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lO96 KLIN!SCHE WOCHENSCHRIFT. 15. JAHRGANG. Nr. 31 I. AUGUST 1936 trifft dies fiir die Stoffwechselwirkung zu. Offenbar ist die Mitwirkung des Nervensystems zum Zustandekommen der Stoffwechselsteigerung nicht unbedingt erforderlich. Auch die Tatsache, dab der Grundwert fiir den O~-Verbrauch der normalen, nichthyperthyreotischen Niere durch die Ent- nervung in keiner YVeise beeinfluBt wird, spricht ebenfalls in diesem Sinne. Dabei soll nicht bestritten werden, dab es ]3eziehungen zwischen Nervensystem und Schilddriisen- inkret gibt, wie sie beispielsweise yon SC~ITT~HE~ und ]~ISLER 1~ aufgedeckt wurden. Literatur: x ]3. v. ISS~KUeZ und B. v. ISSEKUTZ, Arch. f, exper. Path. x77, 442 (I935). -- ~ S. GLAUBACH U. E. P. PICK, Arch. f. exper. Path. ~79, 678 (1935). -- a G. MA*S~ELD, Klin. Wschr. I935, 884. -- a W. HA~RS~A~, Arcl{. f. exPer. Path: 18o, 167 (~935). -- ~ K. Ot~ERDISSE U. E. ROD&, Arch. f. exper. Path. ~78, 252 (I935). -- ~ K. O~ERDISSE, Arch. f. exper. Path. x62, 15o (193i). -- ~ R. THAUER, Verh. dtsch. Ges. inn. Ned. x935, 451. -- s M. KOSIDE, Amer. J. Physiol. 8~. 195 (I926). -- ~ H. PAAL, Klin. Wschr. 1934 I, 2o 7. -- x0 K. O~RDISSE, Untersuehungen an der isolierten Niere. ~ViJrzburg ~935- -- x~ j. BARCROFr u. H. S~RAV~, J. of PhysiaL 41, 145 (I9II). -- 1~ SCmT~L~ u. EISL~R, Z. exper. Med. 86, 275 (1933)- UNTERSUCHUNGEN ZUR EPIDEMIOLOGIE DER PNEUMOKOKKENERKRANKUNGEN. Von Dr. GERHARD JOPPICH, Oberarzt der Universit~its-Kh~derklinik KNn (Direktor: Prof. Dr. H. KLEINSCHMIDT). Durch die Studien fiber die Typenaufteilung der Pneumo- kokken haben unsere Vorstellungen yon der Entstehung der Lungenentziindungen einen Wandel erfahren. Nahm man ehemals an, dab eine Lungenentztindung nur dann entstehe, wenn infolge ether Resistenzverm.inderung des Wirtsbrganismus in ibm saprophyt~ir Iebende Pneumokokken instand gesetzt wiirden, die nattirliche Abwehr zu durchbrechen, so muBte man diese Vorstellung ~ndern, als dutch die Untersuchungen amerikanischer Forscher festgestellt wurde, dab 6o--7o% alter croupSsen Pneumonien nur durch 2 der etwa 32 ver- schiedenen Pneumokokkentypen, n~mlich die Typen I und II, hervorgerufen werden, obwohl die Verteilung dieser beiden Typen in der gesunden t3evSlkerung nnr etwa 1% betr~tgt. Man vertritt daher heute die Annahme, dab die croupSse Pneumonie dutch eine yon auflen erJolgende Ansteckung .mit einem der. offenbar besonders pathogenen Typen I und II en~stehe und fordert dementsprechend, dab ihr gegeniiber die gleichen desinfektorischen Magnahmen -- Isolierung der Kranken, Desinfektion yon Sputum nnd W~ische usw. -- er- griffen werden mtissen, die zur Bek~mpfung iibertragbarer Krankheiten allgemein Znr Anwendung kommen. Bei Betrachtung der Saehlage mul3 man indessen zugeben, dab die epidemiologischen Verhliltnisse bet der croupSsen Pneumonie mehr im Sinne der alten VorsteIlungen aIs der neuen sprechen. Der Unterschied zwischen Krankheiten mit endogener und exogener Infektion liegt ja weniger im In- fektionsmodus als in der Tatsache, dab der entscheidende Faktor bet der ersteren die aus irgendeinem Grund eintretende Resistenzverminderuvay des %Virtsorganismus, bet der tetzteren abet die Ansteckung mit pathogenen Keimen ist. Dement- sprechend treten Krankheiten der ersten Art fast mlr spora- disch auf, w~ihrend ftir die letzteren -(~bertragungen vom Kranken auf die Umgebung, gelegentlich mehr oder minder ausgedehnte Epidemien charakteristisch sind, Gerade das ist aber bet der croupSsen Pneumonie fast nie der Fall. ,,In der ganz iiberwiegenden Zahl der F~iIle .tritt abet die Pneumonie ohne jeden erkennbaren Zusammenhang mit anderen Pneu- moniefiillen auf; fast niemals iibertr~gt ein Kranker die In- fektion auf das Warfepersonal oder seine Angeh6rigen, wie man es doch erwarten sollte" (NEuFELD und SC~NITZER). Zwar ist epidemisches Auftreten yon Lungenentziindungen gelegentlich beobachtet worden. Abet dieses Ereignis ist gegeniiber der H~iufigkeit yon Epidemien an Diphtherie, Scharlach u. dgl. doch s3 selten, dab es den meisten Nrzten nicht einmal theoretisch bekannt ist. I~berdies sind bei den im Schrifttuln mitgeteilten Epidemien