. Das Integral auf der linken Seite hinterlässt die Differenz

    der Tangentialkomponenten zusammen mit der Länge der Integrationsfläche als Vorfaktor. Es bleibt

    (~E2 − ~E1 ) · ~t = 0, (..)

    wobei ~t ein beliebiger Vektor parallel zur Grenzfläche ist und die Indizes und für Vorder- undHinterseite der Grenzfläche stehen. Die Tangentialkomponenten des ~E -Feldes sind also stetig.

    ... Reflexion und Transmission an Grenzflächen - Fresnelsche Formeln

    Betrachtet man eine Grenzfläche wie in Abbildung .., an der einfallende Röntgenstrahlung (e) zum

    Teil reflektiert (r) und zum Teil durchgelassen (d) wird, dann wird Gleichung (..) zu

    (~Ee + ~Er − ~Ed ) · ~t = 0. (..)

  • . Streuung an Grenzflächen

    Da diese Gleichheit zu allen Zeiten erfüllt sein muss, sind die Kreisfrequenzen gleich. Ebenso muss die

    Gleichheit für alle x, y auf der Grenzfläche gelten, wodurch die Tangentialkomponenten des Wellenvek-

    tors ~k auch gleich sind.

    ke · cosθ1 = kr· cos θ1 = kd · cos θ2.

    Mit der Dispersionsrelation ω = c· k = c0n· k folgt daraus das Snelliussche Brechungsgesetz.

    cos θ2cos θ1

    =kekd

    =n1n2

    (..)

    Dabei sind n1 , n2 die Brechzahlen im entsprechendem Medium.Außerdem kann man voraussetzen, dass

    auf der Grenzfläche keine Leistung verloren geht, weshalb der Poynting-Vektor erhalten bleibt

    ~S e = ~Sr + ~S d.

    Einsetzen von Gleichung (..) liefert dann eine weitere Bedingung

    ⇒ 1µ0c1

    (

    ~Ee2 − ~Er 2

    )

    sin θ1 =1

    µ0c2~Ed

    2 sin θ2 . (..)

    Aus den Gleichungen (..) und (..) folgen Reflexionskoeffizient r12 und Transmissionskoeffizientt12 der Grenzfläche beim Übergang von Medium 1 in Medium 2. Wegen der Projektion in Gleichung

    (..) ergeben sich unterschiedliche Amplitudenverhältnisse für senkrecht (σ) bzw. parallel (π) pola-

    risierte Strahlung

    rσ12 =Er,σEe,σ

    =n1 sin θ1 − n2 sin θ2n1 sin θ1 + n2 sin θ2

    , tσ12 =Ed,σEe,σ

    =2n1 sin θ1

    n1 sin θ1 + n2 sin θ2, (..)

    rπ12 =Er,πEe,π

    =n2 sin θ1 − n1 sin θ2n2 sin θ1 + n1 sin θ2

    , tπ12 =Ed,πEe,π

    =2n1 sin θ1

    n1 sin θ2 + n2 sin θ1. (..)

    Das sind die Fresnelschen Gleichungen in der optischen Näherung (µ ≈ µ0). Man kann für beliebigePolarisation zeigen, dass

    r212 + t12t21 = 1. (..)

    Wie schon erwähnt ist der Realteil der Brechzahl für Röntgenstrahlung im Medium kleiner als im Va-

    kuum. Für reelle Brechzahlen beim Übergang in ein solches, optisch dünneres Medium (δ2 > 0) wird

    der Winkel des gebrochenen Strahls nach (..) bei Einfallswinkeln unter einem bestimmten kritischen

    Winkel θc imaginär. Dabei werden die Amplitudenverhälnisse komplex. Das gemessene Intensitätsver-hältnis bzw. die Reflektivität R wird dabei Eins.

    R12 :=IrIe

    = |r12|2 → 1

    Es wird also die gesamte Intensität reflektiert (Totalreflexion). Der kritische Winkel ist erreicht, wenn

    der Brechungswinkel Null wird. Aus (..) ergibt sich dann unter Vernachlässigung von Termen derOrdnung δ2

    sin θc =√2δ. (..)

    Für komplexe Brechzahlen wird die Reflektivität nicht Eins, da die evaneszente Welle im Medium

  • Kapitel : Grundlagen

    0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0� / �

    10-4

    10-3

    10-2

    10-1

    100

    Refle

    ktiv

    it�

    t R

    �=0

    �=10�6

    R�θ�4

    Abbildung ...: Verlauf der Reflektivität senkrecht polarisierter Strahlung beim Übergang vonVakuum in ein Medium mit δ = 10−5 in Abhängigkeit des Einfallwinkels θ unddes Imaginärteils β der Brechzahl und asymptotisches Verhalten R ∝ q−4 =|~q |−4.

    zum Teil absorbiert wird. Die vorher scharfe Totalreflexionskante wird dadurch aufgeweicht (siehe

    Abbildung ..). Der Unterschied in der Reflektivität zwischen senkrecht und parallel polarisierterStrahlung ist für kleine Einfallswinkel sehr gering. Sie sind verknüpft über

    Rπ = Rσ cos2 2θ.

    Für große Winkel erhält man für die Reflektivität das folgende, asymptotische Verhalten

    Rσθ≫θc∝ |~q |−4 = (2k0 sin θ)−4 .

    ... Einfluss der Grenzflächenbeschaffenheit

    Im letzten Abschnitt wurde von scharfen Grenzflächen ausgegangen. Dies ist gerechtfertigt, wenn die

    Wellenlänge der Strahlung groß gegenüber der „Dicke“ der Grenzfläche ist. Oft ist diese Voraussetzung

    nicht gegeben. Außerdem kommt es vor, dass die Grenzfläche innerhalb des bestrahlen Bereichs nichteben sondern rau ist. Grenzflächen lassen sich auf verschiedene Weise beschreiben. Stearns betrachtet

    den Gradienten der optischen Konstanten (Suszeptibilität) als Maß für die Unschärfe und beschreibt

    die Rauigkeit über ihre räumliche Abhängigkeit [Ste].

    s(~r ) =1

    ∆χ

    ∂χ(~r )

    ∂z

    Die Normierung auf die Differenz der Suszeptibilitäten der beiden reinen Materialien (∆χ = χ2− χ1)führt dazu, dass s(~r ) nurvon der Morphologie der Grenzfläche abhängt. Stearns Berechnungen bewegensich innerhalb der Bornschen Näherung, sodass das Streufeld wie in (..) über die Fouriertransfor-

  • . Streuung an Grenzflächen

    χ1 χ2 χ1 χ2 χ1 χ2

    p(z)

    w(z)

    z

    z

    Abbildung ...: Darstellung des Unterschiedes zwischen Rauigkeit und Unschärfe.

    mierte der Suszeptibilität berechnet wird. Diese kann durch die Fouriertransformierte über s(~r ) ersetzt

    werden.

