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20 UW/H 2020: ZUKUNFT BILDEN. In Lehre, Forschung und Gesellschaft – in Gesundheit, Wirtschaft und Kultur.

UW/H 2020: ZUKUNFT BILDEN. 20 · mit dem Ziel einer „Höherbildung der Menschheit“ und der „Ausprägung eines Weltbürgertums“. Hegel verstand unter Bildung einen „Sinn

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20UW/H 2020: ZUKUNFT BILDEN.In Lehre, Forschung und Gesellschaft – in Gesundheit, Wirtschaft und Kultur.

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UW/H 2020: ZUKUNFT BILDEN.

GESUNDHEIT

WIRTSCHAFT

KULTUR

UNIVERSITÄT

ORGANISATION

BILDUNGKapitel 1 // Seite 4

Kapitel 2 // Seite 10 Kapitel 3 // Seite 17

Kapitel 3.1 // Seite 18

Kapitel 3.3 // Seite 34

Kapitel 3.2 // Seite 26

Kapitel 4 // Seite 42

Kapitel 5 // Seite 50Jetzt: Zukunft bilden. – Abstract UW/H 2020 – Anlauf nehmen … – danke! und bitte!

Inhalt

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GESUNDHEIT

WIRTSCHAFT

KULTUR

UNIVERSITÄT

ORGANISATION

BILDUNG

Einführung/Gebrauchsanleitung

Das vorliegende Strategiekonzept „UW/H 2020: Zukunft bilden.“ ist eine Gemeinschaftsarbeit von MitarbeiterIn-nen und Studierenden, von Fakultäten, Dekanaten und dem Präsidium der Universität Witten/Herdecke. Und es verfolgt mehrere Zielsetzungen: Es soll Richtung ge- ben, Klarheit schaffen, Kräfte freisetzen, Mut machen, zur Mitwirkung anstecken.

Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, Kultur >>> … in Bewegung.Während sich der gesellschaftliche Wohlstand, die wirt-schaftliche Prosperität und die Lebenserwartung in Deutschland auf höchstem Niveau bewegen, wächst die Zahl an oft eng verknüpften gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt: Europäische Einheit, Wirtschafts- und Finanzkrise, Klimawandel, Energiewende, Migrationswelle … Was hat das mit Universität und mit der UW/H zu tun? Sehr viel:

Die Vernetztheit, Volatilität und Veränderungsge-schwindigkeit der globalen Problemstellungen nimmt zu. Und mit der zunehmenden Dynamik der Veränderung sind auch die Schulen, Hochschulen und Universitäten gefordert, sich zu verändern: Deren z. T. weit in der Ver-gangenheit konzipierten curricularen Inhalte und aka-demischen Verfahren werden der heutigen Aufgaben-komplexität oft nicht mehr gerecht. Gleichzeitig steht die moderne Wissenschaft vor weitreichenden Umbrü-chen ihrer erkenntnistheoretischen Grundlagen und ihrer methodischen Vorgehensweisen: Die Interdisziplinarität aller Problemstellungen, die Relativität jeder Beobachter-position und die Konsequenzen der Digitalisierung ver-ändern das fachwissenschaftliche Selbstverständnis.

Mit dem darstellenden Instrument von „Entwicklungs-vektoren“ – wo kommen wir her? wo gehen wir hin? – will die vorliegende Strategie „UW/H 2020“aufzeigen,– in welcher Veränderungs- und Entwicklungsdynamik

sich die Themenfelder befinden, in denen die Universi-tät tätig und wirksam ist, und

– was die UW/H mit ihrer fachlichen Aufstellung, mit ihrer unternehmerischen Dynamik und mit ihrem ge-meinnützigen Auftrag zu diesen Herausforderungen beitragen kann.

Der Entwurf einer universitären Zukunft erfolgt in vier Abschnitten. Im ersten Kapitel wird das gesellschaftliche Themenfeld BILDUNG in Form der skizzierten Entwicklungs-vektoren zwischen Gegenwart und Zukunft aufgespannt. Es dient als kompakte Landkarte für die im Kapitel 2 er-folgende Standort- und Kursbestimmung der Universität Witten/Herdecke bis in das Jahr 2020.

Im Kapitel 3 werden die Fakultäten GESUNDHEIT, WIRT-SCHAFT, KULTUR mit ihren Aufgaben, Potenzialen und ihren jeweiligen Zielsetzungen bis 2020 vorgestellt. Auch hier ist eine Landkarte zur Verortung des jeweiligen Themenfeldes vorangestellt.

Auch für die Organisation „UW/H“ als Ganzes stehen wichtige Entwicklungsschritte an. Kapitel 4 beschreibt Elemente einer Organisationsentwicklung, die als wichtige Basis für eine erfolgreiche inhaltliche Zukunft dienen.

Im Kapitel 5 „JETZT: ZUKUNFT BILDEN“ fassen wir zu-sammen und zeigen auf, wie die Universität diesen strate-gischen Entwurf umsetzen wird. Und verbunden mit einem herzlichen Dank für alle bisherigen Beiträge werben wir ab-schließend um tatkräftige Beteiligung und Wegbegleitung auf dem eingeschlagenen Kurs „UW/H 2020“.

Ihre Martin Butzlaff Jan Peter Nonnenkamp Rudolf Wimmer

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Bildung

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1. Bildung Mehr als Humboldt, Hashtag und Bologna

Ausbildung >>> Bildung Der Bildungsbegriff hat in der deutschen Geschichte eine lan-ge Tradition, die weit über die Vermittlung und Aneignung von Wissen hinausgeht:

Während Pestalozzi für eine Bildung mit „Kopf, Herz und Hand“ eintrat, betonte Goethe Bildung als „Einheit von Geist, Körper und Haltung“. Wilhelm von Humboldt ver-band mit dem Bildungsbegriff vor allem die „Selbstbildung“ mit dem Ziel einer „Höherbildung der Menschheit“ und der „Ausprägung eines Weltbürgertums“. Hegel verstand unter Bildung einen „Sinn für die Objekte in ihrer freien Selbst-ständigkeit“. Bildung erwartete man von einem bewusst und frei geführten Leben, nicht von einer Ausbildung an ei-ner Universität. Das gilt bis heute. Auch die Bologna-Reform sucht nach einem Verständnis von Bildung, das sich in Aus-bildung nicht erschöpft, sondern zu einem reflektierten Um-gang mit den Herausforderungen einer komplexen Gesell-schaft befähigt.

Der skizzierte philosophische Diskurs um den Bildungs-begriff stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert. Einer Zeit, in der weit weniger als ein Prozent eines Schuljahrgangs ein Hochschulstudium begann und in der es an 28 Universitäten in Deutschland insgesamt 12 000 Studierende gab – fast aus-schließlich junge Männer.

Der Sprung in das Jahr 2016 macht deutlich, welch dra-matische Entwicklung sich in knapp zwei Jahrhunderten auf dem Weg von der Agrar- über die Industrie- zur Wissensge-sellschaft und einer sich gegenwärtig entfaltenden digitalen Revolution vollzogen hat:

Die Hälfte aller SchülerInnen erwirbt heute die Berech-tigung zum Hochschulstudium, die weitaus meisten von ih-nen treten auch an: 2,8 Millionen junge Frauen und Männer studieren gegenwärtig an rund 400 deutschen Hochschulen; allein in 2015 hat etwa eine halbe Million mit dem Studium begonnen. Und während als Ergebnis dieser Entwicklung im-mer mehr und immer jüngere HochschulabsolventInnen mehr oder weniger gut akademisch ausgebildet dem Arbeitsmarkt zugeführt werden, wird die gesellschaftliche Forderung nach einem Hochschulstudium, das – ganz im Sinne von Pestalozzi, Goethe, v. Humboldt und Hegel – nicht nur „Ausbildung“ ist, sondern auch „Bildung“ verspricht, kräftiger und lauter.

Diese Erwartung und die Sehnsucht nach Bildung und Persönlichkeitsentwicklung haben unterschiedliche Quel-len. Im Kern jedoch steht die nüchterne Analyse, dass die gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft in einer globalisierten Welt heute steht, so komplex geworden sind, dass sie – in kleine erlernbare Kompetenzhäppchen aufgeteilt – weder angemessen erfasst noch gelöst werden können.

Gefordert sind interdisziplinärer Weitblick, Urteils-fähigkeit und Gestaltungswille, ein solide gegründetes Wertegerüst sowie die persönliche Bereitschaft zur Verant-wortungsübernahme: All das gehört zu den Erwartungen an die jungen heutigen UniversitätsabsolventInnen, denen wir unsere Zukunft anvertrauen sollen.

Keine leichte Aufgabe für eine Hochschule, diesen Bildungsanspruch neben dem unabdingbaren fachlichen Kompetenzerwerb und der Beteiligung am Abenteuer der wissenschaftlichen Forschung einzulösen.

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GESUNDHEIT

WIRTSCHAFT

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UNIVERSITÄT

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konsumieren >>> verantwortenHochschulen, Universitäten und Bibliotheken sind nicht mehr die maßgebenden Speicherorte aktueller Informa-tions- und Wissensbestände. In Zeiten von Internet, Such-maschinen und Smartphone ist potenziell jeder Wissens-baustein zu jeder Zeit, an jedem Ort und in allen relevanten Sprachen konsumierbar. Und so rasch diese Wissensbestän-de derzeit wachsen und die Halbwertszeit von Information und Wissen abnimmt, so deutlich wird auch: Information und Wissen ohne Kontext, ohne Problemstellungen, ohne Erfahrung und ohne Wertefundament bleiben nutz- und wirkungslos.

Die Umstellung des Lernens von der Aneignung kurzfris-tig reproduzierbaren Lehrbuchwissens hin zu einem „Lernen des Lernens“ verlangt eine Metafähigkeit: Wissen in Prob-lemlösungskontexten anwenden, ausprobieren, die dabei gemachten Erfahrungen reflektieren sowie methodisch fun-diert und theoriegeleitet auswerten und dabei neues Wissen generieren zu können.

Persönlichkeiten, die in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen, die über Urteilskraft, Ideenfähigkeit und Gestaltungswillen verfügen, entwickeln sich vor allem im kritischen Diskurs. Sie reifen in der Auseinandersetzung, im Widerspruch, in der Reflexion mit sich selbst und mit an-deren – mit Co-Lernenden und Lehrenden und im Umgang mit Problemen der Praxis. Diese Auseinandersetzung erfor-dert Zeit, Raum und Begegnung. Sie erfordert auch eine insti-tutionelle Priorisierung, die nicht automatisch die Forschung über die Lehre erhebt. Und sie setzt sowohl gut ausgewählte, engagierte Lehrende als auch Lernkontexte und kleine Grup-pengrößen voraus, die essentiell sind für die Entwicklung der Persönlichkeit, für die Entfaltung von Selbstwirksamkeit, für die Übernahme von Verantwortung.

Generatoren >>> TransformatorenUniversitäten waren und sind in doppelter Weise klassische Orte der Generierung neuen Wissens: zum einen durch die Forschungsleistung in den Natur-, Sozial- und Geisteswissen-schaften; zum anderen durch die Bildung heranwachsender WissenschaftlerInnen, die sich an ihrer Alma Mater für unterschiedlichste Aufgabenstellungen in der beginnenden Berufsbiographie rüsten. Diese Aufgaben als Wissens-„Gene-ratoren“ – als universitäres Privileg auch heftig umkämpft: Wer darf promovieren? Wer nicht? – werden bleiben. Und sie werden erweitert um eine dritte Aufgabe, die von der Zivil-gesellschaft zunehmend eingefordert wird: die Entwicklung von „Transformatoren“.

Die Bewältigung globaler Herausforderungen – Klima- wandel, labiler werdende Ökosysteme, Rohstoffverknap-pung, weltweite Migrationsströme, Stabilisierung der Finanzsysteme, Zukunft Europas – machen tiefgreifende Änderungen (= Transformationen) von Infrastrukturen, Regulierungssystemen und Lebensstilen sowie ein neues Zusammenspiel von Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft erforderlich. Im Sinne der unabdingbaren Trendumkehr zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung und damit zugunsten nachfolgender Generationen steigt der Bedarf an „gebildeten“ (Führungs-) Kräften, die diese Transformationsprozesse denken, gestalten, demokratisch verankern und erfolgreich umsetzen können.

Universitäten sind dabei erneut in zweifacher Weise ge-fordert: als Produktions-, Reflexions- und Multiplikationsorte für „Transformatives Wissen“; und als Bildungsorte für eine nachwachsende Generation, die sich für die Bewältigung denkbar komplexer Zukunftsaufgaben rüsten will. Gerade der letzte Aspekt – die Erwartung einer motivierten, wissbe-gierigen und handlungsbereiten Studierendenschaft, dass die Hochschulen und Universitäten ihnen in modernen Curricula die Chance zur biographischen „Aufladung als Transformatoren“ eröffnet – wird noch allzu oft nicht erfüllt.

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raus: aus dem Elfenbeinturm >>> rein: in die Zivilgesellschaft Erfolgreiche Bildung und Wissenschaft braucht langen Atem und braucht politischen und rechtlichen Schutz: vor finanzi-eller Kurzatmigkeit, vor unmittelbarem ökonomischen Ver-wertungsdruck, vor einseitig interessengeleiteter Einfluss-nahme. Die dafür von Grundgesetz und Länderverfassungen angelegten Schutzräume in Hochschulen und Universitäten sind anfällig für Fehlentwicklungen bzw. Missbrauch: Sie können zu rein selbstbezogener Aufgabenstellung verfüh-ren, zu losgelöster und abgeschotteter Binnendiskussion innerhalb der Disziplin, zu Reputations- und Mittelzuwei-sung ausschließlich über mathematisch quantifizierbare Forschungs ergebnisse – zu Lasten von gesellschaftlich wert-vollen Prob lemstellungen und Lösungsbeiträgen oder zu Lasten einer hochwertigen Bildungsaufgabe in der Lehre. Der aka demische „Elfenbeinturm“ ist das Sinnbild dieser über-zogenen Entwicklung.

In der Reaktion auf dieses Bild und angesichts von Ver-knappung natürlicher Ressourcen, von Energiewende und der Notwendigkeit zur Dekarbonisierung, von demographi-schem Wandel und der Digitalisierung umfassender Lebens-bereiche etc. sind die Erwartungen der Zivilgesellschaft massiv gestiegen: Von Hochschulen und Universitäten mit ihrer intellektuellen Kraft und ihrem beständigen Zustrom an jungen Studierenden, neuen Ideen und neuem Sauerstoff werden qualitativ hochwertige und methodisch gesicherte Beiträge und Lösungsansätze erwartet. Mit ihrer Fähigkeit zu „respektloser“, grenzüberschreitender Diskussion sind Hoch-schulen ein idealer „Wirk-Ort“ für einen zivilgesellschaftlich engagierten, mutigen und sozial verantwortlichen Diskurs über die besten Ideen für eine gemeinsame Zukunft.

Staat und Steuerung >>> Vielfalt und TransparenzDie Zahl der Schulen in nicht-staatlicher Trägerschaft in Deutschland – Grund-, Sekundarschulen und Gymnasien – ist im vergangenen Jahrzehnt um etwa die Hälfte gestiegen; sie liegt mit etwa zehn Prozent an der Gesamtzahl aller Schü-lerInnen und Schulen jedoch noch deutlich unter dem Durch-schnitt der OECD-Länder. Während das gesellschaftliche Au-genmerk zunehmend der Frage gilt, wie bei einer weiteren Zunahme dieses Anteils die Chancengerechtigkeit für alle SchülerInnen nicht nur gewahrt, sondern verbessert werden kann, ist die wachsende Trägervielfalt unter den Schulen ein willkom mener Motor für Bildungsdynamik und pädagogi-sche Innovation.

Im tertiären Bildungssektor verzeichnet Deutschland eine ähnliche Dynamik: Wurden 1980 noch nahezu alle Hochschulen und Universitäten von den jeweiligen Bundes- ländern betrieben, verwaltet und gesteuert, so sind 2016 über 160 von insgesamt 400 Hochschulen und Universitä-ten – also 40 Prozent – in nicht-staatlicher Trägerschaft. Die meisten dieser Hochschulen sind noch jung und klein. Ent-sprechend niedrig ist mit bislang sieben Prozent der Studie-rendenanteil; er wächst jedoch rasch: Die häufig attraktiven Studienbedingungen, verbunden mit hoher Praxisnähe und spezifischem Berufszuschnitt, führen zu einem steigenden Wettbewerb im Hochschulsystem, der durch die unterschied-lichen Phasen der staatlichen „Exzellenzinitiativen“ weitere Schubkraft erhält.

Für das Selbstverständnis vieler Hochschulen und Uni-versitäten erweist sich die zunehmende Ausdifferenzierung und Transparenz als hilfreich: Sie müssen sich darüber klar werden und herausarbeiten, „wer sie sind“. Und sie müssen sich positionieren: als effiziente, praxisnahe und zunehmend auch netzbasierte „Durchlauferhitzer“ für einen raschen Be-rufseinstieg; als Labore der (Spitzen-) Forschung mit dem Fokus auf Wissenschaft und Erkenntnisfortschritt; als leis-tungsstarke Anbieter dualer Ausbildungswege und Weiter-bildungsangebote; als „Humboldtianer“, die Lehre und For-schung auf Augenhöhe zu verbinden suchen.

