1
---------- UV-Lacke nach MaB Die Industrie setzt zunehmend UV-Lacke ein. Dietbert Korge, Technischer Leiter bei Schiemann- Industrielacke in Hannover, zieht im folgenden Interview eine Zwi- schenbilanz und gibt einen Aus- blick auf kunttlqe Entwicklungen. eme Frage: Uv-hartcndc Lacke sind unerhort schnell. Sie verfes- tigen sich innerhalb von Sekunden; eine einzigartige Eigenschaft, die die Substanzen vor allem fur FlieBband- produktionen mit hoher Stiickzahl geeignet macht. Der Lackierprozess dauert oftmals inklusive Aushartung nur knapp eine Minute und ist damit so schnell, dass er sich in die FlieB- bandproduktion einklinken lasst - die Lackierung lauft "in line" abo UV-Lacke wurden in der Vergan- genheit vor allem zur Veredelung von Holzoberflachen genutzt. Erst seit knapp zehn Jahren gibt es Rezepturen, die auch auf Metalloberflachen haften. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre begann die Schiemann-Industrielacke GmbH & Co KG in Hannover mit der Entwicklung von UV-Lacken fur Metalloberflachen. 1994 kam der Durchbruch: Das Unternehmen brach- te als erste deutsche Firma fur einen Automobil-Zulieferer einen UV-Lack zur Beschichtung von Hydraulikventi- len auf den Markt. 1994 haben Sie erstmals ein Seri- en-Produkt mit UV-Lack beschich- tet. Wo stehen Sie heute? Der Markt fur UV-Lacke ist stetig gewachsen. In diesem jahr wird sich der Anteil der UV-Lacke an unserem Gesamtumsatz erstmals auf etwa 25 Prozent belaufen - nach den losemittel- haltigen Lacken mit rund 40 und den Hydro-Lacken mit rund 30 Prozent. Wie erklaren Sie sich diesen Erfolg? Die Lackierung mit UV-Lacken ist verglichen mit anderen Systemen deut- •• lich wirtschaftlicher: Sie spart Platz, Zeit und Energie. Eine herkommliche Anlage fur Losemittellacke beispiels- weise benotigt inklusive Abdunst-, Einbrenn- und Ktihlzone rund 180 Quadratmeter, die UV-Anlage gerade mal 12 Quadratmeter. Da beim UV- Lack Abdunsten sowie Ktihlung ganz entfallen und die direkte UV-Strahlung sehr effektiv ist, spart man eine Menge Energie. Die Verarbeitung erfolgt in der Regel im Hochdruck-Spritzverfah- ren, bei dem sich der Overspay auffan- gen und wieder verwerten lasst. Da die Substanzen nicht fltichtig sind, bleibt der Lack unverandert. Er ist damit recyclingfiihig und bietet theoretisch eine hundertprozentige Ausbeute. Das macht das UV-Lackieren interessant und den noch deutlich hoheren Lack- Preis schnell wett. Der groBte Vorteil liegt aber sicher in der extrem schnellen Trock- nung. Richtig. Wo es auf schnelle Taktra- ten und hohe Stiickzahlen ankommt, eignet sich das Verfahren besonders. Etwa die Halfte unserer UV-Lack-Pro- duktion geht an die Autozulieferindu- strie. Inzwischen existieren Lacke, mit denen sich Bremstrommeln und - scheiben, Gehause von Elektromoto- ren, Dieselpumpen oder diverse Umform- und GieBereiprodukte beschichten lassen - je nach Bedarf kratzfest, korrosions- oder losernittel- bestandig. Unser Labor stellt dafur Lacke nach MaB her. Auch fur die Endloslackierung von Rohren eignet sich das Verfahren besonders gut - bei Bandgeschwindigkeiten von bis zu 150 Metern pro Minute liegt die Ausharte- zeit unter einer Sekunde. Trotz der Vorteile machen die UV-Lacke bisher nur ein Viertel Ihres Umsatzes aus. Es gibt also Grenzen? Sicher - einfach deshalb, weil sich fur bestimmte Anwendungen her- kornmliche Verfahren besser eignen. GroBe Bauteile mit Hinterschneidun- gen und verdeckten Bereichen lassen sich meist nicht wirtschaftlich und voll- standig ausharten. Dort, wo UV-Licht nicht in ausreichender Intensitat auf- trifft, hartet der Lack nicht aus. Aus der Literatur ist bekannt, dass groBe Kon- zerne an UV-Klarlacken fur die Auto- mobilindustrie arbeiten. Eine solehe Praxisanwendung ist mir allerdings noch nicht bekannt. Wir hingegen set- zen eher auf die Beschichtung kleiner Bauteile mit hoher Sttickzahl. Es heiBt, dass sich kraftige Gelb- und Orangetone nur schlecht mit UV-Lacken realisieren lassen. Gleiches gilt fUr matte Ober- flaehen. Gibt es inzwischen Losungsansatze? Grundsatzlich schneiden UV-Lacke hier schlechter ab als beispielsweise liisemittelhaltige Lacke. Das ist nach wie vor so. Die Photoinitiatoren, also jene Substanzen, die die Polymerisati- on unter UV-Bestrahlung einleiten, absorbieren vor allem im gelben und orange-roten Wellenlangenbereich. Das behindert die Aushartung. Doch auch hier geht die Entwicklung we iter. Durch neue Rohstoffentwicklungen und neue Lackrezepturen sind in die- sem Farbtonbereich Problemliisungen moglich. Matte UV-Lacke lassen sich durch Walzen realisieren. Ftir das HeiBspritzverfahren gibt es vielver- sprechende Ansatze, mit denen man mattere Oberflachen erreichen kann. An diesen Themen wird mit Hoch- druck gearbeitet. Gibt es weitere Herausforderun- gen? Selbstverstandlich. Wir verfUgen inzwischen tiber eme breite UV-Lack-Palette, werden durch unse- re Kunden aber immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. So gibt es beispielsweise noch Haftungs- und Bestandigkeitsprobleme, wenn ver- schiedene Metalle in einem Aggregat verbaut und mit UV-Lack beschichtet werden sollen. Aber - wir entwickeln weiter. Tim Schroder JOT 6 12003

