3
KOMPONENTEN AUTOR Unterbrechungsfreie Stromversorgung Wehe, wenn er ausfällt Ein schönes Bild: Bei den Cruise Days laufen sieben Kreuzfahrtschiffe in den Hamburger Hafen ein, jeden Abend ein anderes. Aus hunderten von Lichtern strahlend, schieben sich die Giganten langsam in Richtung Kai. Während die weiblichen Zuschauer vermutlich von ei- ner romantischen Kreuzfahrt träumen, versuchen die Elektrotechniker unter der Menge vielleicht, den Strombedarf solch eines Ozeanriesen abzuschätzen. Der ist gewaltig: Hunderte von Kilowatt erzeugt und verbraucht so ein Schiff, bei Frachtern und Tankern können es mehrere Mega- watt sein. Vorschriften für die Sicherheit Ein guter Teil dieser Leistung muss auch in Notfällen ausfallsicher zur Verfügung stehen – ein Fall für eine unterbrechungs- freie Stromversorgung (USV). Für den Ein- satz auf Schiffen ist aber nicht jede belie- bige USV geeignet. Weil das Leben der Passagiere und der Besatzung von der einwandfreien Funktion der Steuer- und Funksysteme abhängt, sind die Anforde- rungen auf See besonders hoch. Welche das sind, bestimmen internationale Vor- schriften wie die Solas-Richtlinie (Inter- national Convention for Safety of Life at Sea) von 1974 und die Klassifikations- gesellschaften, welche die Schiffe in KIas- sen einteilen. Von diesen Gesellschaften gibt es zehn international Anerkannte. Man kann sie mit dem TÜV im Kraftfahr- zeugbereich vergleichen, wobei die Klas- sifikationsgesellschaften schon früh in die Entwicklung und Planung von Schif- fen involviert sind. Klassifikation und internationale Richt- linien sind erheblich strenger als die An- forderungen der meisten Kunden aus dem typischen IT(Isolé Terre)-Umfeld an Land. So verwenden Schiffe oft mehrere getrennte Stromnetze, die sich in ihrem Isolationskonzept unterscheiden. Auf der Mittelspannungsseite handelt es sich ge- wöhnlich um ein TN(Terre Neutre)-Netz, während die Niederspannungsseite in der Regel als IT-Netz ausgeführt ist. Bei IT- Netzen sind die leitfähigen Materialien, wie die Gehäuse der mit Strom betriebe- nen Geräte, zwar wie in einem herkömm- lichen (TT Terre Terre-)System geerdet, der Sternpunkt des einspeisenden Transfor- mators ist es allerdings nicht. Das hat den Vorteil, dass der erste Isolationsfehler zwischen einem Außenleiter und einem Staffan Revemann ist Director Global Accounts bei der Newave SA, Quartino/Schweiz. 42 IEE 10-2008 Wichtige Steuersysteme müssen funktionieren, auch bei einem Stromausfall. Das ist in einem Rechenzen- trum nicht anders als an Bord eines Schiffes. USVs gehören deshalb auch auf See zur Standardausrüstung. Allerdings erfüllt nicht jede USV die hohen Anforderungen, die durch internationale Richtlinien und die Klassifikationsgesellschaften vorgegeben werden. Tausende Lichter in der Nacht – ein romantischer Anblick. USVs sorgen dafür, dass bei Stromausfall die Lichter nicht ausgehen und vor allem wichti- ge Funk- und Steuersysteme weiterlaufen.

Unterbrechungsfreie Stromversorgung Wehe, wenn er ausfällt · trafo am Ausgang. Erschwert wird die Situation für die USV-Hersteller zusätzlich durch die Vielzahl der Spannungen

  • Upload
    lamphuc

  • View
    215

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Unterbrechungsfreie Stromversorgung Wehe, wenn er ausfällt · trafo am Ausgang. Erschwert wird die Situation für die USV-Hersteller zusätzlich durch die Vielzahl der Spannungen

KOMPONENTEN

� AUTOR

Unterbrechungsfreie Stromversorgung

Wehe, wenn er ausfällt

� Ein schönes Bild: Bei den Cruise Days laufen sieben Kreuzfahrtschiffe in den Hamburger Hafen ein, jeden Abend ein anderes. Aus hunderten von Lichtern strahlend, schieben sich die Giganten langsam in Richtung Kai. Während die weiblichen Zuschauer vermutlich von ei-ner romantischen Kreuzfahrt träumen, versuchen die Elektrotechniker unter der Menge vielleicht, den Strombedarf solch eines Ozeanriesen abzuschätzen. Der ist gewaltig: Hunderte von Kilowatt erzeugt und verbraucht so ein Schiff, bei Frachtern und Tankern können es mehrere Mega-watt sein.