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standardisiert >>> individuellWar eine Tendenz im deutschen Bildungssystem der Nach-kriegsjahrzehnte, ein möglichst gleiches curriculares Aus-bildungs-, Schul- und Hochschulangebot über Bundesländer-grenzen hinweg von Kiel bis Passau anzubieten, so ist dieser Ansatz seit den späten 90er Jahren an den Hochschulen in eine „Explosion der Vielfalt“ übergegangen: In gut 17 000 unterschiedlichen Bachelor-, Master- und Staatsexamens- Studiengängen werden heute höchst unterschiedliche Bil-dungsangebote zusammengeschnürt, die – in Schwerpunk-ten, Programmen, Zentren, Fakultäten gebündelt – zu ebenso differenzierten Hochschul- und Universitätsprofilen führen.

Angereichert durch ein unterschiedliches Ausmaß an Praxiserfahrung und -reflexion – v. a. an Fachhochschulen – kommen zwei weitere Entwicklungen bzw. Dimensionen hinzu:

Zum einen führt die seit etwa einem Jahrzehnt in Deutschland rasch gestiegene Zahl an Studierenden bei na-hezu gleichbleibendem Personal dazu, dass an den meisten staatlichen Hochschulen der persönliche Dialog zwischen ProfessorIn und Studierenden – zumindest auf Bachelor- Niveau – nahezu ausbleibt. Die durchschnittlichen Betreu-ungsverhältnisse (Studierende je ProfessorIn) von ca. 80 : 1 an staatlichen Hochschulen und Universitäten werden sich zeit-nah nicht ändern.

Diese Entwicklung beschleunigt ein ganz neues digi-tales Bildungsfeld, das ebenfalls „in Explosion begriffen“ ist: digitale Lernplattformen, die es erlauben, z. T. interaktiv hoch ausdifferenziert und bislang kostenfrei die gewünsch-te Fachvorlesung bei den international renommiertesten ProfessorInnen zu jeder Tages- und Nachtzeit zu verfolgen. Der Lernprozess wird entpersonalisiert – und gleichzeitig in-dividualisiert: Ich suche mir im Netz das für meine Bedürf-nisse passende Thema, die interessantesten LehrerInnen, die intelligentesten KommilitonInnen (gemessen an den bereits eingebrachten Verständnisfragen, Diskussionsbei-trägen etc.). Die Nutzer-Raten der großen, bislang überwie-gend US-amerikanischen Lernplattformen (EdEx, Coursera; udacity – gegründet und betrieben von den finanzstarken Elite-Universitäten an Ost- und Westküste) steigen zurzeit

exponentiell. Welchen dauerhaften Mehrwert sie mit wel-chem Geschäftsmodell erzielen werden, ist noch offen.

Die zunehmende Digitalisierung des Lehrens und Ler-nens vollzieht sich auch in neuen Weiterbildungsformaten, die es zu denken und umzusetzen gilt. Berufstätige Erwach-sene – die primäre Zielgruppe der Weiterbildung – haben wenig Zeit. Attraktive Weiterbildungsangebote, die den Teil-nehmerInnen neben fachlichen Qualifikationen auch die Möglichkeit zur Persönlichkeitsentwicklung bieten, müssen in besonderer Weise auf individuelle Bedürfnisse und gesell-schaftliche Entwicklungen sowie den technologischen Fort-schritt reagieren und abgestimmt sein.

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UNIVERSITÄT WITTEN/HERDECKE

Wo wir heute stehen.

Ausgangspunkt 2016

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Was kommt bis 2020?

Neuland betreten.

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2. Universität Witten/Herdecke Wie wir gewesen sein wollen

Wer wir sind. Wofür wir stehen. Ausgangspunkt 2016.

Auf der Basis ihrer Grundwerte „Wahrheit, Freiheit und Sozi-ale Verantwortung“ zählt die UW/H als erste Universität der Bundesrepublik in privater Trägerschaft heute zu den wich-tigen Impulsgebern im Bildungswesen unseres Landes. Dem Auftrag, innovative Impulse in eine sich immer weiter aus-differenzierende Wissensgesellschaft zu setzen, fühlt sich die UW/H weiterhin verpflichtet. Diese Innovationskraft kommt in den Themen, Forschungsschwerpunkten und skizzierten gesellschaftlichen Handlungsfeldern, die die Universität Witten/Herdecke in Ihren Fakultäten aufgreift, zum Ausdruck. Und so nimmt sie auch ihren Bildungsauftrag wahr.

Der Verantwortungsbegriff bildet den Identitätskern und steht für das Grundmuster in der Architektur der Uni-versität. Er findet sich in der Verfasstheit der akademischen Organe; in der Finanzierung der Universität, die zu knapp 90 Prozent auf eigener Ertragskraft beruht; in der Auswahl der Studierenden genauso wie im Curriculum der einzelnen Studiengänge. Die UW/H bildet nicht für das bloße Funk-tionieren in eng gefassten, professionellen Arbeitszusam-menhängen aus. Sie fördert die Ausprägung von Persönlich-keiten, die sich in Eigenverantwortung um die Entfaltung ihres Begabungspotenzials bemühen: Die UW/H fördert, for-dert und erwartet von jeder/m Studierenden eine kommu-nikative, reflexive oder künstlerische Auseinandersetzung jenseits der Grenzen des eigenen Fachgebietes. Eine Grenz-überschreitung, die durch die Teilnahme aller Fakultäten am Studium fundamentale, das seit drei Jahrzehnten für ein universitäres Verständnis von Bildung statt Ausbildung steht, immer auch interdisziplinär geprägt ist. Dabei erwer-ben die Studierenden ein Können, eine Handlungskompe-tenz, ein Problemlösungsrepertoire, das es ihnen ermöglicht, in ihren jeweiligen beruflichen Kontexten begründet Ver-antwortung zu übernehmen. Für diesen spezifischen Wittener „Bildungsweg“ schafft die Universität in all ihren Studiengängen die erforderlichen Rahmenbedingungen.

In ihrem Wissenschaftsverständnis fühlt sich die Uni-versität nicht ausschließlich den in einzelnen Forschungs-disziplinen selbst geschaffenen Leistungs- und Qualitäts-standards verpflichtet, die in den jeweils führenden

Publikationsorganen dokumentiert werden. Diese sind selbstverständlich wichtig und in den Forschungsprozessen wie auch in den universitären Professionalisierungswegen handlungsleitend. Die UW/H orientiert sich in ihrem trans-disziplinären wissenschafts- wie bildungspolitischen Selbst-verständnis auch an den Wirkungsbeiträgen zu wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen in Politik, Wirtschaft, Gesundheit und Kultur.

Die UW/H greift zentrale Themen, die mit den aufge-zeigten Vektoren die Zukunft der Bildung prägen werden, mit ihrer Grundkonzeption und in ihren Studiengängen in Gesundheit, Wirtschaft und Kultur auf.

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GESUNDHEIT

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ORGANISATION

Hart erarbeitet und kostbar zu bewahren: Wirtschaftliche Stabilität.

Neben einer vielversprechenden inhaltlichen Aufstellung besitzt die Universität eine solide wirtschaftliche Grundlage.

Betrachtet man den privaten Hochschulsektor in Deutschland, sieht man, dass dies nicht selbstverständlich ist. Gerade für eine Universität in nicht-staatlicher Träger-schaft, die neben exzellenter Lehre auch überzeugende For-schungsleistungen anstrebt und gleichzeitig kostenintensi-ve Studiengänge wie Medizin und Zahnmedizin anbietet, ist es herausfordernd, ein tragfähiges Geschäftsmodell zu ent-wickeln. Diese komplexe Aufgabe ist auf sehr gutem Weg: Nach 2013 und 2014 verzeichnet die Universität auch in 2015 einen leichten Überschuss und plant für die kommenden Ge-schäftsjahre bis 2019 ausgeglichene Haushalte. Die Univer-sität ist schuldenfrei und verfügt über eine wirtschaftliche Stabilität, die maßgeblich auf folgenden Eckpfeilern fußt:

1. Langfristige finanzielle Absicherung der Universität Seit 2009 ist die Universität Witten/Herdecke durch eine

unbefristete Bürgschaft der neuen Hauptgesellschafterin Software AG - Stiftung (SAGST) in Höhe von 10 Millionen Euro abgesichert. Dieser Betrag wird bis zum Jahr 2020 angesichts der raschen Größenentwicklung der UW/H auf 20 Millionen Euro aufgestockt.

2. Stärkung der eigenen Ertragskraft Mit der Verdoppelung der Studierendenzahl bis 2016

auf rd. 2300 Studierende und mit einer maßvollen Er-höhung der Studienbeiträge liegt diese Etatposition bei ca. 10 Millio nen Euro und rund 25 Prozent des universi-tären Haushalts. Ein weiterer Ausbau auf ca. 30 Prozent ist innerhalb der nächsten fünf Jahre vorgesehen. Mit dem Bereich Fort- und Weiterbildung wird eine weitere Ertrags quelle ausgebaut.

3. Weiterentwicklung des Umgekehrten Generationen­vertrages (UGV)

Das bundesweit einmalige Solidarmodell des Umgekehr-ten Generationenvertrages ermöglicht die nachgelager-te Bezahlung des Studiums ohne jedes Risiko – und damit

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den Zugang der begabtesten jungen Menschen zur Uni-versität Witten/Herdecke, unabhängig vom familiären bzw. finanziellen Hintergrund. Die Zwischenfinanzierung sowie die gesamte Administration für dieses Modell er-folgen durch die Studierenden selbst – auch dies ist ein-malig. Im Jahr 2014 wurde dafür erfolgreich eine Anleihe an der Wertpapierbörse Düsseldorf emittiert.

4. Absicherung des Universitätsetats durch zusätzliche, diversifizierte Einnahmequellen

Erträge aus Spenden und Stiftungen, aus Forschungsför-derung, aus Drittmitteln, aus universitären Kooperati-onen ergänzen die genannten Einnahmequellen. Diese Diversifizierung auf der Einnahmenseite bedeutet eine Streuung des „Unternehmens-Risikos“ – mit der Konse-quenz, dass Einnahmenrückgänge in Einzelpositionen des Haushaltes aus anderen Quellen gegebenenfalls kompen-siert werden können. Auch in Zukunft bleibt eine Kern-aufgabe, für die UW/H als Ganzes wie auch für einzelne Themenfelder Förderer und Wegbegleiter zu gewinnen, die die Universität bei ihren Entwicklungsaufgaben und ihren Wirkungsbeiträgen in Lehre, Forschung und Gesell-schaft tatkräftig unterstützen.

In diesem Sinne ist die wirtschaftliche Stabilität Sicherheit und Auftrag zugleich.

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Was bis 2020 kommt. Neuland betreten. Die Universität Witten/Herdecke will eine Universität sein und bleiben, die sich um das individuelle Entwicklungspoten-zial jeder/s Einzelnen bemüht, die es fördert und fordert – in Freiheit und sozialer Verantwortung. Sie will eine unterneh-merische Universität sein und bleiben, die ihren Mitgliedern etwas zutraut, die neue Wege geht und die gesellschaftlich vorrangige und brennende Themen couragiert anpackt. Eine Universität, die in zukünftigen Aufgaben als Bildungspio-nier ihre Lernfähigkeit immer wieder neu unter Beweis stellt. Eine Universität, die Raum gibt zur Entfaltung von Talent und zur Entwicklung von Persönlichkeit. Eine Universität, an der es nicht nur Freude macht zu studieren, sondern auch zu for-schen und zu arbeiten.

Eine Universität, die in ihren heutigen Kernbereichen Ge-sundheit, Wirtschaft und Kultur einen Ruf als Ort des leben-digen Ideenwettstreits, der wirkungsvollen Lernformen und des interdisziplinären wissenschaftlichen Diskurses genießt.

Und schließlich: eine Universität, die mit einer ausge-prägt unternehmerischen Grundhaltung ihren Beitrag zum Gemeinwohl und zu Lehre, Forschung und Praxis einer ge-sellschaftlichen Transformation zu maximieren sucht.

Vom Standpunkt 2016 aus betrachtet und mit Blick auf die universitäre Zukunft bis 2020: Was fehlt? Was sind die Herausforderungen? Was ist zu tun?

Vier Kernaufgaben sind gesetzt, die sich in unterschied- licher Ausprägung auch in den Fakultäten widerspiegeln.

WachstumDeutschlands Universitätslandschaft ist vielseitiger, hetero-gener, bunter – und größer geworden: Langfristige Tenden-zen – wie die zunehmende Studierfreudigkeit – gekoppelt mit Sondereffekten des Wegfalles der Wehrpflicht und doppel-ter Abiturjahrgänge haben zu einem dramatischen Anstieg der Studierendenzahlen in ganz Deutschland geführt. Die Re-kordzahl der Neuanfänger in 2015 wird – wenn überhaupt – nur langsam wieder abnehmen.

Auch Witten wächst rasch. Innerhalb von gut fünf Jahren hat die Universität die Zahl ihrer Studierenden ver-doppelt. Mit allen Chancen und Risiken, die dies in sich trägt: große Innovationskraft und Dynamik mit neuen Studien-

Unser Beitrag. Was wir bewirken wollen. Die Universität Witten/Herdecke ist nicht nur aktiver Teil der Gesellschaft, sie versteht sich nicht nur als kritisch-wache, „feinsinnige“ Beobachterin, sondern auch als Motor von Ver-änderung, Reform und Transformation: Mit diesem Auftrag wirbt sie in Lehre und Forschung um talentierte Studierende und begeisternde ProfessorInnen, um tatkräftige Mitarbeite-rInnen und um engagierte Förderer.

In ihrer unternehmerischen Konstitution setzt die Uni-versität ein Beispiel für gemeinnütziges Engagement und für das erfolgreiche Zusammenwirken zivilgesellschaftlicher Akteure mit staatlichen Instanzen: So werden seit drei Jahr-zehnten hochwertige öffentliche „Bildungsgüter“ in Lehre und Forschung mit wirtschaftlich effizientem Ressourcen-einsatz generiert. Die begrenzte staatliche Beteiligung ist in diesem Sinne auch eine Wertschätzung des universitären Wirkens für die res publica.

Angesichts weiterhin knapper öffentlicher Mittel, die bei stark gestiegenen Studierendenzahlen für Bildung und Wis-senschaft zur Verfügung stehen, zeigt die UW/H mit dem „Umgekehrten Generationenvertrag“, dass akademische Bil-dung finanzierbar bleibt, ohne Studieninteressierte aus finan-ziell schwächeren Familien zu benachteiligen: Hier leistet die Universität einen zukunftsweisenden Beitrag zur bildungs-politischen Inklusion in einer Gesellschaft, in der die Lebens-chancen ganz eindeutig durch Bildungsabschlüsse verteilt und gesellschaftliche Ungleichheiten stetig größer werden.

Nur durch die Energie und den Einsatz aus der Zivilge-sellschaft hat die Universität gegründet werden können. Und in größter Vielfalt wird dieser Einsatz zurückgegeben – in Form zahlloser studentischer Initiativen: zur Förderung benachteiligter Schulkinder, zum Ausbau der Ärzteausbil-dung in Albanien, zur Integration vieler hundert Flüchtlinge in der Stadt Witten, zur medizinischen und zahnmedizini-schen Behandlung von Obdachlosen. Die Liste der hierfür verliehenen Preise und Auszeichnungen aus der Zivilgesell-schaft ist lang – und wächst weiter.

Dabei besteht der Beitrag der UW/H darin, sowohl die bildungspolitischen als auch gesellschaftspolitischen The-men aufzugreifen, Raum für deren kritische Diskussion zu schaffen und zu beherztem, engagiertem und wirksamem Handeln zu ermutigen.

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Profil der Universität voraus. Die Eckpunkte dieses Profils – Verantwortung, Reflexion, Praxisnähe, Interdisziplinarität in Gesundheit, Wirtschaft und Kultur – sind für die UW/H gesetzt. Eine weitere Differenzierung in den jeweiligen Stu-diengängen ist zu erarbeiten und besser sichtbar zu machen: das heißt Neues erproben und anderen zugängig zu machen.

Bildung digitalDass die Digitalisierung weite Teile des globalen Wirtschafts-lebens nicht nur beeinflusst, sondern vielfach geradezu um-krempelt – ist als Erkenntnis angekommen und akzeptiert in der Gesellschaft. Wie stark, wie rasch und wie prägend diese Auswirkungen auf Lernen und Lehren, auf Prüfen und For-schen sein werden – ist noch nicht ganz so offensichtlich. Unbestritten ist jedoch, dass die Möglichkeiten des digita-len Wissens- und Kompetenzerwerbs erst am Anfang stehen; dass in Zeiten von Smartphone, Tablet und Laptop nahezu jeder und jede ein Lerninstrument in der Hosentasche oder auf dem Schoß hat. Und dass es sehr heterogene, individuali-sierte Kombinationen von persönlichem Lernen in Gruppen, mit LehrerInnen, ProfessorInnen und PraktikerInnen auf der einen Seite und ausdifferenzierten Onlineangeboten auf der anderen Seite geben wird.