    Bei Messung der spiegelnden Reflexion steht der Impulsübertragsvektor ~q senkrecht auf der Grenzflä-

    che. Dadurch ist die Fouriertransformierte s̃(~q ) nicht sensitiv auf laterale Änderungen der Oberfläche,

    sondern nur auf den Mittelwert über die bestrahlte Fläche A in der x-y-Ebene. Für diesen Fall ist das

    Streufeld nur abhängig von der Fouriertransformierten des Gradienten w(z) der Profilfunktion p(z)

    w(z) =dp(z)

    z, mit p(z) =

    1

    ∆χA

    ∫∫

    A

    dxdy[χ(~r) − χ1].

    Abbildung .. verdeutlicht den Unterschied zwischen Rauigkeit und Unschärfe einer Grenzfläche im

    Vergleich zu einer scharfen Grenzflächeund zeigt jeweils die Profilfunktionen p(z), w(z). Man sieht, dass

    spiegelnde Reflexion keine Informationen über die Morphologie der Grenzfläche enthält, sondern nur

    über eine mittlere Schärfe. Für den Reflexionskoeffizienten r einer rauen oder unscharfen Grenzflächeerhält man dann

    r = r0 w̃(qz ), (..)

    wobei r0 der Reflexionskoeffizient der entsprechenden scharfen Grenzfläche ist. Während die Profil-

    funktion p(z) einer scharfen Grenzfläche gleich der Heavisidefunktion ist, lässt sich eine raue bzw.

    unscharfe Grenzfläche in erster Näherung durch die Fehlerfunktion erf (z) beschreiben. Ihr Gradientw(z) ist dann gaußförmig und (..) wird zu

    r(σ) = r0 e−σ2~q 2/2. (..)

  • Kapitel : Grundlagen

    Dabei ist σ die Standardabweichung von w(z) und wird hier auch quadratische Rauigkeit (engl. Root-

    Mean-Square Roughness) genannt. Für den Fall spiegelnder Reflexion werden im Folgenden Rauigkeit

    und Unschärfe der Grenzflächen unter dem Begriff Rauigkeit zusammengefasst.

    Sinha et al. beschreiben die diffuse und spiegelnde Streuung an Grenzflächen sowohl über die BornscheNäherung als auch über die Distorted Wave Born Approximation (DWBA) [SSGS]. Erstere liefert

    schlechte Ergebnisse, wenn man nicht mehr davon ausgehen kann, dass nur ungestörte Wellen zur

    Streuung beitragen (Einfachstreuung). Diese ist nicht mehr gegeben, wenn die Reflektivität in der

    Größenordnung von Eins ist, wie zum Beispiel nahe der Totalreflexionskante. In der DWBA wird dasStreupotential (hier: Suszeptibilität) aufgeteilt in eine Summe aus einem gelösten Potential V1 (Fall

    einer scharfen Grenzfläche) und in eine Störung V2 (raue Schicht). Zur Lösung addieren sich dann die

    Lösungen für V1 und deren Streuung an V2. Die DWBA ist essentiell zur Erklärung von Besonderhei-

    ten in der diffusen Streuintensität wie Yoneda-Reflexe [Yon] und Bragg-ähnliche Reflexe durchUmweganregungen [HB] sowie Maxima durch korrelierte Rauigkeit.

    Betrachtet man wieder die Auswirkungen auf die spiegelnde Reflexion, liefert die DWBA bessere Er-

    gebnisse in der Nähe der Totalreflexionskante. Für große Impulsüberträge (qzσ ≫ 1) ist nach Sinhajedoch die Bornsche Näherung verlässlicher. Eine Entwicklung der Reflektivität, wie sie die DWBAliefert, ergibt als Korrektur für den Reflexionskoeffizient

    r(σ) = r0 e−σ2q1q2/2. (..)

    Dabei sind die qi = 4πλ ni sin θi die Beträge des Impulsübertrags im Medium i. Diese Erweiterung für(..) bzw. Näherung der DWBA ist Sinha zufolge eine „gute Kreuzung“ der beiden Theorien. Das

    gleiche Ergebnis haben Nevot und Croce auf anderem Wege erzielt [NC].

    .. Reflexionsvermögen von Vielfachschichten

    ... Dynamische Theorie

    Zwei wesentliche Ansätze um das Reflexionsvermögen von einem System aus mehreren Schichten zu

    beschreiben, sind der rekursive Ansatz nach Parrat [Par] und das Matrixmodell [KSK, Cen]. Der

    letztere wurde in dieser Arbeit vorrangig verwendet. Zentraler Ausgangspunkt sind die Amplituden deselektrischen Feldes an einer Grenzfläche. An jeder Grenzfläche wird gemäß den Fresnelschen Formeln

    ein Teil des Feldes reflektiert bzw. transmittiert. In der Vielfachschicht kommt es zur Interferenz ein-

    laufender und auslaufender Wellen. Erstere laufen in dieser Darstellung in +z-Richtung (E+), letztere

    in −z-Richtung (E−). Das Prinzip ist in Abbildung .. skizziert. Die Amplituden des elektrischenFeldes an einer beliebigen Grenzfläche i berechnet sich dann nach

    E+i = E+i−1ti−1,i e

    iϕi + E−i ri,i−1 e2iϕi , (..)

    E−i = E+i ri,i+1 + E

    −i+1ti+1,1 e

    iϕi+1 . (..)

