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------------------------------~~-- ¥v~ Tagungs berichte Tierversuche in der Mutations- und Krebsforschung: Notwendigkeit und in vitro Alternativen 15. Jahrestagung der Gesellschaft fur Umwelt-Mutationsforschung (GUM) A-Gmunden am Traunsee, 28. August - I. September 1995 Die Gesellschaft fur Umwelt-Mutati- onsforschung e.V. (GUM) reprasentiert die deutschsprachige Sektion der "Eu- ropean Environmental Mutagen Socie- ty" (EEMS). Der im letzten Jahr ge- grundete "osterreichische Flugel" der GUM fungierte gemeinsam mit dem Institut fur Tumorbiologie und Krebs- forschung der Universitat Wien, dem osterreichischen Umweltbundesamt so- wie dem osterreichischen Bundesmini- sterium fur Wissenschaft, Forschung und Kunst als Gastgeber der diesjahri- gen Tagung. Die Veranstaltung beschaftigte sich mit der Frage, ob und in welchem AusmaB Tierversuche in der Mutati- onsforschung durch in vitro Verfahren ersetzt oder zumindest reduziert wer- den konnen. Es sollte abgeklart wer- den, in welch en Bereichen und fur welche Aussagen auf Tierexperimente prinzipiell nicht verzichtet werden kann. In diesem Zusammenhang wurden neue in vitro Methoden mit metabolisch kom- petenten Saugerzellen vorgestellt. Es wurden optimierte Metabolisierungsver- fahren diskutiert sowie Moglichkeiten der Erfassung yon Problemsubstanzen, deren kanzerogene Wirkungen bisher nur in Langzeitstudien nachgewiesen werden konnten (Tumorpromotoren, nicht gentoxische Kanzerogene). Wei- ters wurden Nachweismethoden fur Sub- stanzen erortert, die in herkommlichen Standardverfahren del' Mutationspni- fung nicht oder nur schwer detektiert werden konnen (Rekombinogene, gen- amplifizierende Verbindungen, u.a.). Einen weiteren Teil des Programms bi1dete der Einsatz von Computerpro- grammen zur Reduktion von Versuchs- tierzahlen LIndzur Vorhersage mogli- cher Schadwirkungen. Im Rahmen ei- nes round table Gesprachs wurde unter den ca. 80 Teilnehmerlnnen durchaus kontrovers del' Frage nachgegangen, ob 34 es erstrebenswert sei, die derzeit prak- tizierten Strategien fur die routinema- Bige Substanzprufung zu andern und durch welche neueren Verfahren Tier- versuche ersetzt werden konnten. Einleitend schilderte Philip Bentley (Ciba-Geigy AG, Basel) einige Aspek- te der .Problerne und Vorteile der Erkennung von mutagenen und karzi- nogenen Substanzen in Tieren", Er sieht in vivo Experimente bei der Determinierung mutagen en und karzi- nogenen Potentials als essentiellen Teil des risk assessment, auch wenn gento- xisches Potential schon in vitro erkannt werden konnte. 1m anschlieBenden Hauptvortrag von W. Parzefall (Universitat Wien) waren .Kurzzeittests in vivo auf gentoxische und nicht-gentoxische Kanzerogene" das Thema. Der .Einsatz yon transgenen Mausen bei der Mutationsprufung" wurde von Sarah Shephard (Dermatologische Kli- nik, ZUrich) behandelt. Sie halt Muta- genitatstests mit transgenen Nagern, in denen die bakteriellen lac-Gene als Marker eingesetzt werden, fur eine vielversprechende Moglichkeit, Muta- tionen nach in vivo Behandlung organ- spezifisch zu bestimmen. Werner Lutz (Universitat Wurz- burg) besprach die experimentellen Ansatze des dortigen Institutes fur To- xikologie zur Untersuchung, ob ein DNA-reaktives und ein tumorpromo- vierendes Agens, in verschiedenen Do- sis-Kombinationen appliziert, unter- schiedliche Dosisabhangigkeiten in ei- ner .Dosis-Zeit- Wirkungsbeziehung fur die Tumorinduktion" zeigt. Tests am Wiener Institut fiir Tumor- biologie-Krebsforschung mit Umwelt- chemikalien sowohl in vitro als auch in vivo ergaben starke Diskrepanzen hin- sichtlich der mutagenen Potenz. Sieg- fried Knasmiiller erlauterte derartige .Fehlinterpretationen der mutagenen Aktivitat von Schadstoffen durch in vitro Testergebnisse". Otto Merwitz (Forschungszentrum Julich) eruierte im Rahmen von "Mo- dellversuchen zur StrahJenkarzinoge- nese - Vorstufen fur in vivo Experi- mente", ob strahleninduzierte Alkylra- dikale aus korpereigenen Substanzen mit DNA reagieren. .Bewertung des genetischen Risikos von Umweltschadstoffen am Beispiel Butadien": I1se-Dore Adler (GSF-In- stitut fur Saugetiergenetik, Ober- schleiBheim) diskutierte die Daten fur dieses Monomer der synthetischen Gummiherstellung, das in der Reifen- industrie, aber auch in Autoabgasen und im Zigarettenrauch vorkommt. Die Moglichkeiten und Grenzen von rnetabolisch kompetenten Zellen waren das Topic des zweiten Seminars, das u.a. die folgenden Beitrage beinhaltete: Metabolisch kompetente humane Le- ber- und Lungenzellen (Andrea Pfei- fer, Nestle Nestec Ltd.). DNA Repara- tur und Mikrokerne in prirnaren Rat- tenhepatozyten (Kerstin Tegethoff, Bundesinstitut fiir Arzneimittel- LInd medizinische Produkte, Wien). Muta- genitatsuntersuchungen von komple- xen Umweltgemischen mit primaren Rattenhepatozyten (Peter Eckl, Uni- versitat Salzburg). Keimzelltests in vivo (Ekkehart Vogel, BgVV Berlin). In vitro Abschatzung gentoxischer Ri- siken mit primaren humanen Hepato- zyten (Giovanni Brambilla und Anto- nietta Martelli, Universitat Genua). Differenzierte Epidermiszellen reagie- ren mit hoherer mutagener Sensitivitat als undifferenzierte embryonale Maus- zellen - eine in vitro Studie (Anna Wobus, Institut fur Pflanzengenetik, Gatersleben). Verwendung metabolisch kompetenter menschlicher Leberzellkul- turen (Hep-G-2) fiir zytogenetische Un- tersuchungen (Christina Schwab, Uni- versitat Wien). DNA-Schaden nach Sport: oxidativer Stref als Ursache (An- dreas Hartmann, Universitat Ulm). Die Frequenz HPRT induzierter Lymphozy- ten und die Bestimmung von Deletionen mittels Multiplex PCR an Vinylchlorid- exponierten Arbeitnehmern (Bettina Holzapfel, Institut fur Pflanzengenetik, Gatersleben). Den Abschluf des ersten Tagungsta- ges bildete die Mitgliederversammlung der Gesellschaft fur Umweltmutations- forschung. Die .Erfassung von nicht gentoxi- schen Kanzerogenen, Rekombinoge- nen und indirekten Mutagenen" war der Titel der zweiten Referatreihe: ALTEX 13, 1196

v~ · forschung der Universitat Wien, dem ... Rattenhepatozyten (Peter Eckl, Uni-versitat Salzburg). ... befaf3te sich Christian Seng-stag

