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88 Heft 1] 139 (Aus tier Forschungsstgtte Deutsches Wild, Werbe]linsee) Untersuchungen zur Lebensweise des Moorschneehuhns (Lagopus l. lagopus L.) w~hrend der Jugendentwicklung. 0 Von Heinrich Kr~itzig. Einleitung. Das Moorsebneehuhn (Lagopus 1. lagopus L.), das noeh vor 60 Jahren Brutvogel auf ostpreuBischen Mooren war -- STnESEMASN, 1927 --, ist in letzter Zeit wiederholt in Deutschland gehalten worden -- STEI~ME~Z 1936/37 --, ohne da~ aber die gesammelten Ergebnisse bisher eine eingehende Beschreibung erfahren h~tten. Es war daher verlockend, die Jugendentwicklung dieses ehemals deutschen Vogels zu verfolgen und damit gleichzeitig eine Lficke iu H~lsROTgS ,,Die VSgel Mitteleuropas" schliel]en zu helfen. Eine ghnliche Fragestellung wie alert brachte es mit sich, daft auch hier der Vogel und seine Umwelt als Ma~stab dienten and die rasch eingebiirgerten Termini i~hnlicher Arbeiten von I-IEI~ROT~ und LorEnz hier Anwendung fanden. Als das wichtigste und h~ufigste Flugwild Norwegens ist dem Moorschneehuhn und seiner Lebensweise auch dort die grSBte Auf- merksamkeit geschenkt worden. Die alljiihrlicben Bestandsschwankungen grSl]ter Ausmaite zogen das Augenmerk welter BevSlkerungskreise auf sich und waren zugleich der AnstoB fiir Untersuehungen fiber die Biologie des Moorschneehuhns, die auf breiter Basis begonnen warden. Flier sind vet allem die grundlegenden Arbeiten yon OLSTAD ZU nennen, dessen Anregangen ihren Niederschlag im neuen einschliigigen Schrifttum Norwegens (siehe Literaturangaben!) gefunden haben. Freilich ist sich die folgende Untersuchnng an gekiifigten Tieren ihrer Schwiichen bewu~t. Zablreiche feinste Lebens~u~erungen, die eben vielleicht nut unter natiirlichen Bedingungen in Erscheinusg treten, m6gen hier in Fortfall geraten sein. Bestehen bleiben aber das Kerngeriist tieriseher Verhaltensweisen and die Grundziige tier Jugendentwicklung, die auch als Gefangenschaftsbeobachtungen einen guten Teil zur Biologie des Moorschneehuhns beizutragen verm6gen. Material uad Methoden. Seit dora Herbst 1936 beherbergte das Wildgehege Werbellinsee bis 4 Moorsehneehfihnor finniseher Herkunft in einem 56 qm grol~en i) Die Durchfiihrung dieser Arbeit wurde dutch die Unterstfitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermSglicht, der ich meinen Dank dafiir sage.

Untersuchungen zur Lebensweise des Moorschneehuhns (Lagopus l. lagopus L.) während der Jugendentwicklung

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88 Heft 1] 139

(Aus tier Forschungsstgtte Deutsches Wild, Werbe]linsee)

Untersuchungen zur Lebenswe i se des Moorschneehuhns (Lagopus l. lagopus L.) w ~ h r e n d der Jugendentwicklung. 0

Von Heinrich Kr~itzig.

Einleitung. Das Moorsebneehuhn (Lagopus 1. lagopus L.), das noeh vor 60

Jahren Brutvogel auf ostpreuBischen Mooren war - - STnESEMASN, 1927 -- , ist in letzter Zeit wiederholt in Deutschland gehalten worden - - STEI~ME~Z 1936/37 -- , ohne da~ aber die gesammelten Ergebnisse bisher eine eingehende Beschreibung erfahren h~tten. Es war daher verlockend, die Jugendentwicklung dieses ehemals deutschen Vogels zu verfolgen und damit gleichzeitig eine Lficke iu H~lsROTgS ,,Die VSgel Mitteleuropas" schliel]en zu helfen. Eine ghnliche Fragestellung wie alert brachte es mit sich, daft auch hier der Vogel und seine Umwelt als Ma~stab dienten and die rasch eingebiirgerten Termini i~hnlicher Arbeiten von I-IEI~ROT~ und LorEnz hier Anwendung fanden.

Als das wichtigste und h~ufigste Flugwild Norwegens ist dem Moorschneehuhn und seiner Lebensweise auch dort die grSBte Auf- merksamkeit geschenkt worden. Die alljiihrlicben Bestandsschwankungen grSl]ter Ausmaite zogen das Augenmerk welter BevSlkerungskreise auf sich und waren zugleich der AnstoB fiir Untersuehungen fiber die Biologie des Moorschneehuhns, die auf breiter Basis begonnen warden. Flier sind vet allem die grundlegenden Arbeiten yon OLSTAD ZU nennen, dessen Anregangen ihren Niederschlag im neuen einschliigigen Schrifttum Norwegens (siehe Literaturangaben!) gefunden haben.

Freilich ist sich die folgende Untersuchnng an gekiifigten Tieren ihrer Schwiichen bewu~t. Zablreiche feinste Lebens~u~erungen, die eben vielleicht nut unter natiirlichen Bedingungen in Erscheinusg treten, m6gen hier in Fortfall geraten sein. Bestehen bleiben aber das Kerngeriist tieriseher Verhaltensweisen and die Grundziige tier Jugendentwicklung, die auch als Gefangenschaftsbeobachtungen einen guten Teil zur Biologie des Moorschneehuhns beizutragen verm6gen.

Material uad Methoden. Seit dora Herbst 1936 beherbergte das Wildgehege Werbellinsee

bis 4 Moorsehneehfihnor finniseher Herkunft in einem 56 qm grol~en

i) Die Durchfiihrung dieser Arbeit wurde dutch die Unterstfitzung der D e u t s c h e n F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t ermSglicht, der ich meinen Dank dafiir sage.

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~. Orn° 140 H ~ , c E K~TzIe : L 1940

Gehege, we sie im Friihjahr 1937 und 1938 auch zur Brut schritten. Die Eier waren jedoch unbefruchtet, da sich kein Hahn unter den Tieren befand. Am 4. VI. 1938 erhielt das Wildgehege zwei frische Schneehuhngelege (7 + 8 Eier) aus Sveg/Schweden 1), die einer der briitenden Schneehennen untergelegt wurden. Von den 13 ausgefallenen Kticken warden 9 der Fiihrung der Althenne iiberlassen, wi~hrend die restlichen 4 getrennt and z. T. in Gemeinschaft mit einem jungen Birkhahn yon mir aufgezogen wurden. Die eigenen Beobachtungen

erstrecken sich ve to t. V . - -3 l . X. 1938 und wurden durch einige Mitteilungen yon Tierpfiegern und 1Notizen yon Herrn Dr. GOET~,

vervollst~ndigt, dem ich fiir die Ueberlassung seiner Aufzeichnungen

vielmals danke.

Haltung der Jungen.

Die friiheste Jugend verbraehten die Schneehuhnkiicken in Terrarien ver- schiedener @rSBe.

1.--11. Tag Terrarium 80X40 cm 12.--30. ,, , 90 X60 cm 31.--45. ,, AufzuchtkKfig 1,50Xl~20 m 46.-- ,, Freigehege 7 X 8 m

Die Kiifige waren mSglichst abwechslungsreich und anregend mit Sand, Wald- erde, l~Ioospolstern, Gras- und Blaubeerplaggen ausgestattet and wurden alle i~ Tage erneuert. Eine 6 cm hohe Pappkiste wurde mithilfe eines elektrisehen Heizkissens als Wiirmeunterstand hergerichtet und durch ein Brutschrankthermo- meter unter stiindiger Temperaturkontrolle (___ 35 o C) gehalteu.

Bis zum Alter yon einem Monat wurden die Kiieken in einem Nordzimmer untergebracht, wurden aber t~glieh rand 1 Stunde der Sonne oder bei sehlechtem Wetter 15 Min. Vitalux-Bestrahlung ausgesetzt. Mittags wurde der K~figinhalt samt Jungvggeln mithilfe eines Zerst~ubers mit Wasser besprengt.

Die 9 bei der Althenne verbliebenen Kiieken wurden in einem Freigehege (8)<7 m) gehalten, das jede Woebe einmal gewechselt wurde. Auger 6 qm Blau- beer- und Heidekrautplaggen standen ihnen dort Kiefern- und Waeholderbiische als Deckung zur Verfiigung:

Ern~ihrung.

W~hrend der 1. Lebenswoche erhielten die Kiicken etwa alle 2 Stundon kleine Rationen frischen Futters. Da sie yon Anfang an gern veto Boden aufnahmen, wurde nur sehr wenig aus der Pinzette gefiittert. V o n d e r 3. Woche an wurden ihnen morgens, mittags und abends 3 grSBere Mahlzeiten im 1Napf gereicht, den sie bald als Futterquelle aufzusuchen lernten. Bis zum Alter yon 2 Monaten erhielten sie

1) tterru Forstmeister v. P~D~RS~: Sveg/Schweden, sei aucb an dieser Stelle fiir sein wahrhaft ffirstliches Geschenk ergebens~ gedankt.

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Wasser nur in der oben beschriebenen Form des Zerstgubens, versuehten aber gelegentlich auch aus kleinen Rinnsalen zu schSpfen. Magensteine wurden offenbar sehon am Abend des 1. Lebenstages aufgenommen, sp~tter jedoeh regehn~Big nach den Mahlzeiten und besondsrs abends. OLS~M) & L~D (1923) machten auf einen Untersehied aufmerksam, der darin besteht, dab im Sommer Heine und im Winter groBe Magen- steine anzutreffen sin&

N a h r u n g s z u s a m m e n s e t z u n g u n d - v e r ~ i n d e r u n g w ~ i h r e n d d e r J u g e n d e n t w i c k l u n g y o n M o o r s e h n e e h i i h n e r n .