  • . Reflexionsvermögen von Vielfachschichten

    Umgebung

    Substrat

    Schicht0

    1

    i−1

    i

    i+1

    N

    N+1

    Grenzfläche

    N,N+1

    N−1,N

    i, i+1

    i−1, i

    0, 1E+0

    E+1

    E+i−1

    E+i

    E+N−1

    E+N

    E−0

    E−1

    E−i−1

    E−i

    E−N−1

    E−N

    Abbildung ...: Ausbreitung der einlaufenden (+) und auslaufenden (−) elektrischen Felder ineinem System mit N Schichtenauf Substrat und Indizierung der Schichten undGrenzflächen

    Dabei sind rij und tij die Fresnelschen Reflexions- bzw. Transmissionskoeffizienten aus (..) beim

    Grenzübergang von Schicht i zur Schicht j und ϕi die Änderung des Phasenwinkels beim Durchlau-

    fen der Schicht i. Sie berechnet sich mit der jeweiligen Schichtdicke di, der Brechzahl ni und dem

    Brechungswinkel θi über

    ϕi =2π

    λnidi sin θi. (..)

    Für Umgebung und Substrat gelten die Abbruchbedingungen

    E+0 = beliebig fest und E−N+1 = 0.

    Das heißt aus dem Substrat kommt keine auslaufende Welle. Mit Hilfe von Gleichung (..) und unter

    Verwendung von r12 = −r21 lassen sich die Gleichungen (..) vereinfachen und in eine Matrixformumschreiben (

    E+iE−i

    )

    =1

    ti,i+1

    (

    1 ri,i+1

    ri,i+1 1

    )(

    e−iϕi+1 0

    0 eiϕi+1

    )

    ︸ ︷︷ ︸

    :=Mi

    (

    E+i+1E−i+1

    )

    . (..)

    Jede Grenzfläche mit ihrer Folgeschicht kann also durch eine 2×2-Matrix Mi beschrieben werden. Sie istzusammengesetzt aus zwei Matrizen, wobei eine die Amplitude der reflektierten Strahlung beschreibt

    und die andere die Phase. Um das Reflexionsvermögen der Vielfachschicht zu bestimmen, muss man das

    Amplitudenverhältnis der aus- und einlaufenden Welle im umgebenden Medium bestimmen. Deshalb

    hat die Normierung keinen Einfluss auf das Ergebnis und man kann E+N+1 = 1 wählen.Aus dem gleichenGrund kann der Vorfaktor für alle Schichten weggelassen werden. Für das gesamte Schichtsystem erhält

  • Kapitel : Grundlagen

    R

    0.001

    0.01

    0.1

    11

    θ / °

    0 0.2 0.4 0.6 0.8 1

    Abbildung ...: Gemessenes und simuliertes Reflektogramm einer ca. 54 nm dicken Silber-schicht auf einem Lithiumniobat Einkristall mit quadratischen Rauigkeitenvon1, 44 nm und 1, 37nm für die erste bzw. zweite Grenzfläche.

    man dann (E+0E−0

    )

    =N∏

    i=0

    Mi

    (

    1

    0

    )

    =: M

    (

    1

    0

    )

    . (..)

    Die Reflektivität des Schichtsystems berechnet sich dann über

    R =

    ∣∣∣∣

    E−0E+0

    ∣∣∣∣

    2

    =

    ∣∣∣∣

    M10

    M00

    ∣∣∣∣

    2

    . (..)

    Gleichung (..) dient auch zur Berechnungder Reflektivität bei Vielfachschichten mit rauen Grenzflä-chen, wenn man die korrigierten Reflexionskoeffizienten (..) verwendet. Die Matrixmethode eignet

    sich außerdem gut zur tiefenaufgelösten Berechnungder Feldstärken. Zur Berechnungder Amplitude in

    einer beliebigen Tiefe z fügt man eine neue Grenzfläche ein, wobei ihr Reflexionsvermögen Null ist. Das

    heißt die erste Faktormatrix in Mi ist gleich der Einheitsmatrix. Das Produkt in (..) beginnt dann

    bei dieser Grenzfläche. Anschließend muss noch auf die einfallende Amplitude E+0 normiert werden.Abbildung .. zeigt als Beispiel Messung und Simulation der Reflektivität einer Schicht Silber auf

    einem Lithiumniobat-Einkristall. Die Abweichung bei kleinen Winkeln entsteht durch Überstrahlung

    der Probe.

    ... Periodische Vielfachschichten

    Da Röntgenstrahlung bei Einfallswinkeln größer als dem kritischen Winkel fast vollständig durch die

    Grenzfläche transmittiert, ist es möglich durch eine periodische Anordnung von Grenzflächen bzw.

    Schichten das Reflexionsvermögen zu vervielfachen. Bedingung dafür ist, dass sich die einzelnen reflek-

    tierten Anteile konstruktiv überlagern. Das ist der Fall, wenn sich die Phase der Welle beim zweifachendurchlaufen der Zwischenschicht um Vielfache von 2π ändert

    2ϕi = m2π, m ∈ Z.

  • . Reflexionsvermögen von Vielfachschichten

    Mit den Gleichungen (..) und (..) erhält man dann unter Vernachlässigung von Termen O(δ2),O(β)eine modifizierte Braggbedingung für Interferenzmaxima an periodischen Vielfachschichten

    mλ = 2dP sin θ0

    1− 2δsin2 θ0

    . (..)

    Dabei ist dp die Periodendicke und δ der Realteil der mittleren Brechzahl der periodischen Struktur.

  • Kapitel : Grundlagen

    .. Vielfachschichten als Röntgenoptik für

    Synchrotronstrahlung

    Da die Plasmafrequenz der Metalle bei typischen Elektronendichten knapp oberhalb des sichtbaren

    Spektrums liegt und es im UV- und Röntgenbereich an nichtabsorbierenden Materialien fehlt, ist es

    nicht möglich Spiegel und andere konventionelle Optiken für Röntgenstrahlung zu adaptieren. Die in

    Kapitel .. besprochene, konstruktive Überlagerung der Reflektivität vieler Schichten erlaubt es je-doch hohe Gesamtreflektivitäten für Ablenkwinkel viel größer als der kritische Winkel θc zu erreichen.

    Die Reflektivität und Absorption der einzelnen Schichten ist stark von der Photonenenergie und von

    den verwendeten Materialien abhängig. Häufig verwendet man eine wechselnde Abfolge von Materiali-

    en hoher Dichte („Absorber“) und geringer Dichte („Spacer“) um einen möglichst hohen Unterschied inden optischen Konstanten und somit gemäß den Fresnelschen Formeln (..) eine hohe Reflektivität

    zu erreichen. Um die Absorption zu minimieren wählt man Materialien, die im Arbeitsbereich der

    Photonenenergien keine Absorptionskanten haben und macht die Spacerschicht etwas dicker [Spi].

