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UNTERNEHMEN PRIVATE BANKING 118 manager magazin 3 / 2013

UPRNITVEARTNEEBHAMNEKNING...G U L L I V E R T H E I S F Ü R M A N A G E R M A G A Z I N DER ZAHLENVERSTEHER DIE FAMILIENTRADITION von André Le Prince ist trotz der französisch-indischen

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UNTERNEHMENPRIVATE BANKING

118 manager magazin 3 / 2013

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INVESTORENUMFRAGE Noch nie waren dieDeutschen in Gelddingen so verunsichert.Was Eltern und Großeltern Renditebrachte, funktioniert heute nicht mehr.

ERBANLAGEN

Günter Wolf spürt die Kälte, als ihn die Stimme seines Vaters weckt. Die Wände des Zimmers, das er sich mitseinem Bruder teilt, bieten so wenig Schutz vor den eisi-gen Temperaturen, dass die Tinte, die in dem kleinenFässchen auf dem Tisch neben dem Fenster steht, oft

über Nacht gefriert. Der Ton ist barsch und duldet keinen Wider-spruch: „Aufstehen, es wird gleich wieder dunkel.“

Es ist sechs Uhr früh an einem Januarmorgen des Jahres 1955 ineinem kleinen Dorf im Hintertaunus. Jeden Samstag wirft HeinrichWolf seine beiden Söhne um diese Zeit aus dem Bett. Gerade nochZeit für ein schnelles Frühstück. Anschließend geht es an die Arbeit.Den Rest des Tages helfen Günter und sein Bruder ihrem Vaterbeim Ausbessern und Renovieren des Hauses der Familie. So gehtdas schon seit zwei Jahren, seit der gelernte Zimmermann das bau -fällige Fachwerkgebäude für 500 Mark gekauft hat. Wenn sie ihrWerkzeug am Abend aus der Hand legen, ist es meistens tatsächlich bereits wieder dunkel.

Heute ist Günter Wolf 72 Jahre alt und sitzt in einem schwarzenLedersessel im Büro seines Sohnes Ottmar. Der 36-Jährige ist Part-ner des Frankfurter Vermögensverwalters Wallrich Asset Manage-ment. Von seinem Büro kann er die verschneite Treppe des „Café FO

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DAS FAMILY OFFICEGROSSVATER, SOHN, ENKEL – die Basis für das Familienvermögenschuf Heinrich Wolf (Bild auf dem Sideboard) mit dem Kauf einesbaufälligen Fachwerkhauses. Sohn Günter baute es mit Immobilien, Aktien und Lebensversicherungen aus. Enkel Ottmar verdient mitder Passion seiner alten Herren sein Geld als Vermögensverwalter.

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Laumer“ an der Bockenheimer Land-straße im Westend beobachten, auf dergerade eine ältere Dame im Pelzmantelsteht. Dort, wo schon der Philosoph!eodor Adorno seine Rieslingschorlezum Frühstück trank, macht auch Ott-mar gelegentlich Pause. Auch wenn derfrisch gepresste Orangensaft fünf Eurokostet. Also umgerechnet ein Fünfzigsteldessen, was das Haus der Wolfs vor 60Jahren insgesamt gekostet hat.

Die Schufterei seines Vaters an denendlos langen Samstagen hat sich jeden-

falls gelohnt. „1965 haben wir das Hausfür 100 000 Mark verkauft“, erinnert sichWolf senior. „Kaufpreis mal 200 in etwasmehr als zehn Jahren“, rechnet sein Sohnmit einem breiten Grinsen nach. Denner weiß genau, dass Renovierung undVerkauf des Eigenheims der Großelternauch die Basis für die eigene komfortable"nanzielle Ausstattung legten.

So wie den Wolfs ging es vielen imNachkriegsdeutschland: Sie bauten Häu-ser oder setzten sie wieder instand undsahen dabei zu, wie die Preise stiegen.

PRIVATE BANKING INVESTORENUMFRAGE

Das Wirtschaftswunder der Nachkriegs-zeit war auch ein Immobilienboom.

