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Untervazer Burgenverein Untervaz
Texte zur Dorfgeschichte
von Untervaz
2011
Festschrift für Oscar Bernhard
Email: [email protected]. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.
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2011 Festschrift für Oscar Bernhard Heini Hofmann
in: Hofmann Heini: Gesundheits-Mythos St. Moritz. - St. Moritz 2011.
Festschrift zum 150. Geburtstag des grossen Alpenmediziners
Dr. Oscar Bernhard. Seite 05ff.
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S. 05: Vorwort
Mythos, das Wort aus dem Altgriechischen bedeutet eine sagenhafte
Geschichte, eine erzählerische Verknüpfung von Ereignissen von tiefem Sinn
und faszinierendem Inhalt mit nachhaltiger Ausstrahlung. Was verlieh St.
Moritz in der abgeschiedenen Bergwelt schon sehr früh einen weitreichenden
Mythos? Es war die Kunde von Gesundheit und Heilung, die von hier ausging
und die Menschen anzog. Sie scheuten keine Mühe, um daran teilhaben zu
können und wurden dadurch Teil des Gesundheitsmythos St. Moritz.
Der 150. Geburtstag des hochverdienten Talarztes Dr. Oscar Bernhard und die
100 Jahre seit dem Bau seiner berühmten Sonnenklinik waren Anlass, zu
seinen Ehren die gesamte, wechselvolle Medizingeschichte von St. Moritz zum
ersten Mal in vollem Umfang aufzuarbeiten. Denn es waren die Heilquellen,
die Gebirgssonne und das Höhenklima, die dem Bergdorf zu Weltruhm
verhalfen.
Glücklicherweise konnte für diesen anspruchsvollen Auftrag der erfahrene
Wissenschaftspublizist Heini Hofmann gewonnen werden. Mit unermüdlicher
Akribie und enormem Rechercheaufwand, mit kritischer Distanz und zugleich
grosser Begeisterung hat er diese Aufgabe angepackt. So entstand ein mit
vielen Originaltexten angereichertes, attraktiv illustriertes, sachlich fundiertes,
äusserst unterhaltsam geschriebenes und mit einer Prise Humor gewürztes
Sachbuch. Eine solche Gesamtschau hat bisher gefehlt.
Die Bandbreite des Inhaltes ist gross. Sie reicht von den seit bald 3500 Jahren
genutzten Heilquellen, dem geheimnisvollen Alpenmoor und dem
geschichtsträchtigen Heilbad über die mit vielen neuen Fakten belegte
Lebensgeschichte des in Vergessenheit geratenen Oscar Bernhard mit seiner
weltweit erfolgreichen Heliotherapie bis hin zur Wirkung des Höhenklimas.
Themen, die nicht nur Medizin und Wellness, sondern ganz speziell auch
Tourismus, Hotellerie und Sport direkt tangieren.
Der Autor verstand es, den umfangreichen Stoff kritisch aufzuarbeiten und zu
analysieren. Zudem entwickelte er prüfenswerte, visionäre Ideen.
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Das Buch wird die Liebhaber des Engadins begeistern. Es wird das Interesse
jener wecken, die noch nie hier waren. Und für alle Einheimischen sollte es
Pflichtlektüre sein, damit sie ihr Paradies, in dem sie leben, noch besser
kennenlernen und seine Naturschätze verantwortungsvoll pflegen und nutzen.
St. Moritz, im September 2011
Dr. med. Robert Eberhard
Präsident der Dr. Oscar Bernhard-Stiftung St. Moritz und
Leitender Arzt Medizinisches Therapiezentrum Heilbad St. Moritz
S. 12:
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S. 13: Prolog: Späte Ehrung!
Das Oberengadin hat einen der ganz grossen Alpenmediziner hervorgebracht:
Dr. Oscar Bernhard (1861-1939), geboren und tätig gewesen zuerst in
Samedan, dann in St. Moritz. Hier erhielt er zwar das Ehrenbürgerrecht. Doch
seither wurde er - Prophet im eigenen Vaterland - nie richtig gewürdigt, nicht
einmal postum zu seinem 100. Geburtstag. Böse Zungen sagen, er sei
richtiggehend totgeschwiegen worden.
