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Untervazer Burgenverein Untervaz Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz 1982 Sinngehalt der Wappenbilder Email: [email protected]. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.

Untervazer Burgenverein Untervaz Texte zur Dorfgeschichte ... · bildlichen Ausdruck findet. So legten sich etwa, um nur von Familienwappen zu reden, die Wolf einen Wolf, die Mohr

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  • Untervazer Burgenverein Untervaz

    Texte zur Dorfgeschichte

    von Untervaz

    1982

    Sinngehalt der Wappenbilder

    Email: [email protected]. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.

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    1982 Sinngehalt der Wappenbilder Erwin Poeschel in: Wappenbuch des Kantons Graubünden. - Bearbeitet von der

    Wappenkommission Graubünden im Auftrag des Grossen Rates und der

    Regierung zum 150. Gedenkjahr des Beitritts Graubündens zur

    Schweizerischen Eidgenossenschaft. Erweiterte Neu-Edition der Erstauflage

    von 1953 unter Berücksichtigung der Geschichte des Kantonswappens,

    herausgegeben durch die Standeskanzlei Graubünden. Chur 1982.

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    S. 147:

    ÜBER DEN SINNGEHALT DER WAPPENBILDER DER KREISE UND GEMEINDEN

    Erwin Poeschel

    Zwar gehört das Wappenwesen zum Erbe der Feudalzeit, doch hat das neu

    erwachte und stets noch wachsende Interesse der Gegenwart für die Heraldik

    wohl wenig mit einem Heimweh nach dem Glanz des Rittertums zu tun. Es ist

    vielmehr eher ein Ausdruck des Verlangens, in der zunehmenden

    Kollektivierung unserer Zeit ein Bild-Symbol für das Eigene und Einzelne, die

    Familie oder die Gemeinde, die Zellen grösserer staatlicher Verbände zu

    finden. Denn die Befugnis, ein Wappen zu führen, ist ein den Träger bildlich

    kennzeichnendes Persönlichkeitsrecht.

    Dieses Recht steht den natürlichen Personen - dem Einzelnen und seiner

    Familie - wie den juristischen Personen des öffentlichen Rechtes zu. Auf

    Graubünden angewendet bedeutet dies, dass - im Bereich der staatlichen

    Organisation - die Gemeinde, der Kreis und der Kanton ein Wappen führen

    dürfen, denn auch der Kreis ist hier eine Rechtsperson, nicht bloss ein

    verwaltungstechnischer Begriff, wenn er auch vorwiegend nur einen

    Gerichtsbezirk mit geringfügigen administrativen Befugnissen darstellt.

    Dagegen kommen den Bezirken keine Wappen zu, da sie nur Gerichtssprengel

    ohne Rechtspersönlichkeit sind. Was aber das Wesen der Gemeinde anlangt, so

    gibt es in Graubünden nicht den «unglücklichen Dualismus zwischen

    politischer Gemeinde und Bürgergemeinde als Wirtschaftsgemeinde, der das

    Gemeindewesen der Schweiz seit dem 16. Jahrhundert beherrschte».

    «Vielmehr decken sich hier politische und Wirtschaftsgemeinde und bilden

    eine Einheit» (Liver). Wenn es zwar seit dem Niederlassungsgesetz von 1874

    den Bürgern möglich ist, sich zur Ausübung bestimmter Vorzugsrechte als

    Korporation des öffentlichen Rechtes zu organisieren, so ist doch die politische

    Gemeinde die wirkliche Repräsentantin der Gemeinschaft, so dass sie allein als

    Trägerin des offiziellen Gemeindewappens in Frage kommt.

    Der Begriff der Gemeinde hat nun aber in Graubünden nach dem Untergang

    des alten rätischen Freistaates eine tiefgreifende Wandlung erfahren, die, wie

    wir bald sehen werden, für die Wappenfrage von grösster Bedeutung wurde.

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    Die rätische Republik war ein Verband von 49 souveränen Gerichtsgemeinden

    gewesen, die erst durch die Verfassung von 1854 zu einem Einheitsstaat

    umgeschmolzen wurden. Dabei gingen nicht nur wesentliche Rechte an den

    Kanton über, es erfuhr vielmehr auch der Begriff «Gemeinde» in territorialer

    Hinsicht eine bedeutende Einengung. An die Stelle der früheren 49

    Gerichtsgemeinden traten nun 221 politische Gemeinden, die in 39 Kreisen

    zusammengefasst wurden. Von diesen neuen Gemeinden decken sich nur bei

    sechsen - Chur, Avers, Brusio, Poschiavo, Davos und Klosters-Serneus - die

    Grenzen mit jenen der alten Gerichtsgemeinden, weshalb in diesen Fällen von

    unserer Kommission denn auch die Gemeinden und Kreise dasselbe Wappen

    erhielten.

    Während die alten Gerichte einen grösseren landschaftlichen Raum, meist eine

    ganze Talschaft oder doch wenigstens einen Talabschnitt umfassten, ist die

    heutige politische Gemeinde

    S. 148: aus der Einzelzelle des Gemeindeverbandes, der «Dorfschaft» oder

    «Nachbarschaft» hervorgegangen. Da die eigentlichen Träger des staatlichen

    Lebens im alten Freistaat also nicht die Ortsverbände, sondern die

    Gerichtsgemeinden gewesen waren, so führten nur diese Wappen und Siegel.

    Die kantonale Wappenkommission sah sich daher, als sie ihre Arbeit begann,

    vor die Aufgabe gestellt, für die meisten Gemeinden neue Hoheitssymbole zu

    schaffen.

