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307 Untersuchungen uber die Sorbinsaure und Parasorbinsaure ; von Bud. Fittig und J. R. Barringer. (Eingelaufen den 3. Januar 1872). __ Den schonen Arheiten von H o f ni a n n verdanlten wir die Kenntnifs einer sehr interessanten Pflanzensiiure , welche von ihm nach ihrem Vorkommen den Namen Sorhinsuure erhielt 3). Zur Zeit ihrer Entdeckung stand diese SPure ziemlich isolirt da; sic war gewisserniafsen der Vertreter einer neuen Gruppe von SPuren, die ihrer Zusammensetzung und, wie die Sorbin- saure es wahrscheinlicli niachte , auch ihren physikalischen Eigenschaften nach den Uebergang von den Sliuren der Fett- saure- und Oelsiiurereihe zu den arotnatischen Sauren bildeten. Seitdem sind wir iiiit drei anderen Sluren , der PulmitoE, Stearol- und Beherdsawe bekannt geworden, welche der- selben homologen Reilic angehiiren. Die selrr wertlivollen Arbeiten B a e y e r ' s und seiner Schiiler liahen gezeigt , dafs durch indirecte Wasserstoffentziehung die hoheren G!icder der Oelsaurereihe in Sauren dieser neuen Reihe iibergefiihrt wer- den kiinnen, und in der letzten Zeit ist von G eu t h'er **) auch das Glied mit vier Kohlenstoffatomen , die Tetrolsaure, auf lhnliche Weise aus der Crotonsaure dargestellt worden. Die Beziehungen, in welchen diese Sauren zu andereti langer bekannten Korpern stehen , sind durch ihre Bildungsweisen bis zu einem gewissen Grade aufgekliirt ; das am langsten be- kannte Glied dieser Reihe, die Sorbinsaure, aber ist auffalliger Weise seit ihrer Enldeckung nicht wieder Gegenstand einer Untersuchung geworden, obgleich das so sehr merkwiirdige *) %se Annalen 110, 129. **) Zeitachrift ftir Chemie 1871, 237. 2Q*

Untersuchungen über die Sorbinsäure und Parasorbinsäure

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Page 1: Untersuchungen über die Sorbinsäure und Parasorbinsäure

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Untersuchungen uber die Sorbinsaure und Parasorbinsaure ;

von Bud. Fittig und J . R. Barringer. (Eingelaufen den 3. Januar 1872).

__

Den schonen Arheiten von H o f ni a n n verdanlten wir die Kenntnifs einer sehr interessanten Pflanzensiiure , welche von ihm nach ihrem Vorkommen den Namen Sorhinsuure erhielt 3). Zur Zeit ihrer Entdeckung stand diese SPure ziemlich isolirt da; sic war gewisserniafsen der Vertreter einer neuen Gruppe von SPuren, die ihrer Zusammensetzung und, wie die Sorbin- saure es wahrscheinlicli niachte , auch ihren physikalischen Eigenschaften nach den Uebergang von den Sliuren der Fett- saure- und Oelsiiurereihe zu den arotnatischen Sauren bildeten. Seitdem sind wir iiiit drei anderen Sluren , der PulmitoE, Stearol- und Beherdsawe bekannt geworden, welche der- selben homologen Reilic angehiiren. Die selrr wertlivollen Arbeiten B a e y e r ' s und seiner Schiiler liahen gezeigt , dafs durch indirecte Wasserstoffentziehung die hoheren G!icder der Oelsaurereihe in Sauren dieser neuen Reihe iibergefiihrt wer- den kiinnen, und in der letzten Zeit ist von G e u t h'er **) auch das Glied mit vier Kohlenstoffatomen , die Tetrolsaure, auf lhnliche Weise aus der Crotonsaure dargestellt worden. Die Beziehungen, in welchen diese Sauren zu andereti langer bekannten Korpern stehen , sind durch ihre Bildungsweisen bis zu einem gewissen Grade aufgekliirt ; das am langsten be- kannte Glied dieser Reihe, die Sorbinsaure, aber ist auffalliger Weise seit ihrer Enldeckung nicht wieder Gegenstand einer Untersuchung geworden, obgleich das so sehr merkwiirdige

*) %se Annalen 110, 129. **) Zeitachrift ftir Chemie 1871, 237.

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308 F i t t i g u. B a r r i n g e r , Unterstchngen

Isomerieverhaltnifs zwischen ihr and der Parasorbinsaura, aus welclier sie nacli den Untersucltungen von 11 o f m a n n sich durch rnoleculare Umlagerung bildet, seltr zu einem ge- naueren Studiurn einzuladen schien. Die Versuchc, uber welcho wir im Folgenden berichten und denen wir spater weiterc Mittheilungen folgen lassen werden, sind in der Absicht unternommen , die Bezieliungen der beiden isornercn Saurcn zu einander und zu anderen bekannten Verbindungen kennen zu lernen.

I. Sorbinsaure.

Die von uns benutzte Saure wurde zum Theil aus der Fabrik von Dr. M a r q u a r t in Bonn , Zuni Theil aus der von T r o m m s d o r f f in Erfurt bezogen. Sie war nahezu rein und einmaliges Unikrystallisiren genugte , em sie vollstandig rein zu erhalten. Wir haben den selrr genauen Angaben von H o f rn a n n uber die Eigenschaften der Sorbinsame kaum etwas hinzuzusetzen , denn unsere Beobachtungen stinimen fast in jeder Hinsicht vollstandig mit den seinigen iibereiii; nur in einer Beziehung zeigte sich eine kleine Differenz. H o f m a n n giebt an , dafs die Sorbinsaure sich bei ltiiherer Ternperatur unzersetzt verfluchtigt, aber er bemerkt zugleich, dafs er nicht genug Saure gehabt habe, urn den Siedepunkt zu bestimmen. Wir fanclen, dafs die ganz reine Sailre bei der Destillat,ion unter gewohnlicheii Verhaltnissen und gc- wohnlichem Drucli bei 228O (nicht corr.) zu sieden heginnt, dafs bei der Destillation aber Zersetzung stattfindet und im Destillationsgefafs eine gelb gefarbte, heim Erkalten htlrzartig erstarrende Masse zuruckbleibt , von der unter 300° k a w i etwas ubergeht. Ein nicht unbetrachtlicher Theil der Sailre erleidet bei der Destillation diese Umwandlung und auch der hei 228 bis 230° iiberdestillirte Theil der Saure ist weniger rein, besitzt wenigstens einen nicht so constanten Scliinclz-

