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Unsere Ozeane: Geplündert, verschmutzt und zerstört WWF-Bericht über die Bedrohung der Meere und Küsten

Unsere Ozeane: Geplündert, verschmutzt und zerstört · Das Ökosystem Meer leidet unter den vielfältigen Belastungen, das Arten-sterben ist erschreckend: • Bei 274 Arten beobachtete

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Page 1: Unsere Ozeane: Geplündert, verschmutzt und zerstört · Das Ökosystem Meer leidet unter den vielfältigen Belastungen, das Arten-sterben ist erschreckend: • Bei 274 Arten beobachtete

Unsere Ozeane: Geplündert,verschmutzt und zerstört

WWF-Bericht über die Bedrohungder Meere und Küsten

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EinleitungWelche Zukunft haben die Meere? 3

ÜberfischungLeere Ozeane bis 2050? 4

Zerstörerische FischereimethodenVerendet am Haken 6

Fischfarmen Zu Tode gemästet 8

KlimawandelErstes Opfer Korallenriffe 10

Verbauung der Küsten & TourismusBetonwüsten an der Wiege der Artenvielfalt 12

RohstoffabbauRücksichtsloser Goldrausch 14

Verschmutzung & LärmMüllhalde Ozean 16

SchifffahrtRiskante Dreckschleudern 18

Inhalt

Ölraffinerien und verrostete Schiffe vor der Küste Algeriens. © WWF-Canon / Michel Gunther

WWF Deutschland2

ImpressumHerausgeber: WWF Deutschland, Frankfurt am Main • Stand: Juni 2007Autor: Ralph Kampwirth (WWF) • Redaktion: Heike Mühldorfer (WWF)Gestaltung: Wolfram Egert, Reichenau© 2007 WWF DeutschlandJeder Nachdruck, auch auszugsweise, bedarf der Genehmigung des Herausgebers.Titelfotos: © WWF-Canon / Cat Holloway, Michel Gunther, Jürgen Freund,Domenique Halleux • Australian Fisheries Management Authority

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In den vergangenen Jahrzehnten wur-den zahlreiche nationale und interna-tionale Vereinbarungen getroffen, umMeere und Küsten vor der Zerstörungdurch menschliche Eingriffe zu schüt-zen. Und tatsächlich konnten Fort-schritte erzielt werden.

Um nur einige Beispiele zu nennen:Die kommerzielle Waljagd ist verbo-ten. Die Ölverschmutzungen gingenseit Mitte der 80er Jahre um 85 Pro-zent zurück. Die Verklappung giftigerChemikalien auf See ist nicht mehrerlaubt. Schutzgebiete tragen zur Ret-tung wertvoller Lebensräume wieKorallenriffen, Wattenmeer oder Bod-den und Kreideküste der deutschenOstsee sowie deren Artenvielfalt bei.Der Beifang von Albatrossen undMeeresschildkröten konnte in einigenFischereien drastisch reduziert werden.

Die Erfolge im Meeresschutz dürfennicht darüber hinwegtäuschen,dass die Bedrohung der Ozeaneunvermindert anhält – und in vielenBereichen sogar zunimmt.

Erst seit wenigen Jahren ist dieMenschheit dabei, mit der Ausbeutungder Tiefsee ein neues Kapitel derNaturzerstörung aufzuschlagen.

Die Folgen des Klimawandels werdenvermutlich immens sein. Der stei-gende Meeresspiegel gefährdet weiteKüstenregionen. Die Erwärmung desMeereswassers verändert ganzeÖkosysteme und zerstört tropischeKorallenriffe.

Die Bevölkerungsdichte an den Küs-ten nimmt rapide zu – sie wird 2025gegenüber dem Niveau von 1990 um50 Prozent ansteigen. Damit wächstder Druck auf wertvolle Ökosysteme.Der Tourismus, der sich zu großenTeilen an den Küsten abspielt, ist diegrößte Wachstumsbranche.

Die Fischerei ist ein Kollaps-Pro-gramm mit ungewissem Ausgang. 77Prozent der weltweiten Fischbestände

sind bis an ihre Grenzen befischt oderüberfischt. Etwa 86 Millionen TonnenWildfisch holt eine entfesselte Fisch-industrie Jahr für Jahr aus den Ozea-nen. Bis 2050 droht der Zusammen-bruch der kommerziellen Fischerei.

Angesichts versiegender Rohstoff-quellen an Land nimmt der Druck zurAusbeutung maritimer Ressourcen wieÖl, Gas oder neuerdings Mangan zu.

Mit dem globalen Warenaustauschwächst die Schifffahrt rapide – 90Prozent des weltweiten Außenhandelswerden über den Seeweg abgewickelt.

Das Ökosystem Meer leidet unter denvielfältigen Belastungen, das Arten-sterben ist erschreckend:• Bei 274 Arten beobachtete der WWF

zwischen 1970 und heute einenBestandsrückgang um 25 Prozent.

• 90 Prozent der Bestände aller gro-ßen Fische wie Tunfisch, Marlin,Schwertfisch, Hai, Kabeljau oderHeilbutt sind bereits verschwunden.

• Alle Meeresschildkröten-Arten, dieseit Jahrmillionen die Erde bevöl-kern, sind vom Aussterben bedroht.

• Binnen zehn Jahren wurden fast dieHälfte aller südamerikanischen undein Viertel der asiatischen Mangro-venwälder zerstört.

• Bis zu 50 Prozent der erst in denletzten Jahrzehnten entdecktenKaltwasserkorallen im Nordost-atlantik sind bereits durch dieGrundschleppnetzfischerei zerstört.

• Seegraswiesen vor den Küsten sindinnerhalb von zehn Jahren um einSiebtel geschrumpft.

Der vorliegende Bericht liefert anhandeiniger Schlaglichter einen Überblicküber zentrale Bedrohungen der Meereund Küsten.

Niemand weiß, wie viel Zeit dieMenschheit noch hat, um umzu-steuern und die Ozeane zu retten.Sicher ist nur, dass wir keine Zeitzu verschenken haben.

Das WWF-Rettungsprogramm

Der WWF engagiert sich für einweltweites Netzwerk aus Meeres-schutzgebieten, um dasÜberleben der wichtigsten Öko-systeme und Arten dauerhaft zusichern. Bislang stehen erst etwa0,6 Prozent der Weltmeere unterSchutz – das ist zu wenig.Auf 40 Prozent der Hochsee-gebiete sollten Öl- und Gasför-derung sowie Fischerei untersagtwerden. 80 Prozent aller Korallenriffe,Mangroven- und Küstenfeucht-wälder, Flussmündungen,Seegraswiesen und Seebergemüssen vollständig geschütztwerden.Fischereien sollten nur dannsubventioniert werden, wenn sieden Nachhaltigkeitskriterien desMSC (Marine StewardshipCouncil) genügen.Wo Meere vom Menschengenutzt werden, müssen dieunterschiedlichen Eingriffe – zumBeispiel Schifffahrt, Ölförderung,Fischerei – mit den Verfahren der„Raumplanung“ koordiniertwerden. Nur so können ihre sichgegenseitig verstärkenden Aus-wirkungen auf den Lebensraumerfasst werden.

Einleitung

Welche Zukunft haben die Meere?

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Fisch ist gesund, lecker, beliebt – undextrem gefährdet. Durchschnittlich16,5 Kilogramm Fisch verspeist jederMensch pro Jahr. 86 Millionen Ton-nen Meeresfisch wurden 2004 gefan-gen. Das Milliarden-Geschäft boomt,die Preise steigen. 2004 erreichtedas globale Exportvolumen ein neuesRekordhoch von 71,5 MilliardenDollar.