    Was aber die Kreise anlangt, so darf aus dem zuvor Gesagten gefolgert

    werden, dass sie zieht man ihre räumliche Ausdehnung in Betracht - als die

    legitimen Erben der alten Gerichtswappen angesehen werden können. Doch

    zeigte sich hier eine andere Schwierigkeit. Es erwies sich nämlich, dass im

    Gotteshausbund eine ganze Reihe von Hochgerichten kein eigenes Wappenbild

    geführt, sondern nur das Hoheitszeichen des Bundes, mittelbar also des

    Bistums, den Steinbock, übernommen hatten. Da das Wappen aber ein

    unterscheidendes Erkennungszeichen ist, so ging es natürlich nicht an,

    verschiedenen Kreisen die gleiche Figur zuzuteilen. Bei der grossen

    Popularität, deren sich im Bündner Volk dieses als Urbild der Kraft

    angesehene, übrigens auch heraldisch ungemein wirksame Tier erfreuen darf,

    konnte in den meisten Fällen an eine Ersetzung dieses Wappenbildes durch

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    eine andere Figur nicht gedacht werden, weshalb die Lösung durch die

    Beigabe von differenzierenden Motiven gefunden werden musste.

    Solchen lokalen Wünschen fiel - um dies nur als Beispiel zu erwähnen - etwa

    der Vorschlag unserer Kommission für das Wappen des Kreises Bergell zum

    Opfer, der in Silber über einer als Anspielung auf die Strassensperre «Müraia»

    gedachten Zinnenmauer frei schwebend die Glocke der Talkirche «Nossa

    Donna» zeigte, von der es im Volksmund heisst, dass sie im ganzen Tal gehört

    wurde. An ihrer Stelle musste ein über die Mauer schreitender Steinbock

    akzeptiert werden, eine Lösung also, die zwar heraldisch durchaus vertretbar

    ist, jedoch auf ein aus der lokalen Umwelt gewonnenes Motiv verzichtet. Zu

    ähnlichen Konzessionen hatten wir uns, um die Ansiedlung einer förmlichen

    «Steinbockkolonie» zu vermeiden, auch bei manchen Gemeindewappen zu

    verstehen, und nicht immer wurden die Wünsche der Kommunalbehörden in so

    verbindlicher Form vorgebracht, wie dies bei einer Bergeller Gemeinde

    geschah, die beweglich bat, man möchte sie doch nicht ihres geliebten

    Steinbockes - «il nostro simpatico stambecco» schrieb sie - berauben.

    So kommt es denn, dass von den nun festgelegten 260 Kreis, und

    Gemeindewappen mehr als vier Fünftel von der Kommission neu geschaffen

    werden mussten.

    Da von dem in der Kommission eingehaltenen Arbeitsvorgang im

    vorstehenden Artikel gesprochen wurde, so soll hier nur davon die Rede sein,

    welche Überlegungen bei der Erfindung der Wappenbilder und ihrer formalen

    Gestaltung die Richtung wiesen.

    Dass man sich bei der Farbgebung, den sogenannten «Tinkturen», an die

    heraldische Grundregel zu halten hat, die es verpönt, Metall - Silber (Weiss)

    und Gold (Gelb) - neben Metall und Farbe - Rot, Blau, Grün, Schwarz - neben

    Farbe zu setzen, bedarf keiner Betonung. Das entspricht nicht nur altem

    Brauch, es hat auch für die optische Wirkung des Wappens eine

    beachtenswerte Bedeutung. Die Zusammenstellung von Weiss und Gelb wirkt

    blass und unentschieden, was man bei jeder Beflaggung mit päpstlichen

    Fahnen zu beobachten vermag, Farbe neben Farbe, wie etwa Blau neben Rot

    oder Grün schwer, ja dumpf und spannungslos.

  • - 6 -

    Was aber die Bilderfindung anlangt, so war der Wunsch bestimmend, aus

    irgend welchen

    S. 149 lokalen Gegebenheiten heraus den Weg zur Wappengestaltung zu finden. Denn

    nur wenn dies gelang, konnte erwartet werden, dass die Gemeinde das ihr

    vorgeschlagene Wappen als ein ihr im wörtlichen Sinn «angemessenes»

    Symbol empfand.

    Von dieser Seite her ist es nun auch verständlich, dass für die Zuteilung gerade

    jener Art von Wappen, die wegen ihrer klaren Einfachheit mit Recht als die

    schönsten betrachtet werden - nämlich der sogenannten «Heroldsstücke» - die

    Voraussetzungen nicht günstig liegen. Denn die reinen «Heroldsbilder» - also

    die allein durch verschiedenartige Teilung des Schildes entstandenen Wappen-

    sind durchaus abstrakte Gestaltungen und daher ihrem Wesen nach allgemein

    gültig und nicht persönlich gebunden. Dies schloss jedoch die Aufnahme von

    Heroldsstücken in die Reihe der Bündner Gemeindewappen nicht völlig aus.

