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Gateway 108 DuD • Datenschutz und Datensicherheit 30 (2006) 2 Urheberrecht versus Datenschutz Johann Bizer Die Diskussion über die Reichweite der urheberrechtlichen Verwertungsrechte bei elektronischen Gütern ist vor allem durch das EG-Recht entfacht worden. Die sog. EG-Urheberrichtlinie 2001/29/EG vom 22. Mai 2001 sieht technische Schutzmaßnah- men in Verbindung mit Informationen über die Wahrnehmung der geschützten Rechte vor. Dieses Recht beruht wiederum auf internationalem Vertragsrecht. 1 Technische Schutzsysteme Ziel der Urheberrichtlinie ist es, einen EU- weiten harmonisierten Rechtsrahmen für technische Schutzmaßnahmen zu Gunsten von Urheberrechten zu schaffen. Ihre Be- fürworter betrachten die Urheberrichtlinie als notwendiges Werkzeug, um ihre Rechte und die damit verbundenen finanziellen Interessen bei der digitalen Verbreitung ihrer Werke wahren und kontrollieren zu können. Der sich abzeichnende Konflikt mit dem Datenschutz wird in dieser Richtlinie in Erwägungsgrund 59 angesprochen. Dort heißt es, diese Systeme seien je nach Ausle- gung in der Lage, „gleichzeitig personenbe- zogene Daten über die individuelle Nutzung von Schutzgegenständen zu verarbeiten und Online-Aktivitäten nachzuvollziehen“, wobei die technischen Funktionen dieser Vorrichtungen dem Schutz der Privatsphäre gemäß der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG gerecht werden sollen. Nach Erwägungs- grund 60 soll diese Richtlinie den nationa- len und gemeinschaftlich gewährten Daten- schutz sogar „unberührt“ lassen. Umgesetzt worden ist die EG-Richtlinie 2001/29/EG durch das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsge- sellschaft vom 10. September 2003, 2 insbe- sondere durch die §§ 95 a ff. UrhG über technische Schutzmaßnahmen, deren Ver- 1 Art 11 und 12 WCT (WIPO-Urheber- rechtsvertrag) Copyright Treaty; Art. 18 und 19 WPPT (WIPO-Vertrags über Performances and Phonograms Treaty). 2 BGBl. I S. 1774. letzung durch die Strafvorschrift des § 108 b UrhG sanktioniert wird. Pauschalvergütung Im Mittelpunkt der Debatte um die Urhe- berrechtsreform standen das Recht der Privatkopie sowie das System der Pauschal- abgabe. In diesem Zusammenhang hatte sich insbesondere der Bundesrat für eine Vergütungspflicht von Privatkopien einge- setzt und gleichzeitig einen besonderen Schutz der Nutzer vor Ausspähung perso- nenbezogener Daten über die individuelle Nutzung von Werken und die Erstellung von Nutzerprofilen gefordert. 3 Eine derartige Position kann sich auf ei- ne datenschutzfreundliche Lösung dessel- ben Konflikts beziehen, die mit der Verbrei- tung von Kopiergeräten getroffen worden ist, ohne dass die finanziellen Interessen der Urheber nachhaltig beeinträchtigen worden wären. Für Kopien jedweder Art (Kopierge- räte, Tonband, Kassetten, CDs u.a.) wird die Vergütung der Inhaber von Urheberrechten über eine Pauschalabgabe auf die betreffen- den Geräte finanziert, die über Verwer- tungsgesellschaften an die jeweiligen Urhe- ber ausgeschüttet werden. 4 Dieses System geht auf eine Rechtspre- chung des Bundesgerichtshofes (BGH) zurück, der schon 1964 eine urheberrechtli- che Verpflichtung der Käufer von Tonband- geräten abgelehnt hatte, beim Kauf ihren Personalausweis vorzulegen. 5 In einer wei- teren Entscheidung lehnte es der BGH ab, den Betreiber eines Kopiergeschäfts zu verpflichten, die Kopiervorlagen der Kun- den auf ihre Vereinbarkeit mit dem Urhe- berrecht zu überprüfen. 6 Auskunftsrechte Noch offen ist die Umsetzung der soge- nannten Enforcement-Richtlinie 2004/48/ EG vom 29. April 2004, die bis zum 19. 3 BT-Drs. 15/38, S. 37 4 LDA Brandenburg, 11. TB 2003, S. 35 ff. 5 BGH vom 29.5.1964, GRUR 1965, 104. 6 BGH vom 9.6.1983, GRUR 1984, 54. April 2006 abgeschlossen sein soll. Poli- tisch umstritten ist insbesondere die Umset- zung der in Art. 8 dieser Richtlinie gefor- derten Auskunftsrechte gegenüber Internet- providern, um auf diese Weise die Inan- spruchnahme digitaler Güter überwachen und kontrollieren zu können. Die Internationale Arbeitsgruppe für den Datenschutz in der Telekommunikation hat bereits vor Verabschiedung der Richtlinie 2001/29/EG in einem gemeinsamen Stand- punkt vom 4./5. Mai 2000 die „Planer, Produzenten und Anbieter“ von Copyright- Management-Systemen aufgefordert, daten- sparsame Systeme zu entwickeln, zu produ- zieren und anzubieten. Dabei wurde insbesondere auf die Forde- rung der Art. 29-Gruppe der Europäischen Union 7 Bezug genommen, auf eine unsicht- bare und automatische Verarbeitung perso- nenbezogener Daten im Internet durch Soft- und Hardware zu verzichten (Art. 29- Gruppe 1999) 8 . Die Konferenz der Daten- schutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat gefordert, dass technische Sys- teme zur digitalen Verwaltung digitaler Rechte (Digital Rights Management) in jedem Fall datenschutzfreundlich gestaltet werden müssen. 9 . Erst jüngst hat sich die Art. 29-Gruppe „mit Besorgnis“ über die Beeinträchtigung des Datenschutzes durch die Nutzung von DRM-Systemen geäußert. Die Daten- schutzgruppe fordert die „Entwicklung datenschutzgerechter technischer Instru- mente und ganz allgemein die transparente und begrenzte Nutzung eindeutiger Ken- nungen, die dem Benutzer eine Wahlmög- lichkeit zugestehen“. 10 7 In der Artikel 29-Gruppe sind die Daten- schutzbeauftragten der Mitgliedstaaten der Euro- päischen Union vertreten. 8 http://europa.eu.int/comm/justice_home/fsj/ privacy/docs/wpdocs/1999/wp17de.pdf. 9 Entschließung zur datenschutzgerechten Vergütung für digitale Privatkopien im neuen Urheberrecht vom 24./25.10.2002. 10 http://europa.eu.int/comm/justice_home/fsj/ privacy/docs/wpdocs/2005/wp104_de.pdf.