Vorschriften für die Sicherheit Ein guter Teil dieser Leistung muss auch in Notfällen ausfallsicher zur Verfügung stehen – ein Fall für eine unterbrechungs-freie Stromversorgung (USV). Für den Ein-

satz auf Schiffen ist aber nicht jede belie-bige USV geeignet. Weil das Leben der Passagiere und der Besatzung von der einwandfreien Funktion der Steuer- und Funksysteme abhängt, sind die Anforde-rungen auf See besonders hoch. Welche das sind, bestimmen internationale Vor-schriften wie die Solas-Richtlinie (Inter-national Convention for Safety of Life at Sea) von 1974 und die Klassifikations-gesellschaften, welche die Schiffe in KIas-sen einteilen. Von diesen Gesellschaften gibt es zehn international Anerkannte. Man kann sie mit dem TÜV im Kraftfahr-zeugbereich vergleichen, wobei die Klas-sifikationsgesellschaften schon früh in die Entwicklung und Planung von Schif-fen involviert sind. Klassifikation und internationale Richt-linien sind erheblich strenger als die An-forderungen der meisten Kunden aus

dem typischen IT(Isolé Terre)-Umfeld an Land. So verwenden Schiffe oft mehrere getrennte Stromnetze, die sich in ihrem Isolationskonzept unterscheiden. Auf der Mittelspannungsseite handelt es sich ge-wöhnlich um ein TN(Terre Neutre)-Netz, während die Niederspannungsseite in der Regel als IT-Netz ausgeführt ist. Bei IT-Netzen sind die leitfähigen Materialien, wie die Gehäuse der mit Strom betriebe-nen Geräte, zwar wie in einem herkömm-lichen (TT Terre Terre-)System geerdet, der Sternpunkt des einspeisenden Transfor-mators ist es allerdings nicht. Das hat den Vorteil, dass der erste Isolationsfehler zwischen einem Außenleiter und einem

Staffan Revemann ist Director Global Accounts bei der Newave SA, Quartino/Schweiz.

42 IEE 10-2008

Wichtige Steuersysteme müssen funktionieren, auch bei einem Stromausfall. Das ist in einem Rechenzen-trum nicht anders als an Bord eines Schiffes. USVs gehören deshalb auch auf See zur Standardausrüstung. Allerdings erfüllt nicht jede USV die hohen Anforderungen, die durch internationale Richtlinien und die Klassifikationsgesellschaften vorgegeben werden.

Tausende Lichter in der Nacht – ein romantischer Anblick. USVs sorgen dafür, dass bei Stromausfall die Lichter nicht ausgehen und vor allem wichti-ge Funk- und Steuersysteme weiterlaufen.

Page 2: Unterbrechungsfreie Stromversorgung Wehe, wenn er ausfällt · trafo am Ausgang. Erschwert wird die Situation für die USV-Hersteller zusätzlich durch die Vielzahl der Spannungen

KOMPONENTEN

leitfähigen Gehäuse oder der Erde keine Erdung des Leiters herbeiführt. Die USV muss also in der Lage sein, in ein IT-Netz einspeisen zu können. Dies erfordert ei-nen ausreichend dimensionierten Trenn-trafo am Ausgang. Erschwert wird die Situation für die USV-Hersteller zusätzlich durch die Vielzahl der Spannungen und Frequenzen, die auf einem Schiff verwendet werden können. Von 400 bis 480 V ist alles dabei. Bei grö-

ßeren Schiffen sind auch Mittelspan-nungsnetze von 6,6 kV üblich. Als Fre-quenzen kommen je nach Werft und Auf-traggeber 50 oder 60 Hz vor. Um unter derart schwierigen Bedingungen mit sei-ner Technik überhaupt beim Stapellauf dabei zu sein, muss ein USV-Anbieter sei-ne Produkte mit speziellen System-schränken liefern können, die besonders gegen Feuchtigkeit, salzhaltige Luft und Vibrationen geschützt sind. Für letztere gibt es mechanische Stoßdämpfer, wel-che die zum Teil sehr starken Erschütte-rungen, denen ein Schiff auf hoher See ausgesetzt ist, ausgleicht.

Radar und Funk müssen jederzeit funktionieren Hauptaufgabe der USV ist das Überbrü-cken von Stromausfällen, damit wichtige Systeme wie Radar und Funk auch dann weiterlaufen, wenn die Schiffsdiesel-aggregate nicht mehr arbeiten. Dazu ge-hören beispielsweise ECDIS (Electronic Chart Display and Information Systems), Radar, der Voyage Data Recorder und na-türlich die Funk- und Satellitenkommuni-kation des Schiffes. Weil die Stromversorgung unter Umstän-den stundenlang überbrückt werden muss, sind sehr große Akkusätze notwen-dig. Diese muss der USV-Hersteller me-chanisch genauso schützen wie die Leis-tungselektronik. Wie lange die Systeme bei Stromausfall zu versorgen sind, legen die Klassifikationsgesellschaften fest. Noch detaillierter legt die Solas-Richtlinie

IEE 10-2008 43

Die Leistungsmodule können schnell und einfach gewechselt werden.