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------------------------------~~--¥v~Tagungs berichte

Tierversuche in der Mutations- und Krebsforschung:Notwendigkeit und in vitro Alternativen

15. Jahrestagung der Gesellschaft furUmwelt-Mutationsforschung (GUM)A-Gmunden am Traunsee,28. August - I. September 1995

Die Gesellschaft fur Umwelt-Mutati-onsforschung e.V. (GUM) reprasentiertdie deutschsprachige Sektion der "Eu-ropean Environmental Mutagen Socie-ty" (EEMS). Der im letzten Jahr ge-grundete "osterreichische Flugel" derGUM fungierte gemeinsam mit demInstitut fur Tumorbiologie und Krebs-forschung der Universitat Wien, demosterreichischen Umweltbundesamt so-wie dem osterreichischen Bundesmini-sterium fur Wissenschaft, Forschungund Kunst als Gastgeber der diesjahri-gen Tagung.Die Veranstaltung beschaftigte sich

mit der Frage, ob und in welchemAusmaB Tierversuche in der Mutati-onsforschung durch in vitro Verfahrenersetzt oder zumindest reduziert wer-den konnen. Es sollte abgeklart wer-den, in welch en Bereichen und furwelche Aussagen auf Tierexperimenteprinzipiell nicht verzichtet werden kann.In diesem Zusammenhang wurden neuein vitro Methoden mit metabolisch kom-petenten Saugerzellen vorgestellt. Eswurden optimierte Metabolisierungsver-fahren diskutiert sowie Moglichkeitender Erfassung yon Problemsubstanzen,deren kanzerogene Wirkungen bishernur in Langzeitstudien nachgewiesenwerden konnten (Tumorpromotoren,nicht gentoxische Kanzerogene). Wei-ters wurden Nachweismethoden fur Sub-stanzen erortert, die in herkommlichenStandardverfahren del' Mutationspni-fung nicht oder nur schwer detektiertwerden konnen (Rekombinogene, gen-amplifizierende Verbindungen, u.a.).Einen weiteren Teil des Programmsbi1dete der Einsatz von Computerpro-grammen zur Reduktion von Versuchs-tierzahlen LIndzur Vorhersage mogli-cher Schadwirkungen. Im Rahmen ei-nes round table Gesprachs wurde unterden ca. 80 Teilnehmerlnnen durchauskontrovers del' Frage nachgegangen, ob

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es erstrebenswert sei, die derzeit prak-tizierten Strategien fur die routinema-Bige Substanzprufung zu andern unddurch welche neueren Verfahren Tier-versuche ersetzt werden konnten.Einleitend schilderte Philip Bentley

(Ciba-Geigy AG, Basel) einige Aspek-te der .Problerne und Vorteile derErkennung von mutagenen und karzi-nogenen Substanzen in Tieren", Ersieht in vivo Experimente bei derDeterminierung mutagen en und karzi-nogenen Potentials als essentiellen Teildes risk assessment, auch wenn gento-xisches Potential schon in vitro erkanntwerden konnte.1m anschlieBenden Hauptvortrag von

W. Parzefall (Universitat Wien) waren.Kurzzeittests in vivo auf gentoxischeund nicht-gentoxische Kanzerogene"das Thema.Der .Einsatz yon transgenen Mausen

bei der Mutationsprufung" wurde vonSarah Shephard (Dermatologische Kli-nik, ZUrich) behandelt. Sie halt Muta-genitatstests mit transgenen Nagern, indenen die bakteriellen lac-Gene alsMarker eingesetzt werden, fur einevielversprechende Moglichkeit, Muta-tionen nach in vivo Behandlung organ-spezifisch zu bestimmen.Werner Lutz (Universitat Wurz-

burg) besprach die experimentellenAnsatze des dortigen Institutes fur To-xikologie zur Untersuchung, ob einDNA-reaktives und ein tumorpromo-vierendes Agens, in verschiedenen Do-sis-Kombinationen appliziert, unter-schiedliche Dosisabhangigkeiten in ei-ner .Dosis-Zeit- Wirkungsbeziehungfur die Tumorinduktion" zeigt.Tests am Wiener Institut fiir Tumor-

biologie-Krebsforschung mit Umwelt-chemikalien sowohl in vitro als auch invivo ergaben starke Diskrepanzen hin-sichtlich der mutagenen Potenz. Sieg-fried Knasmiiller erlauterte derartige.Fehlinterpretationen der mutagenenAktivitat von Schadstoffen durch invitro Testergebnisse".Otto Merwitz (Forschungszentrum

Julich) eruierte im Rahmen von "Mo-

dellversuchen zur StrahJenkarzinoge-nese - Vorstufen fur in vivo Experi-mente", ob strahleninduzierte Alkylra-dikale aus korpereigenen Substanzenmit DNA reagieren..Bewertung des genetischen Risikos

von Umweltschadstoffen am BeispielButadien": I1se-Dore Adler (GSF-In-stitut fur Saugetiergenetik, Ober-schleiBheim) diskutierte die Daten furdieses Monomer der synthetischenGummiherstellung, das in der Reifen-industrie, aber auch in Autoabgasenund im Zigarettenrauch vorkommt.Die Moglichkeiten und Grenzen von

rnetabolisch kompetenten Zellen warendas Topic des zweiten Seminars, dasu.a. die folgenden Beitrage beinhaltete:Metabolisch kompetente humane Le-

