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Unverkäufliche Leseprobe aus: Meredith Badger Plötzlich Dschinni Wünschen will gelernt sein Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt ins- besondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Ver- wendung in elektronischen Systemen. © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main

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Unverkäufliche Leseprobe aus:

Meredith BadgerPlötzlich DschinniWünschen will gelernt sein

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt ins-besondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Ver-wendung in elektronischen Systemen.© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main

Wahrscheinlich kennst du jemanden, der wieWWMona Miller ist. Na ja, zumindest so, wie sie frühereinmal war.

So wie diese Leute, die aus einer Gruppe sofort her-vorstechen, verstehst du? Nach denen sich jeder um-dreht und ihnen nachstarrt, wenn sie die Straße ent-langgehen, obwohl es eigentlich keinen besonderenGrund dafür gibt. Diese Typen, die in der Schuleimmer die richtige Antwort auf alle Fragen wissen,auch wenn es so aussieht, als würden sie nicht auf-passen. Diejenigen, die bei allen Wettkämpfenimmer Erste werden, auch wenn sie sich nicht wirk-lich anstrengen.

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* *

Tja, Mona Miller war kein bisschen wie die.Nicht, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmen

würde. Ganz im Gegenteil. Sie hatte ein hübschesGesicht und lange glatte Haare, die zu einem Pferde-schwanz gebunden waren, so wie bei vielen Mäd-chen in ihrem Alter.

Sie war nicht besonders groß, aber sie war auchnicht das kleinste Mädchen in ihrer Klasse. Sie warnicht die beste Schülern, aber auch nicht die schlech-teste. Sie war ganz brauchbar in Sport, aber eine Ur-kunde oder einen Pokal hatte sie noch nie gewonnen.

Verstehst du, worauf ich hinauswill? Mona Millerwar wie viele andere Mädchen in ihrem Alter. Nor-mal. Durchschnittlich. Gewöhnlich.

Aber dann, am Abend ihres elften Geburtstages,entdeckte Mona etwas, das ihr Leben für immer ver-änderte. Total, vollständig und restlos. Etwas so Un-glaubliches, dass nichts wieder sein würde wie frü-her. Es war ein …

Aber halt, eins nach dem anderen. Um zu verste-hen, wie erstaunlich dieses Ding war, müssen wirzurückgehen. Zurück an den Anfang der Party.

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Sonntag, 17. Oktober, 15.05 Uhr

Mona wusste genau in dem Augenblick, als sie dasWohnzimmer betrat, in dem ihr elfter Geburtstag ge-feiert wurde, dass sie völlig falschgelegen hatte. Eswürde überhaupt nicht entsetzlich, beschämend undschrecklich peinlich werden.

Oh nein.Es würde die absolut schrecklichste, absolut beschä-

mendste und absolut peinlichste Veranstaltung in derGeschichte von schrecklichen, beschämenden undpeinlichen Veranstaltungen werden. Und wenn duglaubst, dass Mona übertrieben hat, dann lass unsden Tatsachen ins Auge sehen.

Erstens hatte Monas Mam auf einem Geburtstags-motto bestanden: Marienkäfer. Das ganze Zimmer –besser gesagt, das ganze Haus – war mit gepunktetenroten Käfern dekoriert. Monas Dad bot Marienkäfer-Muffins an und hatte Marienkäferfühler auf seinemKopf. Es sah aus wie eine Party für eine Dreijährigeund nicht wie für jemanden, der gerade elf gewordenwar.

Zu allem Übel war in dem Raum obendrein nicht

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eine einzige Person, die Mona als ihre Freundin be-zeichnen würde.

Und dann hatte Mona auch noch eine Jeans an undihr leuchtend rotes Top, das zwar ganz nett war, abernicht unbedingt partytauglich. Doch als sie an sichhinunterschaute, brachte das das Fass zum Überlau-fen. Sie hatte noch immer ihre Hausschuhe an. IhreHasenohrenhausschuhe.

Okay, es wird höchste Zeit, dass ich verschwindeund mir ein Versteck suche, beschloss Mona. Aberbevor sie aus dem Wohnzimmer flüchten konnte,legte Monas Mam ihr die Hand fest auf die Schulter.

»Schaut mal alle her!«, rief sie gut gelaunt. »Hier istunser großes Geburtstagsmädchen!«

Jeder im Zimmer drehte sich um und starrte Monaan. Sie merkte sofort, wie sie vor Verlegenheit rot an-lief.

Großartig, dachte sie. Jetzt sehe ich aus wie eineTomate. Eine Tomate mit Hasenohrenhausschuhen.

Ihr müsst schon zugeben: Das war kein guter Startins neue Lebensjahr.

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Mona hatte sich alle Mühe gegeben, ihre Mutter um-zustimmen. Sie wollte keine Party.

