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1096 Km~T Sctn%EIER,AS~ID RASPEund VE~ HEINKE: Pathologie der Desoxyribonuelease. Klinisehe Woehensehrift UNTERSUCHUNfiEN ZUR PHYSIOLOGIE UND PATHOLOGIE DER DESOXYRIBONUCLEASE IN DEN KORPERFL~SSIGKEITEN DES MENSCHEN*. Von KURT SCHREIER, ASTRI~) IR, ASPE und VE~A HEINKE. Aus der Universit~ts-Kinderkltnik Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. PIt. BAMBERGER). W/~hrend die Existenz der Enzyme, welche die Nucleins~uren depolymerisieren, dem Biochemiker schon recht lange bekamlt ist (Schrifttum bei SuM~E~ und SO~ERS; BREDEREK; SIEBERT, L~NG and Mit- arbeiter), finden wit in der Literatur nur wenige Untersuchungen fiber das Vorkommen derartiger Fer- mente in den KSrperflfissigkeiten des Menschen. So fehlen z.B. auch in der neuen Ausgabe des Hand- buches von FLASCHENTEXGERund LE~TZ in der Tabelle der im Serum vorkommenden Fermente (HINSBEI~G) die Nucleasen. In vorbereitenden Untersuchungen hat sieh er- geben, dab sowohl Ribonucleasen als auch Desoxy- ribonucleasen im Urin, im Serum und offenbar auch im Liquor eerebrospinalis vorkommen. Wir konnten inzwischen zeigen (KoszaL~& Scm~mE~, ALT~AN), dab im mensehliehen Urin 2 Desoxyribonueleasen (DN-ase I und II)mit versehiedenem pR-Optimum vorkommen, deren Trennung mi~ Hilfe der Papier- elektrophorese gelingt. Damit werden im Tierversuch erhaltene Ergebnisse (An~F~E¥ und MI~SXY) auch ffir den Mensehen bestatigt. Auch in der menschlichcn Placenta finder sich die DN-ase II (SIEBEaT, LAZ~G und Mitarbeiter). Im amerikanisehen Schrifttum fanden wir eine Mitteilung fiber den DN-aseI-Gehalt des Liquors (KovAcs und 5~tarbeiter) sowie ein KongreBreferat, welches einige Angaben fiber die Aktivitat im Serum enth~lt (0BmXSKY, KURNICK). Dieses is~ inzwisehen als Publikation erschienen. Wir haben das nicht sehr einfache Studium der Desoxyribonuclease deshalb in Angriff genommen, weil dieses Ferment anscheinend ausschlieBlich im Zellkern vorkommt (LA~G) and so zu hoffen stand, dab sich Ver~nderungen im Kernstoffweehsel dutch Ak~ivit~.tsverschiebungen beider DN-asen im Serum manifestieren. Uns interessierte vor allem, ob eine Paraltele zwisehen Wachstumsintensit~t und DN-ase- ak~ivitat besteht und ob sich diagnostische tIinweise linden lassen bei Erkrankungen, welehe mit einem rasehen Kernzerfall einhergehen. Da yon KOWLESSAg and Mitarbeitern gezcigt worden war, dab der dutch KSrperganzbestrahlung ausgelSste Zellkernzerfalt sich in einer Aktivitg,ts- erhShung der DN-ase Iund II im Urin anzeigt, lag es nahe, das VerhMten dieser beiden Enzyme im Blur des Menschen naeh therapeutisehen Strahtendosen bzw. naeh Isotopenapplikationen zu untersuchen. Die Be- stimmung der DN-asen erfolgte in Anlehnung an das Verfahren yon AL~FaEY und MmSK~, wobei die Desoxyribonucleins~ure aus Kalbsthymus naeh der leieht modifizierten Methodik yon Dou~cE und Mit- arbeitern hergestellt wurde, da es uns darauf ankam, ein m5gliehst hoehpolymeres Desoxyribonucleat zu erhalten. Me~hodilc. Kalbsths~mus wurde friseh am Sehlaehthof in Eis verpaekt und tie~ ge~roren. Naeh dem Auftauen wm<te das vom Bindegewebe befreite Organ im Multimix mit eiskMter * Anlggtiehdes 3. internationalen Kongressesftir Bioehemle(Briissel 1955)wardeneinige Ergebnissemitgeteilt. 