    Ein anderer Ansatz ist es, ausschließlich Materialien geringer Dichte zu verwenden, wodurch der Dich-tekontrast und somit die Reflektivität einzelner Grenzflächen zwar sehr gering ist, jedoch durch geringe

    Absorption wesentlich mehr Schichten durchstrahlt werden und somit mehr Grenzflächen zur Streu-

    ung beitragen können [BDH+]. Es gestaltet sich jedoch schwierig diese große Menge von Schichten

    gleichmäßig aufzutragen und so die Phasenbeziehung durch den gesamten Stapel zu erhalten.

    Ein weiterer Nutzen dieser Röntgenoptiken ist die Monochromatisierung von Strahlung. Wie man in

    Gleichung (..) sieht, werden nur ganze Teile (Harmonische) einer bestimmten Wellenlänge reflek-

    tiert. Gerade im Bereich harter Röntgenstrahlung (Eph ≫ 2keV) bieten Kristalle jedoch wesentlichbessere Reflektivitäten und höhere Energieauflösung.Der Vorteil periodischer Vielfachschichten (Multi-schichten) liegt insbesondere im UV- und weichen Röntgenbereich, in dem es an Kristallen mit entspre-

    chenden Gitterabständen mangelt. Sie sind im Gegensatz zu Kristallen mit beliebigen Periodendicken

    verfügbar. Außerdem sind die Multischichten bei Anwendungen interessant, bei denen gerade hohe

    Intensitäten wichtiger als gute Energieauflösung sind. Die über das Spektrum integrierte, reflektierteIntensität ist durch die größere Bandbreite oft höher als bei Kristallen. Durch gezielte Tiefenmodulation

    der Periodendicke kann sogar ein gewünschtes Reflektivitätsprofil bzw. Spektrum eingestellt werden

    [MZPK]. Zudem können durch Wahl eines gewissen Schichtdickenverhältnisses von Absorber und

    Spacer bestimmte höhere Harmonische abgeschwächt werden. Ist γ = 1/m das Dickenverhältnis vonAbsorberschicht zur gesamten Periode, dann werden die m-te Harmonische und ihre Vielfachen unter-

    drückt [Zie]. So könnte man zum Beispiel eine Kombination aus einem Si-111-Kristallmonochromator

    und einem Multischichtspiegel mit γ = 1/3 nutzen um zweite und dritte Harmonische zu unterdrücken.

    Allerdings kann Grenzflächenrauigkeit diesen Effekt aufheben.

    Wie mit klassischen Spiegeln für sichtbares Licht können Multischichtspiegel eingesetzt werden, um

    Röntgenstrahlung zu bündeln oder zu streuen. Die Möglichkeit Multischichten mit lateralen Schichtdi-

    ckengradienten herzustellen, ist dabei sehr wichtig um die Reflexionsbedingung (..) an jeder Stelleerfüllen zu können. Dies ermöglicht vielseitige Anwendungen, zum Beispiel in der Mikroskopie, in der

  • . Vielfachschichten als Röntgenoptik für Synchrotronstrahlung

    Lithographie im extrem ultravioletten Spektralbereich (EUV) [BGM+], für Röntgenteleskope [Spi]

    oder zur Parallelisierung von divergenter Strahlung aus Röntgenröhren [SG].

    Diese Arbeit beschäftigt sich vor allem mit Multischichten für den Einsatz an Synchrotronstrahlungs-quellen im Bereich über 2keV. In diesem Bereich benötigt man äußerst geringe Schichtdicken um große

    Ablenkwinkel zu erreichen. Daher ist es noch nicht möglich Spiegel für senkrechten Einfall herzustellen.

    Schichtdicken im nm-Bereich erlauben allerdings Ablenkwinkel bis max. ca. 10 ◦ je nach Energie.

    ... Materialsysteme

    Abhängig vom Anwendungsbereich kommen viele verschiedene Materialkombinationen in Multischich-ten zum Einsatz. Meistens bestehen sie, wie oben erwähnt, aus zwei Komponenten. Es wurden aber

    auch zusätzliche Barriereschichten eingebaut, um die Durchmischung der beiden Materialien zu blo-

    ckieren und damit die Reflektivitäten [BMM+] oder ihre thermische Stabilität [BMP+] zu erhöhen.

    Als Spacermaterialien haben sich die leichten Elemente Be, C, Si bzw. die VerbindungB4C (Borcarbid)durchgesetzt. Die Absorbermatierialen sind dann zumeist Übergangsmetalle, deren Absorptionskanten

    oberhalb oder weit unterhalb der erzielten Photonenenergien liegen, wie zum Beispiel W, Mo, Cr,

    Ni, Ru [WS]. In dieser Arbeit werden hauptsächlich Mo/B4C-Multischichten behandelt. Borcarbid

    absorbiert im keV-Bereich weniger als reiner Kohlenstoff oder Silizium, ermöglicht sehr glatte Grenz-flächen und ist chemisch sehr inert. Multischichten mit Borcarbid wiesen außerdem eine vergleichsweise

    hohe thermische Stabilität auf [OMG+, JSW]. Simulationen zeigen, dass Molybdän als Absorber-

    material sehr hohe Reflektivitäten für zB. Mo-Kα Emissionsstrahlung liefert [DBH+], welche oft von

    Röntgenröhren emitiert wird und auch am Synchrotron nicht unüblich ist.