Zeitraum

1.-- 5. Tag 6.-- 10. ,

11.-- 20. , 21.-- 40. , 41.-- 60. , 61.-- 80. , 81.--100. ,

60 5 __i 5 50 5 5 ! - riO 9 10 10 [10 - -

- - 5 - -

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10 5 2 15 5 3 15 15 5 20 20 7 15 25 10

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- - - - 10 5 - - 10

10 3 ]0

¢D

70 30 60i40 32i 68 fi0 80 5 95 3 97

9 8

Angabe der Nahrungsan~eile in Prozenten der Gesamt-Futtermenge. Veledu-Kalk, feingesfol]ene Eierschalen und MShrensaf~ wurden nicht besonders aufgefiihrt, da sie in k]einen Mengen dem Futter st~ndig beigegeben wurden. Zum Anfeuehteu yon Spr~tt sowie des gesamten Fntters wurde MShrensaft verwendet.

Da bisher kaum Angaben fiber die erfolgreiche Aufzucht junger 5loorschneehfihner vorliegen, war ich vorwiegend auf die Beobachtung und ein Geffihl fiir die jeweiligen Bediirfnisse angewiesen, um die riehtige Nahrungszusammensetzung zu finden. GroBer W e r t wurde auf Vielseitigkeit gelegt, die aus der Graphik und der tabellarisehen Zu- sammenstellung nur z. T. zu entnebmen ist. Auff~llig war die plStzliche Umstellung yon bisher bevorzugter Nahrung auf andere. So wurden Erdbeeren eines Tages versehmi~ht und eine Zeit lang nur B]aubeeren genommen, bis dann plStzlich Rapsblii t tern oder PreiBelbeeren der Vorzug gegeben wurde. - - Sonnenarmes, kiihles Wet t e r schien (bei

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:l. Orn. 14~ HI~INI~IClt KRX~zm : [ 19¢0 l_

10 Tage alten giicken) die Nahrungsanfnahme dahin gehend zu be- eiaflussen, dag Animalien mit besonderer Vorliebe gefressen wurden.

Die Hauptziige der Nahrangszusammensetzung nnd ihrer Ver- gnderung wghrend der Jugendentwieklung gehen am deutliehsten aus der Graphik (Abb. 1) hervor, die den hohen Anteil und den friihen Ueber- gang Zu vorwiegend pflanzlieher Nahrung - - etwa im Gegensatz zum Haselhuhn - - erkennen lgl3t. Naeh den Angaben yon LID und MEIDEIm

Y. 100

7~

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~ - - 5 . - - i a - - Zo. ea 6~ 8o .~¢

A b b i l d u n g 1. Ver~inderung tier N a h r u n g s z u s a m m e n s e t z u n g w~hrend tier J u g e n d - en tw ick lung yon 4 Moorschneeh i ihne rn . - - s c h r a f f i e r t : t ie r i sche N ahrung . - - w e i r : pf lanzl iche Nahrung . - - Als P u n k t e wurden ve rg le ichsweise die W e r t e des t i e r i schen und pflanzl ichen Nah rungsan t e i l s n a c h U n t e r s u e h u n g e n an 89, j u n g e n Moorschneeh i ihne rn yon LID & MS~iDS~m e inge t r agen .

1933), die sich auf Untersuchungen yon Freilandkiicken beziehen, iiber- trifft er noch die hier erhaltenen Werte um ein Betr~chtliches.

Mit dem hohen Anteil pflanzlieher Nuhrung im friihesten ,[ugend- alter mag auch das friihe Auftreten von Blinddarmlosung in Zusammen- hang stehen. Im Gegensatz zu der Ansicht von LID und MJ~rDELL scheint es abet zum Erwerb einer geeigneten Darmflora als Grund- bedingung fiir die Blinddarmverdauung nicht nStig zu sein, dag die Kiicken sieh durch Herumpicken an der Losung der Alttiere infizieren, da meine 4 Jungen trotz vSlliger Jsolierung sehon im Alter yon 5 Tagen ausgosproehenen Blinddarmkot yon sigh gaben.

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Wachstum und Jugendentwicklung.

HE1NJaO~a schreibt in sei~len ,,V6geln Mitteleuropas": ,,Die Brat- dauer der Rauhful3hiihnerarten einschliel31ieh des Schneehnhns sind mit 25 bis 26 Tagen trotz der verschiedeaen EigrSl3en so ziemlich gleich." Die uns iibersandten Eier stammten yon nnvollst~ndigen, d. h. frisehen Gelegen und trafen naeh viertSgiger Reise ein, worauf sie nach einem Ruhetag am 5. VI. 1938 vormittags der lest briitenden Schneehenne untergelegt warden. Naeh den obigen Angaben war das Ausfallen tier ,lungen .frtihestens am 29. V[. zu erwarten. Die Ueberrasehnng war jedoeh grog, als schon am 26. gl. mittags alle Eier (mit Ausnahme eines abgestorbenen and eines unbefruehteten) gesehliipft waren and die Ktieken troeken and taunter anter der Henne sagen. Die Brut- dauer betrug also 21 Tage, nnd zwar unter nahezu natiirliehen Be- dingungen. Die Eier k6nnten nur ganz sehwaeh entwiekelt gewesen sein, zumal sie die 5tiigige Abktihlung and denTransport ohne Sehaden iiberstanden haben. NAU~A>rX gibt eine Brutdauer von 22--24 Tagen an, wiihrend Co>rovER, 1926, mit 22Tagen unseren Befanden am ngehsten kommt. Inzwischen bestiitigten aueh die eingehenden Feldbeobaehtungen yon KmSTOFr~aSEN, 1937, dal~ die Brutzeit zwisehen 490 and 501 Stunden sehwankt (naeh U ntersnehungen an 3 Nester@ Diese Werte deeken sieh weitgehend mit meinem Befnnd yon 500 Brutstnnden, d.h. knapp 21 Tagen. Die iVIoorsehneehiihner fallen demnaeh aus dem Rahmen der iibliehen Brutdauer yon Ranhful3hiihnern, nnd die Angaben HEIXRO~'S verdienen daher eine diesbeziigliche Korrektur.

Obwohl das El- und Ktiekengewieht (frisehgesehltipft) fast den gleiehen Weft wie beim Haselhuhn hat - - frisehe Eier 18--20 g, hoch- bebriitete Eier 12- 14 g and gesehltipfte troekene Kiieken 10--14 g - - maehte sieh von 10 Tagen ab eine starke Gewiehtszunahme bemerkbar, die sehon auf so friihem Stadium die Entwieklung zu einem hSheren Endgewieht erkennen lieg. Die [lSehstgewiehte liegen bei 700 g, nut HAUT~RT ftihrt als 1-15ehstgewieht eines erwaehsenen Tieres 1694 g an, ein Wert, der ganz offenkundig auf einen Irrtum oder Schreibfehler zurfiekzufiihren ist. Das hier yon den JungvSgeln in der Beobaehtungs- zeit erreiehte 1-15ehstgewieht lag bei 575 g (82 Tage), and es ist anzu- nehmen, dug sowohl im Spiitherbst wie im Friihling die KSrpergewiehte nur noeh unwesentlieh weiter ansteigen.

Die yon Geburt an bestehenden Gewiehtsuntersehiede der einzelnen Tiere (Abb. 2) wurden aueh bier ~- wie bei urogcdlus, tetrix and bonasia-- wi~hrend des beobaehteten EntwieMungsabsehnittes beibehalten and ver- grSl~erten sieh yon 8 g am 10. Tage zu 50 g am 86. Tage. Sie kenn-

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~. 0rn. 144 H ~ c ~ KI~X~zI~: [ 1940

!

o y~ot~ 30 ~

Abbildung ~. (~ewichtsverEnderungen wEhrend der Jugendentwioklung yon 4 Moor- schneehiihnern. Zum Vergleich wurden die mittleren Gewichte ~on 317 Jungtieren

nach Untersuchungen 1~Ae~s eingetragen (Punkte !).

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zeichnen die beiden schw~eheren Tiere aueh gewichtsm~ig als Weibehen und die beiden st~rkeren als M~nnehen.

[m Gegensatz zu den gleiehzeitig aufgezogenen Haselhiihnern ver- laufen die Waehstumskurven ziemlich ausgeglichen his zum Alter yon

Monaten, als plStzlich 3 Tiere durch Absehwenken v o n d e r bisher stetig steigenden Kurve eine Erkrankung anzeigen, die wohl auf einen starken Befall mit Acanthocephalen (Heterakis-Kotbefunde[) zurtick- zuftihren ist.

Federkleid - - Mauserverh~iltnisse.

Die urspriingliche Absicht, hier eine eingehende Schilderung der Federkleider und der Gefiederentwickhng zu geben, wurde sp~ter wieder aufgegeben, zumal die eingehenden Untersuchungen yon HAG,s, 1937, und SALOMONS~, 1939, sich nur diesen Fragen gewidmet haben und eine vollstgndigere Darstellung zu bieten vermSgen. Daher seien bier nur die Beziehungen der Gefiederentwicklung zu den Ver- h~dteasweisen besprochen.

