7
Unter dem Losungsworte Krieg und Technik EINE THEMENSCHAU ZUM ERSTEN WELTKRIEG IN SIEBEN STATIONEN

Unter dem Losungsworte Krieg und Technik · dafür sieht der französische Feldchirurg Georges Duhamel die Artillerie, deren zahlreiche Kanonen von ölverschmier-ten Soldaten wie

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Unter dem Losungsworte Krieg und Technik

EinE ThEmEnschau zum ErsTEn WElTkriEg in siEbEn sTaTionEn

Front

HeimatPropaganda

Feldpost

Telegraf

RüstungNachschub

Im Sommer 1914 wird das Technische Museum fertiggestellt, doch kurz vor Eröffnung bricht infolge der österreichischen Kriegserklärung an Serbien der Erste Weltkrieg aus. Dieser Umstand lässt das Museum nicht unberührt. „Un-ter dem Losungsworte Krieg und Technik“ will Direktor Ludwig Erhard fortan sein Haus sehen. Es soll eine patriotische Aufgabe erfüllen und mithelfen, die Bevölkerung bei den Fahnen zu halten. Das ist bitter nötig, denn der Krieg nimmt alle Bereiche der Gesellschaft in Beschlag. Neben den Armeen werden vor allem die Produktionskapazitäten der Landwirtschaft und der Rüstungs-industrie – der so genannten Heimatfront – kriegsentscheidend. Was folgt, ist die Ausbeutung der Gesellschaft bis zum völligen Zusammenbruch.

Vor diesem Hintergrund geht es der Themenschau auch um die Rolle des Technischen Museums selbst, dessen Sammlungen viele Objekte umfasst, die direkt oder indirekt dem Krieg entstammen. Bezeichnend dafür sind die Arm- und Beinprothesen, welche auf Initiative des Museumsgründers Wilhelm Ex-ner hergestellt wurden und 1917 ins Museum gelangten. Der Blick auf die Ge-schichte des Weltkriegs ist insofern auch ein Blick auf die Museumsgeschichte.Die Themenschau „Unter dem Losungsworte Krieg und Technik“ widmet sich diesem Thema in sieben Stationen: Front – Nachschub – Rüstung – Heimat – Propaganda – Feldpost – Telegraf.

Unter dem Losungsworte Krieg und Technik

EinE ThEmEnschau zum ErsTEn WElTkriEg in siEbEn sTaTionEn

Für die junge Generation des Jahres 1914 ist die Front ein unbekannter, ro-mantisch verklärter Ort. Mit Blumen und sonstigen Gaben von der jubeln-den Zivilbevölkerung verabschiedet, ziehen die Soldaten in den Krieg. Sie wollen sich im Kampf gegen den Feind bewähren und ruhm- und sieg-reich bald wieder heimkehren. Tat-sächlich erweist sich die Front als entmenschlichte Zone, als vom Trom-melfeuer systematisch zerstörtes und verbranntes Land, als eine Qual für den menschlichen Körper und ein Martyrium für die Seele. Aus unzähli-gen Geschützen regnen Granaten auf die Soldaten nieder. Mit Flammenwer-fern werden Gräben gesäubert. Gift-gas dringt selbst in die geschützteste

Stellung. Beim Sturmangriff treffen die Soldaten auf tödlich dichte Maschinen-gewehrgarben und stromgeladene Stacheldrahtverhaue.

Weitgehend ahnungslos geraten die oft noch sehr jungen Männer in diese unerbittliche Todesmühle, in der sie zu Millionen umkommen. Als Sinnbild dafür sieht der französische Feldchirurg Georges Duhamel die Artillerie, deren zahlreiche Kanonen von ölverschmier-ten Soldaten wie Maschinen von Arbeitern bedient würden. Der Krieg scheint ihm eine Industrie geworden, ein mechani-sches und methodisches Tötungsun-ternehmen. Tatsächlich gemahnt die Front an eine Hölle auf Erden, der selbst die Überlebenden zeitlebens nicht mehr entkommen.

Front 3

Unersättlich verlan-gen die festgefahrenen Fronten nach Nach-schub an Soldaten, Waffen und Munition. Einem gigantischen Förderband gleich, stellt das wichtigste Massen-transportmittel der Zeit, die Eisenbahn, ununter-brochene Versorgung sicher. Sie liefert das Material, auch das Men-schenmaterial, um die Materialschlachten am

Laufen zu halten. Dabei zeigt sich immer deutlicher, dass jene Partei den Krieg gewinnen wird, die mehr Nachschub aufbieten kann. An den Fronten selbst werden Kleinbahnen errichtet, die Munition und Soldaten in die vordersten Gräben bringen und auf dem Rückweg die Gefallenen wieder zurück zu den Massengräbern im Hinterland verfrachten.

Neben den Weiten des Raums nimmt die Kriegsmaschinerie auch die Lüfte in Beschlag. Mit Hilfe von Flugzeugen werden aus großer Höhe fotografische Aufnahmen vom Feindgebiet gemacht. Aufgrund dieser Aufnahmen planen die Generäle in den rückwärtigen Kommanden ihre weiteren Angriffe. Nach stundenlangem Trommelfeuer der Artillerie werden neuerlich Luftbilder auf-genommen, um die Zerstörungswirkung der Granaten zu ermessen. Blut und Tod zeigen die abstrakten Bilder aus der Vogelperspektive freilich nicht.