0,9%iger NaC1-LSsung homogenisier~ und das Homogenat in einer tiefgektihlten Zentrifuge bzw; im Tiefkiihh'aum 30 min l~ng bei 2500--3000 Touren zentrifugiert. Das Sediment wurde noeh 3mal homogenisiert und zentrifugiert, der End- niedersehlag im Homogenisator in 1 Liter eiskalter NaC1- LSsung verteilt und in ein grebes Beeherglas gegeben, d~zu wurden 90 em 3 einer hochgereinigten LSsung yon Natrium- dodeeylsutf~t t gefiigt. Mi~ einem Riihrwerk wurde das iiberstehende Get 3 Std lang bei R~umtemperatur kr/~ftig gertihrt, danaeh wurden 55 g KoehsMz hinzugesetzt und weitere 5--10 rain geriihrt. Nun wurde das gesamte Material bei 0° mit mindestens 4000Touren abzentrffugiert. Das Sediment wurde verworfen and die iiberstehende, opales~ cierende Fliissigkeit mit der gMehen Menge 95 % igen J~thano]s versetzt. Das Pr~eipitat veflor rasch an Wasser, and sehlieB- lieh entstand eine faserige Masse, die sieh um den Riihrer herumwiekelte. Der Niedersehlag wurde 3mal mit 95 %igem J~thanol und dann mit Aeeton gewaschen, bis d~s tiber- stehende Aceton vSltig Mar blieb. Die rohe N~triam-Desoxy- ribonueleinsS~are wurde dann noch einma,1 in destilliertem Wasser mit Hilfe des Riihrwerkes aufgelSst and erneut mit Natriumdodeeylsulfat und 45 g Koehsalz versetzt. Da.s naeh hoehtourigem Zentrifugieren gewonnene Pr~eipitat wurde verwoffen and die ,,DNS" mit Alkohol und Aceton, wie vorher besehrieben, gef&llt. Fiir die Bestimmung der Aktivit~t der beiden DN-asen wnrde eine 0,6%ige LSsung yon DNS verwendet. HShere Konzentrationen lassen sieh nieht mehr pipettieren. Je 1 em 3 Serum oder Urin warden mit 1 em3 Aeetatpuffer (p~ 5,6) bzw. 1 cm 3 Veronalpuffer (PH 7,2) versetzt und diese L5sangen mit 0,5 cm ~ einer 0,6%igen DNS-LSsung bei 37° inkubiert. Die Enzymreaktion wurde naeh 4: Std dureh Zu- gabe yon 0,8 em ~ einer 3,6 mo]aren Triehloressigs~ure unter- broehen. Der Ansatz wurde zentrifugiert und 0,5 em3 des klaren ~berstandes mit 1 em~ Dische-t%eagens (I g Diphenyl- amin und 1,5 em 3 konzentrierte Schwefets&ure mit Eisessig auf 100 cm ~ aufgefiillt) 10 rain in ein siedendes Wasserbad gebracht. Nach dem Abkiihlen unter flieBendem Wasser wurde die LSsung mit Schwefels~ure-Eisessig (1,5 cm ~ ken- zentrierte Sehwefelsi~ure auf 100 cm 3 mit Eisessig aufgefiillt) bei Serum auf 3 em3, bei Urin alff 6 em 3 aufgefiillt. Aus der Intensit~t der mit Diphenylumin erhaltenen Farbreaktion wurde photometrisch der Grad der Depolymerisation fest- gestellt. (Die Messungen wurden mit dem ,,Unieam" bei der Photometer-Wellenl/~nge yon 625 m,u durchgefiihrt.. Kritik der Methode. Da Diphenylamin mit ver- schiedenen Zuckern and Nichtzuckern, nicht aber mit Glucose reagiert, kSnnen vor allem im Urin StSrungen bei der photometrischen Bestimmung der nieder- polymeren Desoxyribonueleinsguren auftreten. Ge- ]egentlich war sogar der Extinktionswert der inku- bierten LSsung geringer als der in der Kontrolle. Wir haben versueht, die Ursache f fir dieses Verhalten zu fh]den, unsere Untersuchungen shad aber noch nicht a~bgeschtossen, weshalb auch hier liicht n~her darauf eingegangen werden soil. Die meisten unserer Unter- suchungen wurden deshMb mit Serum durchgeffihrt. Es sei auf jeden Fall vor einer kritiklosen Hinnahme der ,,DN-ase"-Werte im Urin gewarnt. Anscheinend hat Ascorbinsgure auf die Stabilit~t der Enzyme im Urin oder auf die Eliminierung in der Niere einen EinfluB. Bei einigen yon uns untersuchten Patienten war jedenfMIs die Aktivitgt naeh heheren Vitamin C- Dosen ungewebnlieh hoch, w/ihrend bei anderen Fgllen ein signiiikanter EinfluB vermigt wurde. Wir sind tterrn Doz. Dr. l~ul~Y, Benckiser-Werke Ludwigshafen, ffir die 13berlassmlg zu Dank verpflichtet.

