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Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. 0phthal. 168, 175--184 (1965) Aus der II. Augenklinik (Vorstand: Prof. Dr. J. B6OK) der Universit~it Wien UngewShnliehes Verhalten des Blutdruckes der Arteria ophthalmiea beim Verschlul] des tIalsteiles der Arteria carotis interna Von H. BETTELHEIM Mit 7 Text~bbildungen Das fiihrende Symptom des tiefsitzenden Carotisverschlusses ist die Erniedrigung des homolateralen 0phthalmicablutdruekes. Darauf haben INIILLETTI, WEIGELIN, LOBSTEIN, HAGER, HOLLENtIORST, TtIO~AS nnd P~ROH~LOS sowie SPALT~R u.a. hingewiesen. Allerdings kann die Seitendifferenz der ~Verte des Ophthalmicab]utdruekes ausgeglichen werden, wenn ein funktionstfiehtiger Kollateralkreislauf besteht. HAGEa hat gezeigt, dab manehe Fs bei denen die Dynamometrie wegen des Druekausgleiches versagt, nit Hilfe der Ophthalmodynamo- graphie zu diagnostizieren sind, Erfolgt ngm]ieh der Druekausgleich fiber den Cireulus arteriosus cerebri (Willisi), so finder man bei seitem gleichen Druekwerten meist eine deutliehe Differenz der Pulsations~ volumina der Arteriae ophthalmieae. Die Volumensehwankungen der gesunden Carotis pflanzen sieh fiber die engen Kollateralen des Circulus arteriosus eerebri nur langsam, unvollkommen und verzSgert fort. Ein /ihn]iches Bild bietet das Bulbus-Orbita-Oseillogramm bei Stenosen des unteren Carotisabsehnittes. Dabei wird die Pulswelle ebenfa]ls ged/~mpft, sie trifft sp/~ter ein, der Gipfel der Kurve wird runder, eine eventuell vorhandene Dikrotie versehwindet, die Amplitude der Pulsation nimmt ab. Es gelten die yon der Oscillographic der Extremitgten her bekannten Ph~nomene selbstverst/~ndlieh aueh ffir das Bulbus-Orbita-Oscillogramm. Eine diskordante einseitige Erhfhung des Ophthalmicablutdrnckes wird als wiehtiges Symptom des hochsitzenden Carotisversehlusses ange- sehen, der distal veto Abgang der Arteria ophthalmiea veto Carotis- siphon lokalisiert ist. HAG~R fand bei solehen F/tllen das Pulsations- volumen der homolateralen Arteria ophthalmiea deutlich vermehrt. Da das hochsitzende Strfmungshindernis den peripheren Gefggwider- stand erhSht, zeigt das unterha]b der Stenose oder der Thrombose be- findliehe Manometer (Auge oder 0rbitalinhalt) einen erhShten Druck an. Die Amplitude der yon dem peripheren Hindernis zurfickgeworfenen Pulswelle wird vergrffiert. In der Regel haben die oben erwghnten Befnnde (also homolaterale Verminderung des Ophthalmieablutdruekes beim ~iefsitzenden, homo-

Ungewöhnliches Verhalten des Blutdruckes der Arteria ophthalmica beim Verschluß des Halsteiles der Arteria carotis interna

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Page 1: Ungewöhnliches Verhalten des Blutdruckes der Arteria ophthalmica beim Verschluß des Halsteiles der Arteria carotis interna

Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. 0phthal. 168, 175--184 (1965)

Aus der II. Augenklinik (Vorstand: Prof. Dr. J. B6OK) der Universit~it Wien

UngewShnliehes Verhalten des Blutdruckes der Arteria ophthalmiea beim Verschlul] des tIalsteiles