    ... Stabilität von Multischichten

    Für den Einsatz an sehr intensiven Strahlungsquellen, insbesondere am Synchrotron, müssen Spiegelhohen Strahlungsdosen und hoher Wärmelast standhalten. Bisher und im Rahmen der Arbeit konn-

    ten keine reinen Strahlenschäden am Schichtsystem beobachtet werden, die zu einer Verringerung der

    Reflektivität geführt hätten. Lediglich an der Oberfläche kann es in Luft durch Radikalbildung zu che-

    mischen Reaktionen kommen. Generell werden Atome durch die Strahlung ionisiert. Die Materialiendie im Schichtsystem zum Einsatz kommen, sind Metalle oder Halbleiter und besitzen deshalb eine

    vergleichsweise hohe elektrische Leitfähigkeit. Dies führt dazu, dass Ionen schnell wieder mit Elek-

    tronen aus dem Leitungsband rekombinieren können. Der Einfluss von Wärme auf Multischichten ist

    dagegen schon oft untersucht worden. Einschränkungen ihrer Leistungscharakteristik ergeben sich ausverschiedenen Gründen:

    • Durchmischung von Absorber- und Spacermaterial durch thermische Anregung

    • Phasenbildung an den Grenzflächen

    • Deformation auf Grund von Temperaturgradienten

  • Kapitel : Grundlagen

    Tabelle ...: Ergebnisse anderer Gruppen zur thermischen Stabilität von Multischichten mitB4C als Spacermaterial bei verschiedenen Periodendicken dP und Temperaturenϑ.

    Schichtsystem dP /nm ϑ/◦C Gruppe

    Ru/B4C 3, 9 55 [BMZ+] stabilW/B4C 4, 1 550 [BMZ+] stabil

    Ru/B4C 4, 0 250 [BMR+] stabilW/B4C 4, 0 200 [BMR+] stabil

    Mo/B4C 8, 2 400 [OMG+] stabilW/B4C 7, 9 400 [OMG+] stabil

    W/B4C 4, 0 500 [JSW] erhöhte ReflektivitätW/B4C 2, 0 500 [JSW] verringerte Reflektivität

    Durchmischung (Interdiffusion) und Phasenbildung treten erst ab einer gewissen Temperatur auf und

    können durch Kühlung verringert werden. Allerdings treten insbesondere bei intensiven Synchrotron-

    strahlen unter Kühlung die im dritten Punkt genannten Temperaturgradienten auf. Sind diese zu hoch,kommt es zur ungleichmäßigen, teilweise jedoch reversiblen Ausdehnung der Optiken und dadurch zu

    Unebenheiten in der Schicht und Schwankungen der Schichtdicke. Beides führt zu einer Verschlechte-

    rung der Strahlqualität, Reflektivität und Energieauflösung [RKB, ZFS+]. Auch bei homogener

    Erwärmung können durch unterschiedliche thermische Ausdehnung Spannungen und Deformation imStapel auftreten. Um diese Effekte zu verringern wurden bereits oberflächennahe Kühlungen mit gu-

    ter thermischer Ankopplung entwickelt [HSK+] und Substrate mit höherer thermischer Leitfähigkeit

    und geringerem thermischen Ausdehnungskoeffizienten getestet [KRH].

    Weiterhin gilt, dass die Multischichten nach Herstellung unter interner Spannung stehen, was auch

    einen Einfluss auf die thermische Stabilität haben kann [LML+]. Interne Spannungen in Mo/B4C

    Multischichten können beispielsweise durch thermische Behandlung,Gasdruck bei der Herstellung oderVariation des Schichtdickenverhältnisses minimiert werden [NNS]. Außerdem wurde häufig beobach-

    tet, dass thermische Behandlung irreversible Änderungen in der Periodendicke hervorruft, ohne die

    Reflektivität stark zu verringern [BMZ+], sodass es nahe liegt, Multischichten vor ihrem Einsatz an

    Synchrotronstrahlungsquellen gezielt vorzubehandeln, um spätere irreversible strukturelle Änderungenvorwegzunehmen und Spannungen zu minimieren. Sogar eine Verbesserung der Reflektivitäten kann

    dabei erreicht werden, hervorgerufen durch Glättung der Grenzflächen. Eine mögliche Ursache da-

    für ist die Minimierung der Oberflächenenergie durch Kapillarkräfte insbesondere bei hochfrequenten

    Rauigkeitsanteilen [Ull].

    Tabelle .. fasst einige Ergebnisse zu Untersuchungen der thermischen Stabilität von Multischichten

    zusammen, bei denen Borcarbid als Spacermaterial benutzt wurde. Es deutet sich an, dass die Wahldes Metalls einen geringeren Einfluss als der Spacer auf die Stabilität des Stapels hat [OMG+].

    Die Bildung von kristallinen Phasen wurde in den genannten Arbeiten nicht beobachtet. Vielmehr

    wurden Reflektivitätsabnahmen mit Interdiffusion und somit verbreiterten Grenzschichten erklärt. Die

    Schichten wurden als „stabil“ bezeichnet, wenn die Reflektivität des ersten Bragg-Maximums durchdie Behandluch nicht unter % der Ausgangsreflektivität gesunken ist. Größere Periodendicken der

  • . Vielfachschichten als Röntgenoptik für Synchrotronstrahlung

    Tabelle ...: Ergebnisse anderer Gruppen zur Stabilität von Multischichten bei Bestahlung.Parameter: dP - Periodendicke, P - Strahlleistung, I - Intensität.

    Schichtsystem dPnm

    PW

    IW/mm2

    Dauer Gruppe

    W/B4C 2, 5 75 7, 5 8h [ZMF+] stabilW/Si 2, 6 75 7, 5 16h [ZMF+]

    W/C 2, 0 70 0, 25 40h [KJZ] stabil,Kohlenstoff-VerunreinigungW/C 3, 0 70 0, 25 40h [KJZ]W/Si 3, 9 70 0, 25 40h [KJZ]

    W/B4C8, 4 - 0, 9 45min [YMG+] Reflektivität -%8, 4 - 2, 3 10min [YMG+] zerstört

    Mo/B4C8, 4 - 0, 9 45min [YMG+] zerstört8, 4 - 2, 3 10min [YMG+]

    W/BN 8, 4 - 0, 9 45min [YMG+] Reflektivität -%

    8, 4 - 2, 3 10min [YMG+]

    Mo/BN 8, 4 - 0, 9 45min [YMG+] Reflektivität -%

    8, 4 - 2, 3 10min [YMG+]

    Mo/Si 10, 3 1, 9 0, 14 15h [YMG+] stabilRh/Si 10, 2 1, 9 0, 14 15h [YMG+]Ru/Si 9, 6 1, 9 0, 14 15h [YMG+] Reflektivität -%

    Multischichten führen zu einer geringeren Empfindlichkeit auf die Verbreiterung der Grenzschichten, dadie Impulsüberträge geringer sind und dadurch nach Gleichung (..) die Reflektivitäten schwächer

    sinken.