ber- und Lungenzellen (Andrea Pfei-fer, Nestle Nestec Ltd.). DNA Repara-tur und Mikrokerne in prirnaren Rat-tenhepatozyten (Kerstin Tegethoff,Bundesinstitut fiir Arzneimittel- LIndmedizinische Produkte, Wien). Muta-genitatsuntersuchungen von komple-xen Umweltgemischen mit primarenRattenhepatozyten (Peter Eckl, Uni-versitat Salzburg). Keimzelltests invivo (Ekkehart Vogel, BgVV Berlin).In vitro Abschatzung gentoxischer Ri-siken mit primaren humanen Hepato-zyten (Giovanni Brambilla und Anto-nietta Martelli, Universitat Genua).Differenzierte Epidermiszellen reagie-ren mit hoherer mutagener Sensitivitatals undifferenzierte embryonale Maus-zellen - eine in vitro Studie (AnnaWobus, Institut fur Pflanzengenetik,Gatersleben). Verwendung metabolischkompetenter menschlicher Leberzellkul-turen (Hep-G-2) fiir zytogenetische Un-tersuchungen (Christina Schwab, Uni-versitat Wien). DNA-Schaden nachSport: oxidativer Stref als Ursache (An-dreas Hartmann, Universitat Ulm). DieFrequenz HPRT induzierter Lymphozy-ten und die Bestimmung von Deletionenmittels Multiplex PCR an Vinylchlorid-exponierten Arbeitnehmern (BettinaHolzapfel, Institut fur Pflanzengenetik,Gatersleben).Den Abschluf des ersten Tagungsta-

ges bildete die Mitgliederversammlungder Gesellschaft fur Umweltmutations-forschung.Die .Erfassung von nicht gentoxi-

schen Kanzerogenen, Rekombinoge-nen und indirekten Mutagenen" warder Titel der zweiten Referatreihe:

ALTEX 13, 1196

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~r:"\ TAGUNGSBERICHTE--~~~-----------------------------¥v~

F. Wiirgler (Institut fur Toxikolo-gie, ETH ZUrich) gab einen "Uberblicktlber gentoxische und nicht-gentoxi-sche Kanzerogene". Anschlief3endsprach R. Schulte-Hermann (Institutfur Tumorbiologie, Wien) iiber .Jvlog-Iichkeiten und Grenzen der Tumorpro-motion in vitro".

Robert Schiestl (Department ofMolecular and Cellular Toxicology,Harvard School of Public Health, Bo-ston) stellte den DEL-Test vor, der aufder Basis der Selektion von Deletionenarbeitet, mit Saccharomyces cerevisiae,menschlichen Zellen sowie als in vivoTest in Mausen.

Mit dem "Nachweis von Rekombi-nogenen" durch eine Kollektion vonHefestammen, die zu bestimmten hu-man-metabolischen Reaktionen befa-higt sind, befaf3te sich Christian Seng-stag (ETH ZUrich).

"Die rekombinogene und co-rekom-bin ogene Wirkung von nicht-gentoxi-schen Kanzerogenen": Rudolf Fahrig(Frauenhofer-Institut fur Toxikologie,Abteilung Genetik, Hannover) prasen-tierte Erkenntnisse aus Kurzzeitversu-chen mit S. cerevisiae und Mausen invi vo (Spot Test/Fellfleckentest).

Angela Steinkamp-Zucht berichte-te iiber Studien am Frauenhofer-Institutfur Toxikologie und Aerosolforschung

(Hannover) zur Auslosung von Gen-amplifikationen, die als Rekombinati-onsmechanismen begriffen werden,wofiir die mit dem SV -40 Virus trans-formierte Hamsterzellinie C0631 ein-gesetzt wurde.

Ulrike Winters berger (UniversitatWien) erlauterte ihren Ansatz: .Kanze-rogene Einflusse induzieren Aneuploi-die und Rekombination in Saccharo-myces cerevisiae".

In jenem Teil der Tagung, der sichmit dem Einsatz von .Datenbankenund SAR-Modellen" befaf3te, sprach V.Mersch-Sundermann (KJinikum derStadt Mannheim, Institut fur medizini-sche Mikrobiologie und Hygiene) zur.Voraussage des gentoxischen Potenti-als chemischer Stoffe mit CASE-SARIQSAR". Bei der CASE-Methode(Computer Automated Structure Eva-luation) handelt es sich urn ein "selbst-lernendes" Grof3rechnermodell. Eswurde die CASE-SAR/QSAR-AnalyseexempJarisch an der SOS-Induktion inEscherichia coli dargestelJt, wobei als.Lemdatensatz" die experimentellenErgebnisse von etwa 500 organischenSubstanzen dienten.

Die darauffolgende keynote lecturehieJt R. C. Van Borstel (University ofAlberta, Department of Biology, Ed-monton) zum Thema: .Antimutagene

Ersatzmethoden in der Toxikologie.3. Minisymposium des Departements fiir Toxikologie

und Pharmakologie der Universitat Lausanne

CH-Lausanne, 2. November 1995Auf Initiative des Lausanner Pharma-kologen und neuen Vizerektors derUniversitat, Jacques Diezi, stand die-ses Jahr das halbtagige Minisymposi-urn unter dem Motto .Alteruativrnetho-den". Zwei Wochen vorher waren dieVerantwortlichen der Universitat alar-miert worden, als militante Antivivi-sektions-Aktivisten ein internationalesSymposium in der Stadt durchfiihrtenund dabei einzelne fragwurdige Kat-zenversuche am Anatomieinstitut wie-der einmaJ eine negative Presse erhiel-ten. Wohl aus diesen Griinden legtendie Veranstalter des Minisymposiumswenig Wert auf Publizitat. Es fandensich denn auch nur knapp 40 Zuhorer

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im Vortragssaal des Kantonsspitals ein,urn einem anspruchsvollen Programmzu folgen.

1m Einfuhrungsreferat erwahnte Jac-ques Diezi die hauptsachlichen Grun-de, welche die Entwicklung und An-wendung von in vitro Methoden in derToxikologie gefordert haben, so diedeutliche Zunahme der Rohstoffpru-fungen, die Auflagen der Tierschutzge-setze und die zunehmend kritischeoffentliche Meinung zum Thema Tier-versuche. Die heute mogliche Automa-tisierung von in vitro Tests erlaubtbeispielsweise in der Industrie ein Pri-marscreening ohne Tierversuche.

Florianne Monnet Tschudi (Phy-sioJogie, Universitat Lausanne) erlau-

Mutagene und antikarzinogene Karzi-nogene".

Zusatzlich fand zum Abschluf derTagung ein Workshop iiber mutageneund kanzerogene Chemikalien in Tex-tilien statt, der gemeinsam mit demOsterreichischen Textilforschungsin-stitut organisiert wurde: Thomas Pla-zek (BgVV, fruher BGA, Berlin) un-terbreitete in seinem Beitrag zur "Ge-sundheitsgefahrdung durch Textilien"die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Tex-tilien am BgVV, die nach Bestandes-aufnahme der wichtigsten Gruppen vonTextilchemikalien und Farbmittelnnach toxikoJogischen Prioritaten exem-plarisch einige Vertreter gesundheitlichbewertete.