yon Lungenentziin- dungei1 fast niemals bakteriologiesche Untersuchungen an- gestellt worden, so dab die Frage offenbleiben muB, ob es sich iiberhaupt immer um Pneumokokkenepidemien gehandelt hat. Wir haben seinerzeit eine ]3eobachtung ver6ffentlichen k6nnen, die uns eine ErM~rung fiir diese %Vidersprtiehe zu geben schien. In dem bet dem Orte L. in der N~he yon KOln gelegenen Kinder- heim braeh eine ,,Grippe"-Hausendemie aus, yon der fast alle Heiminsassen ergriffen wurden. Auff~lligerweise trat aber bei 3 tKindern eine typische cronpSse Pneumonie, bei einem anderen eine Herdpneumonie und eine eitr[ge Meningitis hinzu. Die bak- teriolagische Untersnchnng ergab nun, dab die Lnngenentzfin- dnngen und die Meningitis durch I-Pneumokokken hervorgerufen waren, ferner, dab dieser Typ start in 1% in i~ber 60% bet den iibrigen Kindern im iRaehen angetroffen wurde. "Wir nahmen daher an, dab dieser Keim nicht nnr der Erreger der Lungen- entziindungen, sondern auch der grippalen Erkrankungen gewesen set. Dies wiirde besagen, dab die Infektion mit I-Pneumokokken -- wenn sie iiberhaupt eine Krankheit hervorruft -- keineswegs immer zur Lungenentziindung fiihrt, sondern in der weitaus grSfieren MeMzahl der Fiille ein]aehe Katazrhe der oberen Lujtwege zur Folge hat. Und dann w~re ein epidemisches Auftreten van croupSsen Pne.umonien selbst dnrch die hierfiir pr~destinierten Pnenmokokkentypen nur in seltenen F~]len zu erwarten. Dieser Pneumokokkenendemie in L. k6nnen wir eine neue Beobaehtung hinzufiigen, die die Frage der Pneumonie- epidemie in anderer Weise beantwortet und daher Interesse beanspruchen kanm Am Io. Januar d. J. wurde in die K61ner Universit~itskinderklinik ein 31/~ Monate alter S~ugling aus dem S~uglings- und Kinderheim K. eingewiesen, der an einer eitrigen Meningitis erkrankt war. Im Liquor fanden sich Pneumokokken yore Typ 6. Das Kind starb am 12. Januar. Die Obduktion deckte einen Ausgangsherd fiir die Meningitis nicht anf. Die Lungen zeigten keine Entziindungserschei- nungen. Wir erfuhren auf unsere Naehfrage, dab in dem genannten Helm zur Zeit fast alle Kinder ziemlich gleich- zeitig oder in~ kurzen Intervallen hintereinander a~ fieber- haften Katarrhen erkrankt waren, die in den meisten F~illen den Nasen-Rachenraum, in anderen F~llen auch die Luftr6hre nnd ]3ronchien betrafen. Ein S~iugling hatte eine Otitis media mit OhrfluB bekommen. Die Kinder waren in 4 S~Ien zu 7--1o Betten untergebracht. Dem Alter nach handelte es sich meist um solche des 2. und 3. Lebenshalbjahres, einige waren jiinger, einige bis zu 2 Jahren alt. Am 13. Januar nahmen wir bet 27 Kindern Nasen~ und Rachenabstriche vor. Diese wurden hernaeh im Laboratorium der Klinik auI ]31utagarplatten verarbeitet, die Rachentupfer iiberdies in ioproz. Serumbriihe ausgedriickt, yon der nach 5stiindiger Bebriitung bet 37 ~ je 0, 5 ccm weiBen M~usen intraperitoneal einverleibt wurde. Von den unter~uchten 27 Kindern trugen -- fast immer in Nasa und Rachen zugleieh -- unge]iihr zwei Drittel, ngmlieh 16 Kinder, den PneumokoTdcentyp 6. Dieser befand sich teil- weise im direkten Plattenausstrich geradezu in Reinkultur, so dab die Agglutination sofort yon der ersten Aussaat an- gestellt werden konnte. Ebenso wurde er im Ohreiter des arw~hnten S~uglings mit Otitis media gefunden. 4 Kinder beherbergten iiberhaupt keirle Pneumokokken, w~ihrend yon den restlichen Kindern 3 den Typ i7, I den Typ I9, 2 den Typ 2I und I den Typ 3 z aufwiesen. Influenzabacillen wurden niemals nachgewiesen, dagegen beherbergten 12 Kinder h~imolysierende Streptokokken, was mit dem Vorkommen yon 4 Seharlaahf~llen im Helm in Zu- sammenhang gebracht werden kann. Die Sachlage entsprieht, wie man sieht, der oben besehrie- benen aus dem Helm in L. Rund zwei Drittel aller Heim- insassen beherbergen w~ihrend einer Grippe einen Pneumo- kokkentyp, de~ssen Menschenvirulenz dort dutch Pneumonie und Meningitis, hier dutch Meningitis and Otitis media be- wiesen ist. Auch bier liegt die Annahme nahe, dab dieser Keim der Erreger der vorliegenden Grippe ist. Nun konnten wir aber beobachten, dab sich in einem Saal tier Typ 6 nicht nachweisen liefl, obwohl auch hier yon 7 Kindern 5 erkrankt