Seither hat sich das Eigenheim alsGrundlage des eigenen Vermögens un-löschbar in das kollektive Anlegerge-dächtnis der Deutschen eingebrannt.Es ist noch immer mit weitem Abstanddas beliebteste Investment der Republik.79 Prozent der Bundesbürger "nden eineigenes Haus oder eine eigene Wohnungals Geldanlage attraktiv – nur 9 Prozentsind ausdrücklich anderer Meinung(siehe Gra"k Seite 122).

Dies zeigt eine einzigartige Investoren-umfrage des MarktforschungsinstitutsGfK Verein, deren Resultate managermagazin exklusiv präsentiert. 2000 Deut-sche und je 1000 Anleger in acht weitereneuropäischen Ländern und den USAwurden für die Studie nach ihrem An -lageverhalten, ihrer Vermögenslage undihren Erwartungen gefragt.

EINE REPUBLIK IN SCHOCKSTARREDie größte Investorenumfrage ihrer Arto#enbart auch die Hauptmotive derdeutschen Anleger: Sie sind getriebenvon In$ations- und Verlustängsten unddem Wunsch, Steuern zu sparen. Die Folgen zeigen die Daten der GfK-Studie:Die Deutschen sind vermögenstech-nisch einseitig aufgestellt. Der Anteil derAktien- und Fondsbesitzer stellt eineverschwindend kleine Minderheit dar.Knapp 80 Prozent des Geld vermögensliegt in Sparbüchern und Lebensversi-cherungen oder ist auf Fest- und Termin-geldkonten angelegt. Eigenheim, be-triebliche Altersvorsorge und Gold ran-gieren in der Beliebtheitsskala ganz weitoben. Alles Sparformen, die entwederSchutz vor Verlusten suggerieren oderSteuervorteile bei Erträgen und Wertzu-wächsen versprechen.

Gleichzeitig zeigt die GfK-Studie eintiefes Misstrauen gegen Finanzinstitu-tionen. Zwei Drittel der Deutschen glau-ben nicht daran, dass es der Europäi-schen Zentralbank gelingt, die Preise sta-bil zu halten. Und mehr als die Hälfte derBefragten traut in Sachen Altersvorsorgeüberhaupt niemandem mehr – wederder Bundesregierung samt staatlicherRentenbürokratie noch Banken und Ver-sicherern (siehe Gra"k Seite 123).

Die Konsequenz: Nur 5 Prozent derBundesbürger glauben, dass sie 2013mehr sparen werden. Aber fast ein Drittelwird vermutlich weniger auf die Seite le-

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BETON BEVORZUGT Wie sich deutsche Anleger im inter-nationalen Vergleich verhalten

MEHR

KEINE VERÄNDERUNG

WENIGER

45

33

80

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43

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58**58

65

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3418 14

6 232

4130 73

50 45 64

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33

33

In welche Anlageformen haben Sie investiert? Angaben in Prozent der Befragten*

Glauben Sie, dass Sie künftig mehr oder weniger sparen werden als in den vergangenen zwölf Monaten? Angaben in Prozent der Befragten

*Mehrfachnennungen möglich; **Fondsgebundene Lebensversicherung. Quelle: GfK Verein Gra!k: manager magazin

Groß-britannien Frankreich Deutschland Italien

Deutschland Frankreich ItalienGroß-britannien USA

AKTIEN

KAPITAL-LEBENSVERS.

SPARBUCHEIGENHEIM

USA

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gen – obwohl sich das Kapital wegen derniedrigen Zinsen kaum vermehrt und dieBürger daher eher mehr sparen müssten,um im Alter genug zu haben.

Dass ihre Finanzen sich in die falscheRichtung entwickeln, diesen Verdachthaben die Deutschen durchaus. Auchdies belegen die Daten der GfK-Studie.Der Großteil der einstmals bevorzugtenAnlageformen wird heute als unattraktivwahrgenommen.