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U6er die Soror6insiiure uiid Pnrasorbinsawre. 309

punkt, als die nicht destiliirte Saure. Ein gleiches Verhalten hat H o f m a nn bei der Destillation der Parasorhinsiure beob- achtet; selbst linter Ahschliifs der Luft im Wasserstoffstroin hinterliefs sie bei jeder Destillation eine gelbe durctisichtige liarzartige Sabstanz: Wir habon uber die Natur dicses Harzes keineii bestiminten Aufschlufs erhalten. Es gelang uns wcder daraus Sorbinsaure zit regeneriren, noch es in eine gut charak- terisirte Verhindung umzuwandeln. Uebrigens haben wir uns nicht eingehend darriit beschiiftigt , weil die Kostbarlreit des Matorials es nicht ebcn verlockend machte, dasselbe in ein H a m zu verwandeln. Wir wollen nur noch beiiierken , dah bei der Destillation der Sorbinsaure sehr deut.lich der Gerucl~ nach Acrolein auftritt, und es danach wahrsnhdiilieh ist, &afs dieser harzige Riickstand rnit den genau eben so aussehenden harzigen Condensationsproducten des Acroleins in sehr nahem Zusammenhang steht. Sorbinsaure und Acrolein haben gleiche procentische Zusammensetzung , sie sind den empirischen Formeln nach polyrnere Verbindungen, und unsere Beobach- tung6n scheinen darauf hinzudeuten , dafs bei der Destillalioii sich das Molecul der Sorbinsawe in zwei Molecule Acrolein spaltet, letzteres aher bei der hohen Temperatur zum grofstcn Theil in condensirte Producte verwandelt wird. Mit Wasser- dampfen lafst sich die Sorbinsaure leiclit und wie es scheint ganz ohm Zersetzung destilliren.

2. Hydrosmhaksaure.

Beim Behandeln niit Natriumanialgam nimntt die Sorhin- siiurc mit grofser Leichtigkeit zwei Wasserstoffatome auf und geht in eine neue , der Oelsaurereihe angehorende S5are C6H1008 uber, welche wir mit dem Namen Eydrosorbinsaurc bezeichnen. Uni dieselbe darzustellen, ubergossen wir Sorbin- saure mit Wasser und liefsen die Losung einige Tage bei ge- wohnlicher Temperatur mit Natriumamalgam in Beriilirung.

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310 F i t t i g u. B a r r i n g e r , Unterszcchungea

Dann wurde von dem abgeschiedenen Quecksilber abgegossen, die LBsung mit Schwefelslure angesriuert und destillirt. Das stark saure Destillat, in welchem cinige Oeltropfen suspendirt waren, wurde mit kohlensaurem Natrium neutralisirt , auf ein sehr kleines Volumen verdunstet und dann mit Schwefelsaure versetzt. Die abgeschiedene, auf der Oberflache der Salz- lasung schwimmende Saure wurde abgehoben , mit kleinen Quantitaten Wasser gewaschen , dann mit Chlorcalcium ent- wassert und fir sich destillirt , wobei sie vollstandig constant bei 20i0 iiberging.

I. 0,2389 Grm. gaben 0,5545 CO, = 0,15123 C, nnd 0,1868 H,O

11. 0,1779 Grm. gaben 0,4164 CO, = O,11356C, und 0,1351 H,O = 0,02075 H.

= 0,01351 H. Gafnnden

I. 11. __I- Berecbnet

c__h___\

c, 72 63,16 63,30 63,83 Hio 10 0, i7 8,71 8,43 0% 32 28,07 - -

114 100,OO. Die Hydrosorbinsiiure ist eine farblose wasserhelle Fliis-

sigkeit von siifslichem Geruch. Sie siedet constant bei 20i0 Ccorr. 204,5O]. Ihr spec. Gewicht wurde bei 19O = 0,969 gefunden. Bei - 18O blieb sie vollstandig fliissig. Mit den Wasserdampfen verfliichtigt sie sich leicht. Sie 16st sich leicht in Alkohol und Aether, aber wenig in Wasser und liefert gut charakterisirte Salze.

Hydrosorxnsaurea Calcium (C8H90S)2 Ca + HeO wurde durch Kochen der freien SBure rnit Wasser und Kalkspath- pulver bis zur neutralen Reaction bereitet. Beim Verdunsten der Losung auf dem Wasserbade scheidet es sich in concen- trisch gruppirten Nadeln ab, die in kaltem Wasser leichter als in heifsem loslich sind; denn wenn man die Flfissigkeit, aus welcher sich in der Wtirrne schon eine kleine Menge Salz abgeschieden hat, slehexi Wst, lost sich nach einiger Zeit

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Ubsr die Smbinsaure und Parasorbinsaure. 311

Alles wieder klar auf. Das Salz schmilzt bei ungefahr 125O zu einer dicken Fkssigkeit.

I. 0,2787 Gnu. des 48 Stunden fiber SchwefelsIiiire getrockneten Salzes verloren bei 125O 0,0163 Waseer nnd gaben 0,13325 SO'Ca = 0,03913 Cs

0,249 Gm. des 5 Tage iiber Schwoefeleliure getrockneten Balm8 verloren bei 125O 0,0139 H*O nnd gaben 0,1197 SWCa -- 0,03521 C a

11.

Gefunden I. II. Berechnet -

2 (C*HEIoOp) 226 79,58 - - Ca 40 6,34 5,85 5,58

H'O 18 l4,08 14,04 14,14

284 100,00.

Hydrosorbinsauree Buryum (C6H90*)sBa lafst sich leicht in derselben Weise wie das Calciumsalz bereiten. Es ist leicht lBslich in Wasser und krystallisirt aus der heifs geslt- tigten Liisung beim Erkalten in Gruppen von glanzenden, nadelfiirmigen Krystallen. Ueber 265O schmilzt es unter gleichzeitiger Zersetzung. Das iiber Schwefelsaure getrock- nete Salz ist wasserfrei.

0,2367 Gnu. gaben 0,168 SWBa = 0,09 Ba.

Gofunden Berechnet - 2(CeHeO') 226 62,26 -

Ba 1 a7 37,74 37,70

Rydrosorbimaures silber C6H"OZAg wurde durch Zusatz von salpetersaurem Silber zu der Lasung des Calciumsalzes als ein weifser Niederschlag erhalten. Es ist wenig 16slich in kaltem Wasser, leichter in heifsem, llfst sich aber nicht gut daraus umkrystallisiren. Beim Erhitzen auf iW zersetzt es sich langsam.

