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Vereinigung Sudetendeutscher Familienforscher VSFF e.V. Regensburg Band XIV/Heft 2 Dezember 2015 ISSN: 0943-8807 Einzelpreis: 5,- €

Vereinigung Sudetendeutscher Familienforscher VSFF e.V ...€¦ · Werner, Edmund „Hennersdorf bei Deutsch Gabel“ Entstehung und Untergang ein Heimatbuch 1990 2. Auflage 238 S

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  • Vereinigung

    Sudetendeutscher

    Familienforscher

    VSFF e.V.

    Regensburg

    Band XIV/Heft 2

    Dezember 2015 ISSN: 0943-8807 Einzelpreis: 5,- €

  • Inhalt Seite Zwanzig Jahre Vertreibung 1965 – Und nach siebzig Jahren… Dr. Michael Popović 1 Schilderung einer gescheiterten Auswanderung Manfred Rimpler 2 Zur Bedeutung des Heimatscheins, Heimatrechts und der Gemeindezugehörigkeit in der K.u.k.-Monarchie und der Ersten Tschechoslowakischen Republik. Dr. Michael Popović, Eppstein 6 Lukas Cranachs „Antonius, der Einsiedler“ Isolde Foh nach Josef Kern 12 Franz HOENIG, sein afrikanisches Intermezzo und eine ungeklärte Begegnung im Gymnasium im Schloss von Mährisch Schönberg. Piet Hoenig 13 Johann Michael Friedrich zurück in Tannwald Heinrich Friedrich 18 Buchbesprechung: Böhmisches Glas im Wandel der Zeit – von Rudi Hais Manfred Rimpler 21 Glasmacherlinien Seidl im Böhmerwald um Seewiesen, Gutwasser und Haidl Hermann Seidl 22 Ein Stück Heimatgeschichte Emil Richter 24 Ada Neumann, geborene Ressel aus Heinersdorf an der Tafelfichte (Böhmen) und die Familie Kuhn – Genealogische Verbindungen zum Adelshaus Lippe-Biesterfeld und Königshaus der Niederlande Peter Neumann 26 Kriegsmatriken 1. WK 1914-1920 der K.u.K. österr. ungar. Monarchie Herbert Brantner 35 Bitte der Schriftleitung 37

    Die „Sudetendeutsche Familienforschung“ (SFF) mit der Beilage „Mitteilungen“ erscheint in 2 Ausgaben pro Jahr

    (Juni und Dezember). Sie soll ein Forum sein für alle, die sich für die Familienforschung im Sudetenland interessieren

    und diese unterstützen möchten. Sie steht insbesondere allen Mitgliedern der VSFF für Beiträge, Anfragen etc. offen.

    Redaktionsschluss ist jeweils Ende März und Ende September. Schicken Sie bitte Ihre Beiträge als Word-Datei auf Diskette (3 1/2 Zoll) oder auf CD, als Anhang an eine E-Mail, evtl. auch als maschinengeschriebenen Text (muss sich

    zum Scannen eignen) an die Schriftleitung – Anschrift siehe unten (Herausgeber). Handschriftliche Manuskripte können nur in Ausnahmefällen angenommen werden.

    Die Schriftleitung behält sich das Recht zur redaktionellen Bearbeitung und Kürzung vor. Ein Vorabdruck ist nur bei Vorlage eines ausreichend frankierten Freiumschlags möglich. Gleiches gilt für die Rücksendung von unaufgefordert

    eingesandten Skripten, Fotos, etc. Jeder Verfasser ist für Wortlaut und Inhalt seiner Veröffentlichung verantwortlich. Bei Grafiken, Bildern etc. gehen wir

    davon aus, dass die Rechte beim Verfasser/Einsender liegen, oder dass diesem eine Genehmigung zum Ab-druck vorliegt.

    Herausgeber: Vereinigung Sudetendeutscher Familienforscher VSFF e.V. Regensburg

    1. Vorsitzender: Gregor Tumpach, Schriftleitung: Dr. Michael Popović • [email protected], [email protected]

    Versand: Sudetendeutsches Genealogisches Archiv, Landshuter Straße 4, D-93047 Regensburg

  • Bücher, Zeitschriften zum Verkauf – Dubletten Bestellungen bei: [email protected] oder schriftlich bei:

    Sudetendeutsches Genealogisches Archiv, Landshuter Straße 4, D 93047 Regensburg

    Dies ist wieder nur ein Auszug. Die vollständige Liste findet sich auf unserer Netzseite www.sudetendeutsche-familienforscher

    Bücher zum Verkauf

    Das Angebot an Büchern musste wegen Platzproblemen im Archiv verringert werden, wird aber

    wieder ausgeweitet. Dies ist also eine vorläufige Liste, im Übrigen auch nur ein Auszug. Die

    vollständige Liste findet sich auf unserer Netzseite.

    www.sudetendeutsche-familienforscher unter „Zentrale Einrichtungen – Verkauf“

    Nicht auf der Liste stehen die eigenen Publikationen der VSFF, die Sie auf der Netzseite unter

    „Zentrale Einrichtungen/Publikationen“ mit Preisangaben finden.

