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Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 169, 1--11 (1966) Untersuchungen iiber die Wirkung strahlenschiitzender Substanzen am vorderen Augenabschnitt des Kaninehens nach der Einwirkung schneller Neutronen W. STtCAUB, ]~. H. GRAUL, W. Rs H. NEW:BAUER, K. W. JACOBI und H. K~i~GER Univ.-Augenklinik Marburg (Direktor: Prof. Dr. W. ST~AUB) und Institut ~iir Strahlenbiologie und medizinische Isotopenforschung der Universit~t Marburg (Direktor: Prof. Dr. Dr. E. H. GRAUL) Eingegangen am 5. September 1965 Bekann~lich werden immer mehr Personengruppen in Industrie und Forschung ionisierenden Sflrahlen ausgesetzt, die wegen ihrer biologischen Wirkung dem Auge gefg~hrlich werden kSnnen. Aueh bei den bisherigen und zukiinftigen lgaumflfigen spielen l~berlegungen beziiglich einer m6glichen Gefghrdung dureh ionisierende Komponent~en der sog. Welt- raumstrah]ung, einschliel3]ich und vor ahem der solaren Protonenschauer, eine wesentliche Rolle. So genfigten beim Allen 500 tad, um alsbald eine Iridcyclitis auszulSsen. 1000 rad reiehten aus, um innerha]b yon 30 Tagen eine Katarakt hervorzurufen (MERCIER). Allerdings haben sowjetische Astronauten angegeben, im Innern ihrcr Raumkapsel ]ediglich 10 mrad gemessen zu haben. Jedoch handelt es sich bisher nur Uln Raumflfige yon relativ kurzer Dauer und geringer HShe. Die bisherigen geflogenen Orbits lagen noch welt unterhalb des inneren van Allenschen Strahlen- gfirtels. Diese wenigen Beispiele mSgen also zeigen, dab die hier diskutierten Fragen aueh ffir den Ophthahnologen yon Interesse sin& Das Ange ist auf Grund seiner exponierten Lage Strghlungen in be- sonderem Mage ausgesetzt. Der gr6Bte Tell der einfallenden Strahlen- intensit/~ten kann voll zur Wirkung gelangen. Ein einmal entstandener Strahlenschaden der Linse ist bekanntlich nicht reversibel (RoH~- SCm~EIDE~ U. GLAU~-]SR; ttO~FMA~ u.a.). Daher erscheinen Unter- suchungen, die sich mit der Frage nach einer wirks~men Strahlenschutz- substanz besch/iftigen, speziell auch fiir das Auge wichtig. Da das Auge des Xaninchens nicht nur in bestimmten anatomischen Einzel- heiten, sondern auch hinsichtlich der Energieabsorptionsverhg~ltnisse mit dem menschlichen Auge verglichen werden kann, nimmt es nicht wunder, dab bereits z~hlreiehe experimente[le Arbeiten fiber die Strahlensensibilit~t des Kaninchenauges vorliegen, nachdem bereits im Jahre 1905 GUTTMAN1N ~ und unabh~ingig davon TREUTLER Untersuchungen fiber die Strahlenkatarakt des Menschen angestellt haben. Es wiirde an dieser Stelle zu wei~ ffihren, alle Arbeiten zu zitieren, die sich in der Folgezeit mit den exI0erimentellen Strahlensch~den am Auge und hier speziell der Kaninchenlinse befassen. Wesentlich sind in diesem Zusammenhang z.B. die Publikationen yon v. HIPPEL; BOSUET; I:~OHRSCtINEIDER, U. GLAUNER; Albrecht v. GraefesArch. klin. exp. Ophthal. ]~d.169 1

Untersuchungen über die Wirkung strahlenschützender Substanzen am vorderen Augenabschnitt des Kaninchens nach der Einwirkung schneller Neutronen

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Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 169, 1--11 (1966)

U n t e r s u c h u n g e n i i b e r d i e W i r k u n g s t r a h l e n s c h i i t z e n d e r