I. 0,2348 Grm. des bei 90° getrookneten Bplzes gaben 0,2865 CO'

11. 0,2.182 Grm. gaben 0,1072 4.

363 100,OO.

= 0,07786 C m d 0,0937 H*O = 0,01041 Ha

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312 Fit t ,ig u. B a r r i n g e r, Untersuchungen

Berechnet Gefunden P CG 72 32,58 33,16 JP 9 4,07 4,43 0% 32 14,48 - Ag 108 48,87 49,13

221 100,00.

Hydrosodinsawes Kupfer (C61190z)2Cu scheidet sich auf Zusatz von Kupferchlorid zu der Losung des Calciuinsalzes als ein griiner Niedersclilag ab, der beim Kochen unter der Fliissigkeit s ch i l z t . Das iiber SchwefelsPure getrocknete Salz ist blaugriin; beim Erhitzen iiber loOu fiirbt es sich tief griin, nimmt bestandig an Gewicht ab und geht in basisches Salz iiber. Diesclbe Umwandlung erleidet es auch bei Iange- rern Kochen mit Wasser. Bei 185 bis 190° schmilzt es 211

einer tief griinen Fliissigkeit. Hydrosorbinsaura Kalium und Natriuin sind in Wasser

sehr leicht loslich. aydrosorbinsuure-Ae~~yZu~~er CsH902. C2H5. Die Liisung

der Hydrosorbinsaure in absolutem Alkohol wurde mit Salz- sluregas gesiittigt und darauf einige Zeit am aufwarts gerich- teten Kiihler im Wasserbade erwarmt. Nach dem Abdestil- liren des Alkohols und Zusatz von Wasser schied sich eine 6lige Flussiglieit ab, welche mit etwas kohlensaurem Natrium und W a s e r gewaschen , niit Chlorcalcium entwassert und schlieblich durch einmalige Destillation vollstaridig gereinigt wurde.

0,2299 Grm. gaben 0,5681 CO* I 8,15494 C nnd 0,2025 H20 = 0,0225 H.

Gefunden Berechnet - C8 96 67,61 67,39 HI4 14 9,86 9,78 0' 32 22,53 -

142 100,OO.

Der Hydrosorbinsaure-Aether ist eine farblose , wasser- helle Flussigkeit yon sehr angenehmem Fruchtgeruch. Er

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iibsr die Sorbinsaure und Parauo,rbinsaure. 313

siedet constant bei 166 bis 167O, ist leichter als Wasser und wenig liislich darin, dagegen leicht loslich in Alkohol und Aether. Er scheint eine Verbindung mit Chlorcalcium einzu- gehen. Eine Portion des Aethers, welclie langere Zeit mit Chlorcalcium in Beriihriing war, erfullte sicli tnit glanzenden Krystallen , die von Wasser langsairi unter Abscheidung des flussigen Aethers zersetzt wurden.

Wasserstoff im Entstehungszustand wirkt nicht auf die Hydrosorbirisaure ein. Wir liehen in der IIoffnung, eine Saure von der Zusammensetzung der Capronsaure zu erhalten, Natriumamalgam zehn Tage auf die Lcisung einer kleinen Menge Sorbinsaure einwirken, aber auch bei diesem Versuclie entstand keine an Wasserstoff reichere Verbindung. Die Hydrosorhinsiiure zeigt also in dieser Hinsicht durchaus das Verhalten der Angelicasawe und der Oelsauren mit hoherem Kohlenstoffgehalt, wahrend die Sorbinsaure sich anders als die mit ilir hornologen Sauren verhalt; denn nach den Angaben yon O v e r b e c k *] und H a u P s k n e c l i t **) vereinigen sich die Palmitol-, Stearol- und behenolsaure niclit niit Wasser- stoff im Eatstehungsznstand.

Bei der Bereitung der Hydrosorbindure beobachteten wir regelmafsig die gleichzeitige Bildutig eines Nebenproductes in kleiner Menge, welches niclit fliichtig mit den Wasserdampfen ist uod beim Abdestilliren der Hydrosorbinsaure im Destilla- tionsgefiirs in Form kleiner Oeltropfen zuriickblieb. Es wurde durch Schutteln mit Aether ausgezogen und hlieb beim Ver- dunsten des Aethers .als ein gelb gefarblcs Oel zuriick, welches geruchlos und schwerer als Wasser war und stark saure Re- action zeigte. Sein Siedepunkt liegt sehr hocli, und bei einem

*) Diem Annalen 140, 55. *Ir) Uaselbst 148, 43.

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314 Fi t t ig U. B u r r i n g e r , Untersuchungen

Versuch , es durch Destillation zu reinigen, fand Zersetzung statt. Beim Emarmen mit kohlensaurem Baryum und Wasser lieferte es eiri leicht losliches Baryumsalz, welches sich beiin Verdunsten in warzigen Krusten abschied und nicht in gut ausgebildeten Krystallen erhalten werden konnte. Das Calcium- salz besafs iihnliche Eigenschaften. Die Analyse des Baryum- salzes ergab einen der Forinel des hydrosorbinsauren Baryums entsprechenden Baryumgehalt.

0,2518 Grm. des iiber Schwefeldnre getrockneten Balms verloren bei looo nicht an Qewicht und gaben 0,1605 8O'Ba = 0,0944 = 37,49 pC. Ba.

Die Formel (CeHgO*)* Ba verlangt 37,74 pC. Ba. Das Resullat dieser Analyse und die Eigenschaften

der Saure machen es sehr wahrscheinlich, dafs sie mit der Hydrosorbinsaure polymerisch ist. Zu einem genaueren Stu- dium reichte die geringe Menge, welche wir bei den ver- schiedenen Darstellungen der Hydrosorbinsaure gesammelt hatten, nicht aus. Wir wollen aber noch bemerken, dafs die reine Verbindung wahrscheinlich fest und krystallinisch ist ; denn beim Aufbewahren einer kleinen Menge der fliissigen SIure unter Wasser in einer zugeschmolzenen Rohre erstarrte sie theilweise.

