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Valenzstrukturen im russisch-deutschen Sprachkontakt. Magisterarbeit In der Philosophischen Fakultät IV (Sprach- und Literaturwissenschaften) der Universität Regensburg vorgelegt von Veronika Wald aus Regensburg

Valenzstrukturen im russisch-deutschen Sprachkontakt. · informiert über Wortart und Flexionsmerkmale, über Konstituentenstruktur des Ausdrucks. SR charakterisiert die grammatisch

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Valenzstrukturen im russisch-deutschen Sprachkontakt.

Magisterarbeit

In der Philosophischen Fakultät IV

(Sprach- und Literaturwissenschaften)

der Universität Regensburg

vorgelegt von

Veronika Wald

aus Regensburg

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Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung………………………………………………………………………..…3

2. Theorie………………………………………………………………………….…4

2.1. Valenztheorie………………………………………………………………….…4

2.1.1. Valenz………………………………………………………………….4

2.1.2. Obligatorische und fakultative Ergänzungen…………………………..9

2.1.3. Semantische Rollen..………………………………………………….13

2.2. Sprachkontakt und Zweisprachigkeit…………….……………………………..14

2.2.1. Sprachkontaktforschung………………………………………………14

2.2.2. Sprachkontakt und Zweisprachigkeit…………………………………17

2.2.3. Wirkungen des Sprachkontaktes……………………………………...20

3. Besonderheiten der Sprachsituation der russischsprachigen Aussiedler……25

4. Datengrundlagen………………………………………………………………...28

4.1. Beschreibung der Forschung…………………………………………... 28

4.2. Datengrundlage und Probandenbeschreibung…………………………..30

4.3. Beschreibung des Valenzwörterbuchs von Apresjan und Pall………… 34

5. Analyse der Forschungsergebnisse……………………………………………..38

5.1. Schwierigkeiten bei der Auswertung der Daten………………………..38

5.2. Syntaktische Valenzabweichungen……………………………………..41

5.2.1. Transfer……………………………………………………….42

5.2.2. Abweichungen unbekannter Herkunft………………………..53

5.3. Semantische Valenzabweichungen……………………………………..67

5.3.1. Das Verb „делать (machen)“.………………………………...67

5.3.2. Das Verb „получить (bekommen)“.……………………….…71

5.3.3. Andere semantische Abweichungen……………………….…73

5.4. Ergebnisse und Auswertung der Daten……………………………..…..77

6. Zusammenfassung………………………………………………………….…...82

7. Bibliographie………………………………………………………………..…...84

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1. Einleitung

Heutzutage leben in Deutschland viele Emigranten, die aus den Staaten der

ehemaligen Sowjetunion kommen. In der vorliegenden Arbeit wird betrachtet und

erläutert, wie der alltäglichen russisch-deutschen Sprachkontakt auf das Russische

der russischen Minderheit in Deutschland wirkt. Deutsch gilt als Kontaktsprache und

Russisch als Minderheitssprache, die von der Kontaktsprache sehr stark beeinflusst

wird. Das Thema des Sprachkontaktes ist nicht neu und sogar den russisch-deutschen

Sprachkontakt wurde schon von einigen Linguisten erforscht und beschrieben. Aber

im Mittelpunkt vorliegender Arbeit befinden sich Valenzstrukturen des Russischen.

Keiner von Linguisten hat das Problem der Valenz im russisch-deutschen

Sprachkontakt beschrieben. Deswegen ist es sinnvoll nur das Thema der Valenz zu

erforschen und festzustellen, wie sich die Valenz im Sprachkontakt benimmt. Da das

Thema Valenz sehr breit ist, werden in der Arbeit nur die Abweichungen, die bei der

Valenz des Verbs vorkommen, betrachtet.

Im nächsten Teil dieser Arbeit werden theoretische Fragen erörtert, die

hauptsächlich zwei linguistische Felder überlappen, nämlich Valenztheorie und

Sprachkontaktforschung. In dem theoretischen Teil der Arbeit sollen alle wichtigsten

Begriffe auseinandergesetzt und Definitionen gegeben.

In dem dritten Kapitel werden die Besonderheiten der sprachlichen Situation

der russischsprechenden Emigranten skizziert. Da wird auch kurz beschrieben, zu

welcher Emigrationswelle der russischsprachigen in Deutschland gehören und in

welcher Sprachsituation sie leben. In dem Kapitel werden auch verschiedene

Faktoren aufgezählt, nach denen die russophonen Einwanderer gemischte Sprache

sprechen.

Der vierte Teil wird der Beschreibung der Forschung gewidmet, in dem auch

Forschungsziele und Hypothese dargestellt werden. In einem Kapitel dieses Teils

erfolgt Information zu den Probanden und es wird auch das Wörterbuch von

Apresjan und Pall beschrieben, das in der Arbeit als Hauptinstrument für die Analyse

der Abweichungen dient.

Der fünfte Abschnitt der vorliegenden Arbeit befasst sich mit der Analyse der

bei den Probanden gefundenen Valenzabweichungen. Alle Valenzabweichungen

werden in den Tabellen als Ergebnisse der Forschung zusammengefasst und am Ende

werden auch bestimmte Schlussfolgerungen gegeben.

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2. Theorie

In diesem Teil erfolgt ein Überblick über die für diese Arbeit wichtigen Gebiete der

Linguistik. Dies sind im Einzelnen die Valenztheorie (Syntaxbereich), die

Sprachkontaktforschung und damit eng zusammenhängendes Thema der

Zweisprachigkeit. Hier wird für diese Teilbereiche jeweils ein Begriffsüberblick

gegeben und für diese Forschung relevante Termini formuliert.

2.1. Valenztheorie

In ersten Teil dieses Kapitels wird zuerst der Begriff der Valenz erörtert und zwei

Valenzarten beschrieben und diskutiert. Im zweiten Teil werden obligatorische und

fakultative Argumenten bzw. Ergänzungen erläutern. Am Ende dieses Kapitel wird

ein Forschungsüberblick gegeben, nämlich i welchen Teil des Bereichs Valenz für

diese Forschung relevant ist.

2.1.1. Valenz

Alle Menschen reden miteinander um Information zu überliefern und sie zu

bekommen, mit einem Wort gesagt um zu kommunizieren. Unsere Rede besteht aus

Phrasen bzw. Sätzen. Die Sätze, die wir einander sagen, sollen gegenseitig

verständlich sein, ansonsten ist keine normale Unterhaltung möglich. Damit die

Information eines Satzes verständlich wäre, sollen alle Lexeme im Satz miteinander

verbunden werden. Jedes Lexem hat seine selektiven Eigenschaften bzw.

Merkmahle, die im Satz mit den selektiven Eigenschaften der anderen Wörter

kongruieren werden sollen. Solche selektive Eigenschaften werden in der

Sprachwissenschaft Valenz genannt (Testelec 2001, 156-157).

Das Thema Valenz ist an sich sehr breit. Im Jahre 1988 stellte Helmut

Schumacher in seinem Werk „Valenzbibliographie“ 2377 Arbeiten, in denen das

Thema Valenz diskutiert wurde. Zwölf Jahre später merkte Vilmos Ágel in seinem

Buch „Valenztheorie“ (2000) an, dass es schon mehr als 3000 Arbeiten gibt, die der

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Valenztheorie gewidmet sind (Coene 2006, 90). Deswegen ist es sehr wichtig weiter

alle für die vorliegende Arbeit nötigen Begriffe zu formulieren.

Der Begriff Valenz wurde in die Linguistik aus der Chemie übernommen und

wurde zum ersten Mal im Jahre 1948 von Kacnel’son eingeführt1. Vilmos Ágel

(2000, 15) behauptet, dass die Valenzidee noch früher existierte, was bei der

Unterscheidung von transitiven und intransitiven Verben zu sehen ist. Sowohl

transitive als auch intransitive Verben können „ihre Umgebung organisieren“ (Ágel

2000, 15).

Laut Ágel (2000, 32) wird der Franzose Lucien Tesnière für Begründer der

modernen Valenztheorie gehalten. Es gibt mehrere Valenztheorien und Definitionen

der Valenz. Angelika Storrer (1992) in ihrem Buch schildert einige Valenztheorien,

bzw. Valenzdefinitionen von verschiedenen Linguisten, wie z.B. Tesnière,

Brockhaus-Wahring, Helbig-Schenkel u.a..2

Gisela Zifonun (2003, 352) behauptet, dass unter Valenz vornehmlich „ein

komplexes Organisationsprinzip natürlicher Sprache“ zu verstehen ist.

Nach Jacobs (2003, 378) erfasst man mit dem Valenzkonzept spezifische

Informationen, die in bestimmten Satzumgebungen und unter bestimmten

inhaltlichen Bedingungen vorkommen können. Diese Informationen werden mit

einzelnen Wörtern verbunden. Die wortspezifischen Informationen über mögliche

Satzumgebungen können sich in Sprechurteilen ausdrücken darüber, welche Verben

unter welchen semantischen Voraussetzungen in bestimmte Umgebungen einsetzen

werden können.

Jacobs (2003, 379) behauptet, dass „Valenz auf mehreren

Repräsentationsebenen des Lexikons angesiedelt werden muss“. Er unterscheidet

zwischen der kategorialen (KR) und der semantischen Repräsentation (SR). KR

informiert über Wortart und Flexionsmerkmale, über Konstituentenstruktur des

Ausdrucks. SR charakterisiert die grammatisch festgelegte Bedeutung des Wortes.

Helbig (1992, 3) nennt außer syntaktische und semantische Valenz auch

pragmatische3. Er behauptet, dass man semantische Valenz von pragmatische

unterscheiden muss. Jede Sprache kann man als Zeichensystem vorzustellen, das

1 http://www.classes.ru/grammar/128.Arnold-research/html/6.html, Zugriff am 15.11.2009 2 Boszák (2009) fasst die Monographien von einigen Wissenschaftlern wie Pütz (1975), Hyvärinen

(1982), Colliander (1983), Marx-Moyse (1983), Breindl (1989), Bausewein (1990), Oppenrieder (1991), Sonneberg (1992), Sandberg (1998), Zitterbart (2002) zusammen.

3 Pragmatische Valenz wird sehr umfangsreich bei Majorin (2008, 55-130) beschrieben.

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nicht nur für jede einzelne Person verständlich ist, sondern auch für alle Personen,

die zu dieser oder jener Gesellschaft (bzw. Kultur, Nationalität usw.) gehören. Die

pragmatische Valenz realisiert sich bei der Kommunikation zwischen den Menschen

(Helbig 1992, 4). Eine Seite weiter schreibt Helbig (1992, 5), dass die Valenz auf

mehreren Ebenen präsent ist, nämlich auf „einer morphosyntaktischen, semantischen

und/oder kommunikativen“. Die Konjunktionen „und/oder“ bedeutet, dass diese zwei

Ebenen einander sehr stark überlappen. Deswegen werden in dieser Arbeit nur zwei

Valenzebenen beschrieben und diskutiert, nämlich semantische und syntaktische

Valenz. Als Grundwerk für verschiedene Definitionen und theoretische Ansätze gilt

in dieser Arbeit das Buch von Ja. G. Testelec „Vvedenie v obščij sintaksis“ (2001).

Die Wahl fiel auf dieses Buch, weil der Autor im Buch einige Besonderheiten der

russischen Verben beschreibt (z.B. Aspekt) uns russische Beispiel anführt.

Testelec (2001, 157) unterscheidet auch wie Jacobs zwischen zwei

Valenztypen, nämlich zwischen der semantischen und der syntaktischen Valenz.

Die Bedeutung jedes Wortes wird im Wörterbuch mit Hilfe anderer Wörter

beschrieben. In der Semantik wird die Bedeutung der Wörter mit Hilfe von

Ausdrücken beschrieben, in denen Variablen X, Y, Z u.a. für die Deutung des

Wortes verwendet werden. Zum Beispiel die Bedeutung des Wortes догонять (ein-

bzw. nachholen) kann folgenderweise gedeutet werden: „X догоняет Y-а = ‚ X и Y

перемещаются в одном направлении, причем Y находится впереди X-а, и

расстояние между X-ом и Y-ом уменьшается’“ (Testelec 2001, 158).

Die Ausdrücke, die solche Variablen (X, Y, Z) erhalten, sind unvollständig.

Aber diese Unvollständigkeit übereinstimmt der Unvollständigkeit der Bedeutung

des Wortes. Zum Beispiel aus der Bedeutung des Verbs рубить (hauen) ist es nicht

klar wer was und womit haut (Testelec 2001, 158).

Laut Apresjan (1974, 120) kristallisieren sich semantische Valenzen aus der

Bedeutung bzw. Deutung des Wortes heraus und charakterisieren dieses Wortes als

eine konkrete lexikalische Einheit, die von anderen Einheiten sich unterscheidet.

Als semantische Valenz bzw. Partizipant des Lexems L nennt man beliebige

Variable X, die in der Wortdeutung dieses Lexems präsent ist. Jedes Lexem, das

einige Partizipanten hat, nennt man das Prädikatwort bzw. Prädikat (Testelec 2001,

158). Prädikat wird als Valenzträger betrachtet, der durch seine Valenz einen

Rahmen erteilt. Diesen Rahmen soll bzw. muss durch konkrete Bedeutungseinheiten

ausgefühlt werden (Lehmann 2000, 118).

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Als zweiter Valenztyp bezeichnet Testelec (2001, 157) die syntaktische

Valenz, die Jacobs kategoriale nennt. Syntaktische Valenz ist ein selektives

Merkmal, das zeigt, dass das Lexem L als Kopf („вершина“)4 oder als abhängiges

Wort das Wort W („зависимое слово“) besitzen kann. Die syntaktische Valenz auf

das abhängige Wort nennt der Autor aktive bzw. innere Valenz und auf den Kopf

passive bzw. äußere Valenz. Die Einheiten, die aktiven und passiven syntaktischen

Valenzen eines Lexems füllen, können seine Partizipanten entweder übereinstimmen

oder nicht (Testelec 2001, 162). Testelec (2001, 163) erläutert vier mögliche

Variante mit den Beispielen, die hier in der Tabelle 1 dargestellt sind. Die Wörter,

die unterstrichen sind, füllen die Valenzstellen.

Tabelle 1.

übereinstimmt dem Partizipant

nicht übereinstimmt dem Partizipant

aktive Valenz

лучше меня / besser (als) ich

Иван уходит / Ivan geht weg

вид на / Aussicht auf

пишет хорошо / schreibt gut

очень красивый / sehr schön

разговаривают в / (sie) reden in

passive Valenz

пишет хорошо / schreibt gut

красивый конверт / schöner Umschlag

источник шума / Quelle des Lärms

Иван уходит / Ivan geht weg

разговаривают в / sie reden in

что уходит / dass weggeht

Es ist bekannt, dass einige Lexeme immer als Köpfe (bzw. als Kern eines Satzes)

auftreten können oder als abhängige Wörter. Das hängt auch von der Wortart ab, z.B.

Verben und Präpositionen sind normalerweise Kopf und Präpositionen sind auch

gleichzeitig abhängig (mindestens in vollen Sätzen). Die syntaktischen Valenzen, die

den Wortarten eignen, nennt Testelec (2001, 163) kategoriale Valenzen. Es gibt auch

solche syntaktische Valenzen, die nicht alle Wörter einer bestimmten Wortart haben.

Diese Valenzen werden als subkategoriale definiert (z.B. nicht alle Verben sind

transitiv).

4 Heuer (1977, 27) benutzt dafür den Ausdruck „Zentrum des Satzes“.

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Semantische und syntaktische Kombinierbarkeit der Wörter sind meistens

kongruiert. D.h. wenn ein Lexem Partizipant (semantische Valenz) hat, dann ist es

höchstwahrscheinlich, dass es eine syntaktische Valenz X’ hat, die mit dem

semantischen Aktant, der X entspricht, gefüllt wird (Testelec 2001, 163). Aber das ist

nicht immer so, d.h., dass die Quantität von semantischen und syntaktischen

Aktanten unterschiedlich sein kann. Zum Beispiel das russische Verb промахнуться

(danebenschießen, das Ziel verfehlen, danebenwerfen) wird normalerweise ohne

Objekte verwendet. Man kann nicht sagen: Он промахнулся в окно бутылкой*. (Er

warf eine Flasche dem Fenster daneben*). Aber das Verb промахнуться enthält drei

oder sogar vier Partizipanten. Das Verb промахнуться bedeutet ungefähr

Folgendes: ‚A kausiert B (vielleicht durch D) zu C sich zu bewegen und hat das Ziel

den Kontakt zwischen B und C zu kausieren, aber die Strecke B geht an C vorbei’.

Die Partizipanten B, C und D werden normalerweise nicht wiedergegeben. Solche

Partizipanten nennt man als unrealisierte Valenz (Testelec 2001, 167).

Die Beispiele aus der Tabelle 1 beweisen, dass einige Lexemen der

verschiedenen Wortarten Valenzstellen eröffnen können. In Dependenzgrammatik

wird das Verb ins Zentrum des Satzes gestellt und einem Atom verglichen, das

Leerstellen für andere Elemente eröffnet, die mit ihm eine Bindung zu einem Satz

eingehen können (Birkmann 1998, 3). Im Rahmen dieser Arbeit wird nur auf

Verbvalenz eingegangen und werden dazugehörige Abweichungen analysiert.

Laut Apresjan (1974, 120) die Mehrheit der Wörter eröffnet nicht viele

Valenzstellen, normalerweise eins bis drei, selten vier und mehr. Besonders wichtige

subkategoriale Valenzen eines Lexems sollen in einem Wörterbuch in der Form eines

Rektionsmodels wiedergegeben werden. Jedes Verb besitzt sein Rektions- bzw.

Valenzmodel („модель управления“), das die syntaktische Information des Verbs

enthält (Testelec 2001, 163). Das bedeutet, dass in dem Modell alle Informationen

über die Aktanten des Verbs geschrieben werden, z.B. wie viele Aktanten das Verb

verlangt, mit welchen Präpositionen sie zum Verb angeschlossen sein sollen und

welche Kasus sollen die Aktanten haben.

Testelec (2001, 165) ist der Ansicht, dass im Valenzmodel des Verbs nicht

alle syntaktische Valenzen wiedergegeben werden sollen, sondern nur ein

bestimmter Teil davon. Es ist aber notwendig aktive, subkategoriale und den

semantischen Aktanten entsprechende Valenzen im Verbvalenzmodell zu

widerspiegeln. Ein Wort kann mehrere Valenzmodelle besitzen. Diese

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Valenzmodelle können entweder verschiedenen Bedeutungen des Wortes

übereinstimmen oder werden bei einer Bedeutung frei variiert.

Kurz befasst, wird in einem Valenzmodel die Information über die

Ergänzungen bzw. Aktanten des Verbs vorhanden, die entweder valenzgebunden

oder weglassbar sein können. Weiter wird das Thema genauer erläutert.

2.1.2. Obligatorische und fakultative Ergänzungen

Man unterscheidet zwei Gruppen von Ergänzungen, nämlich zwischen Aktanten

(actants) und Zirkonstanten (cirkonstans)5. Aktante sind obligatirische bzw.

valenzgebundene Argumente, die die Leerstellen vom Verb füllen (Birkmann 1997,

3). Majorin (2008, 37) bezeichnet Aktanten als obligatorische Ergänzungen, die

„nicht ausgespart bleiben, weil ihr Fehlen zu einem grammatisch nicht korrekten

Satz führt“. Fakultative Ergänzungen nennt sie auch als valenzgebundene, aber sie

dürfen weggelassen werden, weil sie nicht valenznotwendig sind. Wenn fakultative

Ergänzungen wegfallen werden, bleibt die Grammatikalität des Satzes trotzdem

richtig (Majorin 2008, 37). Weiter werden diese zwei Typen von Argumenten

genauer betrachtet.

Welke (1988, 24-26) unterscheidet auch zwischen absolut obligatorische und

relativ obligatorische Ergänzungen. Welke In seinem Buch erörtert, unter welchen

Bedingungen relativ obligatorische Ergänzungen weglassbar sind. Das kann in drei

Situationen vorkommen, die er als „lexikalisierte Ellipse“, „Modalisierung“ und

„Kontrast“ bezeichnet. Lexikalisierte Ellipse bedeutet, dass es keine obligatorischen

Ergänzungen nötig sind, weil aus dem Kontext alles zu verstehen ist (Welke 1988,

25). Die zweite Situation der Weglassbarkeit des Verbs heißt Modalisierung, d.h.

wenn man die Bedeutung des Verbs so verstehen kann, dass das Verb nicht über eine

aktuelle, sondern über eine potentielle Bedeutung berichtet, z.B. Er kann (gut)

beobachten (Welke 188, 26). Mit dem Adverb ist die Bedeutung anders, als ohne und

charakterisiert denjenigen, als guter Beobachter. Es wird praktisch die Fähigkeit

beschrieben, aber B. Hansen (2008) nennt diese Erscheinung „semantische

Verschiebung“. In der Situation des Kontrasts kann das Verb weglassbar sein, wenn

5 Storrer (2003, 766) schreibt: „Das deutsche Lehnübersetzung zu ‚actant’ ist bis heute der Terminus ‚Aktant’ gebräuchlich, […]. ‚Circonstant’ wurde mit ‚Zirkumstant’ übersetzt.“

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„das betreffende Verb im Kontrast zu einem anderen Verb verwendet wird“, z.B. Er

schenkt nicht, sondern empfängt (Welke 1988, 26).

Bei der Bestimmung der obligatorischen Ergänzungen bzw. Aktanten gibt es

nicht sehr viele Diskussionen und Wissenschaftler sind ziemlich einig in dieser

Frage. In dieser Arbeit werden wir die Definition von Testelec verwenden, der

Aktant als die Einheit bezeichnet, die aktive syntaktische Valenz im Satz füllt und

einem Partizipant entspricht (Testelec 2001, 166).

Wenn Wissenschaftler ziemlich eindeutig den Begriff Aktant bzw.

obligatorische Ergänzung, als notwendige valenzgebundene Einheit bezeichnen, ist

das bei der Definierung der fakultativen Ergänzung bzw. des Zirkonstants6 anders. Es

gibt viele Diskussionen über die Definierung der fakultativen Ergänzungen, bzw.

freien Angaben. Welke (1988, 36) schreibt, dass die obligatorische Ergänzungen,

bzw. Aktanten subkategorisierend wirken und die freie Angaben nicht, weil sie nicht

beliebig zu jedem Verb angeschlossen sein werden. Er schlägt vor, die

Kombinierbarkeit des Arguments mit anderen Verben zu überprüfen. Wenn ein Verb

relativ beliebig mit anderen Verben kombinierbar ist, so geht es um eine Angabe. Die

von Welke vorgeschlagene Definition von Angaben ist unklar. Was bedeutet „relativ

beliebig kombinierbar“? Mit wie vielen Verben soll das überprüft werden? Mehr

klarer Definition von Angaben bzw. Zirkonstanten findet man bei Testelec (2001,

166): Die Einheit, die aktive syntaktische Valenz füllt, aber keinem Partizipant

(semantische Valenz) entspricht, nennt man Zirkonstant.

Die Anzahl der Aktanten im Satz wird vom Verb begrenzt, aber die Anzahl

der Zirkonstanten nicht (Birkmann 1997, 3). Nach Heuer (1977, 8) können freie

Angaben bzw. Zirkonstanten „in jedem Satz beliebig weggelassen und hinzugefügt

werden“.

Ein Aktant kann meistens in der Form eines Substantivs oder eines Äquivalents (z.B.

eines Pronomens), als Subjekt, direktes oder indirektes Objekt vorkommen

(Birkmann 1997, 3) und selten als Adverbialen und Attributen (Testelec 2001, 179).

Als Aktanten können auch Nebensätze auftreten, die zu dem Hauptsatz mit den

verschiedenen Konjunktionen angeschlossen (angeordnet) werden. Aber

Zirkonstanten sind meistens Adverbialen oder Attributen (Testelec 2001, 179).

6 Zirkonstanten werden von einigen Wissenschaftlern auch Angaben bzw. freie Angaben genannt, vgl:

Heuer 1977, 8; Welke 1988, 37; Helbig 1992, 72 u.a.

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Die Nullstellen eines Prädikats können nicht von allen beliebigen Aktanten

gefüllt werden, weil die Kombinierbarkeit der Aktanten mit den Prädikaten von

semantischen Valenzen der Prädikate abhängt. Zirkonstanten können auch nicht mit

jedem Prädikat verbunden werden, weil man gegen die Regeln der semantischen

Kombinierbarkeit nicht verstoßen darf (Testelec 2001, 181-182). Es gibt bestimmte

semantische Restriktionen, die erfüllt sein müssen (Jacobs 2002, 380).