S u b s t a n z e n a m v o r d e r e n A u g e n a b s c h n i t t de s K a n i n e h e n s

n a c h d e r E i n w i r k u n g s c h n e l l e r N e u t r o n e n

W. STtCAUB, ]~. H. GRAUL, W. Rs H. NEW:BAUER, K. W. JACOBI und H. K~i~GER

Univ.-Augenklinik Marburg (Direktor: Prof. Dr. W. ST~AUB) und Institut ~iir Strahlenbiologie und medizinische Isotopenforschung

der Universit~t Marburg (Direktor: Prof. Dr. Dr. E. H. GRAUL)

Eingegangen am 5. September 1965

Bekann~lich werden immer mehr Personengruppen in Indus t r i e und Forschung ionis ierenden Sflrahlen ausgesetzt , die wegen ihrer biologischen W i r k u n g dem Auge gefg~hrlich werden kSnnen. Aueh bei den bisher igen und zuki inf t igen lgaumflfigen spielen l~berlegungen beziiglich einer m6glichen Gefghrdung dureh ionisierende Komponent~en der sog. Wel t - raumst rah]ung , einschliel3]ich und vor ahem der solaren Pro tonenschauer , eine wesentl iche Rolle.

So genfigten beim Allen 500 tad, um alsbald eine Iridcyclitis auszulSsen. 1000 rad reiehten aus, um innerha]b yon 30 Tagen eine Katarakt hervorzurufen (MERCIER). Allerdings haben sowjetische Astronauten angegeben, im Innern ihrcr Raumkapsel ]ediglich 10 mrad gemessen zu haben. Jedoch handelt es sich bisher nur Uln Raumflfige yon relativ kurzer Dauer und geringer HShe. Die bisherigen geflogenen Orbits lagen noch welt unterhalb des inneren van Allenschen Strahlen- gfirtels. Diese wenigen Beispiele mSgen also zeigen, dab die hier diskutierten Fragen aueh ffir den Ophthahnologen yon Interesse sin&

Das Ange is t auf Grund seiner exponier ten Lage S t rghlungen in be- sonderem Mage ausgesetzt . Der gr6Bte Tell der e infal lenden St rahlen- intensit/~ten kann voll zur Wi rkung gelangen. Ein e inmal en t s t andener S t rah lenschaden der Linse is t bekannt l i ch n icht revers ibel (RoH~- SCm~EIDE~ U. GLAU~-]SR; t t O ~ F M A ~ u.a . ) . Daher erscheinen Unter - suchungen, die sich mi t der F rage nach einer wirks~men St rahlenschutz- subs tanz besch/iftigen, speziell auch fiir das Auge wichtig.

Da das Auge des Xaninchens nicht nur in bestimmten anatomischen Einzel- heiten, sondern auch hinsichtlich der Energieabsorptionsverhg~ltnisse mit dem menschlichen Auge verglichen werden kann, nimmt es nicht wunder, dab bereits z~hlreiehe experimente[le Arbeiten fiber die Strahlensensibilit~t des Kaninchenauges vorliegen, nachdem bereits im Jahre 1905 GUTTMAN1N ~ und unabh~ingig davon TREUTLER Untersuchungen fiber die Strahlenkatarakt des Menschen angestellt haben. Es wiirde an dieser Stelle zu wei~ ffihren, alle Arbeiten zu zitieren, die sich in der Folgezeit mit den exI0erimentellen Strahlensch~den am Auge und hier speziell der Kaninchenlinse befassen. Wesentlich sind in diesem Zusammenhang z.B. die Publikationen yon v. HIPPEL; BOSUET; I:~OHRSCtINEIDER, U. GLAUNER;

Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. ]~d. 169 1

2 W. STRAVB et al. :

GASTE[GER; GASTEIGER U. GRAUEtr EKLING U. I~ROKOWSKI; KtCOKOWSKI ~t. EHLING ; sowie EIILING, ~ E X U. KROKOWSKL

Im wesentliehen lal~t sich :festhalten, dag der Ausbildungsgrad der Linsentrtibungen yon der Strah]enqualitat und absorbierten Dosis sowie vom Genotypus und der Ernahrung des Tieres abhangt. Aueh dem Lebens- alter komInt Bedeutung zu. Hierbei spielt wohl die Geschwindigkeit des Stoffwechsels eine Rolle, die bei ausgewachsenen Tieren nat~rlieh ge- ringer ist als bei noeh im Waehstum befindliehen. KI~OKOWSKI u. TIBUR- TIerS wiesen darauI hin, dab albinotisehe Tiere wegen der Bloekierung einer bestimmten Fermentproduktion relativ strahlenunemlofindlich sind. Je pigmentierter das Tier, desto strahlenempfindlieher ist es. Der Strahleneffekt wirkt sieh an der Linse abet nieht nur als Trtibung, sondern aueh als Waehstumshemmung aus. Im Bereieh des Auges sind neben der Katarakt als Substrat der Strahlensehadigung, wenn man von Fundusveranderungen absieht, augerdem vorfibergehender oder dauernder Haarausfall, Blepharitis, Conjunctivitis und Keratitis be- kannt.

Bisher kennt man drei Wege eines ehemisehen Strahlensehutzes des Auges :

1. Zunaehst bestehen bestimmte Beziehungen zwischen dem Wasser- gehalt der Linse und ihrer Transparenz. Daher wurde yon K~OKOWSKI U. TIBURTIUS versueht, die Ausbildung eines Strahlenstars dureh eine wasscrarme Ernahrung zu hemmen. Eine gewisse M6gliehkeit scheint auI diesem Wege gegeben zu sein.

2. Wiederum KROKOWSKI U. TIBURTIUS versuchten, (lurch vor der Bestrahlung vorgenommene intramuskulare Injektion einer Aufschwem- mung embryonaler Linsenzellen die Strahlenkatarakt des Kaninchens zu beeinflussen. Eine nach Intensitat und zeitliehem Ab]auf erkennbare gewisse VerzSgerung der Kataraktbildung wird beschrieben. Schlieglich fanden

3. sehwefelwasserstoffhaltige Praparate Verwendung. Anf unter- sehiedliehem Wege appliziertes Cystein und Cysteamin erwiesen sich als wirkungsvoll sowohl im Ilinbliek auf den Zeitpunkt der Entstehung nnd die Intensitat der Linsentriibung als aueh auI den Reifegrad der Katarakt sowie auf die Strahlenkeratitis, -Conjunctivitis und den Haarausfall. In anderen Versuehen wurde Sehwefelharnstoff und Glutathion erfolgverspreehend getestet. Es gibt bereits eine Anzahl von Publikationen zu diesem Thema (v. SALLMANN; V. SALLMANN, DISCtIE,

Et IRLICK U. MUNOZ ; FI~AN~OIS U. BEHEYT ; TANSLEY ; STRAUB U. J~I~AUSE).

In diesem Zusammenhang sind auch Versuche yon NIEDERMEYER interessant, tier zeigte, dab Cystein etwa 15 rain naeh intravenSser Injektion yon 20 mg/kg K6rpergewicht im Kammerwasser naehweisbar ist. Die Wirkung des Cystein und seiner Derivate halt jedoch nur

Wirkung strahlenschfitzender Substanzen

verh/~l~nism~gig ku rze Ze i t an, es verschwfixdet e t w a 1 S t d n a c h der

I n j e k t i o n w iede r aus d e m P l a s m a .

Zu unseren Versuehen dier~ten beide Augert yon insgesamt 55 Kaninehen. Dus Gewieht der beim Beginn der Bestrahlung etwa 6 5Ionate alten gesunden Tiere betrug 3500~4000 g. Es handelte sieh aussehlieBlieh um sehwarze oder braune Kaninehen, ihre Unterbringung erfolgte in Einzelboxen, die Ernghrung mit PreB- futter Al?~romin-K und beliebig viel Wasser.