    Ergebnisse von bisher durchgeführten Bestrahlungstests finden sich in Tabelle ... Dabei wurde spezi-ell auf irreversible Modifikationen des Schichtsystems geachtet und nicht auf Deformationen auf Grund

    thermischer Ausdehnung. Man sieht, dass sich die Ergebnisse der verschiedenen Gruppen teilweise wi-

    dersprechen. Über Ursachen kann an dieser Stelle nur spekuliert werden. Eventuell unterscheiden sich

    die Güte der Kühlung oder die Schichtqualität. Yanagihara et al. [YMG+] haben in ihren Schich-ten zumindest Sauerstoffverunreinigungen gefunden. Einige Gruppen haben auf Grund von schlechtem

    Vakuum während der Bestahlung Kohlenstoff-Verunreinigungen auf der Oberfläche erzeugt. Auf die

    einzelnen Prozesse, die zur Verschlechterung der optischen Eigenschaften führen, soll kurz eingegangen

    werden.

    Diffusion

    Diffusion bezeichnet die zufällig gerichtete Ausbreitung von Teilchen („Brownsche Bewegung“) und die

    damit verbundene Abnahme von Konzentrationsgradienten und Erhöhung der Entropie. Die zeitliche

    Änderung der Konzentration ci einer Teilchenart i wird durch das Ficksche Gesetz beschrieben. Es

    gilt∂ci∂t

    =Di ∆ci,

    falls der Diffusionskoeffizient D nicht von der Temperatur abhängt. Die schichtbildenden Molybdän-und Borcarbidteilchen befinden sich in einem Gleichgewicht der Bindungskräfte und somit in einer Po-

  • Kapitel : Grundlagen

    tentialmulde. In den amorphen Mo/B4C-Schichten ist diese Bindung jedoch wesentlich schwächer als in

    den kristallinen Kompaktmaterialien. Geht man von einer Aktivierungsenergie EA aus, die nötig ist, um

    der Potentialmulde zu entkommen, folgt nach der Boltzmann-Statistik, dass die Wahrscheinlichkeit

    dafür mit zunehmender Temperatur steigt. Man nimmt an, dass der Diffusionskoeffizient proportionalzu dieser ist und erhält eine Temperaturabhängigkeit analog zur Arrhenius-Gleichung

    D ∝ e−EAkT .

    Hierbei ist k die Boltzmann-Konstante und T die absolute Temperatur. Ausgehend von der Annahme,dass das molare Volumen der beiden schichtbildenden Materialien nicht vom Konzentrationsverlauf

    abhängt, ist ihr Diffusionskoeffizient bei der Interdiffusion gleich. Darauf aufbauend haben DuMond

    und Youtz eine Formel zur Abschätzung des Diffusionskoeffizienten anhand der zeitlichen Änderung

    der Reflektivität des ersten Bragg-Maximums abgeleitet [DY]

    D = − d2P

    8π2d

    dtlnR. (..)

    Dabei vernachlässigt man andere Prozesse, die zur Verringerung der Reflektivität beigetragen haben

    könnten. Außerdem setzt man voraus, dass die Periodendicke dP während der Wärmebehandlung kon-

    stant bleibt, was, wie sich später zeigen wird, nicht gegeben ist. Die Änderungen bleiben aber gering

    und (..) ist auf Grund des leichten Zugangs ein guter Weg zur Abschätzung der Diffusionskoeffizi-enten.

    Phasenbildung

    Die betrachteten amorphen Multischichten befinden sich nach ihrer Herstellung nicht im thermody-

    namischen Gleichgewicht, was seine Ursache in schneller Abkühlung, hoher Grenzflächenenergie und

    inneren Spannungen hat. Durch Wärmebehandlungkann das System ins Gleichgewicht relaxieren, was

    neben Spannungsabbau und Diffusion ab einer gewissen Temperatur auch die Bildung von kristalli-nen Phasen bedeutet. Da die Grenzschichten der Multischichten mit Dicken von einigen Å äußerst

    dünn sind, wird eine Keimbildung jedoch stark behindert. Somit ist eine reichliche Durchmischung der

    Schichten Voraussetzung für Kristallisation.

    Das Phasendiagramm von Bor und Kohlenstoff zeigt, dass Borcarbid eine hoheToleranz gegenüber Stö-

    chiometrieabweichungen besitzt [Mas]. Jiménez et al. haben in dünnen Borcarbidschichten eine hohe

    Kohlenstoffdefizienz beobachtet [JTH+]. Beides deutet darauf hin, dass sich in Mo/B4C-Schichten

    durch Wärmebehandlung durchaus auch binäre Molybdänborid- oder Molybdäncarbidphasen bildenkönnen.

  • . Experimentelle Methoden

    .. Probenherstellung und -behandlung

    Die im Rahmen der Arbeit untersuchten Multischichten wurden vom Fraunhofer Institut für Werkstoff-

    und Strahltechnik (IWS) zur Verfügung gestellt. Zur Beschichtung der zumeist aus Silizium bestehen-den Substrate wurde ein Magnetron-Zerstäubungs-Verfahren (MSD - Magnetron-Sputter-Deposition)

    eingesetzt. Dabei wird direkt über dem Material, das zerstäubt und auf dem Substrat abgelagert wer-

    den soll (Target), mit elektrischen Feldern ein Plasma aus Edelgasionen erzeugt. Magnetische Felder

    begrenzen das Plasma räumlich auf die Targetumgebung. Die Edelgasionen werden auf Energien von200 . . . 2000 eV beschleunigt und lösen beim Auftreffen auf die Targetoberfläche Atome des Targetma-

    terials aus, welche anschließend typische kinetische Energien der Größenordnung 10 eV besitzen und

    sich zum Teil auf dem Substrat ablagern.

    Verschiedene solcher Sputterquellen mit unterschiedlichen Targetmaterialien befinden sich in kreisför-

    miger Anordnung in einer Vakuumkammer. Das Substrat wird dann mit variabler Geschwindigkeitentlang des Kreises geführt um die Schichtdicken der entsprechenden Materialien zu kontrollieren.