Weitere Beitrage zum Workshop wa-ren: Prufung von Textilien im Ames-Test (Siegfried Knasmiiller, Universi-tat Wien). Mutagenitat und Kanzeroge-nitat von Azofarbstoffen (ReinhardJung, Hoechst AG) Untersuchungenvon Textilien auf Schadstoffe nachOko- Tex Standard 100 mit besondererBerucksichtigung von karzinogenenund mutagenen Stoffen (E. ZippeJ,Textilforschungsinstitut Wien).

Rund 40 Poster wurden im Rahmendes Treffens del' GUM prasentiert underganzten die Wortmeldungen der TeiJ-nehmerInnen.

hsch

terte dann das von Paul Honegger seitJahren verwendete in vitro Modell derReaggregatkulturen von embryonaJenZellen aus dem Grof3hirn von Rattenfe-ten. Junge Kulturen reagieren empfind-licher auf Quecksilber als altere, aus-differenzierte Kulturen, wie dies auchbei anderen Neurotoxinen der Fall ist.Typischerweise wird bei niedrigsterDosierung (ca. 10-8 M) die Glia akti-viert, d.h. es wird eine Gliosis ausge-lost, wie etwa im Gehirn leicht vergif-teter Ratten. Dies scheint von derZytokinausschiittung der Mikroglia,also quasi dem Immunsystem des Ge-hirns auszugehen.

Pavel Kucera (Physiologie, Univer-snar Lausanne) arbeitet mi l wenigeTage alten Huhnerembryonen, die erfur die Priifung von Teratogenen invitro kultiviert. In einer aufwendigenmorphologischen Analyse werden nachder Behandlung im 24-96 h alten

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TAGUNGSBERICHTE ~r;')~---------------------------~~.--¥v~Keimling MiBbildungen gemessen.Wenn diese bei einer bestimmten Kon-zentration eines Schadstoffes auftretenund dabei erst in deutlich hoherenKonzentrationen Zytotoxizitat und Ab-sterben des Keimlings zu beobachtensind, wird die Testsubstanz als "poten-tie II teratogen" eingestuft. Aus weite-ren Studien geht hervor, daf gewisseelektrophysiologische Storungen imEntwicklungsprozeB reversibel seinkonnen, wenn die Schadigung nicht zustark ist.Beat Schmid (Zyma SA, Nyon)

erwahnte einleitend die ICH (Interna-tional Conference on Harmonization),die kurzlich im Bereich Medizinalpro-dukte und Reproduktionstoxikologieeinen Durchbruch zur Reduktion yonTierversuchen erreichte. Danach mus-sen nun keine reproduktionstoxikologi-schen Untersuchungen am Tier in denUSA oder Japan wiederholt werden.Aulserdem werden fur den ersten Test"nur" noch 320 statt wie bisher iiber400 Ratten und Kaninchen verwendetund nur noch wahrend 4 statt 10Wochen behandelt. Schmid seIber ver-wendet in vitro Kulturen yon Ratten-embryonen, die dank verschiedenenValidierungen in der Industrie furScreeninganwendungen gut akzeptiertsind. Die unumgangliche, rigide Pru-fung der Reproduzierbarkeit undBrauchbarkeit hat diese Methode be-reits bestanden.Andrea Pfeifer (Nestle S.A., Lau-

sanne) gab eine Ubersicht uber dieMoglichkeiten, menschliche Leberzell-kulturen fur die Prufung auf Krebserre-gung einzusetzen. AuBerdem sind ihreUntersuchungen zum Stoffwechsel yonAntioxidantien als Krebsschutzmittel(z.B. Rosmarin-Inhaltsstoffe) yon be-sonderem Interesse. Ihre gentechnolo-gisch konstruierten Zellinien aus Le-ber, Bronchien, Darm und Magen ent-halten jene menschlichen Gene, die diewichtigsten metabolisierenden Enzyme(Phase I und II) des Fremdstoffwech-sels codieren. Durch das gezielte Mi-schen der verschiedenen Zellinien kanneme gewiinschte Abbaubedingung(z.B. eine bestimmte Kombinationmenschlicher P4S0 Enzymtypen) invitro zusammengebaut werden.AbschlieBend sprach Thierry Leh-

mann (Pharmacie, Universitat Gent)uber rechnerische Methoden, die eserlauben, biokinetische Ablaufe im

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Korper aus Daten einzelner in vitroModelle vorauszusagen. Im Prinzipkonnten damit z.B. Arzneimittel-Inter-aktionen erkannt, neue Therapeutikaentdeckt und Screening auf moglichepharmakologische Aktivitat in Blitzes-schnelle per Computer durchgefiihrtwerden. Dieser noch reichlich theoreti-sche und nicht vollig neue Ansatzwurde anhand der Wirkung einzelnerFungizide durchgerechnet. Die vielenvereinfachenden Annahmen scheinenjedoch das Hauptproblem der Methodezu sein, kann doch damit die Voraussa-gekraft (z.B. der Anhaufung eines toxi-schen Metaboliten in einem bestimm-ten Organ) urn Groffenordnungen ver-falscht werden.Kommentar: Das Problem der Ge-

heimhaltung aus Konkurrenzgrundenwurde nicht angesprochen, obwohl esdas Haupthindernis beim Abschatzender Brauchbarkeit neuer in vitro Testsbildet. Die wichtigsten Vergleichsda-ten aus in vitro und in vivo Untersu-chungen gelangen kaum in den allge-mein zuganglichen Erfahrungsschatz,sondern werden im Archiv einer Firmastreng gehutet. Viele Finnen halteninsbesondere die Informationen iiberihre erfolgreichen Screeningmodelleunter VerschluB, und das sind heute jelanger je mehr in vitro Modelle.Dieses Minisymposium entwickelt

sich vielleicht zu einern Tei! einesAusbildungsprogramms fur Alternativ-methoden, wie es vom WaadtlanderKantonsrat Andre Gasser kurzlich ineiner Petition verlangt wurde. ErsteGesprache zwischen den UniversitatenLausanne und Bern finden bereits statt,um in einem Postgraduatekurs einenLehrgang fur Alternativen zu Tierver-suchen anbieten zu konnen. Das Ziel-publikum waren einerseits zukUnftigeTierexperimentatoren, die eine Ergan-zung zur Ausbildung in Labortierkundewtinschen, andererseits Kontrollbehor-den, die sich auf den neuesten Standdes Wissens iiber Alternativen bringenwollen.