Vergessen und verkannt
Dafür spricht, dass beispielsweise 1911 die Eröffnung seiner weltbekannten
Klinik selbst in der Lokalpresse nur marginale Erwähnung fand. Das hat damit
zu tun, dass man den aufstrebenden Kurort St. Moritz mit Gesundheit, Sport
und Lebensfreude und nicht mit Krankheit, Medizin und Sanatorium in
Verbindung bringen wollte, obschon sinnigerweise auch viele Berühmtheiten
der Luxushotel-Klientel zu Bernhards dankbaren Patienten zählten.
Und siehe, solches Vergessen wirkt sich nachhaltig aus. Das zeigte sich unter
anderem, als im Frühjahr 2010 im Schweizerischen Landesmuseum eine
Ausstellung über Alpenmedizin und Heliotherapie in der Schweiz gezeigt
wurde, in der weder St. Moritz noch Oscar Bernhard Erwähnung fanden,
obschon er die Heliotherapie (Sonnenlichtbehandlung) begründet hat, mit der
weltweit dann Hunderttausende von Patienten mit Knochen- und
Gelenktuberkulose gerettet wurden, als noch keine Tuberkulostatika zur
Verfügung standen.
Doppeljubiläum
Als aktueller Anlass zur späten Ehrung des grossen, aber leider in
Vergessenheit geratenen Alpenmediziners anerbot sich das 2011 anstehende
Doppeljubiläum: 150. Geburtstag von Dr. Oscar Bernhard und zugleich 100
Jahre Bernhard-Klinik (die noch existiert, aber heute zu Wohnzwecken dient).
Um das Lebenswerk des grossen Mediziners nachträglich zu würdigen, wurde
beschlossen, die Verdienste dieses Pioniers in einem Buch festzuhalten. Bei
der umfangreichen Recherche bis hin zu privaten Briefen und Schriftstücken
musste festgestellt werden, dass sich solche Ehrung doppelt aufdrängt, da auch
eine Art Wiedergutmachung ansteht.
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Dunkle Schatten
Denn was man bisher verdrängt oder nicht mehr gewusst hat und was auch in
keiner bisherigen Publikation aufscheint: Der nachmalige Ehrenbürger wurde
anfänglich alles andere als nobel behandelt. (Korrekterweise muss hier
angefügt werden: Wo passiert solches nicht?) In Samedan hat man dem
verdienten Spitalgründer, obschon er einer von ihnen war, auf unschöne Art
den Laufpass gegeben, und in St. Moritz wollte man ihn zuerst nicht und
S. 14: hat ihm später die Hände gebunden, was zur Folge hatte, dass ein anderer mit
seiner Entdeckung berühmt und er vielleicht sogar um den Nobelpreis geprellt
wurde.
Die Geburtsurkunde aus einem im Keller des Samedner Pfarrhauses lagernden
Rodel, belegt, dass sich Bernhards Name Oscar richtigerweise mit c und nicht
mit k schreibt.
Für seine Grösse spricht, dass er sich darüber nie öffentlich beklagte, sondern -
weil er ein Macher und kein Lamentierer war - neue Herausforderungen suchte
und sich in den vom Krieg heimgesuchten Ländern als Lazarettchirurg nützlich
machte. Allen Widerwärtigkeiten zum Trotz war und blieb er der
bodenständige Arzt und Menschenfreund seines Heimattals, für den Beruf
Berufung war.
Umfassende Gesamtschau
Deshalb: Im Sinne der von ihm gelebten Universalität soll in diesem Buch
seine Würdigung in die ganze Bandbreite des Gesundheitsmythos von St.
Moritz eingebettet werden. Mit anderen Worten: eine Gesamtschau anstelle
einer Solitärbeweihräucherung, wohl ganz im Sinne des trotz Ruhm und Ehre
bescheiden gebliebenen Bernhard. Das heisst, nach einer Einführung über die
Heilkraft der Berge folgt zuerst die wechselvolle Geschichte der Quellen- und
Bädertradition samt dem heutigen Revival, dann zentral Oscar Bernhards
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Leben und Lebenswerk, speziell die Heliotherapie und die Bergrettung, gefolgt
von aktuellen Aspekten wie Klimatherapie und Höhentraining sowie einer
abschliessenden Besinnung auf die Geschenke, mit denen die Natur das
Engadin verwöhnte und wie diese auch in Zukunft gewinnbringend zu nutzen
wären.