Untersuchungen zur Physiologie und Pathologie der Desoxyribonuclease in den Körperflüssigkeiten des Menschen

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Page 1: Untersuchungen zur Physiologie und Pathologie der Desoxyribonuclease in den Körperflüssigkeiten des Menschen

1096 Km~T Sctn%EIER, AS~ID RASPE und VE~ HEINKE: Pathologie der Desoxyribonuelease. Klinisehe Woehensehrift

UNTERSUCHUNfiEN ZUR PHYSIOLOGIE UND PATHOLOGIE DER DESOXYRIBONUCLEASE IN DEN KORPERFL~SSIGKEITEN DES MENSCHEN*.

V o n

KURT SCHREIER, ASTRI~) IR, ASPE und VE~A HEINKE. Aus der Universit~ts-Kinderkltnik Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. PIt. BAMBERGER).

W/~hrend die Existenz der Enzyme, welche die Nucleins~uren depolymerisieren, dem Biochemiker schon recht lange bekamlt ist (Schrifttum bei SuM~E~ und SO~ERS; BREDEREK; SIEBERT, L~NG and Mit- arbeiter), finden wit in der Literatur nur wenige Untersuchungen fiber das Vorkommen derartiger Fer- mente in den KSrperflfissigkeiten des Menschen. So fehlen z .B. auch in der neuen Ausgabe des Hand- buches von FLASCHENTEXGER und L E ~ T Z in der Tabelle der im Serum vorkommenden Fermente (HINSBEI~G) die Nucleasen.

In vorbereitenden Untersuchungen hat sieh er- geben, dab sowohl Ribonucleasen als auch Desoxy- ribonucleasen im Urin, im Serum und offenbar auch im Liquor eerebrospinalis vorkommen. Wir konnten inzwischen zeigen (KoszaL~& Scm~mE~, ALT~AN), dab im mensehliehen Urin 2 Desoxyribonueleasen (DN-ase I und I I ) m i t versehiedenem pR-Optimum vorkommen, deren Trennung mi~ Hilfe der Papier- elektrophorese gelingt. Damit werden im Tierversuch erhaltene Ergebnisse (An~F~E¥ und MI~SXY) auch ffir den Mensehen bestatigt. Auch in der menschlichcn Placenta finder sich die DN-ase I I (SIEBEaT, LAZ~G und Mitarbeiter).

Im amerikanisehen Schrifttum fanden wir eine Mitteilung fiber den DN-aseI-Gehalt des Liquors (KovAcs und 5~tarbeiter) sowie ein KongreBreferat, welches einige Angaben fiber die Aktivitat im Serum enth~lt (0BmXSKY, KURNICK). Dieses is~ inzwisehen als Publikation erschienen.

Wir haben das nicht sehr einfache Studium der Desoxyribonuclease deshalb in Angriff genommen, weil dieses Ferment anscheinend ausschlieBlich im Zellkern vorkommt (LA~G) and so zu hoffen stand, dab sich Ver~nderungen im Kernstoffweehsel dutch Ak~ivit~.tsverschiebungen beider DN-asen im Serum manifestieren. Uns interessierte vor allem, ob eine Paraltele zwisehen Wachstumsintensit~t und DN-ase- ak~ivitat besteht und ob sich diagnostische tIinweise linden lassen bei Erkrankungen, welehe mit einem rasehen Kernzerfall einhergehen.

