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Propriety of the Erich Fromm Document Center. For personal use only. Citation or publication of material prohibited without express written permission of the copyright holder. Eigentum des Erich Fromm Dokumentationszentrums. Nutzung nur für persönliche Zwecke. Ver- öffentlichungen – auch von Teilen – bedürfen der schriftlichen Erlaubnis des Rechteinhabers. page/Seite 1 of/von 23 Hildebrandt, M., 2005 Unfriedliche Religionen Hildebrandt_M_2005 Unfriedliche Religionen? Das politische Gewalt- und Konfliktpotenzial von Religionen Mathias Hildebrandt „Unfriedliche Religionen? Das politische Gewalt- und Konfliktpotenzial von Religionen,“ in: Religion und Politik im Zeichen von Krieg und Versöhnung. Beiträge und Materialien, ed. by Manfred Zimmer, Norderstedt (Book on Demand) 2005, pp. 38-59. Copyright © 2005 and 2012 by Professor Dr. Mathias Hildebrandt, Bamberg. Totgesagte leben länger oder die Ambivalenz des Sakralen 1 Nachdem die Sozialwissenschaften jahrzehntelang durch das so genannte Säkularisie- rungsparadigma geprägt waren, dem zu Folge der Einfluss der Religion(en) bzw. reli- giöser Phänomene auf politisches und soziales Handeln von Personen, gesellschaftli- chen Organisationen und staatlich-politischen Einheiten im Rahmen eines welthistori- schen Prozesses in zunehmenden Maße marginalisiert werden und dementsprechend als Gegenstand für die sozialwissenschaftliche Forschung an Bedeutung und Relevanz verlieren würde, lässt sich in den letzten Jahrzehnten eine Revitalisierung von Religio- nen und religiösen Akteuren in vielen nationalen Arenen, aber auch auf der weltpoliti- schen Bühne beobachten. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt dem Umstand geschul- det, dass die tatsächlich erfolgten Säkularisierungsschübe in vielen Teilen der Welt un- ter nicht unerheblichen Bevölkerungsanteilen ein Unbehagen an den sozialen, ökono- mischen und politischen Dislozierungseffekten der Moderne und – unvermeidlicherwei- se – auch ihren säkularen Sinnsystemen ausgelöst haben, wodurch diese modernen sozio-politischen Symbolensembles viel von ihrer Überzeugungs- und Integrationskraft eingebüßt haben. Der Rückgriff auf überlieferte indigene religiöse und kulturelle Tradi- tionen und deren Neuinterpretation angesichts der erodierenden Sinn- und Identitäts- angebote aus der westlichen Welt, scheint unter diesem Blickwinkel eine nur allzu ver- ständliche Reaktion zu sein, deren Folgen sich weltweit, auch in den westlichen Län- dern bemerkbar machen und religiöse Überzeugungen wieder zu bedeutenden Motiva- tionen politischen Handelns hat werden lassen. Mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung haben sich auch die Sozial- und Geistes- wissenschaften dieser Entwicklung geöffnet und schenken den Religionen und deren gewachsenen Einfluss auf die Welt des 21. Jahrhunderts verstärkte Aufmerksamkeit. Titel wie The Desecularization of the World (Berger 1999), Die Rückkehr der Religio- nen (Riesebrodt 2000), Säkularisierung und Resakralisierung (Hildebrandt, Brocker & Behr 2001a) und Die Wiederkehr der Götter (Graf 2004) deuten eine tendenzielle Ver- 1 Dieser Beitrag ist die unwesentlich veränderte und gekürzte Fassung meines Artikels aus Hildebrandt (2005: 935).

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Unfriedliche Religionen

Hildebrandt_M_2005

Unfriedliche Religionen? Das politische Gewalt- und Konfliktpotenzial von Religionen

Mathias Hildebrandt

„Unfriedliche Religionen? Das politische Gewalt- und Konfliktpotenzial von Religionen,“ in: Religion und Politik im Zeichen von Krieg und Versöhnung. Beiträge und Materialien, ed. by Manfred Zimmer, Norderstedt (Book on Demand) 2005, pp. 38-59.

Copyright © 2005 and 2012 by Professor Dr. Mathias Hildebrandt, Bamberg.

Totgesagte leben länger oder die Ambivalenz des Sakralen1

Nachdem die Sozialwissenschaften jahrzehntelang durch das so genannte Säkularisie-rungsparadigma geprägt waren, dem zu Folge der Einfluss der Religion(en) bzw. reli-giöser Phänomene auf politisches und soziales Handeln von Personen, gesellschaftli-chen Organisationen und staatlich-politischen Einheiten im Rahmen eines welthistori-schen Prozesses in zunehmenden Maße marginalisiert werden und dementsprechend als Gegenstand für die sozialwissenschaftliche Forschung an Bedeutung und Relevanz verlieren würde, lässt sich in den letzten Jahrzehnten eine Revitalisierung von Religio-nen und religiösen Akteuren in vielen nationalen Arenen, aber auch auf der weltpoliti-schen Bühne beobachten. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt dem Umstand geschul-det, dass die tatsächlich erfolgten Säkularisierungsschübe in vielen Teilen der Welt un-ter nicht unerheblichen Bevölkerungsanteilen ein Unbehagen an den sozialen, ökono-mischen und politischen Dislozierungseffekten der Moderne und – unvermeidlicherwei-se – auch ihren säkularen Sinnsystemen ausgelöst haben, wodurch diese modernen sozio-politischen Symbolensembles viel von ihrer Überzeugungs- und Integrationskraft eingebüßt haben. Der Rückgriff auf überlieferte indigene religiöse und kulturelle Tradi-tionen und deren Neuinterpretation angesichts der erodierenden Sinn- und Identitäts-angebote aus der westlichen Welt, scheint unter diesem Blickwinkel eine nur allzu ver-ständliche Reaktion zu sein, deren Folgen sich weltweit, auch in den westlichen Län-dern bemerkbar machen und religiöse Überzeugungen wieder zu bedeutenden Motiva-tionen politischen Handelns hat werden lassen.

Mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung haben sich auch die Sozial- und Geistes-wissenschaften dieser Entwicklung geöffnet und schenken den Religionen und deren gewachsenen Einfluss auf die Welt des 21. Jahrhunderts verstärkte Aufmerksamkeit. Titel wie The Desecularization of the World (Berger 1999), Die Rückkehr der Religio-nen (Riesebrodt 2000), Säkularisierung und Resakralisierung (Hildebrandt, Brocker & Behr 2001a) und Die Wiederkehr der Götter (Graf 2004) deuten eine tendenzielle Ver-

1 Dieser Beitrag ist die unwesentlich veränderte und gekürzte Fassung meines Artikels aus Hildebrandt (2005: 9–35).

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Unfriedliche Religionen

abschiedung des Säkularisierungsparadigmas an. Die Macht der Religionen (Röhrich 2004) zwingt nicht nur Philosophen dazu, Die Religion (Derrida & Vattimo 2001) wieder genauer unter die Lupe zu nehmen, sondern auch die Politikwissenschaft fühlt sich zu-recht veranlasst, das Verhältnis von Religion – Staat – Politik (Brocker, Behr & Hilde-brandt 2003), Politik und Religion (Minkenberg & Willems 2003) und Religion und Poli-tik (Walther 2004) erneut aufzugreifen.

Die Diskussion um das Verhältnis von Politik und Religion konzentriert sich in den Geistes- und Sozialwissenschaften im Wesentlichen um drei zentrale Begriffe, die nicht immer trennscharf voneinander zu unterscheiden sind und sich vielfältig überlappen.

Der älteste dieser Begriffe in der neueren Diskussion ist der auf Carl Schmitt zurück-gehenden Begriff der Politischen Theologie, den er 1922 mit seinem gleichnamigen Aufsatz in die Diskussion warf (Schmitt 1922). Für die bundesrepublikanische Diskus-sion gewann der Begriff allerdings erst in den sechziger Jahren an Bedeutung, als ins-besondere die Theologen Johann Baptist Metz und Jürgen Moltmann die politische Bedeutung der christlichen Botschaft herausarbeiteten und als Politische Theologie propagierten (Metz 1968; Moltmann 1972). Neben Carl Schmitts, gegen Erik Peterson (1935) gerichteten zweiten Diskussionsbeitrag, Die Legende von der Erledigung jeder Politischen Theologie (Schmitt 1970), entstanden eine ganze Reihe von Arbeiten, die sich entweder um die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit einer Politischen Theologie in der Moderne drehten oder den Begriff eher in historisch-analytischer Absicht auf ein-zelne Autoren anwandten, um die theologischen Gehalte ihres politischen Denkens herauszuarbeiten. Seitdem konnte der Begriff sich in der wissenschaftlichen Diskussi-on etablieren (als Überblick vgl. Adam 2005).