Angesichts der scheinbar unend-lichen Ressourcen unserer Ozeaneist es kaum vorstellbar - aber dieMenschheit ist dabei, die Meerekomplett zu plündern.

77 Prozent der wirtschaftlich genutz-ten Fischbestände sind bis an ihreGrenzen ausgebeutet oder überfischt.Die Zahl der nur moderat genutztenBestände ist seit den 1970er Jahrenbis heute von 40 auf 23 Prozentgesunken. Unser Guthabenkonto wirdimmer kleiner.

Die weltweite Fischerei ist ein Kol-laps-Programm. Vielen Fischereien –

wie denen auf Nordsee-Kabeljauoder auf Roten Tunfisch im Mittel-meer – droht in absehbarer Zeit dasAus. Trotzdem verhalten wir unsnoch immer so, als seien die Ozeaneein Selbstbedienungsladen mit unbe-grenztem Angebot. Allein im Nord-atlantik zwischen Europa und Nord-amerika ist die Biomasse der ge-nutzten Fischbestände in den letzten100 Jahren auf ein Sechstel gesunken.

Bis Mitte des 21. Jahrhundertskönnten, so eine Studie kanadischerWissenschaftler, alle wirtschaftlichgenutzten Fischbestände komplettzusammenbrechen – wenn dieMenschheit so weiter macht wiebisher. Weitere Umweltprobleme wiedie Meeresverschmutzung oder derKlimawandel belasten die dezimier-ten Fischbestände zusätzlich.

Auch Verbote greifen nicht immer.Trotz des Moratoriums gegen denkommerziellen Walfang wurden seitMitte der 1980er Jahre fast 29.000Wale getötet.

Aus für den Kabeljau?

Der Kabeljau in der Nordsee istextrem bedroht. Jahr für Jahrignoriert die EU die Forderungvon Wissenschaftlern und Um-weltverbänden, den Fang ein-zustellen, bis sich die Beständeerholt haben.Auch die wirtschaftlichen Ver-luste durch die Überfischungsind enorm. Die Kabeljaufischereiin Nord- und Ostsee hatte 2001aufgrund der geplündertenBestände etwa 415 MillionenEuro Einkommensverluste zubeklagen.Noch schlimmer traf es kanadi-sche Fischer Anfang der 1990erJahre. Nach jahrelanger Aus-beutung brachen die Kabeljau-bestände vor der kanadischenAtlantikküste zusammen. 40.000Menschen verloren über Nachtihren Job. Bis heute hat sich derBestand nicht erholt.

Die wichtigsten Gründe für dieÜberfischung:

Schwimmende Fischfabriken: DieIndustrialisierung hat das Gesichtder Fischerei in den letzten 40 Jahrenkomplett verändert. Nicht kleine,bunte Boote, sondern schwimmendeFabriken plündern die Meere. Oftwird der Fisch schon an Bord verar-beitet und gekühlt. Grundschlepp-netze fischen in 2000 Metern Tiefe.Vorhang-Netze, auch „Wände desTodes“ genannt, sind bis zu 100 (!)Kilometer breit.

Plündern mit Steuergeldern: Trotzdes massiven Raubbaus wird der Aus-bau der Fangflotten weltweit mit elfMilliarden Euro im Jahr subventio-niert. Dabei ist die globale Fangflottebereits 2,5 mal größer, als eine nach-haltige Fischerei es erlauben würde.

Piratenfischerei: Fast ein Drittel desglobalen Fischfangs ist illegal. Schät-

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Überfischung

Leere Ozeane bis 2050?

Mit gigantischen Netzen werden die Ozeane geplündert. © WWF-Canon / Quentin Bates

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zungen zufolge erzielen die Verkäufeaus Piratenfischerei zwischen vierund neun Milliarden US-Dollar jähr-lich. Auch die EU-Flotte fischt häufigkriminell – und bricht so die Quotenfür bedrohte Arten wie den RotenTunfisch im Mittelmeer oder denNordsee-Kabeljau. Lasche Gesetzeund fehlende Kontrollen haben mitSchuld an der Misere.

„Augen zu und durch“ - Politik:Die Fischereipolitik versagt. Regel-mäßig ignorieren die verantwortlichenGremien den Rat der Wissenschaftler,Fangquoten zu senken oder Fischerei-en zu schließen, damit sich dieBestände erholen können. Die 2002reformierte EU-Fischereipolitik hatbislang ihre Versprechungen nichtgehalten – Europas Meere gehörenzu den am stärksten überfischtenRegionen der Welt.

Der Fischführer für die BrieftascheDer handliche Einkaufsführer fürVerbraucher listet die 40 wichtigs-ten Fischarten von „annehmbar“ bis„bedroht“ auf. So landet nurumweltgerecht gefangener Fischauf dem Tisch. www.wwf.de/fisch

MSC – das blaue Öko-SiegelDer „Marine Stewardship Council“(MSC) garantiert eine umweltfreund-liche Fischerei. Vier Prozent des glo-balen Fischfangs stammen heuteaus MSC-Fischereien – Tendenzsteigend. In Deutschland liegt derMarktanteil von MSC-Fisch bei etwazehn Prozent. Immer mehr Fischver-arbeiter und Handelsketten koope-rieren mit dem WWF und setzen aufnachhaltigen Fisch. www.msc.org

MeeresschutzgebieteWeniger als ein Prozent der Welt-meere stehen unter Schutz. Ineinem Großteil dieser Schutzgebieteist die Fischerei noch erlaubt. DerWWF will mindestens zehn Prozent der Weltmeere unter Schutz stellen

und fischereifreie Zonen einrichten.www.wwf.de/regionen/nordsee-nordostatlantik und panda.org/marine

Zukunftsfähige FischereipolitikDer WWF engagiert sich in Deutsch-land, Europa und rund um denGlobus für eine zukunftsfähigeFischereipolitik. Der WWF überzeugtmit Lobbyarbeit und entfaltet durchKampagnen Druck auf Politiker.www.panda.org/marine undwww.wwf.de/unsere-themen/meere-kuesten/fischerei

Fairer WelthandelNachdem große Industrienationenihre eigenen Gewässer geplünderthaben, weichen sie in ärmere Regio-nen aus. So plündert die EU dieFischbestände vor Westafrika undberaubt so die Einheimischen ihrerLebensgrundlagen. Der WWF enga-giert sich für eine faire Aufteilung derweltweiten Fischressourcen. www.panda.org/about_wwf/where_we_work/africa/solutions_by_region/wamer

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Industrielle Fischerei auf Granatbarsch – eine von zahllosen überfischten Arten. © Australian Fisheries Management Authority

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Die Fangflotten plündern nicht nurdie Fischbestände. RücksichtsloseFischereimethoden beschleunigen dasArtensterben und zerstören wertvolleLebensräume.

In den Netzen und an den Haken derFischer landen längst nicht nur jeneFische, die wirtschaftlich genutztwerden.

Auf bis zu 30 Millionen Tonnen proJahr schätzen Experten den so-genannten Beifang von Seevögeln,Meeresschildkröten oder Haienund die Rückwürfe unverkäuflicherFische.

Einige erschreckende Fakten:• Über 300.000 Wale und Delfine ver-

enden Jahr für Jahr in Fischernetzen.• Die Langleinen-Fischerei arbeitet

mit bis zu 100 Kilometer langen

Angelschnüren mit 20.000 Haken.Eine Viertel Million der vom Aus-sterben bedrohten Meeresschildkrö-ten und 300.000 Seevögel verfan-gen sich jährlich an diesen Hakenund verenden oft qualvoll.

• Beifang ist die Hauptursache fürdas Verschwinden von 89 Prozentder Hammerhaie und 80 Prozentder Weißen Haie aus dem Nordost-atlantik.

