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Im September des gleichen Jahres brach ein Großteil der Westwand der Petit Dru mit solcher Wucht aus, daß der Felssturz noch im weit entfernten Zürich seismographisch gemessen werden konnte. Klettertouren zwischen der klassischen Magnoneroute und dem Bonattipfeiler sind jetzt lebensgefährlich. Foto: Mario Colonel 30 DAV Panorama Nr. 3/1999 Unterwegs MONTBLANC Niemand wundert sich im Hochgebirge über abschmelzende Gletscher und Steinschlag. Was seit einigen Jahren am Dach Europas zu beobachten ist, scheint allerdings aus dem Rahmen „normaler“ klimatischer und geologischer Veränderungen in den Alpen zu fal- len und ist in Umfang und Konsequenz nur wenigen bekannt. Warme Sommer und labile Gesteinsschichten setzen dem Montblanc-Massiv erheblich zu. Von ULRICH HIMMLER DER MONARCH WANKT Am 18. Januar 1997 löste ein Felssturz an der Basis der Brenvaflanke des Montblanc weiter unten eine verheerende Eislawine aus, die bis ins Val Veni abstürzte und dort zwei Skifahrern das Leben kostete. Zufällig konnte der Passagier eines Sessellifts das Ereignis mit der Kamera festhalten.

Unterwegs MONTBLANC - Alpenverein · 2012-04-19 · MONTBLANC Am 18.Januar 1997 löste ein Bergsturz in der Brenvaflanke auf der Südseite des Montblanc eine Eis-Schneelawine aus.Sie

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Im September des gleichen Jahres brach ein Großteil der Westwand der

Petit Dru mit solcher Wucht aus, daß derFelssturz noch im weit entfernten Zürich

seismographisch gemessen werden konnte. Klettertouren zwischen der

klassischen Magnoneroute und demBonattipfeiler sind jetzt lebensgefährlich. Fo

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30 DAV Panorama Nr. 3/1999

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Niemand wundert sich im Hochgebirge über abschmelzende Gletscher und Steinschlag.

Was seit einigen Jahren am Dach Europas zu beobachten ist, scheint allerdings aus dem

Rahmen „normaler“ klimatischer und geologischer Veränderungen in den Alpen zu fal-

len und ist in Umfang und Konsequenz nur wenigen bekannt. Warme Sommer und labile

Gesteinsschichten setzen dem Montblanc-Massiv erheblich zu. Von ULRICH HIMMLER

DER MONARCH

WANKT

Am 18. Januar 1997 löste ein Felssturz an der Basis der Brenvaflanke des Montblanc weiter unten eine verheerende Eislawine aus, die bis ins Val Veni abstürzte und dort zwei Skifahrern dasLeben kostete. Zufällig konnte derPassagier eines Sessellifts das Ereignismit der Kamera festhalten.

32 DAV Panorama DAV Panorama 33Nr. 3/1999 Nr. 3/1999

Das Ghiglione-Biwak am Trident du Brenvadarf wegen der Felsbewegungen nichtmehr als Unterkunft für Brenvaaspirantendienen.

Das Gestein am Fundament der Cosmiques-Hütte ist derart in Bewegung geraten, daß dieser wichtige Stützpunkt nicht mehr benutzt werden konnte.

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vom 10.bis 16.Februar 1998 begangen (ED+,6b,A3).Angesprochen auf die „Versuchungdes Teufels“, antworteten sie sinngemäß:„Sicher war es ein Risiko,und sicher größerals bei anderen schwierigen Besteigungen.Aber der Sinn des Alpinismus besteht imÜberwinden von Hindernissen“. Und: „Diegrößte Gefahr ging von den ‚pierre vivantes‘aus.“

Weniger bekannt ist, daß das vielfachvon den Begehern der Brenvaflanke be-nutzte Ghiglione-Biwak aus Sicherheits-gründen geschlossen ist. Der Untergrundund die nähere Umgebung haben sich ge-senkt, eine Übernachtung wäre zu gefähr-lich, die Schräglage wäre auch nicht ange-nehm. Interessenten für Anstiege imBrenvakessel sind also – wie früher immer –auf das altehrwürdige Biwak am Col de laFourche angewiesen. Es handelt sich aller-dings um eine recht kleine Unterkunft, diewegen der Beliebtheit der in Frage kom-menden Touren stets „gut besucht“ (über-füllt) ist.