der Arteria carotis interna Von

H. BETTELHEIM

Mit 7 Text~bbildungen

Das fiihrende Symptom des tiefsitzenden Carotisverschlusses ist die Erniedrigung des homolateralen 0phthalmicablutdruekes. Darauf haben INIILLETTI, WEIGELIN, LOBSTEIN, HAGER, HOLLENtIORST, TtIO~AS nnd P~ROH~LOS sowie SPALT~R u.a. hingewiesen. Allerdings kann die Seitendifferenz der ~Verte des Ophthalmicab]utdruekes ausgeglichen werden, wenn ein funktionstfiehtiger Kollateralkreislauf besteht. HAGEa hat gezeigt, dab manehe Fs bei denen die Dynamometrie wegen des Druekausgleiches versagt, n i t Hilfe der Ophthalmodynamo- graphie zu diagnostizieren sind, Erfolgt ngm]ieh der Druekausgleich fiber den Cireulus arteriosus cerebri (Willisi), so finder man bei seitem gleichen Druekwerten meist eine deutliehe Differenz der Pulsations~ volumina der Arteriae ophthalmieae. Die Volumensehwankungen der gesunden Carotis pflanzen sieh fiber die engen Kollateralen des Circulus arteriosus eerebri nur langsam, unvollkommen und verzSgert fort. Ein /ihn]iches Bild bietet das Bulbus-Orbita-Oseillogramm bei Stenosen des unteren Carotisabsehnittes. Dabei wird die Pulswelle ebenfa]ls ged/~mpft, sie trifft sp/~ter ein, der Gipfel der Kurve wird runder, eine eventuell vorhandene Dikrotie versehwindet, die Amplitude der Pulsation nimmt ab. Es gelten die yon der Oscillographic der Extremitgten her bekannten Ph~nomene selbstverst/~ndlieh aueh ffir das Bulbus-Orbita-Oscillogramm.

Eine diskordante einseitige Erhfhung des Ophthalmicablutdrnckes wird als wiehtiges Symptom des hochsitzenden Carotisversehlusses ange- sehen, der distal veto Abgang der Arteria ophthalmiea veto Carotis- siphon lokalisiert ist. HAG~R fand bei solehen F/tllen das Pulsations- volumen der homolateralen Arteria ophthalmiea deutlich vermehrt. Da das hochsitzende Strfmungshindernis den peripheren Gefggwider- stand erhSht, zeigt das unterha]b der Stenose oder der Thrombose be- findliehe Manometer (Auge oder 0rbitalinhalt) einen erhShten Druck an. Die Amplitude der yon dem peripheren Hindernis zurfickgeworfenen Pulswelle wird vergrffiert.

In der Regel haben die oben erwghnten Befnnde (also homolaterale Verminderung des Ophthalmieablutdruekes beim ~iefsitzenden, homo-

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176 H. BETTELttEIM :

l a t e ra le r Ans t ieg des Oph tha lmicab lu td ruckes be im hochs i tzenden Carotisverschlul~) volle Gti l t igkeit . W i r fanden sie be im eigenen, ins- ge samt 50 P a t i e n t e n mi t Caro t i s th rombosen umfassenden K r a n k e n g u t fas t immer bes ts E in ki irzl ich dynamomet r i s ch und dynamogra - phisch un te r such te r K r a n k e r mi t einer Thrombose des Hals te i les der Ar te r i a carotis in t e rna s inis t ra wies hingegen ein yon der N o r m vSllig abweichendes Verha l t en der MeBwerte auf. Es zeigte sich n/~mlich, dab un te r besonderen Kre i s laufbed ingungen ein t ie fs i tzender CarotisverschluB auch mi t einer dis- k o r d a n t e n ErhShung des homola te ra ]en Oph tha lmicab lu td ruckes ein- hergehen kann.

Pat. Ch. F., 58 Jahre alt, Pensionist. Protokoll-Nr. 7979/64 der II . Augen- klinik, vonde r Universitgts-lkTervenMinik 1 zugewiesen (Journal-Nr. 30753, Sta- tion B 18).

Anamnese. Wegen Aphasie seh~vierig. Nach Angaben der Gattin des Pat. unauff~llige Vorgesehichte.

Jetzige Erkrankung: Im Juli 1961 erlitt der Pat. einen Verkehrsunfall. Es kam zu einer ]inksfrontalen Schgdelffaktur mit ]gnger dauernder Bewul?tlosigkeit. Drei Monate nach dem Unfall war der Patient zungchst wieder vSllig beschwerde- frei. Im Juli 1963 traten SpraehstSrungen auf, einige Zeit spiiter eine Vermin- derung des Visus des linken Auges. Nach mehreren Schwankungen im Befinden blieb die Sprachst6rung bestehen, es entwickelte sieh eine fast komplette motorische Aphasie. Im I-Ierst 1963 bildete sich eine spastische rechtsseitige Hemiparese aus. Der Visus des ]i~ken Auges war angeblich hoehgradig vermindert. Im Februar 1964 wurde der Kranke in die ehirurgische Abteilung eines st~dtischen Krankenhauses in Wien aufgenommen. Eine ]inksseitige Carotisangiographie ergab hochgradige Einengungen des GefglBes in seinem intra- und extrakraniellen Verlauf. In der HShe des Processus elinoideus anterior bestand ein Ffillungsdefekt. Auf spgteren Aufnahmen fNlten sieh die Externagef~13e. Die Durchuntersuchung des Pat. muBte ]edoch bald abgebroehen werden, da er einen Herzinfarkt erlitt. Er wurde hierauf in eine medizinische Abteilung transferiert und schliel~lich in hgus]iche Pflege entlassen. Da sich die Aphasie und die rechtsseitige Hemiparese nieht wesentlieh besserten, sehiekte ein Nervenarzt den Patienten in die Universit~ts-Nervenklinik. Aufnahme am 14. 9. 64.