Nur Konsequenzen daraus haben dieBundesbürger noch keine gezogen. Das

Geld steckt nach wie vor in den kritischbeäugten Papieren und Sparverträgen.„Man kann sagen, dass sich die Deut-schen derzeit in einer Art Schockstarrebe"nden“, sagt Joachim Goldberg, dermit seinem Unternehmen Cognitrendschon seit vielen Jahren die Psyche derAnleger erforscht. „Sie wissen, dass einGroßteil der einst bewährten Spar- undAnlageformen nicht mehr richtig funk-tioniert. Weil sie aber keine Ahnung haben, wohin sie mit ihrem Geld sollen,warten sie einfach ab.“

Es sind die Wünsche und Ängste derEltern und Großeltern, die das Vermögender Kinder und Enkel beherrschen. „Vieleentscheiden in Geldangelegenheiten völ-lig intuitiv“, analysiert der Kapitalmarkt-professor Andreas Hackethal von derGoethe-Universität Frankfurt. „Dadurchverzichten sie auf Rendite, gehen unnö-tig hohe Risiken ein und sind schlecht aufFinanzkrisen vorbereitet.“ Die Gefühls-welt des deutschen Anlegers ist noch immer von Ereignissen geprägt, dienun bald einhundert Jahre zurückliegen:

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DER ZAHLENVERSTEHERDIE FAMILIENTRADITION von André Le Prince ist trotz derfranzösisch-indischen Wurzeln seines Vaters (im Hinter -grund mit dem kleinen André) sehr deutsch. Die Elternkauften sich ein Haus und !nanzierten ihr Feriendomizilmit den Erträgen aus mehreren Lebensversicherungen.

DER EIGENE ANLAGESTIL ist deutlich wagemutiger. Der Wirtschaftsprüfer kauft global investierende Fonds undwartet auf günstige Gelegenheiten. Eingestiegen ister etwa nach dem Beginn der US-Invasion im Irak EndeMärz 2003 und nach der Lehman-Pleite Ende 2008.

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nur Schreckensmärchen längst vergange-ner Tage. „Ich habe diese Dinge oft gehörtund fürchte, dass uns Ähnliches wiederbevorsteht“, sagt er. „Denn wir sind heutealle hoch verschuldet, und statt Schuldenabzubauen, machen wir ständig neue.Das ist, als ob ich versuchen würde,Feuer mit Benzin zu löschen.“

Der pensionierte Steuerberater ist aufseine alten Tage zum Schwarzseher ge-worden. Er weiß, dass er heute nichtmehr weit käme, wenn er versuchenwürde, sich auf die gleiche Weise ein Ver-mögen zusammenzusparen, wie er dasin den 60er und 70er Jahren getan hat.Damals setzte er auf die Sparklassikerder Bundesbürger wie die Lebensversi-cherung und den Bausparvertrag. Dieaber werfen heute so wenig ab, dass siezum langfristigen Vermögensaufbaukaum noch etwas taugen.

Zehn Bausparverträge hatte er unter-schrieben und angespart, bevor er sichMitte der 60er Jahre sein erstes Eigen-heim baute. Haus Nummer zwei, das Anfang der 80er Jahre folgte, zahlte ermit einer Lebensversicherungspolice ab.„Die warf damals zwischen 5 und 6 Pro-zent Rendite ab. Die Erträge waren steu-erfrei, und die Prämien konnte man beider Steuererklärung geltend machen“, erinnert er sich.

Einen erklecklichen Anteil seiner heu-tigen Altersbezüge sparte er in dieserZeit per Policen an – wie die meisten anderen Deutschen auch. Noch heutebesitzen die rund 82 Millionen Bundes-bürger etwa 90 Millionen Lebensversi-cherungsverträge.

Doch als Basis für den Aufbau künfti-ger Vermögen geben die Policen nichtmehr viel her. Die Steuervorteile sind ge-strichen, und statt 4 Prozent garantierendie Konzerne neuen Kunden nur noch1,75 Prozent. Auf sehr viel höhere Rendi-ten können die Anleger in den kommen-den Jahren kaum ho#en, weil mehr als 80Prozent der Kundengelder in wenig at-traktiven Zinspapieren stecken.

Ottmar Wolf hat seine Police deshalbvor ein paar Monaten gekündigt. „Ichglaube nicht mehr an das Modell Lebens-versicherung“, sagt er. „Bei den Niedrig-zinsen, die wir derzeit haben, kann ichnicht sehen, wie das langfristig funktio-nieren soll.“

Das frei gewordene Geld steckte er inWertpapiere, hauptsächlich Aktien. Wieer es sich von seinem Vater abgeschaut

Krieg, Weltwirtschaftskrise und In$a-tion. Oft hat der VermögensverwalterOttmar Wolf die Geschichte vom Ur-großvater gehört, der bei den Farbwer-ken Höchst arbeitete „und so wenig Geldin der Lohntüte nach Hause brachte,dass er aus Scham die 30 Mark hinterdie Stubentüre legte, anstatt sie seinerFrau in die Hand zu geben“.