Sinnvolle Umrahmung
Diese Einbettung der Bernhard-Biografie und Heliotherapie zwischen die
Themenbereiche Heilwasser und Höhenklima macht doppelt Sinn. Zuerst
bezüglich Wasser: Am Anfang der Erfolgsstory von St. Moritz standen
nämlich nicht, wie das heute vielfach vermutet wird, die Luxushotels mit ihrer
exklusiven Klientel und der Sport. Begonnen hat alles mit der ältesten,
höchstgelegenen Heilquelle. Sie war es, die das ehemals unscheinbare
Bauerndorf weltberühmt machte, den Nobelhotels und dem Sport zu Gevatter
stand und somit den Grundstein legte für alle spätere Entwicklung.
Interessanterweise scheint auch hier Nachholbedarf zu bestehen. Denn als
Gottfried Grieshaber, langjähriger Ortsgeometer, Vorsteher des Bauamtes und
damit Betreuer der Mauritiusquelle, 1965 von der Gemeinde den Auftrag
erhielt, die Geschichte der Heilquelle
S. 15: in Kurzform nachzuführen, schrieb er im Vorwort dieser Broschüre, dass er es
nicht unterlassen möchte, «auch an dieser Stelle den schon mehrmals
gemachten Vorschlag an die Gemeindebehörden zu wiederholen», jemanden
mit der «Abfassung einer vollständigen Geschichte der Quelle» zu beauftragen.
Dieser Wunsch geht hiermit ebenfalls in Erfüllung.
Und nun bezüglich Klima: Heilquelle, Sonne und Höhenklima sind eine
unzertrennliche Naturtrilogie. Das Ganze ist auch hier mehr als die Summe
seiner Teile. Dem Höhenklima kommt, wie dem Heilwasser und der
Gebirgssonne, eine ganz besondere Bedeutung zu. Wäre das Engadin kein
Hochtal, wäre St. Moritz nie zu dem geworden, was es heute ist, nämlich der
welterste Höhenkurort. Deshalb sah sich Oscar Bernhard auch veranlasst, eine
Stiftung für Klimaforschung zu gründen. Das Credo in einem seiner Vorträge
lautete: «Ich wünsche unserem Orte durch seine Luft, seine Sonne und seine
Quelle für sich und die leidende Menschheit ein blühendes Gedeihen». Was
heute vielleicht wieder vermehrt zu bedenken wäre!
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Beinahe symbolisch:
Unter der alten, fehlerhaft geschriebenen
Strassentafel am Weg zur ehemaligen
Bernhard-Klinik in St. Moritz das
Sackgassesignal, das wie für
«Endstation Erinnerung» steht.
Davor der Grosssohn von Oscar
Bernhard, Michael A. R. Bernhard.
Symbolische Wundheilung
Erfreulicherweise ist es beim Gedenken zum 150. Geburtstag des grossen
Mitbürgers nicht bloss bei einem Buch geblieben, das auch wieder vergilben
kann. So wurden in St. Moritz gleich noch andere Nägel mit Köpfen
geschmiedet: Korrektur der Strassentafel und Umwandlung der Grabstätte in
ein Ehrengrab. Auch Samedan schloss sich an und brachte im Spital
Oberengadin eine Gedenktafel an.
Warum Korrektur einer Strassentafel? Weil die Beschilderung jener Zufahrt,
die in St. Moritz von der Via Somplaz hinauf zur ehemaligen Villa und Klinik
Bernhard führt, fehlerhaft war: Via Dr. Oskar Bernhard statt richtigerweise Via
Dr. Oscar Bernhard. Denn im Taufschein und auf dem Grabstein sowie in allen
von ihm handschriftlich unterzeichneten Briefen und Texten steht der Vorname
mit einem - wohl etwas ladinischer klingenden - weichen c statt harten k,
welch Letzteres mehrheitlich in Publikationen aufscheint, die in Deutschland
herausgegeben wurden. Von hier ist es dann unkritisch übernommen worden,
selbst in sogenannt wissenschaftlichen Abhandlungen, in denen ja gelegentlich
mit oder ohne summa cum laude - auch abgeschrieben wird. ..
Läppisches Detail? Vielleicht. Doch so, wie sein Name nicht mehr richtig
wiedergegeben wurde, so ist auch sein Lebenswerk nicht mit dem verdienten
Respekt in Erinnerung geblieben. Beinahe symbolisch prangte unter der
fehlerhaften Strassentafel statt vielleicht einer Erinnerungstafel ausgerechnet
das Sackgassesignal - gleich einem «Erinnerungs-Endstation»-Mahnmal.