Der zweite zentrale Begriff wurde von Eric Voegelin 1938 mit seiner Studie Die politi-schen Religionen geprägt, in der er den Nationalsozialismus und Marxismus als religi-öse politische Bewegungen deutete. Bereits in den fünfziger Jahren entstanden einige Arbeiten, die diese Bewegungen und ihre revolutionären Vorläufer mit den Begriffen des Messianismus und Chiliasmus interpretierten (vgl. die Literaturangaben bei Scheff-ler 2002b: 9 f., FN 31). Als Voegelins Studie 1993 erneut aufgelegt wurde, entstanden im Anschluss an dieses Konzept einige Arbeiten in historisch kritischer Absicht zu den Ideologien des 19. Jahrhunderts (Berghoff 1997), zum Nationalsozialismus (Ley 1997; Bärsch 1998, 22002; Dierker 2002; Wegener 2004) und zum Stalinismus (Riegel 2002). Das Konzept der Politischen Religion wurde zunehmend als Alternativkonzept zur To-talitarismustheorie verstanden, das es im Gegensatz zu dieser erlaubt, die religiöse Dimension der modernen Massenideologien in der Analyse angemessen zu berück-sichtigen (Maier 1996; Maier & Schäfer 1997; Maier 2003).

Neben diesen beiden Begriffen spielt der von Robert N. Bellah (1967) in die neuere Diskussion geworfene Begriff der Zivilreligion eine entscheidende Rolle. Dieser Begriff findet weniger Anwendung auf die totalitären Bewegungen des 20. Jahrhunderts, son-dern dient vielmehr der Analyse der religiösen Dimensionen der demokratischen bür-gerlichen Gesellschaften. Im Allgemeinen wird unterstellt, dass Religionen und religiö-se Überzeugungen der Absicherung moralischer Normen, Werte und Handlungsdispo-sitionen dienlich und somit der Stabilisierung und Integration von individuellen und so-zio-politischen Identitäten förderlich seien. Als Religion des Bürgers (Kleger & Müller 1986, 22004) oder als Bürgerreligion und Bürgertugend stellen sie die scheinbar vorpo-litischen Grundlagen politischer Ordnung zur Verfügung (Münkler 1996), die sich dann

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innerhalb der sozio-politischen Ordnung als Religionspolitik und Zivilreligion (Schieder 2001) manifestieren.

Im Gegensatz zum integrationstheoretisch ausgerichteten Begriff der Zivilreligion macht nun aber in jüngster Zeit angesichts der steigenden Relevanz und Virulenz reli-giöser Orientierungen in der Weltpolitik das Schlagwort von der Politisierten Religion (Bielefeldt & Heitmeyer 1998) die Runde, wodurch sie scheinbar von einer schwachen zu einer Strong Religion mutiert sei, mit der nun ernsthaft gerechnet werden müsse (Almond, Appleby & Sivan 2003). In der Tat scheint das sozialwissenschaftliche Inte-resse an den Religionen unmittelbar mit ihrer Deprivatisierung und ihrem Wiederauf-tauchen als Public Religions in the Modern World (Casanova 1994) erwacht zu sein. Die öffentliche Wahrnehmbarkeit der zwischenzeitlich Unsichtbaren Religion (Luck-mann 1991) hängt ganz entscheidend mit dem zunehmend gewalttätigen Auftreten re-ligiös motivierter Akteure auf den Bühnen der nationalen und internationalen Politik zu-sammen.

Aufgrund dieser Entwicklung scheint sich auch in den Sozialwissenshaften ein Para-digmenwechsel in der Erforschung der politischen und sozialen Bedeutung von Religi-onen abzuzeichnen. Das Stabilisierungs- und Integrationsparadigma wird erkennbar um ein Gewalt- und Konfliktparadigma ergänzt, denn die Rück- oder Wiederkehr der Religionen und Götter wird auch als Rache Gottes (Kepel 1991) oder als Kampf für Gott (Armstrong 2004) gedeutet, insoweit mit ihr auch Terror im Namen Gottes (Juer-gensmeyer 2004) verbunden ist, der sich aus einer Sacred Fury (Selengut 2003) speist. Als Resultat dieser Entwicklungen sprechen die einen von der Wiederkehr der seit den neuzeitlichen Religionskriegen überwunden geglaubten Glaubenskonflikte in der Weltpolitik (Röhrich 2004), während andere das Schreckensszenario eines religiös motivierten Clash of Civilizations (Huntington 1993; 1996) an die Wand malen. Das letztgenannte Szenario ist aus guten Gründen nicht unwidersprochen geblieben und hat die Beschwörung der Vision einer friedlichen Koexistenz, Das Zusammenlebens der Kulturen (Müller 1998), provoziert.

Tatsächlich wäre es falsch, angesichts des Anstiegs religiös motivierter Auseinander-setzungen einseitig das Gewalt- und Konfliktpotential der Religionen zu betonen und deren Friedensstiftungs- und Versöhnungspotential zu vernachlässigen. Die Problema-tik religiöser Überzeugungen und Motivationen und ihres Einflusses auf politisches Handeln und politische Ordnungen zeichnen sich vielmehr durch die Komplexität der Ambivalence of the Sacred (Appleby 2000) aus, in deren Folge sich Religionen im Spannungsfeld zwischen Toleranz und Fanatismus (Schweizer 1990) und zwischen Gewalt und Versöhnung (Scheffler 2002a) bewegen. Dieser Ambivalenz des Sakralen können keine eindeutigen politischen Konsequenzen zugeschrieben werden. Der Rückbezug auf das Heilige kann sowohl reaktionär und konservativ, als auch reforme-risch oder revolutionär wirken. Es kann die Gesellschaft und ihre politische Ordnung befrieden, stabilisieren und integrieren, sie aber auch destabilisieren, desintegrieren und in einen religiös motivierten und legitimierten Blutrausch zerfallen lassen. Die Be-antwortung der entscheidenden Frage, wann und wie die Ambivalenz des Sakralen in die eine oder andere Richtung umschlägt, muss sowohl die endogenen Faktoren der vielfältigen Formen der Religionen und Politischen Theologien als auch die exogenen Faktoren der sozialen, ökonomischen und politischen Erfahrungswelt der Betroffenen berücksichtigen. Bevor allerdings diese Frage beantwortet werden kann, ist es ange-

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Unfriedliche Religionen

bracht, zunächst einige Begriffsklärungen vorzunehmen.

Das Verhältnis von Politik und Religion: einige Begriffsklärungen

Als besonders problematisch erweisen sich die Begriffe Religion und Politik, deren Ge-genstandsbereiche zumeist als unterschiedliche Sphären der Gesellschaft verstanden werden, die miteinander in Wechselbeziehung und Austauschprozessen stehen, was sich empirisch insbesondere am Verhältnis von Kirche und Staat messen lässt, wenn der Staat Religionspolitik betreibt oder die Kirchen versuchen, ihren Einfluss auf staat-liche Institutionen und Entscheidungen geltend zu machen. Entsprechend gelten Reli-gion und Politik als zwei kategorial getrennte Seinsbereiche, die zwar miteinander in Verbindung stehen, aber letztendlich Subsysteme des Sozialsystems Gesellschaft dar-stellen (so z. B. Moyser 1991).

Diese Konzeptionalisierung ist insoweit verständlich, als sie der historischen Erfahrun-gen der westlichen Zivilisation entspringt, in der seit dem Hochmittelalter, der Renais-sance und Reformation ein Differenzierungsprozess zwischen Kirche und Staat und zwischen Religion und Politik stattgefunden hat, der sich auch in der Entstehung unse-res modernen Politik- und insbesondere Religionsbegriffes niedergeschlagen hat (vgl. Wagner 1986; Feil 1986, 1997). Diese Begriffsprägung ist aber aus mehreren Gründen als problematisch zu betrachten, weil damit eine spezifisch westliche Entwicklung der Neuzeit verabsolutiert und universalisiert wird. Erstens zeigt sich bei einem interzivilisa-torischen Vergleich, dass außerwestliche Symbolsysteme, die wir im Westen als Reli-gionen bezeichnen, wie z. B. Judentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus gar kei-nen Religionsbegriff kennen, bzw. nur insoweit kennen, als der westliche, moderne Re-ligionsbegriff in diese Traditionen aufgenommen wurde (vgl. Matthes 1992; Haußig 1999, 2003). Dieser Befund legt den Verdacht nahe, dass diese Traditionen eine kate-goriale Trennung von Politik und Religion gar nicht kennen.

Dieser Verdacht wird durch einen Blick in die Geschichte des Christentums erhärtet. Wenngleich das frühe Christentum im Gegensatz zu seiner antiken Umwelt eine Tren-nung von Herrschaft und Heil kennt (vgl. Assmann 2000), so wäre es verfehlt, diese Trennung als den eigentlichen Geist oder die Essenz des Christentums misszuverste-hen. Denn spätestens als das Christentum zur Reichsreligion des Imperium Romanum erhoben wurde, fand eine enge Verschmelzung von Politik und Religion im Christen-tum statt. Diese enge Verbindung blieb in der christlichen Orthodoxie bis auf den heuti-gen Tag, wenngleich auch nicht vollständig, so doch zu einem großen Teil, erhalten. Aber auch im lateinischen Christentum finden wir in den Sakralmonarchien der Karo-linger bis hin zu den Saliern eine enge Verknüpfung von Politik und Religion im Reichskirchensystem. Die Kirchenreformbewegung unter dem Kampfbegriff der Liber-tas ecclesiae konnte die Kirche zwar teilweise aus den Fesseln des Reichskirchensys-tems befreien, aber war weit davon entfernt, die Kirche als eine unpolitische, rein spiri-tuellen Aufgaben geweihte Institution zu etablieren. Im Gegenteil schlug der Ruf nach der Freiheit der Kirche in den universellen Weltherrschaftsanspruch des Nullam salus extra ecclesiam um. Zwar konnten sich langfristig die damals oppositionelle Konzeption einer Trennung von Heil und Herrschaft in den Schriften eines Marsilius von Padua, Wilhelm von Ockham oder Dante Alighieris durchsetzen, aber selbst das nachreforma-torische Christentum trat nicht durchgängig mit dem Anspruch einer Trennung von Re-ligion und Politik an, wie das Beispiel des Calvinismus und die Resultate der Religions-

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Unfriedliche Religionen

kriege 1555 und 1648 verdeutlichen. Eine Trennung erfolgte erst langsam mit den at-lantischen Revolutionen und deren Folgen, wobei die Frage aufgeworfen werden kann, ob dieser Prozess bereits zum Abschluss gekommen ist bzw. jemals zum Abschluss kommen wird. Aber diese Frage soll hier offen gelassen werden.