Das war 1920. Drei Jahre später warder Mann dann Milliardär. Viel kaufenkonnte er sich allerdings nicht davon –selbst der Versuch, sich einen neuenOfen anzuscha#en, scheiterte kläglich.Als es Ottmars Urgroßvater im Mai 1923gelungen war, eine Kuh zu verkaufen,

die er zuvor einem Verwandten auf demDorf abgeschwatzt hatte, scha#te er esvom Taunusörtchen Brombach nichtrechtzeitig bis ins sieben Kilometer ent-fernte Usingen. Als er dort ankam, warder Preis des Herds bereits so stark ge-stiegen, „dass er für den Verkaufserlösder Kuh nur noch den Aschekasten hättekaufen können“, erzählt Ottmar Wolf.

Noch als Schüler bekam Günter Wolfdie Eine-Milliarde-Reichsmarkscheinezu sehen, wenn der Alte sie mit den Wor-ten „Seht her, ich bin ein reicher Mann“aus der Kommodenschublade holte.

Für den 72-jährigen Günter Wolf sindsolche Erzählungen deshalb keineswegs

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70 Eigentums-wohnung

19 Betriebsrente15 Bausparvertrag

8 Gold

0Private Rentenvers.

-6 Tagesgeld-10 Kapital-

lebensvers.

-37 Anleihen-38 Sparbuch-42 Fondslebensvers.-44 Fonds

-55 Aktien

AKTIEN VERBOTEN Welche Anlageformen die Deutschen favorisieren und wo sie tatsächlich investieren

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Aktie

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Welche Anlageform halten Sie für attraktiv?*

Wo haben Sie Ihr Geld tatsächlich angelegt? Aufgeteilt nach …

*Angabe „Attraktiv“ abzüglich der Angabe „Unattraktiv“ in Prozent der Befragten; **Angaben in Prozent. Quelle: GfK Verein Gra!k: manager magazin

UNATTRAKTIV

NEUTRAL

ATTRAKTIV… Altersgruppe** … liquidem Vermögen**

38,6

2,1

14,0

27,8

39,2 35,9 38,4

66,9

56,9

10,7

35,4

55,5

bis 29Jahre

bis 2500Euro

2501 bis 10 000Euro

über 10 000Euro

30 bis 49Jahre

50 bis 65Jahre

40,6

1,9

14,5 13,5

40,1

10,0

32,9

42,3

32,1

55,3

21,3

38,5

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hatte. Wolf senior kaufte sich schon 1957,als er noch Lehrling bei einer Wirt-schaftsprüfungsgesellschaft war, dreiConcentra-Anteilscheine. Es war einerder ersten Aktienfonds, die nach demKrieg auf dem Markt waren. Die Kursegab es per Telefonansage, die Gewinnewurden in Pfennigbeträgen abgerechnet.

Richtig gepackt hat ihn die Börse aller-dings erst knapp vier Jahre später. Es warAnfang der 60er Jahre – die große Zeitder Volksaktien, als Staatskonzerne wieVeba, Preussag oder Volkswagen privati-siert wurden. Erstmals brach so etwaswie Aktien"eber aus. Als VW an dieBörse ging, setzte wie dreieinhalb Jahr-zehnte später bei der T-Aktie ein regel-rechter Run ein. Zusätzlich angeheiztvon Sozialrabatten, durch die der Emissi-onspreis für Kinderreiche und Gering-verdiener von 350 auf 262,50 Mark sank.

Günter Wolf, der damals als 19-Jähri-ger 100 Mark im Monat verdiente, mobi-lisierte Freunde und Bekannte, die fürihn VW-Papiere zeichnen sollten. „An-sonsten hätte ich viel weniger bekom-men“, erinnert er sich an den damaligenAnsturm. Am Ende wurden die Papiereverlost, der SPIEGEL schrieb von der„Bonner Glückslotterie“.