    Denn einmal fanden sie dadurch Eingang, dass - wovon noch zu reden sein

    wird - bisweilen das Wappen des alten Feudalherrn des fraglichen Gebietes der

    Gemeinde überantwortet wurde, wie dies etwa bei Rhäzüns geschah. Zum

    anderen aber konnten besondere Beziehungen zu lokalen Gegebenheiten in die

    rein abstrakt-heraldischen Elemente hineininterpretiert werden, indem man

    ihnen eine inhaltliche Bedeutung zulegte, die sie ursprünglich nicht hatten. So

    wurde etwa die V-förmige «gestürzte Spitze» und ebenso ein gestürzter

    Sparren als Bildzeichen für den Begriff «Tal» verwendet (bei Valchava und

    Pratval) und ein anderes Mal - so bei Verdabbio - dienten diese Spitzen

    lediglich als Anspielung auf den ersten Buchstaben des Namens, wurden

    jedoch durch Einfügung einer Traube noch näher an die Landschaft und ihre

    Eigenart gebunden. Als Beispiel für eine streng stilisierte topographische

    Darstellung mit heraldischen Mitteln mag das Wappen Rongellen dienen, wo

    die Viamala Wieder durch eine gestürzte Spitze dargestellt ist, zwischen deren

    Schenkeln sich die völlig undetailliert in rein geometrischer Form gegebene

    Brücke spannt. Der gestürzte Sparren kann aber auch als Bildzeichen für eine

    Wegteilung gelten, und in diesem Sinne wurde er denn auch in dem Wappen

    von Casaccia verwendet, wo durch die Beigabe eines Hufeisens auf den

    Saumverkehr über den Septimer und den Malojapass hingewiesen wird. Den

    umgekehrten Sinn, die Vereinigung zweier Läufe zu einem einzigen, wie sie

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    bei dem Zusammenströmen von Flüssen sich ereignet, darf man auch in die

    Figur der sogenannten «Deichsel» hineinsehen, was bei dem Wappen von

    Bonaduz zur Anspielung auf die an der Gemeindegrenze sich vollziehende

    Vereinigung beider Rheine verwertet wurde.

    Wie die nach unten weisende gestützte Spitze und der im gleichen Sinn

    gerichtete Sparren einen Geländeeinschnitt repräsentieren können, so

    vermögen die steigenden Formen dieser Wappenbilder als Bildzeichen für

    Berge zu dienen. Diese Bedeutung wurde dem Sparren bei dem Wappen des

    hoch am Berg gelegenen Trans beigelegt, ebenso wie die beiden «erniedrigten

    steigenden Spitzen» für Mon auf den Ortsnamen (mons = Berg) hinweisen

    sollen. Der Stufengiebel im Wappen von Tschappina aber will nicht als Giebel

    verstanden sein, sondern als auf- und absteigende Treppe, als Gleichnis also

    für den Glaspass, der von diesem Dorf aus über den Heinzenberg ins Safiental

    führt. Dass «Pass» mit «Treppe» gleichgesetzt werden kann, das soll hier nur

    mit einem Beispiel aus Graubünden, dem Namen des Scalettapasses (von Scala

    = Treppe) belegt werden. Die Glocke aber, die über der Treppe frei schwebt,

    deutet an, dass Tschappina das oberste Kirchdorf darstellt. Das «Oben» und

    «Unten» als landschaftlichen Begriff heraldisch zu symbolisieren, wurde auch

    bei den Kreiswappen von Obtasna und Untertasna unternommen, die beide aus

    den gleichen

    S. 150: Einzelelementen gebildet sind, nur dass einmal der halbe Steinbock oben und

    das andere Mal unten steht. Ein ähnlicher Gedanke war massgebend bei der

    Formulierung des Wappens für den Kreis Oberhalbstein, in dem eine

    erniedrigte Spitze als Bildzeichen für «Stein», «Fels» von dem

    Familienwappen der Fontana, der Lilie, überhöht wird. Warum das

    Fontanawappen hier die ganze Talschaft repräsentiert, davon soll später noch

    die Rede sein.

    Vielleicht war es angebracht, gerade auf die Versinnbildlichung von

    topographischen Tatbeständen durch abstrakt-heraldische Formen hier etwas

    näher einzugehen, weil bei neueren Wappenschöpfungen immer wieder

    versucht wird, Landschaftliches naturgetreu darzustellen. Ein meist

    vergebliches Unterfangen. Denn auch eine noch so vereinfachte, aber an der

    «Porträtähnlichkeit» haftende Wiedergabe landschaftlicher Motive wird den

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    heraldischen Forderungen niemals Genüge tun. Doch bleiben die

    Möglichkeiten der Einführung von Heroldsbildern in die Hoheitszeichen der

    Gemeinden beschränkt, und so mussten auch die meisten der soeben genannten

    Wappen durch die Beifügung von sogenannten «Gemeinen Figuren» in eine

    nähere Beziehung zu den betreffenden Korporationen gebracht werden. Mit

    diesem Begriff bezeichnet man natürliche oder von der Phantasie gebildete

    Körper jeglicher Art, menschliche und tierische Figuren oder ihre Teile,

    Fabelwesen, Bäume und Blumen, Architekturen, Geräte und Gegenstände des

    täglichen Gebrauches und anderes mehr. Die weitaus meisten der in diesem

    Buch vereinigten Wappen bedienen sich daher auch dieser Figuren, die

    bisweilen einzeln, manchmal auch in der Mehrzahl auftreten, wobei dann meist

    durch geeignete Schildteilungen Ordnung in das Gesamtbild zu bringen war.

    Der Wunsch, den Wappen lokale, gleichsam «persönliche» Bedeutung zu

    verleihen, konnte auf verschiedenen Wegen seine Erfüllung finden. Zunächst

    bot hier das «redende Wappen» seine Hilfe an. Zwar gehört dieser Typus nicht

    zum ältesten Bestand der Heraldik, doch geht er immerhin bis ins 13.

    Jahrhundert, also noch in die Blütezeit der Wappenkunst, zurück. Es ist dieser

    Wappenbildung ein Zug ins Spielerische eigen, da von einer rein äusserlichen

    Klangassoziation geleitet der Name des Wappenträgers in der Figur seinen

    bildlichen Ausdruck findet. So legten sich etwa, um nur von Familienwappen

    zu reden, die Wolf einen Wolf, die Mohr einen Mohrenkopf und die

    Henneberg eine Henne auf einem Berge zu. Dabei machte man sich keine

    Sorgen darüber, ob in etymologischer Hinsicht ein wirklicher Zusammenhang

    zwischen dem Namensklang und der betreffenden Figur bestand.