»Elf ist so, so ein Nicht-Alter«, hatte Mona erklärt.Und sie meinte es genau so. Wenn man elf Jahre altwar, war man kein kleines Kind mehr, aber man warauch noch kein Teenager. Man steckte irgendwo da-zwischen. Jeder wusste, wie übel es war, elf zu sein.Wirklich jeder, außer Monas Mutter.

»Das ist kein Nicht-Alter«, rief sie entrüstet. »Es istgroßartig, elf Jahre alt zu sein, mein Schatz. Als deineSchwester elf geworden ist, haben wir eine wunder-volle Teddybär-Party gefeiert. Astrid findet nochimmer, dass es ihre absolut schönste Party war, diesie je hatte.«

Natürlich hat sie das gesagt, dachte Mona finster.Mona und ihre Schwester könnten unterschiedli-

cher nicht sein, selbst wenn Mona es darauf angelegthätte. Eigentlich unterschied sie sich von ihrer gan-zen Familie. Zum einen sah Mona vollkommen an-ders aus. Ihre Eltern und ihre Schwester waren alle

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blond und athletisch. Mona war dunkelhaarig und –na ja, seien wir ehrlich – sie war eher etwas klein ge-raten und dünn.

Aber die Unterschiede bestanden nicht nur im Aus-sehen. Ein perfekter Tag für Monas Eltern und ihreSchwester war ein Tag, an dem man zusammenwanderte oder eine 30 Kilometer lange Fahrradtourmachte, oder zuerst wanderte und dann Fahrrad fuhr.Mona verbrachte ihren perfekten Tag viel lieber ineinem ihrer Lieblingsverstecke, wo sie lesen oderMusik hören konnte oder einfach nur in den Tag hi-neinträumte.

Der Kaminsims im Wohnzimmer der Millers warübersät mit Pokalen und Urkunden, und die kamennicht nur von Sportveranstaltungen. Astrid hattePreise in Mathematik und bei Rechtschreibwettbe-werben gewonnen. Monas Mam hatte einen Pokal ineiner Quiz-Show bekommen. Und Monas Dad hattesogar einen Pokal dafür gewonnen, dass er eine ganzneue Art von Pokal erfunden hatte.

Besucher, die zu Millers nach Hause kamen, riefenimmer dasselbe: »Was seid ihr doch für eine außer-gewöhnliche Familie!«

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Aber keiner der Preise gehörte Mona. Es gab näm-lich nur zwei Sachen, die sie gut konnte. Zum einenkonnte sie ihre Nase mit der Zunge berühren. Undzum anderen konnte sie sich in winzige Versteckezwängen. Das machte sie schon, seit sie ein Babywar. Das Familienalbum war voller Fotos von unter-schiedlichen Schachteln und Schränken, in die sichMona im Laufe der Jahre hineingezwängt hatte.Aber natürlich verlieh niemand Preise für so eine ArtBegabung.

Bestimmt bin ich adoptiert, sagte sich Mona unge-fähr hundert Mal am Tag. Nur so lässt sich erklären,warum ich so anders bin!

Wenn Monas Mam wirklich ihre Mam war, hättesie schließlich ahnen müssen, warum Mona diesesJahr keine Party haben wollte. Der andere wichtigeGrund war nämlich, dass es niemanden gab, den sieeinladen wollte. Absolut niemanden.

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»Geh ruhig und unterhalte dich mit Claudette unddeinen anderen kleinen Freunden. Ich hole so langeden Kuchen«, sagte Monas Mam und schob sie zuder Gruppe grinsender Mädchen.

Mona stöhnte leise. Sie und Claudette waren in derGrundschule richtig gute Freundinnen gewesen.Aber seitdem sie auf der weiterführenden Schulewaren, sah es so aus, als hätten sie keine Gemein-samkeiten mehr. Claudette redete in letzter Zeit nurnoch über Mode und die Schülerzeitung, die siemachte. School Style hieß sie. Sie und ihre neuenFreundinnen hatten alle das Gleiche an und natürlichhatten sie auch die gleichen Frisuren. Am schlimms-ten aber war, dass sie Mona ständig bedrängten, weilsie sie umstylen wollten.

Mona nannte sie heimlich den »Kleider-Klub«. Undwenn sie die Wahl gehabt hätte, ob sie lieber in einenKäfig mit hungrigen Löwen geschmissen werdenoder mit den Kleider-Klub-Mädchen reden wollte,hätte Mona gesagt: »Her mit dem Käfig.«

Aber Mona hatte nicht die Wahl, also lief sie wi-derstrebend zu ihnen hinüber. Die Kleider-Klub-Mädchen hatten alle neonpink-schwarz gestreifte

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Kleider zu schwarzen Leggings an. Und sie hattenihre Haare mit einer passenden Glitzerhaarspangezurückgesteckt.