� KOMPAKT

Fällt der Strom auf einem Schiff aus, müssen wichtige Steuer- und Funksyste-me trotzdem funktionieren. Unterbre-chungsfreie Stromversorgungen (USV) sind hier gefragt. Für den Einsatz auf ho-her See müssen diese jedoch strenge Vorgaben durch Richtlinien und Klassifi-kationsgesellschaften erfüllen. Dazu kommen die unterschiedlichen elektri-schen Parameter auf Schiffen, abhängig von deren Einsatzzweck und Größe, so-wie die Besonderheiten bei der Elektro-planung. Beispielsweise gibt es auf Schiffen eine Vielzahl möglicher Span-nungen und Frequenzen. Meist herr-schen beengte Platzverhältnisse. Gene-ratoren, Motoren und Pumpen erzeugen Oberwellen und Störspannungen, die ei-ne USV voll ausregeln muss. Für diese Be-dingungen müssen die Geräte kompakt, robust und kosteneffizient sein.

Page 3: Unterbrechungsfreie Stromversorgung Wehe, wenn er ausfällt · trafo am Ausgang. Erschwert wird die Situation für die USV-Hersteller zusätzlich durch die Vielzahl der Spannungen

KOMPONENTEN

in ihrer jeweils geltenden Fassung die An-forderungen an ein Notstromsystem fest. Für die Versorgung der Funkanlage ist beispielsweise die maximale Neigung de-finiert, bis zu der die Akkus der USV im-mer noch ihre Nennkapazität behalten sollen (22,5 °). Ebenso existieren Vorgaben für die maximale Ladezeit, bis die Akkus wieder vollständig aufgeladen sind (10 h), und Richtlinien, welche Signal-anzeigen und Messwerte der USV auf der Brücke des Schiffs abrufbar sein müssen. An Bord müssen außerdem größere Bandbreiten von Spannungs- und Fre-quenzschwankungen ausgeregelt wer-den als im stationären Betrieb. Denn die zahlreichen elektrischen Generatoren, Motoren und Pumpen erzeugen Ober-wellen und Störspannungen. Auf den Akkubetrieb darf die USV dabei natürlich nur im Extremfall zurückgreifen. Je mehr Schwankungen, Einbrüche und Spitzen sie im Normalbetrieb filtern kann, desto besser.

Weitere Systeme nicht vergessen Neben den besonders wichtigen Anlagen eines Schiffes, die der Klassifikation un-terliegen, gibt es noch eine ganze Reihe von Systemen, die ebenfalls bei Strom-ausfällen gepuffert werden müssen, ob-wohl sie nicht Klasse-relevant sind. Dazu gehören beispielsweise alle PCs und Ser-ver auf dem Schiff, die keine lebenswichti-gen Kommunikationsaufgaben oder Ser-vices bereitstellen. Auch das Entertain-ment-System fällt in diese Kategorie. Gut, wenn ein USV-Hersteller Geräte mit und ohne Zertifizierung der Klassifikati-onsgesellschaften aus einer Hand liefern kann. Das ist ein Grund, warum Newave-USVs an Bord der Aida Cara ihren Dienst verrichten. Der zuständige Ingenieur war auf der Suche nach einer skalierbaren USV-Lösung, welche die steigenden Leis-tungsanforderungen des 1996 in Dienst genommenen Schiffs abdecken konnte. Noch wichtiger für die Entscheidung war allerdings die modulare Bauweise der

Conceptpower DPA-Anlagen. Diese war besonders von Vorteil, weil USVs nach-gerüstet werden sollten, die Räume aber mit anderen Geräten vollgestellt waren. Der Einbau eines großen monolithischen Systems wäre dadurch fast unmöglich gewesen. Durch die Modulbauweise lie-ßen sich die drei Conceptpower-DPA-Ge-räte relativ einfach vor Ort transportieren und integrieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass im Falle eines Fehlers die Redundanz innerhalb weniger Minuten durch den Austausch des betroffenen Moduls wie-derhergestellt werden kann. Die Aida Ca-ra führt deshalb mehrere Ersatzmodule an Bord mit. Außerdem hat Newave den Service so flexibel organisiert, dass bei Bedarf auch schnell ein Techniker vor Ort sein kann.

� infoDIRECT 794iee1008

www.iee-online.de � Link zur USV