Da yon KOWLESSAg and Mitarbeitern gezcigt worden war, dab der dutch KSrperganzbestrahlung ausgelSste Zellkernzerfalt sich in einer Aktivitg, ts- erhShung der DN-ase I u n d I I im Urin anzeigt, lag es nahe, das VerhMten dieser beiden Enzyme im Blur des Menschen naeh therapeutisehen Strahtendosen bzw. naeh Isotopenapplikationen zu untersuchen. Die Be- stimmung der DN-asen erfolgte in Anlehnung an das Verfahren yon AL~FaEY und MmSK~, wobei die Desoxyribonucleins~ure aus Kalbsthymus naeh der leieht modifizierten Methodik yon Dou~cE und Mit- arbeitern hergestellt wurde, da es uns darauf ankam, ein m5gliehst hoehpolymeres Desoxyribonucleat zu erhalten.

Me~hodilc. Kalbsths~mus wurde friseh am Sehlaehthof in Eis verpaekt und tie~ ge~roren. Naeh dem Auftauen wm<te das vom Bindegewebe befreite Organ im Multimix mit eiskMter

* Anlggtieh des 3. internationalen Kongresses ftir Bioehemle (Briissel 1955) warden einige Ergebnisse mitgeteilt.

0,9%iger NaC1-LSsung homogenisier~ und das Homogenat in einer tiefgektihlten Zentrifuge bzw; im Tiefkiihh'aum 30 min l~ng bei 2500--3000 Touren zentrifugiert. Das Sediment wurde noeh 3mal homogenisiert und zentrifugiert, der End- niedersehlag im Homogenisator in 1 Liter eiskalter NaC1- LSsung verteilt und in ein grebes Beeherglas gegeben, d~zu wurden 90 em 3 einer hochgereinigten LSsung yon Natrium- dodeeylsutf~t t gefiigt. Mi~ einem Riihrwerk wurde das iiberstehende Get 3 Std lang bei R~umtemperatur kr/~ftig gertihrt, danaeh wurden 55 g KoehsMz hinzugesetzt und weitere 5--10 rain geriihrt. Nun wurde das gesamte Material bei 0 ° mit mindestens 4000Touren abzentrffugiert. Das Sediment wurde verworfen and die iiberstehende, opales~ cierende Fliissigkeit mit der gMehen Menge 95 % igen J~thano]s versetzt. Das Pr~eipitat veflor rasch an Wasser, and sehlieB- lieh entstand eine faserige Masse, die sieh um den Riihrer herumwiekelte. Der Niedersehlag wurde 3mal mit 95 %igem J~thanol und dann mit Aeeton gewaschen, bis d~s tiber- stehende Aceton vSltig Mar blieb. Die rohe N~triam-Desoxy- ribonueleinsS~are wurde dann noch einma,1 in destilliertem Wasser mit Hilfe des Riihrwerkes aufgelSst and erneut mit Natriumdodeeylsulfat und 45 g Koehsalz versetzt. Da.s naeh hoehtourigem Zentrifugieren gewonnene Pr~eipitat wurde verwoffen and die ,,DNS" mit Alkohol und Aceton, wie vorher besehrieben, gef&llt.

Fiir die Bestimmung der Aktivit~t der beiden DN-asen wnrde eine 0,6%ige LSsung yon DNS verwendet. HShere Konzentrationen lassen sieh nieht mehr pipettieren.