Die UW/H hat ihre ausgeprägten Stärken bisher im di-rekten Dialog, in der persönlichen Begegnung, in der unmit-telbaren Reibung und Auseinandersetzung. Diese Stärken wird sie nur erhalten, weiterentwickeln und ausbauen kön-nen, wenn sie die neuen digitalen Lehr- und Lernpotenziale erkennt, begreift und in die universitäre Zukunft mitzuneh-men versteht.

Es gilt, Neuland zu betreten. Einmal mehr.

gängen, ProfessorInnen, MitarbeiterInnen und Studierenden auf der einen Seite – großer Platzbedarf, beginnende Raum-knappheit, kaum ausreichende kulturelle und inhaltliche Adaptation und Vernetzung auf der anderen Seite.

Eine Kernaufgabe der nächsten fünf Jahre: in Phasen raschen Wachstums, in Zeiten immer kürzer werdender Studiendauer als Bildungsinstitution nicht atemlos zu werden, sondern Identität zu bewahren, sich weiterzu ent-wickeln und keine Scheu vor notwendiger Begrenzung zu haben.

Förderung nach BildungsleistungNeben einer hochwertigen Bildungsleistung in den Fakul-täten für Wirtschaft und Kultur „produziert“ die Universität Witten/Herdecke auch jährlich etwa 200 hervorragend aus-gebildete Ärzte, Zahnärzte, Psychologen und Pflegewissen-schaftler für ein ausgesprochen „enges“ Arbeitsmarktsegment im deutschen Gesundheitswesen und v. a. in NRW. Für den Haushalt der Universität bedeutete dies in den Jahren 1995 bis 2015 einen stabilen Finan zierungsbeitrag der Landesre-gierung in Höhe von 4,5 Millionen Euro p. a. oder 11 Prozent des aktuellen Universitätsetats. Angestrebt bis 2020 ist eine Weiterentwicklung dieses hochwertigen Qualifizierungs- beitrages für das nordrhein-westfälische Gesundheitswesen, der entsprechend seiner Bildungsleistung an erkannt und honoriert wird.

ProfilMotiviert durch eine freier gewordene Landesgesetzgebung in vielen Bundesländern, herausgefordert durch eine Viel-zahl nicht-staatlicher Hochschulgründungen und individu-ell beflügelt durch die Exzellenzinitiative haben viele staatli-che Universitäten an Autonomie und Profil hinzugewonnen. Ein in den 80er und 90er Jahren allenfalls moderater Wettbe-werb um die besten ProfessorInnen, um die talentiertesten Studierenden und um essentielle Drittmittel ist deutlich in-tensiver geworden.

In diesem Wettbewerb nicht nur erfolgreich zu bestehen, sondern Motor und Innovator zu sein, setzt ein klares Selbst-verständnis und ein öffentlich erkennbares, wirk sames

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3. Gesundheit, Wirtschaft, Kultur: Die Fakultäten der Universität Witten/Herdecke

vom Zukunftsbild zur Zielsetzung in vier Teilschritten.

1. Die Fakultäten der UW/H der Zukunft wie wir die Welt sehen

2. Unsere Aufstellung heute wofür wir stehen

3. Unser Beitrag was wir bewirken wollen

4. Unser Weg bis 2020 was wir uns vornehmen

Anhand einer Analyse der heutigen gesellschaftlichen Her-ausforderungen wird im jeweiligen Themenfeld der Fakul-täten eine Zukunftsperspektive in Form von kurz gefassten Entwicklungsvektoren skizziert: Was ist bis in die Gegenwart entstanden? Vor welchen Herausforderungen stehen wir? Welche Gestaltungspotenziale bestehen?

Darauf aufbauend wird jede Fakultät vorgestellt – so-wohl organisatorisch („unsere Aufstellung heute“) als auch

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inhaltlich („wofür wir stehen“). Anschließend wird aufge-zeigt, welchen spezifischen Beitrag jede Fakultät in ihrem Themenfeld zu den umrissenen gesellschaftlichen Problem-stellungen leisten kann und will. Schließlich macht der vier-te Abschnitt („unser Weg bis 2020“) deutlich, welcher kon-kreten Umsetzungen es innerhalb der Fakultäten bedarf, um für die anstehenden Aufgaben und Ziele bestmöglich aufgestellt zu sein.

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3.1 Gesundheit Bleibt im Mittelpunkt: der Mensch.

Die Gesundheit der ZukunftWie wir die Welt sehen …

akut >>> chronisch Die Lebenserwartung in den westlichen Industrienationen ist im vergangenen Jahrhundert rasant gestiegen – und sie steigt kontinuierlich weiter.

Die Lebenszeit, die wir mit chronischen Erkrankungen – Diabetes, Bluthochdruck, grauer Star etc. – verbringen, wächst: Bei den über 70-Jährigen hat über ein Drittel der deutschen Bevölkerung fünf oder mehr Krankheitsdiagno-sen. Im Bundesdurchschnitt aller 70-Jährigen nimmt jeder Bürger täglich drei unterschiedliche Medikamente ein. Im-mer weniger steht damit die Heilung von Krankheiten im Mittelpunkt der Gesundheitsversorgung, sondern vielmehr der Erhalt von möglichst viel Lebensqualität, abhängig von der individuellen biographischen Situation.

stationär >>> ambulantDie durchschnittliche Verweildauer eines Patienten in deut-schen Krankenhäusern hat sich seit 1990 von knapp 14 auf etwa sieben Tage nahezu halbiert. Und sie wird weiter ab-nehmen. Parallel dazu wächst der Behandlungsanteil im ambulanten Bereich, der von den PatientInnen im Rahmen von Vorbereitung, Diagnostik, Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation genutzt wird – und es wächst die Zahl pflege-bedürftiger PatientInnen zu Hause und im Heim. Lehre und Forschung in den Gesundheitsberufen, insbesondere in der Medizin, Zahnmedizin und Pflege, sind jedoch über die aka-demischen Fakultäten und deren hochspezialisierte Universi-tätskliniken weiterhin in hohem Maße an klinisch-stationäre Einrichtungen gekoppelt: Ein großer Teil von Ausbildung und Wissenschaft findet heute in Einrichtungen statt, die immer weniger repräsentativ für die Gesundheitsversorgung der Zukunft sind.

Zunehmend fehlt der Blick auf jene Versorgungspro-zesse, die eine engere Kooperation zwischen den stationä-ren Bereichen und den ambulanten Versorgungsleistungen erfordern.

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spezialisiert >>> interdisziplinär vernetztAn einer guten Betreuung komplex chronisch Erkrankter ist häufig eine Vielzahl von Professionen beteiligt. Parallel zu den raschen Erkenntnisfortschritten in der Wissenschaft schreitet die Ausdifferenzierung der Gesundheitsberufe wei-ter fort. Neben den allein 45 Gebietsbezeichnungen in der Humanmedizin und den fünf Spezialisierungen in der Zahn- Mund- und Kieferheilkunde sind seit 1990 über 100 neue Gesundheitsberufe entstanden. Mit diesen professionellen Spezialisierungen nehmen unweigerlich auch die Verstän-digungsprobleme zwischen den einzelnen Akteuren in der Versorgungskette zu.

Aus Sicht der PatientInnen wächst die Vielfalt der Ange-bote und Möglichkeiten; aber auch der Bedarf nach Zusam-menführung von Detailwissen, nach zugänglicher Beratung und Interpretation, nach interdisziplinärer Vernetzung der Gesundheitsberufe untereinander.

stratifiziert >>> personenzentriertErkenntnisse aus molekularbiologischer und genetischer Grundlagenforschung erlauben eine zunehmend differen-ziertere und spezifischere („personalisierte“) Patientenbe-handlung. Das Potenzial dieser Forschung für eine moderne Gesundheitsversorgung ist groß: Entsprechend rasch wächst der Biotechnologiesektor. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass auch die Fülle von wichtigen neuen Erkenntnissen aus der Molekularbiologie die Fragen zur kulturellen, psycholo-gischen und spirituellen Dimension von Krankheit und Ge-sundheit nicht beantworten wird und dass in diesem Bereich eine eigenständige wissenschaftliche Auseinandersetzung unabdingbar bleibt.

Die molekularbiologischen und genetischen Forschun-gen erlauben eine auf die Besonderheiten des einzelnen Individuums zugeschnittene Behandlung. Diese Individuali-sierung ersetzt aber nicht das Einbeziehen der persönlichen, emotionalen, sozialen und psychischen Gegebenheiten des PatientInnen inklusive seiner/ihrer spirituellen Dimensionen.

Ein humanistisch orientiertes, personenzentriertes Gesundheitssystem braucht die naturwissenschaftlich aus-gerichtete Grundlagenforschung genauso wie ein sozial- und geisteswissenschaftliches Verständnis der immateriellen Dimensionen des Menschseins.

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„Medizin-Monarchie“ >>> „Gesundheits-Demokratie“Der Wunsch nach Mitentscheidung, Selbstbestimmung und Autonomie in der Zivilgesellschaft wächst – in Fragen zu wichtigen Verkehrsprojekten, in der Selbstorganisation von Gemeinden und Kommunen, in der Ausgestaltung moder-ner Energieversorgung. Das gilt in besonderem Maße für den Gesundheitssektor: Die ärztliche Spezialkenntnis als alleini-ger Maßstab und wichtigste Voraussetzung für medizinische bzw. Gesundheitsentscheidungen nimmt an Bedeutung ab. Parallel dazu wächst die Transparenz des wissenschaftlichen Fortschritts und die Digitalisierung medizinischen Wissens in allen Bereichen des Gesundheitssystems: Jede neue Informa-tion ist den PatientInnen oft genauso schnell verfügbar wie den behandelnden Professionen – bei häufig nicht vorhande-ner Urteilskraft. Information, Aufklärung und gemeinsame Entscheidungsfindung werden auf dem „Gesundheitsmarkt“ erwartet, finden jedoch in der Ausbildung und Forschung noch zu wenig Raum. Das wachsende Bedürfnis nach einer „Zweitmeinung“ ist ein Indiz für diese Entwicklung.

Gesundheitliche Problemstellungen können nicht mehr von einer einzelnen Disziplin gelöst werden. Die Zusammen-führung unterschiedlicher Wissensträger ist eine der grund-legenden Erfordernisse der Zukunft.

Eine zunehmende „Wissenstransparenz“ eröffnet die Chance, die PatientInnen sehr viel mehr als bislang als aktive Partner (mitverantwortlich) für ihren eigenen Heilungsprozess zu sehen und sie dementsprechend auch einzubeziehen.

Technologie und Überversorgung >>> Zuwendung und UnterversorgungIn den kommenden Jahrzehnten werden die deutschen So-zialsysteme insgesamt – und damit auch das Gesundheits-wesen – die Erwirtschaftung von immer mehr Leistungen auf immer weniger Schultern verteilen müssen. Daraus folgt zunächst die Frage: Was ist uns eine umfassende garantier-te Gesundheitsversorgung wert – im Vergleich zu anderen Gemeinschaftsaufgaben wie Bildung, Infrastruktur, Innere Sicherheit etc.?

Dabei zeigt sich, dass bereits heute in mehreren kostenintensiven und häufig technologie-getriebenen Gesundheits- und Medizinbereichen eine „Überversorgung“ existiert, die für viele PatientInnen nicht hilfreich ist. Und andererseits eine „großflächige Unterversorgung“ in Bezug auf „weiche“ Faktoren wie verständnisvolle Aufklärung, Palliativ-Versorgung, häusliche Betreuung und bedarfsge-rechte Pflege. Die Bereitstellung von Versorgungsleistungen folgt nur zum Teil dem tatsächlichen Bedarf der Bürgerin-nen und Bürger. Die diesbezüglichen Investitionen und Aus-baumaßnahmen werden vielfach durch andere Logiken sti-muliert und führen durch „falsch“ gesetzte Anreize zu einer Fehlsteuerung. Auch bei entsprechend konsequenter Hand-lung bezüglich dieses Missverhältnisses: Eine Priorisierung von Leistungen, wie sie auch in anderen Industrienationen bereits erfolgt, wird Schritt für Schritt auch im deutschen Gesundheitssystem Einzug halten.

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Unsere Aufstellung heuteWofür wir stehen …

Die Fakultät für Gesundheit vereint als einzige Fakultät in Deutschland die vier Disziplinen „Humanmedizin“, „Zahn- medizin“, „Pflegewissenschaft“ und „Psychologie“ in Form von Departments unter einem Dach. Die Erwartung an diese Konzeption war und ist, dass die Zukunftsthemen einer mo-dernen Gesundheitsversorgung in der Interdisziplinarität und Interprofessionalität eines gemeinsam verantworteten aka-

demischen Raumes intensiver und überzeugender bearbeitet werden können. Das jüngste und vierte Department für Psy-chologie und Psychotherapie hat seine Arbeit in der Gesund-heitsfakultät mit der Einführung des Bachelor-Studiengangs 2012 sowie des Master-Studiengangs 2013 aufgenommen. Auch die über Witten hinausgehenden Standorte der Fakultät – das HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal, das Universi-tätsklinikum Köln-Merheim und weitere kooperierende Kli-niken – stehen für die Perspektivenvielfalt und damit für die Erweiterung des Lösungsraumes zur Bearbeitung der anste-henden Herausforderungen der Gesundheitsversorgung.

Für die neu formierte Fakultät für Gesundheit wurde der Forschungsschwerpunkt „Integrative und personenzen-trierte Gesundheitsversorgung“ etabliert. Der Schwerpunkt wird durch das Zentrum für biomedizinische Ausbildung und Forschung (ZBAF), das Zentrum für klinische Studien (ZKS-UW/H) sowie das Interdisziplinäre Zentrum für Versor-gungsforschung (IZVF) institutionell gestärkt.

Vier Departments. Eine Gesundheitsfakultät.Im Department für Humanmedizin ist die Lehre durch das konsequent umgesetzte Problemorientierte Lernen und eine dezentrale und praxisnahe Ausbildung in allen Versor-gungsstufen des Gesundheitssystems profiliert. Das beglei-tende Studium fundamentale ordnet die naturwissenschaft-liche Ärzteausbildung in den humanistisch-philosophischen Koordinaten eines ganzheitlichen Menschenbildes ein. Dies ist ein Alleinstellungsmerkmal der UW/H, das sich schlag-wortartig in der Formel „Ärzte statt Mediziner“ fassen ließe. Die klinischen Standorte mit den Campi Köln-Merheim und Wuppertal wurden durch die Zentralisierung der Lehrstühle als Kliniken der Universität Witten/Herdecke akademisch weiter ausgebaut. Ihnen wurde das Recht verliehen, die Bezeichnung „Universitätsklinikum“ zu führen. Die inter-professionelle Arbeit wird u. a. am fakultätsübergreifenden, multiprofessionellen Studiengang „Versorgung von Men-schen mit Demenz und chronischen Einschränkungen“ deutlich.

Das innovative PhD-Programm Biomedizin ist erstmals in die Facharztweiterbildung für MedizinerInnen und Zahn-medizinerInnen integriert worden.

Humanmedizin

Zahn-, Mund- u. Kieferheilkunde

Pflege- wissenschaft

Psychologie und Psychotherapie

Departments Standorte

UW/H Campus und Stockumer Str. Zahnmedizinisch- Biowissenschaftliches Forschungs zentrum

HELIOS Universitäts- Klinikum Wuppertal

Universitäts- klinikum Köln-Merheim

Gemeinschafts- krankenhaus Herdecke Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln

Psycho- therapeutische Ambulanz Lehrpraxen Witten und Umgebung Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen Dialog- und Transferzentrum Demenz Kooperative Einrichtungen der Pflegewissenschaft

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Das Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist mit einem praxisnahen und patientenzentrierten Studien-gang ausgewiesen. Seit 2010 wurden drei vakante Lehrstühle neu besetzt. Damit sind alle Lehrstühle mit forschungsaktiven und bis auf eine Ausnahme (LST für biologische und material-kundliche Grundlagen der Zahnmedizin) zahnärztlich täti-gen Wissenschaftlern besetzt. Zusätzlich wurde im Jahr 2015 ein Stiftungslehrstuhl für die Behandlung von Menschen mit Behinderungen eingerichtet und besetzt. Im Rahmen dieses im deutschsprachigen Raum einmaligen Lehrstuhls werden Präventions- und Versorgungsstrukturen für Menschen mit Behinderungen wissenschaftlich bearbeitet.

In der Lehre der vorklinischen Fächer werden inhalt-liche und konzeptionelle Synergien mit der Humanmedizin, Pflegewissenschaft und Psychologie genutzt. In der For-schung entstehen zunehmend Koopera tionen mit Human-medizin und Psychologie.