Es gibt Zirkonstanten, die breite Distribution haben und diejenige, die

beschränkte Distribution haben. Manchmal ist die Kombinierbarkeit einiger

Zirkonstanten so wählerisch, dass sie feste Wortverbindung (сочетание) mit dem

Verb bilden, z.B. столкнуться нос к носу (? Stirn gegen Stirn zusammenstoßen)

(Testelec 2002, 182-183). Die Eigenschaften der Kombinierbarkeit hängen nicht nur

von den lexikalischen, sondern auch von den grammatischen Eigenschaften des

Prädikats ab. So, z.B. Adverbialen mit der Bedeutung „wiederholte Handlung“

werden schlecht mit einem vollendeten Verb kombiniert. Es gibt auch Fälle, wann

die morphologische Form ein Zirkonstant einer bestimmten Art verlangt. Zu solchen

Fällen gehört die präventive Imperativform im Russischen, die mit vollendeten

Verben auszudrücken ist. Diese präventive Imperativform ist mit den Verben der

kontrollierten zielgerichteten Handlung unmöglich. Aber wenn da ein Zirkonstant

auftaucht, der die Bedeutung der Kontrollität löscht, dann ist solche präventive

Imperativform möglich. Andererseits ist das Subjekt ein unbestrittener Aktant, aber

kann mit fast allen Verben kombiniert werden. Daraus folgt, dass der Unterschied

zwischen Aktanten und Zirkonstanten undeutlich sein kann (Testelec 2002, 184).

Es gibt auch Einheiten, die sich in der Zwischenposition zwischen Aktanten

und Zirkonstanten befinden. Testelec (2001, 187-188) erörtert das auf folgenden

zwei Beispielen:

(1) Конференция начнется завтра утром в 10 часов. Die Konferenz fängt morgen früh um 10 Uhr an.

(2) Конференция состоится в Москве на факультете лингвистики РГГУ7. Die Konferenz findet in Moskau am Institut für Linguistik von RGGU.

7 РГГУ - Российский Государственный Гуманитарный Университет / Russlands

geisteswissenschaftliche Staatuniversität

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Welche Aktanten haben die Verben начнется (fängt an) und состоится (findet

statt) außer dem gleichen Subjekt Konferenz? Das Verb начнется hat anscheinend

noch einen Aktant, der Zeitangabe bezeichnet, und das Verb состоится einen

Aktant – Ortsangabe. Jeder von diesen zwei Parametern ist nicht mit der Bedeutung

des entsprechenden Verbs zu trennen. Wie kann man dann das Vorhandensein von

drei Aktanten mit den Zeitangaben (завтра, утром, und в 10 часов) und von zwei

Aktanten mit den Ortsangaben (в Москве und на факультете лингвистики РГГУ)

erklären. Man kann annehmen, dass es in jedem Beispiel nicht mehrere Aktanten

gibt, sondern ein Aktant mit einer komplizierten Struktur. Das erklärt jedoch nicht,

warum beispielsweise man eine Frage zu einer Orts- bzw. Zeitangabe stellen kann,

z.B. Wann morgen fängt die Konferenz an? Oder Um wie viel Uhr fängt die

Konferenz morgen früh an? usw. Es ist evident, dass solche Einheiten

Zwischenposition zwischen Aktanten und Zirkonstanten nehmen. Höchstvollständige

Charakteristik dieser Erscheinung gibt der französische Wissenschaftler Lazard

(Testelec 2001, 188).

Lazard unterscheidet vom Prädikat Abhängigen zwischen „regierten“ und

„notwendigen“ Elementen. Als Regiertes wird ein Abhängiges genannt, dessen Form

(Kasus, Präposition, Position usw.) von dem Prädikat bestimmt wird, wobei das

Abhängige nur einmal mit dem Prädikat vorkommen darf. Aktanten, nach Lazard,

sind immer regiert. Ein Aktant kann notwendig sein oder nicht notwendig. Die

Abhängigen, die nicht notwendig und nicht regiert sind, nennt Lazard als

Zirkonstanten. Das allergrößte Interesse in der Lazards Klassifikation sind die Fälle

von Interesse, in denen das Abhängige dem Partizipant dem Kopf übereinstimmt.

Das sind notwendige, aber unregierte Abhängige, die bei einem Prädikat mehrmals

vorkommen können. Zum Beispiel das Verb wohnen verlangt mindestens einen

Aktant mit einer Ortsangabe, aber mehrere solche Aktanten auch möglich sind.

Solche Einheiten nennt Lazar Adjekten (адъект). Adjekten sind Einheiten mit einer

syntaktisch obligatorischen adverbialen Valenz. Testelec schreibt, dass es im

Russischen wenige Adjekte zu finden sind, z.B. проживать (wohnen), обитать

(bewohnen), селиться (sich ansiedeln) usw. (Testelec 2002, 189).

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2.1.3. Semantische Rollen

Wie es schon oben erwähnt wurde, werden die Leerstellen bzw. Positionen bei

Verben eröffnet, die bestimmte Ergänzungen bzw. Argumente fordern. Solche

Positionen werden oft mit Rollenforderungen verbunden. Nach Testelec (2002, 209)

darf jedes Prädikat nur einen Aktant mit bestimmter Rolle besitzen, d.h. jeder Aktant

kann nur eine semantische Rolle ausdrücken. In dieser Arbeit wird das Thema der

semantischen Rollen nicht sehr viel beschrieben, weil es hier nicht sehr Tief in die

Semantik der Wörter eingegangen wird. Die Analyse der Beispiele wird

hauptsächlich auf dem Wörterbuch von Apresjan/Pall basieren.

Testelec (2002, 213-214) stellt folgende mögliche Rollen vor: Agens ist ein

belebter Initiator einer Aktion, der diese Aktion kontrolliert, d.h. ist fähig nach seiner

Wille diese Aktion anfangen und beenden. Patiens ist mehr als andere Teilnehmern

der Aktion in sie herangezogen und macht höchstwesentliche Veränderungen im

Vergleich mit anderen Teilnehmern durch. Benefizient bzw. Rezipient ist

normalerweise belebter Teilnehmer der Situation, dessen Interessen auf irgendwelche

Weise berührt werden. Experiencer ist ein Empfänger der Information bei der

Verben der Wahrnehmung und ein Träger unwillkürliches Gefühls. Man kann

Experiencer auch als der Teilnehmer bezeichnen, der einen (agenslosen) Zustand

erlebt. Instrument ist ein unbelebtes Objekt, mit dessen Hilfe die Aktion realisiert

wird, aber es wird keinen Wandel durchmachen. Quelle ist ein Ort von dem eine

Bewegung realisiert wird. Ziel ist ein Zielpunkt einer gerichteten Aktion. Das sind

wichtigste semantische Rollen, die Testelec nennt.

Aktanten können manchmal mit gleichen Rollen verbunden werden, als folge

kommt eine Rolle, die Testelec (2002, 212) als komplizierte bezeichnet. Es ist eine

schwierige Aufgabe die Valenzen tausender Verben in beliebiger Sprache nach

semantischen Rollen zu charakterisieren. Deswegen ist es sinnvoll alle Verben in

verschiedenen Gruppen nach dem Set ihrer semantischen Rollen zu ordnen. Testelec

(2002, 223-227) beschreibt kurz einige Verbgruppen. Hier werden alle diese

Gruppen nicht dargestellt werden, weil für diese Arbeit es nicht sehr relevant ist. Nur

eine Gruppe wird hier kurz erwähnt.

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Testelec (2002, 224-225) erörtert kurz die Gruppe der Agensverben8, die auch

Patiensvalenz besitzen und nennt diese Verbgruppe „semantisch transitiv“. Zu dieser

Gruppe gehören auch Verben, die intellektuelle Operationen über das Patiens

bedeuten, z.B. обдумывать (überlegen), читать (lesen), считать (halten für),

измерять (messen)9.

In dieser Arbeit werden Valenzabweichungen der gesprochenen Sprache

analysiert, was in dem praktischen Teil der Arbeit genauer beschrieben und

dargestellt wird. In der vorliegenden Arbeit werden nur die Abweichungen bei den

Verben beschrieben, die in dem theoretischen Teil der Arbeit als obligatorische und

fakultative genannt wurden.

2.2. Sprachkontakt und Zweisprachigkeit

In diesem Kapitel wird zuerst ein Überblick über Sprachkontaktforschung gegeben

und werden knapp vier Emigrationswellen beschrieben. Dann werden die Begriffe,

Sprachkontakt und Zweisprachigkeit diskutiert. Am Ende dieses Kapitels werden

Wirkungen des Sprachkontaktes behandelt und Definitionen für Termini Interferenz

und Transferenz gegeben.

2.2.1. Sprachkontaktforschung

Die Sprachkontaktforschung stellt heutzutage sehr breite Palette von Untersuchungen

dar. Die Forschungen können auf verschiedenen Ebenen durchgeführt werden,

nämlich auf der soziologischen, politischen, kulturologischen, wirtschaftlichen und

auch linguistischen (Oksaar 1996, 1).

Die Sprachkontaktforschung kann sowohl diachrone als auch synchrone

Fragestellungen im Fokus haben. Frühere Sprachkontaktforschungen hatten eher eine

diachronische Hinsicht auf den Sprachkontakt (historischer Sprachkontakt), d.h. die

8 Agensverben sind Verben, die Agensvalenz haben (Testelec 2002, 223). 9 Diese Verbgruppe ist wichtig in dieser Arbeit, weil in dem empirischen Teil eine Abweichung bei

dem Verb считать (halten für) beschrieben wird, die wegen der Verwechslung der semantischen Rollen geschehen wurde.

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15

Wissenschaftler waren auf der Sprachgeschichte bezogen und betrachteten, wie eine

Sprache sich durch Jahrzehnte und Jahrhunderte wandelten. E. Oksaar (1996, 1-5)

gibt einen ziemlich umfangreichen Überblick von solchen Arbeiten.

In dieser Arbeit wird den Sprachkontakt synchronisch betrachtet. In der

Literatur wird die Entwicklung der neueren Sprachkontaktforschung oft mit den

Arbeiten von U. Weinreich (1953/1967) „Language contact“ und E. Haugen „The

Norwegian Language in America“ verbunden10. Diese Werken werden oft auch für

das Fundament der theoretischen Fragen der Sprachkontaktsforschung gehalten. K.

Anders (1993, 7) nennt die Theorien von U. Weinreich als klassische.

Erste Forschungen zum russisch-deutschen Sprachkontakt wurden nach

Goldbach (2005, 13) in den 20-er und 30-er Jahren durchgeführt, die meistens an den

lexikalischen Entlehnungen lagen. In der Zeit wurden die Beeinflussungen des

Russischen auf das Deutsche erforscht. Im Jahre 1941 wurden die Deutschen nach

Sibirien und Mittelasien vertrieben, was natürlich die Sprachsituation geändert hat.

Viele Deutschmuttersprachler geraten in der russischen Umgebung, was natürlich

ihre Sprache sehr stark beeinflusste. Alle Deutschmuttersprachler sollten viel mehr

Russisch reden. Das rief verschiedene Änderungen sowohl in ihrem Deutschen, als

auch in ihrem Russischen hervor (Goldbach 2005, 14-15). Solche Sprachänderungen

wurden von einigen Linguisten, wie z.B. Nina Berend und Hugo Jedig (1991),

Renate Blankenhorn (2003)11, Olga Trenina (2004) beschrieben. Es gibt auch andere

Arbeiten zu diesem Thema, z.B. die Arbeit von Kerstin Anders (1993). Die Autorin

beschreibt die Einflüsse des Russischen auf das Deutsche und unterscheidet

zwischen phonetisch-phonologischen, lexikalischen, morphologischen, syntaktischen

und phraseologischen Einfluss.

Später nach der Umsiedlung sogenannten Aussiedler bzw. Spätaussiedler

wurden die Arbeiten erschienen, in denen das Russische der Aussiedler untersucht

und beschrieben wurde.12 Elena Zemskaja (2001) in ihrem Werk „Jazyk russkogo

zarubež’ja“ beschreibt vier Wellen der Emigration und konzentriert sich auf der

ersten Emigrationswelle. Heinrich Pfandl (2000, 21) beschreibt auch die vier Wellen,

10 Clyne 1975, 2, Oksaar 1980, 44, Bechert/Wildgen 1991, 1, Blankenhorn 2003, 41 Goldbach 2005,

13. 11 Auch frühere Arbeiten von Blankenhorn 12 Arbeiten von Pfandl 2000, Meng 2001, Goldbach 2005, Meng/Protassova 2005, Pabst 2007 u.a.

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16

aber im Mittelpunkt seiner Habilitationsschrift steht die dritte und vierte Welle der

Emigration. Weiter werden die vier Emigrationswellen kurz beschrieben.

Die erste Emigrationswelle erfolgt nach der Revolution des Jahres 1917. Das

sind meistens hoch gebildete Menschen und für sie ist Mehrsprachigkeit typisch

(Zemskaja 2001, 36). Die zweite Welle ist mit dem zweiten Weltkrieg verbunden.

Unter den Emigranten der zweiten Welle sind viele, die im besetzten Territorium

oder in Gefangenschaft waren. Die dritte Welle von Emigranten war in 70-er Jahren

und bestand hauptsächlich aus Dissidenten (Intellektuellen Personen) und Juden, die

Möglichkeit hatten, nach Israel zu emigrieren (Zemskaja 2001, 34; Pfandl 2000, 10-

17). Die letzte vierte Emigrationswelle fiel auf 80-er Jahren. Die Grenze zwischen

der dritten und der vierten Wellen ist es zeitlich schwer zu ziehen (Pfandl 2000, 15).

Pfandl (2000, 21) schlägt vor, das Jahr 1986 für das Ende der dritten Welle zu halten.

Die vierte Emigrationswelle wurde ökonomische Emigration oder auch „колбасная

эмиграция“ (Wurstsemmelemigration) genannt, weil sie hauptsächlich ökonomische

Gründe trat (Pfandl 2000, 15).

In seiner Mehrheit besteht die vierte Emigrationswelle aus Personen, die aus

Russland für immer weggefahren sind. Diese Emigranten wollen nicht nach Russland

zurückkehren und deswegen ihr Ziel ist alles in ihrer neuen Heimat zu erreichen. Sie

möchten in dem neuen Land eine Arbeit finden, wohl leben und glücklich sein.

Solche Menschen möchten so schnell wie möglich sich integrieren. Als

Haupthindernis dieses Ziel zu erreichen, tritt die Fremdsprache auf. Deswegen viele

Emigranten versuchen so viel wie möglich die Fremdsprache zu reden und als

Folgerung sie sprechen wenig Russisch (Zemskaja 2000, 772).

Die Emigranten der vierten Welle sind in einigen Ländern, wie z.B. in USA,

Frankreich, Italien und Finnland. Die Mehrheit von Emigranten der vierten Welle

befindet sich in Deutschland (Zemskaja 2000, 772) und sie nennen sich selbst

„русские немцы“ (wörtlich: russische Deutschen), wobei in Russland werden sie als

„российские немцы“ und in Deutschland von Deutschen als „Russlandsdeutsche“

genannt. Zu den Aussiedlern bzw. Russlandsdeutschen gehören diejenigen Personen,

die deutsche Verfahren haben bzw. hatten. Solche Menschen mit ihren Nachkommen

bekamen eine Möglichkeit nach ihrer historischen Heimat zurückzukehren. Viele

von denen können kein Deutsch und in dem neuen Land sollen sie alles vom Anfang

an anfangen (Zemskaja 2000, 772). Ihr Russisch wird sehr schnell von dem

Deutschen beeinflusst und deswegen bietet ihre Sprache ein großes Interesse für die

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17

Linguisten. In vorliegender Arbeit wird die Sprache der Emigranten der vierten

Emigrationswelle erforscht und im Fokus der Arbeit wird das Problem der

Valenzstrukturen gelegt.

2.2.2. Sprachkontakt und Zweisprachigkeit

Jedes Individuum als soziales Wesen kontaktiert immer mit anderen Personen. Da sie

alle Sprachen besitzen, werden ihre Sprachen auch in Kontakt zueinander gestanden

(Frantzen 2004, 6). Weiter werden die Begriffe Sprachkontakt und Zweisprachigkeit

genauer betrachtet.

Es gibt mehrere Definitionen und verschiedene Ansätze des Sprachkontaktes.

Die klassische, meistzitierte Definition gehört zu U. Weinreich. Laut Weinreich

(1977, 15) befinden sich zwei oder mehrere Sprachen im Kontakt miteinander, wenn

sie abwechselnd von demselben Menschen verwendet werden. Der Mensch stellt

somit den Ort des Kontaktes dar (Weinreich 1977, 15). Zu dieser

psycholinguistischen Definition fügt Riehl (2004, 11) eine soziolinguistische, die sie

bei Nelde13 übernahm:

„Zwei oder mehr Sprachen stehen im Kontakt miteinander, wenn sie in derselben Gruppe gebraucht werden. […] Dabei ist es nicht notwendig, dass jedes einzelne Mitglied der Gruppe beide Sprachen spricht, Ort des Sprachkontakts ist dann sozusagen die Gruppe im Ganzen.“ (Riehl 2004, 11-12).

Kolde (1981, 9) nennt solche Gruppe als „gemischtsprachige Gruppe“, wobei nicht

alle Mitglieder dieser Gruppe die gleiche Hauptsprache bzw. Hauptsprachen

sprechen. In einer solchen gemischtsprachigen Gruppe, gibt es kleinere Gruppen, die

Kolde (1981, 10) als Sprachgruppen bezeichnet. Die Hauptsprache bzw.

Hauptsprachen der Mitglieder der Sprachgruppen soll(en) gleich sein. In einer

gemischtsprachigen Gruppe kann nicht jedes Mitglied zweisprachig sein (Kolde

1981, 10).

13 Nelde Peter H. (1983) Plädoyer für eine Linguistik von Sprachen in Kontakt. In: ders. (Hg.)

Theorie, Methoden und Modelle der Kontaktlinguistik. Bonn, 3-13.

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18

Mixajlov (1972, 197) betont, dass der Sprachkontakt nur durch die zwei-

bzw. mehrsprachigen Menschen möglich ist und dass die Beeinflussung der

Sprachen fängt in der Rede der Menschen an.

Mit den oben genannten Definitionen des Sprachkontaktes hängt eng der

Begriff ‚Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit’ zusammen. Weinreich (1977, 15) bezeichnet

die Zweisprachigkeit als abwechselnden Gebrauch von zwei Sprachen und die

Personen, die abwechselnd zwei Sprachen verwenden, nennt er als Zweisprachige.

Goldbach (2005, 15) versteht unter der Zweisprachigkeit sowohl Ausgang als auch

Ergebnis von Sprachkontakt.

C. Riehl (2004, 11) weist jedoch darauf hin, dass Sprachkontakt im Grunde

genommen ein Resultat von Zweisprachigkeit ist. Sie ist der Ansicht, dass der

Begriff des Sprachkontaktes sehr oft getrennt von dem Begriff der Mehrsprachigkeit

gegeben wird, was ihrer Meinung nach, den Fokus von Menschen auf die Sprachen

verschiebt. Bei der Definition von U. Weinreich liegt der Akzent auf den beteiligten

Sprachen. Riehl (2004, 11) verbindet in ihrer Definition von Sprachkontakt diese

zwei Begriffe und definiert den Sprachkontakt als ein Ergebnis von

Mehrsprachigkeit. Weiter geht sie in die Sprachsysteme der beteiligten Sprachen und

betont, wenn Sprecher einer Sprachgemeinschaft mehrere Sprachen gleichzeitig

verwenden, das ruft auch bestimmte Veränderungen in den beteiligten

Sprachsystemen hervor. Wenn man davon auszugehen ist, dann wird nach Riehl

(2004, 11) unter dem Sprachkontakt „gegenseitige Beeinflussung von zwei oder

mehreren Sprachen“ verstanden.

Um die Termini Sprachkontakt und Zweisprachigkeit voneinander abgrenzen

zu können, schlägt Goldbach (2005, 15) vor, dass der Fokus bei Zweisprachigkeit auf

die Eigenschaften eines Menschen gelegt wird, der die beteiligten Sprachen spricht,

oder einer Gruppe, in der diese Sprachen gesprochen werden. Beim Sprachkontakt

werden die beteiligten Sprachen ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.

Georges Lüdi (1996, 234) nennt in ihrem Artikel vier Typen von

Mehrsprachigkeit, nämlich individuelle, territoriale, soziale und institutionelle

Mehrsprachigkeit. Für diese Arbeit spielt eine wichtige Rolle die individuelle

Mehrsprachigkeit, die Lüdi (1996, 235) als Bilingualität bezeichnet.

Dešeriev Ju. D. und Protčenko I.F. (1972, 33), Pabst (2007, 15), Goldbach

(2005, 15) und andere Wissenschaftler merken an, dass der Begriff „Bilingualität“

keine einheitliche Definition hat. Dešeriev Ju. D., Protčenko I.F. (1972, 33) fügen

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eine Zitat aus dem berühmten „Wörterbuch der linguistischen Termini“ von O.S.

Axmanova an, in dem die Zweisprachigkeit als gleich vollkommene Beherrschung

der beiden Sprachen bezeichnet wird. Es ist mit Dešeriev und Protčenko (1972, 34)

zuzustimmen, dass es unmöglich ist, beide Sprachen gleich vollkommen zu können.

Selbst das Wort vollkommen ist ein bisschen abstrakt und wird von verschiedenen

Personen unterschiedlich verstanden. Dešeriev und Protčenko (1972, 34) sind der

Auffassung, dass es nicht alle Muttersprachler ihre Muttersprache vollkommen mit

allen Stilen und allen Bereichen des Wortschatzes beherrschen. Die vollkommene

Beherrschung von zwei Sprachen ist ein Ideal, zu dem man zustreben soll (Dešeriev,

Protčenko 1972, 34).

Laut Pabst (2007, 15) widersprechen sich einige Definitionen von

Zweisprachigkeit bzw. Bilingualität gar, was damit zu erklären ist, dass sich jede

Definition mit anderen Aspekten und Merkmalen der Zweisprachigkeit beschäftigt,

zum Beispiel mit dem Grad der Sprachbeherrschung oder der Funktion der

Zweitsprache. Einige Wissenschaftler kategorisieren Zweisprachigkeit in

verschiedene Typen. Pabst (2007, 17-19) beschreibt z.B. simultane, sukzessive,

natürliche, kulturelle, additive und subtraktive Zweisprachigkeit. In dieser Arbeit

wird das Thema Zweisprachigkeit nicht sehr stark diskutiert und wird die minimale

Begriffsbestimmung von Haugen (1956, 10) verwendet. Nach ihm beginnt die

Bilingualität “at the point where the speaker of one language can produce complete,

meaningful utterances in the other language.”

Wenn ein Individuum mehr als eine Sprache redet, dann ist die Frage nach

seiner Muttersprache oder Fremdsprache sinnvoll. Einige Wissenschaftler 14

diskutieren in ihren Arbeiten solche Begriffe wie Muttersprache, Vatersprache,

Familiensprache, Umgebungssprache, Fremdsprache, Erstsprache, Zweitsprache,

Schulsprache, schwache und starke Sprache usw. Rozencvejg (1972, 3) hält auch den

Begriff „Kontaktsprache“ für wertvoll. Kolde (1981, 5-9) behandelt solche Begriffe

wie Primärsprache, Sekundärsprache, Hauptsprache und Nebensprache. In dieser

Arbeit wird diese Frage nicht viel diskutiert.

Unter Muttersprache wird die Sprache verstanden, die ein Kind über seine

Mutter bzw. Eltern, wenn sie die gleiche Sprache sprechen, erwirbt. Als Synonym

von Muttersprache wird den Begriff Erstsprache genannt. Erstsprache ist die

14 Wie z.B. Pabst 2007, 14-22; Zemskaja 2000, 769; Kolde 1981, 5-9 u.a.

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Sprache, die das Kind in ersten Jahren seines Lebens hört und redet. Wie es oben

erwähnt wurde, gibt es auch die Termini starke und schwache Sprachen (Pabst 2007,

19). Aber im verschiedenen Alter kann eine Sprache aus der starken in die schwache

verwandeln und umgekehrt.

Riehl (2004, 160) ist die Auffassung, dass der Sprachwechsel beim

Individuum beginnt, aber Auswirkungen auf die gesamte Sprachgemeinschaft hat.

Wenn viele Sprecher die Sprache nicht mehr verwenden, dann können diejenigen,

die die Sprache noch sprechen weniger Kommunikationspartner finden, mit denen

sie diese Sprache reden können. In vielen Fällen findet ein Generationenwechsel

statt, d.h. die jüngeren Generationen sprechen die Sprache schon nicht sehr oft (Riehl

2004, 160). Deswegen kann der Sprachwechsel stattfinden und eine Sprache, die als

Muttersprache zu betrachten ist, wird selten gesprochen und die Person schlechte

Kenntnisse der „Muttersprache“ mit der Zeit besitzen kann.

In dieser Arbeit ist es nicht sehr wichtig, welche Sprache als Muttersprache

bezeichnet wird und welche als Fremdsprache. Ist es auch nicht relevant, ob eine

Sprache stärker oder schwächer anderer Sprache ist. Alle Probanden verweisen

verschiedene Sprachkenntnisse, sowohl im Deutschen, als auch im Russischen. Aber

bei allen Probanden gilt das Russische als Erstsprache, d.h. ist die Sprache, die sie in

den ersten Jahren ihres Lebens erworben haben. Aber um weiter bei der

Datenanalyse die Verwirrung zu vermeiden wird das Russische als L1 und das

Deutsche als L2 bezeichnet.