Die jungen Schneehuhnkiicken haben das kontrastreichste Dunen- kleid unserer Rauhful3hiihner. Besonders ausgeprggt sind die dunkel umrandete, naeh den Angen and dem Sehnabel hin auszipfelnde rost- braune Xopfplatte und tier Riieken mit den Seiten~ die eine schwaehe braun and gelbgrtine Lgngsstreifnng tragen. Man ist versucht, hierin eine Anpassung an den offenen Lebensraum der Moore und Sfimpfe zu sehen~ wo grelle Beleuchtung und tiefe Schatten ein streifiges Dunenkleid als einen guten Schutz erseheinen lassen. Besonders ein- drucksvoll ist der Gegensatz zu dem Dunenkleid des Haselhuhns, das der starken Helligkeitskontraste entbehrt und dem Dunkel des Waldes angepa~t zu sein scheint. Unter dem gleichen Gesichtspunkt der An- passung an den Lebensraum wird auch die sp~tere Entwicklung des F]ugvermSgens (erst am 4. Lebenstage braehen die Sehwungfedern dutch) und tier seltenere Gebrauch der Flfigel versthndlieh. Auch als fast erwachsene Tiere fltiehteten sie meist zu Fu$ und iiberwanden kleine Hindernisse kletternd.

Nach 15 Tagen fiel die 1. innere Handschwinge aus, die den Mauserbeginn der Hand- und Armschwingen zum Alterskleid anzeigt. Das Gefieder der Schwingen und des fibrigen K6rpers war zur gleichen Zeit soweit herangewaehsen, dal3 sich die Kleinen naehts selbst er-

w ~ r m e n konnten und den Wgrmeunterstand bzw. die hudernde Althenne nicht mehr aufsuchten. Das Jugendgefieder ~hnelte weitgehend dem Sommergefieder der Althennen. Es war am 25. Tage auch an Kopfund Hals~

g o u r n , f. Orn. 88. J a h r g . J a n u a r 1940. 10

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[J. Orn. 14"6 H~n~te~ K~X~zm: L 1940

die den Federwechsel als letzte Teile durchmachen, fast ganz entwickelt, ohne jedoch das Zeichnungsmuster des Dunenkleides am Kopf ver- schwinden za lassen. Erst eine Woche sp~ter versehwanden die letzten Dunen des Ueberaugenstreifens und damit das Zeichnungsmuster der Kopfplatte. Gleichzeitig erloschen auch die spezifischen Kindestrieb- handlungen bzw. die auf die Kiicken gemfinzten Elterntriebhandhngen der Althenne (s. u.). Diese wie einige andere Beobachtungen weisen darauf hin, dal~ man wohl in der Kopfplattenzeiehnung einen AuslSser yon Elterntriebhandlungen zu erblieken hat (Verteidigungsreaktion der Stockenten yon Lorenz!).

Im Alter yon einem Monat wurde das ,,Gesieht" der jungen Moorschneehiihner durch das Auftreten weil~er Angenringe und orange- farbener Rosen fiber den Augen - - sp~ter noeh Bart und Holle bei Junghiihnchen - - reeht ausdrucksvoll. Bei Erregungen jeder Art

t ra ten die Rosen in Erseheinung. Bart und Holle wurden zur gleichen ~Zeit ausgebildet, als die Jungh~ihne aueh sonst ausgesprochen m~nnliehe Verhaltensweisen (Besitzergreifung eines kleinen Reviers, Warnen der iibrigen Tieren ihrer Kette) an den Tag legten.

Schon im Alter yon 30 Tagen beginnt die Ausbildung weiBer o~edern des Winterkleides, dessen Entwiekhng sich his Anfang 'November, d. h. 31/~ Monate lang hinzieht und in den verschiedenen K~rperregionen zu anderen Zeiten ablKuft. Die Schwierigkeit einer Darstellung der verschiedenen Federkleider des Moorschneehuhns im Kreislauf des Jahres beruht darauf, dab ungleichwertige Federn an

oihrer Zusammensetzung beteiligt sin& So besteht das Winterkleid junger Hiihner aus Federn der 1. 7 2. und 3. Generation. Selbst die ausffihrliche Untersuchung yon SALO~O~S~N verliert durch die un-

ogenfigende Darstellung der am Aufbau der Federkleider beteiligten Generationen an Klarheit. Die t~ederbildung bricht w~hrend der Jugend trotz des Energienverbrauches ffir Waehstum und Entwickhng nicht ab . Junge Moorsehneehiihner verhalten sich also ~hnlich wie Alttiere, unter denen nur die fiihrenden Hennen ira Juli/August eine vierwSchige Mauserruhe aufweisen. Fiir AltvSgel will die Ansicht Jo~NsoNs, 1929, :einleuchtend erscheinen, wonaeh die ununterbrochene Federneubildung

.w~hrend des Sommers die Verwertung all der iiberschiissigen Energien darstellt, die bei anderen VSgeln subkutan als Fett gespeichert werden.

Besonders im Hinblick auf die umfassende Untersuchung yon SALO~O~SEN; 19397 tier deln Einflu$ rezenter Klimafaktoren auf die Ausbildung des weiBen Wintergefieders, die AuslSsung der Mauser und die Geschwindigkeit des Mauserablaufes gr~$te Bedeutung zumiBt,

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scheint der Hinweis wichtig, dal3 die gesamte Gefiederentwicklung bei jungen und bei alten Moorschneehfihnern in ihrem zeitlichen Ablauf und ihrer Geschwindigkeit weitgehend mit den Verh~ltnissen in den schwedisehen Herkunftsgebieten t~bereinstimmt. Trotz der Untersehiede~ die vor allem mikroklimatischer Art rein mSgen (ich erinnere nur an die feuehten offenen Hochmoore Schwedens und die geschfitzten trockenen Gehege der Forschungsst~itte) war die Gefiederentwieklung normal und maehte die st~rkere Wirkung genetischer Faktoren ffir die Ausbildung des weil3en Wintergefieders sehr wahrscheinlich. Selbst die gegenteiligen Befunde an den geiteckten nnd dunklen Winterkleidern der Rassen Lagopus L variegcttus und scoticus k5nnen die Versuchsergebnisse der Gefangenschaftshaltung und kfinstlichen Aufzucht in unseren Breiten nicht widerlegen.

Bewegungen.

Bei einem Vergleich junger Moorschneehiihner mit den .~tcken der anderen 3 Rauhful~hiihnerarten fgllt schon yore l. Lebenstage an die andere ~entalitgt yon hayopus auf, die man am besten mit ,,queck- silbrig" bezeichnen kann. Die gttcken machten ruckartige Bewegungen, liefen Zickzackwege, um dann plStzlich wieder stillznhalten. Dieses Verhalten erinnert stark an das anderer Tiere oftener Landschaften, etwa Hasen oder Kaninchen. Besonders klar wurde der Unterschied gegeniiber jungen Haselhiihnern, die anf~nglich zwar anch sehr lebhaft und behende wsren, aber bei alledem mehr gleitende, fliissige Bewegungen aus- fiihrten, wie sie einem ansgesprochenen Buschschltipfer znkommen mSgen.

Auffgllig war das Springen der 1--3 Tage alten Jungen, well dabei viel geflattert wurde, obwohl die Schwingen noch vSllig fehlten. Die Funktion war also sehon vor dem Vorhandensein eines funktionstiichtigen Organs da.

Nach dem Durchbrechen der Federn nahm die Plugffthigkeit zu- sehends yon Tag zu Tsg zu.

5. Tag 40 cm welt, 15 cm hoch 15. Tag 5--8 m weit, 50 cm hoch mit Kurven von 180°.

Die Kleinen waren jedoch keineswegs fluglustig, sondern iiber- wanden die meisten Hindernisse hiipfend oder kletternd.

Von B A ~ wird der Lauf des Schneehuhns als sehr ~hnlich dem des Haselhuhns geschildert. Er ist abet grundlegend verschieden und eher mit dora von Strandl~ufern und Regenpfeifern zu vergleichen. Mit groBer Geschwindigkeit tragen die hohen kr~ftigen ]3eine den klotzigen Rumpf fast unbewegt and ruhig, w~hrend der Gang des Haselhuhns watschelnd und unschSn ist.

10"

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[J. Orn. 148 H~r~amE KaX~z~ : t 1940

Bei den 10 Tage alten Kiieken wurde erstmalig das Schwanzwippen beobachtet, das bei den erwachsenen Tieren sehr aut~llig ist und ebenso wie das Kopfnicken, das Aufrichten der kleinen Helle und das Hoehziehen der Rosen ein Anzeichen fiir grol~e Erregung ist. In dem Schwanzwippen und Kopfnicken hat man offenbar eine symbolische Hand!ung zu erblicken (HEI~XO~g~ 1910), die den Zustand hechgradiger Erregung kurz vor dem Auffliegen kennzeichnet. Das Wippen und 1Nicken scheint iihnlich wie das Halsrecken yon Schwimmenten ans einem gebremsten Aaffliegen hervorgegangen und zu einer symbolischen Handlung fiir die Stimmung des Auffiiegens geworden zu sein. Wippt anfhnglich nut ein Vogel, so warden aueh die iibrigen Tiere yon dem gleichen Zustand erfaBt, nnd schlie~lich fliegen alle gemeinsam auf. Der biologische Wert dieses Verhaltens liegt uuf der Hand, besonders bei gesellig lebenden Arten wie L a g o p u s .

Die Lebhaftigkeit und Bewegungsfreudigkeit der Schneehuhnkiicken zeigte (his etwa zum Alter yon einem Monat) einen deutlichen Tages- rhythmus mit den HSchstpunkten am friihen Morgen und sp~iten Abend. Die Kleinen waren dann yon einem unbiindigen Bewegungs- drang erfiillt, der unter natiirlichen Bedingungen offenbar dem Auf- suchen giinstiger Nahrungspli~tze und Schlafeinstiinde zugute kommt.