    Unbekümmert nahmen vielmehr die Herren von Helfenstein den Elefanten

    («Helfant») an, und auch der Name Toggenburg hat natürlich nichts mit der

    Dogge zu tun, die das Wappen dieser Dynasten ziert. Ebenso beruht das seit

    dem 16. Jahrhundert nachgewiesene Wappen von Poschiavo, das zwei

    gekreuzte Schlüssel zeigt, auf einer etymologisch unrichtigen Interpretierung,

    da der Name nicht von clavis = Schlüssel abzuleiten ist, nach der herrschenden

    Ansicht vielmehr von «post lacum» = «hinter dem See».

    So darf man es unserer Kommission wohl nachsehen, wenn sie, ohne über die

    linguistische Seite ihres Vorschlages sich Skrupeln zu machen, der Gemeinde

    Uors (Furth) im Lugnez einen Bären ins Wappen gab, da dieses Tier im

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    Rätoromanischen mit dem gleichen Wort bezeichnet wird. Den Dreiberg aber,

    den sie, ausser den Steinbockhörnern der Herren von Trimmis, dem

    Hoheitszeichen der Gemeinde dieses Namens zuteilte, möge man nur als eine

    Anspielung auf die Volksmeinung auffassen, das Wort Trimmis sei als

    Dreiberg (Trimons) zu erklären, nicht als Behauptung, diese Erklärung treffe

    das Richtige.

    S. 151: Im Einklang mit der Ortsnamenforschung befand sie sich dagegen, wenn sie

    für Tschierv im Münstertal einen Hirsch wählte, da der Name wirklich von

    cervus (Hirsch) abgeleitet wird, und für Grono einen Ahornbaum, weil die

    Etymologen den Namen auf das keltische «akarono» (Ahornwald)

    zurückführen. Beinahe von selbst präsentierte sich für Molinis und Mulegns

    (Mühlen) das Mühlrad, für Roveredo die Eiche (rovero) sowie für Castasegna

    und Castaneda der Kastanienbaum. Rotenbrunnen erhielt einen roten Brunnen,

    La Punt Chamues-ch eine Brücke, über der ein Andreaskreuz als Hinweis auf

    das Patrozinium der Kirche von Chamues-ch frei schwebt, Camuns wurde ein

    «Haus auf dem Berg», auf das sein Name weist, zugeteilt und im Wappen von

    Surcuolm (Neukirch i.O.) erblickt man über dem heraldischen Dreiberg

    (Cuolm = Berg) das Kreuz als Symbol der christlichen Kirche. Im Wappen von

    Tiefenkastel wurde, um den Begriff «tief» auszudrücken, die Burg (Kastell)

    unter einen Sparren gestellt und der Kreis Bergün, in den das Territorium der

    alten Herrschaft Greifenstein eingeschlossen ist, bekam demgemäss den

    Greifen, dessen Kopf mit Fug auch als Wappenfigur von Filisur dient, da auf

    dem Gebiet dieser Gemeinde die Burg steht, die Gericht und Herrschaft den

    Namen gab.

    Im weiteren Sinn als «redende Wappen» darf man auch jene von Guarda und

    Madulain betrachten. Der in dem Namen Guarda enthaltenen Bedeutung des

    Wachens zuliebe wurde dem Hoheitszeichen dieser Gemeinde der durch seinen

    Weckruf die Heraufkunft des Tages anzeigende krähende Hahn einverleibt und

    der gleiche Gedankengang war auch bei der Erfindung des Wappens für

    Madulain massgebend, dessen Wahrzeichen die Burg Guardaval («Talwacht»)

    bildet. Nur dass hier Hellebarde und Horn als Bildzeichen für den Wächter

    erscheinen. Anzumerken ist zu dieser Kategorie der redenden Wappen aber

    noch, dass ihr in Graubünden dadurch enge Grenzen gesetzt sind, dass so viele

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    Namen - es sind dies vor allem jene vorrömischer Herkunft - etymologisch

    unauflösbar sind.

    Wie dies bei der Neuschaffung von öffentlichen Korporationswappen häufig

    geschieht, so griff auch die Bündner Kommission in vielen Fällen auf die

    Hoheitszeichen der alten Feudalherren zurück. Sie unverändert zu

    übernehmen, ging aber nur dann an, wenn das fragliche Gebiet ganz zum

    Territorium der betreffenden Herrschaften gehörte oder sich doch die

    Stammburg des Geschlechtes dort erhob. Solche Voraussetzungen waren - um

    nur Beispiele zu nennen - gegeben bei Rhäzüns, Haldenstein, Riein, Tarasp

    und dem Kreis Trins, in dessen Gemarkung auf mächtigem Felsklotz heute

    noch die letzten Reste der einst stolzen Feste der mächtigen Dynasten von

    Belmont zu finden sind. In manchen Fällen wurden die Feudalwappen, oder

    Teile von ihnen, mit anderen Motiven kombiniert, als welche mit Vorliebe

    Attribute der Heiligen beigezogen wurden, denen die Pfarrkirche zugeeignet

    ist. Doch kamen auch andere Beizeichen zur Verwendung, neutrale Sterne, im

    «redenden Sinn» verwendete Elemente oder auch Wappenfiguren prominenter

    Familien, worauf wir sogleich noch zurückkommen werden. So fand in

    mancherlei Varianten in die Hoheitszeichen einiger Prättigauer Korporationen

    das Wappen der Herren von Matsch Eingang, das in Silber einen oder zwei

    blaue «Flügel› zeigt: als voller, gepaarter oder auch als halber Flug mit oder

    ohne Beigaben, etwa für die Kreise Jenaz und Luzein wie auch für die

    Gemeinde des letzteren Namens. Silber und Blau wurden dabei, den Farben

    des Zehngerichtenbunds-Wappens entsprechend, in Gold und Blau abgeändert.