• Bis zu 80 Prozent der Schollen, diein der Nordsee gefangen werden,werden als „unnützer“ Müll wiederzurück ins Meer geworfen. DieFische sind zu klein.

• In den illegalen Treibnetzen, mitdenen vor der Küste MarokkosSchwertfische für den europäischenMarkt gefangen werden, sterben imJahr 100.000 Haie und über 16.000Delfine.

Geisternetze

Fischer verlieren auf Hoher Seeihre Netze oder werfen kaputteNetze über Bord. Als noch Treib-netze genutzt wurden, bliebenjährlich allein im Nordpazifik1.000 Kilometer Geisternetze imMeer – ein qualvolles Grab fürFische, Wale, Delfine oder Mee-resschildkröten. Man geht davon aus, dassetwa ein Viertel des Mülles aufdem Grund der Nordsee alteNetze sind. Das wahre Ausmaß dieser alltäg-lichen Katastrophe, die Zahl derOpfer in den vagabundierendenoder am Boden liegenden Net-zen ist unbekannt.

Dieser Hai verendet an einem von tausenden Haken einer kilometerlangen Angelschnüre. © Cat Holloway

Zerstörerische Fischereimethoden

Verendet am Haken

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Viele Fischereipraktiken hinterlassenenorme Schäden in den sensiblenMeereslebensräumen, allen voran inKorallenriffen. Noch immer wirdDynamit eingesetzt, um Fische ausKorallen aufzuscheuchen. So kommtes in Südostasien zu massiven Zer-störungen der Riffe.

Zunehmender Beliebtheit erfreut sichdie Zyanid-Fischerei. So werdenFische in Korallenriffen betäubt, diedann später lebendig in Restaurantsin Hongkong oder Singapur angebo-ten werden. Für jeden so gefangenenFisch stirbt ein Quadratmeter Koral-lenriff ab.

Massive Schäden richtet die Fischereimit sogenannten Bodenschleppnetzenan. Die Schleppnetze pflügen förm-lich den Meeresboden um und rasie-ren mit ihren tonnenschweren Ketten,Netzen und Stahlplatten fragile

Lebensräume wie Schwämme, See-berge oder Korallenriffe. Die Fische-rei mit Bodenschleppnetzen gilt alsdie größte Gefahr für die Tiefsee.Viele der betroffenen Arten – wie derAtlantische Sägebauch oder Granat-barsch – wachsen nur langsam nachund sind deshalb sehr anfällig fürÜberfischung.

Bis zu 50 Prozent wertvoller Kalt-wasserkorallen im Nordostatlantiksind bereits durch rücksichtsloseFischereipraktiken zerstört.

An stark befischten Seebergen südlichvon Australien sind 90 Prozent derKorallen verschwunden.

Fischmüll: Diese meist zerquetschten Fische sind wertloser Beifang.Sie werden zurück ins Meer geworfen. © WWF-Canon / Mike R. Jackson

Ein durch Bodenschleppnetze zerstörtes Kaltwasser-Korallenriff. © MCBI

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Schlaue NetzeDer WWF prämiert umweltscho-nende Fischerei-Techniken undfördert ihren Einsatz. Zum Beispielabgerundete Haken, die in derLangleinen-Fischerei den Beifangvon Meeresschildkröten um 90Prozent verringern. Oder denEinsatz von kleinen Magneten, dieHaie abschrecken.www.smartgear.org

Schutz von KaltwasserkorallenDer WWF setzt sich für ein Verbotzerstörerischer Fischereimethodenein. In besonders empfindlichenLebensräumen wie Korallenriffenmuss die Fischerei zum Beispielmit Grundschleppnetzen einge-schränkt oder verboten werden.www.wwf.de/regionen/nordsee-nordostatlantik

WWF-VerbrauchertippVon Schollen, Seezunge und Hum-mer rät der WWF ab. Diese Fischewerden mit Methoden gefangen,die die Meeresumwelt zerstören.www.wwf.de/fisch

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Fischfarmen

Zu Tode gemästetEin Drittel der weltweiten Fangmengewird für die Produktion von Fisch-mehl und –öl eingesetzt. Fischmehlund –öl wiederum werden hauptsäch-lich in Fischfarmen verfüttert. Für einKilo Tunfisch werden bis zu 22 KiloWildfisch verfüttert, für ein KiloLachs immerhin vier Kilo. TypischeFutterfische wie Anchovis, Sardinen,Hering und Wittling sind mittlerweilebis an ihre Grenzen befischt oderbereits überfischt.

Für Fischfarmen werden wertvolleLebensräume zerstört. In Asienund Lateinamerika wurden groß-flächig Mangrovenwälder fürShrimps-Farmen abgeholzt.

In Ecuador wurden 70 Prozent derMangroven zerstört – hauptsächlichfür Aquakulturen.

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Fischfarmen (auch: „Aquakulturen“)werden häufig als Königsweg aus derFischereikrise und als Antwort auf dieangesichts der wachsenden Weltbe-völkerung steigende Nachfrage nachFisch betrachtet. Fischfarmen sind einboomendes Geschäft mit einem Jah-resumsatz von 56 Milliarden Euround hohen Wachstumsraten. Chinahat einen Anteil von 70 Prozent ander Weltproduktion von Farmfisch.Fast 19 Millionen Tonnen Fisch undMeeresfrüchte wurden 2005 in mari-nen Aquakulturen erzeugt.

Doch die Meere und viele bedrohteArten leiden unter den Folgen derweltweit wachsenden Fischfarmen:Fischfarmen tragen zur Plünderungder Ozeane bei, denn sie verfütternselbst große Mengen Wildfisch.

Edel-Tunfisch gemästet

Ein relativ neues Phänomen sindAnlagen, in denen wild gefangenerFisch gemästet wird. Davon istzum Beispiel der extrem bedrohteRote Tunfisch im Mittelmeer betrof-fen. Jungtiere werden wild gefan-gen und in Käfigen entlang derKüste aufgepäppelt – allein 2004waren es 22.500 Tonnen Roter Tun.

Die Aquakultur erhöht so den Druckauf einen der am stärksten bedroh-ten Fischbestände der Welt. DenAufbau dieser tödlichen Industriehat die Europäische Union mit 20Millionen Euro subventioniert. RoterTun ist ein Edelfisch und erzieltSpitzenpreise. Er wird vor allem inJapan, aber auch in Europa und inden USA für Sushi verwendet.

Mit Shrimps-Farmen lässt sich viel Geld verdienen. Für diese Anlage an der Küste Madagaskars wurdenMangrovenwälder abgeholzt. © WWF-Canon / WWF Madagascar

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Häufig verhindern die wirtschaftlichenInteressen der Aquakultur-Betreiberdie Einrichtung von Meeresschutzge-bieten in artenreichen Lebensräumenwie Mangroven, Flussmündungenoder Buchten.

Über die Fischfarmen gelangenNährstoffe ins Meer, die zu Algen-blüten und Sauerstoffmangel führen.Immer wieder werden Chemikalien

WWF-Lösungen

Umweltgerechte FischfarmenDer WWF ist nicht grundsätzlichgegen Aquakulturen. Darum ent-wickelt der WWF mit Partnern ausWirtschaft und Politik Maßstäbefür umweltgerechte Fischfarmen.Typische Futterfische sollen künf-tig nachhaltig gefangen werdenund möglichst das MSC-Siegeltragen. Die negativen ökologi-schen Effekte von Farmen auf diejeweilige Meeresregion sollenminimiert werden.www.panda.org/marine

WWF-VerbrauchertippZuchtfische wie den europäischenAal und tropische Shrimps solltenVerbraucher meiden. Auch Atlanti-schen Lachs, Doraden und Mies-muscheln aus Zuchten hält derWWF für bedenklich. Empfehlens-werte Fische aus Aquakulturensind hingegen Bio-Lachs aus demNordostatlantik, Bio-Shrimps undForellen. www.wwf.de/fisch

Futter für die Tunfisch-Mast im Mittelmeer. Für ein Kilo Roten Tun werden bis zu22 Kilo wild gefangener Fisch verfüttert. © WWF-Canon / Jorge Sierra

Roter Tunfisch auf dem Tsukiji-Fischmarkt in Tokyo. Japan exportiert die wertvolleRohware auch aus Europa. © WWF-Canon / Michel Gunther

eingesetzt – zum Beispiel Antibiotikaoder Anti-Bewuchsmittel wie Kupfer.Für Krebse und Weichtiere ist das eingiftiger Cocktail, dessen Langzeitfol-gen unbekannt sind.