UV-Lacke nach Maß

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: UV-Lacke nach Maß

----------UV-Lacke nach MaBDie Industrie setzt zunehmend

UV-Lacke ein. Dietbert Korge,

Technischer Leiter bei Schiemann­

Industrielacke in Hannover, zieht

im folgenden Interview eine Zwi­

schenbilanz und gibt einen Aus­

blick auf kunttlqe Entwicklungen.

eme Frage: Uv-hartcndc Lacke

sind unerhort schnell. Sie verfes­

tigen sich innerhalb von Sekunden;

eine einzigartige Eigenschaft, die die

Substanzen vor allem fur FlieBband­

produktionen mit hoher Stiickzahl

geeignet macht. Der Lackierprozess

dauert oftmals inklusive Aushartung

nur knapp eine Minute und ist damit

so schnell, dass er sich in die FlieB­

bandproduktion einklinken lasst - die

Lackierung lauft "in line" abo

UV-Lacke wurden in der Vergan­

genheit vor allem zur Veredelung von

Holzoberflachen genutzt. Erst seit

knapp zehn Jahren gibt es Rezepturen,

die auch auf Metalloberflachen haften.

Bereits zu Beginn der 1990er Jahre

begann die Schiemann-Industrielacke

GmbH & Co KG in Hannover mit der

Entwicklung von UV-Lacken fur

Metalloberflachen. 1994 kam der

Durchbruch: Das Unternehmen brach­

te als erste deutsche Firma fur einen

Automobil-Zulieferer einen UV-Lack

zur Beschichtung von Hydraulikventi­

len auf den Markt.

1994 haben Sie erstmals ein Seri­

en-Produkt mit UV-Lack beschich­

tet. Wo stehen Sie heute?

Der Markt fur UV-Lacke ist stetig

gewachsen. In diesem jahr wird sich

der Anteil der UV-Lacke an unserem

Gesamtumsatz erstmals auf etwa 25

Prozent belaufen - nach den losemittel­

haltigen Lacken mit rund 40 und den

Hydro-Lacken mit rund 30 Prozent.

Wie erklaren Sie sich diesen

Erfolg?

