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Unter welchen Bedingungen können Bildungsstandards den Unterricht verbessern ? Was können Schulen dafür tun? Eckhard Klieme Informationsveranstaltung für Schulleiterinnen und Schulleiter des Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend Mainz, 26. Januar 2004

Unter welchen Bedingungen können Bildungsstandards den ...bildungsstandards.bildung-rp.de/fileadmin/.../Referat-Klieme-Mainz_02.pdf · Pädagogische Goodwill- Integrative politik

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Unter welchen Bedingungen können Bildungsstandards den Unterricht verbessern ?

Was können Schulen dafür tun?

Eckhard Klieme

Informationsveranstaltung für Schulleiterinnen und Schulleiter desMinisteriums für Bildung, Frauen und Jugend

Mainz, 26. Januar 2004

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Gliederung

1. Bildungsstandards: Anlass, Zweck, Konzeption

2. Standards als Instrumente für Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung

3. Aufgaben der Schulen und der Unterstützungssysteme

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Standardsicherung als Aspekt der Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (Fend)

Ausbau der Unterstützungssysteme

Pädagogische Goodwill- Integrativepolitik Qualitätssicherung

Standard-

sicherung

Vernachlässigung ExterneKontrolle

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Zitat

1971

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Es ging (und geht) um

LeistungsanforderungenLeistungskontrolle

a) das „objektiv“ erreichte Leistungsniveaub) Vergleiche

- im Zeitverlauf (Entwicklungstrends) - zwischen Schulen - zwischen SchülerInnen

c) Bewertung und Benotung

Gültigkeit des Diagnostischen Urteils GerechtigkeitFörderung

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

PISA 1: Benotungsmaßstäbe variieren zwischen Ländern und zwischen Schulformen, aber

auch zwischen Einzelschulen (hier: in Rheinland-Pfalz)

Hauptschulen

PIS

A-T

este

rgeb

nis

160

140

120

100

80

60

40

Realschulen Gymnasien

Note

2,00

4,00

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

PISA 2: Mindestniveau wird unzureichend gesichert

200 300 400 500 600 700 800

Luxemburg

Italien

Schweiz

Dänemark

Vereinigte Staaten

Frankreich

Norwegen

Österreich

Belgien

Schweden

Japan

Vereinigtes Königreich

Australien

Kanada

Finnland

OECD-Durchschnitt

Deutschland

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

PISA 3: Anforderungsschwerpunkte entsprechen nicht den modernen fachdidaktischen Konzepten

(hier am Beispiel der Mathematik)

PISA international

PISA national

TIMSS-Aufgaben

Ländertests

100

60

40

20

0

Begriffliches Modellieren

Rechnerisches Modellieren

Technische Fertigkeiten80

Ant

eil i

n P

roze

nt

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Fazit: Anforderungen und BewertungsmaßstäbeDie inhaltlichen Anforderungen und die Bewertungs-

maßstäbe im Schulsystem sind diffus. Sie müssen a) neu definiert und b) überprüft werden im Hinblick auf

• Niveau,• inhaltliches Profil,• Vergleichbarkeit (-> Gerechtigkeit),• verbindliche Mindestanforderungen

(-> Förderbedarf),• Transparenz,• Realisierbarkeit.

Lehrer und Lehrplanentwickler brauchen eine klare Vorstellung von der erwarteten und der realen Kompetenzentwicklung.

Diesem Zweck sollen Bildungsstandards dienen.

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Was sind Bildungsstandards?

Bildungsstandards benennen Ziele für die pädagogische Arbeit, ausgedrückt als erwünschte Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler.

Damit konkretisieren Standards den Kern des Bildungsauftrags, den Schulen zu erfüllen haben.

Bildungsstandards selbst legen nicht fest, was guter Unterricht ist. Sie beeinflussen den Unterricht indirekt- durch einen pädagogischen Orientierungsrahmen- durch den Blick auf Lernergebnisse (Evaluation)

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Was ist neu an Bildungsstandards ?