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Daher: Es ehrt das heutige St. Moritz und auch Samedan, dass diese
symbolische Wundheilung nun vollzogen wurde (mit Gedenktafel, Ehrengrab
und Korrektur der Strassentafel), auf dass die Engadiner Sonne inskünftig auch
über dem berühmten Talarzt Il Bernard wieder hell erstrahlt. Das freut auch
den Schreiberling dieses Buches. Heini Hofmann
S. 335: Auf einmal überflüssig
Oscar Bernhard war weitsichtig und postulierte schon von Beginn weg, die
Heliotherapie der chirurgischen Tuberkulose werde so lange das Mittel der
Wahl sein, bis ein Spezifikum gegen diese Geissel der Menschheit gefunden
werde. Und also geschah es. Als die Chemotherapie mit den Tuberkulostatika
auf den Plan trat, hatte die Heliotherapie ausgedient.
Nach Bernhards Tod
Nach dem Ableben von Oscar Bernhard am 14. November 1939 änderte sich
auch infolge Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges alles. Die Villa wurde an die
Contessa di Medici verkauft, die darin Eigentumswohnungen einrichten liess.
Die Klinik wurde von Marco Petitpierre, Arzt und Schwiegersohn, verheiratet
mit Bernhards Tochter Annigna, weitergeführt. Doch wegen der Kriegswirren
blieben die Hotelgäste in St. Moritz aus und dadurch auch die Patienten. Die
einst weltberühmte Sonnenklinik fuhr Verluste ein und musste schon nach
zwei Jahren, 1941, schliessen.
Nun stand sie einige Jahre leer. Als Aussenstation des Kreisspitals Samedan
erlebte sie dann nochmals - wenn auch nicht mehr als Sonnenklinik - ein
Revival, um schliesslich von der Gemeinde St. Moritz übernommen zu werden.
Damit endete - wegen eines Konkurrenzverbotes - die medizinische Nutzung.
Die Medizinkatze biss sich in den eigenen Schwanz. In der ehemaligen
Sonnenklinik entstanden nun Eigentumswohnungen. Aus der Not hat man eine
Tugend gemacht. Für den einstigen Pionier wäre das wohl ein schwacher Trost.
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Tempora mutantur
Aber auch die Heliotherapie an sich war am Ende. Sein Nachfolger hatte
gerade noch eine einzige wissenschaftliche Arbeit zu diesem Thema
veröffentlicht. Die Chemotherapie mit den neu entwickelten Tuberkulostatika
ermöglichte fortan die Tuberkulosebehandlung in jedem beliebigen Spital oder
sogar ambulant.
Viele Sonnenkliniken, wie zum Beispiel in Leysin, wurden in Sporthotels
umfunktioniert. Die Umstände hatten sich geändert. Eine grosse
Errungenschaft der Medizin, die Sonnenlichtbehandlung, die zu ihrer Zeit
Hunderttausende von Menschen retten konnte, hatte ausgedient.
Dennoch blieb Bernhards Name, zumal im Ausland, noch lange präsent. So
erhielt er am 9. Juni 1947, acht Jahre nach seinem Tod, von der «World
Biography» in New York einen Fragebogen zum Ausfüllen (was dann seine
Tochter Annigna besorgte) für die «Biographical Encyclopedia of the World»,
welche von jedem Land jene Personen auflistet, «deren Leistungen einer
Registration würdig sind».
Doch wie seine segensreiche Methode, so verblasste auch sein Name im Laufe
der Jahre zusehends. Schön, dass er zu seinem 150. Geburtstag nochmals in
Erinnerung gerufen werden kann!
Die symbolische Schlusslaterne am
Kapitelende:
Noch hängt sie am ehemaligen
Klinikgebäude, die schmiedeiserne
Lampe mit dem Sonnensignet.
S. 439: Nachtrag
Bewohner Bernhard-Klinik, St. Moritz:
Dr. Hanspeter Danuser, Hansruedi Schaffner und Albert R. Nold
Oscar Bernhard- Verwandtschaft
Michael A. R. Bernhard, Pully Dr. Waldemar E. Bernhard, Zürich
Marianne Herold, Zürich Jacqueline Thèves, Paris
Regula Hoch-Frei, Zürich François Petitpierre, Biel-Benken
Dr. Jean-Claude Petitpierre, Binningen Alfred R. Sulzer, Zürich
Wir danken dem Verfasser bestens für die freundliche Wiedergabebewilligung.
Internet-Bearbeitung: K. J. Version 07/2014
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