Laut~iuilerungen. Der Lautschatz eintiigiger Schneehuhnkiicken ist i~hnlich wie der

ihrer grol]en Verwandten ziemlich arm und l~il]t sich auf ein gimpel- i~hnliches d j i i t p ziiriickfiihren. Wiihrend der Jngendentwicklung machte die Stimme jedoch eine erhebliche Ver~nderung dutch, die wohl am besten aus der folgenden Aufstellung hervorgeht.

1. Tag D j i u -d j i i ip

d j i e - di e - di e . di e

d j i ip - dji~p

98. Tag p ~ t . p ~ t

d j~b - d j i~b - d j i~b

f i rrr - f i rrr

djok - d jok -

30. Tag ~sch-sch

d u n g v S g e l Fiihlungslaut zwisehen Eltern and Gesehwis~ern -- allenthalben auch bei der Nahrungssuche. bei freudiger Erregung, Fatter, spi~ter Sandbad. Weinen des Verlassenselns. Beginn des Stilnmwechsels zu den Rufen der Alttiere. entspricht dem Fi~Mungslaut 7 etwas nasal. lange Rufreihen in Sonnenstellung. mit nachfolgender Schreokstarre bei iiberhin fiiegen- dem Flugzeug. heiser and tie~, nur yon den Jungh~hnen gohSrt. Fauchen in Verteidigungsstellung gegen einen vor- iibergetragenen l%lken.

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88 Heft 1]

54. Tag krokaio - kro - ko korok- kroro korokorok - koro ( H ~ E ~ s kawao ?)

72. Tag krokrokrokro

75. Tag j a k - j a k - j a k

j u k - j u k - j u k

84. Tag jorrkojorrkojorrk

88. Tag p u t - p u t - p u t - pu it - pu i t . p u it

Zur Lebensweise des 1Koorschneehuhns. 1~i9

nur yon Hiihnen gehSrt bei Verteidigung eines kleinen Reviers oder eines kleinen Busehes. @eh~rt wohl mit zu den Balzrufen. Lil]t sieh gut naeh- ahmen end bringt die H~hne in Harnisch. - - guttu- ral-papagei-gbnlich.

bei der Besitznahme eines neuen @eheges, enter Biisehen; nur Hghne.

H g h n e - seharf und fief bei h6ehs~er Erregung~ als ein Jagdhund erseheint.

Hennen - - als ein Jagdhund erscheint.

beim Erseheinen eines M~iusebussards --i iberhin fliegend.

bei Hunger (lange Reihen).

bei und each Befriedigung des Hungers.

L a u t e y o n A l t h e n n e n .

p u t - p u t leise, nasal, Fiihlungslaut der Althenne, mit kurzen Pausen st~ndig gerufen.

pugpugpugpug oder Warnlaut, z. B. als ieh die junge tiihrends Henne puuuut p u t putputput- beobaehte. Lii~]t sieh naehahmee und l~ilt die Jungen p u t gu e - gu e - gu e

g u - g u -u - u - u

(Dr. G o ~ )

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in ihren Bewegungen innehalten.

Sehrecklaut, worauf die Kiicken und iibrigen Alt- tiere in Schreckstarre verfallen.

beim Abtreiben der ttenne yore Nest.

gutturales KnSren yon Hghnen bei Beunruhigung.

Fauehen als Angriffslaut (?) beim Abjagen vom Nest, Ergreifen yon Jungen~ gegen eine streitlustige Henne (Dr. GOETHE - - 28. II. 1937).

beim Verfolgen einer kranken Henne.

(Dr. @OE~E) beim Einfangen einer entschliipften Henne.

kr~hend~ Mitre l~ai vor Brutbeginn.

(Dr. GOETHE) bei Betreten dee K~figs (1. VI.).

Henne dr[ickte slch vor Pfleger und will getreten werden (7. VS. 1937).

Die st immliche Entwicklung der Schneehuhnk[icken l ~ t deutlich verschiedene Stadien erkennen, die durch einen spfirbaren Einschni t t voneinander getrennt sind und mit anderen Ver~nderungen w~hrend der Jugendentwick lung zusammenfallen. Mit dem Auf t re ten dunkler

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[ • . Or1:l. 150 tt~RICR K~X~zI(~ : [ 1940

im Alter yon einem Monat such die erste Jugendzeit ~bgeschlossen zu sein. Die Jungtiere haben sieh zu dieser Zeit auch in ihren Verhaltens- weisen und dem ges~mten Erseheinungsbild den AltvSgeln weitgehend geni~hert.

Einen Monat spSter, d. h. also im Alter yon etw~ 2 Men,ten, traten in den Laut~ul~erungen wie in dem gesehlechtsverschiedenen Herbstkleid und der Mentalit~t die ffir die erwaehsenen Tiere kenn- zeichnenden Geschleehtsunterschiede auf. So liel]en die ( f ihren tiefen, kr~ehzenden ,Revier"-Ruf hSren, den I-IART~ als B~lzuf bezeichnet and mit kctwao wiedergibt. 1)er weibliehe Ba]zruf niau (HA~TEaT) wurde weder yon anderen Beobachtern (Dr. Go~T~) noeh yon mir verhSrt. --Revierverteidigung und Riva]it~tsk~mpfe waren plStzlieh zu beobachten, w~hrend die Rolle der Hennen in der ehemals ,,gleich- berechtigten" I(ette immer mehr zuriiektrat. Zur Brutzeit liel~en die Hennen ein kriihendes rek~i ° hSren, das yon einem unserer Weibchen in der Stellung der Tretbereitsehaft gerufen wurde. Es mag wohl der- selbe Ruf sein, dessen sich die nordrussichen J~ger im April und Mai bei der Loekjagd auf die liebestollen Schneeh~hne bedienen (GOEBEL, 1873).

Nicht zuletzt zeigt diese Zusammenstellung des Lautsehatzes der Schneehiihner, dal~ z. B. die Hennen - - im Gegensatz zu vielen An- gaben des Schrifttums - - fiber zahlre~che Rule verfiigen und keines- wegs stumm sind, Die Ruffreudigkeit unterliegt aber jahreszeitlichen Schwankungen und ist vor der Brut und spiiter beim Fiihren der Jungen besonders groin.

Verhaltensweisen in ihrer Beziehung zur Umwelt.

N a h r u n g .

Am 1. Lebenstage land so gut wie gar keine Nahrungsaufnahme statt, wi~hrend sich veto ~. Tage an mit Verlust des Eizahns und gro~er Lebhaftigkeit schon der gr5~te Teil aller Verhaltensweisen des friihen Kfiekenstadiums beobachten liel]. So piekten die Kiicken viel am Boden und nahmen yon dort ohne Z/~gern Ameisenpuppen und Enchytr~en auf. Sie bevorzugten sogar die N~hrungsaufn~hme vom Boden und verhielten sich damit vSllig anders als Haselhuhnktieken des gleiehen Alters, die s~mtliches Futter nut yon Bl~ttern uad Halmen abn~hmen. Das Verhalten der jungen Schneehuhakiicken ist den natiirliehen Be- dingungen angepaBt, zumal ~[nsekten und ihre Larven (aus feuehtem Moorboden, flachea Tfimpeln und Rinas~len) als Hauptbestandteil der

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88 Heft 1] Zur Lebensweise des ~Ioorschneehuhns. 15[

TSne~ die denen ausgewachsener VSgel schon sehr ~hnlieh sind, scheint Nahrung nachgewiesen wurden (LI1) and M~II)ELL, 1933). Dieses Ver- halten spricht au~erdem dafiir, dag der Ffitterung dutch Broeken aus dem Schnabel der Mutter i was bier nie beobachtet werden konnte, aueh unter natiir]ichen Bedingungen nur eine ganz untergeordnete Rolle zu- kommen mag.

Im Gegensatz dazu hatte es den Ansehein, als ob Beeren ste[s yon oben gerupft werden mfi6ten. Als n~mlieh mit dem Ueberwiegen yon Beeren in der Gesamtnahrung Blaubeeren im Napf gereieht wurden~ fanden diese anf~nglieh keine Beaehtung, w~hrend gleichzeitig B]aubeer- b[isehe bald geleert waren. Erst al]m~hlieh lernten die Tiere, Beeren auch veto Boden and aus N~pfen zu fressen.

Wassertropfen wurden yon Bl~ttern aufgenommen, indem BlOtter and t-[aline yon unten nach oben dureh den Sehnabel gezogen warden. Wahrseheinlieh ist die yon tterrn Dr. HEI~oT~ an Schneehuhnk~icken beobaehtete, v611ig ohne Objektbezogenheit ablaufende, stereotype Streif- bewegung (miindl. Mitt.) hier einzuordnen, und zwar als Triebhandhng der Wasseraafnahme. Es handelt sich dabei offenbar um eine Paralle]e zu dem ,,Naeh-oben-Picken" meiner hungrigen Haselhuhnkficken, die es in den ersten Lebenstagen immor dann beobachten liel~en, wenn sie sehr hungrig waren und kein Fatter batten.

Als die Jungen am 10. Tage einen reiehlieh geffillten Futternapf erhielten, wurde erstmalig beobachtet, wie sie das weniger zusagende Fatter ganz naeh Hfihnerart fortscharrten, um zu den Mehlwfirmern and Ameisenpuppen auf dem Grund des Napfes zu gelangen. Aul]er beim Sandbaden wurden Scharrbewegungen sp~ter nur n0ch selten festgestellt.

Die Art und Weise des Bl~ttterrupfens liel] die Schneehuhnkiicken yon vornherein als besonders geeignet ffir die Aufnahme yon Pflanze~- kost erscheinen. Im Gegensatz zum Haselhuhn~ das nur ganz wenig: rupft, vo]lffihrten die Kleinen - - ~ihnlieh wie bei urogallus ua4 te tr ix : ausgepr~gte Drehbewegungen mit dem Kopf, die es ihnen erm~g]iehten, unter heftigem Zerren selbst die h~rtesten Blfitter und Stengel abzurupfen.