Einwirkung von Brmn auf Bydrosorbinsaure. Die Hydrosorbinslure nimmt mit grofser Leichtigkeit und unter heftiger Reaction i Mol. Brom auf. Bei gewohnlicher Tem- peratur entwickelt sich dabei vie1 Bromwasserstoffslure, aber wenn man gut abkiihlt, am besten mit einer Kaltemischung, findet fast nur directe Aufnahme des Broms statt und es err& weicht nur eine Spur Brornwas~erstoll'saure. Die Entstehung der letzteren ganz zu verhindern ist uns nicht gelungen. Das Product der Einwirkung C6H10BrZO*, zwajcach-gebromte Cupon- saure oder nach der Bezeichnungsweise von B a e y e r Ddro- mid der Hydrosorbinsiiure, bildete eine viillig farblose

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Uber die Sorbinsaure und Parasorbinsawe. 313

zlhe, in Wasser unl6sliche Fliissiglieit, die weder bei llngerem Stehen iiber Schwefelslure und Aetzhdk, w:h heim Abkiihlen auf - 11O fest wurde.

Yon alkoholischein Kali wird das Dibromid sehr leicht zersetzt. Wir erhitzten ein Mol. desselben mit einer alkoho- lischen Losung von 2Mol. Kalihydrat einige Stunden am auf- wiirts gerichteten Kiihler im Wasserbade, destillirten dann den Alkohol ab und versetzten den Riickstand mit Salzslure. Ee schied sich ein schweres Oel ab, welches, um etwa gebildelt: Sorbinslure zu verfltichligen , mit Wasser destillirt wurde. Dabei destillirte aber auch die ganze Menge des Oeles rnit iiber. Durch Schiitteln des Dsstillats mit Aether und Ver- dunsten des Aethers wurde es wieder gewonnen und urn den Rest des Aethers und das Wasser zu entfernen iiber Schwe- felsiiure gesetzt. Nach achttagigem Verweilen im Exsiccator begann in dem Oel eine Ausscheidung yon Krystallen, welche herausgenommen, abgeprefst und aus siedendem Wasser um- krystallisirt wurden. Sie waren vollkommen frei von Brom, bildeten , aus heifsem Wasser krystallisirt , prachtvolle lange weike Xadeln und schmolzen bei 132 bis i34O, SO dafs an ihrer Identitiit mit Sorbinslure nicht gezweifelt werden konnte. Die Zersetzung des Dibromids wur demnach im Wesentlichen nach dcr Gleichung

CeH*OBPOm + 2 KOH = C0H80s + 2 KBr + 2 HPO erfolgt. Die 6lige Saure war sehr wahrscheinlich Monobrom- hydrosorbinsaure. Urn diese in reinem isolirtem Zuslande zu erhalten, erhitzten wir bei eineni zweiten Versuch das Dibro- mid nur mit einem Molecul Kalihydrat, aber trotzdem bildete sich eine nicht unhetrachtliche Quantitiit von Sorbinslure. Auch durch Erhitzen des Dibromids mit Wasser in zuge- schmolzenen Rohren auf 1500 gelangten wir nicht zu dem ge- wiinschten Resultat. Da durch die Bldong der S o r b i n s h e der Verlauf der Reaction iibrigens ganz klar und die voll-

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316 Pittig u. B a . r y i n g e r . Untersu,chngen

staiidige Analogie iin Verhalten der Hydrosorbinslure und der homologen SBurcn nacligewiesen war , bot die weitere Ver- folgung dieses Gcgenstaiides nur geringes Interesse und wir gaben die Versuche auf.

Verhalten der ~ ~ d , r o s o r b i n ~ a z i r e zu sclmelzendena h‘ali- hydrat. Das cliarakteristische Verhalten der Siiuren CnHzn+O2 besteht bek~ntitlich darin , dafs sie beiin Schmelzen niit Kali- hydrat in Sauren der Reihe CnHZ”02 iibergehen. Es schien uns von Wichtigkeit zu sein, auch die Hytlrosorbinsiiure nacli dieser Richtung zu uiitersuchen. Da es F r a n k 1 a n d und D u p p a gelungen war, die mit der Hydrosorbinsiiure glcich zusainrnengesetzte Aethylcrotonsaure schon bri eincr Tempe- ratur von i8Oo zu spalten, und es uns daran lag, eine mog- lichst glatto Zersetzung zu erzielen, losten wir die Hydro- sorbinsaure in einern grofscn Ueberschufs von concentrirter Kalilauge auf, dampften die Losung ein und erhitzten den Riickstand in einem Silbertiegel 10 bis 12 Stunden auf 180° im Luftbade. Bei dieser Teniperatur f m d inders keine Zer- setzung statt; denn als wir das Product in Wasser losten, mit Schwefelsaure ansauerten und destillirten, ging mit den Wasser- dampfen nur unveranderte Hydrosorbinsaure iiber. Bei einem zweiten Versuche wurde deslialb die eingedanipfte Masse direct iiber der Flaninie , aber bei miiglichst niedriger Temperatur zum Schmelzen erhitzt, bis das Aulhoren der Gasentwickclung die Beendigung der Reaction anzeigte. Darauf wiirdo die Masse in Wasser geliist , init Schwefelsaure stark angesauert und so lange ahdestillirt, bis das iiberdestillirende Wasser nicht mehr sauer reagirte. Das Destillat wurde in drei gleiche Theile getheilt , ein Theil davon mit kohlensauretn Natrium genau neutralisirt, dann die beiden anderen Theile hinzugesetzt und das Ganze destillirt, bis das Destillat aufhbrte sauer zu reagiren. Wenn sich zwei verschiedenc SLuren gebildet hatten, mufsstc jetzt im Riickstande das Natriumsalz der star-

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iiber die Sorbinsaure wnd Purusorbinsaure. 31 I

keren Saure sein. Die Liisung murde ganz zur Trockne ge- bracht , der Riickstand in wenip Wasser wieder gelbst und mit iiberscliussigeni salpetersaurem Silber versetzt. Es ent- stand ein sehr starker Xederschlag , der abgeprefst und in siedendem Wasser geliist wvorde. Beim Erkalten schied sich das Salz in kleinen fetlcrartigon weifsen Krystallcn ab , die siclt am Liclite schwdrzten. Die Analyse zeigte, dafs es rei- nes buttersaures Siiber war.

1. 0,1765 Grm. des bei looo getrockneten Salzes gaben 0,0977 Silber.