Knapp nach Kriegsende erhält das Technische Museum für seine Sammlung vom Fliegerarsenal der k.u.k. Luftfahrttruppen Flugzeugmotoren und sonstige Bordinstrumente. Letzten Endes kommt man unter mysteriösen Umständen sogar zu einem ganzen Doppeldeckerflugzeug des Typs Aviatik-Berg D I, das man laut der Verbotsbestimmungen des Friedensvertrages des Jahres 1919 eigentlich gar nicht besitzen darf.

Nachschub 4

Gefallene italienische Soldaten

Stahlhelm

Salcano-Eisenbahnbrücke

Der Weltkrieg ist auch ein Krieg der In-genieure, die sich in der Entwicklung von Zerstörungstechnik gegenseitig über-bieten. Eisen- und Stahlwerke sowie Pul-verfabriken, die unaufhörlich Waffen und Munition produzieren, erweisen sich als ebenso bedeutsam wie Armeen. Infolge der Seeblockade der Alliierten werden in Deutschland wie in Österreich-Ungarn jedoch bald Rohstoffe knapp. Für die Rüs-tung wichtige Metalle wie Kupfer, Blei, Aluminium, Nickel, Zinn und Zink ver-sucht man deshalb durch Ankäufe und Beschlagnahmungen zu organisieren. Der Ersatz des wertvollen Kupfers durch andere Metalle etwa bei den Stromnet-zen diverser Elektrizitätswerke macht Kupfer für die Rüstungsindustrie frei.

Mit zunehmender Verschärfung der Krise wird auch die Bevölkerung aufge-fordert, ihre Metallgegenstände zum Einschmelzen abzuliefern. Im Rahmen der Patriotischen Kriegsmetall-Sammlung werden etwa Küchenmörser aus Messing gegen solche aus Eisen getauscht. In Plakaten wird aufgerufen: „Wer einen Messing-Küchenmörser spendet, hilft mit, unsere Feinde zu besiegen!“ Doch landen nicht alle Metallspenden im Schmelzofen. Ausgesuchte Kunstge-

genstände werden in Ausstellungen gezeigt; der Erlös kommt kriegsfürsorgerischen Zwecken zugute. Diese Objekte,

darunter ein bronzener Chanukkaleuchter, landenletztlich über Vermittlung des so genannten Militär-

liquidierungsamts, das die Hinterlassenschaft des Krieges, soweit brauchbar, unter den staatlichen

Institutionen aufteilt, im Museum. Auf Ebene 2 im Bereich Schwerindustrie ist heute eine Auswahl

dieser Objekte zu sehen.

Bei der Ernährung der Zi-vilbevölkerung, die kaum weniger kriegsentscheidend ist als die Rüstung, machen sich ebenfalls bald Mangeler-scheinungen bemerkbar. Mit Lebensmittelmarken werden die wichtigen Nahrungsmit-tel rationiert, für so Manches werden Ersatzstoffe entwi-ckelt. Die fortschreitende Verelendung der Bevölke-rung gipfelt dennoch in Hun-gersnöten.

Auch an der „Heimatfront“ sind zahllose Opfer zu beklagen, Alte, Frauen und Kinder zumeist. Streiks und Demonstra-tionen tragen letztlich dazu bei, den militärischen Zusammenbruch herbeizuführen.

Eine Hinterlassenschaft des Krieges bilden neben Millionen Toten ungezählte Invalide. Den so genannten „Kriegszitte-rern“ rückt man mit Elektroschocks zu Leibe, um sie von ihren schweren Granatentraumata zu befreien. Arm- und/oder Beinamputierte werden mithilfe von Prothesen notdürf-tig instand gesetzt und so zumindest für den Produktionspro-zess wieder verwendbar gemacht. Manche Versehrte haben das Glück, von den Behörden mit einer Tabaktrafik oder einer Drehleierkonzession zum Betteln bedacht zu werden.

Der Museumsgründer Wilhelm Exner engagiert sich bereits während des Krieges für die Amputierten. Er richtet eine Prothesenwerkstatt ein, deren Erzeugnisse im Zuge von Ausstellungen tatkräftig beworben werden. Die Exponate gehen 1917 in die Sammlung des Museums ein und sind heute auf Ebene 3 im Bereich Alltag ausgestellt.

Rüstung 5 Heimat 6

Hungrige Rüstungsindustrie

Metallspende: Chanukkaleuchter

Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess

Zerstörte Körper

Die großen Zeitungen sehen es als ihre vordringliche Aufgabe an, österreichi-sche Siege würdig zu präsentieren. Die Fotoillustrierten und die Kino-Wo-chenschauen haben die Leistungen der Armee ins rechte Licht zu rücken. Siegessichere Bilder sollen die Bevöl-kerung bei den Fahnen halten. Not, Tod und Elend sind kaum zu sehen. Dafür sorgt die Zensur. Das Kriegsar-chiv zensuriert Fotos und Filme, das Kriegsüberwachungsamt die großen Wiener Zeitungen. Anstößige Passa-gen müssen aus dem fertigen Spal-tensatz herausgestemmt werden: vor allem Berichte über Niederlagen oder über die hungernde Bevölkerung. Die Arbeiter-Zeitung erscheint regelmäßig mit weißen Zensurflecken.