Untersuchungen zur Epidemiologie der Pneumokokkenerkrankungen

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Page 1: Untersuchungen zur Epidemiologie der Pneumokokkenerkrankungen

lO96 K L I N ! S C H E W O C H E N S C H R I F T . 15 . J A H R G A N G . N r . 31 I. AUGUST 1936

t r i f f t dies fiir die Stoffwechselwirkung zu. Offenbar ist die Mi twirkung des Nervensys tems z u m Zus t andekommen der Stoffwechselsteigerung nicht unbed ing t erforderl ich. Auch die Tatsache, dab der Grundwer t fiir den O~-Verbrauch der normalen, n ich thyper thyreo t i schen Niere durch die E n t - ne rvung in keiner YVeise beeinfluBt wird, spricht ebenfalls in diesem Sinne. Dabei soll n ich t bes t r i t t en werden, dab es ]3eziehungen zwischen Nervensys t em und Schilddri isen- inkre t gibt , wie sie beispielsweise yon S C ~ I T T ~ H E ~ und ]~ISLER 1~ aufgedeckt wurden.

L i t e r a t u r : x ]3. v. ISS~KUeZ und B. v. ISSEKUTZ, Arch. f, exper. Path. x77, 442 (I935). -- ~ S. GLAUBACH U. E. P. PICK, Arch. f. exper. Path. ~79, 678 (1935). - - a G. MA*S~ELD, Klin. Wschr. I935, 884. - - a W. HA~RS~A~, Arcl{. f. exPer. Path: 18o, 167 (~935). -- ~ K. Ot~ERDISSE U. E. ROD&, Arch. f. exper. Path. ~78, 252 (I935). - - ~ K. O~ERDISSE, Arch. f. exper. Path. x62, 15o (193i). -- ~ R. THAUER, Verh. dtsch. Ges. inn. Ned. x935, 451. -- s M. KOSIDE, Amer. J. Physiol. 8~. 195 (I926). -- ~ H. PAAL, Klin. Wschr. 1934 I, 2o 7. -- x0 K. O~RDISSE, Untersuehungen an der isolierten Niere. ~ViJrzburg ~935- - - x~ j . BARCROFr u. H. S~RAV~, J. of PhysiaL 41, 145 (I9II). -- 1~ S C m T ~ L ~ u. EISL~R, Z. exper. Med. 86, 275 (1933)-

UNTERSUCHUNGEN ZUR EPIDEMIOLOGIE DER PNEUMOKOKKENERKRANKUNGEN.

V o n

Dr. GERHARD J O P P I C H , Oberarzt der Universit~its-Kh~derklinik KNn

(Direktor: Prof. Dr. H. KLEINSCHMIDT) .