Status neurologicus. Optokinetiseher Nystagmus nach reehts herabgesetzt, die linke Pupille triiger und unausgiebig auf Licht reagierend. I-Iemihypaesthesie reehts, Cornealreflex rechts herabgesetzt. Zentrale Facialisparese rechts, Zungen-, Gaumen- und Seh]undmuskulatur normal innerviert.

Komplette spastische Parese der oberen Extremitgt (Beugekontraktur). Fast komplette spastische Parese der unteren Extremits mit subldonisehem ASR, PSR. Babinski 4 - Komplette motorische Aphasie mit leichter sensorischer Xom- ponente. Keine sieheren parietalen Zeiehen.

Sch~idel-R6ntgen. o.B. - - Senkung 20/38 mm. Wa.R. negativ. Ge]~ifibe/und. Fortgesehrittene allgemeine degenerative DurchblutungsstSrung

mit Obliteration im Bereich beider Oberschenkel. EEG. Abnorm. Niedere Theta-Delta-Tgtigkeit fiber der gesamten linken Hemi-

sphgre.

1 Die Krankengesehichte verdanken wir Herrn Doz. Dr. H. TSCtIABITSCttER yon der Universit~ts-Nervenklinik in Wien (Vorstand: Prof. Dr. H. Hoss).

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Verhalten des Blutdruckes der Arteria ophthMmica L77

RV.E.

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G8311/2~H~) Links

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P. V. ZZz~ Ap=2Zrara =5o]~t Abb. 1. Dynamographiseher Befund bei Thrombose der Arteria earotis intenln sinistra in der H6he des zweiten I-Ialswirbels. Der ilJsilaterale O1)htha]mieablutdruek ist diskordant erh6ht, das Pul- sationsvolumen tier Arteria ophthMmica sinistra normM. Das Bulbus-Orbita-Oseillogramm tier reehten Seite zeigt abnorm niedrige AmpHtuden. Verdaeht auf Stenose tier Arteria earotis eommuais oder interna dextra, m m Hg augomatisehe Registderung des 3fanschetten- bzw. Pelottendruekes dutch Druekmarken. P V E Pulsations~-olumeneiehung. A/> Nit~telwert der seehs hSehsten supra-

diastolisehen PuIsamplituden. A e Eiehpulsamplitude mit Nieh,zolumen vor~ 50 ~I. P V Pulsationsvo!umen

Ophthalmologischer Be/und. Fundus reehts: Papille seharf begrenzt, gut ge- fgrbt, physiologisch exkaviert. Deutliehe Sklerose der Netzhautgefgge. Fundus links: Papille nasa] unscharf begrenzt, Arterien auffallend eng. Visus: bds. mit -F 0,75 s 6/6, Nahvisus wegen Aphasie nieht zu priifen. Konfrontationsperimetrie: reehtsseitige Hemianopsie.

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178 H. BETTELIt:EIM :

Ophthalmodynamometrie. Brschial isblutdruek r e e h t s = l i n k s 175/100 mm Hg, Mitteldruck 132 mm Hg. Ophthslmicsblutdruck rechts 154/64 mm t tg ; Mittel- druck 102 mm Hg. 0ph ths lmicsb lu td ruek links 172/80 mm Hg; Mitteldruck 119 mm Hg. Tension bds. 14 mm Hg. Abweichung vorn Normwert : reehts ~-2; links -c 19. (Formel 2 nseh WEIGELIN, Eichkurve naeh BEDaVA~IJA.)