Zum Vergleieh mit dem Verhalten yon Haselhuhnjungen wurdeff~ auch hier versuchsweise Blattwanzen und C0ecinelliden verabreieht, d a wohl anzunehmen war, da~ sie wegen ihres schlechten Geschmackes naeh einigen Prober verweigert wiirden. Ueberraschenderweise stel]te sieh aber heraus, dal3 selbst nach 4--5 Fiitterungen diese iibelschmeckende Nahrung mit der gleiehen Gier wie Heuschrecken und i~¢[ehlwfirmer gefressen Wurde. N-an gewann den Eindruek, dal~ die Sehneeh~ihner:: garnicht w~hleriseh und ziemlieh unempfindlich seien. . ~ . . . .

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[3. Orn. 1 5 2 HEINRIC~ K~X~zm : L 1940

L i c h t u n d W ~ r m e .

Bei grol~er Hitze und schwiflem Wetter~ alas die Kleinen zu h~ufigem Fliigelrecken veranlaSte, wurde im Alter yon 7 Tagen beim Darreichen eines Sandkastens spontan das erste Sandbad genommen, wobei sie wenig scharrten und darauf lange rnhten. Nur bei sehr grol~er Hitze wurden in der Folgezeit noch Sandbfider genommen, zuweilen sogar ohne das Vorhandensein yon Sand auf dem elektrischen Heizkissen, auf einem Tnch oder einer anderen weichen Unterlage. - - Naeh dem Sandbaden oder bei besonders heil~em Wetter zeigten die Jungen gelegentlich aueh die yon EtiihnerhSfen so gut bekannte Sonnenstellung. Dabei legten sie sich meist v511ig ausgestreckt auf die Seite, riefen lant und an- haltend und re&ten die besonnten Fliigel so gut wie mSglieh.

Sonne und Licht liebten die Sehneehuhnkiieken sehr und ruhten dann gern zwisohen Heidekrautbiischen und auf Moospolstern. Aueh die kiinstliche Bestrahlung mitVitalux hatte dasselbeVerhalten zurFolge.

L a u t e und G e s t a l t u n g .

Bis zum Alter yon 20 Tagen waren die Moorschneehiihner keines- wegs schreckhaft. Erst von diesem Zeitpunkt ab richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Vorg~nge in ihrer Umgebung und beantworteten sie mit spezifischen Reaktionen.

Als Bewohner offener Landschaften ist es fiir Lagopus nieht ver- wundorlieh, dal3 Laute der Umgebung erst in zweiter Linie und in schw~cherem Mal~e als optische Erscheinungen Beachtung fanden. Sprechen, KnaUen, Autohupen und Pfeifen batten als zu ihrem Leben beziehungslose Laute meist nur erhShte Aufmerksamkeit zur Fo]ge. Da- gegen wurden mit etwa 50 Tagen der Schrei eines Bussards oder das Oer~useh yon Flugzeugmotoren, alas offenbar sehon dureh einen Lern- vorgang in Beziehung zu der Reizquelle gesetzt worden war, mit Driicken und Schreckstarre beantwortet. Fremden Lauten gegeniiber war die Schreekhaftigkeit nur sehr gering im Gegensatz zu Hasel-, Birk- und Auerwild (GOETIIE, 1937, HEI~no~]~, 1931), sodaB sie schon aus diesem Grunde gut geeignet zur K~figung erscheinen.

Demgegeniiber ist die optische Reizbarkeit sehr grog. Bei den elternlos aufgezogenen Kiieken, die also nieht dureh den unter natiirliehen Bedingungen h~iufig ertSnenden Warn- und Schrecklaut in Flucht- und Schreckstimmung versetzt wurden~ war offenbar die Reizschwelle zur AuslSsung dieser Reaktionen so stark erniedrigt worden, da$ sie plStzlich dureh ganz unspezifische und schwaehe Reize ausgelSst Wurden. Eine

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88 ] Zur Lebensweise des Moorschneehuhnes. 153 Heft 1

Wespe, ein Sehmetterling oder auch der ins Zimmer tretende Pfleger riefen jenen - - auch yon anderen Tieren beschriebenen - - Rappel hervor ( H ~ o ~ , 1931; LOrEnZ, 1935; GO~THE, 1937)7 der sich in vSllig nngerichteten Flucht- und Schreckreaktionen erschSpfte. Die Jungen rasten dabei hin und her, machten Luftsprfinge oder drfickten sich f[ir kurze Zeit an den Boden.

Wghrend die Sehneehuhnjungen bis zum Alter yon 90 Tagen durch direkte Reize ihrer Umgebung nur selten zum Drficken gebraeht wurden, gnderte sich dieses Verhalten~ als sie mit gesteigertem FlugvermSgen, dem Verlassen des Wgrmeunterstandes (bzw. der hudernden Althenne) selbstgndiger wurden. Von dieser Zeit an drfiekten sie sich h ~ u f i g - selbst vor dem Pfleger - - und verfolgten dann die Ursaehe ihres Schreckes - - meist ein Bnssard, Milan oder Falk -- , bis sie dem Gesiehtsfeld entsehwunden war. - - Ale jedoch eines Tages (ira Alter yon einem Mortar) ein Baumfalk in etwa ~ m Entfernung an ihnen vorfibergetragen wurde, gingen zwei VSgel (wohl die beiden & ~ ) sofort in Angriffsstelhng and fauehten den Falken heftig an. Sie hatten nie znvor einen Falken aus so be~ngstigender ~ h e gesehen. Die beiden anderen JungvSgel verhielten sieh erstaunlicherweise vSllig indifferent (wohl ? 9).

Die jnngen Sehneehiihner, die beim Drfieken fast alle fibrigen Reaktionen vermissen lie~en nnd sieh augenseheinlich in einer Art Sehreekstarre befanden, liel]en - - in die Hand genommen - - alles mit sich geschehen. Da ich in der Lage war, durch einen naehgeahmten W~rnruf die Juagen beliebig in diese Schreekstarre zu versetzen, konnte dieses Verhalten h~ufig zu mi~helosen Messungen und W~gungen aus- genutzt werden. Die bier beobaehtete Sehreckstarre entsprieht zweifellos tier yon S~EI~IGER, 1938~ eingehend besehriebenen ,tierischen Itypnose!' und l~l]t ihre bi01ogisehe Bedeutung unschwer erkennen, da eben ein bewegungsloser, sich drfiekender Vogel~ der au~erdem noch fiber eine ausgezeichnete ,Sehutzfarbung" verfiigt, fiir ein blol~es Augentier in der normalen Umgebung so gut wie nieht auffindbar ist.

Mit 2~/2 Monaten wurden einige Versuche begonnen, um das Verhalten yon Sehneehiihnern gegen[iber verschiedenen Feindtieren zu prfifen. So wurde ein junger J~gdhund in 5--8 m Entfernung je

real gezeigt. Die 4 isolierten Tiere flogen beim Anbliek des Hundes sofort auf und rannten dann in gro~er Erregung im Gehege umher. - - Althenne und Junge i]ogea nicht auf, sondern riehteten sieh fast senk- reebt auf, liefen schwanzwippend hin und her und versuchten an- scheinend den G-egenstand ihrer Erregtmg genau zu erkennen.

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15i ItE~ioa K~X~ZlG: I- J. Orn. [ 1940

Einen Tag darauf wurde 4 real eine Kopf-Rumpf-Schwanz- Attrappe aus grauem Tueh in der GreBe und den Proportionen eines Iltis dutch die Gehege gezogen. Kein Vogel der beiden Gruppen war ersehrocken. Die Tiere waren zwar erregt~ gingen aber ,,neugierig" auf die Attrappe zu, besonders die jungen H~hne, die ihre kleine Helle dabei aufrichteten und wie am Vortage tiefe, scharfe jak-jak- Laute riefen.

Das Pappbild eines Fuchskopfes, das den Jungen (am 79. Tage) langsam von vorn gen~hert wurde, blieb vSllig ohne Wirkung. Leider InuBte es bei diesen Vorversuchen bleiben, die noch keiner]ei Folgerungen aus dem beobachteten Verhalten gestatten. Hier gilt es noch zahlreiche Fragen zu kl~ren, die vor allem fiber die Bedeutung des Felles als Quelle des Schreeks noch ausstehen.

Einen kleine Einbliek in das Verhalten yon Schneehiihnern gegen- fiber Flugbildern yon Luf'tfeinden erm6glichten die folgenden Versuche. Dabei wurden dunkle Pappseheiben Init den Flug-Bildern der haupt- siiehlichsten Sehneehuhnfeinde - - Wanderfalk, Gerfa]k und Rauhfug- bussard - - Init der Geschwindigkeit yon I In/see in 4,5 In HShe an einem Faden fiber dem Schneehuhngehege hingezogen. Neben den Vogelflugbildern wurden noch andere Figuren geboten, die kl~ren sollten, ob nicht aueh einfachere Flugbilder, biologisch indifferente Figuren oder gar nur der Sehatten eines durch die Luft fliegenden gSrpers gleiche oder i~hnliche Reaktionen wie bei einein ausgesprochenen Luftfeind hervorrufen. Nur so ist es InSglieh, die Ursachen der ~'lucht- und Schreckreaktionen zu ergrfinden nnd das eigentliche, ,,schlackenlose" Schema des Luftfeindes zu erkennen. - - Leider Inul]ten auch diese Versuehe vorzeitig abgebrochen werden. Diese Fragen erfordern ebenso wie die des Bodenfeindes eine eingehende Untersuchung, die auch die Veriinderungen der Verhaltensweisen wi~hrend der gugendentwieklung mit einbeziehen Iniil3te.