Fischfarmen führen zur Ausbreitungvon Krankheiten oder Viren. Zur Füt-terung von Tunfisch in australischenAquakulturen importierte Sardinenwaren vermutlich die Ursache dafür,

dass zwischen 1995 und 1998 dreiViertel der heimischen ausgewachse-nen Sardinen einer Virus-Epidemiezum Opfer fielen.

In Fischfarmen werden häufiglebensraumfremde Arten gezüchtet.Entkommen sie, so verdrängen sieeinheimische Arten. So breitet sichdie Pazifische Auster im deutschenWattenmeer auf Kosten der Mies-muschel aus.

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Der vom Menschen verursachteKlimawandel verändert die Ozeanedramatisch. Der Meeresspiegel steigtimmer schneller, die Meere werdenwärmer und versauern, viele Artenund Lebensräume sind gefährdet.Schon die 0,7 Grad Temperaturan-stieg, die wir auf dem Globus seitBeginn der industriellen Revolutionverzeichnen, führen zu neuenLebensbedingungen. Wenn die glo-bale Erwärmung nicht auf unter zweiGrad Celsius begrenzt wird, drohenganze marine Ökosysteme zu ver-schwinden.

Besonders deutlich sichtbar werdendie Folgen des Klimawandels an dentropischen Korallenriffen.

Weltweit sind mehr als zwei Drittelder Korallenriffe durch steigendeWassertemperaturen und den zu-nehmenden CO2-Gehalt im Meergefährdet.

20 Prozent der Riffe gelten bereits alsunwiederbringlich zerstört. Das aus-tralische Great Barrier Reef könntebis 2050 zu über 95 Prozent geschä-digt werden, wenn die globale Erwär-

mung nicht begrenzt wird. In derKaribik führten 2005 die wärmstenjemals gemessenen Wassertempera-turen zu einem noch nie gesehenenKorallensterben.

Obwohl Korallenriffe nur ein Prozentder Ozeane ausmachen, beheimatensie ein Viertel aller bekannten Mee-resarten. Als Kinderstube undLebensraum vieler Fische und ande-rer Arten, touristische Attraktion undKüstenschutz-Bollwerk sind Riffeauch von erheblicher wirtschaftlicherBedeutung.

Der Klimawandel bedroht die Arten-vielfalt in den Meeren. Viele Fischbe-stände, ohnehin schon durch die

Überfischung enorm unter Druck,leiden unter den Folgen des Klima-wandels. So führt die Erwärmungdes Nordostatlantiks dazu, dass derKabeljau langsamer wächst undimmer weniger Nachkommen dieohnehin stark ausgebeuteten Beständeauffrischen. Aus den erwärmtenMeeren treten einige Arten wieKabeljau oder Seehecht die Flucht inkältere Regionen an – es kommt zu

einer Artenverschiebung in Richtungder Pole. Eingespielte Ökosystemegeraten aus den Fugen. Ob dieAnpassung an neue Lebensräumegelingt, ist unklar.

Auch Wale und Delfine sind bedroht– durch höhere Wassertemperaturen,Übersäuerung der Meere, den Verlustkühler Lebensräume und den Rück-gang von Krill, der Hauptnahrungvieler Großwalarten. Ein ungebrems-ter Klimawandel könnte etwa für dieletzten 300 Atlantischen Nordkaperdas Ende bedeuten.

Sturmflutwarnung anElbe und Weser

In Deutschland steigt die Gefahrvon Sturmfluten. Der wissen-schaftliche Beirat der Bundes-regierung geht von einem Meeres-spiegelanstieg von 0,83 bis 1,7Metern in 100 Jahren für die deut-sche Nordseeküste aus. Die bis-herigen Küstenschutzkonzeptewerden in Zukunft nicht mehrausreichen. Durch die Trichterformvon Elbe und Weser und die bis-herigen Vertiefungen der Fluss-läufe für die Schifffahrt wächst dieSturmflutgefahr für die StädteHamburg und Bremen. Der WWFlehnt auch deshalb zusätzlicheVertiefungen von Elbe und Weserab – denn jeder Flussausbau führtzu einem Anstieg der Flut undeiner größeren Wucht, mit der dasWasser in die Flüsse eindringt.

Höhere Wassertemperaturen und die Versauerung der Meere – beides Folgenmenschlicher Treibhausgas-Emissionen – lassen einstmals farbige Korallen ausbleichenund absterben. © WWF-Canon / Cat Holloway

Klimawandel

Erstes Opfer Korallenriffe

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Wärmere Meere beeinflussen dieBiologie vieler Arten. Stoffwechsel,Lebenszyklus und das Verhalten kön-nen sich ändern. Beim Kabeljau führtdie Meereserwärmung zu wenigerNachwuchs. Erhöhte Temperaturenbringen das Verhältnis von Männchenund Weibchen bei Meeresschildkrötenaus dem Gleichgewicht und könntenso ganze Populationen gefährden.Bislang nicht überlebensfähige Artensiedeln in den wärmeren Regionenan. So ist der Temperaturanstieg inder Nordsee ein Grund für die Aus-breitung der Pazifischen Auster.

Prognosen sagen für die nächsten 100Jahre einen Meeresspiegelanstieg um56 Zentimeter voraus – mit deutlichenregionalen Unterschieden. Dies wür-de vermutlich das Aus für artenreicheMangrovenwälder an tropischenKüsten bedeuten. Sie verkraften nureinen moderaten Anstieg.

Die indischen Sunderbarns, dieausgedehntesten Mangroven-sümpfe der Welt, könnten beieinem stark steigenden Meeres-spiegel völlig verschwinden.

Der Meeresspiegelanstieg, heftigereStürme und stärkere Regenfällegefährden die Menschen in Küsten-zonen. Durch die Überflutung versal-zen Süßwasserreservoire und land-wirtschaftliche Flächen. GanzeInselketten – wie die Malediven im

Indischen Ozean oder Kiribati undTuvalu im Pazifik – drohen unterzu-gehen. Heftige Regenfälle undStürme führen zu Bodenerosionen anden Küsten.

Das Kohlekraftwerk in Neurath gehört zu den klimaschädlichsten Anlagen Europas. Der hohe CO2-Ausstoß bei derStromgewinnung aus Kohle ist eine Ursache für den Klimawandel. © WWF-Canon / Andrew Kerr

Globale Erwärmung begrenzenDer WWF fordert, die globaleErwärmung auf unter zwei GradCelsius gegenüber dem vorindus-triellen Wert zu begrenzen. Dazumuss vor allem der Ausstoß desHauptklimakillers – Kohlendioxid –drastisch reduziert werden. Globalist bis 2050 eine Reduktion derTreibhausgase um 50 Prozent er-forderlich. Für die Industrieländerbedeutet dies im gleichen Zeitraumeine Verminderung um 80 Prozent.www.wwf.de/klimaschutz

Neue Konzepte für denKüstenschutzDie deutsche Küste ist durch denMeeresspiegelanstieg gefährdet.