    Bestellung per Email: [email protected] oder schriftlich bei:

    Sudetendeutsches Genealogisches Archiv, Landshuter Straße 4, D 93047 Regensburg

    Arbeitskreis Haider Buch „Haid und das Haider Land – Vergangenheit in Bildern“ 1988 752 S. 15,- Arbeitskreis Uschauer Heimatbuch „Gemeindechronik Uschau im Bez. Tachau (Egerland) in Wort und Bild“ 254 S. 25,- € Axmann, Willi u.a. Ortsrat der Stadt Hostau „Bezirk Hostau“ 1977 680 S. 35,-€ Bergmann, Alois Dr. „Die Schmiedkreuze in Westböhmen“ Egerlandhaus 1926 77 S. 15,-€ Einband lose Blau, Josef „Die Glasmacher im Böhmer- und Bayerwald“ II Bd. Familienkunde – Verl. M. Lassleben Kallmünz 1956 unbeschnittene Ränder 278 S. 35,-€ Eckert, Alfred „Die deutschen evangelischen Pfarrer der Reformationszeit in Nord- u. Ostböhmen“ 1977 - 168 S. 12,-€ Eckert, Alfred „Die deutschen evangelischen Pfarrer der Reformationszeit in Nord- u. Ostböhmen“ 1977 - 168 S. 12,-€ FOH, Isolde geb. Langer "ORTSFAMILIENBUCH LEWIN" im Kreis Leitmeritz - Sudetenland/Böhmen. Auf der Seite http://wiki-de.genealogy.net/Lewin_2013,_OFB finden Sie eine Beschreibung sowie ein Namen,-u. Ortsregister zum Buch. Preis 22,- € (Neu) plus 2,40 € Versandkosten. Hier ein Lesezeichen zum Buch. Foh LEWIN Lesezeichen PDF Gerschwitz, Matthias "Der große Aussiger" - Eine Annäherung an Johann Schicht und sein Lebenswerk - Berlin 2011 128 S. 15,-€ Heidenreich, Frater Matthäus, Johann Nep. „Heimat - Albersdorf“ Chronik einer Gemeinde – Kreis Tachau Regensburg 1971 255 S. 25,-€ Heimatverein Dux " Stadt und Landkreis Dux" Herausgeber: Heimatkreisrad Dux Mildenberg 1965 15,-€ Janka, Paul „„Die Flurnamen der ehemaligen Gerichtsbezirke Staab, Dobrzan, (Wiesengrund und Tuschkau“ Veröffentl. u. Herausgeber – Sudetendeutsches Archiv. Umschlag lose Blätter 206 S. 15,-€ Korb, Gerhard Hrsg. Personenverzeichnis zu: Das 1. Bergbuch 1518-1520 von St. Joachimsthal 48 S. 2,-€ ( 3x) Korb, Gerhard Hrsg. Personenverzeichnis zu: „Graslitzer Bergbuch“ 1590 – 1614 28 S. 2,-€ ( 3x) Kühnel, Josef "Geschichte der Stadt Schlackenwerth" 1923 - saubere gebundene Kopie - sehr schön 265 S. plus 22 Seiten Urkunden und Belege sowie 28 S. Anhang - Besiedlung der Umgebung und der Stammtafel der Grafen Schlick 40,-,€