Dieser Ausflug in die Geschichte des Christentums sollte vielmehr verdeutlichen, dass auch das Christentum durchaus unterschiedliche Konzeptionen des Verhältnisses von Politik und Religion hervorgebracht hat und – wie ein Blick auf die Politischen Theolo-gien christlicher Theologen (z. B. Metz 1968; Moltmann 1972) zeigt – bis heute hervor-bringt. Im welthistorischen Maßstab gemessen, scheint unsere westliche Trennung von Politik und Religion geradezu die Ausnahme und nicht die Regel zu sein. Im Gegenteil scheint dem Religiösen das Politische immer inhärent zu sein, insoweit mit der Religi-onsstiftung immer auch ein Stück weit der Anspruch einhergeht, eine politische Ord-nung zu formen, wie es paradigmatisch durch Moses und Mohammed erfolgte. Weni-ger eindeutig fällt dagegen der Befund beispielsweise bei Buddha und Christus aus. Es scheint also sinnvoll zu sein, davon auszugehen, dass es historisch und kulturell unter-schiedliche Konzeptionalisierungen von Politik und Religion gibt, die von der Identität bis hin zur Trennung reichen können. Aber selbst in radikalen staatskirchlichen Tren-nungssystemen, wie z. B. in Frankreich und den USA, die die Trennung von Politik und Religion am weitesten getrieben haben, kann weder der Religion eine politische Affini-tät, noch der Politik eine religiöse Affinität abgesprochen werden. Beide scheinen viel-mehr in unterschiedlichem Maße miteinander zu konvergieren.

Diese Konvergenz findet im Wesentlichen auf zwei Ebenen statt, auf der Ebene des Politischen und auf der Ebene der Politik. Unter dem Begriff des Politischen (le politi-que) verstehe ich mit Claude Lefort (1986b) die fundamentale Ebene der konstituieren-den Ordnungsprinzipien einer Gesellschaft und ihrer politischen Verfasstheit und unter dem Begriff der Politik (la politique) jene Sphäre der Alltagspolitik und politischen Han-delns im Sinne Max Webers, die durch die Sphäre des Politischen konstituiert ist. Zur Konvergenz von Politik und Religion im Bereich des Politischen kommt es zum Beispiel dann, wenn, wie im Falle der USA die (säkularen) Ordnungsprinzipien der amerikani-schen Republik in transkonfessionellen religiösen Vorstellungen wurzeln, die gemein-hin als Zivilreligion bezeichnet werden. Eine Konvergenz im Bereich der Politik finden wir dann, wenn ebenfalls wie im Falle der USA religiöse Gruppierungen versuchen, ih-ren Einfluss auf die Politik im Gesetzgebungsprozess geltend zu machen. Selbstver-ständlich überlappen sich diese beiden Formen von Konvergenz und sind deshalb nicht kategorial zu trennen, sondern nur analytisch zu unterscheiden. Denn die Kon-vergenz in der Politik kann soweit gehen, auch eine Konvergenz im Politischen anzu-streben und somit die gesamte Ordnung dem Primat des Religiösen zu unterwerfen.

Die Wurzel für diese beiden Arten von Konvergenzen ist im Kern der Religion bzw. des Religiösen zu finden. Unter dem Begriff des Religiösen verstehe ich die anthropologi-sche Disposition des Menschen zur Suche nach dem Grund des Seins, dem Grund der menschlichen Existenz und der Ordnung seiner Existenz in Gesellschaft und Geschich-te. Von dieser Begriffsbestimmung des Religiösen ausgehend, kann der Begriff der Re-ligion dahingehend näher gefasst werden, dass Religionen die symbolischen Antwor-ten auf diese existenziellen Fragestellungen darstellen. Religionen können also als Symbolsysteme definiert werden, in denen die Menschen aus der existenziellen Erfah-rung der Spannung zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit, Leben und Tod, Vollkommen-

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Unfriedliche Religionen

heit und Unvollkommenheit die Welt, sich selbst, ihre Gesellschaft und die dazugehöri-gen individuellen und gemeinschaftlichen Lebensordnungen in den Medien der Erzäh-lung, der Schrift, des Ritus und Opfers usw. ausdeuten und so ihrer Existenz einen Sinn und Ordnung ver (vgl. Appleby 2000: 3, 8; Riesebrodt 2001: 37–48). In diesem Ordnungsanspruch von Religionen liegt der politische Kern einer jeden Religion, durch den Politik und Religion eine prinzipielle Affinität und Konvergenz aufweisen, der Grad der Konvergenz sowohl im Bereich des Politischen als auch im Bereich der Politik al-lerdings zwischen und innerhalb der religiösen Traditionen erheblich variieren kann.

Diese prinzipielle Affinität und Konvergenz von Politik und Religion zeigt sich allerdings auch umgekehrt. Das Politische, im Sinn von politischen Ordnungsprinzipien und die Politik, im Sinn von politischem Alltagshandeln weisen ein Bedürfnis nach Legitimität und Legitimierung auf, die nicht ausschließlich aus der Politik oder dem Politischen gewonnen werden können, sondern des Rückgriffs auf einen transzendenten, sakrali-sierten Fluchtpunkt erfordern, der der politischen Ordnung und den politischen Hand-lungen die zur Durchsetzung notwendige Rechtfertigung verleiht. Insoweit waren bzw. sind auch scheinbar rein säkulare politische Bewegungen darauf angewiesen, eine Form der religiösen Legitimation zu entwickeln, indem sie Teilaspekte der innerweltli-chen Wirklichkeit sakralisieren – wie z. B. Nation, Klasse, Rasse, Ethnos etc. – und deshalb im Sinne Voegelins als innerweltliche, säkulare oder Politische Religionen be-zeichnet werden können (Voegelin 1939; Hildebrandt, Brocker & Behr 2001b; Gebhardt 2004).

Insoweit sich auch diese politischen Bewegungen dem Religiösen nicht verschließen können, ist es sinnvoll, den Religionsbegriff nicht nur auf jene Symbolensembles zu beschränken, die sich durch einen Bezug zu dem, was wir im Westen seit der Aufklä-rung „übernatürlich“ nennen, auszeichnen, sondern auch auf jene Symbolensembles auszudehnen, die ihren sakralen Fluchtpunkt in „natürlichen“ oder innerweltlichen Rea-litäten finden, denn auch diesen ist eine religiöse Dimension eigen.

Wenn diese Begriffsbestimmungen sinnvoll und zutreffend sind, dann erscheinen die Begriffe Politische Religion (Voegelin 1938, 1993) und Politisierte Religion (Bielefeldt & Heitmeyer 1998) als problematisch, suggerieren oder unterstellen sie doch, dass es auch unpolitische oder entpolitisierte Religionen gäbe. Es ist allerdings nicht sinnvoll, diese beiden Begriffe über Bord zu werfen, weil der erste im wissenschaftlichen Dis-kurs gut etabliert ist und mit dem zweiten Begriff ein gestiegener Grad der Konvergenz von Politik und Religion begrifflich gut gefasst werden kann. Wenn ich also im Weiteren von Politischen Religionen oder der Einfachheit halber von Religionen spreche, dann beziehe ich mich nicht auf das Konzept von Eric Voegelin, sondern versuche vielmehr, damit den politischen Kern der Religionen begrifflich zu fassen.

Ein weiterer klärungsbedürftiger Begriff ist der der Politischen Theologie. Wie bereits oben angedeutet, erfreut sich dieser Begriff in der Diskussion einer außerordentlich schillernden Anwendung, die von politisierten christlichen Theologien (Metz, Moltmann) über die politischen Mythen der Nation und der Klasse (Schmitt) bis hin zu den antiken Reichsreligionen in Ägypten, Israel oder Rom reicht. Diese Anwendungen sind natür-lich legitim und sinnvoll. Im Kontext der vorliegenden Erörterung verwende ich den Begriff der Politischen Theologie im Kontrast zum Begriff der Politischen Religion spe-zifischer im Hinblick auf die sprachlich verfassten Botschaften, die Lehrgebäude oder Dogmen der Religionen und ihre theologisch legitimierten politischen Ordnungslehren.

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Unfriedliche Religionen

In diesem Sinne kennt jede religiöse Tradition eine Vielzahl von Politischen Theolo-gien, die in Konkurrenz zueinander stehen und die Tradition in unterschiedlicher Weise auslegen. Diese Politischen Theologien können auch unterschiedliche Grade der Sozi-alwirksamkeit entfalten, die vom politisch unwirksamen theoretischen bis hin zum sozi-aldominanten Entwurf reichen kann, der Massenbewegungen auslöst. Je sozialwirk-samer eine Politische Theologie wird und die Praxis der Menschen anleitet, desto mehr verbreitert sich die Politische Theologie zu einer Politischen Religion, insoweit dieser Begriff auch die Praxis in ihren vielfältigen Dimensionen berücksichtigt.