Je 1 em 3 Serum oder Urin warden mit 1 em 3 Aeetatpuffer (p~ 5,6) bzw. 1 cm 3 Veronalpuffer (PH 7,2) versetzt und diese L5sangen mit 0,5 cm ~ einer 0,6%igen DNS-LSsung bei 37 ° inkubiert. Die Enzymreaktion wurde naeh 4: Std dureh Zu- gabe yon 0,8 em ~ einer 3,6 mo]aren Triehloressigs~ure unter- broehen. Der Ansatz wurde zentrifugiert und 0,5 em 3 des klaren ~berstandes mit 1 em ~ Dische-t%eagens (I g Diphenyl- amin und 1,5 em 3 konzentrierte Schwefets&ure mit Eisessig auf 100 cm ~ aufgefiillt) 10 rain in ein siedendes Wasserbad gebracht. Nach dem Abkiihlen unter flieBendem Wasser wurde die LSsung mit Schwefels~ure-Eisessig (1,5 cm ~ ken- zentrierte Sehwefelsi~ure auf 100 cm 3 mit Eisessig aufgefiillt) bei Serum auf 3 em 3, bei Urin alff 6 em 3 aufgefiillt. Aus der Intensit~t der mit Diphenylumin erhaltenen Farbreaktion wurde photometrisch der Grad der Depolymerisation fest- gestellt. (Die Messungen wurden mit dem ,,Unieam" bei der Photometer-Wellenl/~nge yon 625 m,u durchgefiihrt..

Kri t ik der Methode. Da Diphenylamin mit ver- schiedenen Zuckern and Nichtzuckern, nicht aber mit Glucose reagiert, kSnnen vor allem im Urin StSrungen bei der photometrischen Bestimmung der nieder- polymeren Desoxyribonueleinsguren auftreten. Ge- ]egentlich war sogar der Extinktionswert der inku- bierten LSsung geringer als der in der Kontrolle. Wir haben versueht, die Ursache f fir dieses Verhalten zu fh]den, unsere Untersuchungen shad aber noch nicht a~bgeschtossen, weshalb auch hier liicht n~her darauf eingegangen werden soil. Die meisten unserer Unter- suchungen wurden deshMb mit Serum durchgeffihrt. Es sei auf jeden Fall vor einer kritiklosen Hinnahme der ,,DN-ase"-Werte im Urin gewarnt. Anscheinend hat Ascorbinsgure auf die Stabilit~t der Enzyme im Urin oder auf die Eliminierung in der Niere einen EinfluB. Bei einigen yon uns untersuchten Patienten war jedenfMIs die Aktivitgt naeh heheren Vitamin C- Dosen ungewebnlieh hoch, w/ihrend bei anderen Fgllen ein signiiikanter EinfluB vermigt wurde.

Wir sind t te r rn Doz. Dr. l~ul~Y, Benckiser-Werke Ludwigshafen, ffir die 13berlassmlg zu Dank verpflichtet.

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Jg. 38, He~t 45/46 KU!aT SCItREIEI¢, ASTRID RASPE u n d V~eo~ H]~INK~ : P a t h o l o g i e der DesoxyribonucIease. 1097 1. Dezember 1955

Ein weiterer, sehr zu beaehtender Faktor bei der DN-ase-Bestimmung ist die Spontandepolymerisation der im Eissehrank ( + 4°C), aber besonders bei Zimmertemperatur aufbewahrten Subs~ratlSsung. In Tabelle 1 sind die ,,DN-ase-Einheiten", welehe mit frisch aufgel6ster DNS und mit einer LSsung, welehe etwa 1 Monat im Eisschrank aufbewahrt war, ent- halten.

Tabelle 1. DN-ase-Aktivit i i t bei /risch hergestelltem und gealtertem Substrat. I n Einheiten.

DN-ase I DN-ase I I Serum

G

H I F

frisches gealtertes Snbstra~ Substrat

7 18 8 16 7 19 3 10 4 13

frisches gealtertes Substra~ Substrat

8 21 6 13 4 15 1 10 1 8

%Vir haben die Depolymerisation des Substrates dadureh unterbunden, dab wir ldeine Substratmengen fiir den jeweiligen Tagesbedarf in der Tiefk/ih]truhe bei - - 200 aufbewahrten.

D e f i n i t i o n der E n z y m e i n h e i t . In Anlehnung an die Definition der Phosphataseeinheiten im Serum mSeh- ten wir folgende Enzymaktivit£t als Einheit der DN-ase I und I I vorsehlagen : Eine DN-ase-Einheit ist jene Enzymmenge, welehe bereehnet auf 100 em 3 Serum bei 370 C und einer Inkubationsdauer yon 4 Std aus einer 0,6 % igen, hoehpotymeren DNS-LSsung Desoxy- ribonucleotide freisetzt, welche 1007 Desoxyribose entspreehen.