2.2.3. Wirkungen des Sprachkontaktes

Dieses Kapitel wird den Auswirkungen des Sprachkontaktes gewidmet, d.h. man

wird aufgezählt, welche Sprachveränderung ein Sprachkontakt verursachen kann.

Zweisprachige Menschen schalten sich von einer in die andere Sprache um.

Das bedeutet, dass beide Sprachen immer in ihrem Gedächtnis präsent sind,

deswegen wenn ein Bilingualer eine Sprache spricht, dann ist die zweite nicht ganz

ausgeschaltet. So bleibt die zweite Sprache immer im Hintergrund und kann in jedem

Moment aktiviert werden. Diese Feststellung kann nicht ohne Auswirkungen für die

beteiligten Sprachen bleiben (Riehl 2004, 28). Als Folgen eines Sprachkontaktes

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gelten folgende Sprachphänomene wie Code-switching, Code-mixing, Interferenz,

Transferenz, Importation, Ad-hoc-Entlehnung, Sprachwechsel und sogar

Sprachverlust. Weiter werden nur einige Begriffe diskutiert, weil in dieser Arbeit

nicht alle diese Sprachphänomene gebraucht werden.

Viele Wissenschaftler15 beschrieben in ihren Arbeiten, wie eine Sprache eine

andere Sprache beeinflussen kann und zu welchen Sprachkontaktphänomenen das

führen kann. Panfilov (1972, 103) stellt die These auf, dass der Prozess des

Zusammenwirkens der Sprachen bei Zweisprachigkeit zur Annäherung der in dem

Sprachkontakt beteiligten Sprachsystemen führt.

Es ist zuzustimmen, dass ein Sprachkontakt verschiedene Veränderengen in

Sprachsystemen hervorruft. Solche Änderungen können einseitig oder gegenseitig

sein und dann werden die Sprachsysteme von beiden beteiligten Sprachen

beeinflusst. Diese Änderungen gelten als Abweichungen von den Sprachnormen, die

Weinreich (1977, 15) als Interferenz bezeichnete.

Riehl (2004, 28) ist der Ansicht, dass der Begriff Interferenz kritisiert wurde

und negativ sei, weil er „Einmischung“ bedeutet. Laut Clyne (1975, 16) wird den

Terminus Interferenz von verschiedenen Wissenschaftlern nicht einheitlich

verwendet. Er meint auch, dass mit dem Begriff Interferenz „sowohl Sache als auch

Ursache“ (Clyne 1975, 16) bezeichnet wird, was bei der Beschreibung der

Sprachsysteme zur Verwirrung führen kann. Spillner (1996, 145) ist auch der

Meinung, dass der Begriff Interferenz zu breit ist und verschiedene

Sprachphänomene bezeichnen kann.

Bei Thomason (2001) ist die „Interference“ ein Resultat von „Imperfekt

learning“, wobei ein Individuum einige Strukturen aus der eigenen Sprache in die

Zielsprache übernimmt. Wenn es um die so genannten Entlehnungen handelt,

dann bezeichnet sie Thomason als Importationen. Bei der Importation

(„borrowing“) geht es um Entlehnungen, d.h., dass Entlehnungen die sprachlichen

Elemente sind, die aus einer Fremdsprache in die Muttersprache übernommen

werden.

Clyne (1975, 16) schlägt vor, „die Übernahme von Elementen, Merkmalen

und Regeln aus einer anderen Sprache“ als „Transferenz“ zu bezeichnen. Unter

15 Wie z.B. Weinreich (1953/1967/1977), Haugen (1956), Žluktenko (1974), Clyne (1975), Anders

(1993), Pfandl (2000), Thomason (2001), Gregor (2003), Riehl (2004), Goldbach (2005), Pabst (2007) usw.

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der Transferenz versteht Clyne (1975, 16) einen Prozess und einzelne

Erscheinungen nennt er als Transfer. Diese Termini bekamen auch sehr große

Verbreitung bei Wissenschaftlern.16 Riehl (2004) benutzt die zwei Termini

manchmal als Synonyme.

Goldbach (2005, 16) betont, dass „der Begriff Transferenz scheinbar nicht

alle Effekte von Sprachkontakt erfasst, da diese nicht immer wirkliche Übernamen

darstellen“ (Goldbach 2005, 16). Rozencvejg (1963, 61) vertritt die These, dass

bei Zweisprachigen ein drittes Sprachsystem entstehen kann. Und deswegen es

kann nicht um die Übernahmen bzw. Entlehnungen gehen.

Bei einigen zweisprachigen Personen ist es nicht leicht zu definieren,

welche Sprache für sie als Muttersprache und welche als Fremdsprache zu

bezeichnet sind. Deswegen die Begriffe Importation und Interferenz nach

Thomason (2001) werden in dieser Arbeit nicht relevant.

Insofern ist es sinnvoller in dieser Arbeit den Begriff Interferenz von

Weinreich (1977, 15) als Hauptbegriff zu benutzen. Im Mittelpunkt dieser

Forschung steht das Russische und deswegen unter Interferenz werden

verschiedene Änderungen des Russischen bezeichnen, die als Abweichungen von

den Normen zu sehen sind. Als sogenannte Norme gilt zweibändiges

Valenzwörterbuch von Apresjan-Pall (1982). Die Struktur des Wörterbuches wird

in nächsten Kapiteln dargestellt. Für die Fälle, die im Wörterbuch nicht

beschrieben wurden, werden Texten aus dem russischen Nationalkorpus

verwendet17 oder andere Wörterbücher, die in der Literaturverzeichnis präsent

sind. Während den Begriff Interferenz als Abweichung von den Normen gilt,

werden die Begriffe Transferenz und Transfer als Bezeichnung für Übertragung

aus dem Deutschen ins Russische.

Weinreich (1977, 18) behauptet, dass die gegenseitige Beeinflussung der

beiden Sprachen und Änderungen, die nach dem Sprachkontakt folgen, stärker

sein werden, wenn sich der Kontakt innerhalb ganzer Gruppe von Zweisprachigen

ereignen soll. In unserem Fall ist es aktual, weil Russlandsdeutsche eine ziemlich

große Gruppe ist.

Thomason (2001,?59-60) vertritt die These, dass jeder kontaktinduzierte

Sprachwandel außerhalb einer Sprachkontaktsituation kaum geschehen wird und

16 Wie z.B. Anders 1993, Riehl 2004, Goldbach 2005 usw. 17 http://www.ruscorpora.ru/

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zumindest teilweise durch Sprachkontakt verursacht. Diese Definition schließt in

sich zwei Kategorien ein. Die erste Kategorie ist die direkte Übernahme entweder

nur von Morphemen, oder zusammen von Morphemen und Strukturen oder nur von

Strukturen. Dabei können die sprachlichen Elemente der Quellsprachestruktur

sowohl ändern als auch nicht. Zur zweiten Kategorie gehören indirekte Effekte von

Sprachkontakt. Diese Kategorie wird auch in zwei Subkategorien unterteilt. Die erste

Subkategorie fasst so genannte „Zerreibungsprozesse“ um, die zum Sterben einer

Sprache führen. Die zweite Subkategorie enthält spätere Änderungen, die durch

direkte Importationen hervorgerufen werden. Diese späteren Änderungen werden

von inneren sprachlichen Prozessen bewirkt. Aber es ist niedrig wahrscheinlich, dass

die Prozesse ohne kontaktinduzierten Sprachwandel stattgefunden hätten (Thomason

2001).

Juhász (1980, 646) schreibt, dass Interferenz drei Erscheinungsformen hat,

nämlich phonetische, grammatische und lexikalisch-semantische, wobei die

grammatische Erscheinungsformen morphologische und syntaktische erfassen.

Anders beschreibt in ihrer Arbeit fünf Einflüsse: phonetisch-phonologische,

Lexikalische, morphologische, syntaktische und phraseologische. U. Weinreich

(1977, 15) ist der Ansicht, dass die Interferenz in vier Bereiche eingeführt werden

kann und zu solchen Bereichen sind folgende zu zählen, nämlich ein großer Teil des

phonologischen Systems, der Morphologie, der Syntax und einige Felder des

Wortschatzes. Er behauptet, dass es eine Übervereinfachung wäre, nur von

Entlehnung oder Hinzufügungen zu einem Inventar zu reden.

Bei dem kontaktinduzierten Sprachwandel spielen soziale Faktoren eine sehr

wichtige Rolle. Soziale Faktoren beziehen sich auf die Intensität der Sprachkontakt.

Je intensiver der Kontakt ist, desto mehr Arten der Interferenz sind möglich. Bei der

Intensität der Sprachkontakt sind nach Thomason (2001) zwei Komponenten

wichtig: die Dauer des Kontakts (je länger Sprachkontakt dauernd, desto größer die

Wahrscheinlichkeit von Entlehnungen ist und desto mehr Zeit haben die Sprecher um

bilingual zu werden) und die Größe der Gruppe.

Thomason (2001, 70-71) stellt in ihrer Arbeit sogenannte „Borrowing scale“

(die Entlehnbarkeitsskala) dar. Diese Skala zeigt die Intensität der Entlehnungen, die

sehr stark von der Intensität des Sprachkontaktes abhängt. Beim gelegentlichen

Sprachkontakt wird die Lexik (meistens Substantive, aber keinen Grundwortschatz)

entliehen. Beim geringfügig intensiven Sprachkontakt werden Entlehnungen in

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folgenden Bereichen vorhanden: in Lexik (Inhaltswörter und Funktionswörter,

nämlich Konjunktion und Partikel), in Phonologie (neue Phoneme in Lehnwörter)

und in Syntax (neue Funktionen und funktionale Einschränkungen oder häufiges

benutzen zwar seltener Wortstellung). Beim stärker intensiven Kontakt werden

Lexika (zunehmend Funktionswörter (Pronomen, niedrige Numerale),

Grundwortschatz, Ableitungsaffixe), Phonologie (Verlust mancher in der

Quellsprache nicht existenter Phoneme, Ersetzung von Phonemen auch bei

einheimischen Wörtern, Entlehnung der Betonung, Veränderung der Silbenstruktur

und der morphophonemischen Regeln), Syntax (Wortfolge, Parataxe und Hypotaxe)

und Morphologie (entlehnte flektierbare Affixe) übernommen. Beim intensiven

Sprachkontakt kommen starke lexikalische Entlehnungen (in allen Bereichen der

Lexik) und starke strukturelle Entlehnungen vor.

Es ist zu sehen, dass ein Sprachkontakt wirklich alle linguistischen Bereiche

beeinflussen kann. In weiteren Kapiteln wird es beschrieben, auf welche Stufe sich

der russisch-deutsche Sprachkontakt befindet und wie das sich auf die

Valenzkategorie auswirkt.

In weiteren Kapiteln wird die Forschung beschrieben, die die Position der

Valenz im russisch-deutschen Sprachkontakt darstellt. Weiter werden auch die

Beispiele, bei denen verschiedene Abweichungen von den Normen des Russischen

im Bezug auf die Valenzstrukturen dargestellt werden, angeschaut und analysiert.

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3. Besonderheiten der Sprachsituation der russischsprachigen

Aussiedler

Karaulov (1992, 5) in seinem Artikel betrachtet die Sprache des Auslandsrussentums

als selbständige Existenz der russischen Sprache und als ein extra Bereich ihres

Funktionierens. Das Russische im Ausland ist seiner Meinung nach ein schwieriges

Thema, weil die russische Sprache des Auslandsrussentums verschiedene historische

Voraussetzungen hatten und zu vier Emigrationswellen zugeordnet sind (Karaulov

1992, 5). Das Russische jeder Emigrationswelle besitzt seine eigenen

Besonderheiten. Es wurde schon oben betont, dass in dieser Arbeit im Mittelpunkt

das Russische der vierten Emigrationswelle stehen wird.

Die Emigranten der vierten Welle der Emigration werden Aussiedler genannt.

Als Aussiedler bzw. Spätaussiedler werden Menschen bezeichnet, die nach

Deutschland emigriert sind und deutscher Herkunft haben. Solche Menschen können

aus Polen, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien, der Länder der ehemaligen Sowjetunion

kommen (Meng/Protassova 2005, 230). Es wurde schon oben erwähnt, dass in dieser

Arbeit das Russische der russischsprachigen Aussiedler bzw. russlanddeutscher

Aussiedler analysiert wird, deswegen ist es wichtig kurz die Lebenssituation der

Aussiedler und Motiven, nach denen sie nach Deutschland umgezogen sind, zu

behandeln.

Das Hauptmotiv, warum Russlanddeutschen der vierten Emigrationswelle

nach Deutschland kommen, war ökonomisch, sie wollten im Wohlstand leben. Die

Emigranten der vierten Welle reisten für immer ab, deswegen ihr Ziel war so schnell

wie möglich in Deutschland sich zu adaptieren und finanzielle Wohlstand zu

erreichen, nämlich ein Haus, eine Arbeitsstelle, das Geld usw. haben (Zemskaja

2001, 43). Um das alles zu erreichen, brauchen sie erstens das Deutsche zu können.

Deswegen war für die Emigranten der vierten Welle, sehr wichtig das Erlernen des

Deutschen. Diejenigen, die kein Deutsch konnten, sollten von Anfang an das

Deutsche lernen (Zemskaja 2001, 44). Zemskaja (2001, 63) betont, dass das

Russische bei der vierten Emigrationswelle nicht gepflegt wird, weil die Emigranten

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sich auf dem Erlernen der deutsche Sprache konzentrieren und als Konsequenz wird

das Russische sehr stark vom Deutschen beeinflusst.

Ein sehr wichtiger Moment ist auch die Einstellung zu der russischen

Sprache. Nach Nina Berend (1998, 63) sind die Erwachsene einig, dass Russisch zu

können nur Vorteile hat und deswegen möchten sie ihren Kinder die russische

Sprache beibringen. Achterberg (2005, 252) behauptet, dass das Russische das

höchste Sprachvitalität18 der slawischen Sprachen in Deutschland hat, weil es für die

Familiensprache gehalten wird. D.h., dass das Russische am häufigsten in den

Familien gesprochen wird.

Aber manchmal das Problem ist das, dass sich die Kinder selbst nicht immer

Mühe geben um Russisch zu lernen. Die Erwachsenen beschweren sich, dass sie mit

den Kindern Russisch reden und die Kinder ihnen auf Deutsch antworten (Berend

1998, 63).

Es gibt aber solche Eltern, bzw. Familien, in denen mit den Kindern nur

Deutsch gesprochen wird. Es ist selbstverständlich, wenn die Kinder kein Russisch

mehr brauchen, dann können sie das Russische nicht und im besseren Fall verstehen

sie etwas auf Russisch.

Meng und Protassova (2005, 230) betonen, dass sich die Aussiedler im

Gespräch immer zwischen dem Russischen und dem Deutschen umschalten, womit

„die sprachlichen Grenzen zwischen Deutsch und Russisch überspringen“ (Meng /

Protassova 2005, 230). Sie behaupten, dass bei Russladdeutschen nicht nur wörtliche

Transferenz zu beobachten ist, sondern sie verknüpfen auch sowohl russische, als

auch deutsche Elemente miteinander. Solche Äußerungen nennen Meng und

Protassova (2005, 230) als „deutsch-russisch gemischtsprachige Äußerungen“.

Einige Wissenschaftler haben schon ihre Arbeiten der Besonderheiten des

Russischen in Deutschland gewidmet, wie z.B. Pfandl (2000), Meng (2001),

Goldbach (2005), Grillborzer (2008) usw. Obwohl jedes Werk eigenen Fokus hat,

bezeichnen alle, dass es Abweichungen in mehreren Bereichen zu finden sind,

nämlich bei Lexik, Morphosyntax, Phonologie und Semantik. Hier werden alle

möglichen Abweichungen von der russischen Standardsprache nicht beschrieben,

weil es nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit ist.

18 Unter Vitalität versteht Achterberg (2005, 24) in seinem Buch „die Lebens- und Widerstandskraft

sowie die Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit von Minderheitensprachen in Konkurrenz mit dominanten Sprachen in multilingualen Gesellschadten.“

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27

Meng und Protassova (2005, 246-251) zählen in ihrem Artikel viele Faktoren

für gemischtsprachiges Sprechen auf, die weiter kurz vorgestellt werden: Als erstes

Motiv nennen Probanden die Bezeichnung von Realien, die in Russland nicht

existieren. Das zweite Motiv ist die Bezeichnung von Situationen oder wichtige

Sachverhalte in Deutschland. Hier kann man gewisse Phrasen nennen, die Aussiedler

z.B. oft von den Beamten oder Arbeitsgebern hören. Als ein weiterer Grund gilt das,

dass es ein entlehnendes Wort im Deutschen andere Konnotation hat, als im

Russischen. Als viertes Motiv wird das genannt, dass die Sprecher mit dem

Sprachwechsel persönliche lexikalische Lücken sowohl im Russischen als auch im

Deutschen ausgleichen wollen. Wenn die Probanden irgendeinen russischen

Ausdruck komisch oder seltsam finden, dann verwenden sie ein Äquivalent aus dem

Deutschen. Das gilt als fünfter Faktor für das gemischtsprachige Sprechen. Als

sechstes Motiv nennen die Autorinnen die Geschwindigkeit der gegenseitigen

Verständigung und behaupten, dass die Sprecher um sich zu verständigen selber

nicht merken, dass sie teilweise deutsche Lexik benutzen. Noch ein Motiv ist, dass

die Sprecher einfach bestimmte deutsche Phrasen oder Wörter üben wollen und

deswegen verwenden sie in ihrer Sprache. Als vorletzter Grund der Sprachmischung

ist das, dass die Sprecher einander demonstrieren möchten, dass man das Deutsche

einigermaßen angeeignet hat. Das letzte bezeichnete Motiv ist der Gebrauch des

Deutschen im Russischen aus humoristischen Gründen.

Die Sprecher haben viele Motive die gemischte Sprache zu sprechen. In dem

theoretischen Teil dieser Arbeit wurde die Entlehnbarkeitsskala von Thomason

(2001, 70-71) dargestellt. Die russischsprachigen Aussiedler befinden sich im

intensiven Sprachkontakt, bei dem starke lexikalische Entlehnungen (in allen

Bereichen der Lexik) und starke strukturelle Entlehnungen vorkommen.

In weiteren Kapiteln wird der Untersuchung des Russischen in Deutschland

vorgestellt, im deren Mittelpunkt die Verbvalenz steht.

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4. Forschungsstand

In diesem Kapitel soll einen Überblick auf die Forschung gegebnen werden. Erst

wird der Überblick auf den Forschungsverlauf skizziert. Weiter wird die

Datenerhebung beschrieben. Dann kommt Information zu den Probanden. Als letztes

wird in diesem Kapitel das Instrument für Auswertung der Daten erläutert.

4.1. Beschreibung der Forschung

Das Untersuchungsgebiet des Sprachkontaktes ist nicht neu. Wie es schon oben

erwähnt wurde, haben viele Wissenschaftler diesem Thema ihre Forschungen

gewidmet. Sogar der russisch-deutsche Sprachkontakt wurde von einigen

Wissenschaftlern untersucht und beschrieben. Aber keiner von Linguisten, die den

russisch-deutschen Sprachkontakt beschrieben haben, hat bis jetzt in seinen

Untersuchungen extra erforscht, wie die Valenz der Verben von dem Sprachkontakt

beeinflusst und durch den Sprachkontakt verändert wird. Zum Beispiel Pfandl (2000)

erörtert in seiner Habilitationsschrift kurz das Thema „Rektion der Verben“ und

beschreibt in seiner Untersuchung vorkommende Abweichungen. Außerdem

erläutert er die Abweichungen, die bei den Präpositionen auftauchen. Es ist

selbstverständlich, dass diese Themen das Thema der Valenz überlappen, aber nicht

komplett. Deswegen ist es sinnvoll speziell zu erforschen, wie sich die Verbvalenz in

dem russisch-deutschen Sprachkontakt benimmt.

Diese Forschung hat drei Ziele. Erstes Ziel ist zu zeigen, dass die

Valenzstrukturen in dem russisch-deutschen Sprachkontakt verändert werden. Das

zweite Ziel ist versuchen zu erklären, welche Gründe die Valenzveränderungen

haben können. Das dritte Ziel ist zu bestimmen unter welchen Bedingungen die

Verbalenz beeinflusst und verändert wird.

Um diese Ziele zu erreichen, braucht man Daten. Als Datenbasis kommen

vierzehn Gespräche, die von verschiedenen Studenten aus Universität Regensburg

aufgenommen und transkribiert wurden. Im nächsten Kapitel wird die Durchführung

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der Interviews beschrieben und die Information zu den Probanden gegeben. Hier soll

man sagen, warum eigentlich Interviews. Nur im Gespräch kann man richtig

einzuschätzen, welches Sprachniveau der Proband hat: Spricht er sicher oder nicht,

besitzt seine Rede viele Pause oder nicht, denkt viel nach oder reagiert schnell auf

die Fragen usw. Nur während des Redens kann jede Testperson ihre tatsächlichen

Sprachkenntnisse zu demonstrieren.

Es gibt viele Faktoren, die sehr wichtige Rolle bei dem Sprachkontakt

spielen, weil sie die Veränderung der im Kontakt stehenden Sprachen beeinflussen.

Der erste Faktor ist die Intensität der Sprachkontakt. Wie es schon erwähnt wurde,

hält Thomason (2001) zwei Komponenten der Intensität des Sprachkontaktes für

wichtig, nämlich die Dauer des Sprachkontaktes und die Größe der Gruppe. D.h. je

länger der Sprachkontakt ist und je größer die Gruppe ist, desto intensiver der

Sprachkontakt ist und mehr Interferenzen (Abweichungen) möglich sind. Daraus

folgt, dass die Russlanddeutschen bzw. russischsprachigen Aussiedler sich im

intensiven Sprachkontakt befinden. Das bedeutet, dass es verschiedene strukturelle

Interferenzen möglich sind.

Als weiterer Faktor kann man auch Einreisealter nennen. Polinsky (1997,

374) in seinem Artikel beschreibt bestimmte Prozesse, die „American Russian“

betreffen. Unter anderen Variablen bestimmt er auch das Einreisealter. In der

vorliegenden Arbeit gilt als Hypothese die Vermutung, dass das Kriterium der

Einreisealter eine sehr wichtige Rolle bei den Valenzabweichungen spielt. Es wird

auch das angenommen, dass es mehr Valenzabweichungen bei den Testpersonen zu

finden sind, die im jungeren Alter nach Deutschland gekommen sind. D.h., dass je

junger eine Person nach Deutschland kam, desto unstabiler seine Erstsprache ist und

deswegen wird seine Sprache, in dem Fall das Russische sehr stark von dem

Deutschen beeinflusst. Hieraus ergibt sich, dass man bei solchen Personen mehr

Valenzabweichungen zu finden sind.

Selbstverständlich werden die Fakten auch für wichtig gehalten, ob der

Sprecher noch irgendwelchen Kontakt zu den Personen hat, die Standardrussisch

reden und ob die Probanden Russisch in ihren Familien reden.

Im vorigen Kapitel wurde Motive des gemischtsprachigen Sprechens bei den

Aussiedlern erläutert. Das vierte Motiv des gemischten Sprachgebrauchs ist sehr

relevant für die vorliegende Arbeit. Im Fokus dieser Arbeit stehen Valenzstrukturen.

Da der Sprecher etwas im Russischen fehlt, sei es ein Wort oder eine Struktur, dann

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entweder übernimmt er das Fehlende aus dem Deutsche oder kreiert selber etwas

anderes. Damit will er die Lücken im Russischen füllen. Im Kapitel 5 werden alle in

den Interviews vorkommenden Abweichungen analysiert, wobei für Ursache solcher

Abweichungen hauptsächlich der Bedarf bestimmte Lücken im Russischen zu füllen

gehalten werden.

Im Kapitel fünf werden die Abweichungen bei der Verbvalenz dargestellt und

analysiert. In dem letzten Teil des fünften Kapitels werden alle in der Arbeit

vorkommenden Abweichungen gezählt und in Tabellen gebracht. Am Ende werden

alle nötigen Folgerungen gemacht und je nach Möglichkeit erklärt.

4.2. Datengrundlagen und Probandenbeschreibung

In Rahmen von zwei Seminaren, die Professor Hansen (Universität Regensburg)

geleitet hat, wurden 14 Interviews von verschiedenen Studenten durchgeführt.

Während der Interviews wurden Menschen befragt, die ursprünglich aus Russland

bzw. aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion kommen. Das Ziel der Interviews war

zu bestimmen, wie das Russische sich durch den Sprachkontakt ändert. Damit die

Probanden nicht besonders auf ihre Sprache achten, es wurde ihnen gesagt, dass die

Befragung kulturwissenschaftlichen Hintergrund hat. Während der Interviews sollte

jede Testperson zum möglichst freien und natürlichen Gespräch gebracht werden.