Wenn eine Politische Theologie zu einer Politischen Religion aufgestiegen ist und ihr die Eroberung oder Errichtung der herrschenden politischen Institutionen gelungen ist und die Legitimationsfunktion dieser Institutionen und der durch sie konstituierten Ord-nung übernommen hat, dann ist es zur Unterscheidung vom Begriff der Politischen Re-ligion und der von ihnen geleiteten Massenbewegungen sinnvoll, von Zivilreligion bzw. Reichsreligion oder Staatsreligion zu sprechen, je nachdem, welche politische Ordnung vorliegt. So scheint es mir angemessen zu sein, im Falle moderner staatlicher Ge-meinwesen von deren Zivilreligion zu sprechen, während der Begriff der Reichsreligion besser Anwendung auf die antiken und mittelalterlichen Reichsbildungen findet. Der Begriff der Staatsreligion ist ein Spezialfall von Zivilreligion, insoweit eine Religion in Form einer Staatskirche in den Genuss staatlicher Privilegien kommt.

Mit diesen Begriffsklärungen können wir uns nun wieder unserer Ausgangsfrage nach den Wurzeln des Gewalt- und Konfliktpotentials der Politischen Religionen zuwenden.

Das endogene Gewalt- und Konfliktpotential Politischer Theologien

Ganz zweifelsohne wohnt den Religionen ein nicht zu unterschätzendes Gewaltpoten-zial inne, das ganz erhebliche destruktive Kräfte freisetzen kann (Wright 1985; Girard 1987; Schweizer 1990; Kepel 1991, 2002; Morelli 1998; Rittberger & Hasenclever 1998, 2000; Bendel & Hildebrandt 2002; Rittberger 2002; Brandt 2002; Häring 2002; Hempelmann 2002a; Selengut 2003; Juergensmeyer 2003; Armstrong 2004; Ellens 2004; Röhrich 2004). Dabei scheint keine der großen Weltreligionen von diesem Ver-dacht ausgenommen werden zu können; weder das Christentum (Deschner 1987 ff.; vgl. Moltmann, van de Loo, Haynes & Mitchell 2005), noch der Islam (Wright 1985; Kotsch 2002; Kepel 2002; vgl. Hansen, Jung, van de Loo, Pfahl-Traughber, Arenhövel, Derichs, Haynes, Wagner, Hubel 2005), aber auch nicht das Judentum (Medding 2002; vgl. Hubel 2005) und auch nicht der Hinduismus (McGuire, Reeves & Brasted 1996; Bhatt 2001; Sarkar 2002; Brass 2003; vgl. Wagner 2005). Selbst der insbesondere durch den Dalai Lama im Ruf besonderer Friedfertigkeit stehende Buddhismus kann nicht für sich reklamieren, keine Gewalt freizusetzen (De Silva 1988; Jackson 1989; Wickremeratne 1995; Bartholomeusz & De Silva 1998; vgl. Rösel 2005).

Worauf beruht also das Gewalt- und Konfliktpotential dieser Religionen? Eine erste Antwort auf diese Frage wäre in den endogenen Strukturen religiöser Erfahrungen zu suchen. Obwohl wir in der Empirie mit einer Vielzahl unterschiedlicher Formen religiö-ser Symbolsysteme konfrontiert werden, kann dennoch jenseits der damit einherge-henden Differenzen ein Gemeinsames im existenziellen Bezug auf das Heilige gefun-den werden: Der Erfahrung eines mysterium tremendum et fascinans, das aufgrund seiner unkontrollierbaren Präsenz sowohl grauenerregend und furchteinflößend (tre-mendum) als auch überwältigend und daher achtungsgebietend und faszinierend (fas-

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Unfriedliche Religionen

cinans) ist (Otto 1917). Mit anderen Worten, religiöse Erfahrungen des Heiligen sind außerordentlich ambivalente Begegnungen mit einer die alltägliche Vorstellungskraft überschreitenden Macht. Diese Ambivalenz wird noch dadurch verstärkt, dass derarti-ge Transzendenzerfahrungen durch einen vorsprachlichen bzw. die Sprache transzen-dierenden Charakter geprägt sind und daher eigentlich unaussprechlich, wenngleich dennoch von noetischer Qualität sind. Obwohl es nicht möglich scheint, sie adäquat in Worte zu fassen, so müssen sie, wenn denn das Bedürfnis nach Mitteilung besteht, dennoch in allgemein verständliche Worte gefasst werden, die sich der Erfahrung je-doch nur annähern können (vgl. Hildebrandt 2000: 53–60). Diese Ambivalenz der Er-fahrung der numinosen Macht und die Ambivalenz der möglichen Übersetzungen die-ser Erfahrung in unsere „Alltagssprache“ hat zur Folge, dass in diesen Erfahrungen das Verhältnis zur Gewalt außerordentlich ambivalent ausgeprägt ist, dass sowohl Wege der Gewalt als auch Weg der Gewaltlosigkeit eröffnet werden können.

Diese Ambivalenz des Sakralen lässt sich noch deutlicher fassen, wenn wir den Raum der unmittelbaren Erfahrung des Heiligen verlassen und uns in den Raum der nunmehr sprachlich verfassten Politischen Theologien begeben. Von der Intention her scheinen die Politischen Theologien der meisten Politischen Religionen eine zentrale Gemein-samkeit aufzuweisen, die die angesprochene Ambivalenz aufzulösen scheint. Diese Gemeinsamkeit wurzelt in einer universellen anthropologischen Konstante: der menschlichen Unvollkommenheit. Denn gerade aus der Spannung der Erfahrung der Unvollkommenheit des Menschen und der aus dieser Unvollkommenheit resultieren-den Erfahrung der Ungerechtigkeit der menschlichen Welt einerseits und der spirituell erfahrenen „göttlichen“ oder „transzendenten“2 Vollkommenheit und Gerechtigkeit an-dererseits entfaltet sich die motivierende Kraft der Religionen: der Wunsch nach Über-windung der menschlichen Unvollkommenheit und der Ungerechtigkeit der Ordnung der Welt bzw. der Ordnung der menschlichen Gesellschaft. Mit den religiösen Symbol-systemen zielen ihre Urheber der Intention nach auf die Eindämmung von Konflikten und Gewalt durch ethische Handlungsregeln und/oder politische Ordnungsprinzipien, die Gerechtigkeit zwischen den Menschen stiften sollen. Religiöse Botschaften inten-dieren die Transzendierung von Konflikten und Gewalt in einem Jenseits und/oder die Überwindung und Abschaffung von Konflikten und Gewalt in einem irdischen Paradies. Mit anderen Worten, gemessen an dieser Botschaft, die das Letztziel, das Eschaton, der meisten Politischen Theologien darstellt, sind Religionen eigentlich friedensliebend und friedensstiftend (vgl. Selengut 2003: 1).

Aber diese Feststellung hebt die angesprochene Ambivalenz nur scheinbar auf. Denn andererseits eröffnet gerade diese Intention gleichzeitig das Konflikt- und Gewaltpo-tenzial der Religionen, insoweit diese auf einer „göttlichen“ Definitionsmacht und Defini-tionsleistung beruhen, durch die zwischen Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Unge-rechtigkeit und letztendlich zwischen Gut und Böse unterschieden wird. Diese Definiti-

2 Der Begriff des „Göttlichen“ ist natürlich insoweit problematisch, als damit im Kontext der abrahamiti-schen Religionen immer ein personaler Gott gemeint ist, den es in dieser Form in anderen religiösen Symbolsystemen nicht gibt, weshalb ich den Begriff der „Transzendenz“ in relativierender bzw. problemati-sierender Absicht hinzugefügt habe. Natürlich ist auch dieser Begriff nicht unproblematisch, insoweit er die in den abrahamitischen Religionen formulierte Trennung zwischen Immanenz und Transzendenz voraus-setzt, die ebenfalls nicht in allen Religionen zu finden ist. Der Begriff der Transzendenz ist in diesem Zu-sammenhang im Sinne des „unsichtbaren Maßes“ Solons zu verstehen, das die Alltagswelt transzendiert und im Sinne eines nomos normativ ordnen soll (vgl. Hildebrandt 1996: 66–88; Hildebrandt 2001: 42–48).

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onen werden im allgemeinen durch eine transzendente Sakralisierung legitimiert, die mit einer Sanktionsmacht kosmischen Ausmaßes einhergeht, die die Möglichkeiten ei-ner jeden irdischen Strafgewalt lächerlich erscheinen lässt. Die Verheißung von Frie-den, Liebe, Gerechtigkeit und Erlösung wird flankiert von der Gewalt- und Strafandro-hungen bei Nichtbeachtung der göttlichen Gebote. Das Theologumenon des liebenden und zornigen Gottes, der durch Opfer besänftigt werden muss (vgl. Girard 1987), sym-bolisiert paradigmatisch die Ambivalenz des Sakralen.