Versuche zur Frage des Luitfeindes.

Zeit: 19.--~1. IX. 1938, Zahl der Tiere: 13, im Alter yon 8~ bis 88 Tagen, dazu 2 Althennen Init ~inclestalter yon 14 Monaten.

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88 Heft 1 ] Zur Lebensweise des Moorschneehuhns. 155

Zah] ] Flugbild der Verhalten der Sehneehiihner Yer-

such~

!

m m

sehen nur neugierig und aufmerksam naeh oben, ohne sich aber zu driicken.

laufen in Deckung unter Kiefer- und Waeholderbiische - - sehen auf-merksam nach oben und rufen juk--duk

unruhige juk-juk-Rufe, ohne aber in Deckung zu gehen.

verhalten sich ruhig und sehen aufmerksam nach oben.

sind ~ingst]ich und aufmerksam~ laufen schwanzwippend umber, ein Vogel driickt sick

einige driicken sich an 0r t und Stelle, andere stiirzen in Deckung~ driicken sich dort und bleiben lange so liegen.

driieken sich spoatan und ohne jeden Sehrecklaut. Beim 3. Versuch naeh I Tag fliegen 2 hoeh, die iibrigen sind hilflos aufgeregt und sind in sti~ndiger Auffliegestimmung (symbolisehe Eandlungen: Halsrecken und Sehwanzwippen).

vorwi~rts - - bleiben ruhig und aufmerksam. zuri]ck (falken~hulich) - - eilen in Deckung unter Biische und driieken sieh dort.

A u s diesen wenigen Versuchen , die bei g]eichem Ver fah ren yon

den Versuchsh t ihne rn meis t auch gleich b e a n t w o r t e t wurden, geht her-

vor, daft e rwachsene Moorschneeh i ihne r (denn als solche haben die

8 6 - - 8 8 Tage a l ten T ie re zu gel ten) auf das F l u g b i ! d eines segelnden

Raubvoge l s ganz spezifisch mi t Auf suchen e iner Deckung, Dr t icken oder

1) Versueh yon ]=lerrn Dr. GO:~THE mit einem ausgestopften Wanderfalken, der am 31. I. 1938 an 4 Althennen ausgefiihrt wurde. Die Tiere suchten trotz ihres weii]en Winterkleides nicht den vorhandenen Schneefleeken auf~ sondern sohliipften unter kleine Fiehten und driiekten sieh dort. Eine Beobachtung am 17. I I . 1938 (Dr. GoEwn~.) spraeh jedoch dafiir, da~] die ttiihner im Friihjahr mit Vorliebe die Sehneefleeken aufsuchen, wie es auch BERG~A~, 1935, Yon der Rasse Lagopus l. koreni aus Kamtschatka mitteilt. Das ,Vertrauen" auf die Schutzf~irbung (offenbar ein Ergebnis zahlreieher Erfahrungen) ]iel~ die Tiere auf den Schneefleeken verharren und die ~Sfensehen nahe herankommen, sodal] sle eine leichte Beute der mit diesen Gewohnheiten vertrauten Jiiger wurden.

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[J. Orn. 156 HEI~c~ KRI~zIo : I. 1940

Flucht reagieren. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob auch bei grSl]erer Fluggesehwindigkeit - - etwa beim Herabsto]en - - Unterschiede wahr- genommen und entsprechend beantwortet werden. So rannten die Schneehiihaer (mit 77 Tagen) wegen einer im Sturzflug fiber das Ge- hege fliegenden Taube auf ein tiefes jorrrk bin in Deekung. Auch einige Graug~nse und Stockenten, die gelegentlieh mit riesiger Ge- schwindigkeit - - ohne vorher gesehen zu werden - - fiber alas Gehege brausten, 15sten dort die g]eiehe Schreckreaktion wie ein segelnder Bussard aus. H~lt man sieh andererseits aber die Reaktionen dem Stoekenten- Flugbild oder langsam fliegenden Enten und G~nsen vor Augen, so wird man geneigt, das oben beschriebene Verhalten sehr sehnell fliegenden Gro~vSgeln gegeniiber auf eiue bloke Sehreckwirkung zuriickzufiihren. Wenn dieses Verhalten der spezifischen Sehreckreaktion auf ein Raub- vogelflugbild gleicht, so darf diese Armut an besonderen Reaktionen nieht verwundern, denn wie immer auch der Schreck geartet sein mag, Driicken und in Deckung-gehen bleiben unter dem Gesichtspunkt der Arterhaltung biologisch zweekmgl]ig und verst~ndlich.

Das Yerhalten von Kiicken zu Eltern und Pfleger.

Als die Kiicken am 1. Lebenstage trocken waren, folgten sie der langsam dahinsehreitenden Althenne dieht aufgeschlossen. Erst beim ErtSnen des Warnlautes verteilten sich die Jnngen fluehtartig in die Umgebung, um sich in Grasbiilten zu versteeken, wo sie kamn aufzu- finden waren. Aber nut am 1. Tage, wenn die Nahrungsaufnahme der Kleineu so gut wie gar keine Rolle spielt, hielt die Kfiekensehar so dicht zusammeu und verblieb bei der Henne~ wghrend sich der Aktions- radius des Einze]kiickens schon am 9. Tage auf ~--3 m erweitert hatte. In der Regel waren die Kleinen bei der Futtersuehe ganz sich selbst iiberlassen, und nur selten lockte die Althenne einmal durch eine leise schnelle Rufreihe (puitpuitpuitpu it) die Kiicken zu einem ergiebigen Futterplatz.

Die 4 getrennt gehaltenen Sehneehuhnkiieken verhielten sieh an- f~nglieh vSllig indifferent dem Menschen gegeniiber, zumal sie ihr Ansehlul3bediirfnis aueh gegenseitig befriedigten. Wenn bei den Kleinen ein angeborenes Schema des Elternkumpans (LoREnz, 1935) vorhanden sein sollte, so inflate es so zeiehenreich sein~ da~ ein Mensch nicht hinein- passen wiirde. Das Versagen bei dem Versuch, die Jungen zu fiihren, scheint jedoch vorwiegend auf den Mange] an Lautzeichen seitens des Menschen zuriickzufiihren zu sein~ wie es Lo~v~z aueh yon Stockenten beschrieb.

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8 8 tteft 1] Zur Lebensweise des ~Ioorschneehuhns. 157

Bei einem Vergleich der beiden Kiickengruppen wurde so recht die Bedeutung yon Lautzeichen im friihen Kiickenleben klar. Die 4 elternlosen Jungen gliehen offenbar durch auffa]lend h~ufiges Rufen das Fehlen des mfitterlieheH Ftihlungslautes selbst aus. Ihr gimpel- ~hnliches Locken brach fast den ganzeu Tag nicht ab, w~hrend yon den Kiicken bei der Althenne nut selten Rule zu vernehmen waren. Bei einer Beobachtung (Alter tier Kiieken 1̀ 2 Tage) wurde festgestellt, da~ die ffihrende Althenne im Abstand yon etwa 5--10 Sek. ihren Ffihlungslaut hSren liel~, wobei die Kleinen beruhigt der Futtersuche nachgingea. Erst zur Zeit des S~lbst~ndigwerdens der Jungen und tier Lockerung des Fami]ienzusammenhanges (Alter etwa 1 Monat) nahm in beiden Kliekengruppen die Ruffreudigkeit auff~llig ab. Man ge- warm entschieden den Eindruck, da~ die Ffihlungslaute ein Geffihl der Sieherheit und Beruhigung bei den Schneehuhnkfieken hervorriefen.

Aueh das Auftreten des oben beschriebenen Rappels war in beiden Kfickengruppeu verschieden. Die isolierte Haltung der einen im Zimmer und der anderen im einem Freigehege mit Mutter m~gen die Untersehiede noch verst~rkt haben. W~hrend bei den isolierten Tieren der geringste Reiz zur direkten AuslSsung des ,,Rappels" fiihrte, wurde er bei der anderen Gruppe nut sehr selten (meist erst nach einem Monat) beobaehtet, weil das Bediirfnis zu Fluehthandlungon h i e r - ausgelSst dureh Warnlaute der Althenne - - vollauf befriedigt wurde.

Die unerwartet grol]e Selbst~ndigkeit der Kficken, die schliel31ich einer der Hauptgrfinde fiir die gegliickte Aufzucht war, macht es sehr wahrscheinlich, da~ die Rolle des Hahnes bei der Ffihrung des Ge- sperres nur yon untergeordneter Bedeutung ist. Diese Folgerung aus dem Verhalten der Kiicken stimmt auch mit den sp~rlichen Notizen im Schrifttum fiberein, wonach - - mit Ausnahme yon Co~ow~, 19'26, - - nur yon einem losen Zusammenhalt des Hahnes mit der Kficken fiihrenden Henne die Rede ist. Trotzdem mug ihm auch die Funktion des Waraens uud der Verteidigung zukommen (B~T, berichtet yon st~udiger Stimmfiihlung zwisehen 07 und ~, Co~ov~ beschreibt das Sieh-lahm-Stellen des Hahnes zum Sehutze der Jungen).

Als die Jungen etwas ~lter als 1 Mouat waren~ machte sich eine auff~llige Verfinderung im Verhaltea der jungen ~ zu der Altbenne und den jungen ~ ~ bemerkbar. Von dieser Zeit ab ging die Rolle des siehernden~ warnenden Vogels in der Familie yon der Althenne immer mehr auf die jungen H~hne fiber. So braehten wir 5 Jungtiere (7`2 Tage alt) und die ehemals f[ihrende Althenne in ein anderes Ge- hege zu 3 Haselhfihnern. Die Jungh~hne gingea sofort daran~ den

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[3. Orn. 1 5 8 I=i]~i~mc~ K~:~TZlS: : t 1940

neuen Raum zu besetzen, w~hrend Alt- und Junghennen dabei kaum in T~tigkeit traten. - - Von einem Sitzbaum und anderen erhhhten Punkten des Geheges hielten sie Ausschau, wie es auch BRt~LL in seinem Is]andfilm zeigte.