Am 7. April 1961 zogen dann tatsäch-lich viele das große Los. Die Aktie star-tete mit 750 Mark und legte bis zumSommer auf über 1000 Mark zu. „Als ich21 war, habe ich mir von dem Gewinn einen VW Käfer gekauft“, erinnert sichGünter Wolf.

Der Erfolg an der Börse hatte nicht nurdas erste eigene Auto zur Folge, sonderneine ziemlich zweifelhafte Lektion. GuteAktien waren für Günter Wolf fortannicht Papiere mit stetigen Kursverläufenund stabilen Dividenden, sondern Titel,die sich innerhalb weniger Monate ver-doppeln oder verdreifachen. „Ich wolltewissen, wie ich aus Aktien noch mehrmachen kann“, sagt er.

Mit seiner Vorliebe für Kapitalmärkteund Unternehmensanteile hebt sichGünter Wolf deutlich von der Masse ab.Anders als Amerikanern oder Briten fehltden Bundesbürgern die Begeisterung fürDividendentitel. Den Daten der GfK-Stu-die zufolge haben sogar die Niederlandeund Schweden mit 15 und 39 Prozent ei-nen höheren Anteil von Aktionären.

Wolf senior begann also in Börsenbrie-fen nach Geheimtipps zu fahnden undJahre später auch mit Optionsscheinen

zu zocken. Ottmar kann sich noch gutan die eng bedruckten Aktienblättchenerinnern, die zu Hause den Briefkasten verstopften.

Für seinen Vater galt damals: Schwarzoder Rot – entweder vervielfacht sich derEinsatz innerhalb kürzester Zeit um denFaktor vier bis acht, oder das Geld isteben weg. Ottmar, der in den 90er Jahrenzunächst für die SGZ- und dann für dieBHF-Bank arbeitete, redete seinem altenHerrn die hochriskanten Kurswettenwieder aus, bevor die Krisen der Jahrtau-sendwende die Vermögensverhältnisseder Familie ernsthaft beschädigen konn-ten. Seither beschränkt sich der Seniorwieder auf Aktien.

DIE TEUREN FEHLER DER DEUTSCHENFür die meisten Privatanleger ist es diegefährlichste Phase ihrer Börsenkar-riere – eine Art Schwebezustand vongrenzenloser Risikobereitschaft und ei-ner gehörigen Portion Selbstüberschät-zung. „Viele wagen zunächst nur kleineEinsätze. Nach zwei, drei oder vier Erfol-gen haben sie dann das Gefühl, ihre Ak-tieninvestments unter Kontrolle zu ha-ben“, sagt Börsenpsychologe Goldberg.„Sie fangen an, potenzielle Gefahren zuignorieren und die eigenen Fähigkeitenviel zu hoch einzuschätzen.“

Das gängigste Symptom: Der Versuch,mit nur einer Handvoll Titel besser abzu-schneiden als der Dax. „Wenn deutscheAnleger überhaupt Aktien haben, dannim Durchschnitt sechs oder sieben ein-zelne Titel“, analysiert Goldberg, derseine Erkenntnisse in seinem Mitte Feb-

ruar erschienenen Buch „Genial einfachentscheiden“ zusammengefasst hat.

Tatsächlich aber steigt mit der Fokus-sierung auf wenige Unternehmen dasVerlustrisiko überproportional an. DieWahrscheinlichkeit, sich in eine Pro-blem"rma einzukaufen, deren Verlustenicht durch die Gewinne anderer Titelwettgemacht werden können, ist hoch.„Erst ab etwa 30 internationalen Aktienist ein Portfolio ausreichend breit ge-streut“, sagt Finanzprofessor Hackethal.„Depots mit nur zwei oder drei nationa-len Werten haben dagegen im Schnitt eindoppelt so hohes Verlustrisiko bei glei-cher Renditechance.“

Hackethal hat über Jahre das VerhaltenTausender deutscher Anleger verfolgt,darunter sowohl Kunden von Online-Brokern als auch von Filialbanken. „Insgesamt schneidet der typische An -leger auch vor Kosten im Durchschnitt5 Prozent schlechter ab als der gesamteAktienmarkt“, sagt der Frankfurter Öko-nom. Nicht zuletzt, weil die viel zu häu"gplatzierten Kauf- oder Verkaufs ordersunverhältnismäßig hohe Kosten verur-sachen.