So findet sich im Herzen jeder Religion und im Zentrum jeder (religiösen) Definitions-leistung immer ein binärer Dualismus, mit dem zumindest potenziell eine Komplexitäts-reduktion und Vereinfachung der Wirklichkeitswahrnehmung einhergeht, die bis hin zu einem simplen manichäischen Weltbild gesteigert werden kann. Diese Gefahr wird durch Tendenzen zur Kanonisierung und Dogmatisierung verstärkt, in deren Zuge der Anspruch auf die Verkündigung der einen, unteilbaren und ausschließlichen Wahrheit zu Selbstgewissheit und Fundamentalismus mutieren kann, einer Gefahr, der insbe-sondere die monotheistischen Buchreligionen, aber – wie wir sehen werden – nicht nur diese ausgesetzt sind. So kann die der religiösen Erfahrung eigentümliche Begeiste-rung leicht in blinden Fanatismus umschlagen, der das jeweils Andere der eigenen Wahrheit der Lüge und Unwahrheit bezichtigt und in seiner Existenzberechtigung ne-giert. Diese inhärenten und potenziellen Tendenzen zu Intoleranz und Ausschluss wer-den insbesondere dann radikalisiert, wenn das Böse, d. h. Gewalt und Gewaltanwen-dung gleichsam als Mittel zur Überwindung und Vernichtung des Bösen und zur ge-waltsamen Durchsetzung der eigenen Wahrheit legitimiert wird, wobei das Böse im je-weils Anderen der eigenen Identität gefunden wird (vgl. Häring 2002).

Denn der jeweils Andere ist das notwendige und unvermeidliche Nebenprodukt einer religiösen und/oder politischen Identitätsbildung, weil die Bestimmung der eigenen Identität immer durch eine Abgrenzung zur Nichtidentität, zum Nichtidentischen, dem in irgend einer Art als Bösem wahrgenommenen, vorgenommen werden muss. So führen Religionen auf der einen Seite zur Konstituierung, Institutionalisierung, Integration und Stabilisierung einer in-group von Gläubigen, der zwangsläufig eine out-group von Un-gläubigen gegenübersteht (vgl. Schweizer 1990), von der man sich, um die eigene Gruppe und Institution durch innere Geschlossenheit zu bewahren, über eine Abgren-zung nach außen distanzieren muss und mit der es unter Umständen auch zum ge-waltsamen Konflikt kommen kann. Daher kann, wie dies der Theologe Hermann Häring formuliert hat, die „lebensspendende Quelle des Vertrauens auf Gott“ in einen „lebens-vernichtenden Strom von Misstrauen gegenüber der Welt“ umschlagen (Häring 2002: 33).

Aber diese Feststellungen dürfen nun nicht zu dem Fehlschluss verleiten, dass alle Re-ligionen ein simples manichäisches Weltbild vertreten und das in ihnen angelegte Ge-waltpotenzial zwangsläufig und unvermeidlich zum Ausbruch kommt. Es ist nur als Po-tenzial in ihnen angelegt. Denn in der Realität wird die Ambivalenz des Sakralen durch die Ambivalenz der menschlichen Lebenswirklichkeit überlagert und dadurch in seiner Komplexität gesteigert. Die meisten Religionen scheinen dieser Ambivalenz menschli-cher Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen. Die oftmals gleichnis- oder formelhaften und nicht immer widerspruchsfreien religiösen Vorschriften stecken ein weites Feld möglicher Auslegungen und Verhaltensweisen ab: So bietet die Bibel im Alten Testa-ment die retributive Formel des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ und andererseits im

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Neuen Testament die Formel der Vergebung und der Nächstenliebe – „Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein“ –, die beide gleichermaßen einen Auslegungs-spielraum in die Hände der Gläubigen legen. Die Widersprüchlichkeit und Uneindeutig-keit der Überlieferungen eröffnen einen Auslegungs- und Anwendungsspielraum, der im Prinzip die Möglichkeit bietet, den vielfältigen Situationen der ambivalenten mensch-lichen Lebenswirklichkeit gerecht zu werden. So legen z. B. die Auseinandersetzungen um die Konzepte des Heiligen und des Gerechten Krieges in der Geschichte des Chris-tentums und des Islams ein beredtes Zeugnis von der Problematik der Legitimation von Gewalt ab, die keineswegs immer simplen manichäischen Dualismen folgten und dar-über hinaus durch die Auseinandersetzungen um die Konzepte des ius ad bellum und des ius in bello weiter differenziert wurden (vgl. Noth 1966; Kelsay & Johnson 1991; Janssen & Quante 2003).

Insbesondere das Beispiel der Rolle der Religionen in der Konstituierung des südafri-kanischen Apartheid-Regimes, dessen Überwindung und Transformation in ein neues, demokratisches Südafrika verdeutlicht in aller Klarheit die Ambivalenz des Sakralen. Einerseits speiste sich die Legitimität des südafrikanischen Apartheids-Regimes aus der religiösen Tradition des niederländischen Calvinismus, der unter den Lebensbedin-gungen der südafrikanischen Siedler niederländischer Herkunft eine eigentümliche Reinterpretation erhielt. Im Laufe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde dieser Calvinismus zu einer Zivilreligion verdichtet, deren primäre Funktion die Legitimation des Apartheid-Regimes war. Die Politische Theologie dieser Zivilreligion legitimierte mit ihrer Rassenideologie und mit ihrer manichäischen Unterscheidung zwischen Schwarz und Weiß jede erdenkliche Form der Gewalt gegen die out-group (vgl. Moodie 1975). Auf der anderen Seite wurde diese Zivilreligion durch die „ideologiekritische Kraft“ der sich ebenfalls aus christlichen Quellen speisenden Theologie der Oppositionskirchen überwunden und mündete ihrerseits in der Zivilreligion des Regenbogenvolkes (vgl. Di-ckow 1996). Im Prozess dieser Auseinandersetzung wurde auch die Frage nach der theologischen Legitimation von gerechter (Gegen-) Gewalt aufgeworfen und kontrovers diskutiert (Villa-Vicencio 1988; vgl. Mitchell 2005).

Das Beispiel Südafrikas verdeutlicht auch den fließenden Übergang von einer ver-meintlich unpolitischen Religion und Theologie zu einer Politischen Religion und Politi-schen Theologie bzw. einer Zivilreligion. Denn es wäre weit gefehlt, die südafrikanische Spielart des Calvinismus vor dem Apartheids-Regime als unpolitische Religion zu ver-stehen. Denn vor der Errichtung des Regimes diente dieser Calvinismus in Abgren-zung zu den afrikanischen Stämmen und den englischen Immigranten als Selbstver-ständnis und Legitimation der Lebensform und Lebensordnung der Afrikaner. Er war Religion, Politische Religion und Zivilreligion in einem und diente bereits damals zur Legitimation von Gewalt gegen die out-groups, d. h. die afrikanischen Stämme und die Engländer. Im Übrigen waren die englischen Methodisten eine der führenden Kräfte im Kampf gegen die Versklavung der Schwarzen in Südafrika.

An diesem Beispiel zeigt sich die Spannweite der möglichen Interpretationen eines Korpus an religiösen Überlieferungen und Traditionen. Auf der einen Seite besteht durch die Verschließung gegenüber der Ambivalenz menschlicher Lebenserfahrungen und der Ambivalenz der überlieferten Tradition die Möglichkeit der Degeneration zu ei-ner dogmatischen religiösen Ideologie, die zur Erreichung ihrer Ziele keine Skrupel vor Gewaltanwendung kennt. Auf der anderen Seite kann durch eine Reinterpretation des

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selben Korpus an religiösen Überlieferungen und Traditionen die Offenheit für die Am-bivalenz menschlicher Lebenserfahrungen wieder gewonnen und dadurch die ideolo-giekritischen Potenziale entfaltet werden, die es erlauben, ebenfalls im Namen einer höheren, d. h. sakralen Einsicht und Wahrheit, die realen gesellschaftlichen, politischen und religiösen Verhältnisse zu kritisieren. Zweifelsohne unterliegt dieses ideologiekriti-sche Potenzial von Religionen immer auch der Gefahr, selbst zur Ideologie zu ver-kommen.

Die verschiedenen Religionen treten uns nicht als monolithische Blöcke entgegen. Im Gegenteil zeichnen sie sich durch eine interne Pluralität verschiedener Strömungen aus, die durchaus im Widerspruch und in Konkurrenz zueinander stehen. Innerhalb je-der dieser Strömungen ist darüber hinaus mit verschiedenen Traditionsschichten zu rechnen, die die Ambivalenz und Komplexität der jeweiligen Religionen noch weiter er-höhen. Aufgrund dieser Komplexität der religiösen Traditionen kann zwangsläufig keine Interpretation die Essenz einer Religion repräsentieren, sondern wir begegnen immer selektiven Interpretationen, die einen ganz bestimmten Aspekt der jeweiligen Tradition zugespitzt formulieren, indem sie die Tradition im jeweiligen Erfahrungshorizont inter-pretieren. Diese Interpretationen können sowohl von geschultem theologischen Perso-nal oder auch von religiösen „Analphabeten“ vorgenommen werden, wobei insbeson-dere religious illiteracy bei den Eliten, aber auch der Bevölkerung die Reduktion der Komplexität und Ambivalenz der eigenen Traditionen erleichtern kann (vgl. Appleby 2000: 16 f., 31 ff., 55, 69).