  • Kühnl, Lutz „1. Heiratsbuch von St. Joachimsthal 1531 – 1554“ (01.01.1531 – 03.02.1554 evang.) VSFF Jahrbuch 2012 199 S. 16,-€ Landwehr von Pragenau, Kurt „Die Familie Landwehr von Pragenau“ Regensburg 1972 Exempl. Nr. 50 Selbstverlag 85 S. 25,-€ Lehmann, Friedrich „Der Wandel der Ortsnamen in den ehemals deutsch besiedelten Gebieten der Tschechoslowakei“ Biblion Verlag 1999 227 S. gebundene Kopie 25,-€ Liebel, Franz Heimatkreis Bischofteinitz (Hrsg.): Unser Heimatkreis Bischofteinitz. Mit den deutschen Siedlungen im Bezirk Taus. Furth i.W.1967. 992 S. zahlreiche Bilder und Karten. Ausgabe 1983 35,-€ Maaz, Rainer „ Familien im Kirchsprengel Schönlinde“ 2 Bd. a ca. 250 S. 72,-€ (Mitgl. fragen nach) Magerl, Georg, Hrsg. „Chronik von Wusleben-mit Personen u. Familienliste“ -1987-168- 15,- € Meister, Helga "Das Taufbuch der Pfarrei Tachau" 1669 -1706 150 S 25,-€ Meister, Helga "Das Hochzeitsbuch der kath. Pfarrei Tachau" 1669 - 1706 127 S 25,-€ Meister, Helga „Taufbuch – Hochzeitsbuch – Totenbuch der kath. Pfarrei Tachau 1707 – 1716“ 25,- € N.N.: „Zwischen Aussig und Regensburg, Die Lackfabrik Seiche in Aussig“. Regensburg 1981, Privatdruck gebunden 103 S. + 10 S. Fotos 15,-€ Nadler, Josef „Das Schrifttum der Sudetendeutschen. I. - Bis zur Schlacht am Weißen Berge“ -Habbel, 1924 188 S. 10,-€ Pfeifer, Wilhelm „Das Heimatkreis Schluckenau im nordböhmischen Niederland“ (Biographischer Teil. E.Marschner) ca. 1977 288 S. 25,-€ Purtauf, Otto VSFF – Hrsg. „Die Mühlen im Kreis Marienbad - Geschichte, Besitzer, Bilder und Pläne“ 2008-72 S. VSFF Sonderheft 2008 12,-€ Ribbe, Wolfgang – Hennig, Eckart „Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung“ Verl.Degener & Co. 679 S 2001 12,-€ Riepl, Reinhardt „Wörterbuch zur Familien und Heimatforschung in Bayern und Österreich“ 2. Aufl. 2004 451 S. 20,- € (2x) Schmidt, Theoderich „ Graslitz. Die Bevölkerung einer sudetendeutsche Stadt einst und jetzt-Kolb-Verlag, Karlstein am Main-1983- 372 S. 35,-€ Verein zur Förderung der Stadt Leitmeritz (Herausgb.) „1227 – 1927 Stadt Leitmeritz – Festschrift 700 Jahre Leitm.“ Leinen 1927 – mit Widmung des Bürgermeisters 192 S 20,-€ Wagner, Eduard „Aussig – Bilder aus der geschichtlichen Entwicklung der Stadt“ 1923 Beckers Buchhandl. Leinen 144 S. 12,-€ Weishar, Karl „Pfraumberger Chronik“ -1985- 332 S. 28,- € Weizsäcker, Wilhelm „Das Graupner Bergbuch von 1530, nebst einem Bruchstücke des Graupner Bergbuchs von 1512, Reichenberg und Komotau 1932,285 S. 100,-€ Werner, Edmund „Hennersdorf bei Deutsch Gabel“ Entstehung und Untergang ein Heimatbuch 1990 2. Auflage 238 S mit Karte 45,-€ Weschta, W. Dr. „ Kladrau - Geschichte des Klosters u. de Stadt“ Heimatkr. Mies - Pilsen e.V.-1966- 255 S. 12,- € Zerlik, Otto - Pleier, Josef - Keil, Ernst „Die Karlsbader Landschaft“ Herausgegeben vom Heimatverband der Karlsbader e.V. ca 980 S. ohne Karte, -beschädigt 1974 45,-€

    Sonderangebot VSFF – SGA „Meine Familie - Herkunft, Vorfahrenzweige, Schicksale“

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    Restbestände der CD „Abdecker und Scharfrichter in Böhmen“ von Johannes Bröckl, Christine

    Obermeier und Reinhard Riepl. CD mit 4500 Dateien bzw. Familienblättern mit einem Beiheft.

    16,00 € + Porto

  • 1

    Zwanzig Jahre Vertreibung 1965 – Und nach siebzig Jahren…

    Nicht nur Familien- und Ahnenforscher sammeln.

    Briefmarkensammlern, vor allem den von Flucht und

    Vertreibung betroffenen, dürfte die Briefmarke „Zwanzig

    Jahre Vertreibung“ in Erinnerung sein. Sie zeigt eine

    Gruppe von Heimatvertriebenen. Dieses Motiv, bereits

    1955 in anderer Farbe (bräunlichrot) herausgegeben1,

    führte zu einem Postkrieg zwischen der Bundesrepublik

    Deutschland und den Ostblockstaaten.2 Schon die Marke

    "10 Jahre Vertreibung" wurde von den Staaten im

    Ostblock beanstandet, da dieses Thema wegen des

    "großen Bruders" UdSSR politisch problematisch war.3

    Den Kabinettsprotokollen der Bundesregierung der

    Bundesrepublik Deutschland ist von der 178.