Das Department für Pflegewissenschaft ist mit heraus ragenden Forschungsaktivitäten ausgewiesen; das PhD-Programm und das Doktorandenkolleg mit rund 100 Promoven dInnen ist ein Beleg dieser hohen Forschungsex-pertise. Inzwischen wurden 20 AbsolventInnen der Program-me auf Professorenstellen im In- und Ausland berufen: In der noch jungen Disziplin Pflegewissenschaft ist das Depart-ment „Produzent und Lieferant“ für wichtige akademische Führungspositionen. Gemeinsame Forschungsprojekte mit der Human- und Zahnmedizin sowie der Wirtschaftswissen-schaft sind aufgebaut worden. Das Deutsche Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen in der Helmholtz-Gemein-schaft (DZNE) betreibt als Träger am Standort Witten einen viel beachteten Forschungsschwerpunkt zur Versorgung von Menschen mit Demenz.

Der Ausbau des Departments für Psychologie und Psychotherapie ist bereits deutlich fortgeschritten: Der Bachelor- Studiengang Psychologie und Psychotherapie wird halbjährlich angeboten; im Wintersemester 2013/14 ist der Master-Studiengang Klinische Psychologie und Psycho-therapiewissenschaft gestartet. Zudem wurden seit 2012 sechs neue Lehrstühle und Professuren besetzt, die sowohl in grundlagenwissenschaftlicher als auch in angewandter Forschung aktiv sind. Die universitäre psychotherapeutische Ambulanz hat ihren Betrieb aufgenommen.

Unser BeitragWas wir bewirken wollen …

Angesichts der demographischen Entwicklung der deutschen Bevölkerung kommen große sozialpolitische, finanzielle, praktische und ethische Herausforderungen auf das Gesund-heitssystem zu: Den immer komplexeren und technisch diversifizierten Potenzialen von Individualmedizin und -zahnmedizin stehen bereits heute große Defizite in der In-tegration von Gesundheitsleistungen und in der Alten- und Pflegeversorgung gegenüber.

In dieser Problemkonstellation will die Fakultät einen essentiellen Beitrag zur gleichermaßen theoriegeleiteten und praxisnahen (Aus-) Bildung von professionellen und lernfähigen Persönlichkeiten erbringen: ÄrztInnen, Zahn-ärztInnen, PsychologInnen und PflegewissenschaftlerInnen, die mit einer individuellen, integrativen und ganzheitlichen Wahrnehmung ihrer PatientInnen gleichzeitig in der Lage sind, das volle Spektrum der modernen Gesundheitsversor-gung sinnvoll abzu rufen und einzusetzen.

Mit dem Forschungsschwerpunkt „Integrative und personenzentrierte Gesundheitsversorgung“ verfolgt die Fakultät die gleiche Zielrichtung: den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt im Sinne einer nicht nur genetisch in-dividualisierten Behandlung, sondern gleichermaßen auch einer biographisch persönlichen Wahrnehmung des einzel-nen Menschen.

Die Fakultät strebt an, im Bereich der integrativen Ge-sundheitsversorgung eine der führenden und „wirksamen“ europäischen Universitäten in Lehre, Forschung und ange-wandter Praxis zu werden.

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Unser WegWas wir uns vornehmen …

Ausgehend von einer kostbaren thematischen Breite – von der Zahnmedizin bis zur Pflegewissenschaft – und einer eben-so wertvollen akademischen Tiefe (Promotionsrecht zum Dr. med., Dr. rer. medic., Dr. med. dent., Dr. phil., Dr. rer. nat., Ph.D. sowie Habilitationsrecht in allen Departments) bietet die Fakultät für Gesundheit eine hervorragend aufgestell-te akademische Infrastruktur. Um den stetig kürzer werden-den Liegezeiten in stationären Einrichtungen und den grö-ßer werdenden Anteilen ambulanter Medizin und Pflege im Rahmen einer Krankheitsbiographie gerecht zu werden, wird die interdisziplinäre ambulante Gesundheitsversorgung un-ter dem Dach der Fakultät in Lehre und Forschung gestärkt und bis 2020 ausgebaut.

Folgende Aufgaben nimmt sich die Fakultät vor:– Der Auf- und Ausbau von Hochschulambulanzen in

Zahnmedizin, Humanmedizin, Psychologie und Psycho-therapie wird prioritär vorangetrieben.

– Die Forschungseinrichtungen und Infrastrukturen, die den wissenschaftlichen Schwerpunkt „Integrative und personenzentrierte Gesundheitsversorgung“ (IPGV) ermöglichen (IZVF, ZKS-UW/H, ZBAF), werden gestärkt. Ein internes Förderprogramm für Nachwuchswissen-schaftlerInnen wurde eingerichtet; es wird ausgebaut und laufend evaluiert.

– Mit dem Ausbau der Abteilung für Forschungsförderung wird die Einwerbung wettbewerblicher Drittmittel weiter gestärkt.

– Die curricularen Anteile in den jeweiligen Studiengängen der vier Departments, die eine interprofessionelle und gleichzeitig personenzentrierte individuelle therapeuti-sche Vorgehensweise erlauben, werden ausgebaut und vernetzt.

– Weiterentwicklung des Zahnmedizin-Studiums auf der Grundlage der Modellklausel des Zahnheilkundegesetzes.

– Effizienz und Ertragskraft der Zahnklinik werden weiter ausgebaut. Als erste universitäre Zahnklinik strebt die UW/H für die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in 2017 einen ausgeglichenen Haushalt an.

– Im Department für Humanmedizin wird das Konzept des Modellstudiengangs vor dem Hintergrund der geschil-derten Herausforderungen für eine Neubeantragung in 2018 überarbeitet und weiterentwickelt. Bereits zeitnah wird ein neues Programm zur Stärkung der Kompetenzen zur wissenschaftlichen Arbeit eingeführt. Eine weiterge-hende studienbegleitende Schwerpunktbildung in der klinisch-praktischen Medizin einerseits und der wissen-schaftlichen Medizin andererseits wird projektiert. Auch der vermehrte Einsatz elektronischer Lernmedien ist vor-gesehen.

– Das neu eingeführte Mentoringprogramm für Studieren-de der Humanmedizin wird ausgebaut und wissenschaft-lich evaluiert.

– Das Department übernimmt Ausbildungsleistungen im Bereich der Humanmedizin auch für Bedarfe in anderen Bundesländern.

– Das Department für Pflegewissenschaft wird angesichts der in Zahl und Größe rasch gewachsenen Ausbildungs-einrichtungen in Deutschland restrukturiert und ver-stärkt auf den weiterhin hohen Bedarf an qualifizierter Lehr- und Forschungsinfrastruktur und hochwertiger Forschungsleistung ausgerichtet.

– Der personelle Aufbau des Departments für Psychologie und Psychotherapie wird Ende 2016 planmäßig abge-schlossen sein. Auch die beiden Studiengänge sollen dann vollständig in allen Semestergruppen belegt sein. Das Department wird sich verstärkt dem Forschungsaufbau widmen.

Mit dem Blick auf gesellschaftliche Veränderungen braucht die Gesundheitsversorgung von morgen einen umfassen-den Kulturwandel und innovative konzeptionelle Antwor-ten. Diesen spannenden Aufgaben wird sich die Fakultät mit ihren Departments in den kommenden Jahren mit den hier geschilderten Schritten stellen.

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Ökonomisierung der Gesellschaft

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3.2 Wirtschaft Gesellschaft denken. Wirtschaft gestalten. Werte schöpfen.

Die Wirtschaft der ZukunftWie wir die Welt sehen …

Nationalökonomie >>> Global Economy In Zeiten globalisierter und sich weiter globalisierender Wirt-schafts- und Sozialbeziehungen verliert die speziell europä-ische Ausprägung der Betrachtung wirtschaftlicher Zusam-menhänge in nationalen Kontexten rapide an Bedeutung. Eine Volkswirtschaftslehre traditionellen Zuschnitts ist für ein im Weltmaßstab hoch integriertes Wirtschaftssystem nicht (mehr) antwortfähig. Gleichzeitig werden die wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen in vielen Bereichen nach wie vor durch den politischen Diskurs bestimmt, in dem noch weitgehend in der Logik und den Kategorien des National-staats gedacht und gehandelt wird. In der wirtschaftspoliti-schen Aufmerksamkeit der Staaten stehen deshalb primär standortbezogene Interessen im Vordergrund.

Diese unterschiedlichen räumlichen Gestaltungshori-zonte (global vernetzt versus national/regional fokussiert) im Wechselspiel von Wirtschaft und Politik sind zurzeit am Beispiel des Finanzsystems und seiner spezifischen Eigen- dynamik besonders gut beobachtbar. Immer krisenhaftere Verwerfungen, mitausgelöst durch weitgehend deregu-lierte Finanzmärkte und durch einen überdimensionierten Verschuldungsgrad der öffentlichen Hand, legen es nahe, in Theorie und Praxis wieder intensiv über eine neue Geld-ordnung und über ein auf kluge Weise gezähmtes Finanz- system, basierend auf international akzeptierten Spielregeln, nachzudenken.

Unreflektiertes Wachstum >>> Qualitatives WachstumDas mit der Industrialisierung angestoßene Wirtschafts-wachstum und die damit ermöglichte Wohlstandsentwick-lung breiter Bevölkerungsgruppen beruht zum einen auf dem kaum gebremsten Einsatz fossiler Energien mit allen mittel- bis langfristigen Implikationen für Mensch und Umwelt, zum anderen auf der Ausdifferenzierung einer funktionstüchtigen staatlichen Ordnung – in den hochentwickelten Weltregionen in der Regel demokratisch verfasst – die der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung den erforderlichen recht-lichen ordnungspolitischen Rahmen setzt. Eine Begleiterschei-nung dieser sich wechselseitig stimulierenden Koevolution von Wirtschaft und Politik ist die große Bedeutung eines kon-tinuierlichen Wirtschaftswachstums für die Zukunftsfähigkeit aller relevanten gesellschaftlichen Bereiche (Gesundheitssys-tem, soziale Sicherungssysteme, Bildung, Wissenschaft und Forschung etc.). Zur Finanzierung der Wohlstandserwartungen der privaten Haushalte wie auch des Erhalts der sozialen Siche-rungssysteme ist die aktuelle Wirtschaftspolitik auf perma-nentes Wachstum programmiert, obwohl das Einlösen solcher Erwartungen angesichts der begrenzten globalen Energie- und Rohstoffressourcen zusehends unwahrscheinlicher wird.

Auch die Wirtschaftswissenschaften arbeiten prädomi-nant mit der Prämisse, dass ohne kontinuierliches Wachstum Unternehmen ihre Innovationskraft und damit auf Sicht ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren, während sich auf gesell-schaftlicher Ebene ohne Wachstum das erreichte Wohlstands-niveau für große Teile der Bevölkerung nicht halten lässt.

Dagegen setzt sich in der aktuellen Nachhaltigkeitsfor-schung zunehmend die Erkenntnis durch, dass mit dieser Fo-kussierung auf stetiges Wachstum die Lebensgrundlagen für die kommenden Generationen eher mittel- als langfristig zer-stört werden. Das Wissen um das grundlegende Bedrohungs-potenzial der in Wirtschaft und Politik eingelassenen Wachs-tumsmechanismen führt allerdings trotz einzelner Ansätze noch zu keiner grundlegend veränderten gesellschaftlichen Praxis. Diese schwerwiegenden Probleme werden sehenden Auges den kommenden Generationen aufgebürdet. Die Ent-wicklung eines Verständnisses Nachhaltiger Unternehmens-führung und damit eines Konzepts qualitativen Wachstums unter Schonung natürlicher Ressourcen wird eine wichtige Aufgabe der Wirtschaftswissenschaften werden.

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Ökonomisierung der Gesellschaft >>> Gesellschaftliche VerantwortungWir leben in einer Zeit, in der Organisationen mehr und mehr auf Effizienz getrimmt werden. Dies gilt nicht nur für Unter-nehmen, sondern auch für Krankenhäuser, kirchliche Orga-nisationen, Schulen, Universitäten und Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung, die ihre Prozesse nach betriebswirt-schaftlichen Gesichtspunkten ausrichten und optimieren. Die Ausbreitung des ökonomischen Kalküls in immer weitere Be-reiche des Arbeitslebens führt zu einer Vielzahl kostenträchti-ger Folgen, etwa zur deutlichen Zunahme psychischer Erkran-kungen zu Burnout-Phänomenen sowie Überforderungs- und Ohnmachtserfahrungen. Aber auch Organisationen als Gan-zes können in einen Zustand der Erschöpfung geraten. Viele der daraus resultierenden Folgekosten werden externalisiert (zumeist in das Netz der sozialen Sicherungssysteme) und belasten damit die Haushalte der öffentlichen Hand. Die in unserer Gesellschaft unverzichtbaren nicht-ökonomischen Grundlagen des zwischenmenschlichen Miteinanders rücken zunehmend in den Hintergrund.

Die Wiedereinführung der Dimension gesellschaftlicher Verantwortung in wirtschaftliche Zusammenhänge, der Vorrang einer Ausrichtung am Wohl des größeren sozialen Ganzen vor dem Primat des privatwirtschaftlichen Erfolgs bedeutet einen weitreichenden kulturellen Wandel auf al-len Ebenen unserer durch und durch ökonomisierten Gesell-schaft. Die Frage nach dem Sinn auf der Ebene des Individu-ums – aber mehr noch auf der Ebene von Organisationen als den ganz wesentlichen Sinnlieferanten in der modernen Ge-sellschaft – kann helfen, das Bewusstsein sowohl für indivi-duelle als auch gesellschaftliche Verantwortung zu schärfen.

Planbarkeit des Handelns >>> Professioneller Umgang mit Unsicherheit und KomplexitätSeit der Entwicklung alle Bereiche des Lebens durchdrin-gender feingliedriger Managementstrukturen gelten öko-nomische Rationalität und technische Effizienz als Prinzipi-en oberster Priorität. Die Prozesse in Organisationen werden zielorientiert auf Machbarkeit, auf Planung und Kontrolle ausgerichtet. Management wird damit zu einer von ökono-mischer Rationalität angeleiteten Ingenieurstätigkeit.

Trotz ihrer unstrittigen Erfolge in den vergangenen zwei Jahrhunderten stoßen diese Denkweise und die damit ver-bundene Praxis inzwischen deutlich auch an ihre Grenzen. In den letzten Jahrzehnten sind im Bemühen, gegenüber im-mer volatileren Umwelten antwortfähig zu bleiben, Orga-nisationen mit einer Eigenkomplexität entstanden, die sich mit den tradierten Denkmodellen nicht mehr angemessen steuern lassen. Es braucht ein Management- und Führungs-verständnis, das das gestiegene Unsicherheitsniveau und das damit verbundene Risikopotenzial in fast allen heute anstehenden Entscheidungslagen nicht einfach wegratio-nalisiert oder gar leugnet, sondern sich demselben bewusst stellt. Der Abschied von überkommenen Plan- und Kontrol-lierbarkeitsillusionen sowie die Entwicklung einer eigenen professionellen Handlungskompetenz in der Gestaltung von Entscheidungen unter hoher Unsicherheit und Ungewissheit ist die adäquate Antwort auf die vielfältigen Herausforde-rungen, denen sich Unternehmen mit ihrem heutigen Kom-plexitätsgrad stellen müssen.

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Spezialisten >>> GeneralistenJe komplexer Organisationen ihre Binnenverhältnisse ausge-stalten, umso mehr benötigen sie auf der einen Seite Funk-tionsträgerInnen, die sich in der notwendigen Tiefe auf ihre jeweiligen Aufgabenfelder fokussieren und das dafür erfor-derliche Spezialistenwissen aufbauen, ständig weiterentwi-ckeln und erneuern. Auf der anderen Seite braucht es Funk-tionsträgerInnen, die als GeneralistInnen den jeweiligen Gesamtzusammenhang im Blick haben und strategisch ge-stalten. Heutige Organisa tionen sind in der Herstellung ih-rer Zukunftsfähigkeit unabdingbar auf die Ausprägung und Pflege beider Kompetenz profile und auf gelingende Koopera-tion zwischen diesen beiden Ausprägungen von Professiona-lität angewiesen. Gerade die gekonnte Nutzung der in diese Profile eingebauten Gegensätzlichkeit ist es, die das enorme Komplexitätsniveau heutiger Organisationen angemessen bearbeitbar macht.

Mit der auf Disziplinen und Spezialisierung orientier-ten Ausbildungstradition und der zuletzt schnell an Fahrt gewinnenden Ausdifferenzierung des klassischen Fächerka-nons verengt sich das Beobachtungs- und Aufmerksamkeits-spektrum der Fachleute immer weiter – und der Kontext, in den alle etwas komplexeren Problemstellungen heutzuta-ge eingebettet sind, bleibt systematisch unterversorgt. Diese sich in unserer Gesellschaft zuspitzende Problematik betrifft nicht nur die Wirtschaft und die in ihr operierenden Unter-nehmen. Wir spüren diese Verengung des Blickwinkels in allen Bereichen von Staat, Politik und Verwaltung. Der Blick aufs Ganze, die Spezialisierung auf hoch komplexe Problem-zusammenhänge, die verantwortungsvolle professionelle Gestaltung von Kontextbedingungen brauchen entschieden mehr Transdisziplinarität und ein elaboriertes Wissen über die Bedingungen, über die Möglichkeiten und Grenzen orga-nisationaler wie gesellschaftlicher Transformation.