Folgende Standardkurve wurde mit reinster Des- oxyribose ~ (papierehromatographiseh geprfift) er- hMten :

Standardl~urve .

Versuchsergebn isse . Es galt zun~ehst die Normal- werte des DN-ase-Gehaltes im mensehliehen Serum zu bestimmen, da Vergleichswerte in der Literatur nicht vorliegen. Wir haben deshMb im Nabelsehlmr- blur yon 9 Neugeborenen mit einem Geburtsgewieht yon 3100--5700 g sowie im Serum yon 10 S~uglingen, 10 gesunden Kindern und 10 normalen gesunden Erwachsenen die Enzymaktivit~t der DN-ase I und I I bestimmt. Entspreehend den Ergebnissen, welehe von O~RI~SK¥ und Mitarbeitern vor kurzem mit ihrer Methode erhalten wurden, fanden wir keine signifi- kanten Veri~nderungen der Enzymaktivit~ten bei den DN-asen w~hrend der gesamten Lebensperioden. Die Aktivit~t der DN-ase I sehwankt zwischen 2 und 8 Eb~heiten, der Mittelwert liegt im Nabelsehnurblut bei 5,5, bei Sguglingen und Kindern bei 4,7 u M bei Erwachsenen bei 4,6 Einheiten. Der Serumgehalt an DN-ase I I ]ieg~ niedriger, im Nabelsehnurblut findet sieh ein Mittelwert yon 4,0, bei Kindern yon 3,9, bei S~uglingen 4,3 und bei Erwaehsenen yon 3,8 Einheiten. Der hSchste Wert war 8, der nie&'igste 1 Einheit. Leider hatt, en wir keine Gelegenheit, eine grSBere Zahl yon Frfihgeborenen direkt naeh der Geburt zu un~er- suchen. Im Blur yon mehreren Frfihgeborenen zwisehen dem 14. und 21. Lebenstage entsprach die Enzymaktivit~t den }Verten des S~uglingsblutes.

1 ~¥ir danken tterrn Prof. tIaNs Somv~in fiir die freund- fiche ~'berlussung des wertvollen Prhpar~tes.

Klin. ~rschr., 33. ffahrg.

OBRINSKY und Mitarbeiter wollen eine signifikant hShere Aktivitat der DN-ase I bei Friihgeburten in den ersten Lebenstagen gemessen haben und ftihren diesen Befund auf eine Unreife der Leberfunktion zurfiek. Diese Deutung gewinnt eine gewisse Wahrsehein- liehkei~ dureh unsere Ergebnisse bei Hepatitiden.

Unsere Untersuchungen am Blur hepatitis- l~'anker Kinder lassen vermuten, dag die Leber am Abbau oder an der Ausscheidung des Enzyms be- teiligt ist. Bei schwereren Lebersehaden kommt es zu einem signifikanten Anstieg der DN-ase I, wahrend die DN-ase relativ normal b]eibt (s. dazu auch die Versuche an ga t t en yon KUgNICK und CAn~E~A !). Von besonderem Interesse sehien uns das Studium der DN-ase bei den versehiedenen Formen der Leukamie,

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2~ ....

35 J

7d

86 y i N , I

lgo . I ] F i p 5 N 20 dO qO 50 GO 70 80 Y0 ~1700

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Abb. 1. S~andardkurve. Desoxyribose in 7.

weft zu erwarten war, dal~ der erhShte Zerfa]l der Blutzellen eine Ver~nderung der DN-ase-Konzen- tration im Serum verursacht.

Tabelle 2. DN-ase-Aktlvit i i t bei hepatitiskranken Kindern.

Kind

S P K G E T W I K T

DK-ase I I DN-ase I I ill Einhei ten i in ]ginheiten

[

8 ~ 2 7 I 3 8 5

14 4 16 6 11 2 14 3 10 4 5 2 4 3

Tabelle 3 enfhalt einige der gefundenen Werte. Der Gehalt der DN-asen im Serum yon Patienten

mit leukamiei~hnliehen Erkrankungen hangt sehr wahrseheinlieh yore momentanen Zustand und der

T~belIe 3. DN.ase I und I I bei Leuldimien uncl Retikulosen.