Die Fragen waren nicht bei allen Interviews gleich. Man legte nur bestimmte

Themenbereiche und allgemeine Leitfaden fest (Grillborzer 2008, 14). In einigen

Interviews fehlt auch wichtige Information, wie z.B. Einreisealter. Aber nach

bestimmter Information, die in den Interviews auftaucht, kann man die Einreisealter

entweder genau rechnen oder ungefähr sagen, wie alt ein Mensch war, als er nach

Deutschland kam. Man hält auch für wichtige Information die Tatsache, ob eine

Testperson intensive Kontakte zu ihrem Heimatland pflegt. Als für diese Arbeit

relevante Information über den Probanden wird die Information bezeichnet, wie die

Probanden Russisch reden, wann, mit wem usw. Alle Informationen gelten zur Zeit

des jeweiligen Interviews.

Obwohl man nicht alle Testpersonen als Aussiedler bezeichnen kann, gehören

alle Probanden zu den Emigranten der vierten Welle, die aus Staaten der ehemaligen

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Sowjetunion kommen. Alle Namen der Probanden wurden geändert und codiert

aufgrund von Datenschutz. Alle Probanden wurden für diese Forschung in zwei

Gruppen geteilt. In jeder Gruppe sind sieben Personen präsent. Zu der ersten Gruppe

gehören diejenigen, die älter als 18 Jahre alt waren, als sie nach Deutschland

gekommen sind. In der Gruppe werden die Testpersonen nach seinem Einreisealter

absteigend vorgestellt. Alle Angaben von Personen gelten zur Zeit des Interviews.

Das sind: Ta. (w.), Wa.(m.), N. (w.), Pe. (m.), Sa.(m), Ad.(m.), Na. (w.). Weiter folgt

eine kurze Beschreibung der Testpersonen. Aber es wird ihre Sprache nicht

detailliert beschrieben und es wird nicht die ganze Information zu den Personen

dargestellt. Da es nicht das Ziel dieser Arbeit ist, einzelne Sprachporträte zu

beschreiben, werden alle wichtigen Ergebnisse dieser Forschung am Ende dieser

Arbeit vorgestellt und nötige Schlussfolgerungen gemacht.

Die Probandin Ta. war 45 Jahre alt, als sie nach Deutschland kam. Sie lebt in

Deutschland seit vier Jahren. Sie kommt aus Russland und ist Russin. In Russland

arbeitete sie als Deutschlehrerin. Sie heiratete einen Deutschen und dann ist sie nach

Deutschland umgezogen. Ihr Russisch ist sehr gut, aber sie umschaltet sich

manchmal ins Deutsche. Sie mischt zwei Sprachen nicht. Zuhause redet die

Probandin nur Deutsch, weil sein Mann Deutsche ist. Sie unterhält Beziehungen mit

Russischsprachigen, sie ruft regelmäßig nach Russland und regelmäßig reist hin.

Der Proband Wa. ist nach Deutschland aus Kasachstan umgezogen. Er war 44

Jahre alt, als er mit seiner Familie nach Deutschland emigrierte. In Deutschland ist er

seit acht Jahren und ist Spätaussiedler. Bis zur ersten Klasse redete er Deutsch und

erst in der Schule hat er Russisch gelernt. Sein Russisch ist gut. Er hat nicht sehr viel

Kontakt zu Einheimischen. Er und seine Frau lesen nur russische Literatur und

schauen sehr oft russisches Fernsehen. Sie rufen regelmäßig nach Russland an, weil

dort die Verwandten von der Frau der Testperson leben. Der Proband verwendet

kaum deutsche Wörter im Gespräch.

Die Probandin N. ist mit ungefähr 36 Jahren aus Kasachstan nach

Deutschland umgezogen. Sie lebt in Deutschland seit 12 Jahren. In Kasachstan

arbeitete sie als Russischlehrerin. In ihrem Russischen kann man einige

Besonderheiten des Russischen in Kasachstan finden, die aber für vorliegende Arbeit

irrelevant sind. Sie unterhält sich in dem Verwandtenkreis, in dem nicht immer

Russisch gesprochen wird. Sie hat Enkelkinder und bringt ihnen das Russische bei,

nämlich sie redet mit ihnen auf Russisch, liest russische Märchen vor usw. Sie hat

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auch Verwandten in Russland und in Kasachstan, mit denen sie regelmäßig

kommuniziert. Sie hat russisches Fernsehen, aber wenn sie allein zuhause ist, dann

schaut sie kaum Fernseher. Sie schaut russisches Fernsehen, wenn ihr Mann zuhause

ist, der nur das russische Fernsehen schaut. Sie liest die Literatur hauptsächlich auf

Deutsch.

Der Proband Pe. war 34 Jahre alt, als er nach Deutschland kam. Er gehört zu

der Gruppe der Aussiedler und lebt in Deutschland seit 1992. Er ist in Sibirien

geboren, aber mit 20 Jahren ist er nach Kasachstan umgezogen. In Deutschland lebt

er seit 15 Jahren. Sein Russisch ist ziemlich gut. Er verwendet nur einige deutsche

Wörter. Er und seine Frau fahren oft nach Karaganda (Kasachstan), weil dort die

Verwandten seiner Frau leben. Sie rufen regelmäßig diese Verwandten an. In

Deutschland hat der Proband mehr Kontakt zu Russischsprachigen.

Der Proband Sa. kommt aus Weißrussland. Er war 22 als er nach Deutschland

umgezogen ist. Er lebt in Deutschland zehn Jahre. Er hat keine deutschen Vorfahren,

sondern er verheiratete eine Aussiedlerin. Sein Russisch ist ziemlich gut. Er hat sehr

engeren Kontakt mit seiner Heimat. Der Proband fährt 4-5 Mal pro Jahr nach

Weißrussland, außerdem er telefoniert regelmäßig und unterhaltet sich mit

Landleuten durch Internet.

Der Proband Ad. kam nach Deutschland aus Kasachstan mit 20 Jahren. Er

lebt in Deutschland seit 14 Jahren. In Kasachstan hat er drei Jahre lang an der

Universität studiert und dann ist er nach Deutschland umgezogen. Sein Russisch ist

sehr gut. Er vermeidet deutsche Wörter in seiner Rede. Er hat nur russische Freunde.

Er redet Deutsch nur in der Arbeit. Er mag russisches Fernsehen, aber er hat keine

Kontakte zu russischsprachigen in Russland.

Die Probandin Na. kam nach Deutschland aus Kasachstan im Jahr 2001. In

dem Interview ist es nicht genau klar, wie alt sie war, als sie nach Deutschland

gekommen ist. Sie erzählt, dass sie mit ihrem Mann nach Deutschland umgezogen

ist, deswegen kann man annehmen, dass sie über 18 Jahre alt war. Die Probandin

verwendet deutsche Wörter, die hauptsächlich deutsche Realien widerspiegeln. Ihr

Russisch ist nicht schlecht, aber sie benutzt auch umgangssprachliche Wörter bzw.

Slang. Sie fährt ab und an nach Kasachstan. Fast alle Freunde sind

Russischsprechende. Ihr Mann ist Russe, deswegen sie haben Kontakte zu seinen

Verwandten in Kasachstan.

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Zu der zweiten Gruppe gehören Personen, die Junger als 12 Jahre alt waren,

als sie nach Deutschland gekommen sind. Das sind folgende Probanden: A. (w.), O.

(w.), Al. (m.), X. (m.), Z. (w.), Ma. (w.), An. (w.).

Die Probandin A. ist die Älteste, die zu dieser Gruppe gehört. Sie war 12, als

sie nach Deutschland kam und lebt hier seit neun Jahren. Sie ist der Ansicht, dass sie

Deutsch besser spricht als Russisch. Sie verwendet deutsche Wörter und bei

manchen russischen Wörtern ist sie unsicher. Sie hat viele russischsprachige

Freunde, mit denen sie aber Deutsch spricht. In der Arbeit spricht sie nur Deutsch

und in der Familie normalerweise auch Deutsch, weil ihre Mama von ich Deutsch

lernen will. Sie schaut manchmal (nur bei den Eltern) russisches Fernsehen. Sie liest

Bücher nur auf Deutsch und bei ihr Zuhause schaut sie nur deutsches Fernsehen. Sie

fühlt sich als Deutsche.

Die Probandin O. ist mit 11 Jahren nach Deutschland umgezogen. Sie kommt

aus Kasachstan. Sie lebt in Deutschland seit 13 Jahren. Am Anfang des Interviews

redet sie nicht sehr viel, aber dann mehr. Ihre Sprache besitzt einige Abweichungen

und deutsche Wörter. In Russland lebt ihre Großmutter und andere Verwandten. Sie

schickt E-Mails zu ihrer Tante. Zuhause redet sie mit ihren Eltern meistens Deutsch.

Die Mehrheit ihrer Freunde ist Deutschen. Sie hat auch russischsprachige Freunde,

aber mit ihnen redet sie meistens Deutsch, weil es für sie leichter ist. Sie würde gern

mehr Russisch reden um die Sprache besser zu pflegen.

Der Proband X. war 9 Jahre alt, als er nach Deutschland umgezogen ist. Er

wohnt in Deutschland seit 19 Jahre. Er hält das Deutsche für seine Muttersprache. Er

ist der Ansicht, dass er kein gutes Russisch spricht. Er redet mehr Deutsch als

Russisch. Sein Russisch hat viele Abweichungen und er ist manchmal unsicher. Er

macht viele Pausen zwischen den Wörtern, denkt viel nach, sucht vermutlich nach

richtigen Wörtern und Endungen. Er hat keine Kontakte nach Russland. Er spricht

Russisch fast nur innerhalb der Familie. Er redet in sehr einfachen Sätzen, kurz und

knapp. Der Proband schaltet sich oft ins Deutsche um.

Der Proband Al. war neun Jahre alt, als er nach Deutschland kam und lebt

hier seit 15 Jahren. Er ist der Meinung, dass er besser Russisch redet als Deutsch.

Sein Russisch enthält ziemlich viele deutsche Wörter. Er selber meint, dass sein

Russisch besser als Deutsch ist. Er kann Russisch lesen und nur in Blockschrift

schreiben. Die Mehrheit seiner Freunde ist russischsprachig. Aber bei diesem

Proband wurden ziemlich viele Valenzabweichungen gefunden.

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Die Probandin Z. kam nach Deutschland mit 9 Jahren und lebt hier seit 13

Jahren. Sie ist aus Novosibirsk, Russland. Sie hat wenige Kontakte zu ihrer Heimat.

Sie telefoniert ab und zu nach Russland, aber sie schreibt keine Briefe mehr, weil sie

Probleme mit dem Schreiben hat. In Deutschland hat sie viele russischsprechenden

Freunde. Sie liest nur die Literatur auf Deutsch und schaut meistens deutsches

Fernsehen. Sie ist Friseurin von Beruf und ist gezwungen mit russischsprachigen

Kunden Russisch zu sprechen, was für Sie schwierig ist. Ihr Russisch enthält einige

Abweichungen, manchmal verwendet sie deutsche Wörter.

Die Probandin Ma. ist mit neun nach Deutschland umgezogen und lebt in

Deutschland seit neun Jahren. Sie kommt aus Kasachstan. Sie redet Russisch

ziemlich gut und benutzt nicht sehr viele deutsche Wörter. Im Alltag redet sie nur

Deutsch, nur am Wochenende, wenn sie nach Hause zu ihren Eltern fährt, redet sie

Russisch. Sie liest russische Bücher und kann schreiben. Nach ihrer Aussagen hat sie

Probleme mit russischer Grammatik. Für sie sind Russischkenntnisse sehr wichtig.

Die Probandin An. war drei Jahre alt, als sie nach Deutschland kam. Sie

wurde in Kasachstan geboren. Sie wohnt in Deutschland seit 13 Jahre. Sie redet öfter

Deutsch als Russisch. Ihr Russisch enthält deutsche Wörter und Strukturen. Sie redet

nur mit ihrem Vater Russisch. Sie hat keine Beziehungen zu ihrem ehemaligen

Heimatland. Sie hat auch keine russischsprachigen Freunde in Deutsachland.

4.3. Beschreibung des Valenzwörterbuches von Apresjan und Páll

Um die Sprache zu analysieren und Abweichungen als Abweichungen bezeichnen zu

können, braucht man etwas als Vorbild zu haben, mit dem man vergleichen kann.

Als Vorbild bei der Analyse der Beispiele werden die Normen der russischen

Sprache schöner Literatur (русский литературный язык) genommen. Natürlich ist

es schwierig gesprochene Sprache mit den Normen des Standardrussischen zu

vergleichen, weil bei der gesprochene Sprache auch umgangssprachliche Varianten

erscheinen können.

Es gibt kein Russisch-deutsches Valenzwörterbuch, deswegen wird als

Hauptinstrument das zweibändige Wörterbuch von Aprasjan und Pall (1982)

„Russkij glagol – vengerskij glagol“ verwendet, das in nächsten Absätzen

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35

beschrieben wird. Außerdem wird sehr viel das russischen Nationalkorpus und

andere Wörterbücher, die in der Literaturliste vorhanden sind, angewendet.

Als Hauptinstrument, bei der Datenanalyse wird das zweibändige Wörterbuch

von Jurij Apresjan und Erna Páll, das „Russkij glagol – vengerskij glagol. Upravlenie

i sočetaemost’“19 heißt, verwendet. Das Wörterbuch ist zweisprachig, nämlich

Russisch-Ungarisch. Das Ungarische ist für die vorliegende Arbeit irrelevant,

deswegen wird das Wörterbuch ohne Rücksicht auf das Ungarische beschrieben.

Um das Wörterbuch vollständig wäre, braucht man viele unterschiedliche

Informationen zusammenzustellen. Um diese Informationen kompakt darzustellen,

wurden ins Wörterbuch verschiedene Abkürzungen eingefügt. Das System der

Abkürzungen ist nicht traditionell und deswegen ungewohnt. Aber die Autoren sind

der Meinung, wenn der Leser das System erlernt, dann kann er die ganze

Information, die es im Wörterbuch gibt, optimal anzuwenden (Apresjan/Pall 1982,

13).

Im Wörterbuch gibt es sehr viele Abkürzungen und Symbolen, die hier nicht

erläutert werden, weil in der Arbeit nicht alle Information gebraucht wird. Alle

nötige Information wird in der Arbeit entziffert und ohne Abkürzungen dargestellt.

Bei der Schaffung des Wörterbuches versuchten die Autoren drei Prinzipien

bzw. Aufforderungen zu erfüllen. Der erste Aufforderung heißt Vollständigkeit, d.h.

die Autoren versuchten vollständige Information über jedes Verb zu sammeln,

nämlich die ganze Information über die Rektion, Valenz und über anderen

Eigenschaften des Verbs, die nicht Muttersprachlern helfen sollen, das Verb richtig

zu verwenden (Apresjan/Pall 1982, 38). Als zweites Prinzip gilt die Genügendheit

der Beschreibung eines Verbs, d.h. dass es keine unnötige bzw. nutzlose Information

über das Verb zugeschrieben werden soll. Und als letzte Aufforderung wird eine

Einheit der Verbbeschreibung bezeichnet. Darunter ist die gleiche Beschreibung von

den gleichen Eigenschaften der Verben zu verstehen. Aber nicht gleiche

Eigenschaften der Verben sollen unterschiedlich beschrieben werden. Daraus folgt,

dass die Metasprache keine Homonyme und Synonyme erhalten soll (Apresjan/Pall

1982, 39).

19 Auf Ungarisch heißt das Wörterbuch „Orosz ige – magyar ige. Vonzatok és kapcsolódások“.

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In dem Wörterbuch wird das Verb, das Verblexem20, Verbkonstruktion und

Phraseologische Einheit eines Verbs beschrieben. Im Wörterbuch werden

verschiedene Informationstypen gegeben, nämlich syntaktische, semantische,

morphologische, stilistische Information und die Information über die

Kombinierbarkeit der Wörter (Apresjan/Pall 1982, 40).

Jeder Wortartikel besitzt vier Hauptzonen, nämlich das Verb selbst, die

Bedeutung des Verbs (Lexem des Verbs), Konstruktionen und Transformationen und

als letzte Zone Phraseologische Einheiten (Apresjan/Pall 1982, 61). In jedem Artikel

wird ein Verb behandelt.

Am Anfang jedes Artikels wird ein Verb entweder in der vollendeten oder

unvollendeten Form geschrieben. Die am Anfang gegebene Form hängt davon ab,

welche Verbform für lexikografisch Ausgangsform gehalten wird. Wenn ein Verb im

Rahmen dieses Wörterbuches Homonyme hat, besitzt dann das Verb einen

hochstehenden Index, der die Nummer von Homonym enthält, z.B. стать¹

<‚встать’> und стать² <‚начать’>. Weiter wird die Information über den Aspekt des

Verbs gegeben (Apresjan/Pall 1982, 61).

Weiter wird die systematische Beschreibung von syntaktischen und

Kombinierbarkeitseigenschaften jeder Bedeutung gegeben. Die Beschreibung fängt

mit der Nummer der Bedeutung (arabische Zahl mit dem Punkt) an. Weiter in

eckigen Klammern folgen stilistische, morphologische, syntaktische und semantische

Kennzeichnungen und Kommentaren, falls sie nötig sind (Apresjan/Pall 1982, 61).

Nach den möglichen Kommentaren werden Konstruktionen und

Transformationen gegeben, in denen das gegebene Verb in einer gegebenen

Bedeutung verwendet werden kann. Solche Konstruktionen und Transformationen

beschreiben auch Valenz- und Kombinierbarkeitseigenschaften des Verbs. Die

Konstruktionen und Transformationen innen einer Bedeutung des Verbs werden in

folgender Weise gegeben: Zuerst werden elementare Konstruktionen gegeben, dann

nicht elementare und weiter werden Transformationen geschrieben. Je komplizierter

Konstruktion und Transformation sind, desto näher bis zum Ende sie gegeben

werden. Jede Konstruktion und Transformation kann nötige stilistische,

morphologische, Kombinierbarkeits-, semantische und syntaktische Kommentaren

enthalten. Nach jeder Konstruktion und Transformation sind Beispiele vorhanden.

20 Der Begriff „Verblexem“ bedeutet das Verb in einer bestimmten Bedeutung (Apresjan/Pall 1982,

40)

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Konstruktionen beschreiben solche Klassen von Wortformen, die mit dem Verb

syntaktisch verbunden sein sollen. Aber die Beispiele sollen nicht künstlich klingen,

deswegen werden in den Beispielen entweder einige Wörter weggelassen oder

andere Wörter zugefügt. Nach dem werden die Kombinierbarkeit der Konstruktionen

dargestellt. Weiter werden Bedeutungen im übertragenen Sinne gegeben. Wenn

syntaktische Eigenschaften eines Verbs im übertragenen Sinne anders sind als die

Bedeutung des Verbs im nicht übertragenen Sinne, dann wird das Verb extra unter

einer arabischen Zahl beschrieben. Die Beschreibung der Bedeutung endet mit den

Hinweisen für die Aspektform des gegebenen Lexems, falls sie von Aspektformen

anderer Lexemen zu unterscheiden ist (Apresjan/Pall 1982, 61-65).

Am Ende jedes Artikels werden phraseologischen Einheiten angeführt.

Phraseologische Einheiten werden mit den stilistischen, morphologischen,

syntaktischen und Kombinierbarkeitskommentaren versehen, wenn es nötig ist

(Apresjan/Pall 1982, 65-66).

Dieses Wörterbuch ist nicht ganz gut für diese Forschung geeignet, weil im

Wörterbuch nicht alle semantischen Restriktionen gegeben wurden, zum Beispiel die

Kategorie der Belebtheit wurde in dem Wörterbuch überhaupt nicht erwähnt.

In dieser Arbeit wird das Wörterbuch von Apresjan/Pall als erste Quelle für

die Analyse verwendet. Deswegen wird es für sinnvoll gehalten, bei der Analyse

keine Fußnoten mit der Quelleangaben zu schreiben. Wenn andere Quellen für die

Analyse benutzen werden, dann werden gewisse Hinweise dazu geben.

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5. Empirie

In dem theoretischen Tel dieser Arbeit wurden schon nötige Begriffe diskutiert und

Definitionen gegeben. In diesem Kapitel werden alle Beispiele behandelt, in denen

Abweichungen festzustellen sind. Alle Abweichungen werden in zwei großen

Gruppen geordnet, nämlich syntaktische und semantische Abweichungen. Bei

einigen Abweichungen war es nicht so einfach zu definieren warum sie geschehen

sind. Im Kapitel 5.2. werden syntaktische Valenzabweichungen betrachtet und

analysiert, wobei da es auch zwei Gruppen von syntaktischen Abweichungen gibt,

nämlich Abweichungen, die man als Transfer bezeichnen kann und Abweichungen,

die keine Transfer sind. Das Kapitel 5.3. wird den semantischen Abweichungen

gewidmet, die auch unter verschiedenen Bedingungen entstehen. Am Ende des

fünften Kapitels werden alle Daten analysiert und ausgewertet. Bevor man

Abweichungen erörtert werden, wird einen kurzen Überblick auf die

Schwierigkeiten, die bei der Datenauswertung entstanden haben.

5.1. Schwierigkeiten bei der Auswertung der Daten

Wenn eine Abweichung mehrmals bei demselben Proband(in) vorkommt, dann wird

sie trotzdem für eine Abweichung gerechnet.

Bei der Auswertung der Daten tauchten verschiedene Schwierigkeiten auf.

Erstens. Als Basis hat man Interviews, die selbstverständlich mündliche

Beherrschung der Sprache präsentieren. Aber die gesprochene Sprache wird anders

gebaut, als schriftliche Sprache. Man muss bemerken, dass es noch kein einziges

deutsch-russischen Valenzwörterbuch existiert. Es gibt sogar kein Valenzwörterbuch

der russischen Verben, das die Valenzstrukturen aller russischen Verben beschreibt

und alle nötige semantische Restriktionen enthält. Als Instrument bzw. Norm, womit

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es verglichen wird, gilt das russisch-ungarische Wörterbuch von Apresjan und Pall

(1982) „Russkij glagol – vengerskij glagol. Upravlenie i sočetaemost´“, die im

übernächsten Kapitel genauer beschrieben wird. Aber nicht alle bei den Probanden

aufgetauchte Abweichungen kann man mit diesem Wörterbuch erklären. Als weitere

Mittel treten andere kleine Valenzwörterbücher auf, die in der Bibliographieangabe

stehen. Noch ein Mittel bei einigen Beispielen wurde das russische Nationalkorpus

verwendet.

Zweitens. Interviews wurden von den Studenten aufgenommen. Einige dieser

Studenten haben manchmal auch Abweichungen in ihrer Sprache, die aber nicht

analysiert wurden. Es ist wichtig hier zu merken, dass wenn bei jemandem das

Russische stabil und dominant ist, dann wiederholen die Probanden die unkorrekten

Formen der Interviewführer nicht und maximal wozu es führen kann ist

Unverständnis, z.B.:

I: Ну. А каким поводом; эм; вы уехали, ну, тогда в Германию? Pe.: Как каким поводом? I: Ну как Pe.: Почему мы уехали! I: Да, почему?

Dieses Beispiel zeigt, dass der Proband (Pe.) nicht richtig verstanden hat, was die

Interviewerin ihn fragt, deswegen fragt er erst zurück und dann ist er darauf

gekommen, was sie fragt und unformuliert die Frage der Interviewerin. In diesem

Fall wird die Sprache der Probanden nicht beeinflusst, weil seine Russischkenntnisse

viel besser sind, als bei der Interviewerin.

Aber wenn eine Testperson schwache Russischkenntnisse beweist, dann

können sie von dem Interviewer beeinflussen werden. Das ist beim folgenden

Beispiel zu sehen:

Т: С кем вы приехали ;;; ммм ;;; ты приехал в Германии? Х: Я приехал в Германии с моим ;;; с моим папей, с моей мамей и с

моей сестрой.

In diesem Beispiel sieht man, dass die Abweichung der Interviewerin von dem

Proband bei der Antwort übernommen wurde. Für unsichere Sprachkenntnisse

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sprechen auch zahlreiche und lange Pause, die mit dem Semikolon gezeigt wurden.

Je länger die Pause ist, desto mehr Semikolons präsent sind.

Drittens. Einige Interviews enthalten viele Pausen, die sogar zwischen den

sprachlichen Einheiten erscheinen. Das verkompliziert die Analyse, weil es unklar

ist, ob der Mensch bloß z. B. bei der Endung unsicher ist oder ob er während des

Sprechens sich erst für eine Konstruktion entscheidet und dann plötzlich für die

andere. Im nächsten Beispiel kann man beides beobachten:

Аn: Ну, мы целый год встречаемся один раз в неделю и думаем, что мы этот год ;; покажем людям, и ;; потом мы это играем ; перед людей.

Die erst markierte Phrase enthält drin eine Pause, obwohl man anscheinend diese

Phrase als eine Spracheinheit bezeichnen kann. Diese Phrase besitzt keine

Abweichungen, aber wenn es da eine gäbe, dann wäre unklar, wie das analysiert

werden soll. In dem zweiten markierten Satzteil kommt wieder eine Pause, die

wahrscheinlich als Überlegung über die Endung gelten kann.