Dass die Deutschen viel zu wenig aufdie Kosten ihrer Anlageentscheidungenachten, belegen die GfK-Daten indirektnoch auf eine andere Weise. Mit Lebens-versicherungspolicen und Bausparver-trägen präferieren viele Anleger Finanz-produkte, bei denen üblicherweise hoheVerwaltungs- und Vertriebskosten zuBuche schlagen.

Den richtigen Zeitpunkt erwischen dieAnleger dagegen weit weniger oft, als sie

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Fondsgesellschaften 4

Staatliche Rentenversicherung 24

Versicherungen 19

VERTRAUEN VERLOREN Welchen der folgenden Institutionen trauen Sie, wenn es um Ihre persönliche Altersvorsorge geht? Angaben in Prozent der Befragten*

*Mehrfachnennungen möglich. Quelle: GfK Verein Gra!k: manager magazin

3Großunternehmen

14Banken

55Keiner

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schen besitzen überhaupt Aktien, zeigtdie GfK-Umfrage. Lediglich die Älterenund die Gutverdiener trauen sich hierzu-lande auf den Aktienmarkt. In der Alters-gruppe zwischen 50 und 65 Jahren istmehr als jeder fünfte Aktionär. Bei denDeutschen mit einem fünfstelligen liqui-den Vermögen besitzt sogar jeder DritteAktien (siehe Gra"k Seite 122, rechts).

So gesehen, passt der 72-jährige wohl-habende Pensionär Günter Wolf danndoch ins Durchschnittspro"l des deut-schen Aktionärs. Aus dem Rahmen fällter, weil er sich gegen die Verlustängsteder meisten Deutschen immunisiert hat.

„Die Verluste nach dem Jahr 2000 wa-ren nicht erfreulich. Aber das hat michpsychisch nicht stark belastet, weil ichja nicht nur Aktien hatte“, sagt er. Derehemalige Steuerberater sieht sein Ver -mögen als Gesamtkunstwerk aus Aktien, Lebensversicherungen und Immobilien.

ERFOLGSFAKTOR PRIMÄRTUGENDGenau das ist es, was viele andere versäu-men, sagt Wirtschaftsprofessor Hacke-thal: „Die meisten Anleger betrachtenSparverträge und auch Wertpapiere se-parat. Verluste machen sich deshalbauch bei jeder dieser Einzelpositionenschmerzhaft bemerkbar. Würden sie da-gegen den Blick auf ihr Gesamtvermögenrichten, müsste ihnen eigentlich klarsein, dass bei einem vergleichsweise klei-nen Aktienanteil die anteiligen Verlusteweniger spürbar sind und das Risiko da-mit durchaus tragbar ist.“

Sohn Ottmar hält sich in Geldangele-genheiten eisern an die Familientradi-tion. „Mindestens 20 Prozent sollten inAktien liegen, die Kursschwankungenkann bei einem solchen Depotanteil je-der vertragen“, "ndet er. Denn selbstwenn die Kurse nochmals wie 2000 oder2008 um 50 Prozent einbrechen sollten,bedeutet das für das Gesamtvermögenlediglich einen Rückgang von 10 Prozent.

Nur in puncto Immobilien schlägt eraus der Art. Zusammen mit seiner Frauund den beiden Kindern wohnt er zurMiete, und das soll auch so bleiben.Ihm erscheint der Markt leergekauft, diePreise sind ihm zu hoch. Der Vater siehtes gelassen, solange sich der Sohn an eineandere Grundregel hält: „Die wichtigsteInvestition ist die eigene Bildung. Dannkommt die Familie. Danach kann manschauen, was man macht mit dem üb -rigen Geld.“ Mark Böschen/Dietmar Palan

FRAUENQUOTE WeiblicheAnleger stehen mehr auf Zinsen als auf Dividenden

—ABGESICHERT Nichts zuverlieren und das gesparte Geld schnellund problemlos zur Verfügung zu haben,darauf legen Frauen den Daten derGfK-Studie zufolge größeren Wert alsMänner. Auf diese Vorlieben deuten imWesent lichen zwei Indikatoren hin:Erstens haben über 46 Prozent der weib-lichen Anleger Teile ihres Vermögens aufSparbüchern deponiert, während diesnur 40 Prozent der Männer tun. Auchunter den Anhängern von Festgeldkontenund Sparplänen liegt der Frauen- überdem Männeranteil. Zweitens geben über21 Prozent der weiblichen Befragten an,dass sie Teile ihres Geldes entwederzu Hause oder in einem Bankschließfachaufheben. Bei den Männern sind diesnur rund 17 Prozent.