Zun~ehst warden a.n 16 Kaninehen Vorversuehe durehgeffihrt, bei denen wir die gfins~igste Art der Narkose, der Einstellung und Halterung zur Neutronen- und zur g6ntgenbestrahlung ermitteltem Es ist im Interesse reproduzierbarer Unter- suehungsbedingungen wiehtig, dab sieh die Tiere w-~hrend der Bestr~hlung nieht

Abb. 1. Kaninchen w~thrend der Bestrahlung. Der Kopf ist mit tIilfe einer Gummiklerame fixiert, der Unterkiefer lagcrt auf einer Kinnstfitze. l~echfs befindef s[ch eine J0'ernsehk~mera, fiber die das

Tier w~hread der ganzen ]3estrahlung beob~chtet wird

bewegen und damit ihre Einstellung zur Sgrahlenquelle gndern. Die mit Nembutal narkotisierten Kaninchen wurden wghrend der Bestrahlmlg dureh eiile ha.he dem K.opf angebrachte Femsehkamera st~ndig kontrollierg (Abb. 1).

Die linken Augen der Tiere erhielten eine Nentronenbes~rahlnng, die reehten eine R6ntgenbestr~hlung. Die Neutronenstrahlen wurden aus der T(d, n)4He - I~eaktion dutch BesehuB eines festen Titan-Tritium-Targets mi~ 400 keV-Deutero- neia gewonnen. Die mittlere Neutronenenergie betrug bei der gewgh!ten Bestrah- lungsrichtung relativ zum Target 15 }IeV. Die Dosisa~ngabe erfolgte unter der Vor- mlsset~zung, dab die ,,firsg-eollision-Dosis" hinreiehend genau mit der wirklieh absorbierten Energie fibereinstimmt, d.h. der Dosisbeitrag yon gestreuten Neu- tronen wurde nieht~ ber/ieksiehtigt. Es wurde also der literaturmgBige ,,first- eollision-Dosis"-Wert pro Neutron and em 2 fiir die Neutronenenergie yon 15 ~{eV multipliziert mit der Zahl der Neutronen, die insgesamt wghrend der Bestrahlungs- dauer pro cm s in einer bestimmten Augentiefe vom TaNet hier einfielen. Die Bestimmung dieser Zahl der Neutronen pro cm 2 erfolgte dutch eine long-eounter- Messung, bereehnet wurde die der Neutronenausbeute aus der obigen Kem- reak~ion unter der Voraussetzung einer kugelsymmetrisehen :FluBdiehteverteiIung der Neutxonenflugdiehte in dem Target~bstalld and maltipliziert mit der so bestimm~en Zahl der Neutronen pro em 2 mit der ,,first-eollision-Dosis" Df f~r

I*

4 W. STRAV~ et al. :

15 MeV-Neutronen n~mlich Df = 6,175 �9 10 9 rad. Die Wahl der applizierten Dosis erlolgte dann so, daI~ sich in 0,5 em Augentiefe (gereehnet vonder Hornhaut- vorderfliiehe an) beim linken Auge 930 r~d ergaben. Das weiter entfernte reehte Auge erhielt in der Augenmitte nur noeh etwa 13 % der Dosis, die das linke Auge in der Augenmitte absorbierte. Abb. 2 gibt fiber diese Situation sehematiseh Auskunft.

Die rechten Augen erhielten zusgtzlich s~ Die Dosisleistnng betrug 104,7 I~/min.

Abb. 2. Sehematische Darstellung der Dosisverteilung bei Bestrahlnng mit schnellen Neutronen. Links das der Neutronenquelle nahe Auge, rechts das ~,on der Neutronenquelle abgewandte Auge.

Targetabs~and in Millimetern

Beim Hauptversuch wurden die restlichen 39 Tiere in vier Gruppen eingeteilt :

Die erste Gruppe (zehn Kaninchen) blieb ohne weitere Behandlung (Kontrollgruppe).

Die zweite Gruppe (zehn Kaninchen) erhielt unmittelbar vor der Bestrahlung 10 mg/kg K6rpergewicht Serotonin intraperitoneal injiziert.