Trotz dieser vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten religiöser Traditionen zeichnet sich über den empirischen Vergleich gewaltlegitimierender Politischer Theologien und ihrer Bewegungen doch ein gewisses Grundmuster ab, das man aufgrund seiner dog-matischen Verschließung gegenüber der Ambivalenz der menschlichen Lebenserfah-rung als religiöse Ideologie oder – wie es heute geläufiger ist – als „Fundamentalismus“ bezeichnen kann und das folgende Elemente enthält:

1. Es wird der Anspruch erhoben, zu den ursprünglichen Quellen der eigenen Tradition zurückzukehren und sie dabei von den Verirrungen und Verfälschungen ihrer histori-schen Entwicklung freizulegen und zu befreien, die zumeist als ein Degenerationspro-zess begriffen wird.

2. Die durch diesen „mythischen Regress“ (Riesebrodt 2000: 53) freigelegten Gesetze und Gebote der Gründerfiguren der eigenen Tradition werden ihres historischen Kon-textes entkleidet und transhistorisch und literalistisch auf die eigene Zeit übertragen, womit der Anspruch auf eine Wiederherstellung eines Goldenen Zeitalters verbunden wird. Dem Prozess der Enthistorisierung entspricht auf der anderen Seite eine Essen-zialisierung der eigenen Tradition, die den Anspruch erhebt, das wahre Wesen der ei-genen Religion freigelegt zu haben (vgl. Jung 2005).

3. Im Gegensatz zu diesem Anspruch zur wahren Lehre zurückzukehren, entsteht je-doch in den meisten Fällen eine moderne religiöse Ideologie, mit der nun der Anspruch der Regelung sämtlicher Lebenssphären der Menschen verbunden wird. Trotz der da-mit verbundenen antiliberalen und antimodernistischen Stoßrichtung, rezipieren diese religiösen Ideologien das modernistische Paradigma der prinzipiellen Gestaltbarkeit der menschlichen Gesellschaft durch politische Herrschaft.

4. Ausgehend von einer Krisendiagnose der eigenen Zeit und Gesellschaft, wird diese

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objektiv vorliegende und/oder subjektiv wahrgenommene Unordnungs- und Ungerech-tigkeitserfahrung in einen welthistorischen oder sogar „kosmischen Krieg“ (Juergens-meyer 2004: 201–225) zwischen Gut und Böse eingebettet. Die eigene Gegenwart wird im Lichte eines „metaphysische(n) Konflikte(s) zwischen Gut und Böse“ (a. a. O.: 203) gedeutet.

5. Eng mit diesem manichäischen Dualismus ist eine apokalyptische Geschichtsdeu-tung verbunden, die die eigene Gegenwart am Ende der Zeiten wähnt. Der daraus ab-geleitete Exzeptionalismus befreit die Gläubigen von den üblichen Fesseln, die die Ambivalenz des Sakralen der Gewaltanwendung anlegt und setzt damit eine ungeahn-te Gewaltbereitschaft frei, die um der Heiligen Sache willen nicht vor der Opferung des fremden und des eigenen Lebens zurückschreckt (vgl. Selengut 2003: 95–139; Hansen 2005; van de Loo 2005; Pfahl-Traughber 2005; Rösel 2005; Hubel 2005).

6. Der Opferung des eigenen Lebens, das aus dem Kämpfer und Krieger einen Märty-rer macht, der für seinen Glauben Zeugnis ablegt, entspricht auf der anderen Seite die Entmenschlichung und Dämonisierung des Feindes, wodurch auch die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten aufgehoben wird. In einem kosmi-schen Krieg kann es keine Zivilisten mehr geben (vgl. Juergensmeyer 2003: 226–255 und van de Loo 2005).

7. Der diese Radikalisierung stützende Wahrheitsanspruch und sein Infallibilismus schließen konsequenterweise die Möglichkeiten von friedlichen Lösungen und/oder Kompromissen weitgehend aus. Der Kampf gegen das „Böse“ duldet keinerlei Zuge-ständnisse. Gemäßigte Personen und Parteiungen, die Schlichtungsvorschläge unter-breiten, laufen Gefahr, mit mindestens der gleichen Vehemenz wie der Feind bekämpft zu werden (vgl. Moltmann & Hubel 2005).

8. Dieser religiöse Fanatismus kann dazu führen, dass selbst ein aussichtsloser Kampf, der keinerlei absehbaren Erfolg verspricht, fortgeführt wird in der Hoffnung, dass Gottes Wirken in der Weltgeschichte der eigenen Partei den Sieg schenken wird, auch wenn ihn erst die nächste oder übernächste Generation erleben wird (vgl. Han-sen 2005).

9. Das Endziel dieses kompromisslosen und gewaltbereiten Kampfes bleibt jedoch ein zukünftiges Friedensreich, das Gewalt, Konflikte und Ungerechtigkeiten endgültig überwindet, wenngleich bei einzelnen Akteuren diese eschatologische Vision hinter dem Kampf als Selbstzweck verschwinden mag. Aber in der Regel bleibt die Gewalt das Mittel zu einem höheren Zweck und verdeutlicht auch in diesem Falle die eigentlich friedensstiftende Intention von Religion (vgl. Hansen 2005).

10. Ein gerechter Frieden ist oftmals aber nur als eine Wiedererrichtung der Herrschaft Gottes und seiner Gesetze in Form einer Theokratie denkbar. Dies ist insbesondere bei den so genannten jüdischen, christlichen und islamischen Fundamentalisten der Fall. Hierbei handelt es sich um den Typus einer theokratisch-monistischen politischen Theologie, die von dualistischen Politischen Theologien unterschieden werden können (vgl. Walther 2005).

Es bleibt jedoch noch zu klären, unter welchen exogenen Umständen diese endogene metanoia einer ursprünglich friedensliebenden Intention der Religionen eine Radikali-sierung der Politischen Theologien und des religiösen Denkens und Empfindens der

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Menschen hervorruft und sie zu einer gewaltsamen Eruption treibt. Diese Feststellung führt zur zweiten erkenntnisleitenden Fragestellung, unter welchen Umständen und durch welche exogenen Ursachen diese Radikalisierung und Fanatisierung von Religi-onen und damit politisch-religiöse Gewaltkonflikte ausgelöst werden?

Die exogenen Ursachen politisch-religiöser Konflikte

Zunächst scheint es plausibel zu sein davon auszugehen, dass die Radikalisierung und Fanatisierung von Religionsgemeinschaften durch existenzielle Krisen und Bedrohun-gen ausgelöst wird. Denn nur diese stellen den Leidensdruck und die Motivation zur Verfügung, die Gefahren und Risiken einer gewaltsamen Durchsetzung der eigenen Position in Kauf zu nehmen, die mithin immer als geringer eingeschätzt werden müs-sen als diejenigen, die mit der Akzeptanz des status quo einhergehen. Allerdings ist damit nicht mehr gesagt als ohnehin ein jeder einsieht, denn die entscheidende Frage, welcher Art die Bedrohung ist und welche Motive die Menschen zur Gewalt treiben, ist damit noch nicht beantwortet.

Ist es denkbar und vor allem empirisch nachweisbar, dass sich Menschen aus rein reli-giösen, d. h. in diesem Kontext, theologischen Motiven zur Gewalt hinreißen lassen? Sind z. B. die in der Geschichte des Christentums aufgetretenen gewaltsamen Ausei-nandersetzungen um die Heilige Dreifaltigkeit, das Laienpriestertum, das Abendmahl, den Bildersturm usw. nur auf theologische Differenzen zurückzuführen? Ist also in die-sem Zusammenhang religiös mit theologisch gleichzusetzen?

Oder muss der Begriff der religiösen Motivation weiter gefasst werden, so dass er auch z. B. die Praktizierung des jeweiligen Religionskultes umfasst, so dass die gewaltsame Verteidigung der eigenen Religionsfreiheit als religiös motiviert gilt. Und umgekehrt, werden Religionsfreiheiten nur eingeengt wegen theologischer Differenzen, wie z. B. die Bekämpfung des Menschenopfers durch die Conquistadores und das Verbot der indischen Witwenverbrennung durch die Engländer oder werden andere Religionen bekämpft, weil ein göttlicher Missionsauftrag dies fordert, wie z. B. bei der Ausbreitung des Islams oder der mongolischen Reichsbildung des hohen Mittelalters oder weil Hä-resien eine politische Bedrohung darstellen, wie z. B. das Christentum im Römischen Reich und die mittelalterlichen Katharer und die protestantische Reformation.

Und umgekehrt, warum greifen mittelalterliche Sekten zur Gewalt gegen die sie umge-bende Gesellschaft? Sind es die sozio-ökonomischen Bedingungen, die die Menschen in die Verzweiflung treiben oder ist es das messianische Heilsversprechen des Neuen Jerusalems. Die gleichen Fragen können für die so genannten Religionskriege der Frühen Neuzeit wie für die so genannten religiösen Konflikte der Gegenwart gestellt werden. Angesichts dieses zugegebenermaßen lediglich skizzenhaften Befundes scheint es zunächst einmal sinnvoll zu sein, im Falle von religiös durchdrungenen Kon-flikten von vielfältigen Ursachen und Motiven auszugehen, die sowohl theologische, re-ligiöse, politische, soziale, ökonomische, ethnische, nationale etc. umfassen können.