Das Verhi~ltnis der beiden Gruppen yon Schneehubnkficken zu dem menschliehen Pfleger war im wesentlichen durch die Futterzahmheit gekennzeichnet. Es fehlte also die Pr~gungszahmheit, die bei der Graugans so leicht zu erreichen ist (Hm~oT~, 1910). Vom 15. Tage ab kamen die getrennt anfgezogenen Jungen auf Hand und Knie, um yon dort Futter entgegenznnehmen. Aber aueh die Tiere des Frei- geheges kamen im Beisein des Pflegers heran, um Mehlwfirmer und andere Lieblingsbissen zu fressen. Mit dem Uebergang zu reiner Pflanzenkost schwand die Futterzahmheit e t w a s . - Dennoch blieben die Tiere auch spiiter zutraulich und ~inderten selbst im Herbst und Winter ihr Verhalten nieht, wie wir es beispielsweise bei bonasia fest- stellten. Wi~hrend aber das Haselwild im Herbst zum Einzelg~nger wird und d e n Winter fiber nur im Paarverbande lebt, scharen sich die Schneehiihner in dieser Jahreszeit zu grol]en Fliigen (bis 150) zusammen und fiihren ein geselliges Leben. Diese Eigenheit mag aueh das Ver- hMtnis zum menschlichen Pileger gfinstig beeinflussen und die Zucht erfreulicher gestalten als bei den fibrigen T e t r a o n e n . - Mit etwa '2 Monaten wurde ein auff~lliger Unterschied zwischen den beiden Gruppen yon Jungvhge]n beobachtet~ und zwar erwiesen sich die iso- ]ierten Tiere scheuer als die andern. Es hatte den Anschein, als ob die Gegenwart der eingewhhnten Alttiere beruhigend wirke und auch die Fluchtbereitschaft der Jungen unter Hemmung setzte.

Die Beziehungen zwisehen Kficken nnd Altvogel sind natfirlich wechselseitige. So war auch die Althenne in ihrem Verhalten aufs feinste auf den Entwicklungsgang der Jungen abgestimm% und zwar schien das jeweilige Entwicklungsstadium der Jungen ma~gebend ffir die entsprechenden Verhaltensweisen der Althenne zu sein. Die Lauf- geschwindigkeit der ftlhrenden Henne war bis zu dem Zeitpunkt, als die gleinen schon einigerma~en fliegen konnten, offensichtlich gehemmt und so weit herabgesetzt, dal~ die Jungen in tier Lage waren, jederzeit zu folgen. Die biologische Bedeutung dieser Schnellauf-t{emmung, die ich bei Auerwild feststellte, liegt zweifellos darin, da~ der Zusammen- halt des gleinkiickengesperres auf diese Weise gesiehert wird. Un- sieher ist jedoch, ob diese Hemmung erst durch den Anblick der Kficken

:ausgeliist wird, wie es Lorenz, 1935, annimmt, da die Sehneehenne schon wi~hrend der Brutzeit in der ~estumgebung d as g!eiche Gebahren

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88 Heft 1] Zur Lebensweise des Moorschneehuhns. 159

zeigte. - - Auch tier ftudertrieb der Henne erlosch, als die Jungen soweit befiedert waren, dal] sie nachts nicht mehr unterzukriechen versuchten.

Schreekstellung und Scheinangriffo kann man bei der Schneehenne schon zur Brutzeit beobachten. Wenn man sich dem briitenden Tier~ das iiuBerst lest auf dem Gelege sa], gar zu stark ni~herte (20 cm), stiirzte sie veto Nest mit den Zeiehen hSchster E r regung . Sie lie~ dabei den zweisilbigen Ruf h u r r r r o h u r r r r o h5ren, fficherte den StoB und riehtete ihn steil auf, sodal~ die sehwarzen Schwanzfedern mit der weiBen Endbinde yell zur Geltung kamen (vielleicht ein Schrecksignal!). Das Gefieder yon Hals und Riicken war aul]erdem gestr~ubt, und die hRngenden Fliigelbuge beriihrten fast die Erde. Dabei wurde der ,Angreifer" in r~sendem Tempo umkreist und mit Scheinangriffen attaquiert. Als ich darauf alas Gehege schnell verliefl~ wurde die andere Sehneehenne (in Ermangelung des plStzlich verschwundenen Mensehen ?) heftig verfolgt. - - Das Verhalten der fiihrenden Sehneehenne bei grol~er Gefahr war das gleiche. Mit dem Aelterwerden der Jungen klang diese Reaktion immer mehr ab, um im Alter yon etwa einem Monat ganz zu erl5sehen, auf einem Entwicklungsstadium also, we die Jungen nieht mehr die Dunenkopfzeichnung tragen, im Jugendk]eid stehen~ volle Flugf~higkeit besitzen und vollwertige Glieder einer Kette werden. Mit tier Lockerung der Familienbande und dem Sehwinden des Besitz- verhfiltnisses yon Althenno und Eiern bzw. Jungen erlosch ~ueh die Verteidigungsreaktion.

Kiickenlose Althenne.

Von den beiden Moorsehneehennen (des ]~riihj~hrs 1938), die im Abstand yon 20 Tagen mit der Eiablage beg~nnen und aueh zur Brut schritten, wurde die sp~ter beginnende kurz vor dem Schliipfen der Kiieken (des anderen Vogels) in ein Naehbargehege gesetzt. Die Sicht- verbindung zwischen den beidea Nachbargehegen wurde his zu 80 em HShe durch Rupfen fast ganz unterbunden. Umso auff~illiger war das Verhalten dieser Henne, die nach dem Schliipfen der Jungen - - offenbar veranlaBt durch die Laute der I(iicken - - trotz raumlicher Trennung vSilig das Gebahren einer Junge ffihrenden Henne zeigte. Ebenso wie diese liel~ sie Fiihlungslaute und LocktSne hSren, worauf die Kiicken (wiihrend der ersten 3 Tage) manchmal in die Richtung der Laute eilten, aber an tier Zwischenwand tier Gehege halt machen mugten. Das SchallokalisationsvermSgen war offenbar noch sehr gering, da die Riehtung nur ungefiihr eingoschlagen wurde und die Kiicken auch die

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~, OrD.. 160 H ~ m ~ KRXzzio: I. 1940

eigene [-Ienne erst nach einigem Suchen fanden. Die Unsicherheit der ersten Tage lie~ jedoch naeh, als sie die Gestalt des Altvogels kennen- gelernt und als W~irmequelle sch[%tzen gelernt batten. - - Da die Kiicken aueh den Rufen der fremdeu Henne folgten, kann man wohl annehmen, dab die fiihrende Althenne in der frfihesten Jugend noch nicht an der Stimme erkannt wird, wie es B~c~zcER, 1934, veto Haushuhn mitteilte.

Um st~indig mit den Kiicken des Nachbargeheges in Sichtverbindung zu bleiben, sa~ die isolierte Henne etwa veto 10. Tage ab auf einem Baum des K~ifigs und verfolgte die Kiickenschar den ganzen Tag. Als im Wechsel yon einer Woche die Henne mit ihren Jungen in ein anderes Gehege gebracht wurde (8 m entfernt), geb~.rdete sich die Einzelhenue wie wild und zeigte offensiehtlich das Bestreben, Ruf- und Siehtverbindung mit den Kiicken aufzunehmen.

Am 44. Tage wurde die Althenne zu tier Familie mit den Jung- tieren gesetzt und gliederte sich dort sofort ein, ohne auch nut einen Augenblick zu zggern. Lediglich ein Jungvogel (yon der ~ Tage vorher zu der Familie gesetzten getrennten Aufzueht) ging in Schreck- stellung auf sie zu, w~hrend die Mutter und die iibrigen Kiicken nicht mehr Notiz yon ihr nahmen als yon jedem anderen K~figgenossen.

Beziehungen der fieschwister untereinander.

Das hier zu entwerfende Bild des Geschwisterzusammenhaltes wurde im wesentlichen an den 4 getrennt aufgezogenen Jungen erhalten und weist naturgema$ durch das Fehlen tier Mutter Versehiebungen yon Verhaltensweisen auf, die uuter natiirlichen Bedingungen kaum vor- handen sein diirften.

Da fast alle T~tigkeiten w~hrend tier ersten Lebenstage tier Schnee- huhnkiicken in einem bei allen 4 Tieren gleichen Rhythmus verliefen, konnte man leicht versueht sein, hierin gegenseitige Beziehungen zu sehen, die tats~tchlich aber erst mit 4--5 Tagen auftraten. Lediglich alas h~ufige Rufen, mit dem sich die Kleinen beruhigten, kann man hier fiir die gegenseitige Fiihlungnahme anfiihren.

Am 4. Tage bemerkte man bei den Jungen ein Verhalten, das auf ein gegenseitiges Kennenlernen schliegen liel3. Sie betrachteten sich auff~llig viel und richteten ihr besonderes ]nteresse auf den Kopf bzw. die Kopfzeichnung ihrer Geschwister. Gelegentlich wurde auch einmal zSgernd danach gepickt. Von dieser Zeit ab wurde der Zusammenhalt der mutterlosen Kiickenschar, der ja unter nati~rlichen Bedingungen wohl vorwiegend durch die gemeinsamen Beziehungen zu tier fi~hrenden Althenne gewahrleistet wird, offenbar durch pers~nliches Kennenlernen

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hergestellt. Wurden z. B, 9 Tiere enffernt, so fingen beide Gruppen a n Zll ,~weinell ~.