Die dritte Grnppe (nenn Kaninchen) bekam 30 rain vor der Be- strahlung 80 mg/kg K5rpergewieht Cysteamin intraperitoneal injiziert und die

vierte Gruppe schlieglieh (zehn Kaninchen) erhiett 30 rain vor der Bestrahlung je 50 mg/kg KSrpergewicht Cysteamin und Vitamin B 6 sowie 10 mg/kg K6rpergewicht ATP und AMP, ferner unmittelbar vor der Bestrahlung 10mg/kg K6rpergewieht Serotonin intraperitoneal injiziert.

Wirkung strahlenschiitzender Substanzen

Die Tiere wurden danaeh laufend ophthalmoskopiseh and an der Spaltlampe untersueht, Beobaehtungszeit 210 Tage. Die Narkose wurde von allan Tieren gut vertragen, aueh naeh dar Varabfolgung der Strahlen- sehutzsubstanzen sowie spgtar traten keine erkennbaren Allgemain- erscheinungen auf.

Selbstverstgndliah ist es weder m6glieh noeh n6tig, die ktinisehen Befunde in allen Einzelheifsen wiederzugeben, sie seien vielmehr zu- sammenfassend dargestellt. Aueh sind wir uns dariibar ktar, dab aus

Abb. 3. Anzahl nnd Ar~ der naeh 930 tad Nentroaenbestrahlung aufgetretenen Ver~tnderungen. Bestrahlt warden 39 ~n vier Grupgen eingeteilte Angen, Drei Grup!oen erhielten Stahlensehutzsub-

s~anze~. Beobaehtungszei~ 210 Tage

der ralativ kleinen Versuchszah] vorerst keine ~ltzu waitreichenden Schlf~sse gezogen werden sollten.

Waitera Versuehe warden fiber RBW-War~a baider Strahlenartan und nine EffektivR~tssteigerung der Strahlenschutzsubstanzen AuskunR geben.

Nieht bei allen Tieren sind Vsr~tnderungen an den Augen, d.h. an den Lidsrn, der Bindahan~, der Hornhau~ nnd den Linssn aufgetraten. Abb. 3 gibt die Ver~ndsrungen im Bareich der Augen am Ends tier Berichtszeit bei den mit 930 rad Nsutronen bestrahRen 39 linken Augen wiedar.

Bai der Conjunctivitis handelte es sich um eine zum Tail massive RStung dar Conjunctiva bulbi et tarsi sowie besonders auch eine R6tung and Schwellnng der Niakhaut (Abb. ~) mit vermehrt, ar, unter Umst~nden schleimig-eitriger oder rein eitriger Sekretion, die unbehandeR mehrers

6 W. STRAU~ et al. :

Wochen bestehen blieb. W/~hrend bei den unbehandelten Kontrolltieren in der H/~lfte der F/ille eine solchc Bindehautentziindung auftrat, war diese Zahl in der Gruppe 2 und 3 geringer, bei den rait korabinierten Pr/~paraten behandeltcn Tieren allerdings wieder etwas hSher.

Bei der Blepharitis ist dcr Befund/~hnlich. Hinsichtlich des Haaraus[alls ira Lidbereich zeigte sich, dab die Zahl

der davon betroffenen Tiere in der Serotonin- und Cysteamin-Gruppe ara geringsten war. Der Haarausfall entstand etwa gleichzeitig rait der Conjunctivitis und Blepharitis.

Abb. 4. Kaninche~muge 122 Tage nach der Neutronenbestrahlung. Kontrolltier ohne vorherige Behandlung mit Strahlenschutzsubstanzen. Leichter Haarausfall im Lidbereich lnit Cilien~erlust.

BIepharoconjunctivitis mit besonderer Beteiligung der .Nickhaut

Zur Strahlenkeratitis l~Bt sich sagen, daft drei Kontrolltiere daran erkrankten gegeniiber jeweils nur einem Kaninchen der behandclten Gruppen. Diese Keratitis trat zura Teil in Form zarter oberfl/~chlicber Parenchyratrtibungen, in einigen F/s abet auch als Gcschwtir in den vordcren und raittleren Parenchyraschichten auf.

Zur Morphologie der Linsentri~bungen ist wesentliches bereits aus der Literatur bekannten Schilderungen nicht hinzuzuffigen.