»Hallo, Leute«, sagte Mona und strengte sich wirk-lich an zu lächeln. »Schön, dass ihr hier seid. Hat je-mand Lust auf Knuspermarienkäfer? Oder vielleichtauf getupften Wackelpudding?«

Claudette schien sie gar nicht zu hören. Sie war vollund ganz damit beschäftigt, Monas Kleider anzu-schauen.

»Was um Himmels willen hast du denn da an,Mona?!«, sagte sie und klang ziemlich entsetzt.

Die Mädchen kicherten.»Du könntest so hübsch sein, wenn du nur woll-

test«, sagte Claudette. »Vielleicht sogar hübschgenug für School Style – aber dann kommst du undhast so etwas an.« Sie zeigte auf Monas Füße.

Ach ja. Ihre Hasenohrenhausschuhe.Na gut, Mona hatte also doch eine Wahl. Sie konnte

sich zusammenrollen und vor Scham sterben. Odersie konnte so tun, als ob sie die Hausschuhe absicht-lich angezogen hatte.

Also lächelte Mona stolz und streckte ihren Fuß

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aus. »Sind sie nicht göttlich?«, fragte sie. »Übrigens,die sind aus Paris.«

»Schon klar!« Claudette schnaubte. »Also, wiesieht’s aus, darf ich dich umstylen? Es wäre Teil mei-nes Geburtstagsgeschenks.«

»Ähh«, sagte Mona und wich zurück. »Also, ich –ahh …« Sie war mitten in jemanden reingelaufen.Ihre große Schwester Astrid. In letzter Zeit behaup-tete sie hartnäckig, dass Mona ein ganz besonderesTalent für irgendetwas haben müsste – es lag geradezuauf der Hand, in einer Familie, in der alle so außer-gewöhnlich waren.

»Alles Gute zum Geburtstag, Schwesterchen!«,sagte Astrid und lächelte. »Und jetzt, wo du endlichelf bist, werden wir bestimmt herausfinden, was andir so richtig außergewöhnlich ist.«

Mona seufzte. Nicht schon wieder, dachte sie.Meistens ignorierte Mona es einfach, wenn Astrid

so redete. Aber manchmal nervte es sie richtig. Undgerade jetzt war manchmal.

»Zum Mitschreiben, Astrid«, sagte Mona so ruhigsie konnte. »Ich bin nun mal so gewöhnlich. Ich binein normales, durchschnittliches Mädchen. Ich zau-

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bere weder irgendwelche unglaublichen Talentenoch sonst irgendeine Überraschung aus meinemÄrmel hervor. Verstanden?«

»Ts, ts, ts. Erzähl mir nichts«, sagte Astrid und tät-schelte Monas Schulter. »Bestimmt gibt es irgend-ddetwas, das du gut kannst.«

Dann wurden die Lampen gedimmt. Monas Mamtrat ein und trug einen riesigen rot-schwarzen Ku-chen. Dreimal dürft ihr raten, wie er aussah.

»Puste die Kerzen aus und wünsch dir was!«, sagteMonas Mam, nachdem alle »Happy Birthday« ge-sungen hatten.

Mona schaute auf den Kuchen. Das war er. Der Au-genblick, den sie die ganze Zeit gefürchtet hatte. DerMoment, in dem sie kein Kind mehr sein durfte.

Was soll ich mir wünschen?, fragte sich Mona. Esgab so viele Dinge, die sie am liebsten sofort ändernwürde. Zu viele Dinge, die man unmöglich in einemeinzigen kleinen Wunsch zusammenfassen konnte.Also wünschte Mona sich das Beste, das ihr einfiel:Ich wünschte, ALLES wäre anders.

Mona glaubte nicht wirklich an Wünsche. Trotz-dem, nachdem sie fertiggewünscht hatte, sah sie sich

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erwartungsvoll um. Nichts hatte sich geändert. Nichtdie kleinste Kleinigkeit.

Und es wird sich auch niemals etwas ändern,dachte Mona niedergeschlagen.

Als die Party endlich vorbei war, flüchtete Monadankbar in ihr Zimmer. Der Rest der Familie blieb inder Küche. Sie veranstalteten einen Aufräumwettbe-werb, aber Mona brauchte als Geburtstagskind nichtmithelfen. Sie lehnte sich an ihre Schlafzimmertürund war erleichtert, dass der Tag vorbei war.

Das war der Zeitpunkt, an dem sie es bemerkte.Das Ding, das ihr Leben für immer verändern würde.

Auf ihrem Nachttisch thronte eine merkwürdigeFlasche. Sie schimmerte tiefgrün und erinnerte aneine antike bauchige Kanne.

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