Symposium" The Productionof monoclonal antibodies: are

animals still needed"

car

NL-Bilthoven, November 24, 1995One of the most distressful proceduresin laboratory animals is the in vivoproduction of monoclonal antibodies.This procedure leads to a number ofpathophysiological effects, such as theformation of large tumorous masses inthe peritoneal cavity within 10 to 20days after inoculation, peritonitis andthe production of ascites, a processwhich ultimately leads to a state ofcachexie and dehydration.A Code of Practice on the production

of monoclonal antibodies exists in theNetherlands since 1989. This Code,issued by the Veterinary Health Inspec-torate (VHI), limits the maximumnumber of animals to be used perhybridoma (<10) and sets guidel inesfor ascites collection.On 24 November 1995 a symposium

was held at the National Institute ofPublic Health and Environmental Pro-tection (RIVM) in the Netherlands withthe title "The production of monoclo-nal antibodies: are animals still nee-ded". This symposium, which wasorganised by the Centre for Alternati-ves of the RIVM, the Centre forAlternatives of TNO and the Nether-lands Centre for Alternatives (NCA),had a twofold goal: to evaluate theimplementation of the Code and to seewhether innovation on in vitro produc-tion technology justifies a modificationof the Code. The symposium attractedabout 120 participants from differentdisciplines; animal welfare officers,research scientists, immunologists, etc.The main topics and conclusions can

be summarized as follows. The 1989Code had a tremendous effect on thepolicy towards monoclonal productionin some institutes in that in vivo pro-duction was completely or almost com-pletely replaced by in vitro techniques.However, in some other institutes, invivo production still is a commonprocedure. It was stressed by severalspeakers that a central facility for invitro production within an instituteincreases expertise and thereby facilita-tes replacement of animals for produc-tion purposes. In this regard, it isinteresting to note that the Dutch Mini-

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~~ TAGUNGSBERICHTE--~~'-----------------------------¥v~stry for Education has given financialsupport to the establishment of suchcentral production facilities in a fewuniversities.Problems involved in in vitro pro-

duction were discussed extensively.The selection of a stable sub-clone andoptimal culture conditions form a pre-requisite to generate a cell-line withconstant production characteristics.Other aspects which might interferewith in vitro culture include amongstothers, contamination of the cell-linewith mycoplasma and shear forces.However, datas were presented, whichshowed that in general in vitro cultureonly failed very rarely «3 %). It wasconcluded by all experts at the sympo-sium that, from a technical point ofview, all the in vitro systems currentlyavailable are not less capable for MCAproduction than in vivo production.A cost benefit analyses of in vivo and

in vitro production was presented byone of the speakers (table). In general,in vitro systems for small volumeculture such as roller bottles and hol-low fiber systems are slightly moreexpensive and laborious then ascitesproduction, although recent experi-ences with new technical develop-ments, such as the introduction of miniPERM system, show that costs can bereduced substantially. It was stressed atthe meeting that some expertise on invitro cultre is a prerequisite.In one of the presentations results

were discussed of the embryonatedchicken eggs as a culture system formouse monoclonal hybridomas. Thebest compartment for production wasthe allantois cavity, to a maximum of30 mg per egg after 3 to 5 days ofculture. However, compared to themouse ascites system, production byembryonated egg was suboptimaland can not be considered as an alter-native.

An approach to the production ofmonoclonal antibodies, which might inthe future lead to a total replacement oflaboratory animals for MCA produc-tion purposes, is the Phage Displaytechnique. In this in vitro technique,which is based entirely on in vitrotechnology, recombinant DNA tech-niques are used to generate large panelsof monoclonal antibodies. Selectedmonoclonals can then be produced inbacterial expression systems.At the end of the meeting it was

concluded that, although the use ofanimals is relatively small compared toother procedures in biomedical rese-arch (in the Netherlands less than 0,2% of the total use of animals), in vivoMCA is a very explicit example of atechnique to which Article 7.2 of ECCouncil Directive 86/609/EEC can beapplied. Article 7.2 states that "anexperiment shall not be performed ifanother scientifically satisfactory me-thod of obtaining the results sought,not entailing the use of an animal, isreasonably and practically available".Based on the results of the discussion,the Veterinary Health Inspectorate,being the official body in the Nether-lands for animal experiments, nowconsiders in vivo ascites production asan obsolete technique and steps will betaken to ban the test. A next stepshould be a common European policy,leading to regulation on monoclonalproduction.It is recognized that some "scien-

tists" might (and even do) avoid thisban by bying ascites in countries whereno regulations exist. As an example itwas indicated that ascites productionlab's exist in south-east Asia producingascites for less than eight dollar per ml.

Coenraad Hendriksen (RIVM)Jan Rozing (TNO)

Margot van der Kamp (NCA)Wim de Leeuw (VHI)

Table: Comparison of in vivo with in vitro systems for the production of monoclo-nal antibodies

Production MCA Production Estimated Qualitysystem amount/unit time (weeks) cost/gram ($)

ascites 20-250 mg 3 1.000-6.000 lowroller bottles <2 g 4 2.000-6.000 highhollow fiber 0.5-30 9 8-20 2.700-4.000 highfermentor 2.0-100 9 2-8 1.000-6.000 high

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ECVAM Workshopon Alternatives

to Animal Testingof Medical Devices

DK-V<erl¢se, 24.-26. November 1995Anlaf zu dem Workshop war dasInkrafttreten der EU-Direktive 93/42EEC (EC Medical Devices Directive =ECMDD), in der die Rahmenbedin-gungen fur das Inverkehrbringen neuerMedizinprodukte geregelt ist. Bedauer-licherweise sind die Tierversuche inder ECMDD nicht genau geregelt, dieirn Rahmen sicherheitstoxikologischerPriifungen vor dem Inverkehrbringendurchzufiihren sind. In del' ECMDDwird nur auf die Normen verwiesen,die zu diesem Zweck akzeptiert seinmiissen.Die Normen fur diesen Bereich sind

in der ISO 10993 geregelt, die bisher13 Teile enthalt, von denen eine groBeZahl in DIN-Norm en iibernommenwurde und nur einige in die entspre-chende europaische Norm EN 30993.Da eine Zunahme von Tierversuchennach Inkrafttreten der ECMDD zu be-furchten war, und da sich die europai-sche Norrnbehorde CEN geweigert hat-te, den Teil 2 der ISO 10993 .AnimalWelfare Aspects" zu iibernehmen, dervon Deutschland akzeptiert wurde, be-stand innerhalb der EU und auch fiirdie ECV AM eine betrachtliche Unsi-cherheit beziiglich des sicherheitstoxi-kologischen Prufumfangs, insbesonde-re in Bezug auf Tierversuche, die inden ISO/EN/DIN-Normen aufgefiihrtsind.Auf dem ECVAM-Workshop konnte

relativ rasch und unproblematisch eineVielzahl grbBerer Probleme geklartwerden, weil die entscheidenden Re-prasentanten aus den ISO-, CEN- undDIN-Gremien anwesend waren sowieWissenschaftler, die in Prufinstitutenoder als zustandige Sachverstandige(notified bodies nach ECMDD) tatigsind. So konnte Herr Dr. Miiller-Lier-heim in seiner Eigenschaft als Vorsit-zender des ISO 10993-Ausschussesviel zur Klarung und Versachlichungbeitragen, da Deutschland fiir dieseISO-Norm international die Federfuh-rung iibernommen hat. Weiterhinkonnte Frau Dr. Kuipers (Niederlande)die Situation innerhalb der EU alsSekretarin des CEN fur diesen Nor-