Durch die Studien fiber die Typenauf te i lung der Pneumo- kokken haben unsere Vorste l lungen yon der E n t s t e h u n g der Lungenen tz i indungen einen Wande l erfahren. N a h m m a n ehemals an, dab eine Lungenen tz t indung nur dann ents tehe, wenn infolge ether Resistenzverm.inderung des Wirtsbrganismus in ibm saprophyt~ir Iebende Pneumokokken ins tand gesetz t wiirden, die natt ir l iche Abwehr zu durchbrechen, so muBte m a n diese Vorstel lung ~ndern, als du tch die Unte r suchungen amerikanischer Forscher festgestel l t wurde, dab 6 o - - 7 o % alter croupSsen Pneumonien nur durch 2 der e twa 32 ver - schiedenen Pneumokokken typen , n~mlich die T y p e n I und II , hervorgerufen werden, obwohl die Ver te i lung dieser be iden Typen in der gesunden t3evSlkerung nnr e twa 1% betr~tgt. Man v e r t r i t t daher heu te die Annahme, dab die croupSse Pneumonie du tch eine yon auflen erJolgende Ansteckung .mit e inem der. of fenbar besonders pa thogenen Typen I und I I en~stehe und forder t dementsprechend, dab ihr gegeniiber die gleichen desinfektor ischen M a g n a h m e n - - Isol ierung der Kranken , Desinfekt ion yon S p u t u m nnd W~ische usw. - - er- griffen werden mtissen, die zur Bek~mpfung i iber t ragbarer Krankhe i t en al lgemein Znr Anwendung kommen.

Bei B e t r a c h t u n g der Saehlage mul3 m a n indessen zugeben, dab die epidemiologischen Verhlil tnisse bet der croupSsen Pneumonie mehr im Sinne der a l ten VorsteI lungen aIs der neuen sprechen. Der Unterschied zwischen Krankhe i t en m i t endogener und exogener Infekt ion l iegt ja weniger im In- fekt ionsmodus als in der Tatsache, dab der entscheidende Faktor bet de r ers teren die aus i rgende inem Grund eintretende Resistenzverminderuvay des %Virtsorganismus, bet der te tz teren abe t die Ansteckung m i t pa thogenen Ke imen ist. Demen t - sprechend t re ten Krankhe i t en der ersten Ar t fast mlr spora- disch auf, w~ihrend ftir die le tz teren -(~bertragungen v o m Kranken auf die Umgebung , gelegentl ich m e h r oder minder ausgedehnte Ep idemien charakter is t i sch sind, Gerade das ist aber bet der croupSsen Pneumonie fast nie der Fall . ,,In der ganz i iberwiegenden Zahl der F~iIle .tritt abe t die Pneumonie ohne jeden e rkennbaren Zusammenhang mi t anderen Pneu- moniefii l len auf; fast n iemals i iber t r~gt ein Kranke r die In- fekt ion auf das War fepersona l oder seine Angeh6rigen, wie m a n es doch e rwar ten sol l te" (NEuFELD und SC~NITZER). Zwar ist epidemisches Auf t r e t en yon Lungenen tz i indungen gelegentl ich beobachte t worden. Abe t dieses Ereignis ist gegeniiber der H~iufigkeit yon Ep idemien an Diphther ie , Scharlach u. dgl. doch s3 selten, dab es den meis ten Nrzten

nicht einmal theoret isch bekann t ist. I~berdies sind bei den im Schr i f t tu ln mi tge te i l t en Ep idemien yon Lungenentz i in- dungei1 fast niemals bakter iologiesche Un te r suchungen an- gestel l t worden, so dab die F rage offenbleiben muB, ob es sich i iberhaupt immer um Pneumokokkenep idemien gehandel t hat.

Wir haben seinerzeit eine ]3eobachtung ver6ffent l ichen k6nnen, die uns eine ErM~rung fiir diese %Vidersprtiehe zu geben schien.