11. 0,1898 Grm. gaben 0,1062 Silber. Gefundcn

I. 1L -. Berechnet --

~ 4 ~ 7 0 2 87 44,62 - - Ag 108 55,38 55,35 55,95

______ __ 195 100,00.

Damit stinimte auch der nicht zu vcrkennende Geruch nach Buttersaure uberein, den sowohl das ersto, trie das zweite Destillat besafs.

Urn die etwa gebildete zweite Shure zu isoliren, wurde das Destillat von dem buttersauren Natrium wieder in zwei gleiche Theile getlieilt , der eino genau niit kohlensaurem Natrium neutralisirt und nach dem Zumisclien des anderen wieder bis auf ein sehr kleines Volurnen abdestillirt. In dem Destillat mufste jetzt die zweite Saure vorhanden sein. Wir neutralisirten es mit kohlensaurem Natrium, danipften auf ein kleines VoIunien ein und fdlten mit iiberschussiger Silber- liisung aus. Der Niederschlag hatte nach dem Abpressen und Umkrystallisiren aus Wasser durchaus dasselbe Aussehen, wie das zuerst erlialtene Silbersalz, und die Analyse zeigte , dafs e r in der That auch reines buttersaures Silber war.

0,2851 Grm. gaben 0,1584 Silber = 55,56 pC. Ag. Berechnct fiir C4H70PAg 55,38 pC.

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318 P i t t i g u. B a r r i n g e r , Untersuchungen

Dieser Versuch machte es sehr unwahrscheinlich , dafs neben dcr Buttersaure iiberhaupt noch eine andere fliichtige Sliure entstanden war. Um dariiber vollsttindige Sicherheit zu erlangen, haben wir auch noch aus dem Natriunisalz, wel- ches bei dem letzten Versuch im Destillationsgefifs zuriick- geblieben war und welches also den Rest der gebildeten Saure enthielt, das Silbersalz dargestellt und uns durch eine Analyse davon iiberzeugt , dafs es auch reines buttersaures Silber war.

0,1798 Grm. gaben 0,0994 Silber = 65,28 pC. Bereohnet fiir C'H'O'Ag 65,38 pC. Es folgt daraus , dafs beim Schmelzen mit Kalihydrat die

Hydrosorbinsaure nur eine einzige fliichtige Saure liefert, und da diese Butterslure ist , miissen sich von dem Molecul der- selben zwei Kohlenstoffatome in anderer Forin, sehr wahr- scheinlicli als Kohlensaure abspalten. Dadurch ist zugleich der sicherste Beweis geliefert, dafs die Hydrosorbinsaure von den bciden bereits bekannten isomerischen Sluren, der Brenz- terebinaure und der Aethylcrotonsaure, verschieden ist. Die Identitit mit der krystallinischen, erst bei 41 ,so schmelzenden Aethylcrolonsiiure von F r a n kl an d und D u p pa ist schon durch die physikalischen Eigenschaften der Rydrosorbinsaure ausgeschlossen. Grafsere Aehnlichkeit zeigt sie mit der Brenzterebinslure. Diese Siiure ist indefs so wenig scharf liritersucht, dafs die Angaben uber die physikalischen Eigen- shaften derselben und ihrer Salze einen sicheren Schlufs h u m geslatten wiirden; aber Chau t a r d *) fand, daD die- selbe durch schmelzendes Iialihydrat in Essigsaure und Butter- siiure gespalten wird , und dasselbe Verhalten beobachteten F r a n k I an d und D up p a bei der Aethylcrotonsiiure. Unsere Versuche machen es unzweifelhaft, dafs aus der Hydro- sorbinsaure keine Essigsaure entsteht.

*) Jabreebericbt fiir Chernie u. a. w. f. 1855, 652.

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iiher die Sorbinsaws und Parascrbinsdure. 3t 9

Constitution der Eydrosorbinsaure and der Sorbin- aaure. - Viele Chemiker sind der Ansicht, dafs sich aus den Producten, welche sich beim Schmelzen der SIuren CuHZ"-*Os mit Kalihydrat bilden, ein sicherer Schlufs auf die Constitution der Sauren selbst machen lasse, indem sie annehmen, dafs die Spaltung der Molecule immer de stattfinde, wo zwei Kohlen- stoffatome durch doppelte Bindung verkniipft sind. Wir theilen diese Ansicht nicht und wir glauben, dafs die Annahme, auf welcher sie basirt, nicht genugend bewiesen ist, obgleich zu- gegeben werden mufs, dafs sie bei mehreren Sauren zu t r iQ deren Constitution sich aus ihrer Bildungsweise mit grofser Wahrscheinlichkeit ergiebt. Aber gerade die in neuerer Zeit so vie1 besprochene Frage in Betreff der Constitution der Crotonsaure aus Aldehyd und Cyanallyl zeigt , wie wir glau- ben, sehr evident, daQ die Spaltung des loleculs nicht immer der obigen Hypothese entsprechend vor sich geht. Nach den Versuchen von K e k u l i i *) kann es wohl als bewiesen an- gesehen werden , dafs die llnger bekannte Crotonsaure aus Cyanallyl und aus Aldehyd mit schmelzendem Kalihydrat nur Essigsaure liefert. Die Versuche von G e u t h e r **) haben ebenfalls bewiesen, dafs die bei - 150 nicht erstarrende Iso- crotonsaure (Quartenylsaure) bei gleicher Behandlung sich genau so verhalt und auch nur Essigsaure liefert. Die Ver- schiedenheit dieser beiden Sauren aber besteht darin, dafs die eine nach der Formel :

die andere nach der Formel :

zusammengesetzt ist. Wir glauben , dafs daran nach der h6chst interessanten Bildung beider aus dem Acetylessiglther

CH' = CH - CH' - CO. OH,

CH" - CH = CH - CO.OH

") Berichte der deutechen chemischen BesellechoR 8, 604. **) Zeitechrift fiir Chemie 1871, 237.

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320 Fittig u. Barringer, ~Jnte~suchungen

nicht gezweifelt werden kann. teten Reactionen sind vollstandig klar

Die von Geu t h er beobach-

c1i3

I co. 0 . C*H~ I co. O.C*H~ Acotylessigiithcr.

Diefs ist die erste Phase der Zersetzung, aher wie bei der analogen Bildung von Acetonclilorid speltet sich von dein Productc gleicli Salzsaurc ah und es entstehen die Aether zweier isoinerer gcchlorter Sauren :

CH'

CCI I1

CH' I

CCI u d II

CH I

C O . 0. CDHo

I CH' I co . 0 . C'H6

indem der zrir Salzsaurebildung erforderliche Wasserstoll' zuin Theil von dem ersten, zum Theil von dem dritten Kohlon- stoffatom genomrnen wird. - Dafs hi dtrr Reaction aufser den Acthcrn die Chloride tler Siuren entstelien, ist Folge einer leieht erklarlichen secundaren Reaction, welche hier nicht weiter in Betracht koaiint.