Ophthalmodynamographie (Abb. 1): Brschial isblutdruck reehts 180/116 mm t Ig ; Mitteldruck 142 mm Hg. Brschial isblutdruck links 183/112 mm Hg; Mitteldruck

Abb. 2 Abb. 3

Abb. 2. Arteriogrephie bei linksseitigem Carotisverschlug (A:P-Aufnahme). X Zipfelige Fiillungsuaterbrechung

Abb. 3. Arteriographie bei linksseitigem Carotisverschlul3 (seitliche Aufnahme). x Zipfe]ige :Fiillungsunt erbr e chung

142 mm Hg. 0phtha lmicablu tdruek rechts 162/108 mm Hg; Mitteldruek 131 mmI-Ig. Ophthalmieablutdruek links 183/118 mm Hg; Mitteldruck 145 mm tIg. - - Pulsa- t ionsvolumen reehts 65, links 122 mm 8.

Carotisangiographie links (Abb. 2, 3): Arter is earotis eommunis und externs gut gefiillt, unaulfiillig. Arteria esrotis in te rns yon der t l i furkat ion aus nu t bis in die t t6he des Epistropheus zu verfolgen, hier zipfelige Unterbreehung.

Carotisangiographie rechts (Abb. 4): Carotis externa gut gefiillt und bis auf starke Sehl~ngelung nnsuffg]lig. Carotis in terns gut gefiillt, im oberen I-Ialsteil aufterordentlich weite und starke Sehlingenbildung. Carotissiphon yon weehseln- dem I(aliber. Arteria eerebri anterior et media: ebenfalls h6hergradige Sehl~n- gelung, Kaliberunregelmiigigkeiten, Arter is eerebri media sehr diinn, Ftillung s tark verz6gert. Beurteilung: h6hergradige Gef/il3sklerose des Halsteils der Arteria earotis in te rns und der intrakraniellen Gefgl]e.

Page 5: Ungewöhnliches Verhalten des Blutdruckes der Arteria ophthalmica beim Verschluß des Halsteiles der Arteria carotis interna

VerhMten des Blutdruekes der Arteria ophthalmica 179

Vertebralisangiogrc~phie recht6. Verdaeht auf Verschlul] der reehten Arteria vertebra lisL

Die H s dieses e igena~igen, bisher noeh n ieh t beobaehte- t en VerhMtens des 0ph thahn ieab lu td ruekes bei t iefsitzender C~rotis- thrombose ist n ieht leicht zu erklaren. Eiue diskordante Erhbhung des

Abb. 4, Arteriographie der Arteria caro~is dextra bei demselben Kranken. Der linke Carotissiphou wird nichf~ retrogr~d geffil]~

Ophthalmieablutdruekes wird haupts/~ehlieh dureh einen Anstieg des peripheren, d.h. des in t rakranie l len Gef/il~widerstandes hervorgerufen. Das gilt, wie bereits oben erw/ihnt, in der Regel ffir die sog. hoehsitzen- den, distal yore Abgang der Arter ia ophthMmiea vom Carotissiphon lokMisierten Thrombosen. W e n n nun , wie in unserem Falle, Blur aus der Arteria earotis externa fiber prs Anas tomosen in die orbitMen

1 Herr Oberarzt Dr. E. KLAUSB~R~EI~ yon der Neuroradiologischen Abteilung der Universitgts-Nervenklinik in Wien (Vorstand Prof. Dr. H. HOSF) ste]lte die Angiogramme freundlicherweise zur Verfiigung.

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] 80 H. ]~ETTELIIEIM :

~ste der Arteria ophthalmica gelangt, jedoch nicht in den Carotis- siphon weiterflieSen kann, da dieser im Bereich des Ursprungs der Arteria ophthalmiea verlegt ist, muB das unterhalb des Versehlusses befindliehe Manometer ebenfalls, wie beim hochsitzenden Carotisver- schluB, erhShte Druckwerte anzeigen. Es besteht aber ein grundlegender Untersehied zwischen den beiden Gef/i$l~sionen: in unserem Fall messen wir wahrscheinlich den gesteigerten Druek in der Arteria carotis externa (jedenfalls aber in ihrem orbitalen Versorgungsgebiet), w/~hrend beim hoehsitzenden CarotisversehluB der erhShte Gef/~l~widerstand in der Arteria carotis interna registriert wird. Andererseits sind die in beiden F/~llen erhobenen dynamometrischen und dynamographischen Befunde, wie bereits angedeutet, nahezu identiseh. Sie beruhen ns insofern auf sehr ~hnlichen h/~modynamischen Bedingungen, als sich das StrS- mungshindernis oberhalb des Manometers befindet. Bei unserem Fall ist der obliterierende Proze$ nur sozusagen um eine Etage tiefer lokali- siert (Abb. 5, 6, 7).