    Bei den Wappen von Duvin und Igels trat zu der «Belmont-Stiege» - in

    verschiedener Anordnung - ein Stern als Hinweis auf das Marienpatrozinium

    S. 152: der Pfarrkirchen, bei Vals aus dem gleichen Grund der Schlüssel St. Petri,

    während für Obersaxen eine Vereinigung des Rhäzünser Wappens mit dem

    Peterssymbol und für Marmorera eine Differenzierung des «Heroldsbildes» der

    Herren von Marmels durch einen Kelch, das Attribut des Hl. Florinus, dem die

    dortige Pfarrkirche geweiht ist, gefunden wurde. Bei solchen Kombinationen

    erweisen sich auch Hinweise auf die alten Territorialverhältnisse als möglich,

    was durch das Wappen des Kreises Alvaschein illustriert werden soll. Sein

    Gebiet gehörte ehemals zu den Gerichten Obervaz und Tiefencastel, was dazu

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    anregte, im geteilten Schild oben das weiss-blaue «Schach» der Herren von

    Vaz, unten aber eine Burg - das «Kastell in der Tiefe» - unterzubringen.

    Auf der Grenze des redenden Wappens und der Kategorie, die uns in den zuvor

    angestellten Betrachtungen beschäftigte, steht das für Surcasti (Obercastels)

    gefundene Hoheitszeichen, da hier eine gezinnte Mauer, als Bildzeichen für

    eine Burg (Kastell), von dem Vogelkopf der Herren von Übercastel überhöht

    wird. Frühere oder noch bestehende territoriale Tatbestände können auch durch

    andere heraldische Mittel zum Ausdruck kommen. So wurde bisweilen

    Bedacht darauf genommen, die Farben der ehemaligen Dynasten in den

    Wappen der Kreise oder Gemeinden ihres Gebietes zur Verwendung zu

    bringen: Das Blau, Weiss und Rot der Vaz etwa, oder das Gelb und Rot der

    Sax wie das Gelb und Schwarz der Belmont. Bei den Gemeindewappen des

    Zehngerichtenbundes stehen dessen Farben Blau und Gelb - durchaus im

    Vordergrund des Gesamtbildes, ja für die Kreise Schanfigg und Churwalden

    kam die Übereinstimmung der Tinkturen sogar konsequent zur Durchführung.

    Der Versuch, die Gemeindewappen eines Kreises unter sich und im Verhältnis

    zum Kreis Wappen farbig und formal so aufeinander abzustimmen, dass sie

    eine geschlossene, aber in sich variierte Einheit bilden, wurde bei den

    Rheinwalder Hoheitszeichen unternommen. Alle Gemeindewappen dieses

    Kreises, mit Ausnahme von Nufenen, führen die vazischen Farben und zeigen

    als gemeinsames Leitmotiv das Band des Rheines, wie es auch schon auf einer

    spätgotischen Abbildung des Rheinwalder Landschaftsbanners erscheint.

    Individuell gewählte Beigaben stellen dann jeweils eine besondere Beziehung

    zu den einzelnen Gemeinden her.

    Auch die Gliederung der Kommunen in Fraktionen vermögen heraldische

    Zutaten anzudeuten, wozu sich besonders der Stern als ein sich mühelos

    einordnendes Ornament eignet. Aus den verschiedenen Fällen, in denen diese

    Absicht bestimmend war, sei als Beispiel nur das Gemeindewappen von St.

    Martin im Lugnez herausgegriffen, in dem der Kirchenpatron inmitten eines

    Kranzes von sieben Sternen erscheint. Sie sind als Hinweise auf die «Sieben

    Höfe» zu verstehen, aus denen das Gemeinwesen hervorgegangen ist.

    In gleicher Weise wie die Wappen der Dynasten können auch jene von

    Familien, die nach dem Zusammenbruch des Feudalwesens sich unter ihren

  • - 12 -

    Mitbürgern eine führende Stellung zu erringen gewusst, bei der Erfindung von

    Gemeindewappen ihren Beitrag leisten. Doch ist dabei zu bedenken, dass es,

    sofern es sich um noch lebende Geschlechter handelt, nicht angeht, sie

    unverändert zu übernehmen. Man wird sich also hier mit Teilen der fraglichen

    Figuren begnügen oder sie durch Beigaben variieren. So wurde im Wappen der

    Gemeinde Furna das Emblem der Sprecher von Bernegg, die gekreuzten

    Pfeile, über einen Halbmond gesetzt, da diese letztere Figur - aus nicht

    bekannten Gründen - in der Volksmeinung als Sonderzeichen der Walser gilt.

    Dieser Annahme verdankt auch, wie nur nebenbei bemerkt werden soll, das

    Wappen von Says die Einfügung von drei steigenden zunehmenden

    S. 153: Halbmonden. Für Luzein aber, dessen Ortsbild von den Sprechersitzen

    bestimmt ist, wurde die Kombination eines einzelnen Pfeiles mit dem Flug der

    Herren von Matsch gefunden. Zwar stellt der einzelne aufrechte Pfeil auch das

    Hoheitszeichen des Schanfiggs dar, da jedoch die Wahrscheinlichkeit nicht

    gering ist, dass auch hier dieses Emblem von dem alten Hauszeichen der

    Sprecher auf die Siegel und in das Banner des Hochgerichtes kam, so sei an

    dieser Stelle angefügt, dass den Wappen von Peist, Maladers und Lüen

    ebenfalls der Pfeil zugeteilt wurde, und zwar in den zwei letztgenannten Fällen

    kombiniert mit den Buchstaben «M» und «L».