    Kabinettssitzung am 1. September 1965 zu entnehmen:

    [D.] „Briefmarke zwanzig Jahre Vertreibung“

    Staatssekretär Dr. Steinmetz unterrichtet das Kabinett

    darüber, daß von polnischer Seite mitgeteilt worden sei,

    daß ab sofort Sendungen mit dieser Briefmarke

    beschlagnahmt werden . Es sei zu erwarten, daß auch die

    Tschechoslowakei in gleicher Weise verfahren werde. Eine

    offizielle Mitteilung liege allerdings seitens der CSSR noch

    nicht vor. Das Kabinett sieht nach Erörterung keinen Anlaß

    zu einer Änderung seines bisherigen Standpunktes.4

    So geschah es denn auch: Die Regierung der ČSSR

    verfügte, dass Briefe mit dieser Briefmarke nicht mehr

    zugestellt wurden. Dies ist auf diesen Briefumschlägen

    zu sehen.

    Die Republik Polen, die Slowakische Republik, die

    Tschechische Republik und die Republik Ungarn

    gehören heute zu der „Visegrád-Gruppe“ (V4).

    Unsere Zeitschrift ist nicht das Publikationsorgan für aktuelle politische Kommentare.

    Dr. Michael Popović, Schriftleiter

    1 20 Jahre Vertreibung Graphics by Hahn und Lemke Ausgabepreis: 20 Pfennig First Day of Issue / Erstausgabetag: 28. Juli 1965 Michel-Katalog-Nr: 479. Zugriff unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Briefmarken-Jahrgang_1965_der_Deutschen_Bundespost#/media/File:DBP_1965_479_Vertreibung.jpg am 12.11.2015 2Zugriff unter: http://www.briefmarken-bilder.de/brd-briefmarken-1965/fliehende-menschen-20-jahre-vertreibung am 12.11.2015 3 Zugriff unter: http://www.briefmarkenwissen.de/krieg/10ver.html am 12.11.2015 4 Zugriff unter: http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/01/k/k1965k/kap1_2/kap2_34/para3_4.html am 12.11.2015

  • 2

    Schilderung einer gescheiterten Auswanderung Manfred Rimpler

    Ein amerikanisches Bild 5

    Am 18. März 1857 hatte ich Gelegenheit, im städtischen Arrestgebäude zu Böhmisch Leipa in Nordböhmen eine Familie zu sprechen, welche die weite Reise aus Amerika nach Mähren, ihrer Heimat, in dem erbärmlichsten Zustande macht. Ein Mann im kräftigsten Alter, Messerschmied von Profession, dessen Eheweib und ein dreijähriger hübscher Knabe sind die Familienmitglieder. Einfach war dieses Mannes Erzählung, welche ich zur Warnung an unerfahrene Amerika-süchtige Landsleute hier mit seinen eigenen Worten folgen lasse: „Vor beiläufig eineinhalb Jahren wurde ich mit 25 anderen Familien meiner Heimat- und einigen Nachbargemeinden von zwei Landsleuten, welche schon früher nach Amerika ausgewandert waren, durch schöne Briefe verlockt, ihnen zu folgen, die Briefe waren voll Lob für Amerika, so dass wir uns ein gelobtes Land dort träumten. Obwohl uns unsere Heimat sehr lieb war, eilten wir, nachdem unser Grund veräußert war, vergnügt davon, um nur bald das gelobte Land zu erreichen. Der großen Reisebeschwerden, die noch größer werden, wenn Kinder in Gesellschaft sind, will ich nicht gedenken, obwohl schon diese jeden Auswanderungslustigen bedeutend abschrecken sollten, und will nur erzählen, wie wir, an 100 Köpfe stark, im Galvestoner Hafen anlangten. Da kamen uns keine Landsleute, keine Menschenfreunde entgegen, sondern Menschen, die unsere Unbehilflichkeit, unsere Unerfahrenheit benützten, uns um manches Geldsümmchen brachten.