Nach der obigen Hypothese miifste dic! cine dieser SBuren Ameisensaure und Propionsirire, die anderc nur Essigsiiure geben , aber beide liefern nur Essigsauro. Ein Ruckschlufs aus den Spaltungsprotlucten auf die constitution dcr Sauren ist dcmnach in diesem Falle nicht moglich, und unter dicsen Verlialtnissen sclieint uns die Annahme der Constitution CH2 = CH - CH2 - CO . OH fur die gewohnliche Crotonsaure die naturlichste zu sein, da die Entstehung der Siiure aus Cyanallyl sonst vollig unklar ist.

Was nun die Hydrosorbinslire anbetrim , so hiitte neben Buttersaure Essigsiiure auftreten mhsen, wenn die Spaltung

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uber die Sorbinsuure und Pamsorbinsaure. 321

glatt der obigen Hypothese entsprechentl stattgefunden hiitte. So verhalten sich in der That die beiden isoiiieren Sauren, die Hydrosorbirisaure aber gleicht in dieser Iiinsicht den Crotonsluren ; sie liefert niir eine Fettsaure mit niedrigerem Kohlenstoffgehalt. Dadurch wird es sehr wahrscheinlich ge- macht, dafs sie nach der Formel :

CH8 - cnz - Cn/co * OH \CH = CH'

zusltmiriengesetzt ist , und d a b beim Behandeln mit Kalihydrat die Gruppe CH = CHZ herausgerissen, durcli Wasserstoff er- setzt und erst zu Oxalsaiire, dann zu Kolilensaure oxydirt wird. Die doppelte Bindung der beiden Kohlenstoffatome wird die Oxydation der Gruppe zu Essigsaure verhindern. Wir haben danii eine vollstandige Analogie mit dcr Croton- saure :

C H ~ = CH - CHP - co . or%, und es ist sehr wahrscheinlich, dafs such hier die abgespal- tene Gruppe CHZ = CH nicht zii Essigsaure oxydirt wird. Die Verschiedenheit der beiden Crotonsauren wird nach unse- rer Meinung in der Quantitat der aus ihnen entstehenden Essigsiime zu suchen sein ; die Saure CW - CH = CH - CO . OH wird doppelt so vie1 Essigsaiire geben, als die Saure CH2 = CH - CW CO . 011. Wir glauben , dafs ein ver- gleichender Versucli , bei welchem die beiden Sauren unter denselben Verhaltnissen mit Kalihydrat geschniolzen und die Quantitaten der aus ihnen gebildeten Essigsaure bestinimt werden, Aufschlufs iiber ihre Constitution geben mufs. Von K e k u l e sind kurze Angaben iiber die Quantitat von Essig- saure gemacht worden, die er ails der Crotonsaure aus Alde- hyd und aus Cyanallyl erhielt. Allerdings stimmen diese nicht gut mit der Annahme iiberein, dafs dieses die Saure CH2 = CH - CH2 - CO . OH sei. K e k u 18 erhielt betriicht- lich weoiger Essigsaure, als der Ueberfiilirung des gesammten

Anosl. d . Chrolie 0 . Phrrrn. O L X I . Bd. 3. klett. 21

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322

Kohlenstoffs in Essigsaure entspriclit , aber andererseits docli erheblich iuehr , als gebildet sein mufste , wenn die Gruppe CHe = CH sich ohnc Essigsaurebildung abguspalten hatte. K e k u 1 e scheint iibrigens auf diese Bestimmungen selbst kein sehr grofses Gewicht zu legen; clenn bei den1 einen Versuch wird ausdriicklich benierkt, dafs er urspriinglich nicht quanti- tativ ausgefiihrt werden sollte, und bei dem zweiten wurden nur 0,36 Grm. Crotonsaure in Arbeit genommen.

Mag nun unsere Anschauung richtig oder unrichtig sein, immerhin glauben wir, dafs von allen mgglichen Formeln die ohige am Ungezwungensten das Verhalten der Hydrosorbin- saure erkliirt.

Pit t ig u. B a r r ing e r Untersuchungen

Fur die Sorbinsaure ergiebt sich dann die Formel : CH4 = CH - CH/'O ' OH

\CR = CE' ' welche ihrerseits wieder die Syaltung bei der Destillation in zwei Molecule Acrolein CHZ = CH - CHO in einfachster Weise erklart.

Noch auf einen Punkt inochten wir kurz aufnierksam machen. In den Vogelbeeren komint noch .eine andere gut bekannte Verbindung mit C6, das b'orbin, vor, und es diirfte wohl anzunehmen sein, dafs die Sorbinsaure zu diesem in einer gewissen genetischen Beziehung steht. In einer vor Kurzem publicirten Abhandlung ,,iiber die Constitution der sogenannten Kohlenhydrate= ist der Eine von uns, ganz unab- hangig von diesen Untersuchungen und nur durch einen Schlub aus dem Verlialten des Sorbins im Vergieich niit den anderen Kohlenhydraten, zu der Folgerung gelangt, dafs das Sorbin sehr wahrscheinlicli nach der Formel :

/CHO CWOH) - CH(OH) - C(OII)\CH(OH) - c p ( 0 ~ )

constituirt. sei. Ein Vergleich dieser Formel mit derjenigen, welche sich aus unseren Untersuchungen fiir die Sorbinsaure

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iiber die Sorbinsawe und Parasorbinskure. 323

ergiebt, zeigt das nahe Verhaltnifs, in welcheni diese K6rper zu einander stehen.

3. VerhaEten der Sorbinsaure gegen Hrom.

Die mit der Sorbinsaure homologen Sluren verbinden sich direct mit zwei und mit vier Atomen Broni. Auch die Sorbinsaure nimnit mit grofser Leichtigkeit Brom auf. Es ist uns indel's nicht gelungen, ein Dibroinid in reinem Zustande zu isoliren. Wir halten es fir fiberfliissig, unsere vielen Jarauf zielenden Versuche hier ausfuhrlich zu beschreiben, und wollen nur erwahnen, dafs wir jedesmal, wenn wir nur i Mol. Brom aiif 1 l o l . Sorbinsaure einwirken liefsen, ein complexes Gemenge erhielten , in welchem eine ziemlich grofse Menge unangegriffener Sorbinsaure, eine gewisse Quan- titlt des Tetrahroinids und aufserdem fliissige oder halhflijssige Verbindungen enthalten waren die wir nicht in reinem Zu- stande erhalten konnten.