Dem Durchhalten dient auch die Musik. Patriotische Soldatenlieder und mit-reißende Marschmusik sollen die Menschen für den Krieg begeistern. Ziel ist das „Zusammenschmelzen aller in einer stürmenden Idee“, wie dies beim gemeinsamen Singen von patriotischen Liedern zu beobachten sei. Volksfesthafte Veranstaltungen, oft mit Militärmusik-kapellen, dienen dieser patriotischen Berauschung.

An der Front kommt der Musik kaum weniger Bedeu-tung zu. Sie dient als Einpeitscher und als Trostspender, sei es beim gemeinsamen Musizieren im Lager während der Kampfpausen oder beim Feldgottesdienst, oft un-ter freiem Himmel, begleitet von den Klängen eines Feldharmoniums.

Die gebührenfrei be-förderte Feldpost hält den Kontakt zwischen den Solda-ten an der Front und den Angehörigen daheim aufrecht. Da die Soldaten an der Front keine Adresse haben, der Standort ihrer Einheit sich oft verändert und über-dies geheim gehalten wird, müssen Ange-hörige auf Briefen

und Karten die Feldpostnummer der jeweiligen Truppeneinheit angeben. Die Feldpostbediensteten wissen, wo die Einheit mit der betreffenden Nummer gerade steht.

Die tariffreie Post wird allerdings penibel kontrolliert. Wie der Telefon- und Tele-grammverkehr unterliegt auch jegliches Poststück der Zensur. Karten werden von Zensoren gelesen, Briefe geöffnet, Pakete kontrolliert. Offiziell geht es um die Wahrung militärischer Geheimnisse, faktisch auch darum, Kritik an der Kriegsführung zu unterdrücken. Die ordnungsgemäß vorgenommene Zensur besiegeln rote Stempel mit dem Wortlaut „Zensuriert“ oder „Überprüft“.

Die ausgestellte Plombenzange stammt aus einer für die Abwicklung der Feld-post in der österreichischen Festung Pr-zemysl vorgesehenen Feldpostausstat-tung. Die Postutensilien kommen dort aber nicht mehr zum Einsatz, da die Fes-tung 1914 von russischen Truppen einge-nommen wird.

Propaganda 7 Feldpost 8

Illustrierte Siegesberichterstattung

Musik, die Trost spendet

Post von daheim

Zensurierte Grüße von der Front

Technische Fortschritte in der Nachrichtentech-nik ermöglichen eine effiziente Koordinie-rung der zahlreichen eingesetzten Truppen-teile. Die Drähte des elektrischen Telegrafen und des Telefons wer-den bis in die vorders-ten Stellungen gezo-gen, um Verbindung zu halten.

Ebenfalls zum Einsatz kommen moderne Funkstationen, die in den Schützen-gräben den unbestreitbaren Vorzug aufweisen, dass sie keiner Drähte bedür-fen, die von den Feinden durchgeschnitten oder zerschossen werden können. Allerdings sind sie nicht abhörsicher, weshalb in der Regel nur verschlüsselte Funksprüche in den Äther abgesetzt werden.

Die moderne Nachrichtentechnik erlaubt den Kommandierenden, ihre Armeen von zentraler Stelle aus zu dirigieren. Für die zumeist im sicheren Hinterland ersonnenen Angriffspläne zahlen vorne an den Fronten ganze Generationen junger Männer mit ihrem Leben.

Unter den ausgestellten Objekten befin-det sich ein Feldtelegraf der italienischen Armee, erbeutet laut einer Einritzung im Deckel am 22. Mai 1916 bei Valmorbia. Das Schicksal seiner Bedienungsmannschaft ist nicht vermerkt.

Telegraf 9

Projektteam:Wolfgang Pensold, Otmar Moritsch, Peter Donhauser, Caroline Haas, Mirko Herzog, Bettina Jernej, Christian Klösch, Helmut Lackner, Edith Leisch-Prost, Ingrid Prucha, Franz Rendl, Erika Simoni-Kinnl, Christian Stadelmann, Hubert Weitensfelder Stephanie Baumgärtner, Peter Bruckmaier, Ursula Emesz, Barbara Hafok, Eva Hörmanseder, Rudolf Kitzmüller, Dominik Lang, Axel Stefan Lichtblau, Peter Pöll, Bettina Sanchez Romero, Peter Sedlaczek, Sophie Weichhart, Friedrich Weixelbaumer Dank an:Bezirksmuseum MariahilfDorfmuseum MönchhofFilmarchiv AustriaGeldmuseum der Österreichischen NationalbankHeeresgeschichtliches MuseumÖsterreichische NationalbibliothekWien Museum

Soldatengräber an der Front

Erbeuteter Feldtelegraf