Bestehendes optimieren >>> Neues gründen Organisationen sind soziale Gebilde, die dazu tendieren, in einmal etablierten und bewährten Routinen, Strukturen und Prozessen zu verharren. Dieser Strukturkonservatismus schützt einerseits vor zu viel von außen importierter Unruhe. Andererseits sorgt er für eher kleinteiliges und spätes Adap-tieren an veränderte Rahmenbedingungen.

Diese Adaptionsmechanismen eignen sich für organi-sationale Umwelten, die sich ihrerseits nur allmählich und nicht mit überraschenden Brüchen wandeln. Die Volatilität der Verhältnisse hat in Zeiten wirtschaftlicher wie sozialer Globalisierung zugenommen, überraschende Schwankun-gen mit drastischen Ausschlägen sind in den normalen Er-wartungshorizont vieler Akteure gerückt. So transformiert beispielsweise der Prozess der Digitalisierung in vielen Branchen die geschäftlichen Möglichkeiten aller beteiligten AkteurInnen auf eine ganz grundlegende Weise.

Diese Entwicklungen erhöhen den Druck auf die beste-henden Unternehmen, ihre Innovationskraft zu steigern, sich im Sinne des Schumpeterschen Prinzips der „schöpfe-rischen Zerstörung“ in immer kürzeren Abständen immer wieder neu zu erfinden. Innovationsfähigkeit ist zur Schlüs-selherausforderung in der strategischen Ausrichtung von Unternehmen avanciert. Die auch für die Zukunft erwart-bare gesellschaftliche Veränderungsdynamik schafft daher gerade auch für Unternehmensneugründungen ideale Rah-menbedingungen, weil die erforderliche gesellschaftliche Erneuerungskraft nicht nur aus den bestehenden Organisa-tionen heraus entwickelt werden wird. Hier braucht es auf breiter Basis ein neues zivilgesellschaftliches Engagement, UnternehmerInnen, die Neues wagen, ihre Erfahrungen des Scheiterns klug verarbeiten und für die Bewältigung ihrer nächsten Herausforderungen gezielt nutzen. Dazu zählen auch der intelligente Aufbau von unternehmensübergreifen-den Netzwerken sowie das sorgfältige Ausschöpfen des spe-zifischen Problemlösungspotenzials, das in solch netzwerk-förmigen gesellschaftlichen Formationen steckt.

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Unsere Aufstellung heuteWofür wir stehen …

Dass eine Wirtschaftsfakultät an einer „kleinen“ Univer-sität nicht nur Lehre und Forschung balanciert, sondern im Besonderen in der Lage ist, Antworten auf drängende gesellschaft liche und wirtschaftliche Fragen zu geben, hat die Wittener Fakultät seit ihrer Gründung 1984 immer wie-der bewiesen. Sie geht in der Forschung neue Wege, auch und gerade zwischen den Disziplinen. In modernen, globa-lisierten Wissensgesellschaften sind die Probleme komplex und undiszipliniert: Die drängenden Fragen und Heraus-forderungen wie Grenzen des Wachstums, Klimawandel oder andere ökonomische und ökologische Bedrohungs-lagen können nicht von einer Disziplin oder Fachrichtung allein zureichend beantwortet werden. Folglich lehrt die Fakultät transdisziplinäres Denken, Navigationskompe-tenz für das 21. Jahrhundert und Öffnung der Reflektion für neue Konzepte, Methoden und Theorien. Im Unterschied zu „Ein-Fach-Hochschulen“ und reinen Business Schools legt die Fakultät als Teil einer Universität großen Wert dar-auf, Studierenden nicht nur rein wirtschaftswissenschaft-liche Inhalte und Ansätze zu vermitteln. Vielmehr wird Wirtschaft im Kontext betrachtet, genau so, wie sie in der Praxis – und nicht im Lehrbuch – funktioniert. Die Witte-ner wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge und das Bildungskonzept sind theoriebasiert und praxisorientiert. Praxiserfahrung ist die Grundlage der Theoriebildung, die nicht in der Universität verharrt, sondern wiederum für die gekonnte Bearbeitung komplexer Problemstellungen der unternehmerischen Praxis nutz- und einsetzbar ge-macht wird. Zwei Markenzeichen stehen in Witten für die enge Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis: Einerseits werden PraktikerInnen konsequent in die Lehre einbezo-gen, andererseits gibt es ein großes Netzwerk an Mento-renfirmen, in denen Studierende ihr theoretisch erworbe-nes Wissen direkt in der Praxis einbringen, erproben und festigen können. Große Bedeutung wird neben Wissens-vermittlung der Persönlichkeitsentwicklung, Potenzialent-faltung und Werteorientierung beigemessen. Das Ziel der Ausbildung ist nicht das problemorientierte Spezialisten-tum, sondern die lösungsorientierte „gebildete Ökonomin“ bzw. der „gebildete Ökonom“, die bzw. der seine Aufgaben und Herausforderungen konsequent aus einer unterneh-

Führung & Organisation

Unter- nehmertum

Demokratie & Wachstum

Schwerpunkte Institute, Einrichtungen Lehrstühle und Professuren

Wittener Institut für Familienunternehmen

Führung und Dynamik von Familienunternehmen

Allgemeine BWL

Personal und Organisation

Wirtschaftsrecht

Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung

Unternehmensführung

Führung

Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung

Entrepreneurship Zentrum Witten

Dr. Hartmut Krafft Zentrum für Wirtschaft und Gesundheit

Wittener Institut für Institutionellen Wandel

Makroökonomik und internationale Wirtschaft

Institutionenökonomik und Gesundheitspolitik

VWL und Philosophie

International Political Studies

Theoretical Philosophy and Philosophy of the Social Sciences

International Political Economy

Economics and Evolutionary Sciences

Development Economics

Institutsunabhängige Lehrstühle und Professuren

Unternehmensführung, Wirtschaftsethik und gesellschaftlicher Wandel

Marketing

Dr. Werner Jackstädt-Stiftungs-lehrstuhl für Controlling und Unternehmenssteuerung

Walcker-Stiftungsprofessur für Management und Innovation im Gesundheitswesen

Corporate Finance

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Unser BeitragWas wir bewirken wollen …

Für die Wirtschaftskrise(n) der letzten Jahre gibt es sicherlich keine simple monokausale Erklärung. Klar ist jedoch, dass ökonomisches Denken und Handeln im Bezugsrahmen un-kritischen Wachstumsdenkens, technokratischen Effizienz-strebens und rationaler Planbarkeitsvorstellungen einen ge-wichtigen Beitrag geleistet haben. Mit Blick auf die künftigen Herausforderungen ist und bleibt daher Verantwortung, und hier natürlich auch unternehmerische Verantwortung, für die strategische Weiterentwicklung der Fakultät für Wirtschafts-wissenschaft von besonderer Bedeutung. Dieser zentrale Be-griff schlägt sich in den drei Schwerpunktbereichen der Fa-kultät nieder: „Demokratie und Wachstum“ im Bereich VWL/PPÖ sowie „Unternehmertum“ und „Führung und Organisati-on“ im Bereich BWL. Hinzukommt als laterales Thema „Nach-haltigkeit“, das sich in – auch begrifflich – unterschiedlicher Ausprägung durch alle Bereiche zieht.

In der Lehre werden wir weiter an dem Ziel arbeiten, AbsolventInnen eine breit gefächerte Navigationskompetenz mitzugeben, die es ihnen erlaubt, Führungspositionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zukunftsorientiert und verantwortungsbewusst auszufüllen. Dies bedeutet neben der Vermittlung einer fachbezogenen Ausbildung im enge-ren Sinne den Erwerb einer über die Fachgrenzen hinaus-greifenden Bildung, neben der Förderung unternehmeri-schen Denkens und Handelns auch die Ermutigung, Neues zu wagen und Unsicherheit auszuhalten und produktiv nutz-bar zu machen.

In der Forschung plant die Fakultät, sich einerseits als Universität für unternehmerisch Denkende und Handeln-de zu positionieren, andererseits in der Volkswirtschaft eine führende Fakultät pluraler Ökonomik zu werden.

merischen Verantwortung heraus gestaltet, sei es als Füh-rungskraft im Unternehmen, sei es in direkter unternehme-rischer Verantwortung.

Wittener Studierende gestalten von Anfang an ihr Stu-dium mit. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen, darunter der mehrfach ausgezeichneten GründerWerkstatt, fördert die Fakultät Eigenverantwortung und unternehmerische Initi-ative ihrer Studierenden vom ersten Semester an. Mit die-ser Unterstützung entwickeln sie erste Ideen und bringen sie zur Umsetzungsreife. Erfolgreiche Unternehmensgrün-der aus dem Alumni-Netzwerk der Universität begleiten die-sen Weg von studentischen Neugründungen, eingebettet in das dichte Betreuungsangebot des neuen Entrepreneur-ship Zentrums Witten (EZW). Was man als Führungskraft in Unternehmen – sei es als UnternehmerIn, sei es als Mana-gerIn – wirklich braucht, sind neben einem in Studium und Beruf zu erwerbenden Wissens- und Erfahrungsfundament unternehmerisches Gespür, Persönlichkeit, Enthusiasmus, Eigenwilligkeit, Neugier, Kreativität, Rekombinations- und Durchhaltevermögen, Intuition und Spaß. Die Fakultät bie-tet dabei den Studierenden ein ideales Umfeld, nicht zuletzt mit einem breiten Spektrum an Projektangeboten, in denen sich Studierende im geschützten Raum ausprobieren kön-nen. Diese Lernformen ermöglichen es, dass die Studieren-den zum inhaltlichen Wissenserwerb das rasch wachsende Chancenpotenzial des Internets für sich selbst gezielt aus-schöpfen und dieses Wissen gleichzeitig auch im kommu- nikativen Miteinander anwendungsorientiert erproben können.

Zum Studium in Witten gehört es, den Studierenden kleine Seminare, sehr gute Betreuungsverhältnisse und die nötige Gestaltungsfreiheit bei den Studieninhalten zu bie-ten. Es ist das ständige Bestreben, den Studierenden Flexi-bilität, Eigenraum und Eigenzeit zu ermöglichen, damit sie ihr Studium auch unter den Bedingungen von Bologna selbst bestimmen und selbst gestalten können.

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Unser WegWas wir uns vornehmen …

Mit ihren beiden großen Instituten im Bereich BWL, dem Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) und dem Reinhard Mohn-Institut für Unternehmensführung (RMI), hat die Fakultät zwei strategische inhaltliche Säulen. Im Wittener Institut für Institutionellen Wandel (WIWA) ist eine der größ-ten Dichten an Institutionenökonomen gebündelt. Damit ist die Fakultät in ihrer Aufstellung bereits auf einem sehr guten Weg. Um die oben genannten Ziele bis 2020 zu erreichen, sind folgende Weiterentwicklungen und Ausbauten geplant:

Lehre: – Weitere Profilierung der vier Studiengänge: > Die beiden B.A.-Studiengänge PPÖ und Business Econo-

mics werden im Jahr 2016 mit einer deutlich klareren Profilierung neu akkreditiert werden.

> Die Masterstudiengänge werden spätestens 2019 re-akkreditiert werden.

– Erfolgreiche Etablierung des Masterprogramms „Philoso-phy, Politics and Economics“ (PPE) als wichtigem Baustein der Internationalisierung der Fakultät.

– Fortbildungen, Workshops und Peer Group-Lernen in der Hochschuldidaktik.

Forschung: – Die Publikationsleistung sowie die Zahl der Drittmittel-

anträge sind nicht zuletzt durch die Besetzung und Neu-besetzung von Stellen (u. a. Allgemeine BWL, insbeson-dere Familienunternehmen, Personal und Organisation, Controlling, Recht, Marketing, Theoretical Philosophy und Development Economics) deutlich gestiegen. Die Forschungsaktivitäten werden mit Blick auf die Schwer-punktbereiche „Demokratie und Wachstum“, „Unterneh-mertum“ und „Führung und Organisation“ fokussiert und deutlich verstärkt.

Fakultätsentwicklung:– Neuaufbau des „Reinhard-Mohn-Institut für Unterneh-

mensführung“ mit einem Lehrstuhl für Unternehmens-führung und einer Professur für Strategie. Dieses Institut soll zu einem forschungs starken Institut ent wickelt werden, das den Wittener Management- und Führungs-ansatz weiter schärft.

– Durch die Ausweitung des Bereichs Gesundheitsökono-mik, nicht zuletzt durch die Gründung des fakultätsüber-greifenden „Dr. Hartmut Krafft Zentrum für Wirtschaft und Gesundheit – Zentrum für Gesundheitsökonomik“ ergeben sich wichtige Felder interdisziplinärer Forschung, für die Witten mit einer in Deutschland einmaligen Nähe der Fakultäten für Gesundheit und Wirtschaft nachgerade prädestiniert ist.

– Einwerben von Drittmitteln für folgende Stellen: > Eine Professur bzw. einen Lehrstuhl für Finanzierung,

die in der Grundausstattung noch fehlt; eine Junior-professur wird 2015 noch eingerichtet und 2016 besetzt werden.

> Einen Lehrstuhl/ein Institut für Nachhaltigkeit. Alle drei Aspekte der Nachhaltigkeit: ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit werden hier entscheidend sein.

> Eine Professur/Juniorprofessur Entreprneurship: digital economics

> Personelle Erweiterungen in den Schwerpunktberei-chen Unternehmertum und Gründung, womit dem extramuralen Entrepreneurship Zentrum Witten in der Fakultät ein Widerlager für Forschung und Lehre gegeben würde.

– Die Fakultät strebt an, bei zukünftigen Besetzungen den Anteil der Professorinnen und Lehrstuhlinhaberinnen zu erhöhen.

– Prüfung der Zugangswege auf Barrieren für Bewerberinnen– Konsequente Internationalisierung: Durch den internatio-

nalen Masterstudiengang PPE ist die Wirtschaftsfakultät hier an der UW/H in einer Vorreiterrolle.

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3.3 Kultur Ist das Kultur oder kann das weg?

Die Kultur der Zukunft („Nach der Moderne“)Wie wir die Welt sehen …

Die Kultur der Zukunft ist nicht mehr die Kultur der Moder-ne. Wir stehen vor einem weitreichenden und tiefgreifenden Wandel. Die moderne Kultur verdankt sich der Einführung des Buchdrucks, wie sich die antike Kultur der Einführung der Schrift verdankte; die Kultur der Zukunft hat es darüber hinaus mit elektronischen Medien, mit dem Computer und seinen Netzwerken, mit Konnektivität, Algorithmen und Da-tenspeichern zu tun. Der homo sapiens sapiens entwickelt sich zum homo sapiens sapiens digitalis. Die Schnittstellen von Körper, Bewusstsein, Technik, Kultur und Gesellschaft werden in komplexen Prozessen einer ungewissen Evolution neu formatiert. Soziale Ordnungen, kulturelle Selbstverständ-lichkeiten und ästhetische Gewohnheiten lösen sich auf und machen neuen Ordnungen, Selbstverständlichkeiten und Gewohnheiten Platz, die beobachtet, verstanden, beschrie-ben und mitgestaltet werden müssen. Die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sind im Verbund mit den Künsten optimal darauf vorbereitet, die auf diesen strukturellen und kulturellen Wandel bezogenen Fragen zu stellen, Beschrei-bungen anzufertigen und Gestaltungshinweise zu geben. Sie müssen dazu aus ihrem fachwissenschaftlichen Selbstver-ständnis herausgelöst und zu neuen Formen der Zusammen-arbeit in einem zunehmend kognitionswissenschaftlichen Zusammenhang motiviert werden. Die Fakultät für Kultur-reflexion – Studium fundamentale stellt sich dieser Heraus-forderung, indem sie nach alten und neuen normativen und praktischen Ordnungen fragt, diese in den Zusammenhang alter und neuer Führungsaufgaben in kulturellen Projekten stellt und wissenschaftlich-künstlerische Projekte entwirft, in denen das Schicksal des Menschen reflektiert und mitge-staltet werden kann.

vernünftig >>> experimentell Trotz aller Krisen und Katastrophen ist die Kultur der Moder-ne eine Kultur der Vernunft. Seit der Aufklärung glaubt man an die Einheit und Transparenz der Verhältnisse. Eine zuneh-mend rationale Ordnung dieser Verhältnisse ist das Kriterium jeden Fortschritts. Und dieser Fortschritt ist immer möglich. Andernfalls hätten wir es nicht mit vernünftigen Verhältnis-sen zu tun. Die Kultur des digitalen Zeitalters hingegen be-kommt es nicht nur mit einer ungeahnten technologischen, sondern auch mit einer neuartigen organischen, neuronalen, sozialen und kulturellen Komplexität der Verhältnisse zu tun. Von Transparenz kann keine Rede mehr sein. An die Stelle des Glaubens an die Vernunft, die die Dinge schon richten wird, tritt daher eine Kultur des Experiments, das heißt der laufen-den Überprüfung und Bewertung aussichtsreicher Hand-lungsmöglichkeiten. Als Experiment ihrer selbst wird die Ge-sellschaft zum Gegenstand strategisch, taktisch und ethisch laufend reflektierter und kritisch beobachteter Entscheidun-gen. Das gilt für ärztliches, therapeutisches, unternehmeri-sches, wissenschaftliches und künstlerisch-kulturelles Han-deln. Jedes Handeln muss sich an seinen Effekten messen lassen; das ist nicht neu. Neu hingegen ist, dass es sich daran messen lassen muss, ob es in der Lage ist, sich selber an sei-nen Effekten zu messen und entsprechend zu korrigieren (Stichwort „Evaluation“).