Viertens. Es ist sinnvoll hier zu besprechen, dass es in den Daten auch

deutsche Verben mit den russischen Aktanten vorkommen, die deutsche Strukturen

haben, z.B.:

Al.. Они как-то вот ну, их можно leicht beeinflussen там чё-нибудь ну может ихние родители там тоже как да там работу сволочи забирают, они это как ну повторяется так и идёт, не знау.

In diesem Beispiel kann man Transferübersetzung beobachten, nämlich man kann sie

beeinflussen anstatt на них влиять. Wenn das Verb auf Deutsch gesprochen wird,

werden bei ihm vorkommende Abweichungen in der Arbeit nicht analysiert und in

die Statistik nicht angeschlossen.

Fünftens. In den Interviews kommen manchmal umgangssprachliche

Varianten, die im Wörterbuch von Apresjan/Pall (1982) nicht erwähnt wurden,

deswegen sollen als unkorrekte bezeichnet werden, aber im russischen

Nationalkorpus ist es zu finden. Wenn es im Korpus existiert, dann darf man solche

„Abweichungen“ als Abweichungen nicht bezeichnen. Das Problem erscheint

hauptsächlich bei dem Verb говорить (sprechen) oder спорить (sich streiten über)

z.B.

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Al.: Нет, я не знал про чё с ними говорить21, хотя они в одном со мной в классе учатся. Al.: […] с Христофом про политику там часто спорю.

Das Verb говорить(sprechen) kann nach Apresjan/Pall (1982 a, 308-313)

zweistellig oder dreistellig sein. Ein Argument wird mit der Präposition о (über)

eingefügt. Im russischen Nationalkorpus sind aber viele Beispiele mit Präposition

про zu finden. Man kann die Variante mit der Präposition про als umgangssprachlich

bezeichnen. Deswegen enthält dieses Beispiel keine Abweichung, obwohl nach

Wörterbüchern es für einen Abweichung gehalten würde.

Im zweiten Beispiel kommt ein Satz vor, in dem die Valenzabweichung nicht

eindeutig festzustellen ist. Das Verb спорить (sich streiten über) ist nach

Apresjan/Pall (1982 b, 470) zweistellig und soll ein Nominativ- und

Akkusativargument besitzen, wobei das letztgenannte Argument mit der Präposition

о (über) in die Konstruktion eingeführt sein soll. In anderen Wörterbücher, z.B.

Demidova (1969, 231), Rozental’ (1986, 207), Krasnych (2005, 193-194),

Andreyeva-Georg/Tolmacheva (1975, 375) wird beim Verb спорить die Präposition

про auch gar nicht erwähnt als eine Möglichkeit das zweite Argument ins Struktur

einzuführen. Aber in dem russischen Nationalkorpus findet man sechs Beispiele zum

Wortverbindung „спорить про“, wobei zu „спорить о“ mehr als 500 Treffer

erscheinen. Deswegen ist es nicht so leicht zu definieren, ob in diesem Beispiel eine

richtige Abweichung präsent ist.

Das alles beweist die Aussage, dass die mündliche Sprache anders

funktioniert und nicht so leicht zu analysieren ist.

5.2. Syntaktische Valenzabweichungen

In diesem Kapitel werden zwei Gruppen von syntaktischen Abweichungen erörtert.

Zu der ersten Gruppe der syntaktischen Abweichungen gehören Abweichungen, die

man als Transfer bezeichnen kann, weil die Strukturen der Verbvalenz aus dem

Deutschen ins Russische übertragen wurden. Die zweite Gruppe wurde

21 Diese Abweichung kommt bei dem Proband oft vor.

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„Abweichungen unbekannter Herkunft“ genannt, weil es nicht klar ist, was solche

Abweichungen verursacht hat.

5.2.1. Transfer

Nach Mühlner/Sommerfeld (1981:10) wird die Muttersprache auf Grund ihrer

besonderen Rolle im Prozess der Aneignung der Fremdsprache (s.o.) stets Ausgangs-

und Orientierungspunkt des Sprachvergleichs sein. Bei einigen Aussiedlern,

besonders deren Einreisealter klein war, kann man feststellen, dass sie als ihre

Muttersprache schon das Deutsche halten, obwohl in ihren Herkunftsland ihre

Muttersprache Russisch war. Hier kann man Mutter- im Sinne

Dominantsprachwechsel beobachten. Deswegen als Ausgangspunkt gilt bei

bestimmten schwierigen Fällen das Deutsche. Wenn einem Proband auf Russisch

etwas nicht bekannt ist (allgemein oder in dem Moment), dann übernimmt er das,

was es ihm fehlt, manchmal aus dem Deutschen. Das Beweisen uns folgende

Beispiele.

In dem ersten Beispiel kommt die Phrase этот вопрос можно ответить

(diese Frage kann man beantworten) vor.

(1) Аn.: Думаю, что русский надо больше смотреть, чтоб этот вопрос можно ответить […]

Ich denke, dass man den russischen (ist gemeint Fernsehkanal) mehr schauen muss um die Frage zu beantworten […]

In dieser Phrase verlangt das Verb antworten die Präposition на (auf), weil in der

Phrase das Wort вопрос (Frage) auftaucht. Deswegen es wäre richtig: ответить на

этот вопрос (auf diese Frage antworten)22. Im Deutschen gibt es das Verb

beantworten, bei dem die Konstruktion anders ist, nämlich beantworten etwas. Dann

gilt für richtig die Phrase diese Frage beantworten. Die russische Variante wird für

Transfer (aus dem Deutschen) gehalten.

22 Apresjan, Pall 1982, Band I s. 779.

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Im zweiten Beispiel kommt das Verb говорит (sprechen), bei dem eine

Abweichung auftaucht.

(2) Аn.: Это всегда лучше больше Sprachen (Pause 4s) ээ ; Sprachen говорить, чем […]

Es ist immer besser mehrere Sprachen (Pause 4s) äh; Sprachen zu sprechen, als […]

Nach Apresjan und Pall (1982 a, 309) wird das Verb говорить mit dem Wort

Sprache mit der Präposition на verwendet. Und normalerweise zwischen der

Präposition und dem Wort Sprache steht ein Adjektiv, z.B. говорить на немецком

языке. In dem Fall wäre richtig говорить на многих языках. Im Deutschen ist die

Valenzstruktur des Verbs sprechen im Anwendung des Wortes Sprache anders,

deswegen die Phrase Sprachen sprechen als richtige gehalten wird.23. Dieses Beispiel

verweist uns, dass die Struktur aus dem Deutschen ins Russische übernommen wurde

und als Transfer zu bezeichnen ist. Sogar das deutsche Wort Sprachen verknüpft den

Sprecher mit der deutschen Struktur.

Es wurde schon in dem theoretischen Teil (Riehl 2004, 28) erwähnt, dass bei

Bilingualer, die sich zwischen den Sprachen umschalten müsse, wird keine von

beiden Sprachen ausgeblendet, weil beide Sprachen immer im Gedächtnis bleiben.

Dieses ständige Umschalten kann natürlich zu Verwirrungen führen und so lange

Pause (vier Sekunden Pause) und die Erscheinung der deutschen und russischen

Wörter nacheinander zeigen uns, dass die Probandin immer beides im Kopf hat und

deswegen ein bisschen unsicher ist.

Im Beispiel (3) kommt noch ein Transfer vor. Das Verb зависеть

(abhängen) ist zweiwertig und hat einen Nominativ- und einen Genetivaktant, wobei

der Aktant im Genetiv mit der Präposition от (von) zum Verb anzuschließen ist

(Apresjan/Pall 1982 a, 425).

(3) Al.: […], но наверное это не так, но мне кажется это чаще зависит с Bildungsstand.

[…], aber es ist wahrscheinlich nicht so, aber es scheint mir, dass es oft von dem Bildungsstand abhängt. / […] […], dass es oft mit dem Bildungsstand zusammenhängt.

23 Vgl. Duden, in ParaSol nach der Suchfrage [lemma="говорить"] [word="на"] wird im Deutschen immer als sprechen + Akk. Übersetzt.

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Als zweiter Aktant kommt in dem Beispiel (3) das deutsche Wort Bildungsstand, das

nicht im Satz integriert ist. Die Normabweichung ist aber bei der Präposition. Die

Verknüpfung des Aktants Bildungsstand mit dem Verb ist auf Russisch mit der

falschen Präposition gemacht. Deswegen ist dieses Beispiel als Valenzabweichung

zu sehen. Das Beispiel (3) zeigt auch, dass es vermutlich eine Vermischung von zwei

deutschen Ausdrücken vorhanden ist, nämlich „hängt damit (mit dem Bildungsstand)

zusammen“ und „hängt davon ab“. Wenn diese Vermutung gerecht ist, dann kann

man das Beispiel als Transfer bezeichnen.

Im Beispiel (4) ist eine weitere Valenzabweichung zu sehen. Das Verb

забирать (wegnehmen) ist im Russischen dreiwertig. Die ersten zwei Stellen

werden mit einem Nominativ- und einem Akkusativargument besetzt und die dritte

Stelle wird mit der Präposition у (bei) eingefügt, die ein Genetivobjekt verlangt.

(4) О.: […] мы не токо им деньги забираем потому что, […]

[…] wir nehmen ihnen nicht nur das Geld weg, weil […]

Die Struktur der Phrase им деньги забираем kann man für einen Transfer aus dem

Deutschen halten, weil sie dem deutschen Ausdruck jdm. Geld wegnehmen ähnlich

ist.

Im folgenden Beispiel (5) ist wieder ein Transfer aus dem Deutschen

vorhanden.

(5) Z.: […] Я буквы знаю, записку, например, написать я смогу, а вот письмо уже нет […] Я уже бросила с этим […]

[…] Ich kenne die Buchstaben, eine Zettel, zum Beispiel kann ich schreiben, aber einen Brief, schon nicht mehr […] Ich habe schon damit aufgehört […].

Zuerst erzählt die Probandin über die Schwierigkeiten, die sie im Russischen hat. In

dem zweiten Satz kann man einen Transfer aus dem Deutschen sehen. Der zweite

Satz gilt als wörtliche Übersetzung bzw. Übertragung der deutschen Struktur

aufhören mit + Dativ (Schumacher 2004, 176). Im Russischen ist das Verb бросать

zweiwertig und fordert ein Nominativ- und ein Akkusativdependenz. Der richtige

Satz wäre: Я уже этo (всё) бросила.

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Im Beispiel (6) ist eine Valenzabweichung bei dem Verb добиться

(erreichen erlangen) zu finden.

(6) Z.: […], им помогали да, но вот если они хотели что-то добиться, выучиться или […].

Ihnen wurde geholfen, aber wenn sie etwas erreichen wollten, einen Beruf erlernen oder […].

Das Verb добиться ist zweistellig. Diese Bedingung ist erfüllt, aber als zweites

Argument soll ein Genetivobjekt sein. Die Probandin füllt die zweite Stelle mit

einem Akkusativobjekt, was dem Wörterbuch von Apressjan/Pall (1982 a, 365) nicht

entspricht. Das deutsche Äquivalent des Verbs добиваться ist das Verb erreichen,

das nach Schumacher u.a. (2004, 357) auch zweiwertig ist und ein Nominativ- und

ein Akkusativargument verlangt. Deswegen kann man das Beispiel (6) auch für einen

Transfer halten.

Im folgenden Beispiel (7) kann man mehrere Abweichungen finden. Obwohl

in der markierten Phrase eine Pause vorkommt, wird diese Phrase trotzdem als eine

Einheit genommen und analysiert.

(7) Аn.: Я думаю, что мне не хватает ;; запас русского слов, […]

Ich glaube, dass mir den Wortschatz der russischen Wörter fehlt, […]

In der Aussage мне не хватает запас русского слов kommt das Verb хватать

(reichen, genügen) in einer unpersönlichen Form vor, deswegen sieht die Struktur

der Aussage nach Apresjan/Pall (1982 b, 652) so aus: Das Verb ist zweiwertig und

besitzt einen Dativ- und einen Genetivaktant. Als zweiter Aktant in diesem Beispiel

soll eine Ergänzung im Genetiv vorkommen. Aber die Probandin verwendet im Satz

ein Argument entweder im Nominativ oder im Akkusativ24. Wenn man annimmt,

dass das zweite Argument im Nominativ steht, dann kann der Satz als Transfer

gelten, weil er dem deutschen Schema, nämlich mir fehlt etwas (Nom.), ähnlich ist.

Ein weiteres Problem ist bei den Genetivformen der Wortverbindung nach dem Wort

запас. Die richtige Genetivform wäre запас русских слов. Aber die Probandin hat

sich vielleicht verwirrt, was auch für unsicheres Umgehen mit dem Russischen

24 Das Wort запас kann in dem Fall sowohl im Nominativ, als auch im Akkusativ stehen, weil im

Russischen bei unbelebten Objekten Nominativ und Akkusativ gleich sind.

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sprechen kann, wovon auch eine kleine Pause zeugt. Also die richtige Variante ist

мне не хватает запаса русских слов.

In dem Beispiel (8) ist eine Valenzabweichung bei dem Verb считать

(halten für) vorhanden.

(8) О.: […] Я такое считаю нормально[...]

[…] Ich halte solches für normal […]

Das Verb считать hat mehrere Bedeutungen und deswegen auch viele

Valenzkonstruktionen. Das Verb считать im Sinne halten für ist im Russischen

dreistellig und fordert ein Argument im Nominativ, ein im Akkusativ und ein im

Instrumental. Im Instrumental soll nach Apresjan/Pall (1982 b, 520) ein

Adjektivargument sein. Aber in dem Beispiel tritt als drittes Argument das Adverb

нормально (normal) auf. Dieses Beispiel gilt auch als Transfer, weil die Struktur

bzw. die Konstruktion aus dem Deutschen übernommen wurde: Ich halte solches für

normal. Im Deutschen wird als drittes Argument das Adverb normal verwendet.

In dem nächsten Beispiel kommt eine Valenzabweichung bei dem Verb

учить vor.

(9) О.: […], например, она нам всё равно нам немножко учила.

[…], zum Beispiel, sie brachte uns etwas / ein bisschen bei

Das Verb учить hat mehrere Bedeutungen im Russischen, in dieser Phrasebedeutet

das Verb jemanden lehren bzw. jemandem etwas beibringen. Das Verb учить kann

im Russischen zweistellig sein und fordert dann eine Dependenz im Nominativ und

eine im Akkusativ (Apreszjan/Pall 1982 b, 643). Die Struktur im Beispiel (9) ist

ähnlich der deutschen Konstruktion jemandem etwas beibringen (Götz 2003, 141), in

der ein Dativargument präsent ist. Im Russischen gibt es das Verb преподавать

(unterrichten), das eine andere Valenzstruktur hat, als das Verb учить. Die

Valenzstruktur des Verbs преподавать (Rozental’ 1986, 173) ist gleich wie die

Valenzstruktur des deutschen Verbs beibringen. Obwohl es so ist, wird das Beispiel

(9) trotzdem für einen Transfer aus dem Deutschen gehalten.

In dem Beispiel (10) ist eine Valenzabweichung bei dem Reflexivverb

выучиться (erlernen) zu sehen.

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(10) Z.: […] у тебя здеся больше шансов, дальше чё-нибудь выучитъся, или дальше чё-нибудь выучить […].

[…] Man hat hier mehr Chancen, weiter etwas erlernen oder weiter etwas zu lernen.

Bei Apresjan und Pall findet man nicht sehr viel Information über dieses Verb. Aber

bei Rozental’ (1986, 36) ist das Reflexivverb выучиться (lernen, erlernen)

zweiwertig. Die Valenzkonstruktion dieses Verbs enthält ein Nominativ- und ein

Akkusativargument, wobei das Akkusativargument mit der Präposition на (auf) mit

dem Verb verknüpft wird. Die zweite Restriktion für das Akkusativargument ist das,

dass das zweite Argument des Verbs выучиться belebt sein soll, weil laut Rozental’

(1986, 36) das zweite Argument des Verbs выучиться die Frage „на кого?“

(wörtlich: auf wen?) beantworten soll. Als Beweis führt der Autor das folgende

Beispiel an:

(10’) Саша уже год работал учеником в депо, чтобы выучиться на слесаря.

Saša arbeitete schon seit einem Jahr als ein Lehrling in einem Depot, um Schlosser zu lernen.

Im Deutschen ist das Verb erlernen nicht reflexiv und verlangt ein Akkusativobjekt

als zweites Element (Götz 2003, 312). Deswegen wird der Satz in dem Beispiel (10)

für einen Transfer gehalten.

Im Beispiel (11) ist ein Transfer bei dem Verb научиться, das er- bzw.

lernen übersetzt wird. Das Verb ist im Russischen zweistellig und soll einen

Nominativ- und einen Dativaktant besitzen.

(11) Al: Mы язык буквально за полгода уже все знали Umgangssprache, очень быстро научились язык.

Wir alle konnten die Sprache schon in halbes Jahr Umgangsprache, wir erlernten die Sprache sehr schnell.

Im Beispiel (11) tritt als zweiter Aktant eine Akkusativergänzung, was für eine

Normabweichung zu halten ist. Die richtige Variante ist: […] очень быстро

научились языку. Im Deutschen ist das Verb auch zweistellig, aber der zweite

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Aktant soll im Akkusativ sein (Götz 2003, 312). Deswegen ist der Satz im Beispiel

(11) als ein Transfer zu sehen.

Das Beispiel (12) demonstriert uns eine weitere Valenzabweichung, die als

Transfer gelten kann.

(12) А.: Also, auf die Piste кого-нибудь kennenlernen. […] А так никого, мне кажется, в барах можно лучше кого-нибудь ; познакомиться чем на дискотеке.

Also, auf die Piste jemanden kennenlernen. […] Und so niemanden, es scheint mir, in Baren kann man besser jemanden kennenlernen, als in der Diskothek.

In der ersten fettgedrückten Wortgruppe kommt das deutsche Verb kennenlernen.

Dieses Verb hat nach der Regel als zweites Argument ein Akkusativaktant, was in

der Struktur zu sehen ist. Dann ist in diesem Satz keine Valenzabweichung, in dem

Fall im Deutschen, zu sehen. Aber weiter kommt ein anderer Satz, in dem das

russische Verb познакомиться (kennenlernen) präsent ist. Die Probandin verwendet

wieder die gleiche deutsche Struktur, obwohl schon das russische Verb erscheint.

Das Verb познакомиться ist auch zweiwertig, aber hat andere Valenzstruktur. Als

erstes Argument gilt nach Apresjan/Pall (1982 a, 492) einen Nominativ- und als

zweites einen Instrumentalaktant, wobei das Instrumentalargument mit der

Präposition с (mit) zu dem Verb angeschlossen sein soll. Also, richtig wäre: […] в

барах можно лучше с кем-нибудь познакомиться чем на дискотеке. Zwischen

Wörter кого-нибудь und познакомиться gibt es eine kleine Pause, was vermutlich

Unsicherheit der Probandin zeigt. Aber das Beispiel (12) kann man trotzdem als ein

Transfer bezeichnen.

Im Beispiel (13) ist eine Valenzabweichung bei dem Verb взять (nehmen) zu

finden, die als Transfer bezeichnen kann.

(13) Аn.: Это;; мы взяли рассказ от одного фильма, мы чуть-чуть переделали и […]

[…] wir haben eine Geschichte von einem Film genommen, wir haben sie ein bisschen umgearbeitet und […]

Bei Apresjan/Pall (1982, 133-141) wird das Verb брать/взять (nehmen)

beschrieben, aber dort ist die Konstruktion mit der Präposition от (von) nicht zu

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finden. Aber Rozental’ (1986, 17) erwähnt diese Konstruktion, wobei bei ihm das

Verb eine Restriktion der Belebtheit enthält. Dieses Argument soll die Frage от

кого? (von wem?) beantworten, was auch Korpusuntersuchungen beweisen. Das

Verb брать (nehmen) kann mit der Präposition от (von) verwenden werden, aber

nach der Präposition от (von) entweder ein belebtes Objekt vorkommen soll oder ist

das eine Redewendung взять/брать от жизни всё (alles vom Leben nehmen).

Wenn die Probandin meint, dass es eine Erzählung bzw. Geschichte in einem Film

vorkommt, die sie aus dem Film genommen haben, dann richtiger wäre взять

рассказ из одного фильма (eine Erzählung aus einem Film nehmen). Wenn die

Probandin unter der Phrase „мы взяли рассказ от одного фильма“ den ganzen

Film meint, dann wäre richtig по мотивам одного фильма (nach Motiven eines

Filmes). Im Deutschen besitzt das Verb nehmen auch drei Aktanten, aber der dritte

Aktant wird mit der Präposition von in die Struktur eingeführt. Deswegen ist die

Abweichung in dem Beispiel (13) als für Transfer zu halten.

Im nächsten Beispiel (14) kommt eine Abweichung bei dem Verb знать

(wissen, kennen) vor, die auch als Transfer gilt.

(14) Аn.: У меня так и нету особенных друзей, которые могут русский ;; так ; никакого не знаю.

Ich habe so keine besonderen Freunde, die Russisch können ;; so ; ich kenne keinen.

Im Russischen kann das Verb знать zweiwertig sein und fordert nach Apresjan/Pall

(1982 a, 492-494) eine Nominativ- und eine Akkusativ- oder bei der Verneinung eine

Genetivdependenz. Die Probandin hat richtig ein Genetivobjekt gesetzt, aber sie hat

ein Negativpronomen angewendet, das ohne ein Substantiv nicht verwendbar ist. Das

ist möglich nur in einer Situation der kontextuellen Ellipse, was in dem Fall nicht

aktuell ist (was für den Fall nicht relevant ist). Die Phrase никакого не знаю ist

anscheinend der Transfer aus dem Deutschen des deutschen Satzes ich kenne keinen.

Im folgenden Beispiel kann man eine Valenzabweichung bei dem Verb быть

(sein) finden:

(15) Z.: […] во вторых; ээ ты как Außenseiter, если ты языка не знаешь, и если уже ты по-другому чем все остальные дети.

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zweitens, du bist wie ein Außenseiter, wenn du die Sprache nicht kannst und wenn du anders als alle übrigen Kinder bist.

Das Verb быть (sein) wird im Russischen in Gegenwart ausgelassen, wie in dem

Beispiel (15) zu sehen ist. Laut Apresjan/Pall (1982 a, 156) soll in dieser

Konstruktion ein Adjektiv vorkommen, nämlich ты другой, по сравнению с

остальными детьми. Die Probandin verwendet aber in dem Satz ein Adverb, was

nach der russischen Sprachnorm nicht erlaubt ist. Im Deutschen ist das Benutzen

eines Adverbs in der Konstruktion ganz normal, deswegen kann man diese

Abweichung als Transfer bezeichnen.

Im folgenden Beispiel (16) kommt ein Argument auf Deutsch vor. Das Wort

Abitur bedeutet nach Duden „Reifeprüfung an einer höheren Schule“. Um die

Situation richtig darzustellen, sucht die Probandin ein richtiges Verb, nämlich

сдавать (ablegen).

(16) Ma.: Abitur я буду сдавать в моём ; главном уроке; это Darstellung.

Ich werde das Abitur in meinem Hauptfach machen.

Das Verb сдавать im Sinne Prüfungen und Examens ablegen verwendet man im

Russischen mit der Präposition по, wenn Fächer gemeint sind, was viele Beispiele in

dem russischen Nationalkorpus beweisen. Im Deutschen wird in dem Fall die

Präposition in angewendet, was in dem Beispiel zu sehen ist. Deswegen wird diese

Abweichung als Transfer bezeichnet.

Weiter kommen zwei ähnliche Beispiele vor, die bei derselben Probandin

auftauchen.

In nächsten Beispielen (17) und (17’) ist die Abweichung bei der feste

Redewendung идти на пенсию zu sehen.

(17) О.: Он сказал, когда он пойдёт в пенсию.

Er sagte, wann er in Rente geht.

(17’) О.: И потом он пошёл в пенсию, потом они переехали.

Und danach ging er in Rente, dann sind sie umgezogen.

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Bei festen Redewendungen ist die Verbvalenz auch fest. Nach

Korpusuntersuchungen ist das Prädikat идти (gehen) zweistellig und fordert eine

Dependenz im Nominativ und andere im Akkusativ, die fest ist, nämlich на пенсию.

Die Konstruktion, die in den Beispielen vorkommt, soll aus dem Deuschen

übertragen zu sein. Die russische feste Redewendung идти на пенсию heißt im

Deutschen in bzw. auf Rente gehen. Im Russischen benutzt man nach

Korpusuntersuchungen nur die Präposition на (auf), um dieselben Bedeutung

auszudrucken. So gelten die Beispiele als eine Valenzabweichung, weil sie bei

derselben Person auftauchen.

In nächsten zwei Beispielen (18,19) erscheint eine ähnliche Abweichung in

der Konstruktion von dem Verb мочь (können). Bei zwei Probanden kommt eine

ähnliche Abweichung bei der Verwendung des Verbs мочь (können) in Verbindung

mit den Sprachbezeichnungen vor.