    Abbildung 1: Hubert von Herkomer. Die Auswanderer. 1884. Museum der bildenden Künste, Leipzig 1)

    Wir zogen mehrere Tage umher, ehe wir erfahren konnten, wo sich die deutsche Kolonie im Staate Texas befindet. Die unerträgliche, so zu sagen sengende Hitze – denn Texas ist in den vereinigten Nordamerikanischen Staaten ganz südlich gelegen – wirkte auf uns sehr nachtheilig, so dass mehrere von uns, noch nicht am Ziele angelangt, an dem dort wütenden Fieber starben. Endlich traten wir die Reise in das Innere

    5 Deutsche Leipaer Zeitung, 1857, S. 99, S. 107 und S. 108, Archiv im Museum der Stadt Böhmisch Leipa

  • 3

    des Landes an. Unsere Koffer, welche die Habseligkeiten alle bargen, wurden auf schlechten Fuhrwerken fortgeschafft, während wir, mit Kindern beladen, langsam nachzogen; denn die Hitze hemmte jede schleunige Reise, ebenso auch die große Unwegsamkeit. Matt, vom Fieber befallen, verzagt erreichten wir nach mehrtägiger Fahrt, auf der wir keine Herberge, keine Hütte fanden, unser geträumtes – gelobtes Land: Ich werde den Augenblick nie vergessen! Wir standen alle im hohen Grase wie angenagelt; den meisten strömten salzige Tränen über das Gesicht. Anfangs schworen wir unseren Verführern den Tod für diese Verräterei; doch nach und nach legte sich der Groll, und obwohl kein Kirchlein, kein Glöckchen uns an Gott ermahnte, wir brachten ja aus der lieben Heimat den schönen Christusglauben, die schöne Christenlehre mit: den Feinden zu vergeben! Wir versprachen einstimmig, keine Rache an den zwei Verführern zu nehmen, sondern selbe ihrem Schicksale zu überlassen. Ich dachte damals noch weiter. Mein Entschluss war gefasst. Mein übrig gebliebenes Sümmchen verbarg ich im Koffer, und suchte als Taglöhner fleißig zu arbeiten; denn Grund anzukaufen vermochten wir nicht, da ein großer Teil unseres Vermögens auf der Reise bereits aufgegangen war. Wir waren bei unserer Ankunft den Färbigen willkommener als die Sklaven, weil wir kräftiger aussahen. Sonach hatten wir unsere geliebte Heimat, wo wir so glücklich von der Handarbeit lebten, verlassen, um in diesem ungesunden fremden Erdteil gleich Sklaven zu arbeiten; wir hatten unseren freundlichen Dörfern und unseren bequemen Hütten undankbar den Rücken gekehrt, um in dem gelobten Lande zwischen 4 Pfählen, mit langem Grase und Strauchwerk umflochten zu schmachten. Wahrlich, die ihr diese Schilderung leset, verscheuchet jede Auswanderungslust nach dem unsicheren Amerika – wo noch meine zurückgelassenen Landsleute diese Lust schrecklich büßen müssen. Wohl verdiente ich mir täglich ½ Dollar, beiläufig 1 fl. C. M. nach österreichischem Geld, allein die sengende Hitze gestattete es nicht, anhaltend die sechs Werktage durchzuarbeiten. Ich habe vor allen meinen Landsleuten eine Ausnahme gemacht, und zwei Tage der Woche ununterbrochen gearbeitet. Länger hielt ich es jedoch nicht aus, barg mich sodann in meiner Hütte, wo ich mit meinem Weibe und dem kleinen Knaben größtenteils von Kukuruzgries 2) zu leben angewiesen war – denn das Rindfleisch, das wohl sehr billig ist, weil stets mehrere Familien zusammen ein Rind schlachten, ist bei der herrschenden großen Hitze bei weiten nicht so schmackhaft als bei uns. Das Trinkwasser ist meistens gesammeltes Regenwasser aus Zisternen geschöpft, verdickt mit Infusorien3), die Milch bei dem schilfigen Graswuchse weniger wohlschmeckend, das Bier enorm teuer. Was wir besonders schmerzlich vermissten, waren Erdäpfel; denn die, welche wir in unseren Ansiedlungen erhielten, waren so wässrig, dass wir nach jedem kleinen Genusse Übelkeiten bekamen. Die schrecklichen Folgen ließen nicht lange auf sich warten! Unsere Gesellschaft, so kernig und rüstig vor der Auswanderung, zählte traurige Gestalten ohne Lebenslust und Muth; Viele siechten dahin, die in ihrer Heimat ein hohes Alter erreicht haben würden, und nach einem halben Jahre war unsere Zahl um ein Drittel herabgeschmolzen. Besonders starben die Weiber hin weg, und hinterließen den gebeugten mutlosen Männern die schwere Pflicht der Kindererziehung. Kein Wunder war es daher, wenn die Angebote der Farbigen, die Kinder zu kaufen, angenommen wurden. Das einfache dürftige Leben – in unsere Heimat uns eine Last – wäre uns in Amerika ein reiches Leben gewesen. Wie so wohl tut in Leiden ein Trostspruch besonders aus Priesters Mund; allein den mussten wir ganz entbehren. Denn während unseres Aufenthaltes in diesem Jammerlande sahen wir bloß einmal einen katholischen Priester auf seiner Vorüberreise, also fehlten uns Gotteshaus und Kirche, wo wir hätten unser großes Herzeleid ausschütten können, gänzlich. Wie schmerzlich, wenn der Sonntag kam und wir in kein Gotteshaus flüchten konnten! Die Stadt, in der eine Kirche wohl besteht, war weit entfernt. In stummem Hinbrüten, freudlos verbrachten wir den Tag der Andacht. Wie oft kniete ich des Nachts mit meinem treuen Weibe und dem kleinen Knaben unter freiem Himmel! Jeder Stern wurde zur Altarskerze und dahinter spiegelte sich Gottes Antlitz ab, das uns in unserer stillen Betrachtung Trost zuwinkte. Was mich noch mehr schmerzte, als all diese Leiden, war, dass ich meinem Knaben hier nie jede Erziehung verschaffen konnte, die in unserer alten teueren Heimat jedem auch noch so armen Kinde so leicht zu teil werden kann. Wo kein Gotteshaus, kein Priester, da erwartet umso weniger eine Schule und einen Lehrer! Die Gottessaat war hier unter Dornen gesät, glücklich das Körnlein, das aufgeht und gute Früchte trägt. Unserer Jugend gefiel das freie, ungebundene Treiben unter den zahlreichen Viehherden sehr gut; immer wilder wurden die Kinder der Ansiedler, kein Gehorsam, keine Achtung! Der Prügel war der alleinige Bändiger; jeder Familienvater lehrte nach seiner Anschauungsweise.