Es handelte sich zungchst um zarte vakuolenartige, vielfach mitein~nder zu- s~mmenh~ngende, unter der vorderen and hinteren Kapsel gelegene Triibungen, die sich auf Grund ihrer Zartheit einer guten photographischen Wiedergabe ent- zogen. Die Trfibungen begannen in der Aquatorgegend und dehnten sich dann all- ra/~hlich nach den axialen Partien aus. Danach kam es zu einer mehr oder weniger raschen Durchtriibung der gesamten Linsensubstanz, wobei zunEchst noch relativ klare Zonen vorhanden waren, die allm~hlich immer sp~rlicher wurden. Dabei durchsetzten in den F~llen einer relativ stiirmischen Durchtriibung wasserspalten- artige Gebilde die Linse such in axialer Richtung, schlieBlich (Abb. 5) waren die Linsen homogen durchge~riibt.

In der Kontrollgruppe (Abb. 3) und in der Cystearain-Gruppe wiesen am Ende der Beobachtungszeit s/~ratliche Tiere eine raehr oder weniger intensive Linsentr(ibung auf. In den beidcn andercn Gruppen

Wirkung strahlenschfitzender Substanzen

dagegen, d.h. bei den mit Serotonin und den mit Kombinationspr~para- ten behandelten Tieren blieb je eine Linse Mar. In den mit Strahlen- schutzmitteln behandelten Gruppen war am Ende der Berichtszeit die Zahl der maturen Katarakte deutlich kleiner als bei den unbehandelten Kontrolltieren.

Betrachtet man die Ergebnisse unter dem Gesichtswinkel der Ge- schwindigkeit der Kataraktentstehung (Abb. 6), so fallen die unbehan- delten Kontrolltiere aus dem Rahmen der mit Strahlensehutzmitteln behandelten Gruppen heraus: Die Linsentrfibungen begannen bei der unbehandelten Kontrollgruppe deutlieh friiher.

Abb, 5. Kaninchenauge 177 Tage nach der Neutronenbestrahlung, Xontrolltier ohne Vorbehandlung mit Strahlenschutzsubstanzen. ~Iature Katarakt

So fanden sieh die ersten Triibungen bei zwei Kontrolltieren bereits 69 Tage nach dem Versuchsbeginn, w/thrend dies bei den mit Strahlen- schutzmitteln behandelten fr/ihestens naeh 118 Tagen festzustellen war (Abb. 6). Das Serotonin und die Kombinationspr/tpara~e z6gerten often- bar den Kataraktbeginn am l~ngsten hinaus. Xhnliehes findet sieh, wenn man das Material naeh dem Zeitpunkt der vollstgndigen Durehtrfibung der Linse analysiert (Abb. 7): Bereits 105 Tage naeh dem Versuehs- beginn waren bei drei Kontrolltieren die Linsen vollst~tndig dureh- getrtibt, w/~hrend die ersten maturen Katarakte bei den mit Strahlen- sehutzmitteln behandelten fr/ihestens 20 Tage danach auftraten.

In Abb. 8 sind die Ver/tnderungen der reehten, 6~ Augen dargestellt. Bei den mit Serotonin und Cysteamin vorbehandelten Tieren blieben die Augen normal.

Die unbehandelten Kontrolltiere bekamen dagegen in vier F/~llen eine Conjunctivitis, in drei einen Haarausfall und je eine Blepharitis und Keratitis. Demgegenfiber erkrankte nur je ein Tier der Kombinations-

8 W. ST~aV~ et a].:

gruppc an Conjunctivitis, Btepharitis und HaarausfM1. Linsentr/ibungen sind nieht aufgetrcten.

i I Zah,-=__ d,-Tier~ BEGINNENDE UNSENTRUBUNG

s L e.q .'.'~I I / I ;

! / t7,, / ;</-- I ~]~,1 .f + Kontr0lte !