• Klare, (schulform-übergreifend) verbindliche (Mindest-) Anforderungen

• Freiraum für schulinterne Lernplanung (mit Unterstützung durch Lehrerbildung, Schulaufsicht, Landesinstitute)

• Fokussierung auf zentrale, langfristig aufgebaute Lernergebnisse

• Statt Lernzielkatalog: Kompetenzmodell (= Systematisches, fachdidaktisch verankertes Konzept von Kompetenz-stufung und -entwicklung) als Referenzrahmen

• Empirische Operationalisierung und Prüfung der Kompetenz-modelle durch Aufgaben und Tests

• Systematische Erhebung von Lernergebnissen als Basis für Qualitätsentwicklung: Qualitätssicherung

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Wie sehen Kompetenzmodelle aus? Bereiche/Dimensionen, Stufen

Beispiel: Lesekompetenz in PISA

Stufe Informationen ermitteln

Textbezogen interpretieren

Reflektieren und bewerten

V Versteckte Informationen erschließen

Detailverstehen bei unvertrauten Themen

Kritisch zum Text Stellung nehmen

III Beziehungen erkennen

Textteile integrieren

Textmerkmale bewerten

I Explizite Information lokalisieren

Auffällige Hauptgedanken wiedergeben

Verbindung zu Alltagswissen herstellen

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

• Kommunikative Fertigkeiten Hör- und Hör-/Sehverstehen, Leseverstehen, Sprechen (an Gesprächenteilnehmen und zusammenhängendes Sprechen), Schreiben und Sprachmittlung

• Verfügung über sprachliche Mittel Wortschatz, Grammatik, Aussprache und Intonation, Orthographie.

• Interkulturelle Kompetenzen soziokulturelles Orientierungswissen, verständnisvoller Umgang mit Differenz,praktische Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen

• Methodenkompetenzen Strategien für die Kommunikation und das Lernen

KMK-Standards für den mittleren Abschluss (Regelstandards)

Beispiel: Erste Fremdsprache

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

InputRessourcen, Vorgaben

Lehr-Lern-ProzesseSchulkultur usw.

LernergebnisseWirkungen

Testverfahren

Lokale, professionelle Schulentwicklung

Bildungsstandards

Externe UnterstützungQualitätsentwicklung und Qualitätssicherung

Integrierte Qualitätssicherung und -entwicklung

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Bildungsstandards und Qualitätssicherung

Bildungsstandards für Kernbereiche,darauf bezogenes Systemmonitoring

Bildungsstandards + weitere pädagogische Ziele (z.B. fächerübergreifende Ziele) + Qualitätskriterien für Schule (z.B. Schulklima) und Unterricht,darauf bezogene Schulevaluation:

intern - extern standardisiert - durch Inspektion ?

Bildungsstandards+ pädagogische Kriterien im Einzelfallsind Basis für individuelle Diagnostik und Benotung.

mit unterschiedlichen, aber abgestimmten Instrumenten Gemeinsamer Bezug: Kompetenzmodelle

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Nutzen output-bezogener Bildungsstandards in der Qualitätssicherung

Allgemein:• Vergewisserung über gemeinsame Ziele und Kriterien

Für Schulen (und Länder): • Rückmeldung über Rahmenbedingungen und Ergebnisse

(Stärken und Schwächen, Entwicklungsbedarf)

Für Lehrkräfte:• Rückmeldung über Bewertungsmaßstäbe

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Bildungsstandards und Qualitätsentwicklung

Bildungsstandards können und dürfen die pädagogische Verantwortung für Lehren und Fördern, Fordern und Bewerten nicht aufheben.

Bildungsstandards (und andere Instrumente der Qualitätssicherung) sind nur dann nützlich, wenn sie professionelles Lernen in den Schulen voranbringen.