  • 4

    Ebenso willkürlich ist die Rechtspflege; Jeder ist Gesetzgeber und Vollzieher. Da macht sich der Ansiedler keine Gewissenbisse, wenn er den Dieb in seiner Hütte niederschießt; er scharrt ihm ruhig eine Grube und bedeckt ihn ohne weitere Umstände mit Erde – womit Alles getan ist. Und die Ehe, dieser Grundpfeiler des Staates, wie leichtsinnig wird sie geschlossen! Vor dem Richter – einem Mann von einigem Ansehen in der Kolonie – reichen sich Braut und Bräutigam die Hände, um diese Verbindung am dritten Tage schon wieder zu beheben. – Eine Bibel für das Herz und ein Grundbuch für den Besitz habe ich auch nicht gesehen. So manchen großen Ackerbesitzer habe ich kennen gelernt, der gleich den Knechten die schwersten Arbeiten mit verrichten half, was er in Europa wohl nicht zu tun gebraucht, und wenn er nun die Früchte geerntet hatte, musste er sie erst unter neuen großen Mühseligkeiten nach dem weit entfernten Verkaufsplatze schaffen: wobei er ungeachtet der großen Quantität, bei dem gänzlichen Mangel an Strassen, weniger verdiente, als dies in meiner Heimat bei einer weit geringeren Menge der Fall wäre. Oft hörte ich sie sagen: „Jeder Einwanderer nach Amerika ist ein Thor! Um zu arbeiten braucht er nicht diese weite Reise zu machen. Haarsträubend war die Szene, als ich von meinen armen Landsleuten Abschied nahm. Sie weinten, rangen die Hände, und viele baten mich inständigst, jeden Auswanderungssüchtigen in der teueren Heimat mit diesen erbärmlichen Zuständen bekannt zu machen und erst als ich schwor, dies zu tun, wurden sie beruhigter und gaben sich der Hoffnung hin, diesem Jammerlande auch noch einst enteilen zu können, um, wenn auch als Bettler, daheim das Leben beschließen zu dürfen.“ So weit die Erzählung des Mannes im städtischen Arrestgebäude. Und nun ein Wort an Euch, Ihr Bewohner einiger Nachbardörfer, wo die Auswanderungslust zur Wut gesteigert ist! Wenn Euch ja bessere Schilderungen zugekommen sind, denket an den Erzähler! Wenn auch Distrikte in Amerika vorkommen, wo Ihr glücklicher leben könntet, als in eurer alten Heimat, glaubet Ihr selbe so leicht zu finden? Lasst Euch die Landkarte vorlegen, fahret mit dem Bleistifte darauf herum und machet das Zeichen, wo der glückliche, gepriesene Platz für Euch sein wird. Ebenso schwer ist der zu finden, wie ein Terno 4) zu machen. Wie töricht schon der, welcher ein bedeutende Geldsumme auf drei Nummern setzt – muss nicht der schon ganz vom Teufel besessen sein, welcher seine ganze Wirtschaft, sein hab und Gut auf`s Spiel setzt, um jenen glücklichen Platz zu finden? – Haben Euch eure braven Voreltern die Wirtschaften hinterlassen, dass Ihr selbe so schnöde verkauft, dass Ihr die Liebe zu euren Eltern, zu eurem Vaterlande für Abenteurerlust und Elend aufgebet? Glaubt mir es: schlecht Menschen sind es, die euch verlocken; schlechter als manche Geldspekulanten sind diese lockeren Gesellen. Wenn Euch schon die Wanderlust plagt, so sehet hin auf Österreichs weite, fruchtbare Marken; da könnet Ihr wandern, dass Ihr müde werdet. Ihr findet da noch Bodens genug zu bebauen, und dabei bleibt Ihr Österreichs treue Söhne, welches Euch und euren Kindern Kirchen und Schulen überall öffnet und in jeder Lage väterliche Fürsorge zu teil werden lässt. – Soweit der Bericht aus der Deutschen Leipaer Zeitung. Hintergründe einer gescheiterten Auswanderung