(18) Аn.: У меня так и нету особенных друзей, которые могут русский ;

Ich habe so keine besonderen Freunde, die Russisch können

Das Verb мочь (können) ist zweistellig und verlangt einen Nominativaktant und

einen Aktatnt, der mit der Infinitivform eines Verbs ausgedrückt sein soll. In dem

Beispiel (18) taucht als zweite Ergänzung eine substantivierte Adjektiv русский

(Russisch) auf. Im Deutschen entspricht die Phrase Russisch können der deutschen

Sprachnormen, deswegen wird diese Abweichung für Transfer gehalten.

(19) Al.: […] и даже был удивлён сколько много еще по-английски могу.

Und ich war sogar überrascht, wie viel ich auf Englisch kann

Der Satz im Beispiel (19) sieht ein bisschen anders aus. Im Unterschied zu dem

Beispiel (18) tritt im Beispiel (19) als zweite Ergänzung des Verbs мочь ein Adverb

auf, was auch für eine Abweichung gehalten wird. In der richtigen deutschen Phrase

soll als zweiter Aktant ein substantiviertes Substantiv erscheinen. Im Deutschen in

manchen Ohrasen klingen substantivierte Adjektive und Adverbien gleich, z.B.

Englisch und englisch. Das Wort englisch kann im Deutschen sowohl Adjektiv, als

auch Adverb sein, je nach dem Satz. Wenn man annimmt, dass der Sprecher die

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Phrase Englisch können ins Russische mit dem Adverb по-английски übersetzt hat,

dann kann man das Beispiel (19) auch für einen Transfer halten.

Im letzten Beispiel dieses Kapitels erscheint eine Abweichung bei dem Verb

говорить (sprechen, reden):

(20) Аn.: Мы щас больше говорим ;; там про моральных темы […]

Wir reden jetzt mehr über moralische Themen […]

Nach Apresjan und Pall wird das Verb говорить (sprechen) normalerweise

zweistellig und die zweite Ergänzung wird in die Struktur mit der Präposition о

(über) eingeführt. Im russischen Nationalkorpus kann man viele Beispiele finden, in

denen das zweite Argument mit der Präposition про, die Akkusativ verlangt, zum

Verb angeschlossen wird. Aber im Beispiel (20) geht es nicht nur um dieses Verb,

sondern es geht um eine feste Redewendung говорить на какую-либо тему. In dem

russischen Nationalkorpus sind mehr als 170 Beispiele mit der Struktur говорить на

какую-либо тему zu finden. Wenn man im Korpus nach der Wortverbindung

говорить про темы angeschaut wird, dann sind nur zwei Beispiele zu finden.

Deswegen kann man feststellen, dass der Satz eine Abweichung enthält. In diesem

Fall geht es wieder um einen Transfer, weil es im Deutschen ähnliche feste

Redewendung gibt, nämlich über dies Thema sprechen. Wenn die Konstruktion mit

der Präposition про möglich wäre, dann solle das Adjektiv моральных bei dem

Aktant про моральных темы die korrekte Akkusativendung haben, nämlich про

моральныe темы.

Bei Apresjan/Pall (1982 b, 527) wird die Konstruktion im Beispiel (21) als

umgangssprachlich bezeichnet. Das Verb таскать (schleppen) ist in diesem Fall

dreiwertig und verlangt ein Nominativ- und zwei Akkusativargumente, wobei das

zweite Akkusativargument wird in die Konstruktion mit einer Präposition eingeführt

und soll eine Zielangabe bezeichnen.

(21) Al.: И он все время Алекса таскал в фильмы, которые он не любит смотреть и наоборот.

Und er hat die ganze Zeit Alex in die Filme geschleppt, die er nicht sehen mag und umgekehrt.

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In dem Beispiel (21) liegt das Problem bei der Präposition. Im Russischen wird in

der Phrase die Präposition на (auf) verwendet. Es gibt eine ähnliche

Wortverbindung, die mit der Präposition в (in) anzuwenden ist, nämlich таскать в

кино (ins Kino schleppen). Die Konstruktion in den Film schleppen ist auf Deutsch

möglich. Im Deutschen kann man sehr umgangssprachlich sagen in die Filme

schleppen, wenn es mehrmals passierte. Normalerweise wird im Deutschen die

Konstruktion mit dem Wort Kino verwendet, nämlich ins Kino schleppen. Da es

Äquivalent im Deutschen gibt, wird diese Abweichung als Transfer bezeichnet.

In diesem Kapitel wurden die Valenzabweichungen analysiert, die durch die

Übertragung aus dem Deutschen entstanden wurden. Im nächsten Kapitel werden

Abweichungen vorgestellt, die unklare Herkunft haben und nicht aus dem Deutschen

vorkommen.

5.2.2. Abweichungen unbekannter Herkunft

In diesem Kapitel werden Beispiele dargestellt und analysiert, die nicht als Transfer

zu bezeichnen sind. Solche Abweichungen kommen öfter als Transfers vor.

Möglicher Grund dafür wäre Spracherosion. Polinsky (1997) in seinem Artikel

beschreibt die Erosion von Kasussystem, die man in „American Russian“ beobachten

kann. Aber in American Russian werden die Kasus mit der Zeit nicht mehr

gebraucht. Aber bei der russischsprachigen in Deutschland ist es nicht so relevant.

Ein anderer Grund wäre vielleicht das Sprachvergessen bzw. das Vergessen einiger

sprachlicher Einheiten, die nicht oft von dem Sprecher verwendet werden. Wenn ein

Sprecher im Allgemeinen nicht sehr oft Russisch redet, dann ist es vorstellbar, dass

er einige Einheiten nicht mehr aktiv hat und deswegen nicht richtig sie produzieren

kann.

Im ersten Beispiel (22) dieses Kapitels taucht eine Valenzabweichung bei

dem Verb приглашать (einladen) auf.

(22) Ma.: Ну только вот в школе вот так, иногда, когда какие-нибудь ; дни рождения меня приглашают там, из старых знакомых тоже кто-нибудь пригласит.

Nun nur manchmal in der Schule, wenn irgendwelche ; zu den Geburtstagen werde ich eingeladen, jemand von alten Bekannten lädt mich auch ein.

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Die Probandin hat eine Pause zwischen dem Wort какие-нибудь (irgendwelche) und

dem Wort дни рождения (Geburtstage) gemacht, deswegen ist es vielleicht möglich

die Phrase „дни рождения меня приглашают“ für eine Einheit halten. Wenn es so

ist, dann ist eine Valenzabweichung in der Phrase zu finden. Wenn es um eine

Veranstaltung handelt, dann verlangt das Verb пригласить (einladen) nach

Apresjan/Pall (1982 b, 175) normalerweise außer einer Nominativ- und einer

Akkusativergänzung noch eine Akkusativergänzung, die das Ziel bezeichnen soll.

Diese im Akkusativ stehende Ergänzung soll mit einer Präposition eingeführt

werden, in dem Fall ist es die Präposition на (auf). Aber in dem Satz kommt diese

Akkusativergänzung (дни рождения) ohne Präposition. Im Deutschen sieht die

Konstruktion ähnlich aus, nämlich ist das Verb einladen in dem Fall auch dreistellig

und verlangt ein Nominativ-, ein Akkusativ- und ein Dativargument, wobei das

Dativargument mit der Präposition zu in die Phrase einzuführen ist. Man kann daraus

schließen, dass die Abweichung in dem Beispiel (22) kein Transfer ist.

Aus der oberen Beschreibung des Verbs зависеть (abhängen), dass im

Beispiel (3) vorkommt, folgt, dass auch eine Abweichung beim gleichen Proband

festzustellen ist, aber diese Abweichung ist anders. Das Beispiel (23) demonstriert

eine falsche Verknüpfung von einem syntaktischen Aktant.

(23) Al.: […] может из-за этого зависит, что у меня все время были русские в классе […].

Vielleicht hängt es davon ab, dass ich immer Russen in der Klasse hatte.

Das Verb зависеть (abhängen) ist nach Apresjan/Pall (1982 a, 425) zweiwertig und

hat einen Nominativ- und einen Genetivaktant, wobei der Aktant im Genetiv mit der

Präposition от (von) zum Verb anzuschließen ist. Bei dem Proband kommt den

gleichen Fehler noch einmal vor, was man im Beispiel (23’) sehen kann.

(23’) Al.: [...] но это может, еще может из-за характера зависит.

[...] aber das kann noch von dem Charakter abhängen

Die Beispiele (23) und (23’) werden für eine Abweichung gehalten, weil die

Abweichungen gleich sind und bei derselben Person auftauchen.

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Im Beispiel (24) ist eine Valenzabweichung bei dem freien Ergänzung des

Verbs преподавать (unterrichten) vorhanden.

(24) О.: И там был сначала один класс, который преподавал один учитель.

Und dort war zuerst eine Klasse, in der ein Lehrer unterrichtet hat.

Das Verb преподавать (unterrichten) wird bei Apresjan/Pall nicht beschrieben.

Kurze Beschreibung des Verbs findet man bei Demidova (1969, 170) und bei

Andreyeva-Georg/Tolmacheva (1975, 276). In beiden Quellen kann das Verb außer

einem Nominativaktant noch drei Aktanten haben, nämlich преподавать что, кому,

где (unterrichten was, wem, wo). In diesem Satz besitzt das Verb преподавать zwei

Aktanten, nämlich einen Nominativ- und einen Lokativaktant. Der Lokativaktant, der

Ortsangabe bezeichnet, soll mit einer Lokativpräposition verwendet werden. In

dieser Phrase soll mit dem Wort класс (Klasse) die Präposition в (in) benutzt

werden. Den Beweis dazu kann man im russischen Nationalkorpus finden, in dem es

mehrere Beispiele zum Verb преподавать und dem Wort класс vorkommen.

Deswegen wäre richtig класс, в котором преподавал один учитель (eine Klasse,

in der ein Lehrer unterrichtete). Das Verb kann auch einen Aktant im Akkusativ

haben, aber dann bedeutet das, was man unterrichtet, z.B. Он преподавал физику.

(Er unterrichtete Physik). Aber in dem Fall beschreibt die Probandin eine Klasse, in

dem ein Lehrer unterrichtet hat. Im Deutschen wird laut Schumacher u.a. (2004, 755)

die freie Ergänzung Klasse (in Verbindung mit dem Verb unterrichten und bei der

Unterrichtsstufenhinweis) in den Satz mit der Präposition in eingefügt. Das Verb

kann auch einstellig sein, dann führt es aber zu der semantischen Verschiebung und

bedeutet, dass der Mann eine Lehrtätigkeit geübt hat. Aber in dem Beispiel (24) ist es

nicht der Fall.

Im Beispiel (25) ist die Valenzabweichung bei dem Verb смотреть

(schauen)

(25) О.: Если семья на этом, всё-таки, за это смотрит, то25 чтобы дети развивались.

Wenn die Familie jedoch darauf aufpasst, dass die Kinder sich entwickeln.

25 Das Pronomen то ist übrig in dem Satz. Die Sprache von dieser Probandin ist gekennzeichnet

durch die übrige Nutzung dieses Pronomens.

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Das Verb смотреть (schauen) mit dem Präposition за (auf) verlangt nach

Apresjan/Pall (1982 b, 409) ein Argument im Instrumental. Im Deutschen wird die

zweite Ergänzung des Verbs aufpassen mit der Präposition auf, die Akkusativ

verlangt, in Phrase eingefügt. Vielleicht deswegen hat die Probandin bei dem zweiten

Argument за это (darauf) Akkusativ benutzt.

Im Beispiel (26) sehen wir eine Normabweichung der Valenz des Verbs

сожалеть (bedauern, leid tun).

(26) О.: Я этому сожалею, потому что […].

Es tut mir leid, weil […].

Das Verb сожалеть ist zweistellig. Der erste Aktant ist im Nominativ und der

zweite kann entweder mit der Präposition o (über), die Lokativ verlangt, eingeführt

werden, oder als zweites Argument kann ein Nebensatz auftreten, den mit der

Konjunktion что (dass) eingefügt wird (Apresjan/Pall 1982 b, 438). Aber in der

Phrase steht das Pronomen это (es, dieses) im Dativ, was der russischen

Sprachnormen nicht entspricht. Die richtige Phrase in dem Beispiel wäre „я об этом

сожалею, потому что[…]“. Die fettgedrückte Phrase im Beispiel (26) kann ins

Deutsche entweder mit dem Verb bedauern oder mit der unpersönlichen Wendung es

tut leid übersetzt werden. Deswegen hat die Abweichung im Beispiel (26) mit dem

Deutschen nichts zu tun.

Im Kapitel 4.1.1. wurde schon eine Abweichung bei dem Verb зависеть

(abhängen) dargestellt, aber im folgenden Beispiel (27) sieht die Abweichung anders

aus.

(27) О.: […] ну конечно зависит от какой иностранец, если ты американец […]

[…] das hängt natürlich davon ab, was für Ausländer, wenn du ein Amerikaner bist […]

Wie es schon oben erwähnt wurde, ist das Verb зависеть (abhängen) zweistellig

und besitzt eine Nominativ- und eine Genetivergänzung, wobei die

Genetivergänzung mit der Präposition от (von) in die Struktur eingeführt sein soll.

Aber in dem Fall wird für den zweiten Aktant die richtige Präposition от (von)

verwendet. Die Präposition soll ein Argument im Genetiv zum Verb anschließen,

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aber in dem Satz fehlt das Argument, das im Genetiv sein soll. Mehrere Beispiele aus

dem russischen Nationalkorpus zeigen, dass in der markierten Phrase das im Genetiv

stehende Possessivpronomen тот (dieser) fehlt. Der richtige Ausdruck wäre

зависит от того, какой иностранец. Den Beispielsatz darf man nicht als ein

Transfer bezeichnen, weil die deutsche Konstruktion der russischen ähnlich ist, und

zwar hängt davon ab, […].

Im Beispiel (28) wird eine Valenzabweichung des Verbs смотреть

(schauen) demonstriert. Die Probandin hat erst über die Reisen erzählt und das im

Akkusativ stehende Pronomen него (wörtlich: es) bezieht sich auf das Wort

путешествие (Reise), deswegen wurde das ins Deutsche als sie übersetzt.

(28) О.: По-моему, это можно теперь смотреть на него как хобби.

Meiner Meinung nach kann man das jetzt auf sie wie auf ein Hobby schauen.

Das Verb смотреть (schauen) kann mit der Konjunktion как (wie) benutzt werden,

aber dann soll nach der Konjunktion как die Präposition на folgen. Die Konstruktion

sieht folgendermaßen aus: смотреть на + Akk. + как на + Akk.. Nur wenn die

Präposition на (auf) wiederholt wird, wird die Konstruktion bzw. den Satz für

abweichungslos gehalten (Apresjan/Pall 1982 b, 408, 410). Im Deutschen kann in

dem Fall das Verb beobachten vorkommen, das als zweites Argument eine im

Akkusativstehende Ergänzung verlangt. Dann braucht man in der Phrase keine

Präposition. Die Probandin hat aber erst die russische Struktur mit der Präposition на

(auf) verwendet. Vielleicht hat sie einfach vergessen die Präposition das zweite Mal

wiederholen oder die Probandin hat weiter doch das deutsche Variante gesagt. Weil

es nicht deutlich klar ist, welche Ursache die Abweichung hat, wird dieses Beispiel

für eine Abweichung unbekannter Herkunft gehalten.

Im nächsten Beispiel (29) kann man zwei Abweichungen beobachten.

(29) Z.: А другие, которые […], они не добиваются вообще, не стремятся.

Und die Anderen, die […], sie erreichen überhaupt nicht, streben nicht.

Das Verb добиваться (erreichen) hat im Russischen, wie es schon oben erwähnt

wurde, mindestens die Valenz zwei, dann soll die Struktur mit einem Nominativ- und

einem Genetivelement gefüllt werden (Apresjan/Pall 1982 a, 365). In dem Satz fehlt

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ein Genetivobjekt, das in dem Fall ein Verneinungspronomen im Genetiv sein soll,

nämlich они ничего не добиваются. Diese Abweichung darf man nicht als Transfer

behandeln, weil im Deutschen ist das Verb erreichen laut Schumacher u.a. (2004,

357) auch zweistellig.

Das zweite Verb in dem Satz ist auch zweiwertig. Als zweites Argument soll

entweder ein Dativobjekt sein, das zum Verb mit der Präposition к + Dativ (zu)

angeschlossen wird, oder ein Infinitivverb (Apresjan/Pall 1982 a, 507). Das Verb

streben (стремиться) ist auch zweistellig, aber den zweiten Aktant wird mit der

Präposition nach zum Verb angeschlossen und einen Dativaktant verlangt (Götz

2003, 988). Deswegen wird diese Abweichung für einen Transfer nicht gehalten.

Im nächsten Beispiel (30) kommt wieder das Verb считать (halten für) vor.

Aber die Valenzstruktur ist anders. Nach Apresjan/Pall (1982, 520) besitzt die

Konstruktion ein Nominativ- und zwei Akkusativargumente, wobei das zweite

Akkusativargument in die Konstruktion mit der Präposition за (für) eingeführt wird.

(30) А.: Мне кажется это от Gesellschaft самое mehr отвисит, потому что ; как-то ; Gesellschaft тебя всё равно немцы если они даже узнают, что ты русская была, они всё равно тебя считают как за русскую. Не как за немку или за переселённую там ; немку.

Mir scheint, dass es von der Gesellschaft mehr abhängt, weil die Gesellschaft dich trotzdem, Deutschen, wenn sie sogar erfahren, dass du Russin war, sie halten dich trotzdem für eine Russin. Nicht für eine Deutsche oder für eine Aussiedlerin.

Im Beispiel wird die Abweichung bei der Konjunktion как (wie) festgestellt. Die

Konjunktion как (wie) ist nach Korpusuntersuchungen möglich, aber in dem Fall,

wenn sie einen Nebensatz als Argument einführt, was in diesem Beispiel nicht der

Fall ist. So kann man feststellen, dass das Wort как (wie) in diesem Beispiel zuviel

ist. Diese Abweichung kann man nicht für einen Transfer halten, weil in der deutsche

Phrase auch keine Konjunktion wie vorkommt.

Bei der Probandin taucht die ähnliche Abweichung noch einmal auf, was im

nächsten Beispiel (31) zu sehen ist.

(31) А.: Сначала, конечно, было сложно, если ; чё-нибудь ;; эээ даже по улицам идёшь и все немцы тебя это ;;; на тебя смотрят как на дуру ’tschuldigung, aber что все разговаривают по-не эмм по-русски ; иии как-

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то себя считался как Außenseiter trotzdem, ; что ты сюда даже не gehörst, nach Deutschland, obwohl du Deutsche bist.

Am Anfang war natürlich schwer, wenn etwas :: äh wenn du sogar durch die Straßen gehst und alle Deutsche schauen auf dich wie auf eine Närrin ‚tschildigung, aber dass alle Russisch reden ; und man hält sich trotzdem für Außenseiter, ; dass du hier nicht gehörst, nach Deutschland, obwohl du Deutsche bist.

In dem Beispiel ist das Reflexivmorphem –ся übrig. Aber die Valenzabweichung ist

wieder bei der Konjunktion как (wie) zu finden. Wie es schon oben erwähnt wurde,

ist das Verb считать (halten für) dreistellig. Der dritte Aktant soll im Instrumental

vorkommen, was in dem Beispiel anders ist. Um den dritten Aktant in den Satz

einzuführen, verwendet die Probandin wieder die Konjunktion как (wie). Die

Abweichung in dem Beispiel (31) wird auch nicht als ein Transfer bezeichnet, weil

im Deutschen besitzt das Verb halten für zwei Argumente, nämlich ein Nominativ-

und ein Akkusativargument, das mit der Präposition für ins Satz eingeführt wird.

Im folgenden Beispiel (32) sind wieder zwei Abweichungen vorhanden.

(32) Ma.: А некоторые никогда здесь не чувствуют на Родине.

Und manche fühlen sich hier nie in der Heimat.

Apresjan/Pall beschreiben in ihrem Wörterbuch verschiedene Valenzkonstruktionen

von dem Verb чувствовать (fühlen). Das Verb чувствовать (fühlen) benötigt

mindestens zwei obligatorische Ergänzungen. Erste Ergänzung soll ein

Nominativaktant sein. Der zweite Aktant kann entweder im Akkusativ vorkommen

oder als ein Nebensatz auftauchen. Dann fehlt in dem Satz ein Akkusativargument.

Um die Phrase richtig zu machen soll die zweite Ergänzung ohne Präposition und im

Akkusativ vorkommen, nämlich некоторые не чувствуют родину (manche fühlen

die Heimat nicht). Aber im Satz stehen auch solche Ergänzungen wie никогда (nie)

und здесь (hier). Diese Orts- und Zeitangaben ändern den Sinn des Satzes. Aus dem

Kontext dieses Beispiels ist es offensichtlich, dass es die reflexive Form des Verbs

gemeint ist und deswegen soll als Akkusativargument das Reflexivpronomen себя

(sich) vorkommen. Wenn im Beispiel (31) die Verbreflexivität zwei Mal gezeigt

wurde, wird in dem Beispiel (32) überhaupt nicht gezeigt. Also, sowohl im

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Russischen, als auch im Deutschen bedarf das Verb чувствовать (fühlen) in dem

Fall das Reflexivpronomen себя (sich). Das war die erste Normabweichung.

Das zweite Problem in diesem Beispiel ist das, dass es trotzdem nicht genug

ist, das Reflexivpronomen anzuführen um den Satz richtig zu machen. Nach dem

Reflexivpronomen soll noch ein Aktant stehen. In diesem Fall sind das zwei Wörter

„на Родине“ (in der Heimat). Apresjan/Pall erläutern einige Strukturen mit dem

Reflexivpronomen себя (sich), unter denen eine Konstruktion vorhanden ist, die das

zweite Argument mit der Konjunktion как (wie) in die Struktur einfügt

(Apresjan/Pall 1982 b, 676). Die richtige Variante wäre: а некоторые никогда

здесь не чувствуют себя как на Родине (Und einige fühlen sich hier nie wie in der

Heimat). Die russische Struktur und die deutsche sind gleich, deswegen kann man

die Abweichung für einen Transfer halten.

Das Beispiel (33) enthält das Verb переименовать (umbenennen), das

einwertig sein kann. Aber in diesem Fall, wenn die zweite Ergänzung steht, soll sie

richtig in dem Satz eingeführt werden.

(33) Ma.: […] Его здесь переименовали на Эдгара.

[...] Er wurde hier in Edgar umbenannt.

Die Abweichung ist bei der Präposition zu sehen. Die fakultative

Akkusativergänzung на Эдгара (auf Edgar*) soll nach Andreyeva-Georg und

Tolmacheva (1975, 221) im Russischen mit der Präposition в (in) im Satz auftreten.

Nach Götz u.a. (2003, 1058) ist es im Deutschen genau so: umbenennen in + Akk.

Deswegen ist dieses Beispiel nicht als Transfer zu bezeichnen.

Im Beispiel (34) kommt wieder eine Valenzabweichung vor, die nicht als

Transfer zu bezeichnen ist.

(34) Na.: Сбор документов идет, но это работники занимаются.

Man sammelt die Unterlagen, aber damit beschäftigen sich die Mitarbeiter.

Das Verb заниматься (sich beschäftigen) ist in dem Fall zweistellig, was richtig ist.

Aber der zweite Aktant, in diesem Beispiel das Pronomen это (das), soll im

Instrumental vorkommen. Das deutsche Verb sich beschäftigen hat auch die Valenz

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zwei, aber der zweite Aktant wird mit der Präposition mit in die Struktur eingefügt

(Schumacher 2004, 244).

Im Beispiel (35) kommt eine Abweichung bei dem Verb заселять

(besiedeln) vor.

(35) Na.: Ну и родственники им помогают ;; полностью все делается, а если у кого некому помочь, то такие вот в общежитие заселяют.

Nun die Verwandten helfen ihnen, es wird alles vollständig gemacht, und wenn jemand niemanden hat, der ihm helfen kann, dann werden sie ein Übergangswohnheim besiedeln.

Das Verb заселить (besiedeln) besitzt nach Rozental’ (1986, 60) ein Akkusativ- und

ein Instrumentalargument, wobei bei den Argumenten gelten einige Restriktionen.

Die Argumente sollen die Fragen was? und mit wem? beantworten. D.h., dass das als

Akkusativargument soll ein unbelebtes Objekt auftreten und als Instrumental ein

belebtes. Rozental’ fügt das folgende Beispiel an:

(35’) Заселить дом новыми жильцами.

Das Haus mit neuen Bewohnern besiedeln.

Dann in dem Beispiel (35) wäre richtig: […], то такими вот общежитие

заселяют. Aber einige Beispiele aus dem russischen Nationalkorpus beweisen, dass

das Verb заселить (besiedeln) auch andere Valenzstruktur besitzt. Die andere

Valenzstruktur des Verbs verlangt zwei Akkusativargumente, wobei das erste

Akkusativargument ein lebendiges Wesen bezeichnen soll und das zweite eine

Ortsangabe, wohin dieses lebendige Wesen besiedelt wird, z.B.:

(35’’) Лучше всего справились с задачей как можно скорее заселить пострадавших в новые дома Адыгея, Кабардино-Балкария и Северная Осетия.26

Adygeja, Kabardino-Balkarien und Nordossetien meisterten am besten die Aufgabe, so schnell wie möglich die neue Häuser mit den Geschädigten zu besiedeln.