Veränderte BrenvaflankeIm Moment ist der gesamte Brenvakesselmit Vorsicht zu genießen. Im Winter 1997ereignete sich dort ein riesiger Bergsturz,der auf dem Brenvagletscher eine überausgroße Lawine auslöste. Die mitgerissenenSteine blieben zwar auf dem Gletscher desVal Veni liegen, doch hat die Druckwelledort auf dem Gegenhang Hunderte vonLärchen entwurzelt und herumgewirbelt.Zwei Skifahrer starben – wahrscheinlich vonBruchholz erschlagen.

Aus Sicht der Bergsteiger ist interessant,wo genau der Bergsturz stattfand (600 000bis 1000 000 Kubikmeter). Der Brenva-sporn, beginnend am Col Moore und en-dend am bekannten Eisgrat, ist mit seinerlinken Seite (im Sinne des Aufstieges) ver-schwunden und damit auch die gesamteFarrar-Variante, die es bei guten Verhält-nissen – zum Beispiel im Frühjahr oder Früh-sommer – ermöglichte,den gesamten Spornlinks zu umgehen und in einem (Firn-)Couloir direkt zum Eisgrat aufzusteigen.Das heißt, es stehen – verglichen mit demUrzustand – nur noch Fragmente, die eine(vor allem nächtliche) Begehung des Spornsderzeit ausschließen. Und nicht nur das:Kandidaten für Routen wie SentinelleRouge oder Mayor-Führe haben früher die-se linke Seite des Brenvasporns gequert,um– am Sentinelle-Rouge-Biwakplatz vorbei –das Zentralcouloir zu queren und dieRouten zu erreichen.Diese Querung ist der-zeit (und wahrscheinlich auch in Zukunft)nicht möglich. Theoretisch bleibt nur die

schon Christophe Profit einen großenSchrecken, als er einen Gast über denBonatti-Pfeiler führte:„Je mehr ich stieg,umso größer war der Horror.Der Berg war vol-ler Steinschlagspuren, man sah nur nochFelsen,die mit beigem Staub bedeckt waren.Auf den Ausstiegsterrassen gab es autogroßeBlöcke,die in sehr labilem Gleichgewicht la-gen,der ganze Pfeiler drohte einzustürzen.“Bald darauf ereignete sich der Bergsturz. Am28.9.1997 gab es noch einen weiteren,klei-neren Bergsturz an gleicher Stelle. Aber:Inzwischen existiert über die Abbruchstelleeine neue Route; die beiden Russen ValerijBabanow und Jurij Kotschelenko haben sie

Möglichkeit, vom Col Moore aus direkt ab-zusteigen und das Zentralcouloir von untenanzugehen,eine höllisch gefährliche Angele-genheit. Der französische ExtremalpinistPatrick Berhault ist mit seinem FreundFrancis Bibollet zum Col Moore gegangen,um sich die Sache anzuschauen und mögli-che Alternativen zu entdecken. DieserFreund hat gesagt: „Wie soll ich mich hiernach einer neuen Route umsehen,wenn derganze Berg fehlt“.

Bedrohliche SchieflageEs gibt aber noch weitere Nachrichten.DasRefuge Cosmique knapp oberhalb des Coldu Midi ist vorübergehend geschlossen.Auch hier hat sich das Felsfundament be-wegt, gesenkt und verschoben. Alles stehtschief. Es gibt zwar viele Bergführer inChamonix, die die Montblanc-Überschrei-tung vom Col du Midi aus „morgens mit derersten Seilbahn“ machen, aber alle Begeherder schwierigen und langen Anstiege aufden Montblanc du Tacul haben im Momentein Problem.Das gilt auch für Leute,die denPlan-Midi-Grat angehen wollen. Wegen deskomplizierten, stark zerklüfteten bzw. sehroft unmöglichen Abstiegs zur Requin-Hütteist diese schöne und nicht allzu schwierigeTour in der Vergangenheit meistens „hinund zurück“ gemacht worden. Das jedocherfordert in aller Regel einen frühen Auf-bruch;mit der ersten Seilbahn ist es da nichtgetan.Als Ersatz steht zwar immer noch dieTuriner Hütte zur Verfügung, doch das ver-längert die eine oder andere Tour um Stun-den,besonders bei den Spaltenverhältnissenauf dem Geant-Gletscher im Jahr 1998.

Bei solchen Informationen fällt es dannschon gar nicht mehr ins Gewicht,daß auchvon der Aiguille Noire eine Menge Steine inRichtung Süden geflogen sind, von deneneinige sogar das Val Veny erreicht haben(ohne Schaden anzurichten). Auch vomBrouillardgrat – im Sinne des Abstieges un-terhalb des Col Emile Rey – sind die Brockenauf den Brouillardgletscher geflogen.Wegender ausgebliebenen Schäden und der gerin-gen Relevanz für die Bergsteiger wird darü-ber gar nicht erst gesprochen.