    Im Nachgang zu dieser Eindrucksvollen Schilderung einer gescheiterten Auswanderung möchte ich nun einige Hintergrundinformationen zur Auswanderung in die Vereinigten Staaten bzw. nach Texas anbieten. Eine Statistik über deutsche Einwanderer in die Vereinigten Staaten im Zeitraum von 1850 – 1855 (das ist die Zeitspanne, von der der vorangestellte Bericht handelt) ergibt folgendes Bild:5:)

    Tabelle1 : Offizielle Ankunft deutscher Einwanderer in die Vereinigten Staaten 1850 - 1855

    Diese Aufstellung dokumentiert die absolute Vorrangstellung des Hafens von New York für die deutschen Einwanderer in der damaligen Zeit mit einem Anteil von 76,2 %. Er wurde von Menschen bevorzugt, die ihr Ziel im Osten des Landes suchten oder mit dem Schiff über die Großen Seen etwas nach Chicago wollten. New Orleans, mit einem Anteil von 14,2 %, war der Zielhafen für Einwanderer, die über den

    Zielhafen Schiffslisten Einwanderer

    Schiffe Personen absolut

    Personen in Prozent

    New York 2.096 552.117 76,1539

    New Orleans 353 103.031 14,2111

    Baltimore 286 46.437 6,4051

    Galvestone 11.823 1,6308

    Philadelphia 45 7361 1,0153

    Boston 15 2587 0,3568

    andere - 1.646 0,2270

    Summe 2.795 725.002 100,0000

  • 5

    Mississippi entlang der Siedlungsgrenze zum Indianerland mit einem Flussschiff nach Norden zu reisen beabsichtigten. Galveston war im 19. Jahrhundert der Haupthafen für Einwanderer in Texas und hatte einen Anteil von 1,6 % an der Auswanderung von Deutschen. Die durchschnittliche Zahl der Einwanderer pro Schiff lag bei rund 260 Menschen. Einen guten Überblick über die verschiedenen Auswanderungswellen von Deutschland in die Vereinigten Staaten liefert die folgende Grafik

    Tabelle 2: Deutsche Einwanderung in die Vereinigten Staaten seit 1820 6)

    Die Einwandererschiffe, die aus Europa kamen und in Galveston anlandeten, kamen im Zeitraum von 1844 – 1874 aus den folgenden Hafenstädten: 7)

    Tabelle 3: Liste von Schiffen von Europa nach Galveston (USA) im Zeitraum von 1844 – 1874. Die Tabelle zeigt, dass die meisten Auswanderer, die in Galveston an Land gegangen sind, in Bremen an Bord gegangen sind. Erst an zweiter Stelle folgt der Hafen von Antwerpen, gefolgt vom Hamburger Hafen. Erstaunlich wenige Schiffe kamen aus England.

    Literatur

    1) Das Bild stammt von einer Ansichtskarte. Diese Darstellung wurde auch abgedruckt auch in „Good Bye Bayern. Grüß Gott America. Auswanderung aus Bayern nach Amerika seit 1683“, Seite 241. Haus der Bayerischen Geschichte, 2004. Ebenfalls kann man eine Wiedergabe des Gemäldes finden in: Herkomer. Meisterwerke im Großformat. Hg. Von Hartfried Neunzert. Michael Imhof Verlag 2014, S. 36. – 37. Das Bild zeigt den „Wartesaal“ von Castle Garden, den der Maler selbst durchlaufen hatte. Hubert von Herkomer (1849 – 1914) war als kleines Kind mit seinen Eltern aus Waal bei Landsberg am Lech (Allgäu) 1851 in die USA eingewandert, wo sich die Familie in Cleveland/Ohio niederließ. 1857 kehrte sie zurück nach Europa und lebte in Großbritannien. Hubert von Herkomer erhielt in München und London eine künstlerische Ausbildung und erwarb sich einen Ruf als Zeichner und Kunstjournalist. In seinem Werk bevorzugte er sozialkritische Themen. 2) Aus dem Slawischen übernommene Bezeichnung für Mais 3) Als Infusorien bezeichnet man kleine, sich z. B. im Aufguss von pflanzlichem Material entwickelnde Tierchen. Ein übermäßiges Vorkommen von Infusorien ist im Allgemeinen ein Zeichen für schlechte Wasserqualität, da diese sich von Bakterien und organischen Schwebestoffen ernähren. 4) Terno: Reihe von drei gesetzten oder gewonnenen Nummern im Lotto.