Die bisherigen Konzepte zum Schutzvon Mensch und Umwelt an derNordsee berücksichtigen die Folgendes Klimawandels nicht ausrei-chend. Der WWF fordert neue Stra-tegien, vergrößerte Überflutungs-flächen und einen Verzicht aufweitere Vertiefungen der Flussmün-dungen von Elbe, Weser und Ems.www.wwf.de/kuestenschutz-und-klimawandel

WWF-VerbrauchertippUmsteigen auf Öko-Strom, regionalund saisonal einkaufen oder Ener-gieverbrauch senken – jeder kannmithelfen, das Klima und damit dieOzeane zu retten.www.wwf.de/klimatipps

WWF-Lösungen

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An den Küsten wird der Konfliktzwischen Mensch und Natur beson-ders deutlich. Die Küstenregionenbieten Heimat für über 90 Prozentder bekannten Meeresarten, sie sinddie Brutstätte der Artenvielfaltunserer Ozeane. Mangrovenwälder,Korallenriffe, Seegraswiesen, Fluss-mündungen oder das Wattenmeersind artenreiche und wertvolleLebensräume.

Gleichzeitig zieht es die Menschenans Meer. Fast 40 Prozent der Welt-bevölkerung lebt an der Küste –Tendenz steigend. Acht der zehngrößten Städte der Welt liegen amMeer. Ein Großteil der Rohstoffe, dieder Mensch aus dem Meer gewinnt –von Fisch bis zu Öl und Gas –stammt von der Küste. Der Anteilder Meeresregionen am Bruttoin-landsprodukt Europas entsprichtmehr als 40 Prozent.

Mit der Besiedlung und Ausbeu-tung der Küsten geht ihreZerstörung einher – ein bislangtrotz vieler Modelle nachhaltigerEntwicklung und neuer Schutz-gebiete ungebremster Prozess.

So fielen beispielsweise den wach-senden Megastädten Hongkong, Singapur, Manila und Honolulu wert-volle Korallenriffe zum Opfer. InSüdostasien sind 90 Prozent derKorallenriffe von menschlichen Akti-vitäten bedroht.

Deiche, Dämme, Hafenanlagen undder Ausbau von Flüssen für dieSchifffahrt zerstören artenreicheÖkosysteme. So gingen an der deut-schen Nordseeküste durch die Ein-deichung der Nordstrander Bucht inNordfriesland in den 1980er Jahren35 Quadratkilometer Watt und Salz-wiesen verloren.

Die Verbauung der Küsten schwächtden natürlichen Hochwasserschutz,den Flussmündungen, Korallenriffe,Überflutungsflächen, breite Strändeoder Mangroven bieten. So bremstenMangrovenwälder und Korallenriffein einigen Regionen Südostasiens dieWucht des Tsunamis Ende 2004.

80 Prozent des weltweiten Tourismusspielt sich in den Küstenregionen ab.Die Reisebranche ist der größte undam schnellsten wachsende Wirt-schaftszweig der Welt mit einemAnteil von elf Prozent am globalenBruttoinlandsprodukt und 700 Millio-nen international Reisenden im Jahr.Die Einnahmen aus diesem Milliar-dengeschäft bleiben jedoch größten-teils nicht in den betroffenen Regio-nen. So gingen von 2001 bis 2004zwei Drittel der Gelder aus dem Mit-telmeer-Tourismus an weniger alszehn Reiseveranstalter in Nordeuropa.

Die Türkei plant einen massiven Ausbau der Hotelanlagen am Meer. Etwa die Hälfteder gesamten Mittelmeerküste ist bebaut, wertvolle Naturräume sind verschwunden.© WWF-Canon / Michel Gunther

Nationalpark oderIndustriepark?

Mit den drei Wattenmeer-National-parken Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg gelang esan der Nordsee, einen besonderswertvollen Lebensraum unterSchutz zu stellen. Doch bis heutewird die Nationalpark-Idee faktischimmer wieder torpediert. So plantder Konzern RWE-Dea neueÖlbohrungen im Wattenmeer.Dabei ist die Region ohnehin unterDruck: Flussvertiefungen, Hafen-ausbauten, Schadstoffe, zuneh-mender Schiffsverkehr und Fische-rei setzen der Natur zu – etwa denMillionen Zugvögeln, die hier Jahrfür Jahr rasten. Der WWF kritisiertden mangelnden Respekt vor denWattenmeer-Nationalparken. Eswürde einen riesigen Aufschreigeben, wenn Energiekonzerne inden Nationalparks Yellowstone,Everglades oder Serengeti Öl för-dern wollten. Das Wattenmeer istein ebenso wertvoller Lebensraum.

Verbauung der Küsten & Tourismus

Betonwüsten an der Wiege der Artenvielfalt

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Dem Bauboom an der Küste weichtdie Natur: Mangrovenwälder undSeegraswiesen werden zerstört, umoffene Strände zu schaffen. Sport-boothäfen und andere Freizeitein-richtungen werden direkt auf Korallen-riffen gebaut. Aktivitäten wie Wasser-sport und Whale-Watching können,wenn sie nicht mit der nötigen Vor-sicht praktiziert werden, empfindlicheTiere stören.

Das Mittelmeer ist ein Zentrum desweltweiten Tourismus. Allein 220Millionen Touristen bereisen Jahr fürJahr die Mittelmeer-Region, 100 Mil-lionen davon besuchen die Strände.Bis 2025 soll der Urlauberstrom auf350 Millionen Besucher anschwellen.

Der Massentourismus am Mittel-meer trägt zum notorischenWassermangel ebenso bei wie zurVerschmutzung des Meeres undzur Gefährdung der Artenvielfalt.

Die Hälfte der 46.000 Kilometer lan-gen Mittelmeerküste wurde seit Endedes Zweiten Weltkrieges bebaut,meist ohne Rücksicht auf die Natur.

In Folge der starken Nutzung derKüsten sind die früher einmal weitverbreiteten Seegraswiesen gefährdet,entlang der dicht bewohnten Nord-westküste des Mittelmeers sind sienahezu verschwunden. Auf dergriechischen Insel Zakynthos störenrücksichtslose Barbesitzer und Tou-risten die vom Aussterben bedrohtenUnechten Karettschildkröten an ihrenNiststränden.

Der an der Küste lebenden Mittel-meermönchsrobbe hat der Menschden Lebensraum und die Nahrungs-quelle Fisch geraubt. Sie ist mit nurnoch 500 verstreut lebenden Exem-plaren eines der seltensten Säugetieredes Planeten.

WWF Deutschland

WWF-ProjektregionenWattenmeer, Ostsee, WestafrikaDer WWF Deutschland engagiertsich in drei Küstenregionen fürdie Bewahrung der biologischenVielfalt. www.wwf.de/wattenmeerwww.wwf.de/ostseewww.wwf.de/wamer

Nachhaltiger TourismusDie künftige Entwicklung des Tou-rismus ist ein Schlüssel zur Bewah-rung der biologischen Vielfalt. Invielen Regionen kann sozialverträg-liches und naturnahes Reisen dieNatur schützen und die lokaleWirtschaft stärken. Der WWFentwickelt mit Partnern aus derTourismusbranche Modellprojektefür nachhaltiges Reisen und zumSchutz empfindlicher Küsten.www.wwf.de/tourismus

Einkaufsführer „Bewusst Reisen“Eine Broschüre und eine Internet-seite geben Tipps für einen natur-und sozialverträglichen Urlaub.www.wwf.de/besser-reisenwww.reisekompass-online.de

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Taucher verfolgen einen Walhai. Die Grenzen zwischen der Bewunderung für faszinierende Lebewesen und der Störung ihresAlltags sind oft fließend. © WWF-Canon / Erkki Siirilä

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Im Pazifik kündigt sich ein neuerGoldrausch mit unabsehbaren ökolo-gischen Folgen an. Zwischen Mexi-ko und Hawaii lagern vermutlichzwei Milliarden Tonnen Mangan-knollen. Die wertvollen Knollen ent-halten neben Mangan auch Kupfer,Nickel und Kobalt. Angesichts stei-gender Rohstoffpreise könnte sichdie Ausbeutung der in 4.000 bis5.000 Meter Tiefe vorkommendenRessourcen schon in wenigen Jahrenrechnen. Viele Industrienationensichern sich derzeit ihr Abbaugebiet.2006 erhielt auch Deutschland vonder UN-Meeresbodenbehörde dieLizenz zum Plündern auf einer Flä-che von 75.000 Quadratkilometernim Pazifik.