In dem bet dem Orte L. in der N~he yon KOln gelegenen Kinder- heim braeh eine ,,Grippe"-Hausendemie aus, yon der fast alle Heiminsassen ergriffen wurden. Auff~lligerweise t ra t aber bei 3 tKindern eine typische cronpSse Pneumonie, bei einem anderen eine Herdpneumonie und eine eitr[ge Meningitis hinzu. Die bak- teriolagische Untersnchnng ergab nun, dab die Lnngenentzfin- dnngen und die Meningitis durch I-Pneumokokken hervorgerufen waren, ferner, dab dieser Typ start in 1% in i~ber 60% bet den iibrigen Kindern im iRaehen angetroffen wurde. "Wir nahmen daher an, dab dieser Keim nicht nnr der Erreger der Lungen- entziindungen, sondern auch der grippalen Erkrankungen gewesen set. Dies wiirde besagen, dab die Infektion mit I-Pneumokokken - - wenn sie iiberhaupt eine Krankheit hervorruft -- keineswegs immer zur Lungenentziindung fiihrt, sondern in der weitaus grSfieren MeMzahl der Fiille ein]aehe Katazrhe der oberen Lujtwege zur Folge hat. Und dann w~re ein epidemisches Auftreten van croupSsen Pne.umonien selbst dnrch die hierfiir pr~destinierten Pnenmokokkentypen nur in seltenen F~]len zu erwarten.

Dieser Pneumokokkenendemie in L. k6nnen wir eine neue Beobaeh tung hinzufiigen, die die Frage der Pneumonie- epidemie in anderer Weise bean twor t e t und daher Interesse beanspruchen kanm A m Io. J a n u a r d. J. wurde in die K61ner Universi t~i tskinderklinik ein 31/~ Monate a l te r S~ugling aus dem S~uglings- und Kinderhe im K. eingewiesen, der an einer ei tr igen Meningit is e r k r a n k t war. I m Liquor fanden sich Pneumokokken yore Typ 6. Das Kind s t a rb am 12. Januar . Die Obdukt ion deckte einen Ausgangsherd fiir die Meningit is n icht anf. Die Lungen zeigten keine Entz i indungserschei - nungen. W i r e r fuhren auf unsere Naehfrage, dab in dem genann ten H e l m zur Zeit fas t alle Kinder ziemlich gleich- zeit ig oder in~ kurzen In te rva l l en h in te re inander a~ fieber- haf ten K a t a r r h e n e rk rank t waren, die in den meis ten F~illen den Nasen-Rachenraum, in anderen F~llen auch die Luf t r6h re nnd ]3ronchien betrafen. E in S~iugling ha t t e eine Oti t is media m i t OhrfluB bekommen. Die Kinder waren in 4 S~Ien zu 7 - - 1 o B e t t e n untergebracht . D e m Al ter nach handel te es sich meis t um solche des 2. und 3. Lebenshalbjahres , einige waren jiinger, einige bis zu 2 J ah ren alt .

Am 13. J a n u a r nahmen wir bet 27 Kindern Nasen~ und Rachenabs t r i che v o r . Diese wurden hernaeh im Labora to r ium der Klinik auI ]31utagarplatten verarbeitet, die Rachentupfer iiberdies in ioproz. Serumbriihe ausgedriickt, yon der nach 5st i indiger Bebr i i tung bet 37 ~ je 0, 5 ccm weiBen M~usen in t raper i tonea l e inver le ib t wurde.

Von den unter~uchten 27 Kindern trugen -- fast immer in Nasa und Rachen zugleieh - - unge]iihr zwei Drittel, ngmlieh 16 Kinder, den PneumokoTdcentyp 6. Dieser befand sich teil- weise im di rekten P la t t enauss t r i ch geradezu in Reinkul tur , so dab die Agglu t ina t ion sofort yon der ersten Aussaat an- gestell t w e r d e n konnte . Ebenso wurde er im Ohre i te r des a rw~hnten S~uglings m i t Oti t is media gefunden. 4 Kinder beherberg ten i ibe rhaupt keirle Pneumokokken , w~ihrend yon den rest l ichen Kindern 3 den T y p i7, I den T y p I9, 2 den T y p 2I und I den T y p 3 z aufwiesen.

Inf luenzabaci l len wurden niemals nachgewiesen, dagegen beherberg ten 12 Kinder h~imolysierende St reptokokken, was m i t dem V o r k o m m e n yon 4 Seharlaahf~llen im H e l m in Zu- s a m m e n h a n g gebracht werden kann.