Name

I ~ . B . P~.B. R . B . M . K . M.K. E.T. R.F. L.

AlSer J ah re

9

50 63

/ Diagnose DN-aseI

akute l%etikulose I Leukose, vor Therapiebeginn

wahrend Cortisontherapie 3 Wochen spi~ter

I~e~ikulose Kontrolle Leukose

Lipman- Sachs- Syndrom Lymph. Leukamie

17

6 I 10

72

DN-ase I I

6 6 4 4 4 3

6

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1098 Kv~T SCHI~EIEI~, ASTRID RASPE und Vx~A Hnn~Kn: P~thologie der Desoxyribonuelease. K~inische Wochenscbrift

Progredienz der Erkrankung ab. W~hrend der Phasen mit rasehem Kernzerf~ll kommt es offenbar zu einer deutlichen ErhShung der Enzymuktivi t~t . Vielleieht kann die Bestimmung der DN-asen zur Beurteilung der , ,Aktivit~t" der Leukosen herangezogen werden.

Da der Zellkern offenb~r yon den Strukturele- menten gegen t~6ntgenseh~den am ernpfindliehsten ]st, lag es nahe, das Verhalten der die versehiedenen Si~uren depolymerisierenden Enzyme nach Strahlen- sehi~den zu untersuchen. K o w ~ s s a ~ und Mitarbeiter haben in mehreren Publikationen die entspreehenden Enzymreaktionen be] g a t t e n nach 700r Ganz- bestrahlung untersueht und aueh bereits vorl/~ufige Ergebnisse be] bestrahlten Careinompatienten mit- geteilt. In Zusammenarbeit mit Herrn Dr. GocxE~ ~ d das Verhatten der be]den DN-asen n~eh den ver- sehiedenen Formen der Strahlentherapie eingehend stud]err. Es sei bier nur hervorgehoben, dab die Bestmhlung yon kleinen Tumoren, besonders, wenn sie an der Hau t oder an der Bla.se lokalisiert sind, keine signifikanten Veri~nderungen der DN-ase-Ak- tivit/iten im Serum herbeiffihren. D&gegen kommt es be] grSl3eren Strahlendosen auf die Lebergegend zu einem beaehtlichen Anstieg. Besonders eindrucksvoll erhSht sich die DN-ase I und I I im Blut naeh Appli- kation yon Au 198.

Wit haben die Gelegenheit wahrgenommen, die DN-asen im Blur und Liquor be] einem etwa 3j~hrigen Kinde mit Hydrocephalus hypersecretorius zu ver- folgen.

Tabelle 4. D2V-ase-Aktivitiit be] Bestrahlung eines 3]Shrigen Kindes mit Hydrocephalus hypersecretorius (Einzeldosis 50 r

]eden 2. Tag).

DN-ase I DN-ase II Datum in Einheiten in Einheiten

16. 18. 19. 21. 23. 25. 26.

16. 3. 18. 3. 21.3. 23. 3. 25. 3. 26. 3.

a) Serum 3. 2 3. 7 ~ 3. 11 3. 11 3. 6 3. 8 3. 13

b) Liquor 1 5 ~ 6,5 5 6

Nach der ersten Bestrahlung.

6 6 4 4 7 6

1 4 4,5 4 1

Der Anstieg der DN-ase-Aktivit~t ]st aueh im Liquor sehr demonstrativ.

Diskussion. Wenn man mit LA~e annimmt, dab die Enzyme, welehe die Desoxyribonueleins~ure depolymerisieren, ausschlieBlich im Zellkern vor- kommen, ergib~ sieh natfirlieh die Frage nach dem Urswung der Serum-DN-ase. Ftir das neutrale Enzym