Die Manganförderung wäre ein neu-es Kapitel in der industriellen Aus-beutung der Ozeane. Die ökologi-schen Risiken sind jedoch kaumeinzuschätzen. Niemand kann sagen,ob sich die sensible, größtenteilsnoch unerforschte Artenvielfalt inder Tiefsee überhaupt von diesemEingriff erholen könnte.

Die Rohstoffgewinnung aus demMeer spielt angesichts zunehmenderschöpfter Quellen an Landeine wachsende Rolle für dieWeltwirtschaft.

So stammt bereits etwa 30 Prozentdes Rohöls von Offshore-Anlagen.Und weitere empfindliche Küsten-und Meeresregionen sind im Visierder Öl- und Gasindustrie. Vor denKüsten Ost- und Westafrikas, in derBarentsee, in der Ostsee und imNordostatlantik sind Eingriffe inempfindliche und oft noch unbe-rührte Ökosysteme geplant, um denglobalen Energiehunger zu stillen.

Eines der größten aktuellen Off-shore-Fördergebiete für Öl und Gasist die Nordsee mit derzeit etwa 500Förderplattformen.

Kein Wal für Öl!

Seit ergiebige Erdöl- und Gasvor-kommen vor der russischen Pazi-fikinsel Sachalin entdeckt wurden,sind die letzten 100 Westpazifi-schen Grauwale in Gefahr. Konzer-ne wie Gazprom, Shell, Exxon undBP beuten die Öl- und Gasvor-kommen aus. Bereits seit 1998werden täglich etwa 12 MillionenLiter Öl gefördert und auf Tankerverladen. Jetzt stehen der Bauweiterer Bohrinseln und einerUnterwasser-Pipeline bevor. Vorallem die Lärmbelastung sowiepotentiell auslaufendes Öl gefähr-den Tiere und Pflanzen.

Das Projekt „Sakhalin II“ – diezweite von insgesamt fünf Ausbau-stufen – sieht vor, etwa zehn Kilo-meter vor der Küste eine weitereBohrinsel und eine Pipeline zu bau-en. Es ist das derzeit wohl größteÖl- und Gasförderprojekt weltweitmit einem Investitionsvolumen vonetwa 20 Milliarden US Dollar.

Rohstoffabbau

Rücksichtsloser Goldrausch

Endzeitstimmung: Bohrinseln und Ölverschmutzung an der Küste des Kaspischen Meeres in Aserbaidschan.© WWF-Canon / Michel Gunther

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Neben der allgegenwärtigen Gefahrvon Tankerunfällen kommt es zumassiven Ölverlusten im Normalbe-trieb – schätzungsweise 14.000 Ton-nen Öl verschmutzen so jedes Jahrdie Nordsee. Hinzu kommen giftigeBohrschlämme und Chemikalien.

Selbst auf Meeresschutzgebiete neh-men Energiekonzerne nur wenigRücksicht. So plant RWE Dea neueÖlbohrungen im Nationalpark Wat-tenmeer – und gefährdet so eines derwertvollsten Ökosysteme Europas.

Dank einer umstrittenen Ausnahme-genehmigung wird bereits seit 1985auf der Plattform „Mittelplate“ imNationalpark Öl gefördert.

Die Umweltrisiken für Offshore-Förderanlagen sind enorm. Durchden Hurrikan Katrina wurden imAugust 2005 im Golf von Mexikoüber 50 Ölbohrinseln und Förder-plattformen schwer geschädigt,erhebliche Mengen Öl liefen aus.

Bis zu 15.000 Tonnen Öl gelangtenins Mittelmeer, als israelische Bom-benangriffe im Libanon-Krieg imJuli 2006 Öltanks beschädigten. Sie

lösten die schwerste Umweltkata-strophe des Landes aus. 150 Kilo-meter Küste waren betroffen, auchSyrien geriet in Mitleidenschaft.

Aus Nord- und Ostsee werden Sand und Kies gewonnen – für Bauvorha-ben, zur Sandaufschüttung an Strän-den und zum Küstenschutz. Umstrit-ten sind neue Planungen zum Abbauvon jährlich drei Millionen TonnenKies am Sylter Außenriff und imVogelschutzgebiet Östliche DeutscheBucht. Artenreiche Lebensräume mitMeerestieren wie Seeigel, Seeschei-den, Moostierchen, Nesseltieren undKrebsen wären gefährdet. Die Ein-griffe könnten auch Schweinswalebeeinträchtigen.

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Keine Rohstoff-Förderung inSchutzgebietenBislang sind selbst Meeresschutz-gebiete und besonders empfindli-che Lebensräume kein Tabu fürdie Rohstoffkonzerne. Das will derWWF ändern und wendet sichdabei an Politik und Industrie. www.panda.org/about_wwf/what_we_do/marine/our_solutions/sustainable_use/oil_gas

Schutz der Westpazifischen GrauwaleDer WWF kämpft gegen den Bauneuer Förderplattformen und Pipe-lines im Nahrungsgebiet der letzten100 Westpazifischen Grauwalevor Sachalin und fordert ein Wal-Schutzgebiet.www.wwf.de/westpazifische-grauwale

Umschalten auf saubere EnergieFossile Energien wie Öl tragen ent-scheidend zum Klimawandel bei.Der WWF setzt sich für ein raschesUmschalten auf regenerative Ener-gien ein. www.wwf.de/klimaschutz

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Ölförderung im Nationalpark Wattenmeer, der Drehscheibe des internationalen Vogelzugs. Der Konzern RWE Dea plant in denkommenden Jahren weitere Probebohrungen an der deutschen Nordseeküste. © WWF / Klaus Günther

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Bis in entlegene Regionen der Erdelassen sich Industriechemikaliennachweisen, die sich über die Meere,Flüsse und die Luft ausbreiten.Umweltgifte führen beispielsweise inder arktischen Tierwelt zu massivenGesundheitsschäden, wie hormonel-len Störungen, Schwächungen desImmunsystems oder Verhaltensände-rungen. Betroffen sind Eisbären,Belugawale, Robben oder Seevögel.Sowohl bereits verbotene Umweltgiftewie polychlorierte Biphenyle (PCB)oder Pestizide wie DDT und Lindanals auch neuere, noch zulässige Sub-stanzen wie bromierte Flammschutz-mittel – die beispielsweise in Elektro-geräten und Teppichen vorkommen –befinden sich im Blut der Tiere.

Belugawale und Robben in der Arktisweisen heute bis zu vier Mal höhereQuecksilber-Konzentrationen als vor25 Jahren auf.

Das Kaspische Meer wird jedes Jahrmit etwa 17 Tonnen Quecksilber und150 Tonnen Cadmium belastet.Zunehmende Mengen Elektroschrottvergiften die Küsten Ostasiens.