AusweichroutenFür die Bergführer in Courmayeur sieht dieSache da schon anders aus.Sie gehen derzeitverständlicherweise sehr restriktiv mit den

(Steinschlag, Spalten), stehen jetzt auchWinter- oder Frühlingsbegehungen auf demProgramm. So empfiehlt man zum Beispielfür den April die Nordwand der Tour Rondeoder deren Westcouloir (man erreicht es,wenn man unter der Nordwand durchquert,den Wandfuß nach links umgeht und quasiim hintersten Winkel auf diesen schönenAnstieg stößt). Konditionsstarke Alpinistenfinden nun auch das Diable-Couloir auf denMont Blanc du Tacul und viele andere“Neutouren” in den Programmen derFührerbüros.

Man fragt sich,woran das alles liegt. AusAnlaß der Veränderungen am Brenvaspornwurde eine Expertenkommission berufen.

Tourenwünschen ihrer Klienten um.Systematisch bieten sie Gipfel an,die frühernicht zur Diskussion standen:das Breithornim Wallis (sehr früher Aufbruch in Cour-mayeur,erste Seilbahn in Cervinia RichtungTesta Grigia und am gleichen Nachmittagwieder in Courmayeur). Gleiches gilt fürden Gran Paradiso. Aber, aufgrund derErfahrung, daß bestimmte Touren imSommer gar nicht mehr verantwortungs-be-wußt durchgeführt werden können

Das Gebiet der Montblanc-Gruppehat während der Saison 1998durch eine Reihe von Unfall-meldungen von sich Reden ge-

macht. Meist bedingt durch schlechtesWetter (und oft wohl unter dem Erfolgs-druck, irgend etwas „Anständiges“ mit nachHause bringen zu müssen),hat es eine Reihevon Bergsteigern erwischt,die auf derartigeUmstände nicht vorbereitet waren oderfalsch reagierten. Die Presse stilisierte dar-aus „traurige Rekorde“, und die Statistikerrechneten die Zahlen über das Jahresmittelverteilt wieder auf Durchschnittsniveau her-unter. Von einigen Bergstürzen abgesehen,über die in alpinen Fachzeitschriften nach-zulesen war, haben weniger spektakuläreaber folgenreichere Veränderungen kaumResonanz gefunden.Das Gesicht des Monar-chen verändert sich rapide und ist von vie-len Standorten aus kaum noch wiederzuer-kennen.

Bergsturz am Petit DruAm 18. September 1997 ereignete sich amPetit Dru ein gewaltiger Bergsturz,der einenTeil der Westwand, rechts der klassischenRoute,und des Bonatti-Pfeilers „beseitigte“;betroffen sind insbesondere die „Gross“-und die „Destivelle-Route“. Zwei schweize-rische Alpinisten, die gerade aus der „direc-te americaine“ ausstiegen und zum Biwa-kieren in die Nordwand querten,haben dasaus nächster Nähe unversehrt erlebt. Eshandelte sich um eine Granitplatte mit denungefähren Ausmaßen „90x30x5 Meter“;die Erschütterung wurde in Zürich seismo-graphisch registriert (2 bis 2,5 auf derRichterskala). Kurze Zeit vorher erlebte

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„Je mehr ich stieg,desto größer war der Horror“

„Wie soll ich mich hier nach einer neuen Route umsehen, wenn der ganze Berg fehlt?“

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Am 18. Januar 1997 löste ein Bergsturz in der Brenvaflanke auf der Südseite desMontblanc eine Eis-Schneelawine aus. Sie drang bis ins Val Veni vor und tötete hier zweiSkifahrer.Der exakte Ausbruchsort liegt im Gebiet des Col Moore, etwas östlich derSentinelle Rouge zwischen 3 450 und 3 800 Meter Höhe. Die Ausbruchfläche umfaßtetwa 40 000 Quadratmeter,das Ausbruchsvolumen etwa zwei Millionen KubikmeterFels.

Die abstürzenden Felsmassen blieben zu einem kleinen Teil auf dem Gletscherpla-teau unterhalb der Brenvaflanke liegen.Größere Felsmassen stürzten über den Brenva-gletscher ab und lösten hier eine größere Eis-Schneelawine aus,die bis ins Tal vorstieß.Die Volumenberechnungen erfolgten photogrammetrisch durch Vergleich von Luft-bildern von 1991 und 1997.Da aber der Brenvagletscher in dieser Zeit viel von seiner Masse verlor (bis über 20 Meter Höhe im Zungenbereich) kann das Volumen derabgelagerten Fels -Eis -Massen nur grob abgeschätzt werden:Es beträgt mehr als siebenMillionen Kubikmeter.