Urheberrecht versus Datenschutz

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108 DuD • Datenschutz und Datensicherheit 30 (2006) 2

Urheberrecht versus Datenschutz Johann Bizer

Die Diskussion über die Reichweite der urheberrechtlichen Verwertungsrechte bei elektronischen Gütern ist vor allem durch das EG-Recht entfacht worden. Die sog. EG-Urheberrichtlinie 2001/29/EG vom 22. Mai 2001 sieht technische Schutzmaßnah-men in Verbindung mit Informationen über die Wahrnehmung der geschützten Rechte vor. Dieses Recht beruht wiederum auf internationalem Vertragsrecht.1

Technische Schutzsysteme Ziel der Urheberrichtlinie ist es, einen EU-weiten harmonisierten Rechtsrahmen für technische Schutzmaßnahmen zu Gunsten von Urheberrechten zu schaffen. Ihre Be-fürworter betrachten die Urheberrichtlinie als notwendiges Werkzeug, um ihre Rechte und die damit verbundenen finanziellen Interessen bei der digitalen Verbreitung ihrer Werke wahren und kontrollieren zu können.

Der sich abzeichnende Konflikt mit dem Datenschutz wird in dieser Richtlinie in Erwägungsgrund 59 angesprochen. Dort heißt es, diese Systeme seien je nach Ausle-gung in der Lage, „gleichzeitig personenbe-zogene Daten über die individuelle Nutzung von Schutzgegenständen zu verarbeiten und Online-Aktivitäten nachzuvollziehen“, wobei die technischen Funktionen dieser Vorrichtungen dem Schutz der Privatsphäre gemäß der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG gerecht werden sollen. Nach Erwägungs-grund 60 soll diese Richtlinie den nationa-len und gemeinschaftlich gewährten Daten-schutz sogar „unberührt“ lassen.

Umgesetzt worden ist die EG-Richtlinie 2001/29/EG durch das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsge-sellschaft vom 10. September 2003,2 insbe-sondere durch die §§ 95 a ff. UrhG über technische Schutzmaßnahmen, deren Ver-

1 Art 11 und 12 WCT (WIPO-Urheber-

rechtsvertrag) Copyright Treaty; Art. 18 und 19 WPPT (WIPO-Vertrags über Performances and Phonograms Treaty).