    Dass bei der Formulierung des Oberhalbsteiner Kreiswappens die Lilie der

    Familie Fontana, Aufnahme fand, wurde bereits erwähnt. Dies will als Ehrung

    des Benedikt Fontana verstanden sein, der noch als todwunder Mann an der

    Calven die Bündner zum Siege führte, und dem gleichen Gedanken soll auch

    die Lilie im Wappen von Salouf (Salux), der Heimatgemeinde des

    Nationalhelden, dienen. Damit wird nun schon ein anderer Gedankenkreis

    berührt, in dem die Wappengestaltung Anregung zu finden vermag, es ist der

    Bereich der historischen Ereignisse, der Legenden, Sagen und auch der

    Volksbräuche. So erinnern die gekreuzten Morgensterne im Schierser

    Kreiswappen an den Freiheitskampf der Prättigauer, das Tor von Porclas im

    Wappen von Cumbels an die legendäre heldenmütige Verteidigung der

    Lugnezer Frauen in der Belmonter Fehde (1352), Schwert und Brandfackel bei

    Patzen an die Zerstörung der Burg Fardün, die verschlungenen drei Ringe bei

    Brienz und der Ahornbaum im Wappen von Trun aber an den

    Zusammenschluss der Drei Bünde zu Vazerol und die Beschwörung des

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    Oberen Bundes. Das Wappen von Leggia spielt auf den Patron der Pfarrkirche

    an und will die Taufe Chlodwigs durch den Hl. Remigius im Gleichnis

    wiedergeben, indem es das Kreuz über .die Krone erhöht. Aus anekdotischer

    Überlieferung heraus ist das Lamm in das Hoheitszeichen von Conters i. P.

    gelangt: denn als - so berichtet der Chronist F. v. Sprecher - die Prättigauer im

    Mai 1622, von den Österreichern bedrückt und ihrer Prädikanten beraubt, auf

    ihre Befreiung sannen, erschien des Sonntags ein weisses Lamm in der

    Conterser Kirche, was die Bauern als glückverheissendes und ermunterndes

    Vorzeichen für den bevorstehenden Kampf deuteten. Auf chronikalische

    Überlieferung geht es auch zurück, wenn der Stierkopf in das Wappen von

    Ftan aufgenommen wurde, denn Campell berichtet in seiner Topographie, dass

    man die Bewohner dieser Gemeinde ihrer vortrefflichen kriegerischen

    Eigenschaften wegen die «Stiere von Fetan» zubenannt habe. Der Volksbrauch

    endlich steuerte die Geräte des «Mazzaschlagens» dem Wappen von Flerden

    bei, da dieses dem «Hornussen» verwandte Spiel hier mit besonderem Eifer

    getrieben wird.

    Einen breiten Raum nehmen bei den neu geschaffenen Wappen Motive ein, die

    auf das Patrozinium der Pfarrkirche hinweisen, und zwar beschränken sie sich

    nicht auf die katholischen Gebiete, wo die Verehrung der Titelheiligen noch

    eine gegenwärtige Wirklichkeit ist, vielmehr wurde auch bei protestantischen

    Gemeinden nicht ganz von dieser Art Bildzeichen abgesehen, da auch hier die

    alten Kirchentitel, die noch an vielen Orten in der Erinnerung des Volkes

    leben, zur Geschichte der Gemeinwesen gehören. In der älteren Heraldik

    spielen die menschlichen Vollfiguren zwar keine wichtige Rolle, doch

    kommen sie immerhin schon in der Blütezeit der Wappenkunst, so in der

    Zürcher Wappenrolle und den heraldischen Friesen aus dem «Haus zum Loch»

    in Zürich vereinzelt vor.

    S. 154: Sogar eine Gruppe von zwei kämpfenden Kriegern wurde - dies ist beim

    Wappen der Familie Manesse der Fall -. nicht als zu kompliziert befunden.

    Doch muss zugegeben werden, dass die Darstellung von Figuren an die

    Handfertigkeit des Zeichners und seine heraldische Erfahrung grössere

    Anforderungen stellt als etwa eine einfache Schildteilung oder auch die

    Abbildung eines Baumes, einer Brücke oder einer Waffe. Eine weitere

  • - 14 -

    Schwierigkeit dieser Kategorie von Wappenbildern liegt darin, dass an vielen

    Orten gleiche Patrozinien vorkommen, weshalb - falls die Wahl des Heiligen

    als Wappenbild aus besondern Gründen nicht zu umgehen ist - nach jeder

    Möglichkeit einer Variierung Ausschau gehalten werden muss. Sie kann auf

    verschiedenen Wegen gefunden werden: einmal durch Wechsel in den Farben,

    bei «Reiterheiligen» wie St. Martin, Georg und Mauritius auch dadurch, dass

    sie einmal beritten und das andere Mal ohne Pferd erscheinen. Um das

    Gesamtbild der Gemeindewappen nicht zu eintönig werden zu lassen, war es

    aber überhaupt geboten, bei der Aufnahme von Vollfiguren möglichst

    zurückhaltend vorzugehen. Dabei empfahl es sich, in einigen Fällen nicht die

    ganze Erscheinung, sondern nur ein Kopf- oder Bruststück zu geben. Doch

    erwies es sich als noch weit wirksamer, auf die körperliche Darstellung der

    Heiligen ganz zu verzichten und sie nur durch ihre traditionellen Attribute zu

    versinnbildlichen. Diese Symbole lassen sich auch viel leichter als

    menschliche Erscheinungen in eine klare und einfache heraldische Sprache

    bringen und sind zudem, was schon angedeutet wurde, Kombinationen mit

    anderen Wappenelementen zugänglich. Doppelpatrozinien und die Titel zweier

    in der Gemeinde bestehender Kirchen können in vielerlei Art - durch Kreuzung

    der Embleme oder die Einordnung in den gespaltenen oder geteilten Schild -

    ein bereichertes Bild ergeben. Solche Attribute fanden denn auch bei unseren

    neuen Gemeindewappen in grosser Zahl Verwendung: Voran der Stern als

    Gleichnis der Maria, die in der kirchlichen Bildersprache ja auch als «stella

    matutina» oder «stella maris» gepriesen wird, der Schlüssel des St. Petrus, die

    Pilgermuschel St. Jacobs, die Kugeln des hl. Nikolaus, der Laurentiusrost, das

    T-förmige Antoniuskreuz, das Messer des hl. Bartholomäus, der Lilienstengel

    und die Zimmermannsaxt des hl. Joseph und manch andere dieser Sinnbilder

    mehr.