Wenn wir uns den gegenwärtigen politisch-religiösen Konflikten zuwenden, dann finden wir in den meisten Fällen an den Wurzeln dieser Konflikte einen Ursachenmix, der sich einem monokausalen Erklärungsansatz entzieht. In jedem Fall aber steht am Beginn eines jeden politisch-religiösen Konfliktes eine objektive und/oder subjektiv wahrge-nommene Ungerechtigkeits- und Unterdrückungserfahrung, das Gefühl, nicht nur unter

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Druck zu stehen, sondern existenziell bedrohlichen Angriffen ausgesetzt zu sein (vgl. Riesebrodt 2000: 52 f.).

Diese relative Deprivation oder Ungerechtigkeitserfahrung kann sich aus unterschiedli-chen Quellen speisen, wie z. B. ungerechter politischer (Fremd-) Herrschaft, ökonomi-scher Deklassierung und sozialen Abstiegsängsten, ebenso wie durch Auflösungser-scheinungen tradierter sozio-ökonomischer Strukturen und Lebenswelten, die durch Globalisierungs- und Verwestlichungstendenzen ausgelöst werden, in deren Gefolge sich die betroffenen Gesellschaften und ihre Menschen Modernisierungs- und/oder Sä-kularisierungsprozessen ausgesetzt sehen.

Wenn nun an der Wurzel eines politisch-religiösen Konfliktes nicht explizit religiöse Ur-sachen stehen, dann stellt sich die Frage, wie „die Religion“ in den Konflikt hineinge-rät? Ein möglicher Erklärungsansatz besteht darin, dass mit diesen Krisenerfahrungen zumeist auch geistige Entfremdungserfahrungen einhergehen, die sich in einer spiritu-ellen Orientierungslosigkeit und dem „Gefühl eines persönlichen Machtverlustes“ (Juergensmeyer 2004: 308) angesichts der Dislozierungseffekte der Moderne äußern. Diese spirituelle Krisensituation wird oftmals durch die Erschöpfung alter Sinn- und Orientierungssysteme ausgelöst – wie z. B. Sozialismus, Panarabismus, Liberalismus, Säkularismus, Pancasila – mit deren Hilfe die politischen Eliten nicht in der Lage oder nicht Willens waren, die gesellschaftlichen Ordnungsprobleme zu lösen und berechtig-ten Forderungen nach Reformen entgegenzukommen. In dieses geistige Vakuum stößt dann oftmals eine intensive „Suche nach einer tieferen Spiritualität“, die „religiöse Ant-worten“ auf die „oberflächlichen Werte der modernen Welt“ (a. a. O.: 305) und ihre Kri-senphänomene gibt und eine Revitalisierung religiöser Traditionen auslöst.

Eine Folge dieser Wiederbelebung religiöser Traditionen ist die Tendenz, die Diagnos-tik und Therapie der Krisenerfahrungen nicht in den Kategorien der modernen, säkula-ren Sozialwissenschaften zu formulieren, da diese zurecht als ein Bestandteil der west-lichen Moderne gesehen werden, sondern unter Rückgriff auf tradierte religiöse und kulturelle Konzepte, die angesichts der Krisenerfahrung neu, d. h. durchaus moderne Elemente aufgreifend, reinterpretiert werden. Aber diese religiösen Antworten sind ge-rade keine spirituelle Flucht in ein Jenseits, die einen politischen Quietismus diktieren, sondern im Gegenteil das innerweltliche Engagement und den politischen und sozialen Aktivismus fordern. Deshalb verschmelzen die religiösen Motive mit einer Vielzahl an-derer, so genannter weltlicher Motive, was es in jedem einzelnen Fall schwierig macht, die religiöse Komponente innerhalb eines Konfliktes zweifelsfrei zu isolieren, weil das „Religiöse“ im Selbstverständnis der Akteure gar nicht eindeutig von dem „Politischen“ oder dem „Sozialen“ getrennt ist, sondern diese Aspekte vielmehr miteinander ver-schmelzen.

Zwar ist es richtig, wie Rittberger und Hasenclever festgestellt haben, dass bei den ge-genwärtigen politisch-religiösen Konflikten nicht die Religion, d. h. religiös-theologische Differenzen am Anfang des Konfliktes im Sinne seiner primären Ursachen stehen (Ritt-berger & Hasenclever 1998, 2000; Hasenclever & Rittberger 20003; Rittberger 2002; vgl. auch Riesebrodt 2000: 24 f.), aber es ist auch irreführend, „die Religion“ als inter-venierende Variable zu operationalisieren, insoweit sie als solche aufgrund der Ver-schmelzung mit anderen Motiven gar nicht eindeutig identifiziert werden kann. Diese

3 [Siehe in diesem Band, S. 137 (Tab.), 139 f.. – M. Z.]

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Schwierigkeit besteht nicht nur deshalb, wie Appleby (2000: 55) meint, weil sich „die Religion“ durch andere, d. h. weltliche Motive, kompromittieren lässt, sondern weil „Re-ligion“ immer schon weltlicher Ordnungsvorstellungen ventiliert. So lassen sich politi-sche und religiöse Konfliktursachen nicht immer trennen, weil das Politische religiös konstituiert ist, oder ethnische Konflikte zugleich religiös motiviert sind, weil religiöse Differenzen konstitutiv für ethnische Differenzen sind, wie z. B. in Ex-Jugoslawien (vgl. van de Loo 2005) oder sozioökonomische und politische Missstände religiös interpre-tiert werden. Zwar können nicht-religiös motivierte Konflikte durch das Ausspielen der religiösen Karte und der Instrumentalisierung der Religion eskalieren und das Konflikt-verhalten nachhaltig radikalisieren und in eine Spirale der Gewalt treiben, die in einen Teufelskreis mündet aus dem es kein oder kaum ein Entrinnen gibt. Aber es ist a priori nicht festzustellen, wann ein originär und authentisches religiöses Konfliktmotiv vorliegt und wann die „Religion“ aus säkularen Motiven heraus instrumentalisiert wird. Beide Varianten sind möglich und müssen deshalb auch theoretisch und methodologisch be-rücksichtigt werden.

Darüber hinaus kann sich die Motivlage im Rahmen einer Auseinandersetzung auch durchaus verändern und ursprüngliche Prioritäten durch neue ersetzt werden. Außer-dem muss berücksichtigt werden, dass nicht bei allen an einem Konflikt beteiligten Ak-teuren die gleichen Motive zugrunde liegen. Die einen handeln aus religiösen Motiven, die anderen aus ökonomischen und eine dritte Gruppe aus wieder anderen Gründen. Es muss also die Pluralität der Motivlagen zwischen den Streitparteien, aber auch in-nerhalb der beteiligten Streitparteien berücksichtigt werden. Wie sich diese Ursachen- und Motivlagen im Einzelnen zusammensetzen, kann letztendlich nur durch eine detail-lierte empirische Analyse jedes Einzelfalles geklärt werden, um damit die verschiede-nen Konfliktdimensionen differenziert erfassen zu können.

Wie notwendig es ist, eine differenzierte Bestandsaufnahme der verschiedenen Motive, Diskursstrategien und Politiken vorzunehmen, zeigt die Analyse des islamischen Dis-kurses in Malaysia, wo sowohl konservativ bis fundamentalistische Gruppierungen, als auch progressive muslimische Stimmen neben einem rein instrumentellen Rekurs auf islamische Politische Theologien vernommen werden können, mit denen jeweils unter-schiedliche politische, soziale und ökonomische Interessen formuliert werden. Wäh-rend die malaysische Debatte um einen islamischen Staat bisher nur zu einer teilwei-sen rhetorischen Radikalisierung politisch-theologischer Positionen geführt hat (vgl. Derichs 2005), hat sich in Indonesien mit der Erschöpfung der nationalen und überkon-fessionellen Zivilreligion der Pancasila der islamische Diskurs nicht nur rhetorisch radi-kalisiert, sondern ist durch die Terroranschläge von Bali auch eskaliert. Aber auch in Indonesien zeigt sich, dass zwischen radikalen und gemäßigten muslimischen Kräften unterschieden werden muss, von denen die radikalen Santri-Muslime die Santrifizie-rung Indonesiens anstreben, während die gemäßigten Kräfte die Parlamentarisierung des Islams betreiben (vgl. Arenhövel 2005). Aber selbst innerhalb des radikal islami-schen oder islamistischen Lagers, das die Errichtung eines Gottesstaates anstrebt, muss noch weiter differenziert werden zwischen solchen Kräften, die einen legalen Weg gehen wollen und solchen Kräften, die entschlossen sind, den Gottesstaat auf re-volutionärem Weg herbei zu bomben, wie die Analyse des Gefahren- und Konfliktpo-tenzials des Islamismus in Deutschland verdeutlicht. In diesem Fall stellen politische, soziale, ökonomische und kulturell-religiöse Deprivations- und Marginalisierungserfah-rungen einen günstigen Nährboden für die Radikalisierung zur Verfügung (vgl. Pfahl-

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Traughbers 2005).

Was die Veränderung von Motivlagen über die Dauer eines langjährigen Konfliktes an-belangt, so ist z. B. der israelisch-palästinensische Konflikt außerordentlich instruktiv. Dieser war ursprünglich kaum ein religiöser Konflikt, wenn man einmal von den religiö-sen Konnotationen des so genannten säkularen Zionismus absieht, sondern ein politi-scher Konflikt zweier Ethnien um Macht und Herrschaft und soziale und ökonomische Chancen und Ressourcen. Dieser Konflikt steigerte sich aber mit der Zeit auch in einen religiösen Konflikt, insoweit fundamentalistische Gruppierungen auf beiden Seiten an Bedeutung gewannen, die die Auseinandersetzung in religiösen Termini deuten, so dass dieser Konflikt zumindest was die radikal-religiösen Akteure anbelangt, mittlerwei-le als ethno-religiöser zu bezeichnen ist (vgl. Hubel 2005).