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TAGUNGSBERICHTE 3~ •

---------------------------h~~--~G.",•.

menbereich darlegen. Schliefilich hatFrau Dr. Sauer (Akademie fur Tier-schutz des Deutschen Tierschutzbun-des, Neubiberg) die Forderungen desTierschutzes sehr sachlich eingebrachtund damit denen, die Tierversuche indiesem Bereich durchfuhren, aIle Ang-ste vor einer offen en Diskussion neh-men konnen,Das Ergebnis des ECYAM-Work-

shops zu ECMDD wird ausfuhrlich inATLA etwa Mitte 1996 veroffentlichtwerden. Die wichtigsten Ernpfehlun-gen des Workshops an ECY AM lassensich kurz folgendermaBen zusammen-fassen:1. Der Teil 2 der EN 30993 wurde

vom zustandigen Sekretariat nachYerabschiedung an die europaischeNormenbehorde CEN geschickt.ECY AM wird gebeten, die Akzep-tierung in Briissel durchzusetzen.

2. Yon der CEN wurden 4 Teile derEN 30993 akzeptiert, so daB siehannonisiert sind, und innerhalb derED die Testung von Medizinpro-dukten nach ECMDD gernaf dieser4 Normen erfolgen muB.

3. Es wurde ein Entscheidungsschema(flow chart) fur die Risikoabschat-

zung von Medizinprodukten verab-schiedet, nach dem nur in begriinde-ten Fallen Tierversuche durchge-fuhrt werden mussen. Dieses Ent-scheidungsschema entspricht demubergeordneten Teil 1 der ISO-,EN- und DIN-Norm "general prin-ciples". Dabei sind folgende Faktenentscheidend: Material, Anwen-dungsart und -dauer, An erster Stel-le steht dabei die Sammlung vonInformationen uber das Medizin-produkt in Abhangigkeit von Ober-flache, Kontakt mit Blut, Losungvon Bestandteilen. Es kann nachRisikoabschatzung ausreichendsein, physikalisch-chernische Testsdurchzufuhren. Wenn biologischePrufungen erforderlich sind, konnensich diese auf Zell- und Gewebekul-turen beschranken. Nur am Endeeiner integrierten Priifungsstrategiedarf auf Tierversuche zuruckgegrif-fen werden.

4. Bei der Speziesauswahl sollte gene-rell auf Primaten, Runde, Schafeund Rinder verzichtet werden.

5. Bei den allgemeinen toxikologi-schen Priifungen sind Zellkulturenoftmals ausreichend, insbesondere

Abbildung: Flow Chart zur Entscheidungshilfe bei der PrOfung von Medizinprodukten

Start kein Test

Ierforderlich

direkter oder neinindirekter

Korperkontakt?

ja

Gibt es ein jaProdukt ist in ja

ahntlches, allen Aspektenklinisch geprOftes identisch mit ge-

r-----.Produkt? prOftem Produkt

nein nein

Risiko- Bewertung der nein

abschatzung Unterschiede: ,..--neues Risiko?

ja

Entscheidung:- phys./chem. Test .---- in vitro Test- in vivo Test

1Test J Nutzen-Risiko-

I'I Analyse

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bei der Prufung auf lokale Reizungan Haut- und Schleimhaut.

6. Der LAL- Test ist zur Prufung aufPyrogenitat von Extrakten aus Bio-materialien zu iiber 90% ausrei-chend.

7. Der Test auf anomale Toxizitat, derfur die Chargenprufung nach DINund auch im Rahmen des DeutschenArzneibuches zusatzlich vorge-schrieben ist, ist nach Meinung derTeilnehmer des ECVAM-Work-shops vollig iiberfliissig und wis-senschaftlich nicht zu rechtfertigen.

8. Die intrakutane Testung ist tiber-fliissig, wenn zur Priifung auf sensi-bilisierende Eigenschaften der Ma-gnusson- Kligmann- Test durchge-fiihrt wird, bei dem in der Indukti-onsphase ebenfalls eine intrakutaneApplikation erfolgt.

9. Da sich viele tierexperimentellePriifungen fiir Medizinprodukte ein-sparen lieBen, wenn die Prufergeb-nisse zuganglich waren, die beiHerstellern und Priifinstituten vor-handen sind, wird ECV AM gebe-ten, zum Problem der Verbreitungdieser Informationen einen weiterenWorkshop durchzufuhren.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang,daB in den USA aufgrund des ,freedomof information act" Wege gefundenwurden, die genannten Informationenallen Interessierten zuganglich zu ma-chen und gleichzeitig die legalen undkommerziellen Interessen der Besitzerdieser Informationen zu wahren.Yon allen Teilnehmern wurden die

Arbeitsergebnisse des ECYAM-Work-shops iiber die ECMDD nachdriicklichbegriiBt. Es ist zu wiinschen, daBECY AM die Empfehlungen rasch urn-setzen kann, damit in diesem Bereichdes Yerbraucherschutzes Tierversucheaus okonomischen und ethischen Grun-den nur noch in begrenztem MaBedurchgefiihrt werden.Die wesentlichste Empfehlung zielt

darauf ab, daB Hersteller und Priifinsti-tute nicht langer aus falscher Furchtvor Haftungsrisiken die in den ISO-,CEN- und DIN-Normen aufgefiihrtenTierversuche vollstandig abarbeiten,auch dann, wenn diese offensichtlichuberflussig sind, da sie keine zusatzli-chen Informationen erbringen.

hsp

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d'~ TAGUNGSBERlCHTE--~~.--------------------------------¥v~

COLIPA Symposium "Alternatives to Animal Testing"

B-Brussel, 29.-30. November 1995Die Verwendung von Tieren fur dieSicherheitsprtifung neuer Kosmetikawurde von allen Tierversuchen wahr-scheinlich am heftigsten kritisiert. EinGroBteil des bisher erzielten Fort-schritts bei der Entwicklung und Vali-dierung von Ersatzmethoden geht aufden Wunsch der groBen Kosmetikkon-zerne zuruck, zur Beschwichtigung derKunden neue und unschadliche Pro-dukte ohne Tierversuche zu produzie-ren und zu vertreiben.Die 6. Anderung (Direktive 93/35/