Im Alter yon 5--6 Wochen veriinderte sieh das Verhalten der Jungtiere zueinander recht p]Stz]ich. Eine bisher nieht beobachtete Unvertr~gliehkeit wurde immer auffiilliger. Jede geringfiigige Unsicher- heir eines Tieres (z. B. naeh einer StSrung, einem kleinen Sehreek) zog sofort eine Verfo]gung seitens der iibrigen naeh sieh, ohne dal3 man jedoeh eine bestimmte ttaekf01ge oder Rangordnung feststellen konnte, wie es SC~JELI)EnuP-EBBv,, 1999, yon Haushiihnern und ALLE~, 1934, von Bonasa umbellus beschrieb. Diese Hackfolge trat nut vor der Brut- zeit bei den Althennen in Erscheinung. H~ufig waren jedoeh die grSgeren, stiirkeren Tiere die gerfolger. Es handelte sich dabei um Scheinangriffe, wobei die Rosen hochgezogen, der Sehnabel welt gebffnet und der Hals in die Waagerechte gestreekt wurde. Mit dem Umsetzen der Tiere in ein grol3es Freigehege ~nderte sieh aueh dieses Verhalten~ sodal~ mall hierin vielleieht aueh r~iumliche Einfliisse vermuten d a r f . - Bei der anderen Kiiekengruppe trat ein entsprechendes Verhalten erst mit '2 Monaten auf, und zwar in Verbindung mit der voriibergehenden Besitzergreifung eines kleinen Reviers, einer sicheren Gehegeecke oder eines Busches.

Als zur gleichen Zeit eines der 4 Jungtiere heftig erkrankte, nahmen die iibrigen keine Notiz davon, sondern verhielten sieh in der gleiehen Weise wie vorher zu ihm. Zur Brutzeit jedoeh wurde eine plStzlieh erkrankte Schneehenne von ihren K~figgenossen zu Tode gehaekt.

Brutbeobachtungen an Moorschneehiihnern.

Der Bruttrieb yon Lagopus ist so stark, dab er aueh bei geki~figten V6geln durehbrieht und Brutversuche an der Tagesordnung sind. Sogar ohne Beisein eines Hahnes sehritten im Friihjahr 1937 nnd im Mai 1938 zwei Hennen zur Brut und liel~en dabei zahlreiche Verhaltens- weisen beobachten, die sowohl wegen der verh~ltnismi~gig natiirlichen Bedingungen wie aueh wegen des starren Ablaufs dieser Triebhandhngen den normalen Verhgltnissen weitgehend entspreehen diirften.

Obwohl den Hennen unter Kiefern- nnd Waeholderbiisehen Deekung gegen Sieht yon oben zur Verftigung stand, wnrden ~ Ne~ter ganz often (ira Gegensatz zu Nestanlagen der Vorjahre) inmitten einer 9 qm grol]en Fl~ehe yon Blaubeer- und Heidekrautplaggen angelegt, wie es SmRESE~aXX~ 1997, aueh yon den letzten Bruten (1879) im Rup- kalwer Moor in OstprenBen beriehtete. Das entsprieht aueh weit-

aourn, f. Orn. 88. aahrg. Januar 1940, 11

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gehend den Verh~iltnissen in Norwegen, wo bis zu 30 °/o der gesamten Eiproduktion in sehutzlosen Nestern ein Raub der Nebe]kr~ihen wird. Zur Anlage des Nestes wurde das Vorhandensein natiirlicher Mulden ausgenntzt, die yon der Henne noch gleichmitl~iger ausgeformt warden. Blgtter, galme and feine Aststiickchen warden yon der in tier Mulde sitzenden Henne mit dem Schnabel aufgenommen und fiber die Schulter nach hinten an den K6rper gelegt bzw. unter die Bauchgegend ge- schoben. Von der ,,Anlage" eines Nestes vor der Brut kann man nicht sprechen, weil der Trieb zum ,,l:tinterlegen" erst mit Legebeginn, d. h. mit Ablage des .1. Eies auftritt (OLs~AD, 1932). Es ist daher nicht verwunderlich, dab die Nestauskleidung vSllig die Zusammensetzung der Umgebung widerspiegelte. Hier wie auch bei Freilandsbeobachtungen wurden nur wenig Federn im Nest (gegen Ende der Brut) gefunden, obwohl Brutfleckea bei den brtitenden Hennen festgestellt wurden - - CoNov~, 1926.

[m Gegensatz zur Graugans, bei tier das Zadecken des Geleges durch eine besondere Triebhandlung bewirkt wird (mdl. Mitteilg. yon Dr. LORENZ), fehlt eine solche beim Schneehuhn. Das Zudecken des Geleges wurde hier durch die gleiche Triebhandlung wie beim Aus- kleiden der Nestmulde - - d. h. durch Zuriicklegen yon Material der Nestumgebung - - erreieht. Kurz vor dem Yerlassen des Nestes (Be- obachtung: 15. V. 1938 2 Eier) rupfte die Henne yon vorn and den Seiten grfine Blgtter yon Blaubeerstrgaehern, nahm Nadeln nnd alte Blgtter auf, um sie nach hinten zu legen. Sie blieb dabei auf dem Nest sitzen, machte Wendungen nach beiden Seiten, rfickte langsam vor and legte dabei stfindig Material nach hinten, sodaB beim Verlassen des Geleges die Eier schliel~lich bedeekt waren. Das Fehlen einer besonderen Triebhandlung des Nestzudeckens seheint unseren Hiihner- vSgeln gemeinsam zu sein, und das Abklingen dieser urspriinglich dem Nestban zugehSrigen Triebhandlung erklgrt auch die widerspruchsvollen Beobachtungen yon bedeckten und unbedeckten I-Iiihnergelegen. Finder man bedeckte Eier, so darf man daraus schlie|]en, dab es sich um ein nnvollstgndiges Gelege oder eines auf frfihem Bebrfitungsstadium handelt, d. h. also um ein dem Nestbau nahe liegendes Stadium des Brut- zyklus. Voraussetzung ist aber, dal~ das Gelege ohne StSrnng verlassen wurde.

Da die jungen weiblichen Moorschneehfihner im ersten Herbst nur sehr wenig spezifische Henneneigenschaften beobachten lieBen, war es um so auff~lliger, dab ein 6~ Tage altes Tier pl5tzlich die Triebhand- lung des Zurfieklegens yon Nistmaterial ausffihrte. Der Anblick eines

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breitgeseharrten (Ameisen-) Hauf'ens feiner Aestehen nnd Nadeln wirkte offenbar ausl6send. Es handelte sieh hierbei um ein Verhalten, das ftEIS~OTE in bewul3ter Vermenschliehung als ,,Puppenspielen" be- zeichnete, womit er unerwartet frtih auftretende Triebhandlungen meint, die eigentlieh erst der Fortpflanzungszeit angehSren.

Da die beiden alten Moorsehneehennen (des Frtihjahrs 1938) im Abstand yon ~0 Tagen mit der Eiablage begannen, land die spgter legende Henne sehon das Nest ihrer Genossin vor. Anseheinend unter- driiekte der Anbliek des fertigen Nestes den Trieb zu eigenem Nestbau, denn sie versuchte stiindig das andere Nest zu besetzen, und es gelang ihr a u e h - - offenbar in den kurzen Brutpausen der anderen H e n n e - 2 Eier, die dureh eine besondere Wisehzeiehnung als von ihr stammend gekennzeiehnet waren, in das vorhandene Nest zu legen. Sparer wurde sie jedoch yon der schon brtitenden Henne vertrieben und ging daran, ein eigenes kleines Nest zu bauen. In der Folgezeit entstanden noeh

weitere Nester, in denen sie insgesamt 15 Eier legte, ohne aber je- reals reeht zum festen Briiten zu kommen.

Wenn man abet yon Schneehuhngelegen mit 16--18 Eiern liest, so wtirde ich immer annehmen, dag hier zwei Hennen in ein Nest ge- legt haben, zmnal eine Beobaehtung am 25. V. daftir sprieht, dag eine andere Henne, die sieh am Nest zu sehaffen maeht (zur Zeit der Ei- ablage!), nicht als Nestfeind betraehtet wurde.

Die vorliegende Untersuchung konnte sich im wesentliehen nut auf die Jugendentwieklung yon Lctgopus lagopus erstreeken, obwohl es verloekend wiire, auch weitere Pragen - - etwa der Balz, der Paar- bildung im Frtihjahr - - zu bearbeiten. Die eingehende Besehreibung der beobaehteten Verhaltensweisen hot die einzige MSgliehkeit, einen Aussehnitt .des Lebens und der Lebensweise dieses einstigen deutsehen Flugwildes zu vermitteln. Die Erfahrungen tiber die Aufzueht nnd I-Ialtung, die weder in der Erni~hrung noeh im Verhiiltnis zum Menschen Sehwierigkeiten boten, erSffnen vielleieht die MSgliehkeit einer Wieder- einbiirgerung der Art aus den benaehbarten baltisehen Siedlungs- gebieten. Und nieht zuletzt sollte mit dieser Untersuehung die Grand- lage erweitert werden, yon der aus eine vergleiehende Betrachtung der Verhaltensweisen aller Tetraonen - etwa als Parallele zu den Arbeiten tJEISrl~OTgS an Anatiden - - ausgehen kann. Das Studium der Bastardentwieklung und der Einflul3 der artversehiedenen Lebens- rgume wird fiir die Klgrung grundsiitzlieher Fragen yon gr613ter Be- deutung seth.

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