Die Lackierung mit UV-Lacken ist

verglichen mit anderen Systemen deut-

••

lich wirtschaftlicher: Sie spart Platz,

Zeit und Energie. Eine herkommliche

Anlage fur Losemittellacke beispiels­

weise benotigt inklusive Abdunst-,

Einbrenn- und Ktihlzone rund 180

Quadratmeter, die UV-Anlage gerade

mal 12 Quadratmeter. Da beim UV­

Lack Abdunsten sowie Ktihlung ganz

entfallen und die direkte UV-Strahlung

sehr effektiv ist, spart man eine Menge

Energie. Die Verarbeitung erfolgt in

der Regel im Hochdruck-Spritzverfah­

ren, bei dem sich der Overspay auffan­

gen und wieder verwerten lasst. Da die

Substanzen nicht fltichtig sind, bleibt

der Lack unverandert. Er ist damit

recyclingfiihig und bietet theoretisch

eine hundertprozentige Ausbeute. Das

macht das UV-Lackieren interessant

und den noch deutlich hoheren Lack­

Preis schnell wett.

Der groBte Vorteil liegt aber sicher

in der extrem schnellen Trock­

nung.

Richtig. Wo es auf schnelle Taktra­

ten und hohe Stiickzahlen ankommt,

eignet sich das Verfahren besonders.

Etwa die Halfte unserer UV-Lack-Pro­

duktion geht an die Autozulieferindu­

strie. Inzwischen existieren Lacke, mit

denen sich Bremstrommeln und ­

scheiben, Gehause von Elektromoto­

ren, Dieselpumpen oder diverse

Umform- und GieBereiprodukte

beschichten lassen - je nach Bedarf

kratzfest, korrosions- oder losernittel­

bestandig. Unser Labor stellt dafur

Lacke nach MaB her. Auch fur die

Endloslackierung von Rohren eignet

sich das Verfahren besonders gut - bei

Bandgeschwindigkeiten von bis zu 150

Metern pro Minute liegt die Ausharte­

zeit unter einer Sekunde.

Trotz der Vorteile machen die

UV-Lacke bisher nur ein Viertel

Ihres Umsatzes aus. Es gibt also

Grenzen?

Sicher - einfach deshalb, weil sich

fur bestimmte Anwendungen her­

kornmliche Verfahren besser eignen.

GroBe Bauteile mit Hinterschneidun-

gen und verdeckten Bereichen lassen

sich meist nicht wirtschaftlich und voll­

standig ausharten. Dort, wo UV-Licht

nicht in ausreichender Intensitat auf­

trifft, hartet der Lack nicht aus. Aus der

Literatur ist bekannt, dass groBe Kon­

zerne an UV-Klarlacken fur die Auto­

mobilindustrie arbeiten. Eine solehe

Praxisanwendung ist mir allerdings

noch nicht bekannt. Wir hingegen set­

zen eher auf die Beschichtung kleiner

Bauteile mit hoher Sttickzahl.

Es heiBt, dass sich kraftige Gelb­

und Orangetone nur schlecht mit

UV-Lacken realisieren lassen.

Gleiches gilt fUr matte Ober­

flaehen. Gibt es inzwischen

Losungsansatze?

Grundsatzlich schneiden UV-Lacke

hier schlechter ab als beispielsweise

liisemittelhaltige Lacke. Das ist nach

wie vor so. Die Photoinitiatoren, also

jene Substanzen, die die Polymerisati­

on unter UV-Bestrahlung einleiten,

absorbieren vor allem im gelben und

orange-roten Wellenlangenbereich.

Das behindert die Aushartung. Doch

auch hier geht die Entwicklung we iter.

Durch neue Rohstoffentwicklungen

und neue Lackrezepturen sind in die­

sem Farbtonbereich Problemliisungen

moglich. Matte UV-Lacke lassen sich

durch Walzen realisieren. Ftir das

HeiBspritzverfahren gibt es vielver­

sprechende Ansatze, mit denen man

mattere Oberflachen erreichen kann.

An diesen Themen wird mit Hoch­

druck gearbeitet.

Gibt es weitere Herausforderun­

gen?

Selbstverstandlich. Wir verfUgen

inzwischen tiber eme breite

UV-Lack-Palette, werden durch unse­

re Kunden aber immer wieder vor neue

Herausforderungen gestellt. So gibt es

beispielsweise noch Haftungs- und

Bestandigkeitsprobleme, wenn ver­

schiedene Metalle in einem Aggregat

verbaut und mit UV-Lack beschichtet

werden sollen. Aber - wir entwickeln

weiter. Tim Schroder

JOT 6 12003