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funktional >>> vernetztDie Kultur der Moderne ist eine Kultur funktionaler Ordnun-gen, in denen die Aufgaben der Politik, der Wirtschaft, des Rechts, der Wissenschaft, der Kunst und Religion sachhaltig bestimmt und ihre Erfüllung laufend verbessert werden kann. Dysfunktionalitäten werden durch den Fortschritt korrigiert. Je genauer jede einzelne Funktion bestimmt und gerechtfertigt werden kann, desto präziser, letztlich techni-scher können sie aufeinander abgestimmt werden. Die Kultur der nächsten Gesellschaft hingegen ist eine Kultur überra-schender Netzwerkbildungen. In diesen Netzwerken entste-hen jeweils neue Kombinationen politischer, ökonomischer, juristischer, wissenschaftlicher, ästhetischer und religiöser Kalküle, die eine zugleich soziale, technische und kulturel-le Anschlussfähigkeit sicherstellen. Was sich vernetzt, muss funktionieren. Aber niemand garantiert, dass das, was funktioniert, in irgendeinem Sinne auch fortschrittlich ist (Stichwort „Konnektivität“).

vergleichend >>> reflektierendDie Kultur der Moderne ist vergleichend. Der Vergleich nimmt die Vielzahl der Kulturen in der Geschichte der Menschheit und den Regionen der Weltgesellschaft zur Kenntnis und betont die Identität jeder einzelnen Kultur. Die jeweiligen Errungenschaften im Bereich von Politik, Wirtschaft, Kunst, Religion und Wissenschaft werden sortiert und im Hinblick auf ihren Entwicklungsstand bewertet. Die Weltkultur der nächsten Gesellschaft hingegen ist eine Kontingenzkultur. Diese Kontingenzkultur erwartet von je-der regionalen Ausprägung und unter der Vorgabe der mög-lichst universell geltenden Menschenrechte die Reflexion der eigenen Voraussetzungen, der eigenen Geschichte und der eigenen Zukunftsvorstellungen. Die Kontingenz wird nicht mehr (nur) als Bedrohung von Identitäten wahrgenommen, sondern produktiv gewendet. Sie wird für die Suche nach Varianten einer Weltkultur eingesetzt, in der Institutionen, Organisationen und Projekte ihren jeweiligen Ort finden kön-nen. Dieser Ort bestimmt sich nicht mehr durch die Identi-tät der Herkunft (des Ursprungs), sondern durch die Qualität seiner Vernetzung (Stichwort „Governance“).

kritisch >>> konstruktiv Die Kultur der Moderne ist kritisch. Sie muss es sein, denn ihr Hauptproblem besteht darin, mit der Vielzahl von Mei-nungen fertigzuwerden, die von Lesern vorgebracht werden, die gelesen haben, ohne das Gelesene immer überprüfen zu können. Aus diesem Grund ist die moderne Gesellschaft selbstregulierend dynamisch. Sie reagiert mit Meinungen auf Meinungen und muss dies im Tagesgeschäft bewältigen. Die Kultur der nächsten Gesellschaft unterscheidet sich da-von nicht grundsätzlich. Aber angesichts der in den elektro-nischen Medien immens vervielfältigten und beschleunigten Möglichkeiten der Kommunikation wird man sich auf rasch und unkontrolliert wirkende Mechanismen unterschiedlicher Formen von Kampagnen einstellen müssen. Kritische Reakti-onen etwa im Rahmen einer bürgerlichen Öffentlichkeit wer-den dadurch nicht überflüssig; aber wichtiger wird die Frage, wer welche Themen und Agenden mit welchen intellektu-ellen und emotionalen Inhalten massenwirksam konstruie-ren kann. In den Resonanzräumen der elektronischen Medien bekommen wir es mit unkalkulierbaren Ansteckungseffek-ten zu tun, deren konstruktive (und destruktive) Dynamik wir nicht kennen (Stichwort „Potenzgesetz“).

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Unsere Aufstellung heuteWofür wir stehen …

Die Fakultät für Kulturreflexion – Studium fundamentale steht mit dem Studium fundamentale in einer besonderen Verantwortung für die gesamte Universität. Ihr Angebot an Kursen, Seminaren und Vorlesungen richtet sich an die Stu-dierenden aller drei Fakultäten der Universität. Die Fakultät begreift diese Verantwortung als eine einmalige Chance der interdisziplinären Lehre mit einem großen Anregungs-potential auch für die interdisziplinäre Forschung.

verständlich >>> komplexDie Kultur der modernen Gesellschaft ist sich selber verständ-lich. Sie weiß, wie sie sich von der Antike unterscheidet (in-dem sie das Neue höher bewertet als das Alte), und sie weiß, worin ihre eigenen Werte bestehen (Freiheit, Vernunft und Verantwortung). Die Kultur der nächsten Gesellschaft ersetzt die Verständlichkeitsbehauptung durch die Beobachtung von Komplexität. Als komplex werden alle Phänomene beschrie-ben, die weder kausal noch statistisch beschrieben werden können und sich einer eigentümlichen Fähigkeit der Selbstor-ganisation verdanken. Faszinierenderweise gilt dies für alle Phänomene, die den Menschen tatsächlich interessieren, sei es das Gehirn, eine Familie, eine Gesellschaft, das Atom oder das Universum. Eine Kultur der Komplexität entsteht, die von der Nichtbeherrschbarkeit der menschlichen Verhältnisse ausgeht und daraus Ideen für eine fehlerfreundliche, rück-kopplungsreiche Gestaltung dieser Gesellschaft ableitet. Die Künste sind das Paradigma, an dem sich unser Umgang mit dieser Art von Komplexität schult (Stichwort „Design“).

künstlerisch >>> medialDie Künste sind unersetzbar für Übungen in den Medien des Bildes, des Tons, der Sprache, der Geste und des Körpers. Inzwischen sprengt die Bewegung der performativen Künste die allzu bequeme Gattungsunterscheidung der Moderne in bildende und darstellende Künste, in Musik, Malerei, Dich-tung und Theater. Die Kulturreflexion verlässt sich nicht mehr auf die traditionellen Medien der Kunst, eben die Musik, die Malerei, die Dichtung, das Theater und den Film, sondern fasst den Medienbegriff nach dem Vorbild der Medientheorie weiter. Sie versteht Kultur und Gesellschaft, den Menschen und die Technik, Politik und Wirtschaft, Organisation und Familie und so weiter ebenfalls als Medien, deren Plastizität jeweils unterschiedlichen Gestaltungen Raum gibt (Stichwort „mediale Form“).

GESELLSCHAFT

KULTUR

WIRTSCHAFT

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Wirkbereiche [Schwerpunkte]

Fakultät für Kultur- reflexion – Studium fundamentale

Studium fundamentaleReflexive KompetenzKommunikative KompetenzKünstlerische Kompetenz

Lehre & Forschung

Orientierungsstudium Kultur und Gesellschaft

Philosophie, Kultur- reflexion und kulturelle Praxis Bachelor

Philosophie, Politik und Ökonomik Bachelor

Philosophie und Kultur- reflexion Master

Doing Culture Master

Ethik und Organisation Master

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GESUNDHEIT

WIRTSCHAFT

KULTUR

BILDUNG

UNIVERSITÄT

ORGANISATION

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Doch der Zusammenhang zwischen Gesundheit, Wirt-schaftswissenschaft, Kulturreflexion, Politikwissenschaft und den Künsten ist noch enger, als es das Stichwort der In-terdisziplinarität ahnen lässt. Die Fakultät steht für nichts Geringeres als die geistes-, sozial- und kulturwissenschaft-liche Reflexion der Paradigmen der Medizin und Ökonomie. Sie steht für die gesundheitliche und wirtschaftliche Über-prüfung des Beitrags der Kulturreflexion zur Gesellschaft. Sie steht für die Suche nach Ansätzen einer politischen Transformation, die sich aus den Problemstellungen aller drei Fakultäten speisen. Und sie steht für Projekte einer Re-cherche in komplexe Zusammenhänge von Körper, Geist, Technik und Gesellschaft, die von den Wissenschaften und Künsten gemeinsam, wenn auch mit Respekt vor ihren unterschiedlichen Methoden und Gestaltungsabsichten, unternommen werden. Die Fakultät erforscht den homo sapiens sapiens digitalis, für den die strengen Unterschei-dungen der Tradition zwischen Natur und Kultur, Technik und Leben, Geist und Gesellschaft ihre Gültigkeit verlieren.

Dieser maximale Anspruch findet im Studium funda-mentale und in den Studiengängen der Fakultät seine Ent-sprechung in einer Vielzahl von Kursen und Seminaren, in denen die Studierenden von ihren eigenen Erfahrungen und Meinungen ausgehend an die Thematisierung komplexer Fragestellungen, die Erkenntnis der eigenen Verantwortung für die Entwicklung der Gesellschaft und die Teilhabe an politischen, unternehmerischen und zivilgesellschaftlichen Projekten herangeführt werden. Zielsetzung ist die Befähi-gung der AbsolventInnen der Studiengänge der Fakultät zur Übernahme von Führungsaufgaben in kulturellen Projekten.

Der B.A.-Studiengang „Philosophie, Kulturreflexion und künstlerische Praxis“ rückt die Herausforderungen der Liberal Arts und der Digital Humanities in die Nachbar-schaft einer Vergewisserung und Übung in den Kompeten-zen der antiken Philosophie und modernen Geistes- und Kulturwissenschaften. Im Medium künstlerischer und wis-senschaftlicher Praxis wird eine paradigmatische Beweg-lichkeit gesucht, die für kulturelle Projekte angesichts poli-tischer Verwerfungen, wirtschaftlicher Herausforderungen, medizinischer Möglichkeiten im Kontext technologischer Verlockungen und Bedrohungen der Gegenwart unabding-

bar geworden ist. Der B.A.-Studiengang „Philosophie, Politik und Ökonomik“, den die Fakultät zusammen mit der Wirt-schaftsfakultät ausrichtet, kombiniert die Aufgaben der Kulturreflexion mit denen der politischen Analyse, ökono-mischen Theorie und gesellschaftlichen Transformation. Die politischen Fragen nach den Teilnahmechancen an Ge-sellschaft, nach einer angemessenen Verteilung der Macht oder nach der rechtlichen Gestaltung unklarer technologi-scher Chancen und Gefahren werden hier mit den ökono-mischen Fragen nach der Allokation von Ressourcen, Dis-tribution von Gewinnen und Gestaltung eines qualitativen Wachstums kombiniert, um nicht nur einzelne Problem-stellungen in der Gesellschaft lösen zu können, sondern die Problemlösungskapazität der Gesellschaft insgesamt in den Blick nehmen zu können.

Der M.A.-Studiengang „Doing Culture: Bildung und Re-flexion kultureller Prozesse“ nimmt die Themen und Impul-se des B.A.-Studiengangs „Philosophie, Kulturreflexion und künstlerische Praxis“ auf, um sie mit einer engeren wissen-schaftlichen Zielsetzung mit Blick auf eine Befähigung zu einer Promotion fortzusetzen.

Das Orientierungsstudium „Kultur und Gesellschaft“ ist genau das: ein zweisemestriges Studium zur Erprobung eines Interesses an Philosophie, Kulturreflexion, Politikwis-senschaften, gesellschaftlicher Gestaltung und künstleri-scher Praxis.

Unverzichtbares Element des Studiums fundamentale ebenso wie der B.A.- und M.A.-Studiengänge ist die Durch-führung zahlreicher Kunstveranstaltungen des Chors, des Orchesters und des Theaters der Universität. An diesen Ver-anstaltungen sind die Studierenden aller Fakultäten als TeilnehmerInnen und in der Konzeption und Organisation beteiligt. Hinzu kommen „Freie Initiativen“ sowie Ideen und Projekte, die von sorgfältig ausgesuchten externen Lehrbe-auftragten in die Fakultät getragen und hier durchgeführt werden.

Das neue „Stufu plus“ bietet allen Studierenden die Möglichkeit, über den Pflichtanteil in ihren jeweiligen Stu-diengängen hinaus weitere Kurse im Studium fundamen-tale zu belegen und sich dies für eine zusätzliche berufliche Qualifikation attestieren zu lassen.

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Unser Beitrag Was wir bewirken wollen …

Kulturreflexion ist kein Selbstzweck. So wichtig es ist, Phi-losophie und Soziologie, Politik- und Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und künstlerische Praxis auf einem Ni-veau zu praktizieren, das international anschlussfähig ist, so wichtig ist es gleichzeitig, diese Disziplinen zur interdis-ziplinären Erforschung und Befragung aktueller kultureller Problemstellungen zu befähigen. Kulturreflexion heißt für die Fakultät daher, historische, globale, lokale, soziale, psy-chische und ökologische Verwerfungen der kulturellen Ent-wicklung der Gesellschaft, ihrer Institutionen, ihrer Diskur-se und ihrer Werte zu erforschen und mit den Mitteln der Beschreibung und der Künste so darzustellen, dass sie in der Gesellschaft und nicht nur an Universitäten anschaulich werden können.

Wir brauchen die Kulturreflexion, weil es angesichts der Digitalisierung der Gesellschaft darum geht, den Zusam-menhang von Technik und Kultur neu zu denken und neu zu gestalten. Die Kulturreflexion ist notwendig und dringlich, weil sie über differenzierte Theorien und Methoden verfügt, die es ihr ermöglichen, den strukturellen und kulturellen Wandel der Gesellschaft weder allzu kulturkritisch noch all-zu innovationsoptimistisch zu beobachten und zu beschrei-ben. Stattdessen geht es darum, Wissenschaft und Künste gemeinsam dazu zu befähigen, Projekte zu entwerfen, in denen das Schicksal des homo sapiens sapiens digitalis aus-gelotet und zur Selbstermächtigung in komplexen Prozessen gestaltet werden kann.

Das Forschungsprofil der Fakultät für KulturreflexionDie Fakultät erforscht den homo sapiens sapiens digita-lis vor dem Hintergrund der bisherigen Mediengeschich-te des Menschen und seiner Gesellschaft und mit Blick auf die Optionen der Gestaltung seiner Zukunft. Das reicht von ethischen Fragen im Umgang mit der Würde und Verletz-lichkeit des Menschen über Theorien und Methoden der Beschreibung der gesellschaftlichen Ordnungen, in denen er sich politisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich, künstlerisch und religiös orientiert, bis zu Führungsaufgaben im Um-gang mit Komplexität und Fragestellung einer künstlerischen Arbeit an der Veranschaulichung von Wahrnehmungszusam-menhängen. Bei allem Respekt vor den großen Traditionen der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften als Fachwis-senschaften arbeitet die Fakultät an einem Forschungsprofil, das sich tendenziell kognitionswissenschaftlich versteht. Wir wollen wissen, mit welchen praktischen, intellektuellen und emotionalen Ressourcen sich die Menschen auf einer Erde einrichten, die in einem gefährlichen Ausmaß davon abhän-gig wird, ob und wie die Menschen ihre Ressourcenzugriffe auch zu kontrollieren lernen.

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GESUNDHEIT

WIRTSCHAFT

KULTUR

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Unser Weg Was wir uns vornehmen …

– Stärkung der interdisziplinären Ansätze in Forschung und Lehre im Umgang mit Komplexität;

– Steigerung der Studierendenzahl in den B.A.- und M.A.-Studiengängen der Fakultät (ohne PPÖ) auf ca. 300;

– Neubesetzung eines Lehrstuhls für digitale Medien, einer Professur für Literaturwissenschaft und einer Juniorprofessur für politische Theorie;

– Ausbau der Lehrstühle und Professuren der Fakultät gemäß thematischem Bedarf in der Forschung und Kapazitätsbedarf in der Lehre;

– Einführung eines Promotionsprogramms (Graduierten-schule o. ä.);

– Sicherstellung der Verzahnung von Studium fundamentale und Studiengängen der Fakultät;

– Sicherstellung der Qualität der Bachelor-Studiengänge;– Partizipativer Entwicklungsprozess: Integration der

Masterstudiengänge zu einem neuen Masterstudiengang;– Prüfung der Möglichkeit, neben dem B.A.-Studiengang

„Philosophie, Politik und Ökonomik“ (PPÖ) auch den M.A.-Studiengang „Philosophy, Politics, and Economics“ (PPE) mit der Wirtschaftsfakultät zusammen anzubieten;

– Ausbau des Angebots englischsprachiger Veranstal-tungen;

– Erprobung eines Mentorenprogramms zur qualifizierten Betreuung der Studierenden;

– Verstärkung der Zusammenarbeit mit außeruniversitären Kulturinstitutionen (Museen, Tanz- und Medienhäusern, Theatern etc.);

– Erprobung digitaler Lehr- und Lernformate (Blended Learning, Flipped Classroom, Bootcamps, MOOCs …);

– Stärkung von Dekanat und Prüfungsamt.