Aufzeichnungen von seismischen Stationen dokumentieren,daß das Bergsturz-ereignis innerhalb von 150 Sekunden ablief. Die mobilisierten Schnee- und Eismassenbildeten eine immense Staublawine,deren Winddruck Wald auf der rechten Seite des Val Veni großflächig zerstörte.

Die Höhendifferenz zwischen Ausbruch und Ablagerung beträgt 2 450 Meter,dieTransportlänge 5,8 Kilometer.Daraus resultiert ein sehr kleines Pauschalgefälle (Winkelzwischen Ausbruch und Ablagerungsstirn) von nur 23 Grad.

Erwärmung als UrsacheNach dem Abbruch konnten in der Ausbruchnische Wasseraustritte beobachtet werden.Bergwasser spielte wahrscheinlich als auslösender Faktor eine entscheidende Rolle.Das Ausbruchgebiet liegt im Permafrostbereich,das heißt, Fels– und Schuttmassen sinddauernd gefroren und Wasser tritt vorwiegend in Form von Eis auf.

Die seit 1980 in den Alpen beobachtete starke Erwärmung führt zur Auflösung desPermafrostes.Das freigesetzte Wasser kann große Drücke aufbauen und schlußendlichderartige Bergstürze auslösen.

In der Brenvaflanke beobachteten Bergführer von Courmayeur bereits zwei Jahre vordem Ereignis zunehmenden Steinschlag.Es waren dies Zeichen des sich destabilisieren-den Gebirges und die Vorboten des Bergsturzes.Daß der Bergsturz diese Ausmaße an-nahm und derart schwerwiegende Folgen hatte, ist auf die zusätzliche Mobilisation vongroßen Eis- und Schneemassen zurückzuführen.Während „normale“ Bergstürze (Berg-sturz = Felsabbruch von mehr als 1 Mio.Kubikmeter) in den Alpen etwa alle 30 Jahre auftreten, sind derartig komplexe Sturzereignisse eher selten.Eine vergleichbare Fels-Eislawine ereignete sich beispielsweise 1901 beim Rossboden (Wallis, Schweiz).

Hans–Rudolf Keusen ist promovierter Geologe und Leiter der Beratungsfirma GEOTEST AGZollikofen. H.R. Keusen beschäftigt sich unter anderem mit Naturgefahren, insbesondereMassenbewegungen (zum Beispiel Bergstürze Randa, Sandalp). Für den Bergsturz vonCourmayeur ist er als Gerichtsexperte beigezogen worden.

Der Bergsturz in der Brenvaflanke vom 18. Januar 1997

Orthofoto der Ausbruchszone vom 10.2.1997

Ansicht der Brenvaflanke. In der Bildmitte die Ausbruchszone.CM = Col Moore (verdeckt)B = Biwakfelsen der Sentinelle Rouge1 = Farrar-Route zum Col Brenva2 = Mayor-Route3 = Sentinelle Rouge

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Sie kam zunächst – unabhängig von den ge-ologischen Ursachen dieses konkretenFalles – zu dem Schluß, daß es sich hier ansich um ein normales Ereignis handelt;es seialles normal, wenn man „die geologischeUhr der Alpen“ betrachte. Außerdem kon-statiert man, daß die derzeit herrschendenKlimabedingungen bzw. deren Fortdauerderartige Vorkommnisse begünstigen. Sohabe in den letzten Jahren beispielsweisedie „0-Grad-Isotherme“ ungewöhnlich häu-fig oberhalb von 3 500 bis 4 000 Meter ge-legen. Hinzu kommt, daß Niederschläge –temperaturabhängig – auch in der Höhehäufig als Regen und nicht als Schnee nie-dergehen. Und während der Schnee sicherst allmählich in Wasser verwandelt, fließtder Regen sofort ab, und löst vielfach Ge-röllbewegungen aus. Die Konsequenz: DasBergsteigen ist – vor allem im Sommer – ins-gesamt gefährlicher geworden (aus Eis-werden zum Beispiel vielfach Felscouloirs;das heißt, diese Aussagen gelten zunächsteinmal für die Westalpen).