EEC) der EU-Kosmetik Richtlinie (76/768/EEC) legt fest, daB die .Prufungvon Inhaltsstoffen oder Kombinationenvon Inhaltsstoffen an Tieren ab dem 1.Januar 1998 verboten ist". Dies unterdem Vorbehalt, daB das Verbot autge-schoben werden kann, falls geeigneteErsatzmethoden noch nicht ausrei-chend validiert sind.Am 29.-30. November 1995 fand in

Brussel unter der Schirmherrschaft sei-ner Majestat Prinz Laurent von Belgienein von der COLIP A (European Cos-metic, Toiletry and Perfumery Associa-tion) veranstaltetes, wissenschaftlichesSymposium statt. An der Tagung sol1-ten die erzielten Fortschritte bei derEntwicklung und Validierung von Er-satzmethoden zusammen mit den aktu-ellen Bemiihungen der Kosmetikindu-strie kritisch beleuchtet werden.In seinem Plenarvortrag "Validation

and Safety Assessment" gab JaquesLeclaire (L'Oreal, Frankreich) einenhervorragenden Uberblick uber die Be-deutung der Validierung und die mitihr verbundene Herausforderung sowieden Ansatz der Industrie bei der Si-cherheitsprufung. Er fuhrte einigePunkte an, die im folgenden von vielenanderen Referenten aufgegriffen wur-den. Insbesondere betonte Leclaire dienotwendige Zusammenarbeit der Kos-metikindustrie/COLIP A und der Euro-paischen Kommission, vor a\lem derDG XXIV und ihrem Beirat, dem SCC(Scientific Committee on Cosmetolo-gy), sowie ECV AM (European Centrefor the Validation of Alternative Me-thods) hinsichtlich der Entwicklung,Validierung und weitgefacherten An-wendung von Ersatzmethoden.

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In der ersten Session "Validation"unter Leitung von Fritz Kemper(Westf. Wilhelms-Universitat,Deutschland) gab es Vortrage uberValidierungskonzepte und -anspruchesowie zu den Themen Photoirritationund Schleimhautreizung. Bas BIaau-boer (RITOX, Niederlande) umriB dieGrundprinzipien der Validierung, dieauf den Veroffentlichungen der letztenJahre von ERGA IT (European Rese-arch Group for Alternatives in ToxicityTesting), ECVAM und CAAT (JohnsHopkins Center for Alternatives toAnimal Testing) basieren. Uber dieHaltung der Kosmetikindustrie zur Va-lidierung, die vom "COLIP A SteeringCommittee on Alternatives to AnimalTesting, SCAAT' entwickelt wurde,und uber die kritische Rolle von Vor-hersagemodellen orientierte Leon Bru-ner (Procter & Gamble, England).Bruner schlof seine Ausfuhrungen mitder Aufforderung, Ersatzmethodenbesser zu validieren; zur Zeit, so wort-lich, .Inete die Anwendung von Ersatz-methoden nicht den gleichen Schutzfur den Verbraucher" und .wenigerTierversuche bedeuteten auch wenigerNeuen twick Iungen".Jose Castell (University Hospital La

Fe, Spanien) und Wolfgang Pape(Beiersdorf, Deutschland) referiertenuber die Photoirritation. Castell eror-terte kurz die derzeit bei der Photoirri-tation gangigen Tierversuche und invitro Methoden und skizzierte die vonden Teilnehmern des ECVAM Work-shops zur Phototoxizitat vorgeschlage-ne Prufstrategie. Pape prasentierte dieErgebnisse der EUiCOLIPA Validie-rungsstudie zur Photo irritation.Rodger Curren (Microbiological

Associates Inc., USA) stellte in einemUberblick die momentane Situation beider Prufung der Schleimhautreizungdar und lieferte damit den Hintergrundzu Odile De Silva's (L'Oreal, Frank-reich) Vortrag iiber die COLIPA Vali-dierungsstudie zu Ersatzmethoden furden Draize- Test. (Das COLIP A "InVitro Eye Irritation Programm" wurdeauf einem Poster vorgestellt.) Zumersten Mal war es hier nun auchWissenschaftlern, die keine Verbin-dung zur Kosmetikindustrie haben,

moglich, den von der COLIP A favori-sierten Validierungsansatz kennenzu-lemen und die vorlaufigen Ergebnissezu uberprufen. Diese komplexe Studiewurde als Erweiterung zur EU/HomeOffice Validierungsstudie, die nur diePrufung einzelner Chemikalien (keineProdukte) umfaBte, konzipiert; es wur-de die Validitat von zehn in vitroMethoden uberpruft, Das Hauptinteres-se gait der Definition von Vorhersage-modellen fur jeden Test. Leider wirdder Erfolg der Studie durch die Tatsa-che geschmalert, daf einige der Metho-den nicht in genugend vieJen Laborsuberpriift wurden. So fuhrten nur zweiLabors den TEA (silicon microphysio-meter, tissue equivalent assay) und denFL (fluorescein leakage methods) Testdurch. Dies ist fur die Uberprufung derReproduzierbarkeit, deren Nachweiswichtiger Bestandteil jeder Validie-rungsstudie ist, ungenugend. DieserMangel ist besonders storend, da gera-de die TEA und FL Methode zu dendrei Tests gehoren, fur die die Vorher-sagemodelle am vielversprechendstenerschienen.Michael Balls (ECV AM, Italien)

und Mark Chamberlain (UnileverResearch, England) hielten Vortrageuber "The Challenge of Validation inEurope". Balls unterstrich mit Nach-druck, daB fur einen schnelleren Fort-schritt aile interessierten Organisatio-nen Lind Einzelpersonen zusammenar-beiten miissen. Gleichzeitig betonte er,daB ECV AM beiden Zielsetzungenverpflichtet ist: dem Einsatz von wis-senschaftlich fundierten Ersatzmetho-den und Teststrategien, aber auch dembesseren Schutz der Verbraucher undHersteller. Chamberlain rief die Indu-strie auf, ihren bisherigen Weg zuandern. Die Industrie musse sich derHerausforderung stellen, einen Weg zufinden, um "allgemein gultige, fur dieOffentlichkeit zugangliche Richtlinienzu definieren, die zur Zeit den Einsatzvon Ersatzmethoden bei del' internenBeurteilung der Sicherheit erlauben,ohne vertrauJiche Daten preiszugeben",In diesem Zusammenhang schlugChamberlain vor, die Kosmetikfirmensollten vermehrt ihrc Ansatze und Er-kenntnisse, versehen mit den nichtvertraulichen Daten, in anerkanntenFachzeitschriften veroffentlichen.Zum AbschluB der ersten Session

wurden unter der Leitung von Philip

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TAGUNGSBERICHTE dO';) ~------------------------------~~~--~c ••.....