    Ausführliche Informationen zum Herstellungsprozess finden sich in [Bra]. Tabelle .. zeigt zusam-

    mengefasst Serien von Multischichten, die untersucht wurden. Die Proben einer Serie werden später

    zur besseren Übersicht durchnummeriert. Einige der Schichten wurden auf massiven, hochpoliertenSiliziumzylindern der Firma „Gooch & Housego“ (GO) abgeschieden, welche 1 Zoll im Durchmesser

    und 0, 25 Zoll hoch waren. Sie besitzen eine Rauigkeit unter 0, 1nm und bieten den Vorteil, sich nicht

    unter der Spannung der Beschichtung zu krümmen. Ansonsten wurden Silizium-Wafer einer Dicke von

    525µm verwendet.

    Tabelle ...: Eigenschaften der Probenserien.

    Bezeichnung Anzahl Periodendicke Schichtsystem Substrat DeckschichtdP

    PS 15 1, 54nm 500× [Mo/B4C] Silizium-Wafer 6, 4nm B4CPS 1 1, 55nm 500× [Mo/B4C] Silizium (GO) 6, 4nm B4C

    PS 16 1, 52nm 500× [Mo/B4C] Silizium-Wafer 10, 1nm Si2 Silizium (GO)

    PS16

    2, 04nm 500× [Mo/B4C]Silizium-Wafer

    10, 7nm Si2 Silizium (GO)

  • Kapitel : Experimentelle Methoden

    Tabelle ...: Zusammenfassung der Wärmebehandlung.

    Bezeichnung Heizrate Temperaturstufen Abkühlratedϑ/dt ϑmax/◦C dϑ/dt

    PS max. 125, 175, 200, 300, 400, 500, 600, 700, 800, 1000 max.

    PS 5K/min 3× 150, 200, 266, 333, 3× 400, 500 − ϑ−22◦C206min

    PS 5K/min 3× 150, 200, 266, 333, 3× 400, 500 − ϑ−22◦C206min

    ... Wärmebehandlung

    Zur Untersuchungder thermischen Stabilität wurden die Proben in einem Rohrofen FRH-//

    der Firma Linn-Elektrotherm unter Hochvakuum erhitzt. Der Luftdruck konnte während der Wärme-behandlung im Bereich von 10−8 . . . 10−6mbar gehalten werden. Die Proben der Serie PS wurden

    erst in den Ofen eingeführt, nachdem dieser die erzielte Endtemperatur erreicht hatte. Bis auf zwei Aus-

    nahmen wurden sie dann nach einer halben Stunde aus dem Ofen entfernt. Die Heiz- und Abkühlraten

    sind dadurch maximal und ihre genauen Werten können nicht angegeben werden. Die Temperaturan-zeige des Ofens war jedoch nach etwa 5min stabil. Bei den Proben der Serien PS und PS

    wurde dagegen ein langsamer Temperaturanstieg von 5K/min angelegt, eine Stunde die Endtemperatur

    gehalten und anschließend der Ofen ausgeschaltet, sodass die Temperatur exponentiell und sehr lang-

    sam abfiel. Tabelle .. zeigt zusammengefasst alle Temperaturstufen sowie Heiz- und Abkühlratender Probenserien.

    Es muss hier erwähnt werden, dass die Schichten selbst bei maximaler Heiz- und Abkühlrate nicht

    vom Substrat abgeplatzt sind, wie es in der Vergangenheit schon an anderen Schichten (z.B. Mo/Si)aufgetreten ist [Böt]. Allerdings hat sich die Schicht nach Erwärmung auf 1000 ◦C vom Substrat

    gelöst.

    ... Bestrahlung

    Um die strahleninduzierten Änderungen in Multischichten zu untersuchen gab es die besondere Mög-

    lichkeit, diese am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) mit intensiver, weißer Röntgenstrahlung

    eines Wigglers zu bestrahlen. Dafür wurde das Strahlrohr BW des Hamburger Synchrotronstrah-

    lungslabors (HASYLAB) zur Verfügung gestellt. Der Aufbau ist in Abbildung .. skizziert. DerStrahl wurde vom Wiggler über zwei Spiegel bis zur Probe komplett durch Vakuum geführt. Vor dem

    ersten Spiegel befindet sich ein vertikalbegrenzender Zylinderabsorber zur Stahlbegrenzung. Optio-

    nal können verschiedene Fluoreszenzschirme und Kohlenstoff-Absorber in den Strahl gefahren werden.

    Ebenso steht für Experimente mit monochromatischer Strahlung ein Doppelkristall-Monochromatorzur Verfügung. Das Vakuum für die Optiken war von jenem in der Probenkammer durch ein Berylli-

    umfenster getrennt. Abbildung .. zeigt die Experimentierhütte mit der Probenkammer. Sie war an

    einer höhenverstellbaren Halterung montiert und hatte zusätzlich einen Rotationsfreiheitsgrad. Hinten

    im Bild ist das Vakuumsrohr zur Strahlführung zu sehen, welches an eine der sechs Öffnungen der Pro-benkammer geflanscht ist. An die obere Öffnung sind die Pumpen, an die untere die Wasserkühlung

  • . Probenherstellung und -behandlung

    Abbildung ...: Strahlenverlauf am Strahlrohr BW (aus [FWMM].

    Abbildung ...: Vakuum-Probenkammer zur Bestrahlung der Multischichten am StrahlrohrBW.

  • Kapitel : Experimentelle Methoden

    Abbildung ...: Probenhalterung zur Kühlung derMultischichtenmitPT Temperaturfühlerauf der Oberfläche.

    angeschlossen. Vorn rechts befindet sich ein Kapton R©-Fenster für die gestreute Strahlung. Durch die

    linke Öffnung wurden vier Drähte für die Widerstandsmessung mit einem PT Temperaturfühlergeführt. Der Probenhalter ist in Abbildung .. zu sehen. Er bestand aus einem Edelstahlträger, der

    auf den Kühlkörper in der Probenkammer passte. Außerdem wurden zwei Kupferblöcke angefertigt

    um Höhe und Neigung der Probe einzustellen, welche mit Gewindestangen an den Edelstahlträger

    geschraubt werden konnten. Die Probe und der PT Temperaturfühler sind während der Bestrah-lung mit Kupferfedern fixiert. Das war auch an der Stirnseite des zweiten Kupferblockes möglich, um

    die Probe senkrecht zum Strahl stellen zu können. Um gute thermische Ankopplung zu gewährleisten

    wurden alle Kontaktstellen mit einem flüssigen GaIn-Eutektikum benetzt.