Da$ die Arteria ophthalmiea sinistra und ihre Anastomosen mit der ipsilateralen Arteria earotis externa angiographisch nicht dargestellt werden konnten, widerlegt die bisherigen Ausfiihrungen nieht. Mit der Ophthalmodynamographie kann man, wie wir in einer friiheren Arbeit angedeutet haben, das Vorhandensein yon orbitalen Kollateralkreis- 1/~ufen beweisen, die zun/~chst angiographisch nicht fal~bar sind. Dies grit vor allem f fir die Anastomosen beim isolierten Versehlu$ der Arteria ophthalmica. W/~hrend die Angiographie nur den 0phthalmieaverschlu$, nieht abet die Verbindungen der orbitalen Ver- zweigungen der Arteria ophthalmica mit ~sten der Arteria carotis externa zeigte, sprach das dynamographische Resultat eindeutig fiir die Existenz yon derartigen Anastomosen. Das Pulsationsvolumen der betroffenen Arteria ophthalmiea war n/~mlich fast ebenso gro$ wie das des gesunden Gef/~$es der Gegenseite. Der weitere klinische Verlauf bei dem erw~hnten Fall best/s das dynamographisehe Ergebnis.

Aus den Angiogrammen unseres oben beschriebenen Falles kann man mit Sieherheit die Lage des Carotisverschlusses angeben. Er ist im ttals- teil der linken Arteria earotis interna in der H6he des zweiten Hals- wirbels gelegen.

Ffir die Obliteration des linken Carotissiphons spreehen folgende Befunde :

1. Die arteriographischen Resultate: weder yon tier homolateralen Arteria carotis externa her (via Arteria ophthahnica) noeh fiber die kontralaterale Arteria earotis interna beziehungsweise die kontralaterale Arteria vertebralis (via Circulus arteriosus eerebri) wh'd der iinke Carotissiphon retrograd geffillt.

2. Die Ergebnisse der Ophthalmodynamometrie und -graphie: die diskordante ErhShung des Blutdruckes in der Arteria ophthalmiea

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182 H. BETTELt-IEIM :

sinistra kann nur dann entstehen, wenn das aus der Arteria earotis externa in deren orbitale Anastomosen mit den Ophthalmieaasten str6mende Blut auf ein Itindernis an der AbfluBstelle in den Carotis- siphon trifft.

Das ungew6hnliehe Verhalten yon Blutdruek nnd Pulsationsvolumen der Arteria ophthalmiea sinistra unseres Fatles kann nieht mit der Wirk- samkeit yon Anastomosen im g a h m e n des Cireulus arteriosus eerebri via Arteria ver tebra l i s - -Ar ter ia eommnnieans posterior erklart werden. Selbst wenn auf diesem Umgehungswege ein Druekausgleieh m6glieh ware, mfiBte namlieh das Pulsationsvolumen aus den yon HAo~I~ dar- gelegten Grfinden deutlieh vermindert sein.

Wit fanden, wie aus der Krankengesehiehte ersiehtlieh ist, sowohl den Ophthalmieablutdruek als aueh das Pulsationsvolumen der er- krankten Seite deutlieh h6her als jene der gesunden. Naeh ttAOE~ kann der Ophthalmieablutdruek bei einer tiefsitzenden Thrombose der Arteria earotis interna dutch Kollateralkreistaufe Ms znr Norm ausgegliehen werden. Aueh WmGELIN vertr i t t diese Ansieht. Das Pulsationsvolumen der ipsilateralen Arteria ophthalmiea jedoeh wird naeh HAGE~ aueh dutch ausreiehende Kollateralkreislaufe kanm die normale Gr6ge er- reiehen. In unserem Fall nun ist der Ophthalmieablutch'uek h6her als entspreehend dem Braehialisblutdruek der erkrankten Seite zu erwarten ware, das Pulsationsvolumen hat das normale Ausmag erreieht. Der Umstand, dal3 sowohl der dynamographiseh ermittelte Ophthalmiea- blutdruek als vor allem aueh das Pulsationsvolumen der Arteria ophthal- mica der Gegenseite etwas vermindert sind, beruht auf h6hergradigen sklerotisehen Veranderungen des IIalsteiles der reehten Arteria earotis interna, deren Lumen stellenweise eingeengt ist.