k6nnte die Panki'easdrfise die QueIle sein, welche ja ein sehr aktives Ferment dieser Art sezerniert, mn die Verdauung der Zel]kerne zu gewi~hrleisten Aber die Pankrea.sdrfise ka.nn ja wohl kaum die Quelle der DN-ase I I sein. Allerdings finder sieh in den inneren Organen eine Desoxyribonueleodepolymerase, welehe sieh weder dutch ihr p~-0p t imum noeh ihr sonstiges Verhalten yon dem Verdauungsenzym der Bauch- speieheldrfise unterseheidet. Wit vermuten, dab i~hn- ]ieh wie be] der alkalisehen Serumphosphatase mehrere Organe zum DN-ase-Gehalt des Blutes beitragen, wobei sehr wahrseheinlieh die Leber entweder be] der Ausscheidung oder dem Abbau des Enzyms eine wesentliehe l~olle spielt. Uber Ak~ivatoren der be]den Enzyme haben wit in der Li teratur niehts finden kSnnen, Dagegen existieren (in den Leukocyten z .B. - - SI~B~T, L ~ ) hochaktive tIemmstoffe, welehe mSgtieherweise be] der Bestra.hlung ebenfalls freigesetzt werden und so einen Anstieg der Enzym- a, ktivitii$ maskieren k6nnen.

Auf diesem Gebiete harren noeh viele Probleme einer Bearbeitung. Ob die Bestimmung der DN-ase I und I I fiir die klinisehe Di~gnostik eine gr6flere Bedeutung bekommen wird, ]i~Bt sieh noeh nieht ent- seheiden, da die Ergebnisse fiber Ver~nderungen der Fermente be] den versehiedenen Krankheiten ein Urteil noeh nicht erlauben.

Zusammen/assung. Es wird erstmalig fiber die Bestimmung beider Desoxyribonucleasen im Serum in den versehiedenen Lebensaltern beriehtet. I m Nabelsehnurblut, be] S/~uglingen, Kindern und Er- wachsenen we]st die Aktivi tat der DN-ase I und I I keine signifikanten Untersehiede auf. Von den unter- suehten pathologisehen Zustanden finder sich be] Erkrankungen der Leber eine ErhShung der Aktivi tat der DN-ase I i m Blur. Aueh be] einzelnen Leuk/~mie- fallen finden sieh ungew6hnlieh hohe Aktivi taten beider Enzyme. Die Bestrahlung yon kleineren Tu- moren versehiebt die DN-ase-Aktivitat nieht, dagegen kommt es naeh Injektion yon Au 198 zu einer aus- gepr~gten Erh6hung der Werte.

Literatur. ALLF~E¥, Y., and A.E. MmSK¥: J. Gen. Physiol. 36, 227 (1952). - - BERGOLD, G., u. L. PISTt~I~: Z. Naturforseh. 3b, 406 (1948). - - ]~I~EDEt~.EK: In FLASCttEN- TlgXGEI~-LEuNAIgTZ, Lehrbuch der physiologischen Chemie, Bd. I. Berlin: Springer 1953. - - KAY, E. 1~., M. N. S. S~- Mo~-s and A.L. DevicE: J. Amer. Chem. See. 74, 1724 (1952). - - KoszaLKx, Tin, K. SCE~EIE~ and K. I. ALTm~N: Biochem. et Biophysiea Acta 15, 194 (1954). - - KovAcs, E. : J. of Pediatr. 45, 569 (1954). - - KOWLESSA~, O.D., L I. ALTMAN and L.H. IIEm~EL~i~: Arch. of Biochem. a. Biophysics 43, 240 (1953).--Nature (Lend.) 172, 867 (1953).- Arch. of Biochem. a. Biophysics (ira Druck). - - Kv~wleK, N. B., and A. E. CA~EE~A: Prec. Soc. Exper. Biol. a. Med. 84, 618 (1953). --LAw(~, K. : In FLASCKE~T~;iGE~-LEHNAETZ, Lehrbueh der physiologischen Chemic, Bd. II/1. Berlin: Springer 1955. - - O~I~SKY, W., N. B. Ku~NICK and E. O. FICETEE: Amer. J. Dis. Childr. Pediatrics 15, 264 (1955).- SIEBEt~% G., K. LA_NG, S. LvoIvS-LA~c~, L. HERKElCT, G. STAICK, G. t{OSSM~LLER U. H. J6CKEL: Z. physiol. Chem. 295, 229 (1953). - - Su~Et~, J. B., and G. F. So~nl~S: Che- mistry and Methods of Enzymes. 2New York: AeademicPress 1953.