In 150 Meeresgebieten herrscht zeit-weise oder dauerhaft Sauerstoffman-gel. Zahl und Größe dieser Zonenhat in den letzten 35 Jahren deutlichzugenommen. Grund sind hoheNährstoffeinträge aus landwirtschaft-lichen Düngemitteln, ungeklärtenAbwässern sowie Schiffs- und Indus-trieemissionen. Nährstoffe wie Stick-stoff und Phosphor lassen Algengedeihen.

Beim Verwesen rauben die Algendem Meer den Sauerstoff. So entste-hen „Todeszonen“, in denen vieleTiere und Pflanzen verenden undLebensräume wie Seegraswiesen ab-sterben. Regelmäßig betroffen sindunter anderem Nord- und Ostsee,Adria und der Golf von Mexiko.2001 trat vor der chinesischen Küsteein Teppich von 15.000 Quadratkilo-meter giftiger Algen auf.

Trotz zahlreicher internationalerVerbote und technischer Fortschritterichtet die Verschmutzung der Meeremit Plastikmüll, Chemikalien,Abwässern und Nährstoffen enormeökologische Schäden an.

Vom Plastikbeutel bis zu Pestiziden– nahezu alles, was der Mensch anLand benutzt, gelangt auch insMeer. Rund 80 Prozent der Ozean-verschmutzungen werden durchAktivitäten an Land verursacht.

Die Weltmeere sind voller Altlasten.Eine ökologische Zeitbombe ist zumBeispiel die nach dem Zweiten Welt-krieg in Nord- und Ostsee versenkteMunition. Allein im Meeresboden ander deutschen Nordseeküste vermutetman heute noch bis zu 1,3 MillionenTonnen Kampfstoffe. Rosten diese,können gefährliche Mengen von Bleioder Quecksilber ins Meer gelangen.

Eine Plastiktüte auf einem Korallenriff. Plastik, Chemikalien und andererZivilisationsmüll verschmutzen die Ozeane. © WWF-Canon / Jürgen Freund

Verschmutzung und Lärm

Müllhalde Ozean

Giftfässer am Grundder Ostsee

Im August 2006 entdeckten schwe-dische Experten 3.500 Quecksilber-fässer auf dem Grund der Ostsee.Insgesamt werden vor der schwe-dischen Küste 21.000 Fässer mit9.000 Tonnen des hochgiftigenSchwermetalls vermutet, das inden 1950er und 60er Jahren voneiner Papierfabrik im Meer entsorgtworden war. Das Quecksilber wan-delt sich mit der Zeit durch Bakte-rien in das hochgiftige Methylqueck-silber um und kann Fische wieHecht, Zander und Hering belasten.Über die Nahrungskette könnensich die Gifte im Körper von Men-schen und Tieren anreichern. Sieschädigen bereits in geringen Kon-zentrationen das Nerven-, Herz-Kreislauf- und das Fortpflanzungs-system sowie das Gehirn.

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im Pazifik leiden unter den Abfall-mengen. So stammt die blaugrüneFärbung der Küstenlinie der Inselre-publik Nauru nicht vom azur-blauenMeer, sondern vom Müll.

Seevögel oder Schildkröten haltenbunte Plastikteile für Nahrung understicken an ihnen. Oder sie verfangensich im Müll und sterben qualvoll.

An einem schottischen Strandfand man vor einigen Jahren einenMinkwal mit 800 KilogrammPlastikmüll im Bauch.

In den einst ruhigen Ozeanen ist eslaut geworden. Schiffslärm, Ölerkun-dungs-Explosionen, Bohrplattformenoder militärische Schallexperimentesetzen der Stille ein Ende. Insbeson-dere die hörempfindlichen Walereagieren empfindlich. Der Lärmvertreibt sie aus ihren Nahrungs- undFortpflanzungsgebieten, stört ihrelebensnotwendige Kommunikationund führt im Extremfall zu Gehör-schäden und Strandungen. Man gehtdavon aus, dass der andauerndeUnterwasserlärm auch ganze Fisch-schwärme vertreiben kann.

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In vielen Gebieten der Erde sindungeklärte Abwässer noch immer einenormes Problem. Etwa 50 Prozentder ins Mittelmeer eingeleitetenAbwässer haben nie eine Kläranlagedurchlaufen. In Ostasien, Lateiname-rika oder West- und Zentralafrikasind es 80 bis 90 Prozent.

Auch viele Schiffsbetreiber, etwa vonKreuzfahrtlinien, leiten ihre ungerei-nigten Abwässer direkt ins Wasser.

In einem mächtigen Meeresstrudelim Nordpazifik hat sich nach Berech-nungen von Experten ein Plastik-müll-Teppich von der Größe Zentral-europas gebildet. Städte, Industrie-zentren, Fischtrawler und Abfälleaus der Schifffahrt sind die Quellenfür diese alarmierende Form der Ver-schmutzung.

Etwa 70 Prozent des Plastik-, Haus-halts- und Industriemülls in denOzeanen landen auf dem Meeresbo-den, 15 Prozent werden an Landangespült und weitere 15 Prozenttreiben auf dem Meer. InsbesondereMenschen und Tiere auf kleinenInselstaaten im Indischen Ozean und

Verbot giftiger ChemikalienDer Eintrag von Meeresschadstof-fen muss bis 2020 beendet sein.Der WWF setzt sich in der Europäi-schen Union für ein Verbot vonUmweltgiften ein und begleitet dieEinführung der Chemikalien-Richt-linie REACH.www.panda.org/detox

Nährstoffeinträge in die OstseeverringernDer WWF will die so genannte„Euthrophierung“ stoppen, die diegrößte ökologische Bedrohung derOstsee darstellt.www.wwf.de/ostseewww.panda.org/about_wwf/where_we_work/europe/what_we_do/baltics

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Das Meer als Müllhalde. © WWF-Canon / Jürgen Freund

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Schifffahrt

Riskante Dreckschleudern

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1993 löste die Havarie des Tankers Braer vor den Shetlandinseln eine Ölpest aus. © WWF-Canon / Jürgen Freund

Mengen des giftigen und zähenTreibstoffs Schweröl können in emp-findlichen Regionen große Naturzer-störungen verursachen. Der 1998 inder Nordsee havarierte Frachter Pal-las hatte nur 100 Tonnen Treibstoffan Bord. Dennoch starben 16.000Seevögel. Anfang 2007 verunglück-ten die Frachter MSC Napoli imÄrmelkanal und Server vor der nor-wegischen Küste. Vermutlich 20.000Seevögel starben.

• 1993 verlor das ContainerschiffSherbro im Ärmelkanal 188.000Päckchen hochgiftiger Substanzen,die teilweise bis an die deutscheKüste gespült wurden.

Spektakuläre Ölunfälle sind nurdie Spitze des Eisberges, siemachen nur einen geringen Teilder Ölverschmutzung an Meerenund Küsten aus.

Mit der Globalisierung nimmt dieBedeutung der Schifffahrt rasant zu.90 Prozent des globalen Außenhan-dels werden auf dem Seeweg abgewi-ckelt. Bis 2011 sollen weltweit 138Millionen Standardcontainer umge-schlagen werden – 40 Prozent mehrals 2006.

Die Umwelt- und Sicherheitsbestim-mungen für den globalen Güter- undPersonenverkehr halten mit dieserEntwicklung nicht mit. Viele Schiffesind aus kommerziellen Gründen inBilligflaggenstaaten wie Panama,Liberia oder den Bahamas registriert.