Im Falle des indisch-pakistanischen Kaschmirkonfliktes müssen z. B. die innen- und außenpolitischen Dimensionen des Konfliktes differenziert werden. Während die au-ßenpolitische Dimension von offizieller Seite kaum religiöse Dimensionen aufweist, sondern hier territoriale Machtansprüche im Vordergrund stehen, werden zum einen durch die teilweise Entstaatlichung, Privatisierung und Transnationalisierung des Kon-fliktes durch islamische Guerillakämpfer und zum anderen durch den innenpolitischen Bedeutungsanstieg des Hindunationalismus in Indien und des Islamismus in Pakistan verstärkt religiöse Komponenten in den Konflikt hineingetragen (vgl. Wagner 2005).

Aufgrund dieser vielfältigen Motivlagen ist es deshalb im Allgemeinen angemessener, nicht pauschal von Religionskonflikten oder Religionskriegen, sondern von politisch-religiösen Konflikten zu sprechen. Je stärker allerdings die religiöse Komponente des Konfliktes entwickelt ist, desto verbitterter und kompromissloser wird der Konflikt aus-getragen. Obwohl die Religionen in diesen Fällen nicht als konfliktursächlich zu be-zeichnen sind, so wirken sie aber dennoch einerseits konfliktstrukturierend, insoweit sie die Konfliktlinien der Konfliktparteien festlegen und konfliktverschärfend, insoweit sie den Konflikt radikalisieren und damit vertiefen.

Die Brisanz der Vermischung von „religiösen“ und „weltlichen“ Motiven und die Schwie-rigkeiten, diese zu unterscheiden bzw. zu trennen, zeigen sich am Deutlichsten an den ethno-religiösen Konflikten im Nahen Osten, Nordirland, dem ehemaligen Jugoslawien, Sri Lanka und vielen afrikanischen Bürgerkriegen. In diesen Fällen handelt es sich um gewaltsam ausgetragene Konflikte konkurrierender sozio-politischer Identitäten um po-litische Hegemonie bzw. Autonomie und damit um politische Loyalitäten, soziale Chan-cen und ökonomische Ressourcen. Auf der einen Seite spielen bei diesen Konflikten die religiösen Differenzen im Sinne theologischer Differenzen bestenfalls eine unterge-ordnete und marginale Rolle. Aus dieser Perspektive betrachtet, kann man in diesen Fällen keinesfalls von Religionskonflikten sprechen. Auf der anderen Seite spielen die Religionen aber für die Konstituierung der sozialen bzw. ethnischen Identitäten nicht nur eine herausragende, sondern die entscheidende Rolle. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass im Falle Nordirlands und des ehemaligen Jugoslawiens (insbe-sondere in Bosnien-Herzegowina) andere Unterscheidungskriterien, wie z. B. die Spra-che, nicht zur Verfügung stehen oder nur schwach ausgeprägt sind. Im Falle Sri Lan-kas und vieler afrikanischer Konflikte spielen z. B. sprachliche Differenzen durchaus auch eine Rolle, sind aber in eine religiös konstituierte ethnische Identität eingebunden, die die sprachliche Differenz in ihrem Stellenwert gegenüber dieser religiösen Konstitu-ierung relativieren. In diesen Fällen kommt der Religion eine bedeutende Rolle bei der

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Unfriedliche Religionen

Konstituierung sozialer Identitäten und damit politisch relevanter Gruppen zu (vgl. Moltmann 2005; van de Loo 2005; Rösel 2005; Haynes 2005).

Die Gefahr des Ausbruchs ethno-religiöser Konflikte ist besonders hoch, wenn eine ethnisch-religiöse Minderheit majorisiert und damit in politischer, sozialer, ökonomi-scher und kultureller Hinsicht marginalisiert wird, weil die staatlichen Eliten entweder nicht die Fähigkeit oder nicht den Willen haben, eine gerechte Güter- und Chancenver-teilung zwischen den verschiedenen Ethnien herzustellen. Entscheidend dabei ist we-niger die objektive Lage der beteiligten Mehrheits- oder Minderheitsethnien, sondern die subjektive Wahrnehmung ihrer Position in der Gesellschaft, die durchaus von den so genannten objektiven Rahmenbedingungen abweichen kann. So betrachten sich beispielsweise in Nordirland sowohl Katholiken als auch Protestanten als von der je-weils anderen Seite bedrohte Minderheiten, obwohl die demographische, soziale und ökonomische Entwicklung der beiden ethnischen Gruppen diese Wahrnehmung schon lange nicht mehr zu stützen vermag (vgl. Moltmann 2005). Noch deutlicher wird das Gewicht der subjektiven Wahrnehmung im Falle der Singhalesen auf Sri Lanka, die eindeutig die überwältigende Mehrheit der Inselbewohner stellen, sich aber dennoch als eine von hinduistischen, muslimischen und christlichen Feinden umzingelte Min-derheit wahrnehmen (vgl. Rösel 2005). Damit soll nicht behauptet werden, dass diesen Bedrohungswahrnehmungen keine realen Erfahrungen zugrunde liegen, aber oftmals geht die Verhältnismäßigkeit von Erfahrung und symbolischer Deutung verloren mit der Konsequenz, dass insbesondere von interessierten politischen und/oder anderen Eli-ten, exklusive ethnische Identitäten formuliert und propagiert werden, mit deren Hilfe die Loyalität der Massen gewonnen werden. Diese exklusiven ethnischen Identitäten bauen einerseits eine defensive, sektiererische Verteidigungshaltung auf, aus der her-aus andererseits aggressiv nach außen gegenüber dem vermeintlichen und/oder rea-len Gegner agiert wird.

Die Herausbildung einer exklusiven ethnischen Identität wird durch die Instrumentali-sierung ihrer religiösen Aspekte unterstützt, indem eine Sakralisierung der eigenen Ethnie betrieben wird. Das Resultat dieses Sakralisierungsprozesse sind Politische Theologien, die in unterschiedlichem Grade die oben genannten „fundamentalisti-schen“ Elemente aufweisen. Diese Politischen Theologien können – soweit sie neben ihrem Bezug auf einen transzendenten Seinsgrund (Gott etc.) „das Göttliche in Teilin-halten der Welt finden“ (der eigenen Ethnie) – mit Voegelin als „innerweltliche Religio-nen“ (Voegelin 1939: 18) bezeichnet werden.

Diesen innerweltlichen ethnischen Religionen kommt damit eine Doppelfunktion zu. Sie verfolgen auf der einen Seite als Politische Theologien das politisch-religiöse Interesse am Heil des Menschen, das in einer ethnisch-religiös homogenen, selbstbestimmten politischen Gemeinschaft gesucht wird. Auf der anderen Seite stützen diese Politischen Theologien aber auch eine Theologische Politik, indem diese aus dem politisch moti-vierten Interesse an der Stabilisierung von Ordnung und Herrschaft einen instrumentel-len Rückgriff auf den Korpus der Politischen Theologie zulassen (vgl. Walther 2005).

Diese Dialektik zwischen Politischer Theologie und Theologischer Politik findet entwe-der im Wechselspiel zwischen der religiösen und politischen Elite statt, wie z. B. im nordirischen und jugoslawischen Bürgerkrieg (vgl. Moltmann 2005; van de Loo 2005) oder kann durch die Appropriierung der von Theologen formulierten Politischen Theo-logie durch politische Führer erfolgen, wie z. B. auf Sri Lanka (vgl. Rösel 2005) oder

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Unfriedliche Religionen

durch religiöse Führer, die wie Ian Paisley in Nordirland (vgl. Moltmann 2005) und Alice Lakwena und Joseph Kony in Uganda, auch die Funktion eines politischen Führers wahrnehmen (vgl. Haynes 2005). In diesem Sinne kann man mit Bielefeldt und Heit-meyer (1998) von einer Politisierten Religion sprechen, ohne aber den vorgängigen po-litischen Charakter der Theologie zu vernachlässigen.

Die politischen Folgen dieses instrumentellen Rückgriffs einer Theologischen Politik auf die Politische Theologie sind bekannt. Der Radikalisierung und Fanatisierung der zunächst auf kleinere Kulturmilieus beschränkten ethno-religiösen Krieger (Riesebrodt 2000: 78) kann, wenn diese Positionen sozial und politisch dominant werden und zu-nehmend die offizielle Politik des Landes bestimmen, zu ethnischen Säuberungen füh-ren, deren wichtigstes Ziel neben der Herstellung einer homogenen ethnischen Bevöl-kerung auch die Rückeroberung der eigenen terra sancta ist, wie z. B. in Jugoslawien, auf Sri Lanka, im israelisch-palästinensischen und im pakistanisch-indischen Konflikt, die mit entsprechender Kompromisslosigkeit und Gewaltbereitschaft bzw. Gewaltorgien einhergehen (vgl. van der Loo 2005; Rösel 2005; Hubel 2005; Wagner 2005), die zu stoppen und zu überwinden die große Herausforderung religiös-politischer Konflikte darstellen.

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