60 80 !00 120 140 160 180 2(X) 220

Abb. 6. Anzahl uI~4 Zeitpunkt der beginnenden Linsentriibungen. 1~ei der nlchfl mig StPahlenschutz- substanzen beha,ndelten Gruppe t,raten die Trtibungen am frtihesten und in der gr6Bten Zahl auf

loiZahl d. Tiere

J B=

�9 61 ~

MATURE KATARAKT

/ ~,#~ ASerotonm / , , ' ~ �9 Kombinatlon

Zeit

Abb, 7, A'nz~hl un4 Zeitpu~kC tier m~tm'eu J~atarak~e, ;Bei der nicht mi~ SCrahlensehutzsubstanzen behundelten Gruppe trat die Totaltriibung arn frfihesten un6 ~m zahlreichsten auf

Wirkung strahlenschiitzender Substanzen

Es zeigte sich also, dab eine Strahlenschutzwh'kung auf dcm ge- schilderten Wege auch am Auge mSglich zu sein scheint, die sich am eindrucksvollsten in dem Beginn der Linsentrtibungcn und in dem Zeit- punkt der Reifung der Katarakte ge~uBert hat.

Gruppe z~!lConunctivitiSmJere

Kontrolle

Serotonin -

! I

2ysteamin

Serotonin Cysteamin I Vit, B6

AMP AT P

Blepharitis Haarausfatl K e r a t i t i s

Abb. 8. Anzahl und Art der nach ]~6ntgenbestrahlung (900 1% 60 Co-y-Strahlen und 110 ra4 15 MeV- Neutronen) aufgetretenen Augenver~nderungen. Bestrahlt wurden 39 in vier Gruppen eingeteilte

Augen. u Gruppen erhielten Strahlenschutzsubstanzen. Beobachtungszeit 210 Tage

Zusammenfassung Unter den chemischen Strahlenschutzsubstanzen haben sich Sero-

tonin und Cysteamin bei einer 6~ oder RSntgenbestrahlung als be- sonders wirksam erwiesen. In den Untersuchungen an 55 Kaninchen wurden Serotonin, Cysteamin und eine Kombination yon Serotonin, Cysteamin und Vitamin BG, AMP und ATP auf ihre Strahlenschutz- wirkung am vorderen Augenabschnitt der linken Augen nach Ein- wirkung von 930 rad 15 MeV-Neutronen gepriift. Die rechten Augcn der Tiere crhielten etwa 13 % dieser Dosis sowie zus~tzlich 900 r 6~ Strahlen. W~hrend einer Beobachtungszeit von 210 Tagen erstreckten sich die Untersuchungen hauptss auf die entstehendcn Linsen- trfibungen, die Conjunctivitis, Blepharitis und Kcratitis. Bei beiden Strahlcnarten konnte eine Schutzwirkung festgestellt werden. So traten links bei den unbehandelten Kontrolltieren, im Vergleich zu den mit Strahlenschutzsubstanz bchandelten, die Schi~den frfiher und starker auf. Ein Strahlenschutz des Augcs bei einer 15MeV-Neutronen- bzw. G~ scheint also auf diesem Wege durchfiihrbar zu sein.

10 W. S~a~un et al. :

S u m m a r y

Among the chemical radio-protective drugs Serotonine and Cyste- amine have proved to be especially effective in t rea t ing ~~ or X-ray damages. I n experiments on 55 rabbi ts we examined Scrotonine, Cyste- amine and a combinat ion of Serotonine, Cysteamine and Vi tamine B~, AMP and ATP for their radioprotect ive effectiveness on the anterior segment of the left eyes after radia t ion of 930 rad 15 MeV-neutrons. The r ight eyes of the animals received about 13% of this dose and addi t ional ly 900 1% ~~ Dur ing an observat ion period of 210 days we concentra ted our a t t en t ion on the cataract , the conjunct ivi t is , the blcphari t is and the keratitis. For both kinds of rays a protective effect could be determined. For example, in the group of the un t r ea t ed left eyes the al terat ions were earlier and stronger in evidence, compared with the t rea ted groups. So it seems, t ha t in this way a protect ion of the eye against 15 MeV-neutrons radia t ion and ~~ is possible.

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Professor Dr. W. STRAVB Universitgts-Augenklinik Marburg a. d. Lahn