Die Sachlage entspr ieht , wie man sieht, der oben besehrie- benen aus dem H e l m in L. R u n d zwei Dr i t te l aller He im- insassen beherbergen w~ihrend einer Grippe einen Pneumo- kokken typ , de~ssen Menschenvirulenz dor t du t ch Pneumonie und Meningitis, hier du tch Meningit is a n d Oti t is media be- wiesen ist. Auch bier l iegt die A n n a h m e nahe, dab dieser K e i m der Er rege r der vor l iegenden Grippe ist. Nun konnten wir aber beobachten, dab sich in e inem Saal t ier Typ 6 nicht nachweisen liefl, obwohl auch hier yon 7 Kindern 5 erkrankt

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I. AUGUST 1936 KLiNISCHE WOCHENSCHRiFT. 15. JAHRGANG. Nr. 31 ~o97

waren. Aus d iesem G r u n d e w i e d e r h o l t e n w i t einige Tage sp~iter (am 19. J a n u a r ) in d iesem SaM die Nasen - u n d R a c h e n - a b s t r i c h e u n d f a n d e n T y p 6 - P n e u m o k o k k e n n u n m e h r bet 4 K i n d e r n . H i e r w a r die Grippe also vor der nachweisbaren Einschleppung der Pneumoko/zken ausgebrochen.

I m m e d i z i n i s c h e n S c h r i f t t u m i s t f iber geh~iuftes A u f t r e t e n y o n E r k r a n k u n g e n des R e s p i r a t i o n s a p p a r a t e s be t gleichzei- t i ge r V e r b r e i t u n g eines P n e u m o k o k k e n t y p s e r s t in j f ings te r Ze i t b e r i c h t e t worden , u n d zwar y o n SCHRODER u n d COOPER u n d yon GUNDEL u n d WALLBRUCH.

In einem New-Yorker Kinderheim yon mehr als 7oo Kindern aller Altersstuten erkrankten in einem Zeitraum yore io. bis I5, X. I928 etwa I5o Kinder, und zwar 47 Kinder an Grippe (,,Colds"), 19 an i ieberhaften Bronchitiden, 46 an croup6ser Pneu- monte und 2 an Herdpneumonie. In fast alien F~tllen wurde der P~ieumokokkentyp 5 gefnnden (ScH~ODEi~ und COO~ER).

Im J a n u a r 1935 wurde das DorI Gnhlen in der Nieder-Lausitz mi t der ganzen Gegend yon einer leichten" Grippeepidemie heim- gesucht. 14 Tage sparer -- am 4. II . - - t r a t bet einem Schulkind eine croup6se Pneumonie ant, und nun erkrankten bis zum I. I I I . insgesamt 19 Kinder nnd Erwachsene an croupSser Pneumonie, die alle durch den Typ I hervorgerufen wurden. Derselbe Typ wurde unter 3 ~ Umgebungspersonen 2omal ( = ~/a der F~ille) gefunden. Diese 2o posit iven Personen ha t ten allesamt fieberhafte oder leichte Affektionen der oberen Luftwege in diesem Zeitraum durchgemaeht (GUNDEL und V~rALLBRUCH, W'ALLBRUCH).

Bei keiner der angefiihrten Beobachtungen kam es nur zur Entwicklung yon Pneumonien, Vielmehr erkrankte immer eine weitaus gr613ere Anzahl an leichten und mittelsehweren Katarrhen. Es fragt sich, in we]chem Zusammenhang diese Katarrhe zu den Pneumokokken stehen. Wie es scheint, ist der naheliegende SchluI3, dab die Pneumokokken zugleich auch die Erreger dieser I(atarrhe seien, nicht richtig. In den yon GUNDEL und WALLBRUCH ver6ffentlichtefi Beobaehtun- gen fiillt auf, dab die auf ein Dorl beschr~inkten Pneumo- kokkenpneumonien einer Grippe nachfolgen, die in ihrer charakteristischen Weise einen ganzen Lands~ich befX!It. In unserer letzten Beobachtung war das sekund~re Auf- treten der Pneumokokken bet der Grippe in einigen F/illen ja sogar exakt nachweisbar, l~Iberhaupt ist aus der weiten Ver- breitung eines einzelnen Keimes innerhalb geschlossener Menschengruppen (Heime u. dgl.) ein RfiekschluI3 ant dessen Erregernatur nur mit Vorsicht berechtigt, da es hier ge- legentlich zu einer weitgehenden Angleiehung der Rachen- flora kommt. Und davon machen die Pneumokokken keine Ausnahme, wie unsere Iolgende Untersuchung beweist.