Ziel: Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung

durch Diagnose – Veränderung – Evaluation

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Nutzen output-bezogener Bildungsstandards in der Qualitätsentwicklung:

• Vergewisserung über gemeinsame Ziele (Kompetenzmodelle)

• Anstoß zur Sicherung von verbindlichen Niveaus durch gezielte Förderung

• Offenhalten von Freiräumen für Schulentwicklung und päd. Handeln, insbesondere für schulinterne Lernplanung

• Lernen aus Erfahrung und Rückmeldung

• Impuls für verbesserte Diagnostik

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Aufgaben für die Administration bzw. die Unterstützungssysteme

1. In der Rolle der Lehrplanentwickler

Systematischer Abgleich mit Lehrplänen, Prüfungen, landesweiten Orientierungsarbeiten

2. In der Rolle der Evaluationsagenturen

- Testentwicklung (Aufgabenpools, Normierung)- Fachdidaktische und psychologische Vertiefung der

Kompetenzmodelle- Strategien und Instrumente der Schulevaluation - Rückmeldungen (ohne Ranking !)- Beratung der Schulen

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

3. In der Rolle der LehrerbildnerFortbildung zu - Kompetenzmodellen.- Diagnostk, Evaluation

4. In der Rolle der Schulentwicklungsberater

Unterstützung der Einzelschule

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Aufgaben für die Schulen1. Zentrales Motiv: Differenzierter Blick auf Lernergebnisse

2. Kompetenzmodelle und Aufgabenbeispiele als Orientierung

3. Fachkollegien als professionelle Lerngemeinschaften- Verständigung über Ziele und Kernbereiche- Gemeinsame Unterrichtsentwicklung

(Lernplanung, Diagnostik, Förderstrategien,Unterrichtsqualität)

4. Produktiver Umgang mit Tests und Evaluation - schulinterne Parallelarbeiten- landesweite und bundesweit normierte Vergleichsarbeiten

5. Entwicklung schulspezifischer Curricula und Förderangebote (= schulinterne Arbeitspläne)

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Ausgangssituation

Orientierung an Kompetenzmodellen,

obwohl Modelle noch in der Entwicklung sind

Vorarbeit für Evaluation,

obwohl Tests und Strategien noch in der Entwicklung sind

Ansatz bei Schul- und Unterrichtsentwicklung,

obwohl diese von Standards nur indirekt angesprochen werden.

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Pragmatischer Start:

Diskussion der Bildungsstandards und Kompetenzkonzepte in den Fachkollegien

Bezug auf eigene Arbeitssituation

Was sind unsere zentralen Ziele?Worin sehen wir die Kernbereiche unseres Faches?Wie sichern wir kumulatives Lernen? (z.B. bei Lehrerwechsel)Nach welchen Kriterien bewerten wir Schülerleistungen?Wie gewinnen und nutzen wir diagnostische Information?

Entwicklungsschritte:

Verbindliche Absprachen für LehrerwechselVergleichsarbeitenFörderkonzepteGemeinsame Unterrichtsentwicklung

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

Was wir brauchen: LernklimaUnterstützung statt Leistungsdruck

Leistungsdruck Unterstützung

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Aus

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Aus

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Ger

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Pol

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Hun

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Rus

s. F

eder

atio

n

Kor

ea

Beziehungsqualität

0,50,40,30,20,1-0,0-0,1-0,2-0,3-0,4-0,5

Klieme: Bildungsstandards, Schule und Unterricht Mainz, 26. Januar 2004

FazitBildungsstandards sind ein staatliches Steuerungsmittel für die anstehende Bildungsreform.Allein genommen, stellen sie lediglich eine neue Form von curricularen Vorgaben dar.

Damit sie einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung leisten, müssenBildungsstandards gekoppelt werden mit- Diskussion von Zielen (Kompetenzmodellen)- pädagogischen Initiativen zur Schul- und Unterrichts-

entwicklung und Professionalisierung (z.B. über Kompetenzmodelle, Diagnostik, Fördermaßnahmen)

- Evaluation und Monitoring.

Dies erfordert eine konzertierte Aktivität vonSchulen, Unterstützungssystemen, Bildungsadministration und Wissenschaft.