Somit k6nnen die Steigerung des Blutdruekes und die Zunahme des Pulsationsvolumens der linken Arteria ophthalmiea nut dutch ein Fort- sehreiten des obliterierenden Carotisprozesses bis in den Siphon bewirkt werden. Der periphere GefaBwiderstand ist dadnreh betraehtlieh erh6ht. Deshalb migt man mit dem unterhalb des Versehlusses befindliehen Manometer einen erhShten Druek. Ferner mug die Pulswelle des yon der Arteria earotis extern~ her retrograd in die OrbitMgefaBe einstr6- menden Blutes an dem Hindernis im ]~ereieh des Carotissiphons anprallen und zurfiekgeworfen werden. Daher sind die Amplituden des linken Bulbus-Orbita-Oseillogrammes betraehtlieh h6her als es naeh der Lage des Versehlusses zu erwarten ware. Die obige Erklarung kann jedoeh nur dann zutreffen, wenn das Fortsehreiten der Thrombose im Carotis- siphon einen langere Zeit hindureh bestehenden Kollateralkreislauf via Arteria earotis ex te rna - -Ar te r i a ophthalmiea sinistra unwirksam maeht, d.h. mit anderen Worten, wenn die Arteria ophthalmiea ihre zeitweilig innegehabte Rolle als Gehirngefag wieder eingeb/il3t hat.

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Verhalten des Blutch'uekes der Arteria ophthalmica 183

Aus dem bemerkenswerten Fall sind folgende Sehlfisse zu ziehen: 1. Das dynamometrisehe und dynamographisehe Resultat kann bei

Patienten mit tie~sitzenden Carotisversehlfissen betr/tehtlieh yon dem in der l%egel beobaehteten Verhalten abweiehen. Unter Umst/~nden ist also der Ophthalmieablutdruek nieht diskordant erniedrigt, wie das meist der Fall ist, sondern diskordant erhSht.

2. Soleh vermeintlieh falsehe, irreffihrende l%esultate ergeben sieh vermutlieh dann, wenn ein zuniiehst intakter Kollateralkreislauf via Arteria earotis ex te rna - -Ar te r i a ophthalmiea dureh das intrakranielle Fortsehreiten der Thrombose fiber den Abgang der Arteria ophthatmica vom Carotissiphon hinaus unwirksam wird.

Es kann dann das yon der Arteria earotis externa her in deren pri~- formierte Anastomosen mit den orbitalen ~xsten der Arteria ophthalmiea einstrSmende Blur nieht mehr zu seinem Bestimmungsort, n~mlieh der betroffenen Itemisph~tre, gelangen, sondern es wird vielmehr vor dem StrSmungshindernis gestaut. Wahrscheinlieh entspreehen die mitgeteilten Befunde nur einem passageren Stadium.

3. Wenngleieh der diagnostisehe Weft der Ophthalmodynamographie und Ophthalmodynamometrie dutch solehe Ausnahmsf~lle etwas ver- mindert zu sein seheint, gestatten beide Methoden wiehtige Sehlfisse auf die jeweilige h/~modynamisehe Situation. I m Verein mit der Carotis- angiographie k6nnen die Str6mungsverhgltnisse mit, einiger Sieherheit gekl/~rt werden. Aus den dynamographisehen bzw. -metrisehen Resul- ta ten ergeben sich Hhlweise auf die Existenz von Kollateralkreislgufen, die sieh zumindest zeitweilig der angiographisehen Darstellung entziehen.

Zusammenfassung

Ein Fall yon Thrombose des Halsteiles der Arteria carotis interna mit diskordanter ErhShung des homolatera]en Ophthalmicablutdruckes wird mitgeteilt. Die hi~modynamischen Ursachen des ungew6hnlichen Verhaltens yon Blutdruck und Pulsationsvolumen der Arteria ophthal- mica werden er6rtert.

Summary In a patient with thrombosis of the internal carotid artery at the neck blood

pressure in the homolateral ophthalmic artery was found to be significantly increased. The circulatory conditions causing such unusual findings are discussed.

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184 H. B]~TTELHEIIVI: Verh~Iten des Blutdruckes

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Dr. H. BETTELt[]~IM II. Universitgts-Augenklinik

Alserstr~Be 4, Wien IX/0sterreich