In den] K61ner S~iuglings- nnd Kleinkinderheim A. V. machten wir am I I. I I . t936 bet 27 Kindern Rachenabstr iche. Diese wurden in Serumbr~he gebracht, yon der nach 5stfindiger Bebrfi tung je 0, 5 ccm weiBen M~iusen eingespritzt wurden. Es wurden Kinder aus 3 SMen untersucht . Im ersten befanden sich 9 S~uglinge im Alter yon 2- - 5 Wochen, Nur ~ Kind wies Pneumokokken -- den Typ 19 -- auL Im zweiten Zimmer wurden 9 I--I~/ej~ihrige Kinder gehalten, die tagsflber aul3er Bet t waren. 8 hiervon ha t t en einen Ieichten Schnupfen. 5 Kinder beherbergten Pneumokokken, und zwar 3 den Typ t9 und 2 den Typ 6. Im dr i t ten Zimmer befanden sich 9 Kinder von 4 - -7 Monaten, die alle ge~uncl waren. Niehtsdestoweniger erwies sich bier nu t ein Kind als pnemno- kokkenfrei, yon den anderen beherbergten 7 den Typ 19 und I den Typ 6.

Die Grflnde I~r ein solches Dominieren eines Keimes sind noch nicht ganz klar. Nach den Untersuchungen yon ETINGER-TuL- CZYNSKA und yon GUNDEL and MAYER kommt i nne rha tb der einzelnen Pneumokokkentypen ein Bakter ienantagonismus in Frage. Wir haben die aniagonist ischen Kr~tfte der in den beiden Heimen nachgewiesenen Pneumokokkentypen 6 (M~iusevirulenz: 0,5 • IO-4), 19 (M~usevirulenz: 0, 5 • io-~) , 2I (M~usevirulenz: o, 5 • IO -~) und 32 (PI~iusevirutenz: 0,5 • IO-~) in folgenderWeise geprtift: Die St~mme wurden in gleicher Menge in ein gemegnsames R6hrchen mit Serumbri~he eingeimpft and 18 S tunden bebrfi tet . Nun wurden 0, 5 cem der Kul tu r ether weiBen Mans i. p. injiziert, ferner 2 Tropfen in I c e m sterile physiologisehe Kochsalzl6sung gebracht und davon eine ~)se auf mehreren Blu tagarp la t ten aus- gespatelt. Nach 24stfindiger Bebrfl tung dieser P la t t en wurden IOO Kolonien auf neue Blu tagarp la t ten gebracht und nunmehr am n~ichsten Tage du tch Agglutination auf dem Objekttr~.ger die Typenbes t immung durchgeffihrt. Typ 6 land sich 5omal, Typ 19 Iehlte,-Typ 2~ land sich ~3mal nnd Typ 32 37mal. Demnach h~t~e der Typ 6 den gr6Bten antagonist ischen Index, was seine Ver-

breitung im Kinderheim K. begreiflich maehen wflrde; aber un- gekl~rt bleibt, warum er sich im Kinderheim A. V. gegenfiber dem Typ 19 nicht ausgebreitet hat, obgleich dieser im Reagensglas g~nzlich vgrdrAngt worden ist. Die Mans ging merkwfirdigerweise am Typ 21 ein, wie die Aussaat aus dem Herzblut ergab, so dab diese widerspruchsvollen l~rgebnisse keine siehere Deutung zulassen.

X~rie dem abet auch sei, aus den Untersuchungen geht hervor, dab ans ether selbst urn das Vielfache gesteigerten Verbreitung~ eines Pnenmokokkentyps keine l~fickschlfisse hinsichtlich der ~tiologie yon Grippeerkrankungen gezogen werden k6nnen. Es soll damit keineswegs den Pneumokokken die F~higkeit bestritten werden, neben den Lungenentzfin- d u n g e n a u c h ein]ache Katarrhe im Bereich der Lujtwege hervor- zuru]en, abe r h in s i ch t l i ch der d u r c h ih re grolJe Kon tag io s i t / i t u n d rasche V e r b r e i t u n g c h a r a k t e r i s i e r t e n en- u n d ep idemisch a u f t r e t e n d e n Gr ippe b e s t e h t ein Z u s a m m e n h a n g n i c h t in d e r Vc'eise, d a b die P n e u m o k o k k e n die Gr ippe h e r v o r r u f e n , s o n d e r n u m g e k e h r t da r in , d a b gr ippa le E r k r a n k u n g e n besonde r s grin- s t ige V o r a u s s e t z u n g e n ffir die V e r s t r e u u n g , besonde r s a b e r ffir das Ha]ten de r P n e u m o k o k k e n schaffen. Die Pneumo- kokken spielen hier die t~olle der sekunddiren Erreger, wie dies y o n den h~imolys ierendea S t r e p t o k o k k e n , den In f luenza - bacf l len u n d a n d e r e n B a k t e r i e n b e k a n n t ist. U n d wah r sche in - l ich i s t es ]i'er den Charakter einer Grippeepidemie yon entsehei- dender Bedeutung, ob die in i h r e m Ver l au f au f t r e~enden K o m - p l i k a t i o n e n d u r c h beg l e i t ende S t r e p t o k o k k e n , I n f l u e n z e b a c i l l e n oder b e s t i m m t e P n e u m o k o k k e n t y p e n h e r v o r g e r u f e n werden .