2 BGBl. I S. 1774.

letzung durch die Strafvorschrift des § 108 b UrhG sanktioniert wird.

Pauschalvergütung Im Mittelpunkt der Debatte um die Urhe-berrechtsreform standen das Recht der Privatkopie sowie das System der Pauschal-abgabe. In diesem Zusammenhang hatte sich insbesondere der Bundesrat für eine Vergütungspflicht von Privatkopien einge-setzt und gleichzeitig einen besonderen Schutz der Nutzer vor Ausspähung perso-nenbezogener Daten über die individuelle Nutzung von Werken und die Erstellung von Nutzerprofilen gefordert.3

Eine derartige Position kann sich auf ei-ne datenschutzfreundliche Lösung dessel-ben Konflikts beziehen, die mit der Verbrei-tung von Kopiergeräten getroffen worden ist, ohne dass die finanziellen Interessen der Urheber nachhaltig beeinträchtigen worden wären. Für Kopien jedweder Art (Kopierge-räte, Tonband, Kassetten, CDs u.a.) wird die Vergütung der Inhaber von Urheberrechten über eine Pauschalabgabe auf die betreffen-den Geräte finanziert, die über Verwer-tungsgesellschaften an die jeweiligen Urhe-ber ausgeschüttet werden.4

Dieses System geht auf eine Rechtspre-chung des Bundesgerichtshofes (BGH) zurück, der schon 1964 eine urheberrechtli-che Verpflichtung der Käufer von Tonband-geräten abgelehnt hatte, beim Kauf ihren Personalausweis vorzulegen.5 In einer wei-teren Entscheidung lehnte es der BGH ab, den Betreiber eines Kopiergeschäfts zu verpflichten, die Kopiervorlagen der Kun-den auf ihre Vereinbarkeit mit dem Urhe-berrecht zu überprüfen.6

Auskunftsrechte Noch offen ist die Umsetzung der soge-nannten Enforcement-Richtlinie 2004/48/ EG vom 29. April 2004, die bis zum 19.

3 BT-Drs. 15/38, S. 37 4 LDA Brandenburg, 11. TB 2003, S. 35 ff. 5 BGH vom 29.5.1964, GRUR 1965, 104. 6 BGH vom 9.6.1983, GRUR 1984, 54.

April 2006 abgeschlossen sein soll. Poli-tisch umstritten ist insbesondere die Umset-zung der in Art. 8 dieser Richtlinie gefor-derten Auskunftsrechte gegenüber Internet-providern, um auf diese Weise die Inan-spruchnahme digitaler Güter überwachen und kontrollieren zu können.

Die Internationale Arbeitsgruppe für den Datenschutz in der Telekommunikation hat bereits vor Verabschiedung der Richtlinie 2001/29/EG in einem gemeinsamen Stand-punkt vom 4./5. Mai 2000 die „Planer, Produzenten und Anbieter“ von Copyright-Management-Systemen aufgefordert, daten-sparsame Systeme zu entwickeln, zu produ-zieren und anzubieten.

Dabei wurde insbesondere auf die Forde-rung der Art. 29-Gruppe der Europäischen Union7 Bezug genommen, auf eine unsicht-bare und automatische Verarbeitung perso-nenbezogener Daten im Internet durch Soft- und Hardware zu verzichten (Art. 29-Gruppe 1999)8. Die Konferenz der Daten-schutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat gefordert, dass technische Sys-teme zur digitalen Verwaltung digitaler Rechte (Digital Rights Management) in jedem Fall datenschutzfreundlich gestaltet werden müssen.9.

Erst jüngst hat sich die Art. 29-Gruppe „mit Besorgnis“ über die Beeinträchtigung des Datenschutzes durch die Nutzung von DRM-Systemen geäußert. Die Daten-schutzgruppe fordert die „Entwicklung datenschutzgerechter technischer Instru-mente und ganz allgemein die transparente und begrenzte Nutzung eindeutiger Ken-nungen, die dem Benutzer eine Wahlmög-lichkeit zugestehen“.10

7 In der Artikel 29-Gruppe sind die Daten-

schutzbeauftragten der Mitgliedstaaten der Euro-päischen Union vertreten.

8 http://europa.eu.int/comm/justice_home/fsj/privacy/docs/wpdocs/1999/wp17de.pdf.

9 Entschließung zur datenschutzgerechten Vergütung für digitale Privatkopien im neuen Urheberrecht vom 24./25.10.2002.

10 http://europa.eu.int/comm/justice_home/fsj/privacy/docs/wpdocs/2005/wp104_de.pdf.