    Im Voraus wurde das Verhältnis aus Strahlleistung und Ringstrom mit einem weiteren Kupferblock als

    Kalorimeter bestimmt. Dies geschah über Messung seiner Erwärmungsrate in Abhängigkeit der Spalt-öffnung des Zylinderabsorbers. Die Wärmeabstrahlung des Kupferblockes wurde berücksichtigt, jedoch

    nicht die Fluoreszenzverluste, weshalb die bestimmte Leistung eher eine untere Grenze darstellt. Ab

    einer Spaltöffnung von 1, 5mm stieg die Strahlleistung nur noch schwach an, da das Intensitätsprofil

    des Strahls dann stark abfällt. Diese Öffnung wurde deshalb für spätere Bestrahlungsversuche verwen-det. Normiert auf den Ringstrom entsprach das einem Wert von 0, 360W/mA. Die bestrahlte Fläche

    war dann etwa 1, 5× 10mm2 groß, wobei die Intensität nicht homogen verteilt war. Bei maximalemRingstrom wurde so eine mittlere Leistungsdichte von etwa 3, 35W/mm2 erreicht.

    Erste Bestrahlungsversuche sind an Probe PS unter einem flachen Einfallswinkel von 2 ◦ gemacht

    worden. Dabei konnte die gestreute Strahlung durch das Kapton R©-Fenster austreten und wurde voneiner Ionisationskammer aufgezeichnet. Da sich zeigte, dass die projizierte Leistungsdichte zu gering

  • . Charakterisierung der Multischichten

    Tabelle ...: Zusammenfassung der Bestrahlungstests. Bei vorher wärmebehandelten Proben istdie entsprechende Temperatur ϑ angegeben.

    Bezeichnung Temperatur Periodendicke mittlere mittlere DauerLeistung Leistungsdichte

    ϑ dP P I t

    PS- - 1, 54nm 32, 6W 2, 17W/mm2 1hPS- - 1, 54nm 33, 1W 2, 20W/mm2 5h

    PS - 1, 55nm 57, 1W 0, 13W/mm2 10min

    PS- - 1, 52nm 36, 5W 2, 44W/mm2 1hPS- - 1, 52nm 33, 2W 2, 21W/mm2 1hPS- 150 ◦C 1, 52nm 43, 8W 2, 91W/mm2 1hPS- 400 ◦C 1, 52nm 34, 2W 2, 28W/mm2 1hPS- 400 ◦C 1, 52nm 33, 2W 2, 21W/mm2 4h

    PS- - 2, 04nm 37, 0W 2, 47W/mm2 1hPS- 180 ◦C 2, 04nm 41, 6W 2, 77W/mm2 1hPS- 400 ◦C 2, 04nm 44, 4W 2, 96W/mm2 1h

    war, ging man in späteren Versuchen jedoch zu senkrechtem Einfall über. Das brachte den Nachteil,dass die Multischicht während der Bestrahlung nicht charakterisiert werden konnte. Der Luftdruck

    bei der Bestrahlung war bei Probe PS noch relativ hoch mit etwa 10−1mbar, konnte aber bei

    den restlichen Durchläufen mit einem zusätzlichen Pumpenstand auf 5 · 10−4mbar verbessert werden.Tabelle .. zeigt eine Zusammenfassung der vorgenommenen Bestrahlungstests. Die Strahlleistungenschwanken, da der Ringstrom ständig fällt und regelmäßig wieder aufgefüllt wird. Trotzdem wurde

    versucht möglichst gleiche Bedingungen für die Probenserien zu erhalten.

    .. Charakterisierung der Multischichten

    ... Röntgenreflektometrie

    Zur Untersuchungder physikalischen Eigenschaften dünner Schichten ist die Röntgenreflektometrie die

    Methode der Wahl. Man misst dabei die an ihrer Oberfläche spiegelnd reflektierte Intensität in Ab-

    hängigkeit des Einfallswinkels oder auch der Energie der einfallenden Röntgenstrahlung. Der Beitrag

    vieler Schichten kann, wie in Kapitel .. erläutert, berücksichtigt werden. Reflektogramme liefernsomit einen Zugang zu Dicke, Rauigkeit/Unschärfe und Dichte der Schichten. Zur Realisierung der

    Messungen wurden ein HZG der Firma Seifert-FPM sowie ein D Advance der Firma Bruker-AXS,

    welches vom Fraunhofer IWS zur Verfügung gestellt wurde, benutzt. Außerdem bestand die Möglich-

    keit, im Rahmen von diversen Messreisen ans DESY, Reflektometriemessungen am Strahlrohr E desHASYLAB durchzuführen.

    Das HZG bedient sich einer θ/2θ-Geometrie mit parallelen Strahlen, wie in Abbildung .. dar-

    gestellt. Als Quelle dient eine Röntgenröhre mit Kupferanode, welche im Normalfall bei einer Span-nung von 40kV und einem Strom von 30mA betrieben wurde. Der Si--Kristallmonochromator ist

  • Kapitel : Experimentelle Methoden

    Quelle

    MCHB HB

    180mm 75mm

    ProbeVB

    HB

    D

    130mm115mm

    ω

    Abbildung ...: Schematische Darstellung des Strahlenverlaufs am HZG. Sicht von oben. Be-zeichnung: MC - Kristallmonochromator, HB - Horizontalblende, VB - Verti-kalblende, D - Detektor

    GM

    Quelle

    GM

    D

    Probe

    SB

    B Bθθ

    Abbildung ...: Schematische Darstellung des Strahlenverlaufs am D Reflektometer des IWS.Sicht von vorn. Bezeichnung: GM - Goebelspiegel, SB - Schneidblende, B -Blenden, D - Detektor.

    auf Kupfer-Kβ Strahlung eingestellt. Die primären Horizontalblenden HB und HB sind immer auf

    0, 04mm eingestellt, wodurch die Divergenz der Strahlen auf maximal 0, 025 ◦ begrenzt ist. Durch dieFokussierung der Quelle wird diese noch geringer. Die Sekundärblenden sind variabel. Probendrehung

    (ω) und Detektorkreis (2θ) sind bei Me