26 www.ruscorpora .ru [Светлана Турьялай. Шойгу просит считать наводнение

ликвидированным // «Известия», 2003.01.21]

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Das Beispiel (35’’) aus dem Korpus zeigt, dass es andere Valenzstruktur des Verbs

заселить (besiedeln) gibt. Wenn man das Beispiel (35) mit dem Beispiel (35’’)

vergleicht, dann kann man nur eine Abweichung feststellen, nämlich der belebte

Aktant такиe (solche) im Akkusativ stehen soll. Richtig ist: […] то такиx вот в

общежитие заселяют. Das Verb besiedeln wird bei Schumacher u.a. (2004) nicht

beschrieben. Aber im Duden werden einige Strukturen des Verbs besiedeln

beschrieben. In unserem Fall soll das Verb besiedeln zweistellig sein und ein

Nominativ- und ein Dativargument verlangen, wobei das letzte mit der Präposition

mit in die Struktur eingeführt werden soll, z.B. das neue Land mit Flüchtlingen

besiedeln. Daraus folgt, dass die Abweichung im Beispiel (35) nicht als Transfer

bezeichnen kann.

In dem Beispiel (36) kommt eine Abweichung bei dem Verb

присматриваться (genau betrachten).

(36) Na.: Потом, когда не нужно было никуда присматриваться, так чисто интересно было посмотреть на Германию.

Danach, als man nirgendwohin genau betrachten soll, es war einfach interessant Deutschland anzuschauen.

Das Verb присматриваться (sich näher ansehen) beschreiben Apresjan und Pall

nicht. Aber bei Andreyeva-Georg und Tolmacheva (1975, 292) findet man dieses

Verb, das eine Nominativ- und eine Dativergänzung besitzen soll, wobei ein

Dativargument mit der Präposition к (zu) zum Verb angeschlossen wird. Deswegen

soll das Negativpronomen никуда (nirgendwohin) in Dativ mit der Präposition к (zu)

umgewandelt werden, nämlich ни к чему (zu nichts). Im Deutschen ist das Verb

betrachten zweistellig und besitzt ein Nominativ- und ein Akkusativargument.

Im Bespiel (37) findet man eine Valenzabweichung bei dem Verb стать

(werden).

(37) Al.: […] вместе сидим ну как и общаемся, друг друга kennenlernst, сразу сдружаешься, ну как друзья становишься.

[…] wir sitzen zusammen und unterhalten uns, kennen uns lernen, man befreundet sich sofort, man wird Freunden.

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Das Verb стать (werden) besitzt im Russischen viele Bedeutungen und deswegen

auch viele Valenzkonstruktionen. Die Konstruktion, die zu diesem Fall passt, ist

zweiwertig und hat einen Nominativ- und einen Instrumentalaktant. Im Beispiel (37)

ist der Satz unpersönlich, deswegen besitzt der Satz keinen Nominativaktant. Aber

das ist keine Abweichung von den Normen. Der zweite Aktant ist im Nominativ, was

für eine Abweichung von den Normen zu halten ist. Sowohl bei Apresjan/Pall, als

auch im Korpus sind keine Beispiele mit der Konstruktion „становиться как

(друзья)“ zu finden. Daraus folgt, dass das Beispiel (37) eine Normabweichung hat.

Wenn man den Satz nach Normen schreibt, dann wird er so geschrieben: […] ну

становишься друзьями. Im Deutschen ist das Verb werden zweistellig und verlangt

entweder zwei Nominativargumenten oder eine Nominativ- und eine

Dativergänzung, die mit der Präposition zu zum Verb angeschlossen werden soll.

Beide Valenzkonstruktionen des Verbs werden sind anders, als die Konstruktion des

Satzes im Beispiel (37). Deswegen darf die Abweichung in dem Beispiel (37) nicht

für einen Transfer halten.

Im Beispiel (38) ist wieder eine Abweichung zu sehen, die unklare Gründe

hat.

(38) Al.: В Fachhochschule учусь на информатику, ну Wirtschaftsinformatik.

In der Fachhochschule studiere ich Informatik, nun Wirtschaftinformatik.

Das Verb учиться (lernen, studieren) ist bei Apresjan/Pall. zweiwertig und erfordert

zwei Argumente, nämlich ein im Nominativ und ein im Lokativ. In der Struktur

verlangt das zweite Argument die Lokativpräposition на (auf). Wenn in dem Satz

kein Fach gemeint ist, sondern einen Beruf, dann soll das zweite Argument im

Akkusativ stehen, aber grammatikalische Belebtheitsrestriktion erfüllen, nämlich

учусь на информатикa, was in dem Beispiel nicht der Fall ist. Im Deutschen sagt

man einen Beruf erlernen, was bedeutet, dass das Verb auch zweistellig ist, aber das

zweite Argument nicht mit einer Präposition einzuführen ist. Das bedeutet, dass die

Abweichung in dem Beispiel nicht als Transfer bezeichnet werden darf.

Im nächsten Beispiel (39) wird die Abweichung bei dem Verb идти (gehen)

zu sehen, die nicht für einen Transfer gehalten wird.

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(39) Аn.: […] иногда у меня грамматика also ;; в грамматике не очень хорошо идёт

[…] manchmal bei mir die Grammatik also ;; in der Grammatik geht es nicht sehr gut.

Bei Apresjan/Pall (1982 a, 506) kann das Verb идти (gehen) in mehreren

Konstruktionen vorkommen. In dem Fall ist das Verb zweistellig. Das erste

Argument soll im Nominativ stehen und das zweite Argument soll ein Adverb bzw.

eine Gruppe der Wörter sein, die nach ihrer syntaktischen Funktion einem Adverb

äquivalent ist. Apresjan/Pall (1982 a, 506) führen folgendes Beispiel an: Лекция шла

удачно (wörtlich: Die Vorlesung ging erfolgreich).

Im russischen Nationalkorpus ist es ein ähnliches Beispiel zu finden, nämlich:

(39’) Антон слушал ее и думал, что у него самого тоже не идет английский.

Anton hörte sie und dachte, dass er mit dem Englischen auch Problem hatte.

Die Konstruktion der Aussage von der Probandin ist anders. Bei ihr besitzt die

Konstruktion ein Akkusativargument, das mit der Präposition в (in) zum Verb

angeschlossen ist. Im Russischen gibt es die Struktur „es geht in + Dativ + Adverb“

nicht. Diese Struktur existiert im Deutschen auch nicht, deswegen hält man die se

Abweichung nicht für einen Transfer.

Im Beispiel (40) ist eine Abweichung bei dem Kasus des Substantivs zu

sehen. Der Proband verwendet eine richtige Präposition bei der Ortsangabe. Aber das

Verb приехать (an-, kommen) verlangt als zweites Argument eine Ergänzung im

Akkusativ (Apresjan/Pall 1982 b, 178), und zwar приехал в Германию. Der Proband

stellt das zweite Argument in Dativ. Obwohl die zweite Ergänzung im Deutschen im

Dativ vorkommen soll, wird die Abweichung nicht als Transfer bezeichnet, weil im

Deutschen das zweite Argument mit einer anderen Präposition in die Struktur

eingeführt sein soll, nämlich mit der Präposition nach.

(40) Х: Я приехал в Германии с моим ;;; с моим папей, с моей мамей и с моей сестрой.

Ich kam nach Deutschland mit meinem ;;; mit meinem Vater, mit meiner Mutter und mit meiner Schwester.

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Falsche Endungen bei den Instrumentalobjekten und lange Pause sprechen vor allem

für unsichere Kenntnisse des Russischen. Aber die falschen Endungen von im

Instrumental stehenden freien Angaben werden nicht als Valenzabweichungen

bezeichnet.

Im nächsten Beispiel (41) erzählt der Proband über seinen Umzug nach

Deutschland und erwähnt, dass sie (er und seine Verwandten) als Deutsche anerkannt

wurden.

(41) Х: Нет. Потому что у нас признали как настоящих немцов сразу, сначала ;; Проблем никаких не было.

Nein. Da wir sofort, am Anfang an als richtige Deutsche anerkannt wurden. Das war kein Problem.

Eine zu diesem Beispiel passende Valenzstruktur des Verbs признать (anerkennen)

ist bei Andreyeva-Georg/Tolmacheva (1975, 284) zu finden. In dieser Konstruktion

verlangt das Verb zwei Aktanten, ein davon im Akkusativ und ein anderer im

Instrumental erscheinen sollen. Dann ist im Satz die Präposition у (bei) und die

Konjunktion как (wie, als) übrig. Die Konjunktion как im Sinne als wurde aus dem

Deutschen übernommen (Götz 2003, 46) und kann als ein Transfer gelten. Aber die

Abweichung bei der Präposition у (bei) wurde nicht aus dem Deutschen

übernommen, deswegen gilt nicht als ein Transfer. Abweichungslose Phrase soll so

sein: Потому что нас признали немцaми (Da wir als Deutsche anerkannt

wurden).

Im Beispiel (42) kommt das Wort нет (es ist nicht vorhanden, nicht haben)

vor. Nach Ušakov27 vertritt das Wort нет die unpersönliche Verneinungsform des

Verbs быть (sein) in Gegenwart. Wennschon das Wort нет das Verb vertritt, wird

dieses Beispiel auch behandelt.

(42) Х: Ааа, настоящих русские друзья вообще нету.

Ah so, ich habe keine russischen echte Freunde.

Das Wort нет verlangt laut Ušakov ein Genetivobjekt, was im Beispiel (42)

teilweise bei dem Adjektiv настоящих (echt) zu sehen ist. Aber das Adjektiv

настоящих (echt) ist nur ein Teil des ganzen Aktants, der im Genetiv auftreten soll. 27 http://slovari.yandex.ru/dict/ushakov

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Zwischen den Wörtern gibt es in diesem Satz keine Pause, deswegen ist es nicht sehr

klar, warum der Proband weiter einen anderen Kasus verwendet hat. Richtig wäre so:

русских друзей вообще нет (ich habe keine russischen Freunde). Im Deutschen

wird diese Phrase mit dem Verb haben übersetzt. Das Verb haben besitzt im

Deutschen eine Nominativ- und eine Akkusativergänzung. Die Abweichung in dem

Beispiel (42) konnte man für einen Transfer halten, wenn das erste Wort des zweiten

Aktants auch im Akkusativ wäre, aber das Wort steht im Genetiv, nach russischen

Regeln. Also der zweite Aktant in der Phrase des Beispiels (42) entspricht teilweise

der Regeln des Russischen, teilweise des Deutschen.

Im nächsten Beispiel (43) erzählt die Probandin, was sie bei dem deutschen

Fernseher schaut.

(43) Na.: Ну я там смотрю про животных че-нибудь и про райзы всякие.

Ich schaue da etwas (Sendung) über Tiere und über verschiedene Reisen.

Die Abweichung liegt in dem Satz bei der zweiten Ergänzung des Verbs смотреть

(schauen). Nach dem russischen Nationalkorpus und den verschiedenen

Wörterbüchern, die in der Literaturliste dieser Arbeit aufgezählt sind, soll das zweite

Argument im Akkusativ vorkommen. Diese Voraussetzung wird erfühlt, aber das

soll nicht mit der Präposition про (über) gemacht werden. Es ist zu vermuten, dass

die Sprecherin bloß das Wort передача (Sendung) weggelassen hat. Im russischen

Nationalkorpus sind 53 Beispiele zu смотреть передачи про (Sendungen schauen

über etw.). Im Deutschen funktioniert das Verb genau so wie im Russischen,

deswegen kann man die Abweichung im Beispiel (43) nicht für einen Transfer

halten.

Im folgenden Beispiel kommt eine Abweichung bei dem Verb сидеть

(sitzen) vor.

(44) Al.: […] там где-нибудь по- в бар сидим и как-то не знал даже про чё говорить […]

[…] wir sitzen dort irgendwo in einem Bar und ich habe irgendwie nicht gewusst, worüber mit ihnen zu reden ist.

Das Verb сидеть (sitzen) kann zweistellig sein und soll eine Nominativ- und eine

Lokativergänzung besitzen (Apresjan/Pall 1982 b, 377). In diesem Satz wird die

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Präposition в (in) richtig ausgesucht, aber das nach der Präposition folgende Wort

wurde im Akkusativ verwendet. Vielleicht kommt diese Abweichung deswegen vor,

weil der Sprecher nach der Wortverbindung в бар (in Bar) ein anderes Verb

verwenden wollte, z.B. ходить в бар (in eine Bar gehen). Im Deutschen ist das Verb

sitzen auch zweiwertig und verlangt ein Nominativ- und ein Dativargument, was in

dem Beispiel anders ist. Deswegen ist die Abweichung in dem Beispiel (44) als

Transfer nicht zu bezeichnen.

Weiter werden in den Daten vorkommende semantische Abweichungen

dargestellt und analysiert.

5.3. Semantische Valenzabweichungen

In dem theoretischen Teil dieser Arbeit wurde schon erläutert, dass die Valenz auf

mehreren Ebenen erscheint. In diesem Kapitel sollen die Abweichungen, die auf der

semantischen Ebene auftauchen, erörtert werden. Jacobs (2003, 381) betont, dass die

Valenz sich nicht nur auf syntaktische Ebene sich konzentrieren soll, weil es dazu

führen kann, dass nicht alle Kombinationsrestriktionen von Verben erfassen werden.

Deswegen werden in diesem Kapitel die Abweichungen analysiert, bei denen die

Bedeutungen im Satz kommende Wörter semantisch nicht kombinierbar sind. Fast

alle in diesem Kapitel vorkommenden Abweichungen kann man als Transfer

bezeichnen.

Bei semantischen Abweichungen sind alle formalen Rahmen erfüllt, d.h. alle

nötigen Argumente sind dabei, aber nach der Semantik passen Wörter einander nicht.

Alle in den Interviews gefundenen semantischen Abweichungen wurden in drei

Gruppen geteilt. In die erste Gruppe kommen semantische Abweichungen vor, die

bei dem Verb делать (machen) erscheinen. Die zweite Gruppe enthält die

Abweichungen, die bei dem Verb получать (bekommen) auftauchen. Die dritte

Gruppe enthält semantische Valenzabweichungen, die bei anderen Verben

vorkommen.

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5.3.1. Das Verb „делать (machen)“

In diesem Kapitel werden die Beispiele vorgestellt, die eine semantische

Abweichung bei dem Verb делать (machen) zeugen. Es gibt einige Beispiele, die

beweisen, dass das Verb sehr oft von Probanden benutzt wird, aber in solchen

Situationen, in denen im Russischen ein anderes Verb verwendet sein soll. Sehr oft

wird das Verb делать (machen) in Verbindung mit folgenden Wörtern angewendet:

курсы (Kurse), профессия (Beruf), Ausbildung, Zivildienst, Fachabitur, Realschule,

Umschulung usw. Oft passiert die Übertragung deswegen, weil es in den Sätzen ein

Argument auf Deutsch vorkommt. Weiter werden solche Beispiele genauer

diskutiert.

Im Beispiel (45) ist die Konstruktion делать курсы (Kurse machen)

vorhanden. Im Russischen kann man Kurse nicht machen im Sinne „etwas neues

lernen“, dazu sind im Russischen nach Korpusuntersuchungen andere Verben

anzuwenden, nämlich посещать (besuchen), проходить/пройти (durchgehen,

durchmachen), ходить на курсы (in die Kurse gehen).

(45) Аd.: Ну я повышаю себе квалификацию, делаю там-то там-то такие-то курсы ;; Там месяц, там одну неделю.

Ich erhöhe meine Qualifikation, mache hin und da verschiedene Kurse ;; Da einen Monat, da eine Woche.

Wenn man sagt делать курс (Kurs machen), dann ist die Bedeutung anders, nämlich

unter dem Wort курс wird eine Kur verstanden. Im russischen Nationalkorpus sind

einige Beispiele zu finden, und zwar делать курс похудения (einen Kkurs zum

Abnehmen machen), делать курс лечения (eine Kur durchmachen ), делать курс

на морщины вокруг глаз (einen Anti-Aging Kurs machen). Deswegen wird die

Wortverbindung делать курс(ы) (Kurs(e) machen) für eine semantische

Valenzabweichungen gehalten, weil auf der semantischen Ebene diese Konstruktion

andere Bedeutung im Russischen hat, als im Deutschen. Die Struktur ist aus dem

Deutschen übertragen und wird für Transfer gehalten.

Im Beispiel (46) wird das Verb делать (machen) mit dem Wort профессия

(Beruf) verwendet. Im Korpus sind keine Beispiele zu finden, in denen solche

Wortverbindung vorhanden ist.

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(46) О.: Потому что они не собираются же, после этого, например, обратно переехать в Россию и там далее какую-то профессию делать за чего тогда это.

Da sie nachdem nicht beabsichtigen zum Beispiel zurück nach Russland umzuziehen und dort irgendeinen Beruf machen, wozu denn das.

Das Wort профессия (Beruf) kann mit Verben приобретать (erwerben, gewinnen)

und получать (bekommen) benutzt werden.28 Deswegen kann man im Beispiel ()

eine Valenzabweichung auf der semantischen Ebene festzustellen und für einen

Transfer halten.

Im Beispiel (47) wird das Verb делать (machen) in Verbindung mit dem

Wort Ausbildung verwendet. Es ist zu vermuten dass das Beispiel (46) und das

folgende Beispiel (47) den gleichen Sinn haben.

(47) X.: Я сделал Ausbildung у Мерцедесом.29

Ich habe Ausbildung bei Mercedes gemacht.

Im Russischen gibt es natürlich das Wort Ausbildung nicht, aber das Wort

Ausbildung heißt im Russischen „образование, обучение“. Dann besitzt die Phrase

eine semantische Valenzabweichung, weil im Russischen man образование nicht

machen kann, sondern получать (bekommen). Im Deutschen ist solche

Wortverbindung wie Ausbildung machen üblich, deswegen kann man diese

Abweichung als Transfer bezeichnen. Die gleiche Abweichung kommt auch bei

anderen Testpersonen vor, was in den Beispielen (48) und (49) zu sehen ist.

(48) Z.: […] у тебя здеся больше шансов, дальше чё-нибудь выучитъся, или дальше чё-нибудь выучить, Ausbildung сделать.

Du hast hier mehr Chancen etwas zu erlernen oder etwas zu lernen, Ausbildung machen.

(49) Ad.: Я делаю там Ausbildung.

Ich mache dort Ausbildung.

28 Vgl. das russische Nationalkorpus. 29 Dieses Beispiel enthält natürlich auch eine syntaktische Abweichung, die durch Transfer sich

ermöglicht hat (Vgl.: Ich habe Ausbildung bei Mercedes gemacht). Aber da das Verb in der Phrase unkorrekt verwendet wurde, kann man hier die syntaktische Abweichung nicht ganz analysieren.

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Die gleiche Abweichung kommt bei der Probandin N., was folgenden Beispiel

demonstriert:

(50) N. […] если нет учителя, то никакого языка нет, а так всё-таки немцы были в селе, кто-то Ausbildung делал, вот и э немецкий как-то больше подошёл.

[…] wenn es kein Lehrer gibt, dann gibt es keine Sprache, aber es gab jedoch Deutschen im Dorf, jemand hat Ausbildung gemacht, so passte das Deutsche einigermaßen besser.

Weitere Abweichung bei dem Verb делать (machen) findet man im nächsten

Beispiel (51).

(51) X: […] потом мне надо было в армию, но я решил, что я Zivildienst буду делать.

[…] danach musste ich in die Armee gehen, aber ich habe entschlossen, dass ich Zivildienst machen werde.

Im Beispiel (51) kommt das deutsche Wort Zivildienst. Im Russischen bedeutet es

гражданская служба. Wenn man das Wort Zivildienst für eine Entlehnung hält,

dann stimmt die Phrase semantisch nicht. Im Russischen kann man гражданская

служба nicht machen. Im Russischen verwendet man mit der Wortverbindung

гражданская служба das Verb проходить (durchgehen). Da im Deutschen die

Phrase Zivildienst machen üblich ist, wird die Abweichung im Beispiel (51) als

Transfer bezeichnet.

Im Beispiel (52) kommt wieder das Verb делать (machen), aber in

Verbindung mit den Wörtern Realschule und Fachabitur.

(52) X.: Потом я дальше работал один год и пошёл в школу ;;; Realschule делать и Fachabitur.

Dann habe ich ein Jahr weiter gearbeitet und bin in die Schule gegangen ;;; Realschule machen und Faschabitur.

Das Wort Realschule heißt auf Russisch реальное училище. Nach Duden bedeutet

das Wort Realschule eine „Schule, die auf der Grundschule aufbaut und zur mittleren

Reife führt“. Im Russischen wird es einfach mit dem Wort Schule bezeichnet. Nach

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Korpusuntersuchungen kann man feststellen, dass solche Wortverbindung im

Russischen nicht möglich ist. Im Deutschen ist die Phrase Realschule machen

möglich, deswegen wird diese Abweichung für einen Transfer gehalten. Das Wort

Fachabitur bzw. Abitur bedeutet nach Duden Reifeprüfung an einer höheren Schule.

Auf Russisch heißt die Phrase das Abitur machen (ablegen) — сдавать экзамены

на аттестат зрелости. Deswegen wird diese Abweichung auch als Transfer

bezeichnet.

Das Beispiel (53) kann man auch zu Transferabweichungen anrechnen.

(53) Ma.: Я лучше делаю активный отпуск.

Ich mache lieber einen aktiven Urlaub.

Die Abwesenheit der Beispiele im Korpus zeugen davon, dass das Verb делать

(machen) im Russischen mit dem Wort отпуск (Urlaub) nicht verbunden werden

kann. Es gibt sogar keine Wortverbindung активный отпуск (aktiver Urlaub). Hier

ist auch ein semantischer Valenzfehler zu sehen. Dafür gibt es aber einen anderen

Ausdruck, und zwar активный отдых (aktive Freizeit bzw. Erholung). Im

Russischen wird normalerweise für das Wort отпуск ein anderes Verb verwendet,

nämlich проводить (verbringen), was uns zahlreiche Beispiele aus dem Korpus

demonstrieren.

Die Probandin Z. verwendet mit dem Verb делать (machen) auch das

deutsche Wort Umschulung, was im Beispiel (54) zu sehen ist.

(54) Z.: […] но вот если они хотели што-то добиться, выучиться, или Umschulung сделать, aber […]

[…] aber wenn sie etwas erreichen wollten, etwas erlernen oder Umschulung machen, aber […]

Im Russischen bedeutet das Wort Umschulung переквалификация,

переподготовка.30 Die Wörter переквалификация, переподготовка werden mit

den Verben проходить bzw. пройти verwendet. Im Deutschen ist der Ausdruck

Umschulung machen gebräuchlich, deswegen wird diese Abweichung auch für einen

Transfer gehalten.

30 Das Wort Umschulung kann auch перевод в другую школу (in eine andere Schule schicke bzw.

einweisen) bedeuten, aber für dieses Beispiel ist diese Bedeutung irrelevant.

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5.3.2. Das Verb „получить (bekommen)“

In den Beispielen, die in diesem Kapitel erörtert werden, sind einige Abweichungen

auf der semantischen Ebene bei dem Verb получить (bekommen) zu finden.

Im ersten Beispiel dieses Kapitels taucht wieder das Substantiv Umschulung

bei der gleichen Probandin, aber in dem Fall in Verbindung mit dem Verb получить

(bekommen).

(55) Z.: Э, да, мама она получила как Umschulung, это, папа, нуу, как он там работал на стройке, так он здесь работал, а потом […]

Äh, ja, Mama hat eine Umschulung bekommen, Papa nun, wie er dort bei einer Baustele gearbeitet hat, so hat er auch hier gearbeitet, und danach […]

Es wurde schon oben erklärt, welche Äquivalenten das Wort Umschulung im

Russischen hat, nämlich переквалификация, переподготовка. Die Abwesenheit der

Beispiele im Korpus beweisen, dass es im Russischen die Wortkombination

получить переквалификацию bzw. переподготовку nicht korrekt ist. Im

Deutschen ist die Phrase Umschulung bekommen möglich, deswegen ist der Satz als

Transfer zu bezeichnen.

Im Beispiel (56) taucht das Verb получить bzw. получать (bekommen) mit

dem Wort ребенок (Kind) auf, im Sinne, dass jemand ein Kind bekommt bzw.

gebärt.

(56) Х: Она получает второго ребёнка в марте.

Sie bekommt ihr zweites Kind im März.

Im Russischen ist diese Wortkombination sehr ungewöhnlich. Im russischen

Nationalkorpus kann man dazu kein einziges Beispiel finden, was uns bestätigt, dass

es solche Kombination nicht korrekt ist und eine Abweichung hat. Im Deutschen ist

die Phrase ein Kind bekommen sehr gebräuchlich, deswegen kann man dieses

Beispiel als Transfer bezeichnen.

Das nächste Beispiel zeigt uns eine andere semantische Valenzabweichung

bei der Bedeutung des Verbs получать (kriegen, bekommen).