>> 2020

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ORGANISATION

gestern/heute

starrer Anspruch: Modell

Fehlersuche

selbstverständliche Gemeinsamkeit

unkoordiniert informieren

heroische Autorität

klassischer Arbeitsplatz

Evaluation

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WIRTSCHAFT

KULTUR

ORGANISATION

BILDUNG

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morgen/übermorgen

lernfähig / veränderungsfreudig

Fehlerreflexion

bewusstes Miteinander

planvoll kommunizieren

postheroische Führung

attraktive Arbeitgeberin

Reflexion / Weiterentwicklung

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4. Organisationsentwicklung Planst Du noch oder machst Du schon?

Neben den drei Kernfeldern – Gesundheit, Wirtschaft, Kultur –, durch die sich die UW/H nach innen und außen maßgeblich definiert, gibt es auch ein übergeordnetes Ganzes, eine leben-dige Organisation. Zu dieser Organisation gehören konkre-te und greifbare Bereiche wie die Abteilungen der Adminis-tration. Und – nicht ganz so greifbar, jedoch ebenso wichtig: eine verbindende Universitätskultur, ein Miteinander. Diese Kultur des Miteinanders macht den unsichtbaren Zusam-menhalt aus zwischen MitarbeiterInnen, Lehrenden, Studie-renden, FreundInnen und WegbegleiterInnen. Sie beeinflusst das gegenseitige Verständnis und Zusammenspiel aller Ein-heiten aus Fakultäten und Abteilungen. Gelingt es, diese Kul-tur lebendig, vielseitig, bunt und wertschätzend zu erhalten und zu pflegen, dann entsteht ein starkes Fundament für wirkungsvolle Lehre und Forschung.

Seit ihrer Gründung hat die UW/H eine starke Univer-sitätskultur – aufgeladen mit dem „Zaubertrank“ eines pi-onierhaften Bildungsimpulses und begünstigt durch eine vergleichsweise kleine, sehr engagierte Studierenden- und Mitarbeiterschaft. Mit ihrem raschen Wachstum in den letz-ten sechs Jahren hat die Universität auch im Bereich der Ver-waltung – durch die Stärkung von Gesellschafterstruktur, Führung und Aufsicht – zugelegt. Dabei ergeben sich auch Fragen für die Universitätskultur: Wie wollen wir gemein-sam studieren, lehren, forschen, arbeiten? Oder zusammen-gefasst: Wie wollen wir miteinander umgehen?

Für die Zukunft gilt es, parallel zu dem absehbar fort-schreitenden Wachstum der UW/H die universitäre Kultur dialogintensiv, lebendig, wach und „auf Augenhöhe“ zu halten und sich den offenen, komplexen und schwierigen Fragen des Miteinanders zuzuwenden. Der Weiterentwicklung dieser Universitätskultur ist das vierte Kapitel gewidmet. Es basiert auf der umfangreichen Einbindung aller Universitätsmitglie-der in die Strategieentwicklung – in Befragungen, Workshops, einem Strategietag etc. Organisatorisch und inhaltlich be-gleitet wurde dieser Prozess durch eine Gruppe engagierter Studierender in enger Abstimmung mit dem Präsidium.

Aus der Fülle an Anregungen und Rückmeldungen wur-den im Stile dieser Strategie Vektoren herausgearbeitet, die die Entwicklungsrichtung in zentralen Aspekten der Kultur bzw. des Miteinanders abbilden und charakterisieren.

starrer Anspruch: Modell >>> lernfähig / veränderungs-freudigSeit die UW/H 1983 mit der Reform der Ärzteausbildung und einem wertebasierten, gemeinwohlorientierten und trotz-dem unternehmerischen Ansatz als erste private Universität Deutschlands an den Start ging, hat sie vielfältige Innovatio-nen hervorgebracht, die mehrfach in der Bildungslandschaft nachgeahmt und übernommen wurden: Modellstudiengang Medizin, Studium fundamentale, Umgekehrter Generationen- vertrag etc. In diesem Sinne stand die UW/H „Modell“ für weitere Hochschulen und Universitäten und erhielt rasch die ehrenvolle Bezeichnung „Modelluniversität“, die sie gerne an-nahm. Der Begriff „Modell“ war gerechtfertigt, weil es in den 80er Jahren für das Ziel einer Universität in freier/privater Trägerschaft zumindest in Deutschland keine Vorbilder gab. Heute verfügen 160 von den insgesamt 400 deutschen Hoch-schulen über eine nicht-staatliche Trägerschaft.

Diese Entwicklung bedeutet jedoch auch, dass das Modell hafte nicht mehr allein in der Tatsache begründet liegen kann, sich in nicht-staatlicher Trägerschaft zu befin-den. Vielmehr geht es um die fortlaufende Fähigkeit, Gestal-tungsspielräume und Veränderungsbedarfe in Lehre, For-schung und wissenschaftlicher Weiterbildung zu erkennen und darin immer wieder erneut unternehmerische Verant-wortung zu übernehmen und mutig Neuland zu betreten. Kurz: Es geht darum, gesellschaftlich zu wirken.

Um die dafür genannten notwendigen Fähigkeiten in der Organisation UW/H lebendig und sie somit als Akteurin wirksam zu halten, muss die immer noch junge UW/H sich zunächst selbst als gewachsene und erwachsene Organisa-tion wahrnehmen und realisieren, dass es hierfür einer akti-ven Gestaltung bedarf:

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Fehlersuche >>> FehlerreflexionBildungsinnovationen und kreative Problemlösungen, die sich durchgesetzt haben, werden gerne auf ihren schlussend-lichen Erfolg reduziert. Das daraus im öffentlichen Schein-werferlicht entstehende Bild einer erfolgreichen Organisa tion verschweigt oft, was zur Entstehung essentiell notwendig war: der Mut von Einzelnen, Wenigen oder auch Vielen zu scheitern; und die kulturelle Akzeptanz des Scheiterns sowie die Wertschätzung für gezeigte Risikobereitschaft.

Fehler zu machen ist also kein Makel des Unfähigen oder gar Wertlosen, sondern das natürliche Nebenprodukt von aktiver Gestaltung und der damit verbundenen Wirkungs-absicht. Es gilt dieses „Nebenprodukt“ als Möglichkeitsraum von Beginn an mitzudenken und ex post angemessen zu re-flektieren, um es als Lernerfahrung wahrnehmen, schätzen und erneut einsetzen zu können.

In jeglicher wissenschaftlichen Aktivität ist „Versuch und Irrtum“ immanent enthalten. Wissenschaft ist das intel-lektuelle methodische Vortasten an die Grenzen der Erkennt-nis – geprägt von Erfolg wie von Misserfolg. Das Vortasten, die offene Wahrnehmung des Neuen, basiert auf einer un-befangenen, unängstlichen Grundhaltung. Dies gilt für In-dividuen wie für Universitäten und Unternehmen. Grün-dungsprozesse, Neu- und Ausgründungen fußen auf dem Prinzip von Versuch und Irrtum. Entscheidungsstärke ist hier gefragt, aber kein Garant für schnellen Erfolg. Frühes Schei-tern ist immer auch Quelle des nächsten Lernschritts. Mit diesem Selbst-Verständnis können angemessene Abwägung von Chancen und Risiken, Urteilskraft, Handlungskompetenz und nicht zuletzt Mut vorgelebt, gelernt, erprobt werden.

Die UW/H will eine Universitätskultur pflegen und aus-bauen, die sich nicht auf Fehlersuche, sondern auf deren Re-flexion konzentriert, und somit an einer Weiterentwicklung – fachlich wie persönlich, individuell wie organisational – mitwirkt.

Diese aktive Gestaltung zielt auf eine Weiterentwick-lung der UW/H, mit der explizites wie implizites Wissen im Sinne von (Selbst-)Beobachtung, von (Selbst-)Reflexion und Diskurs sichtbar und verfügbar gemacht wird: Im besten Fall lernt die Uni mit jedem Schritt ihrer Entwicklung und des – manchmal mühsamen – Erwachsenwerdens.

In diesem Sinne geht es in Zukunft also weniger darum, „Modell zu stehen“ und die eigene „Modellhaftigkeit“ als Identitätsmerkmal zu kultivieren, sondern den Pionier-geist in gezielt ausgewählten Themenfeldern zu nutzen, um die eigene Selbsterneuerungsfähigkeit wach zu halten, voranzutreiben und gesellschaftliche Impulse zu setzen.

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Selbstverständliche Gemeinsamkeit >>> bewusstes MiteinanderDie kleine, teamförmige Pionier-Keimzelle „Witten/ Herdecke“ war in ihrer Gründungsphase gekennzeichnet durch große Initiativkraft, kurze Entscheidungswege, prägende einzelne Mitglieder, intensiven gemeinsamen Austausch und vielfäl-tigen neuen Gestaltungsspielraum. Durch die strategischen Entscheidungen der letzten Jahre (z. B. für neue Studiengänge wie PPÖ, Psychologie sowie den multiprofessionellen Master „Versorgung von Menschen mit Demenz“) sowie das daraus resultierende rasche Wachstum ist die UW/H immer mehr zu einer Organisation mit Untereinheiten, Hierarchien, Ordnun-gen und Gremien geworden.

Während in den Anfangsjahren das gemeinsame Wirken über Fakultäts- und Hierarchieebenen hinweg von kreati-vem Gründer-Chaos geprägt sowie jederzeit und greif- und erfahrbar war, so ist die aktuelle Wachstums- und Reifungs-phase der Universität begleitet von einer fachlichen wie hie- rarchischen Ausdifferenzierung, die es schwieriger macht, das Zusammenwirken der universitären Gemeinschaft auf-recht zu erhalten. In der Universität spricht man seltener von den „Wittenern“, sondern häufiger von „den Medis“, „den Wiwis“ oder „den Kures“, um nur wenige typische Beispiele zu nennen.

Die Herausforderung ist, Witten als pulsierendes Mitein-ander – mit allen Ecken, Kanten, Vorzügen und Besonderhei-ten, mit aller Reflexion und Kommunikation – immer wieder neu leb- und erfahrbar zu machen, ohne sentimental und rückwärtsgewandt die „alte Gemeinschaft“ zu suchen. Um dies zu erreichen, braucht es neben dem Gefühl der Zuge-hörigkeit zum großen Ganzen auch die kleineren Organisa-tionseinheiten, die das tägliche Miteinander maßgeblich beeinflussen.

Dabei gilt es, sowohl das Verbindende als auch die Unter-schiede zu beachten und wertzuschätzen. Zum einen gehört dazu die Wahrnehmung und Förderung kleinerer Organisa-tionseinheiten, die maßgeblich das tägliche Miteinander beeinflussen. Denn eine gute Zusammenarbeit in der eige-nen Abteilung/Fakultät fördert auch das Zugehörigkeits-

gefühl zum großen Ganzen. Zum anderen geht es darum, auf individueller Ebene die Lebensumstände der einzelnen Universitätsmitglieder wahr- und ernstzunehmen und hier-für entsprechend unterstützende Rahmenbedingungen zu gestalten.

All dies bedarf einer aktiven Gestaltung des Dialoges, der Wahrnehmung und des Diskurses. Es bedarf auch einer gemeinsamen Ausrichtung: Strategische Ziele zu setzen und zu verfolgen, ist das Grundmotiv für das vorliegende Konzept „UW/H 2020“.

Ein erfolgreiches Wirken der UW/H braucht bewusste Rituale, kluge, gut getaktete Rhythmen; kleine und große, offene wie geschlossene Räume, in denen Begegnung, Aus-einandersetzung, akademischer Streit und persönliches Verstehen stattfinden können. Wenn dies gegeben ist und immer wieder neu erarbeitet werden kann, wird auch weite-res Wachstum zum Geschenk: für jeden, den die Universität zusätzlich aufnehmen kann – als Studierenden, DozentInnen oder MitarbeiterInnen – aber auch für die UW/H selbst, deren Sichtbarkeit und Wirkung zunimmt.

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unkoordiniert informieren >>> planvoll kommunizierenDie Idee einer Universität in nicht-staatlicher Trägerschaft entstand aus der Zivilgesellschaft. Triebfeder war der Wunsch, ausgehend von der Ärzteausbildung und einer in-novativen wissenschaftlichen Verknüpfung von Theorie und Praxis, die (Aus)Bildung unterschiedlicher professioneller Generationen zu reformieren. Auch die Umsetzung dieser Idee wurde sowohl ideell als auch finanziell von der Zivil-gesellschaft begleitet und mitgetragen. Bis heute ist die Ver-netzung mit und die Unterstützung durch SponsorInnen, UnternehmerInnen, Stiftungen und Privatpersonen ein Kern-merkmal der UW/H, das sie ideell wie finanziell immer wie-der neu belebt. Die Stakeholder und UnterstützerInnen der universitären Idee wollen wirken – und möchten über ihren Wirkungsgrad informiert sein. Der wird zunehmend auch an der öffent lichen Sichtbarkeit gemessen. Neben dem Ausbau dieser Sichtbarkeit auf unterschiedlichen Ebenen gilt es des-halb in Zukunft noch mehr, FreundInnen und FörderInnen v. a. auch über die nicht medialen Wirkungen ihres Einsatzes zu informieren und mit ihnen über die verschiedenen Per-spektiven auf universitäre Wirkung im Diskurs zu bleiben.

Zielgruppe sind hier nicht nur die rasch wachsende Gruppe der Alumni, bestehende Freunde und Förderer, sondern vor allem auch potenzielle Studierende, neue Part-nerInnen und WegbegleiterInnen.

Gleiches gilt für die Kommunikation „nach innen“. Sie findet insbesondere zwischen den Studierenden oft nahezu in „Echtzeit“ statt: Noch während etwas geschieht/sich ent-wickelt, wird bereits kommuniziert: über Twitter, Facebook – you name it …

Aktuell, aber nicht atemlos, braucht die UW/H attrak tive und eingespielte Kommunikationswege und funktionierende Mechanismen, die die verschiedenen Informationsbedürf- nisse – MitarbeiterInnen, ForscherInnen, Studierende – ange-messen adressieren, ohne zu überfordern oder abzustumpfen. Hierfür die geeigneten Wege und Räume zu schaffen, zu be-spielen, zu evaluieren und schließlich weiterzu entwickeln, ist Aufgabe der internen Kommunikation.

Heroische Autorität >>> Postheroische FührungObwohl individuelle Autonomie, Partizipation und Beteili-gung aller Mitglieder der Universität an den politischen Ge-staltungsprozessen stets als konstitutives Element der UW/H galten und gelten, gab es gleichermaßen eine Sehnsucht da-nach, ProfessorInnen, DekanInnen, KanzlerInnen und Präsi-dentInnen zu finden, die aus sich selbst heraus und mit cha-rismatischer Autorität für die Organisation richtungsweisend und handlungsleitend wirken sollten. Es war nicht zuletzt dieses Spannungsfeld, aus dem eine Vielzahl an fruchtbaren und weniger fruchtbaren Diskussionen, Konflikten und Kri-sen in der Universität hervorgegangen sind.

Da sich die UW/H in Zukunft weniger am starren An-spruch „Modellhaftigkeit“, sondern vielmehr an ihrer gesell-schaftlichen Wirksamkeit messen lassen möchte, bedarf es auch eines Wandels in ihrem Management-Verständnis. Hier geht es zunehmend darum, nicht einzelne Personen „Modell stehen zu lassen“, sondern das Zusammenwirken der einzel-nen Führungspersonen und Organisationseinheiten immer wieder neu und transparent herauszuarbeiten: Der Erfolg der UW/H ist mehr denn je eine kreative Mannschaftsleistung. Die innovative Gestaltung von Lehre und Forschung profi- tiert von flachen Hierarchien und größtmöglicher Autonomie. Die unternehmerische Führung eines mittelständischen Betriebes mit über 500 MitarbeiterInnen und einer hoch-komplexen Finanzierungsstruktur benötigt klar zugeordnete Verantwortung und eindeutige, kurze Entscheidungswege. Ein erfolgreiches „postheroisches UW/H-Management“ kann diesen beiden Aufgaben umso besser gerecht werden, je mehr das skizzierte Spannungsfeld von den unterschied-lichen Anspruchsgruppen der Universität wahrgenommen wird. In der Konsequenz geht es darum, auf allen Ebenen ein hohes Maß an Eigenverantwortung zu ermöglichen.