Mehr Erfolg hatten unsere Versuche hinsichtlich der DIU- stellung des Tetrabromids. Anfangs brachten wir die be- rechnete Menge (2 Mol.) Brom mit einer Btherisclien L6sung yon SorbinsBure zusammen ; aber wir erkannten bald, dafs diese Methode nicht geeignet ist, weil sich dabei eine nicht unbedeutende Menge neutraler, in kohlensaurem Natrium un- I6slicher Producte, wahrscheinlich zusammengesetzter Aether, bildet. Am Besten gelingt die Darstellung, wenn man die Sorbinsaure unter Wasser mit der allmilig zugesetzten bc- rechneten Menge Brom zusanimenreibt und dabei Temperatur- erhohung moglichst vermeidet. Es bildet sich dann eine zirhe, fast farblose Masse, die man mit Wasser ohne Verlust waschen kann. K'ird diese darauf in verdunntem Alkohol gelost, SO

scheidet sich beim Erkalten sowohl, wie auch beirn freiwilligen Verdunsten der Liisung nur ein schweres dickes Oel ab, welches erst allmalig erstarrt, wenn man die Fliissigkeit da-

21 i+

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324 Fit t i 9 u. R c1 r r i n g e r , Untersuch.ungen

von abgicfst und es an der Luft oder iiber Schwefelslure stelien lafst. Nach dem Erstarren wurde es abgeprefst und wiedcr i n verdiinntein Alkohol geliist. Es wiederholten sich dieselbcn Erscheinnngen : wieder schied sicli ein schweres Oel ab, welchcs in derselbcn Weise wie vorhcr behandclt wurde. So gelang rs uiis schliefdich, die neue Verbindung in prachtvollen grofsen Krystallen zu erliallen. Neuerdings haben wir eine Ueobachtung geniaclit , die iibrigens weit schneller mini Ziel fuhrt. Das Tetrahiwniid bildet namlich ein Natriumsalz , welches in Wasscr aufscrordentlich leicht , in concentrirtem kohlensaurem Natriuin aber selir wenig loslich ist. Wenn man das direct erhultene Product der Einwirkung i o n Brom auf SorbinsCure vorsichtig unter sorgfaltiger Ver- nicidung von Teniperaturerhiihung in kohlensaurem Nalrium auflost , d a m einc kalte gesattigte Losung von kohlensaurem Natriuiii Iiinzusetzt und die Fliissigkeit stehen lafst, so tritt bald Krysta!lisation ein und nach kurzer Zeit erstarrt sie vollslandig zu eineni dicken Brei von prachtvollen silbergliinzenden blCt- terigen Krystallen , die man abfiltriren iind init einer Losung voii kohlensaurem Natrium auswasclien kann. Die Mutterlauge von diesem Salzc liefert, wenn sie mit Salzsaure versetzt wird, eine dern Honig selir ahnlich sehende Masse, welche bei noch- maliger Behandlung mit kohlensaurem Natrium in der eben beschriebenen Weise einc neue Menge des Natriuinsalzes liefert. Durch L'mkrystallisiren aus Alkoliol , worin es leicht liislich ist , kaiin dicses Salz selir leicht vollstiiidig gereinigt werden. Zur Gewiniiutig des Tetrabromids 1st dieses jedoch nicht erforderlich. Das niit kohlensaurem Natrium gewaschene und abgeprefste Salz scheidet , wenn es in kaltem Wasser gelost und die Losung mit Salzsaure versetzt wird, das Tetra- bromid in ganz reinem Zustande als blendend wei ten Nieder- schlag ab.

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iiber die Sorbinsiiwe und Parasorbinsawe. 325

I. 0,2137 Grm. der aus Alkohol in grofsen Krystallen erhaltenen Verbindung verloren bei looo nicht an Gewicht und gaben 0,1312 CO' = 0,0357 C, und 0,03575 HyO = 0,00397 H.

@,a427 Grru. gaben 0,1528 C o t = 0,04167 C, und 0,04265 flyO = 0,00474 H.

0,2729 Grm. gaben 0,4728 AgBr = 0,2012 Br.

11.

III. Gefunden --

I. 11. 111. Berechnet - -- C' 72 16,67 16,74 17,17 -- H' 0 1,85 1,86 1,95 - Br' 320 74,07 - - 73,73

- * - 0' 32 7,41 43% lO0,Oc:

Das Tetrabromid krystallisirt aus Alkohol in groben fdrb- losen durchsichtigen Krystallen , die eine Combination eines inorioklinen Prismas bo P mit den1 Pinakoid 0 P zu sein scliei- nen. Aus siedendeni Wasser krystallisirt es in kleinen glan- zenden Nadeln. In kaltem Wasser ist es so gut wit? unl6slich, in siedendem aufserst weiiig, in Alkohol ziemlich leicht 16s- lich. Es schniilzt constant bei 1830. Fur sich ist es sehr bestandig, aber bei Gegeiiwart von Basen oder kohlensauren Alkalien zersetzt es sich auberst leicht unter Bildung von Brommetall. Das reine Natriumsalz kann , wie es scheint, mit Wasser und Alkohol nnverindert gekocht werden; aber wenn deinselben von der Darstellung her noch kolilensaures Natrium anhiingt und die wlsserige Losung nur gelinde er- wiirint wird, so fiirbt sie sich schwach gelblich und bei nach- herigem Zusatz von Salzsiure bleibt sie ganz klar, ein Beweis, dafs sic keine Spur von 'Tetrabromid nielir enthalt. Wir haben die Iiierbei stattfindende Zersetzung noch iiicht genauer studirt und behalten uns wr, daruber spdter weitere Mitthei- lungen zu machen.