    Es bereitet keine Verlegenheit, Architekturen als Wappenbilder aufzunehmen,

    sofern man sich damit begnügen darf, sie nur als Bildzeichen - also nicht als

    getreue Wiedergabe bestimmter Bauten - zu behandeln. Solche Symbole für

    den Begriff «Burg» oder «Turm» erhielten in unserer Reihe etwa die

    Hoheitszeichen von Casti-Wergenstein, Sur, als Hinweis auf den Turm

    Splüdatsch, Splügen und Susch (Süs), bei welch letzterem mit rein

    heraldischen Elementen noch die Besonderheit Ausdruck erhielt, dass sich dort

  • - 15 -

    auf drei Hügeln Wehranlagen befanden. Gleichnishaft gestaltet wurde auch das

    Wappen von Mutten, das im geteilten Schild zwei Holzhäuser zeigt und damit

    aussagt, dass die Gemeinde aus zwei in verschiedener Höhenlage

    angesiedelten Gruppen gezimmerter Walserhäuser besteht. - Noch weiter geht

    die Symbolisierung, wenn eine Kirche überhaupt nicht mehr als Bauwerk

    wiedergegeben, sondern durch das Bildzeichen einer Glocke ersetzt wird. Dies

    geschah, wie wir schon sahen, bei Tschappina, aber auch bei den Wappen von

    Savognin, wo die drei durch ein Flussband getrennten Glocken auf die drei

    Kirchen des Ortes zu beiden Seiten der Julia hinweisen. Bei Mathon aber will

    eine grosse Glocke in Erinnerung rufen, dass der Volksmund diesem Dorf den

    Ehrentitel «La vischnaunca dils buons zenns» - «Das Dorf der schönen

    Glocken» verliehen hat.

    S. 155: Schwer fällt es oft, einem besonderen, dem Volke vertrauten architektonischen

    Wahrzeichen eine heraldische Formulierung zu geben. Das ist nur dann

    möglich, wenn es sich um ein Gebäude von so ausgeprägter Eigenart handelt,

    dass es auch noch bei weitgehender Vereinfachung und Stilisierung erkennbar

    ist. Diese Voraussetzung ist gegeben bei der Burg Reams (Riom) mit ihrem

    seltsam kirchenähnlichen Umriss, der alten Remigiuskirche in Fellers mit dem

    stumpfen Turm und überhöhten Chor, bei S. Gian zu Celerina/Schlarigna mit

    den beiden Türmen, wie vor allem auch bei der Klosterkirche St. Johann zu

    Münster (Müstair) mit ihren drei charakteristischen karolingischen Apsiden.

    Desgleichen vermögen ferner Natur-Wahrzeichen als Wappenfiguren zu

    dienen, und man wird auch hier sich zunächst bemühen, für das Ganze den Teil

    und an der Stelle naturgetreuer Wiedergabe ein Bildzeichen sprechen zu

    lassen. Die Blätter im Schild von Rossa erinnern an die stattliche Linde neben

    der Kapelle S. Maria in Pighé, den einzigen Baum dieser Gattung im

    Calancatal, während das Rot des Grundes den Namen des Dorfes anspricht. In

    ähnlicher Weise versinnbildlichen die Blätter im Wappen von Scharans die

    mächtige Linde, die neben der Pfarrkirche ihre Krone ausbreitet, während das,

    damit kombinierte Wappen der Familie Marmels als Ehrung jenes Ulrich von

    Marmels, der hier zum erstenmal die evangelische Lehre verkündete, gedacht

    ist.

  • - 16 -

    Zum Abschluss dieses Überblickes über den Sinngehalt der Wappenfiguren

    sollen nur noch einige Bildzeichen Erwähnung finden, die mit dem

    wirtschaftlichen Leben der betreffenden Gemeinden in Gedankenverbindung

    stehen. So weisen auf den Weinbau die Trauben bei Jenins, Maienfeld (Kreis)

    und Verdabbio, bei Fläsch und Malix, die Ähren auf den Getreidewuchs und

    bei Flond die «Kornhisten» auf jene in den höheren Lagen des Bündner

    Oberlandes eingebürgerten Gestelle, die es erlauben, das bei drohendem

    Wintereinbruch geschnittene Getreide nachreifen zu lassen. Die drei Sensen

    von Lü wollen auf die saftigen Wiesen hindeuten, mit denen diese Gemeinde

    gesegnet ist, und die Apfelbäume im Schild des Kreises Domleschg und der

    Gemeinde Almens auf die Obstkultur, die in dieser Talschaft sich alten Rufes

    erfreut, wobei die zwölf Früchte am Baum des Kreiswappens aussagen, dass

    der Kreis ebenso viele Gemeinden zählt. Ein Fisch erinnert an den

    Forellenreichtum des Silsersees, der in früheren Jahrhunderten dem Bischof

    von Chur die Fastenspeise lieferte und das Hufeisen bei Casaccia und Bivio

    wie das Saumpferd bei Lantsch (Lenz) an den Transitverkehr. Hirschstangen

    sprechen bei Valzeina von ergiebiger Jagd auf Hochwild und die Berghämmer

    bei Inner- und Ausserferrera wie bei Parpan von alten Minen, Brunnen

    verschiedener Art wissen bei Scuol, Rotenbrunnen, Pignia und Peiden von

    lange bewährten Heilquellen zu berichten.