E n d l i c h g e h t aus d e n U n t e r s u c h u n g e n he rvo r , d a b wir die Dispositio~ ]iir die Lungenentz~ndung als sehr gering a n s e h e n mfissen. T r o t z h o h e r u n d h 6 c h s t e r V e r b r e i t u n g s z a h l e n hoch- v i r u l e n t e r P n e u m o k o k k e n t y p e n e r k r a n k t se lbs t in Menschen - g ruppen , de ren Dispos i t ion d u r c h B e s t e h e n gle iehzei t iger K a t a r r h e s icher l ich ges te iger t ist, n u r ein ger inger B r u c h t e i l - - j a aus de r Se l t enhe i t geh~iuft a u f t r e t e n d e r P n e u m o n i e n se lbs t bet G r i p p e z e i t e n muB m a n schlieBen, dat3 in de n m e i s t e n F~ l l en dieses Ere ign i s f i b e r h a u p t wi rkungs los vor f ibe rgeh t . ~Vieviel h~uf iger t r e t e n beispielsweise D i p h t h e r i e e p i d e m i e n auf, wie- v im h~uf iger i s t be t d ieser K r a n k h e i t die t ~ b e r t r a g u n g y o n Mensch zu Mensch, obwohl de r Diph the r i ebac f l lu s etwa die gleiche Verbreitung wie de r P n e u m o k o k k e n t y p I aufweis t u n d a u c h bet de r D i p h t h e r i e die Dispos i t ion eine wich t ige Rol le spielt . H ie r l i eg t e ther de r w ich t i g s t en P u n k t e de r Ep idemio log ie de r L n n g e n e n t z f i n d u n g e n ; d e n n aus d ieser entscheidenden Bedeutung, die der Disposition zukommt, e r g i b t sich, d a b in de r P r a x i s das M o m e n t de r A n s t e c k u n g in d e n H i n t e r g r u n d t r i t t u n d wah r sche in l i ch ve rnach l~s s ig t w e r d e n k a n n . Ff i r die 6 f fen t l i ehe S i che rung i s t die croup6se P n e u m o n i e n u t sehr b e d i n g t e ine , , ans t eckende K r a n k h e i t " im enge ren Sinne. D e m e n t s p r e c h e n d l iegt ih re P r o p h y l a x e n i c h t in Des- in fek t ions - oder I s o l i e r u n g s m a B n a h m e n , die o h n e h i n s chon d a r a n s che i t e rn df i r f ten, d a b die W e i t e r v e r b r e i t u n g de r P n e u m o - k o k k e n i m wesen t l i chen d u r c h gesunde Bacil lentr~tger erfolgt ,

Ande r s l iegen die Verh~ l tn i s se dor t , wo wir e ine b e s o n d e r e Dispos i t ion ffir L u n g e n e r k r a n k u n g e n a n n e h m e n mfissen, z. ]3. be t S~ugt ingen oder Mase rn - ode r 1 4 e u c h h u s t e n k r a n k e n . E s i s t e ine b e k a n n t e E r f a h r u n g s t a t s a c h e , d a b a u f Mase rn - u n d K e n c h h u s t e n s t a t i o n e n sekund~ire P n e u m o n i e n geh~iuft auf- t r e t en , w e n n e i n m a l e in d u t c h eine L u n g e n e n t z f i n d u n g kom- p l iz ie r te r K r a n k h e i t s f a l l a u f g e n o m m e n w o r d e n ist. Auf d e m Boden de r erhShten Disposition sp ie l t die A n s t e c k u n g y o n auBen s icher l ich a u c h bet den P n e u m o k o k k e n al ler A r t e i ne wichf ige Rolle. H ie r i s t d u r c h I so l i e rung u n d ~ihnliche MaB- n a h m e n eine w i r k s a m e P r o p h y l a x e zu t r e iben . Bet de r groBen Z a h l de r sons f igen L u n g e n e n t z f i n d u n g e n mu[3 die P r o p h y l a x e v o r a l l em in den Besf~cebungen bes tehen , d i e - - wie zweckm/iBige Ern~ th rung u n d A b h ~ r t u n g - - die Res i s t enz des O r g a n i s m u s zu e r h 6 h e n v e r m 6 g e n .

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