4. Parasorbinsawe.

Um Aufschluk iiber die Bcziehungen der Parasorbinsaure zu der Sorbinsiure zu erhallen, haBen wir diese iii derselben

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326 F i t t i g u. B a r 7 in g e r, Unterwchungen

Weise wit: die Sorbinsiure mit Natriurnarnalgam behandelt. Wir bellientm uns dazu einer Saure, welche wir aus der chemisclien Fabrik ven M a r q u a r t bezogen hatten und die im Allgemeinen alie die Eigenschaften besafs , welche H o f - m a n n als charaktenskisch fur die Parasorbinsaure angiebt. Das Product der Einwirkmg von Natriurnamalgam darsuf wurde nach den1 Ansluern n i t Schwefelslure der Destillation unterworfen. Dabei beohaclrteten wir durchaus dieselben Erscheinungen , wie bei den Versuchen mit der Sorbinsaure. Mit den Wasserdimpfen verfltichtigte sich eine d i g e Saute, welche im Geruch und sonstigen Eigenscbaften vdlig der Hydrosorbinsaure glich. Um die Identitat darnit unzweifelhaft zu machen , stellten wir aus der Saure das Baryumsalz dar. Dasselbe krystallisirte genau so wie das hydrosorbinsaure Salz, war wie dieses leicht loslich in Wasser und enthielt keiii Krystallwasser uiid hatte dieselbe Zusammensetzung.

0,2384 Grm. gaben 0,1520 SO'Ba = 0,0894 Ba. Berechnet Gefunden P

2(C0HW*) 226 62,26 -

363 100,oo.

Die Parasorbinsaure liefert demnach heim Behandeln rnit Natriumamalgam dasselbe Product wic? die Sorbinsaure. Eine vorherige moleculare Unilagerung der Parasorbinsaure in Sorbinsaure durch die gebildete Natroiilauge war nicht wohl anzunehrnen, denn wir hatten absichtlicli hei dieseni Versuche recht vie1 Wasser angewandt, und H o f i n a n n giebt an, dafs diese Umwandlung selbst beini Kochen der alkalisclien Losung nicht stattfinde , dafs vielmehr Erwarmen der iiligen Slure niit festern Kalihydrat dazu erforderlich sei. Vie1 wahrschein- licher schien es uns zu sein, dafs die Parasorbinstlure schon Sorbinsaure enthalte und nioglicher Weise sogar nichts Ande- res als unreine Sorbinsaure sei. ln diesem Glauben wurden wir durch eine aufmerksame Lecture der Abhandlung von

Ba 137 37,74 37,50 - - -____

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$her die Sorbiwaure und Parasorbinsaure. 327

H o f m a n n noch bestarkt. Dcr von Ho fma n n angegebene Siedepunkt der Pansorbinsiiure, 22i0 , stiinmt sehr nahe mit dem von uns bei der Sorbinsaure beobachteten iiberein. Poly- merie konnte demnach nicht die Ursache der Verschiedenheit sein. Bei der Destillation der Parasorbinsaure blieb , gerade so wie bui der Sorbinsaure, in der Retorte eine gelbe durch- sichtige harzige Materie zuriick. Der Hauptunterschied beider Sauren ist nach H o f m a n n de r , dafs die Parasorbinsaure bei gewiihnlicher Teniperatur fliissig ist , und dafs der Charakter einer SIure bei ihr weniger ausgepragt sein soll, als bei der Sorbinsaure. ,,Das OeP, sagt H o f m a n n (diese Annalen lI0, W), ,,lost sich in den fixen Alkalien und in Ammoniak, eben so in Balk- und Barytwasser ; es lost sich ferner in den kohlen- sauren Alkalien, ohne indessen die Kohlensawe aus denselhen awzutreihen. Alle diese Losungen liefern beim Verdampfen harzige Riickstande , an denen jeder Krystallisationsversuch scheilert. Mineralsanren zersetzen alle diese Verbindungen, rnit Ausscheidung des urspriinglichen Vogelbeeriils." Das von H o f m a n n besduiebene Verhalten gegen kohlensaure Alka- lien war uns upverstandlich, weil wir nicht irn Stande waren, einzusehen, was denn beim AuOosen der Parasorhinsaure darid aus der Kohlensaure werde. Wir liaben den Versuch wieder- holt und die Sodaliisung vorher erwarmt, urn die Bildung von saurem kohlensaurern Salz zu verhindern. Unter diesen Um- standen fand stiirmische Gasentwickelung statt und es bildete sich eine trtibe Losung. Wir haben darauf die Parasorbinsiure in einem Destillationsapparat init Wasser und kohlensaurem Baryurn gekocht. Es entwickelte sich vie1 Kohlenslure , ein harziger Korper blieb ungelost, und ds die neutral reagirende Fliissigkeit destillirt wurde , ging mit den Wasserdampfen ein indifferentes , nicht saures farbloses Oel iiber , welches den eigenthiimlichen widerwartigen Geruch der Parasorbinsaure in hohem Grade besafs. Die von dem harzigen KBrper und

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328 Fdttig u. B a r r i n g e r , Sorbinsawe u. s. 20.

dem uberschussigen kolilensauren Baryuni abfiltrirte Losung wurde emgedampft und kalt init Salzsaure versetzt. Dadurch schied sich eine feste krystallinische Saure ab , welche nacli dem Abpressen und cinmaligen Umkrystallisiren aus Wasser alle Eigenschaften der reinen Sorbinslure besafs. Dieser Ver- such, dessen Resultat indefs nicht ganz im Einklang rnit den Angaben von H o f m a n n steht, machte es [ins zur Gewifs- heit, dafs unsere kaufliche Parasorbinslure keine besondere Saure, sondern nur Sorbinsaure war, deren physikalische Eigenscliaften durch beigemengte fremde Kijrper verdeckt wurden. Die Annalime, dafs beim Beliandeln der Saure mit Wasser und kohlensaurem Baryum eine moleculare Umlage- rung der A tome stattgefunden habe, erscheint uns uninijglich. Ob bei der von H o f m a n n untersuchten Parasorbinssure das- selbe, wie Lei unserer kanflichen der Fall war, k6nnen wir naturlich nicht. bchaupten ; aber wir miichten doch bemerkcn, dafs die von H of m n tin angewandten Methoden, um die Para- sorbinsaure in Sorbinsawe zu verwandeln, namlich Erhitzen mit festeni Kalihydrat, lsngeres Kochen mit concenlrirter Salz- saure , langeres Erwarmen mit concentrirter Schwefelstiure, wohl geeignet crscheincrn , um, wcnn die Parasorbinsaurt: nur verunreinigte Sorbinsiiure war, diese fremden Beimengungen zu zerstoren oder zu verfliichtigen.

T i i b i n g e n , den 2. Januar 1872.