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Klassischer Arbeitsplatz >>> attraktive ArbeitgeberinAlle MitarbeiterInnen sind die Leistungsträger einer jeden Organisation. Gerade für die UW/H als ideell motivierte Orga-nisation waren und sind ihre MitarbeiterInnen, die sich mit Ideen und Tatkraft einbringen, von entscheidender, besonde-rer Bedeutung.

In Zukunft wird es für die UW/H verstärkt darum gehen, sich im Wettbewerb um engagierte und talentierte Mit ar-beiterInnen als attraktive Arbeitgeberin zu positionieren. Gerade als Universität, die sinnstiftende Arbeitsplätze und ein lebendiges, junges, vielseitiges und flexibles Arbeits-umfeld sowie herausfordernde Tätigkeiten bietet, kann die UW/H hier punkten. Dabei geht es zum einen darum, das Recruiting von neuen MitarbeiterInnen zu erleichtern, aber auch den bestehenden MitarbeiterInnen einen attraktiven Arbeitsplatz zu bieten, der sie im Einklang mit ihrer Gesund-heit und ihrer persönlichen Lebensführung gerne bleiben lässt.

Das Grundgerüst einer erfüllenden Tätigkeit an der UW/H entspricht dabei den Zielsetzungen, die genauso für die Fakultäten und ihre jeweiligen Studiengänge gelten: professionelle Handlungskompetenz verbunden mit dem Raum zur Persönlichkeitsentwicklung in sinnstiftender ge-sellschaftlicher Verantwortung. Nur wenn diese Prämissen überzeugend von ProfessorInnen, DozentInnen und Mitar-beiterInnen wahrgenommen und gelebt werden, kann auf Dauer studentische Bildung und Ausbildung sowie For-schung und Patientenversorgung fruchtbar und erfolgreich sein. Dabei werden vor allem Weiterbildung, zeitliche Flexi-bilität, räumliche Mobilität und ein Fokus auf die Förderung und Erhaltung der Gesundheit eine große Rolle spielen.

Einer der auszubauenden Attraktivitätsfaktoren für die Positionierung der UW/H als gute Arbeitgeberin ist die Per-sonal- und Führungskräfteentwicklung, da Entwicklungs-perspektiven bei der Attrahierung und Bindung von Mit-arbeiterInnen zunehmend eine relevante Rolle spielen. Die UW/H bietet als mittelständisches Unternehmen durch ihre flachen Hierarchien eine begrenzte Anzahl an weiterführen-den Karrierepfaden. Abseits dieser vordergründigen Karriere- entwicklung kann sie jedoch im Bereich der persönlichen Entwicklung der MitarbeiterInnen, z. B. durch fachliche und persönliche Fortbildungsangebote, punkten.

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Evaluation >>> Reflexion / WeiterentwicklungDie Kernaufgabe von Universitäten besteht aus wirksamer Lehre und innovativer Wissenschaft – beides in einem zu-meist historisch gewachsenen Zuschnitt individueller Prä-gung mit regionaler Verankerung und nationaler bzw. inter-nationaler Vernetzung. Das gilt auch für die UW/H. Die Güte der Erfüllung dieser Aufgaben entscheidet maßgeblich über die Güte und den Wirkungsgrad der UW/H als Ganzes.

Kann man das adäquat und sinnvoll messen, sollte man auch dieses vergleichsweise autonome Handlungsfeld unse-rer Gesellschaft einer zunehmend differenzierten Quantifi-zierung unterziehen? Die Frage – ob überhaupt? – stellt sich nicht mehr ernsthaft: Auch Universitäten haben sich immer wieder neu einer kritischen Bewertung ihrer Ansprüche und Leistungen zu stellen. Die Frage ist vielmehr, wie sie dies tun. Nicht erst seit der immer lauter werdenden Kritik an den klassischen Messmethoden (von impact-Faktoren über h-Faktor bis zum citation index) versucht die UW/H, univer-sitäres Wirken realitätsnäher, wirkungsbezogener und trotz-dem wissenschaftlich zu erfassen. Ziel ist es, Universitäten (und damit auch der UW/H) Methoden und Messgrößen an die Hand zu geben, die gesellschaftlich relevante Optimie-rungspfade sichtbar und dadurch möglich werden lassen – unter anderem durch gezielt herbeigeführte periodische Selbst- und Fremdeinschätzung.

Es braucht den Raum, die Zeit und eine Gruppe von involvierten AkteurInnen, die Ergebnisse zu sichten und zu reflektieren, um daraus Entwicklungspotenzial abzuleiten und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Besondere Transfer- und Lernmöglichkeiten liegen hier in der Unter-schiedlichkeit der drei Fakultäten, die durch interfakultäre Evalua tionsverfahren gehoben werden können.

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UW/H 2020: ZUKUNFT BILDEN.

Jetzt: Zukunft bilden.

Abstract »UW/H 2020« in drei Minuten

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Anlauf nehmen …

danke! und bitte!

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UW/H 2020: ZUKUNFT BILDEN.

5. Jetzt: Zukunft bilden. In Gesundheit, Wirtschaft und Kultur.

Abstract »UW/H 2020« in drei Minuten

Die Universität Witten/Herdecke ist auf gutem Kurs. Ein brei-tes Fundament aus gemeinsamen Werten, ein ebenso breites Netzwerk von engagierten FreundInnen, FörderInnen und WegbegleiterInnen, eine starke Leistungsbilanz in Lehre und Forschung und eine solide finanzielle Planung erlauben der UW/H, tatkräftig und guten Mutes auf die nächsten fünf Jahre zu schauen.

Die Herausforderungen dieser kommenden fünf Jahre liegen sowohl außerhalb als auch innerhalb der Universität. Die gesellschaftlichen Problemstellungen fordern die UW/H mehr denn je, in ihren jeweiligen Kernfeldern – GESUND-HEIT, WIRTSCHAFT und KULTUR – an wertvollen Fragestel-lungen, hilfreichen Perspektiven und sinnvollen Lösungen mitzuarbeiten.

Für die Gesundheitsfakultät wird es darum gehen, ihren interdisziplinären Ansatz – insbesondere durch ihre vier Departments – dazu zu nutzen, eine Gesundheitsversorgung der Zukunft zu denken, zu konzipieren und umzusetzen, die sowohl dem einzelnen Menschen als auch der Gesellschaft mit ihren komplexen demografischen, technischen und wirt-schaftlichen Anforderungen Rechnung tragen kann.

Die Aufgabe der Wirtschaftsfakultät wird zum einen da-rin liegen, einen Beitrag zu den makro-ökonomischen und politischen Herausforderungen zu leisten. Hierfür ist die Wittener Wirtschaftswissenschaft durch die enge Verzah-nung von Politik, Philosophie und Ökonomik gut aufgestellt. Zudem wird die Fakultät in Erweiterung der besonderen Thematik von Familienunternehmen den an der UW/H seit jeher stark ausgeprägten Gründer-Impetus verstärkt zum Gegenstand von Forschung, Lehre und Praxis machen.

Die Fakultät für Kulturreflexion sieht in ihrer bleibenden Fächer- und Perspektivenvielfalt eine gemeinsame Aufgabe darin, sowohl die Phänomene der Digitalisierung als auch die dadurch ausgelösten sozialen, technischen und politi-schen Folgewirkungen zu beschreiben, zu analysieren und zu reflektieren. Im Ergebnis sollen neue Blickfelder und vor allem individuelle und gesellschaftliche Gestaltungsspiel-räume sicht- und nutzbar gemacht werden.

Neben den gesellschaftlichen Herausforderungen steht die UW/H vor neuen inner-organisationalen Entwicklungs-aufgaben. Vor allem der stetige Wachstumskurs der letzten Jahre und die im Rahmen von Bologna kürzer werdenden Studienzeiten rücken Fragen von Identität und gemeinsa-mer Zielsetzung ebenso wie Kommunikation und Miteinan-der in den Mittelpunkt. Eine weitere Kursbestimmung allein reicht nicht mehr aus: Verstärkt wird die UW/H an Aufgaben wie Wahrnehmung, Wertschätzung, Personalentwicklung und Universitätskultur arbeiten.

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GESUNDHEIT

WIRTSCHAFT

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UNIVERSITÄT

ORGANISATION

BILDUNG

Anlauf nehmen …

Zwei Wesenszüge der Universität haben die Arbeit an der Strategie „UW/H 2020“ maßgeblich beeinflusst: zum einen die stets temperamentvolle Diskussions- und Streitkultur von vielen Studierenden, MitarbeiterInnen, ProfessorInnen. Zum anderen der „lange Atem“ – ein Durchhaltevermögen, das es erlaubt, komplexe Prozesse auch über einen längeren Zeit-raum zu steuern und zu einem guten Abschluss zu bringen. Der liegt nun vor. Die Entwicklungslinien von „UW/H 2020“ sind in finale Texte gegossen. Das Layout ist verabschiedet. Der Druck ist fertig, die Tinte getrocknet.

Und jetzt?So wichtig der Prozess bis zur Fertigstellung des Dokumen-tes war – mit allen Brainstorming-, Klärungs- und Abstim-mungsprozessen –, so wichtig ist der Prozess der Umsetzung, der nun beginnt. Um die gesteckten Ziele in kluge Teilschrit-te zu übersetzen, braucht es Wachheit, Reflexion, die Fähig-keit zu Kritik, Selbstkritik und Nachsteuerung. Und es braucht klare Strukturen, Prozesse, Verantwortlichkeiten und Res-sourcen. Erneut liegt vor uns: eine Menge Arbeit und ein kontinuierlicher Weg, der genauso transparent und genauso engagiert angelegt sein soll wie der Entstehungsprozess der Strategie selbst.

Eine der ersten Fragen, die wir bearbeiten werden: Wo-ran wollen wir uns messen? – Was wird in 2020 anders sein, wenn wir erfolgreich waren? Wer würde es bemerken – auch schon ‚unterwegs‘? Wie können wir ‚berichten‘ und ‚mitneh-men‘ auf diesem Weg?

Papier ist geduldig. „UW/H 2020“ ist eine Momentauf-nahme mit Ausblick, eine Verdichtung der vor uns liegen-den Entwicklungslinien, ein Anstoß zur Weiterentwicklung. Gerade deshalb sind die vorgezeichneten Entwicklungs-linien innerhalb der nächsten fünf Jahre immer wieder auch zu hinterfragen, zu korrigieren, zu bestätigen.

Zu guter Letzt:Eine leistungsstarke, sehr lebendige Universität in gemein-wohlorientierter, nicht-staatlicher Trägerschaft mit dem besonderen Zuschnitt und der eindrucksvollen Historie der UW/H weiterentwickeln zu dürfen, ist ein Privileg und eine groß artige gemeinsame Aufgabe. Und stellvertretend für alle Beteiligten auf diesem Weg möchten wir den Schlusspunkt setzen:

>>> Wir wollen das. >>> Wir können das. >>> Wir machen das. >>> Und wir haben Freude daran.

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UW/H 2020: ZUKUNFT BILDEN.

danke! und bitte!

danke!Der gemeinsame Prozess, in dem das Strategiekonzept „UW/H 2020. Zukunft bilden.“ entstanden ist, verlief so, wie man sich einen universitären Diskurs wünscht:

Offen, engagiert, mutig, kritisch, kreativ, diskussions-freudig, streitlustig, konsensbereit, handlungsfähig. Allen Beteiligten an diesem Wettstreit um die besten Ideen möchten wir sehr herzlich danken!

Stellvertretend für alle, die im Hintergrund tatkräftig mitgedacht und mitgewirkt haben, werden im Folgenden die offiziell Eingebundenen namentlich genannt.

bitte!Auch wenn auf der Folgeseite gleich das Impressum folgt – und damit der Abspann läuft … – dieses Projekt zur Zukunft der UW/H ist mitnichten zu Ende. Es beginnt gerade: Die Übertragung und Bewährung in der Praxis steht an. Wir möchten alle Mitstreiter, die sich an der Entstehung be-teiligt haben, ermuntern und bitten, auch an der nun be-ginnenden Umsetzung tatkräftig mitzuwirken. Und wir möchten ebenso alle diejenigen, bei denen wir erstmals Neugier für diesen Zukunftsweg geweckt haben sollten, zur Mitarbeit herzlich einladen.

IhreMartin ButzlaffJan Peter NonnenkampRudolf Wimmer

VerantwortlicheDirk Baecker, Dekan Fakultät für Kulturreflexion // Christel Bienstein, Leiterin Department für Pflegewissenschaft // Martin Butzlaff, Präsident Universität Witten/Herdecke // Julika Franke, Assistentin der Geschäftsführung Universität Witten/Herdecke // Dagmar Gustorff, Geschäftsführerin der Fakultät für Gesundheit // Jonathan Hoffmann, Studierender Philosophie, Politik und Ökonomik // Cosima Lorenz, Studie­rende Psychologie und Medizin // Helias Mackay, Studierender Business Economics // Jan Peter Nonnenkamp, Kanzler Uni­versität Witten/Herdecke // Miriam Pittet, Studierende Philo­sophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis // Birger Priddat, Dekan Fakultät für Wirtschaftswissenschaft // Jelena Terwey, Studierende Psychologie // Alina Valjent, Studierende Philoso­phie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis // Claus Volkenandt, Prodekan Lehre Fakultät für Kulturreflexion // Ulrich Weger, Leiter Department Psychologie und Psychotherapie // Jörn Weingärtner, Geschäftsführer Fakultät für Wirtschaftswissen­schaft // Rudolf Wimmer, Vizepräsident für Wissenschafts­transfer Universität Witten/Herdecke // Stefan Wirth, Dekan Fakultät für Gesundheit // Stefan Zimmer, Leiter Department Zahn­, Mund­ und Kieferheilkunde

MitwirkendeSebastian Benkhofer, Abteilungsleiter Zentrum Fort­ und Weiterbildung // Ralf Bühler, Abteilungsleiter Personal und Recht // Johanna Conzelmann, Studierende Medizin // Sigrid Fischer, Sekretariat Präsidium // Jonas Friedrich, Studierender Philosophie, Politik und Ökonomik // Nelli Hetfeld, Studierende Kulturreflexion und Psychologie // Eric Hoffmann, Abteilungs­

leiter Kommunikation bis 12/2014 // Jonas Holz fäller, Stu­dierender Business Economics // Franca Kneier, Studierende Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis // Stefanie Krischnak, Referentin Personalentwicklung // Jens Lanfer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Lehrstuhl Politikwissenschaft // Taras Lastowski, Studierender Business Economics // Philipp Lohmeier, Studierender Business Economics // Johanna Mayrshofer, Studierende Philosophie, Politik und Ökonomik // Gabriele Molitor, Abteilungs leiterin Kommu ni ­ kation // Hannah Möltner, Wissenschaftliche Mitarbei terin Reinhard­Mohn­ Institut bis 12/2015 // Ulrike Muhr, Sekretari­at Präsi dium // André Piwowarczyk, Lehrstuhl inhaber „Zahn ­ärztliche Prothetik und Dentale Technologie“ // Katharina Polatschek, Mitarbei terin Marketing/Universitätsentwicklung // Nina Raditsch, Mitarbeiterin Marketing/Universitäts ent­wicklung // Ingo Reihl, Universitätsmusik direktor // Anne- Marie Schnell, Studierende Medizin // Florence Schimmel, Studierende Philosophie, Politik und Ökonomik // Luca Schubert, Studierender Philosophie, Politik und Ökonomik // Diethard Tauschel, Leiter Integriertes Begleitstudium Anthro­posophische Medizin // Frank Tolsdorf, kaufm. Leiter Zahn­klinik // Caroline Wack, Studierende Medizin // Axel Walther, Post­Doc. Wittener Institut für Familienunternehmen

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GESUNDHEIT

WIRTSCHAFT

KULTUR

ORGANISATION

BILDUNG

UNIVERSITÄT

Impressum

Herausgeberin: Universität Witten/Herdecke

Geschäftsführung: Prof. Dr. Martin Butzlaff (Präsident) Dipl. oec. Jan Peter Nonnenkamp (Kanzler)

Universität Witten/Herdecke Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten Telefon +49 2302 926-0, Fax +49 2302 926-803 [email protected], www.uni-wh.de [email protected], www.uwh2020.de

Sitz der Gesellschaft: Witten Amtsgericht Bochum HRB 8671

Bankverbindungen: GLS Gemeinschaftsbank eG Bochum, IBAN: DE76 4306 0967 0000 3535 00 Deutsche Bank AG Witten, IBAN: DE49 4307 0061 0832 7777 00 Sparkasse Witten, IBAN: DE55 4525 0035 0000 0109 00

Projektleitung: Martin Butzlaff, Präsident der Universität Jan Peter Nonnenkamp, Kanzler der Universität Rudolf Wimmer, Vizepräsident der Universität Julika Franke, Assistentin des Präsidiums

Lektorat: Sigrid Fischer Ulrike Muhr

Gestaltung: Agentur an der Ruhr, Witten www.aadr.de

Druck: Druckerei Buschhausen, Herten

Auflage 3000; April 2016

klimaneutralnatureOffice.com | DE-309-336444

gedruckt

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