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(57) Al.: Неет, это как ну, но вообще-то это запрещено делать, если что-нибудь случится, очень сильный Ärger бы получили, потому-что ну, поэтому мы и очень так locker все так делали.

Nein, es ist eigentlich verboten, das zu machen, wenn etwas passiert, dann kriegen wir einen großen Ärger, weil nun, deswegen haben wir alles so locker gemacht.

Das Wort Ärger heißt im Russischen гнев, досада, раздражение, неприятность,

огорчение. Kein von diesen Wörtern kann mit dem Verb получать (kriegen,

bekommen) verbunden werden. Der Sprecher übersetzte wörtlich die deutsche Phrase

„Ärger kriegen“ und übertrag die Hälfte von der Phrase ins Russische. Deswegen

kann man diese Abweichung als eine Valenzabweichung auf der semantischen Ebene

bezeichnen, die auch als Transfer gilt.

5.3.3. Andere semantische Abweichungen

In diesem Kapitel werden Beispiele beschrieben, die semantische Abweichungen

haben und auch einige, die sowohl semantischen, als auch syntaktischen Ebenen

betreffen. Im ersten Beispiel dieses Kapitels kommt eine Valenzabweichung auf der

semantischen Ebene bei dem Verb работать (arbeiten).

(58) X.: По профессии я бы хотел быть студентом, но я работаю у Боша.

Ich möchte Student von Beruf sein, aber ich arbeite bei Bosch.

Viele Beispiele im russischen Nationalkorpus zeugen, dass die Konstruktion

работать у (arbeiten bei) im Russischen existiert, aber die eine Restriktion der

Belebtheit enthält. Das heißt, dass die Phrase я работаю у Боша (ich arbeite bei

Bosch) bedeutet, dass die Person, die im Satz als ich bezeichnet wird, bei einem

Mann arbeitet, der Bosch heißt. Im Deutschen entspricht die Phrase ich arbeite bei

Bosch allen Normen des Deutschen und bedeutet, dass eine Person bei der Firma

Bosch arbeitet. Deswegen kann man dieses Beispiel als eine Valenzabweichung auf

der semantischen Ebene bezeichnen, die auch als Transfer gilt.

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Im Beispiel (59) kommt eine ähnliche Abweichung, aber bei dem Verb

познакомиться vor.

(59) Al.: Я с ним в Армии познакомился, но я с ним как бы че- чер- то что через армию хорошо познакомился.

Ich habe ihn in der Armee kennengelernt, aber ich habe ihn durch die Armee gut kennengelernt.

Das Verb познакомиться ist normalerweise zweistellig, aber kann auch eine

fakultative Ergänzung besitzen. In diesem Beispiel gilt al fakultative Ergänzung das

Substantiv армия (Armee), das in dem Beispiel mit der Präposition через (durch)

zum Verb angeschlossen ist. Rein syntaktisch wäre es möglich, weil das Verb einen

solchen Aktant haben kann. Aber die Präposition через liegt unter bestimmten

semantischen Restriktionen, nämlich die Belebtheit oder mit der Präposition через

kann man Aktante anknüpfen, mittels wessen die Bekanntschaft möglich war, z.B.

познакомиться через газету, объявление в газете, через интернет usw. Armee

ist aber eine Institution und kann nicht als Mittel gelten und ist nicht eine Person (ist

nicht belebt). Am Anfang des Satzes kommt die richtige Variante vor, nämlich

познакомиться в Армии (in der Armee kennenlernen) oder ein bisschen anders

formuliert знакомы по армии wäre auch möglich. Im Deutschen ist es üblich durch

etwas bzw. durch jemand kennenlernen, deswegen wird das Beispiel als Transfer

bezeichnet. Um Semantik korrekt zu machen, soll die Syntax verändert werden,

nämlich познакомиться в Армии. Das Beispiel zeigt, wenn eine Abweichung auf

einer Ebene vorkommt, dann kann es auch zur Änderung auf anderer Ebene führen.

Deswegen gelten die Abweichungen in den Beispielen (58) und (59) als

Abweichungen auf zwei Ebenen.

Eine seltsame Abweichung kann man im Beispiel (60) bei dem Verb

считать (halten für) beobachten:

(60) Х: Мой родной язык, я считаю немецким.

*Für Deutsch halte ich meine Muttersprache.

In dem theoretischen Teil, der dem Thema „Valenz“ gewidmet wurde, wurde das

Thema der semantischen Rollen kurz erläutert. Das Verb считать ist dreistellig und

fordert eine Nominativ-, eine Akkusativ- und eine Instrumentaldependenz. Formal

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besitzt das Verb im Beispiel (60) alle drei Aktanten, aber nach dem Sinn werden sie

falsch verwendet. Der Proband hat die Aktanten verwechselt. Das Argument

немецкий (das Deutsche) soll als Patiens auftreten, weil es von der Handlung des

Agens я betroffen und verändert wird. Das Agens schließt den Schluss über Patiens

und bestimmt bzw. bewertet es als родной язык (Muttersprache). Deswegen soll als

Akkusativergänzung das Wort немецкий (Deutsch) vorkommen und als im

Instrumentalstehende Bewertungsergänzung die Wortverbindung мой родной язык.

Richtig ist: немецкий я считаю моим родным языком.

Eine andere Abweichung bei dem Verb работать (arbeiten) demonstriert

das Beispiel (61):

(61) Pe.: […] Вот этой профессией и работаю.

[…] Das ist mein Beruf.

Das Verb работать fordert als zweiter Aktant ein Instrumentalobjekt, wenn es um

die Berufe geht. Alle formalen Rahmen des Verbs работать sind erfüllt, aber in der

Phrase des Beispiels (61) erscheint keine Berufsbezeichnung, sondern selbst das

Wort профессия (Beruf). Im Russischen gibt es eine feste Wortverbindung

работать по профессии. Im Korpus kommt die Phrase работать по профессии elf

Mal vor und die Wortverbindung работать профессией erscheint gar nicht. Diese

Abweichung kann man auch als eine Abweichung an der Grenze von zwei Ebenen

betrachten.

Nächste zwei Beispiele (62) und (63) kann man auch als Transfer bezeichnen,

weil sie aus dem Deutschen übertragen wurden. Im Beispiel (62) kommt das Verb

висеть (hängen) vor.

(62) Al.: Мне кажется большинство так аусидлеров, которые приехали они в таком как Zwischenstadium все висят.

Mir scheint es, dass die Mehrheit der Aussiedler, die hierher gekommen sind, in so einem Zwischenstadium schwebt.

Das Verb висеть ist normalerweise zweistellig und verlangt ein Nominativargument

und ein Argument, das Ort bzw. Platz zeigt, wo etwas hängt. In diesem Beispiel als

zweites Argument tritt das deutsche Wort Zwischenstadium auf. Im Russischen heißt

es „промежуточная стадия“. Im Russischen gibt es keinen Ausdruck висеть в

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промежуточной стадии. Das, was der Sprecher mit dem Satz des Beispiels (62)

ausdrücken wollte, soll im Russischen anders ausgedruckt werden, nämlich быть

(находиться, оказываться) в подвешенном состоянии. Die Struktur des Satzes

im Beispiel (62) soll aus dem Deutschen übertragen zu sein, nämlich schweben in

einem Zwischenstadium. In dem Beispiel (62) ist wieder eine semantisch-

syntaktische Abweichung zu sehen, die man für Transfer halten kann.

Im Beispiel (63) kann man eine ähnliche Abweichung wie im vorigen Beispiel

beobachten:

(63) О: […]я не знаю, в Sozialamt ходим или куда-нибудь ещё, просто, чтоб просто ээ Bewusstsein, мне это слово на русском не входит.

[…] ich weiß nicht, wir gehen ins Sozialamt oder sonst irgendwo noch, dass einfach äh Bewusstsein, mir fällt das Wort auf Russisch nicht ein.

Das Verb входить besitzt solche Struktur, welche im Beispiel (63) präsent ist,

nicht.31 In der markierten Phrase in dem Beispiel (63) handelt es sich um die

deutsche Redewendung mir fällt das Wort nicht ein. Das russische Äquivalent wäre

entweder мне не приходит на ум oder мне не приходит в голову32. Diese

Abweichung gilt auch als Transfer, obwohl das Wort einfallen als входить nicht

übersetzen sein kann. Der Sprecher hat einfach gerade Bedeutung des Wortes

einfallen genommen und übersetzt. Das Wort einfallen kann mit den Wörtern

вторгаться, врываться übersetzt werden. Die Wörter вторгаться und входить

können als semantisch identisch betrachtet werden. Die Wörter вторгаться und

входить bedeuten проникать куда-либо, aber mit dem Unterschied, dass das Wort

вторгаться ein bisschen stärker ist und bedeutet насильственно, с силой войти

(Ožegov/Švedova 2005, 97). Deswegen wird dieses Beispiel als Transfer behandelt.

Im folgenden Beleg kommt das Verb ставить (stellen) vor. Das Verb ist

zweistellig und eine Nominativ- und Akkusativdependenz fordert.

(64) Pe.: […] из-за того, что я не знал и никто не объяснил толком мы не пошли на эти курсы оттобеники сразу, ну не поставили антраг, попали на простые курсы, которые нам практически ничего не давали.

[…] da ich nicht gewusst habe und niemand uns erklärt hat, haben wir nicht die Otto Benecke-Sprachkurse sofort besucht, wir haben keinen Antrag

31 Vgl. Apresjan/Pall (1982), Andreyeva-Georg/Tolmacheva (1975), Demidova (1969). 32 http://www.lingvo.ru/

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gestellt, dann sind wir in die andere Kurse geraten, die uns fast nichts gebracht haben.

Als zweite Ergänzung tritt das deutsche Wort Antrag auf, was im Russischen

заявление heißt. Im Russischen existiert die Wortverbindung ставить заявление

nicht. Man sagt normalerweise подавать заявление. Diese Abweichung wird für

eine semantische Abweichung und für einen Transfer gehalten, weil es im Deutschen

die Wortverbindung Antrag stellen korrekt ist und sehr breit verwendet wird.

Im nächsten Kapitel werden Ergebnisse gegeben und Auswertung der Daten

dargestellt.

5.4. Ergebnisse und Auswertung der Daten

Im vierten Kapitel der Arbeit wurden drei Ziele dieser Forschung skizziert. Erstes

Ziel war zu beweisen, dass die Valenzstrukturen des Russischen von dem russisch-

deutschen Sprachkontakt beeinflusst und verändert werden. Es ist auf mehreren

Beispiele die oben dargestellt und analysiert wurden, zu sehen. Um die Ergebnisse

übersichtlicher zu machen werden alle Abweichungen in zwei Tabellen präsentiert.

In jeder Tabelle wird die wichtigste Information zu den Probanden gegeben, nämlich

Einreisealter, Aufenthaltsdauer in Deutschland, dann kommen Spalten, in denen die

Zahl verschiedener Abweichungen angegeben wird. Syntaktische Abweichungen

werden in den Tabellen in zwei Gruppen geteilt, und zwar „Transfer“ und „nicht

Transfer“. Unter „nicht Transfer“ werden Abweichungen unbekannter Herkunft

verstanden. In der letzten Spalte werden alle semantischen Abweichungen gezählt

und vorgestellt. In der letzten Zeile jeder Tabelle werden alle Abweichungen je nach

Spalten gerechnet und die Summe geschrieben. Bei den zweiten und dritten Spalten

wird der Durchschnitt gerechnet.

In der ersten Tabelle, die als Gruppe 1 bezeichnet wurde, werden die

Abweichungen gezählt, die bei den Probanden vorkommen, die als Erwachsenen

nach Deutschland kamen.

Tabelle 2: Gruppe 1 (Einreisealter über 18 Jahre alt)

Proband Einreisealter Aufenthaltsdauer Syntaktische VA

Semantische VA

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Transfer nicht Transfer

Ta. (w) 45 4 -- -- -- Wa. (m) 44 8 -- -- -- N. (w) 36 12 -- -- 1 Pe. (m) 34 15 -- -- 2 Sa. (m) 22 10 -- -- -- Ad. (m) 20 14 -- -- 2 Na. (w) >18 >4 -- 4 --

SUMME ~31 ~9,6 0 4 5

In der Tabelle 3 sind Ergebnisse der zweiten Gruppe vorgestellt. Zu der zweite

Gruppe gehören Probanden, die im jungeren Alter ihre Heimat verlassen haben.

Tabelle 3: Gruppe 2 (Einreisealter zwischen zwölf und drei Jahre alt)

Proband Einreisealter Aufenthaltsdauer Syntaktische VA

Transfer nicht Transfer

Semantische VA

A. (w) 12 9 1 2 -- O. (w) 11 13 4 5 2 X. (m) 9 19 -- 3 6 Al. (m) 9 15 4 4 3 Z. (w) 9 13 4 2 3 Ma. (w) 9 9 1 3 1 An. (w) 3 13 7 1 --

SUMME ~9 ~13 21 20 15

Wenn man beide Tabellen vergleicht, dann ist es deutlich zu sehen, dass bei der

zweiten Gruppe mehr Abweichungen vorkommen, als bei der ersten.

Das zweite Ziel dieser Arbeit war versuchen zu erklären, welche Gründe die

Valenzveränderungen haben können. Bei den Abweichungen, die Transfer genannt

wurden ist es deutlich klar, dass diese Abweichungen von dem Sprachkontakt

hervorgerufen wurden. Diese Transfers wurden aus dem Deutschen genommen und

ins Russische übertragen. Es ist bekannt, dass je junger der Sprecher ist, desto besser

kann er eine Fremdsprache beherrschen und nach einiger Zeit kann die Fremdsprache

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als Hauptsprache verwendet werden. Solches Phänomen wird von Wissenschaftlern

Sprachwechsel genant. Die eigene Sprache benutzt der Sprecher auch, aber sie ist

durch die Fremdsprache beeinflusst. Nach Thomason (2001) beim Sprachwechsel

werden wenige Wörter und mehr Struktur in die Fremdsprache übertragen. Bei der

Entlehnung werden dagegen mehr Wörter und weniger Struktur in die eigene

Sprache übernommen.

Mit den semantischen Abweichungen ist es auch meistens klar, dass sie aus

dem Deutschen übernommen wurden. Semantische Abweichungen kommen oft dann

vor, wenn die Probanden irgendwelche Realien beschreiben möchten. Sie

übernehmen dann nicht nur das Lexem, sondern auch die ganze Struktur, z. B.

Ausbildung machen. Im Russischen gibt es natürlich das Äquivalent für das Wort

Ausbildung, z.B. das Wort образование. Aber das russische Wort hat ein bisschen

andere Konnotationen, als das deutsche Wort Ausbildung. Die Probanden

übernehmen oft solche Konstruktionen. Aber diese Erklärung überlappt nicht alle in

der Arbeit aufgetauchte Abweichungen. Aber einzelne Beispiele wurden schon

erläutert und hier will man nur allgemeine Tendenzen schildern. Viele

Abweichungen kommen bei dem Verb делать (machen). Das deutsche Verb machen

hat größere semantische Distribution, als das russische Verb делать.

Bei den syntaktischen Abweichungen unbekannter Herkunft, die häufiger als

Transfers vorkommen, ist es nicht so eindeutig. Der Sprachkontakt zerstört die erste

Sprache und der Sprecher ist manchmal unsicher, manchmal trägt er die deutsche

Strukturen über. Manchmal sagt er etwas, was im Russischen falsch ist und im

Deutschen auch nicht existiert, d.h. dass der Sprachkontakt beeinflusst die Sprache

des Sprechers und seine Sprachkompetenz wird schwächer. Solche Abweichungen

zeigen vielleicht Unsicherheit bei dem Umgehen mit der Sprache. Wenn der Mensch

eine Sprache nicht sehr oft benutzt und andere Sprache sehr oft spricht, dann vergisst

er einige Strukturen und Wörter der ersten Sprache. Polinsky (1997) beschreibt das

American Russian und redet über die Erosion des Kasussystems. Vielleicht können

auch in dieser Arbeit vorkommende Abweichungen für Erosion des Russischen

sprechen.

Das dritte Ziel dieser Forschung war zu bestimmen unter welchen

Bedingungen die Verbvalenz beeinflusst und verändert wird. Aus der Tabellen 2 und

3 folgt, dass mehr Valenzabweichungen bei Probanden der zweiten Gruppe

erscheinen. Man konnte angenommen werden, dass die Aufenthaltsdauer in

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Deutschland sehr stark die Zahl der Valenzabweichungen beeinflusst. Aber die

durchschnittliche Aufenthaltsdauer in beiden Gruppen nicht so rasant anders ist. Zum

Beispiel enthält Rede der Probandin Na. vier Valenzabweichungen, aber sie lebt in

Deutschland weniger als andere Probanden der ersten Gruppe.

Als weiterer Faktor kann man auch Einreisealter nennen. Im Kapitel vier

wurde als Forschungshypothese der vorliegenden Arbeit die Vermutung genannt,

dass das Kriterium der Einreisealter eine sehr wichtige Rolle bei den

Valenzabweichungen spielt. Nach Ergebnissen, die in der Tabellen 2 und 3

dargestellt sind, stimmt die Hypothese vollständig, nämlich je kleiner die

Einreisealter einer Proband ist, desto unstabiler seine Erstsprache ist und deswegen

wird seine Sprache, in dem Fall das Russische sehr stark von dem Deutschen

beeinflusst. Aber gibt es vielleicht noch irgendwelche Variabeln, die die Verbvalenz

des Russischen beeinflussen, z.B. die Tatsache welche Sprache die Testperson öfter

spricht und ob die Testperson auch Kontakte zu den Menschen aus ihrem Heimatland

noch hat. In der Tabellen 4 und 5 sind diese zwei Variabeln dargestellt und die Zahl

der syntaktischen und semantischen Valenzabweichungen gerechnet und für

Übersichtlichkeit gegeben. In der Tabelle 4 kommen die Ergebnisse der ersten

Gruppe und in der fünften Tabelle sind die Daten der zweiten Gruppe präsent.

Tabelle 4 Dominantsprache/Kontakte zur Heimat (Gruppe 1)

Probanden Welche Sprache wird öfter verwendet

Kontakt zu ehemaliger Heimat

Syntakt. VA

Semant. VA

Ta. (w) Deutsch/Russisch regelmäßig – – Wa. (m) Russisch regelmäßig – – N. (w) Russisch regelmäßig – 1 Pe. (m) Russisch regelmäßig – 2 Sa. (m) Russisch sehr oft – – Ad. (m) Russisch – – 2 Na. (w) Russisch regelmäßig 4 –

Tabelle 5 Dominantsprache/Kontakte zur Heimat (Gruppe 2)

Probanden Welche Sprache wird Kontakt zu Syntakt. Semant.

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öfter verwendet ehemaliger Heima VA VA

A. (w) Deutsch – 3 – O. (w) Deutsch regelmäßig 9 2 X. (m) Deutsch – 3 6 Al. (m) Russisch unbekannt 8 3 Z. (w) Russisch wenig 6 3 Ma. (w) Deutsch/Russisch unbekannt 4 1 An. (w) Deutsch – 8 –

Es ist wirklich zu sehen, dass die Probanden der ersten Gruppe häufiger

Russisch reden und mit den Menschen aus ihrem Heimatland regelmäßig

kontaktieren. Die Mehrheit der Testpersonen aus der zweiten Gruppe redet öfter

Deutsch als Russisch und insgesamt deutlich weniger Kontakten zu ihren

Verwandten bzw. Freunden in ihrem Heimatlant haben. Es ist klar, dass die

Bezeichnungen wie regelmäßig, oft und wenig sehr subjektiv sind und werden sich

von einer Person zu einer anderen Person unterscheiden. Aber solche Einschätzungen

können allgemeine Vorstellung liefern, wie oft und wie stark eine Person was mit

dem Russischen zu tun hat. Also, man kann feststellen, dass die Variablen, die in der

Tabellen 4 und 5 dargestellt sind, auch sehr stark die Verbvalenz der Sprecher

beeinflussen.

Aus dem Voraufgehenden folgt, dass die Valenz der Verben von dem

Sprachkontakt beeinflusst wird, wobei die Aufenthaltsdauer spielt nicht sehr große

Rolle. Die wichtigste Bedeutung haben solche Variablen wie Einreisealter,

Dominantsprache, welche Sprache öfter gesprochen wird und die Häufigkeit der

Kontakte zu den Menschen aus der ehemaligen Heimat.

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6. Zusammenfassung

Das Russische der russischsprachigen Minderheit in Deutschland ruft sehr großes

Interesse bei verschiedenen Linguisten hervor. Die Daten der russischen Sprache

liefern viele Informationen über die Sprachphänomene, die von dem Sprachkontakt

verursacht werden. Das Russische der Russischsprechenden in Deutschland wird

sehr stark von dem Deutschen beeinflusst, weil diese zwei Sprachen in einem

engeren und intensiven Sprachkontakt stehen.

Diese Arbeit befasste sich mit den Valenzstrukturen des Russischen, die

durch den Sprachkontakt beeinflusst wurden. Zuerst wurde theoretische Themen

sowie Valenz und Sprachkontakt diskutiert und wichtige Begriffe definiert. Weiter

wurden einige Besonderheiten der sprachlichen Situation, in der die

Russischsprachige leben, dargestellt und einige Motive beschrieben, die die

Sprachmischung bedingen. In dem vierten Teil der Arbeit wurde die Forschung

beschrieben. Als Datengrundlagen galten 14 Interviews, die von Studenten der

Universität Regensburg aufgenommen wurden. Weiter wurden auch Probanden und

ihre Russischkenntnisse beschrieben. Alle Probanden wurden in zwei Gruppen

geteilt. Als Hauptfaktor der Unterteilung gilt Einreisealter. Zu der ersten Gruppe

gehören diejenigen Testpersonen, die nach Deutschland als Erwachsene umgezogen

sin. Die zweite Gruppe bilden Personen, die als Kinder nach Deutschland kamen und

nicht älter als 12 Jahre alt waren. Alle bei den Probanden gefundenen Abweichungen

wurden im fünften Kapitel dargestellt und analysiert. Alle Valenzabweichungen

wurden in zwei Gruppen geteilt, nämlich syntaktische und semantische

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Valenzabweichungen. Ihrerseits wurden syntaktische Abweichungen auch in zwei

Gruppen geteilt, eine von denen „Transfer“ heißt und die andere Abweichungen

unbekannter Herkunft enthält. Semantische Abweichungen wurden in drei Gruppen

geteilt. In der ersten Gruppe kommen semantische Abweichungen bei dem Verb

делать (machen) vor. Die zweite Gruppe enthält semantische Valenzabweichungen,

die bei dem Verb получать (bekommen) auftauchen. Die dritte Gruppe besitzt alle

anderen semantischen Valenzabweichungen. In dieser dritten Gruppe kommen auch

einige Beispiele, die Abweichungen nicht nur auf der semantischen Ebene haben,

sondern auch auf der syntaktischen Ebene. Am Ende der Arbeit wurden alle

Abweichungen in Tabellen zusammengefasst und Schlussfolgerungen gegeben.

In der vorliegenden Forschung wurde festgestellt, dass die Valenzstrukturen

des Russischen durch den Sprachkontakt verändert werden, aber das passiert nicht so

schnell, wie z.B. lexikalische Entlehnungen. Die bei den Probanden vorkommenden

Valenzabweichungen zeigen, dass die Russischkenntnisse der Probanden nicht so

stabil sind und dass sie manchmal deutsche Strukturen übernehmen oder etwas

Eigenes kreieren um die Lücken im Russischen zu füllen. Wie es schon erwähnt

wurde, viele Abweichungen erscheinen nicht durch die Übertragung von deutschen

Valenzstrukturen, sondern nach unbekannten Gründen. Das Vorhandensein der

Abweichungen unbekannter Herkunft spricht dafür, dass die Erosion des Russischen

vorhanden ist.

Diese Beispiele zeigen uns, dass die Russischkenntnisse der Probanden nicht

so stabil sind und dass sie manchmal deutsche Strukturen übernehmen und ins

Russische übertragen. Manchmal geht es nicht über die Übertragung, aber die falsche

Verwendung der russischen Strukturen zeugt davon, dass die Erosion oder das

Vergessen des Russischen vorhanden ist.

Der alltägliche Sprachkontakt beeinflusst die individuelle Sprachkompetenz

der Probanden, aber nicht gleichmäßig. Das gilt vor allem für die Verbvalenz. Die

Valenzstrukturen werden von dem Sprachkontakt beeinflusst, wobei die

Aufenthaltsdauer nicht sehr große Bedeutung hat. Die wichtigste Rolle spielt das

Einreisealter. Bei den Probanden der zweiten Gruppe sind mehr Abweichungen zu

finden. Außer der Variable des Einreisealters werden auch solche Variablen wie

Dominantsprache und die Häufigkeit der Kontakte zu den Menschen aus der

ehemaligen Heimat für wichtig gehalten. Unter der Dominantsprache wird die

Sprache verstanden, die der Sprecher häufiger spricht.

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Die in der vorliegenden Arbeit vorgestellte Forschung hat bewiesen, dass der

russisch-deutschen Sprachkontakt die Valenzstrukturen des Russischen beeinflusst

und als Hauptfaktor das Einreisealter gilt.

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