    *

    Wenn hier von dem Sinngehalt der neu gefundenen Wappenfiguren etwas

    eingehender die Rede war, so will dies vor allem als eine Art

    Rechenschaftsbericht unserer Kommission verstanden sein. Doch mag es

    darüber hinaus vielleicht auch anderen Stellen, die sich vor ähnliche Aufgaben

    gestellt sehen, als Anregung dienen.

    Was nun die Verwendung dieser Entwürfe als Vorlagen anbelangt, so sei

    zunächst gesagt, dass die hier wiedergegebenen Darstellungen nicht mit dem

    Anspruch auftreten, bis ins Einzelne als bindende Vorbilder für jeden späteren

    Gebrauch unserer korporativen Hoheitszeichen

    S. 156: zu gelten. Dies will in zweifacher Hinsicht verstanden sein. Einmal in bezug

    auf den Inhalt: Gesetzlich festgelegt sind nur die Wappenelemente, die in der

    Beschreibung (Blasonierung) genannt oder «angesprochen» sind, wie der

  • - 17 -

    heraldische Fachausdruck lautet. Wenn also - um nur ein Beispiel anzuführen -

    hier von einem Wilden Mann die Rede ist, so muss er nicht genau so aussehen

    wie auf unserer Vorlage, und es verschlägt nichts, wie im einzelnen seine

    Erscheinung gebildet ist, ob sich etwa ein Kranz um seine Stirne windet und ob

    er einen langen oder einen gestutzten Bart trägt. Doch wenn die Blasonierung

    vorschreibt, dass er eine Keule, ein Fähnchen oder eine ausgerissene Tanne in

    der Hand führt, so hat die Darstellung dieser Forderung zu entsprechen.

    Ebensowenig aber erwarten die hier abgebildeten Wappen wortgetreue

    Nachbildung in formaler Hinsicht. Die Heraldik ist wie jeder andere Zweig der

    angewandten oder freien Kunst (on dem jeweils geltenden Stil einer Zeit

    geprägt, und daher trägt die Gestaltung des gleichen Wappens in der Gotik, der

    Renaissance oder dem Barock durchaus verschiedene Züge. Das wird sich

    auch künftig so verhalten, und die hier vorgelegten Wappengestaltungen

    wollen daher nicht als kanonische Muster, sondern als Schöpfungen dieser

    unserer Zeit verstanden sein, die aber unter Beachtung bestimmter, im Wesen

    der Aufgabe begründeter heraldischer Grundgesetze formuliert wurden. So

    wenig man also sich dem starren Dogmatismus unterwerfen darf, dass in der

    Heraldik nur das erlaubt sei, was im 13. oder 14. Jahrhundert geübt wurde, so

    sehr muss man aber auch fordern, dass gewisse Fundamentalgesetze, die meist

    auf die Wirkung in die Ferne Rücksicht nehmen, Beachtung finden. Einfache,

    klare und ausdrucksvolle Silhouette des Bildes, wohlabgewogene Einordnung

    der Figur in den Schild, sorgfältige Ausbalancierung ihrer Farben in bezug auf

    den Tonwert sowie auf das Gewicht im Verhältnis zu den Mitfarben, ferner

    durchaus flächige Gestaltung aller Körper, vor allem der Architekturen, also

    Verzicht auf Tiefenwirkung.

    Am Rande soll noch angemerkt werden, dass die in diesem Buch gezeigten

    Wappen in erster Linie als Vorlagen für gemalte Darstellungen gedacht sind.

    Plastische Gestaltungen (Skulpturen an öffentlichen Gebäuden, Brunnen,

    Türen oder Möbeln) sowie graphische Formulierungen in Schwarz-Weiss-

    Technik, besonders solche in kleinerem Massstab, wie sie für amtliche

    Drucksachen gebraucht werden, unterliegen den Formgesetzen, die diesen

    Kunstarten eigen sind. Es werden daher hier bisweilen Übersetzungen in die

    plastischen und zeichnerischen Ausdrucksmittel erforderlich sein. Seit dem 17.

    Jahrhundert hat sich nun zur Kennzeichnung der Tinkturen bei nichtfarbiger

  • - 18 -

    Darstellung ein bestimmtes System von Schraffuren und Punktierungen

    eingebürgert. Dieser Methode gegenüber ist grösste Zurückhaltung am Platz.

    Bei Skulpturen sollte sie, wenn irgend möglich, ganz vermieden werden, da sie

    rein graphischen und nicht plastischen Charakter hat. Jedoch auch bei

    zeichnerischen Gestaltungen empfiehlt es sich, diese Hilfsmittel nur dann

    anzuwenden, wenn ohne sie eine befriedigende Lösung nicht möglich ist, da

    sie leicht Unruhe in das Gesamtbild bringen und bei kleinerem Massstab

    überdies die/ Gefahr besteht, dass die Striche oder Punkte - etwa beim

    Stempeln - zusammenlaufen.

    Die hier vorgelegten, von Prof. Anton Nigg gestalteten Wappen sind das

    Resultat langjähriger, mit unzähligen Entwürfen und Detailstudien um die

    einfachste und klarste Lösung bemühten Arbeit. Die Kommission überlässt mit

    Zuversicht die Entscheidung, inwieweit dieses Ziel erreicht wurde, dem

    Betrachter.

    Internet-Bearbeitung: K. J. Version 08/2013

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