Etwa zwei Milliarden Tonnen Öl wer-den pro Jahr über die Ozeane trans-portiert. Die Öleinträge durch Tan-kerunglücke liegen heute dankverschärfter Sicherheitsstandards undneuer Schiffe um 75 Prozent niedri-ger als noch Mitte der 80er Jahre.Trotzdem gibt es keinen Grund zu

Entwarnung. Noch immer fahren ver-altete Tanker über die Weltmeere.Erst 2010 wird die neue Generationder sichereren DoppelhüllentankerPflicht. Und unzureichende Regelnfür den Schiffsverkehr gefährdenempfindliche Meeresregionen.

Immer wieder kommt es zu Ölkata-strophen, die Korallenriffe, Mangro-venwälder, Seegraswiesen, Seebergeoder polare Lebensräume zerstören.2002 sank der Schrott-Tanker Prestigevor der spanischen Küste und verlor64.000 Tonnen giftiges und zähesSchweröl. Die Ölpest tötete 300.000Seevögel und verschmutzte 3.000Kilometer Küste. 30.000 Fischerwaren betroffen. Die Folgekosten be-laufen sich auf acht Milliarden Euro.

Nicht nur von Öltankern, sondernauch von Containerschiffen gehenerhebliche Gefahren aus: • Bereits vergleichsweise kleine

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Die Schifffahrt trägt eine erheblicheVerantwortung für die schleichendeVergiftung der Ozeane. Zwar wurde2001 beschlossen, Schiffsanstrichemit dem hochgiftigen Tributylzinn(TBT) zu verbieten, die den Bewuchsauf Schiffsrümpfen verhindern sol-len. Aber das weltweite Abkommenist noch nicht in Kraft. Die Alternati-ven setzen sich nur langsam durch.

Das Gift TBT ist eine schwereErblast. Es führt zu Missbildungenund Unfruchtbarkeit bei Meeres-schnecken, lagert dauerhaft imMeeresboden und ist über dieNahrungskette bei Tieren undMenschen angekommen.

In den 1970er Jahren verursachte dieTBT-Vergiftung den Kollaps der Aus-ternfischerei vor der französischenund britischen Küste. Im täglichenSchiffsbetrieb fallen weitere Chemi-kalien an, die noch zu oft im Meerentsorgt werden.

Auch die boomende Kreuzfahrtindus-trie mit ihren schwimmenden Klein-städten trägt zur Meeresverschmut-zung bei – etwa durch die Einleitungvon ungeklärten Abwässern oder dienicht fachgerechte Entsorgung vonÖl und Chemikalien.

Überraschenderweise wird das Meer-wasser selbst zu einem Problem.Denn gering beladene Frachter neh-men Ballastwasser auf, um die nötigeStabilität zu erreichen. Dieses Wasserwird dann bei der nächsten Beladungabgelassen. Auf diese Weise werdenjährlich 10 Milliarden Tonnen Ballast-wasser um den Globus transportiert –mitsamt Plankton, Krebsen, Muscheln,Algen, Fischen oder Quallen.

1982 kam auf diese Weise dieaggressive Rippenqualle Mnemiopsisleidyi aus dem Atlantik ins SchwarzeMeer und verdrängte einheimischeArten. Die Fischerei brach nahezuzusammen, die Fischer verloren eineMilliarde US-Dollar. Die Delfinbe-stände gingen dramatisch zurück.Ende 2006 entdeckte man die gleicheRippenqualle in der Kieler Förde.

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Die Ostsee ist flach und hat nureinen geringen Wasseraustausch –darum ist sie besonders empfind-lich für Verschmutzungen. Gleich-zeitig ist sie ein Nadelöhr des glo-balen Seeverkehrs. Allein 8.000Tanker passieren pro Jahr diedeutsche Ostseeküste. DerÖltransport hat sich von 1995 bis2006 auf 130 Millionen Tonnen ver-sechsfacht – und nimmt weiterrasant zu. Zugleich steigt die Zahlder Schiffsunfälle. Im Jahr 2005kam es zu 151 Zwischenfällen –eine Steigerung um 150 Prozentgegenüber den Vorjahren.

Bisher ist die Ostsee mit einemblauen Auge davongekommen. Derschwerste Unfall ereignete sich2001. Nördlich der deutschen Küs-te verlor der Tanker Baltic Carriernach einer Kollision „nur“ 1.900Tonnen der geladenen 33.000 Ton-nen Öl. 20.000 Vögel verendeten.Seit 2005 gilt die Ostsee als„Besonders Empfindliches Mee-resgebiet“ (PSSA) mit strengerenRegeln für den Schiffsverkehr.Doch diese Maßnahme reicht nochnicht aus, um die Gefahr einerÖlpest zu bannen.

Viele Reeder kaufen billige und hoch-giftige Treibstoffe ein, die an Bordzur Verbrennung aufbereitet werdenmüssen. Diese Praxis ist für etwa 80Prozent der Ölschäden auf der Nord-und Ostsee verantwortlich ist. So ster-ben rund 30 Prozent der tot aufgefun-den Seevögel in der Deutschen Buchtan Öl, obwohl die Entsorgung derÖlabfälle auf See hier verboten ist.Vor der kanadischen Küste fallen derillegalen Entsorgung von Ölresten imSchiffsabwasser jährlich 300.000 See-vögel zum Opfer.

Die Schiffsemissionen nehmen zu. Ineuropäischen Küstenregionen ist dieSchifffahrt für 90 Prozent der Belas-tungen mit Schwefeldioxid und Stick-oxid sowie für 20-30 Prozent der Fein-staub-Konzentration verantwortlich.

Eine Ausbreitung der aggressivenTiere könnte das Ökosystem der Ost-see schwer schädigen.

Empfindliche MeeresgebieteschonenDer WWF setzt sich für die Auswei-sung „Besonders EmpfindlicherMeeresgebiete“ (PSSA) ein, indenen die Schifffahrt zum Beispieldurch Verkehrstrennung, Tabuzonenund Lotsen sicherer wird. Das Wat-tenmeer, die Ostsee und die atlanti-schen Gewässer von Schottlandbis Portugal sind solche Zonen.www.wwf.de/schifffahrt/

Saubere SchifffahrtDer WWF arbeitet an der Umset-zung internationaler Verträge zumVerbot giftiger Schiffsanstriche,zum Management von Ballastwas-ser, zum Verbot von Einhüllen-Tan-kern, zum Verbot von Öl- undChemikalienentsorgung auf Seesowie für Transparenz in der globa-len Schifffahrtsindustrie.www.panda.org/about_wwf/what_we_do/marine/our_solutions/sustainable_use/shipping

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Ostsee: Am Rande der Ölpest

Dieser Pinguin wurde zum Opfer einerÖlpest vor der Küste Südafrikas.© WWF-Canon / Jürgen Freund

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Internationales WWF-Zentrum für Meeresschutz Hongkongstraße 720457 Hamburg Tel. 0 40 / 53 02 00-0Fax 0 40 / 53 02 00-112 [email protected]

Der WWF Deutschland ist Teil des World Wide Fund ForNature (WWF) – einer der größten unabhängigen Naturschutz-organisationen der Welt. Das globale Netzwerk des WWF istin mehr als 100 Ländern der Erde aktiv. Weltweit unterstützenuns über fünf Millionen Förderer.

Der WWF will der weltweiten Naturzerstörung Einhalt gebietenund eine Zukunft gestalten, in der Mensch und Natur in Harmonie leben. Deshalb müssen wir gemeinsam

- die biologische Vielfalt der Erde bewahren- erneuerbare Ressourcen naturverträglich nutzen und- die Umweltverschmutzung verringern und

verschwenderischen Konsum eindämmen.

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Mit einem Kabeljauskelett aus wirkungslosen EU-Beschlüssen protestierte der WWF im Mai 2007 in Bremen gegen diePlünderung der Ozeane. © WWF / Sabine Vielmo

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