—ABGESCHRECKT WeiblicheAnleger trauen offensichtlich dem wenigberechenbaren Auf und Ab an denAktien märkten nicht. Nur rund 8,6Prozent der befrag ten Frauen geben an,direkt in Dividendentiteln investiert zusein. Bei den Männern sind es immerhinknapp 14 Prozent. Noch deutlicher wirddie Dif ferenz, wenn es um die Anlage inAktienfonds geht. Während immerhin 19Prozent der befragten Männer sich zumBesitz von Investmentfonds beken nen,sind es nur 12,8 Prozent der Frauen.

es sich selbst zutrauen. „Häu"ges Kaufenund Verkaufen verscha#t Anlegern nurdie Illusion, dass sie die Situation unterKontrolle haben“, sagt Goldberg.

Weniger ist in diesem Fall mehr. „Ver-nünftig wäre es, einen Indexfonds zukaufen, der ein globales Börsenbarome-ter wie den MSCI World abbildet, das Papier zu halten und kleinere Krisen zuignorieren, bis das Geld für Anscha#un-gen oder die Aufbesserung der Rente ge-braucht wird“, emp"ehlt die HamburgerVermögensplanerin Ellen Ehrich.

Doch dafür fehlt es an Disziplin undDurchhaltevermögen. Wie sehr beidesauf die Probe gestellt werden kann, be-kam Günter Wolf kurz nach der Jahrtau-sendwende zu spüren. Bis dahin hatte eralle Einbrüche tatsächlich einfach ausge-sessen, den Crash von 1987, die Russ-land- und Asienkrise Ende der 90er Jahre.

„Ich habe nie die Nerven verloren“, erinnert er sich. „Obwohl es manchmalbesser gewesen wäre, die schlimmstenVerlustbringer gleich zu verkaufen.“ War -um er zwischen Herbst 2000 und Früh-jahr 2003 wider besseres Wissen auch anseinen schlimmsten Flops festhielt?

„Es gibt eine Hemmschwelle, sichselbst einen Verlust einzugestehen. Manmuss sich sagen: Ich habe etwas falschgemacht. Das ist manchmal ziemlichschwer“, sagt Wolf und beschreibt damiteinen klassischen Anlegerfehler. So wieer nach der Jahrtausendwende verkaufendie meisten bei Verlusten viel zu spät.In der Ho#nung, ihr Minus wieder wett -zumachen, vergrößern sie ihre Verluste,anstatt sie zu begrenzen.

Viele Deutsche sind noch immer vonden Folgen der implodierenden Internet-blase des Jahres 2000 und der Pleite derUS-Investmentbank Lehman Brothersverschreckt. „Der Großteil will so etwasnie wieder erleben und hat sich deshalbkomplett von Aktien verabschiedet“, sagtKapitalmarktforscher Goldberg.

Dabei hätte sich in diesen Jahren derMut zum Risiko gelohnt, wie das Beispieldes gelernten Wirtschaftsprüfers AndréLe Prince zeigt. Der Hamburger mit fran-zösisch-indischen Wurzeln gri# im Früh-jahr 2003 und im Herbst 2008 massiv beiglobal gestreuten Aktienfonds zu, die erbis heute gehalten hat. Den Einsatz hater seither verdoppelt und verdreifacht.

Der Rest der Republik schaute dagegennur unbeteiligt zu, als der Dax um 29 Pro-zent zulegte. Nur 11 Prozent der Deut-

weiblich männlich

WEIBLICHE VORSICHT Wie Männer und Frauen ihr Geld anlegen, Angaben in Prozent*

*Mehrfachnennungen möglich. Quelle: GfK Verein Gra!k: manager magazin

46,340,0Sparbücher

22,227,8

Lebens-versicherungen

42,746,4Eigenheim

8,613,9Aktien