Bergstürze hat es also schon immer ge-geben, in gewaltigem Umfang, in allenJahrhunderten. Man muß sich nur einmaldie Profile von bestimmten Bergen, ihrePlattenfluchten und Abbrüche anschauenund dabei auch auf die Geröllberge am je-weiligen Wandfuß achten.Alles,was da her-umliegt,kommt von oben.Dabei ist das,wasman da am Wandfuß herumliegen sieht, zu-mindest in den Westalpen nicht alles.Der ge-samte Schutt, der auf die Gletscher stürzteund von diesen talaus transportiert wird,gehört ebenfalls in diese Betrachtung. Sogab es im November 1920 am Grand Pilier

d’Angle einen dokumentierten riesigen Berg-sturz, der ein wesentlich größeres Ausmaßhatte „als die Sache am Brenvasporn“.Er hatsogar – am Rande – das Col Peuterey beein-flußt; dieses ist seitdem um ein paar Meterniedriger. Wenn man um die Sache weiß,kann man die Bruchstellen noch erkennen.Doch das ist (geologische) Geschichte, unddie aktiven Bergsteiger leben heute,und sieinteressieren sich mit Recht (und Notwen-digkeit) dafür, in welchem Zustand sichRouten und Anstiege aktuell befinden.

Mögliche UrsachenWer schon einmal auf dem Refuge Gonellaübernachtet – auf dem italienischen Normal-weg auf den Montblanc – und gegenüber (inder Westseite des Montblanc,aus der Gegendder Quintino-Sella-Hütte) während der gan-zen Nacht Steinschlag gehört hat, führt diesauf zu hohe Nachttemperaturen, fehlendesoder schmelzendes Eis zurück. Viele Berg-stürze führen schweizerische Geologen,dieder Sache mit der bekannten eidgenössischenSorgfalt nachgegangen sind, auf Wasseran-sammlungen in Hohlräumen zurück:eine ex-plosive Ursachenkombination von Gleitflüs-sigkeit und Frostsprengung.Nach dem Berg-sturz von Randa war der Talboden komplettzugeschüttet (inklusive der Zahnradbahn).Dereigentliche Ort Randa war direkt nur mit ei-nigen Viehstallungen im Talboden betroffen.Der Gegenhang von Randa (Mischabelseite)jedoch wirkte auf den ersten Eindruck, alsob Schnee läge: heller Gneis-Staub.Auf demParkplatz von Täsch waren alle Autos grau.

Ganz sicher eine Folge der langenheißen Sommer und niederschlagsarmen

Winter ist die übermäßige Gletscher-schmelze und die starke Ausaperung.Für dieZustiege im Montblanc-Massiv konnte man1998 von Fall zu Fall ruhig ein bis zweiStunden mehr einkalkulieren. Dabei schaff-te der in den ersten drei Septemberwochengefallene Schnee (ca. ein Meter) eine zu-sätzliche Gefahr. Er deckte eine Menge vonSpalten zu, ohne aber eine feste Decke zubilden. Ein nächtlicher Aufbruch von derHütte und der anschließende Anmarschüber den (zum Beispiel Geant-) Gletscherbot deshalb ungewohnte Tücken.

Im Moment scheint es empfehlenswert,bei einer Urlaubsplanung nicht die Verhält-nisse „von gestern“ zu erwarten, sonderndie eine oder andere Überraschung einzu-kalkulieren. Die gängigen Führer aus demBücherschrank sind dabei unzureichendeRatgeber. Wer längere Zeit nicht mehr imMontblanc-Gebiet unterwegs war,sollte sichvon kompetenter Seite in Chamonix oderCourmayeur (kostenlos) beraten lassen undgefährdete Zonen meiden, so lange er beidem verständlichen Wunsch,„etwas Anstän-diges zu machen“, noch genügend Urteils-kraft besitzt.

Ulrich Himmler, Jahrgang 1936, ist promovier-ter Managementberater beim größten deutschenSoftware-Anbieter und verfügt für einen Flachlän-der über profunde Kenntnisse des Montblanc-Gebiets (Peuterey-Grat, Diable-Grat etc.). Einschwerer Unfall am Peuterey-Grat hatte auch positive Folgen: Zahlreiche Freunde in Courmayeur,häufige, regelmäßige Besuche und demzufolge einständig aktuelles Bild der Situation am Montblanc.

Das Whymper-Couloir auf die Aiguille Verte galt in früheren Zeiten als klassische Eistour auf einen berühmten Viertausender.

Heute ist in der ausgeschmolzenen Schuttrinne der Steinschlaghelm wichtiger als der Eispickel.