Botham (ZENECA Central Toxicolo-gy Laboratory, England) regulatorischeFragen diskutiert. Michael Balls,Frank Baker (Procter & Gamble,England), Walter De Klerck (DGX-XIV, EC, Belgien), Chris Fisher (Eu-rogroup for Animal Welfare/EuropeanCoalition to End Animal Experiments,England), Maggy Jennings (RSPCA,England), Herman Ko'ter (OECD,Frankreich), Yasuo Ohno (NationalInstitute of Health Sciences, Japan),Dagmar Roth-Behrendt (Europaab-geordnete, Deutschland) und Neil Wil-cox (FDA, USA) nahmen an der Dis-kussion teil.Jeder Teilnehmer legte dar, wie sich

seiner Ansicht nach das mogliche Ver-bot von Tierversuchen fur Kosmetikaauf die Validierung, die Akzeptanz undAnwendung von Ersatzmethoden aus-wirken konnte. Es war nicht uberra-schend, daB die Vertreter der Industrieund des Tierschutzes zu einigen Punk-ten sehr unterschiedliche Auffassungenvertraten. Botham betonte in seinerZusammenfassung, vor allern den zeit-lichen Rahmen fur den Einsatz vonErsatzmethoden realistisch zu betrach-ten. AuBerdem begrulite er den Be-schluf der Kommission, ECV AM dieKoordination auf europaischer Ebenefur die Validierung von Ersatzrnetho-den zu ubertragen.Unter dem Vorsitz von Horst Spiel-

mann (ZEBET, Deutschland) gab esin der 2. Session "Ongoing Develop-ments" Referate zur perkutanen Ab-sorption von Harry Bodde (Amster-dam Center for Drug Research) undDoug Howes (Unilever Research, Eng-land). Uber Hautvertraglichkeit spra-chen Ian White (St. Thomas' Hospital,England) und Walter Matthies (Hen-kel, Deutschland), uber die Sensibili-sierung Conrad Hauser (Hopital can-tonal universitaire de Geneve) undJean-Luc Garrigue (L'Oreal, Frank-reich). Besonders interessant war derVortrag von Garrigue uber die Ent-wicklung yon in vitro Screeningmetho-den zur Bestimmung von potentiellhautsensibilisierenden Substanzen.Frank Baker hielt den letzten Vortrag

"Industry at the Forefront of Rese-arch" der 2. Session. Er erklarte, dafdie Kosmetikindustrie beabsichtige"Tierversuche auf das absolute Mini-mum zu reduzieren" und fugte an, die.Kosmetikindustrie habe sich bereit

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erklart, die Kommission und die Mit-gliedstaaten bei der Erfullung ihrerBerichtspflicht zu unterstutzen". Diebetrifft die in der Richtlinie 93/35/EECgeforderte Veroffentlichung yon Stati-stiken uber die fur Versuche in derKosmetik verwendeten Tiere. An-schlieBend beschrieb Baker die Rolleder COLIPA bei der Organisation derBerniihungen, die in der Kosmetikin-dustrie auf den Gebieten der Hautver-traglichkeit und perkutanen Absorpti-on, der Schleinhautreizung, Photoirri-tation und Hautsensibilisierung unter-nommen werden.In der letzten Session wurde unter

Leitung von Bob Combes (FRAME,England) uber die Sicherheitssprufun-gen diskutiert. Die Ansichten der SCCvertrat dabei Nicola Loprieno (Uni-versity of Pisa, Italien), die der engli-schen Behorden Robin Fielder (De-partment of Health and Social Security,England) und die der deutschen EvaSchlede (BgVV, Deutschland). Fur dieIndustrie sprach Martine Cottin(L'Oreal, Frankreich). Loprieno be-richtete uber einige wichtige Initiativender SCC, die Dokumente und Stellung-nahmen zur Entwicklung und Verwen-dung yon Ersatzmethoden sowie zurHautpenetration verfaBte und eine Ar-beitsgruppe fur Ersatzmethoden auf-baute. Er ersuchte die Kosmetikindu-strie, den SCC mit wissenschaftlichenDaten zu unterstutzen, damit dieserihre internen Testansatze untersttitzenkonne. Fiedler verdeutlichte die mo-mentane Situation bei der Erarbeitungeiner fur alle akzeptablen OECD Richt-linie zu den in vitro Methoden fur dieperkutane Absorption. Auf diesem Ge-biet bestehe momentan wenig Uberein-stimmung, inwieweit fur die Prufunglebende Haut notwendig sei. Fur dasScreening scheine sie jedoch nichtnotig zu sein.In seiner abschlieBenden Stellung-

nahme beurteilte Frank Fairweather(Chairman, SCAAT) die Errungen-schaften der letzten Jahre und dieChancen fur einen weitere Fortschritteals realistisch und positiv. Er bemerkte,daB es an der Zeit ware, weitere ,,3 Rs"zu berucksichtigen: Realism, Reas-sessment und Realignment. Weiterhinforderte er die Kosmetikindustrie auf,zusammen mit der SCC, der DGXXIVund ECV AM eine Strategie zu entwer-fen, wie der Ersatz von Tierversuchen

fur die Photoirritation, perkutane Ab-sorption und Hautvertraglichkeit inner-halb der nachsten 2 Jahre verwirklichtwerden konnte. Zusatzlich zu den VOf-tragen der eingeladenen Sprecher wur-den auf dem Symposium einige infor-mative Poster prasentiert. Sie verdeut-lichten die Bemuhungen der Industriewahrend der letzten Jahre, vor allem imBezug auf die Evaluierung von Ersatz-methoden bei der Schleimhaut- undHautreizung, der Photoirritation, derperkutanen Absorption, der Hautver-traglichkeit und der Entwicklung vonTeststrategien zur Reduktion der Tier-zahl bei der Sicherheitsprufung. DieMitte 1996 erscheinenden Proceedingsdes Symposiums sind bei der COLIP Aerhaltlich (Rue de la Loi 223/2, B-1040Brussel).

Der beachtliche Fortschritt, der inden letzten Jahren durch die gemeinsa-men Bemuhungen von Industrie undWissenschaft bei Entwicklung und Va-lidierung von Ersatzmethoden erzieltwurde, ist unbestritten. Trotzdem bleibtangesichts der vielen ahnlichen Aktivi-taten, die parallel und isoliert vonein-ander ablaufen, der Eindruck daB es aneindeutiger Zielrichtung mangelt. Fallswir in der Zukunft so zeit- und kosten-sparend wie moglich einen signifikan-ten Fortschritt erzielen wollen, ist es ander Zeit, nicht nur uber eine bessereVerstandigung und Zusammenarbeit ZL1

reden sondern auch tatsachlich zusam-menzuarbeiten, urn die hehren Vorsat-ze in die Tat umzusetzen.

Julia H. Fentem(ubersetzt von

Marlies Halder)

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