    Herkunftshafen Summe

    Bremen/Deutschland 117

    Antwerpen/Belgien 25

    Hamburg/Deutschland 11

    Liverpool/England 5

    keine Angaben 3

    Summe 161

    https://de.wikipedia.org/wiki/Heuaufgusshttps://de.wikipedia.org/wiki/Bakterien

  • 6

    5) Friedmann Fegert: Auswanderung aus den jungen Rodungsdörfern des Passauer Abteilandes nach Nordamerika seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Tabelle 23, Seite 183. 6) Deutsche Einwanderung in die Vereinigten Staaten seit 1820. aus: Adams, Willi Paul: Deutsche im Schmelztiegel der USA: Erfahrungen im größten Einwanderungsland der Europäer, 3. Auflage Berlin 1994, S. 5 Grafik: H.-J. Kämmer) 7) Internet: Galveston Immigration Database, Indianola Immigrant Database. Dies ist keine komplette Auflistung aller Schiffe, die in diesem Zeitraum nach Galveston gesegelt sind. Viele Aufzeichnungen sind verloren gegangen oder wurden zerstört.

    Einige Informationen wurden dem Buch: "Schiffs-Passagier-Listen: Der Hafen von Galveston 1846 - 1871" entnommen,

    veröffentlicht von der Genealogischen Gesellschaft von Galveston 1984 und wurden von der "Southern Historical Press" herausgegeben.

    Einige Informationen wurden dem Buch entnommen: Böhmische Einwanderung und Einbürgerungsdaten von Texas. Zusammengestellt von Albert J. Blaha mit Daten aus der "Deutschen Auswandererzeitung" aus Bremen.

    Einige Informationen wurden dem Buch entnommen: "Ein neues Land erscheint verlockend" von Chester W. und Ethel H. Geue, veröffentlich 1966. Texanische Presse, Waco.

    Weitere Schiffe, die von Hamburg nach Galveston gefahren sind und in der Zusammenstellung der Galveston Immigration Database und Indianola Immigrant Database nicht enthalten sind, können über das Portal von ancestry.de im Internet gefunden werden.

    Für die Hilfe bei der Auswertung der Daten von Galveston danke ich ganz herzlich Frau Christine Lahde.

    Manfred Rimpler, Berlin E-Mail: [email protected]

    Zur Bedeutung des Heimatscheins, Heimatrechts und der

    Gemeindezugehörigkeit in der K.u.k.-Monarchie und der Ersten

    Tschechoslowakischen Republik.

    Dr. Michael Popović, Eppstein

    Immer wieder taucht bei Ahnen- und Familienforschern die Frage auf, welche Bedeutung die

    Gemeindezuständigkeit, der Heimatschein und das Heimatrecht im Habsburgerreich, Österreich-Ungarn

    und nach dem Ersten Weltkrieg in der ersten Tschechoslowakischen Republik gehabt haben.

    Ausgehend von einem prominenten Fall aus der Kulturgeschichte mit weitreichender politischer

    Bedeutung möchte ich das staatsrechtliche Prinzip der Gemeindezuständigkeit näher erläutern.

    Gemeinsam mit MUDr. Ivan Pfeifer CSc., Prag, bearbeite ich die Geschehnisse in der damaligen

    Tschechoslowakei, die zur Erteilung der Tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft der Familien Heinrich

    und Thomas MANN führten. Eine Kurzfassung des Projektes wurde 2014 veröffentlicht.6

    Thomas SPRECHER, Leiter des Thomas-Mann-Archivs 1994 – 2012, hat in der sehr aufschlussreichen

    Publikation „Deutscher, Tschechoslowake, Amerikaner. Zu Thomas Manns staatsbürgerlichen Verhältnissen“

    1996 im Thomas Mann Jahrbuch Nr. 9 das letztlich erfolglose Ringen der Familien Thomas und Heinrich

    Manns um den Erwerb der bevorzugten Schweizer Staatsbürgerschaft ausführlich beschrieben.

    Erwähnung findet auch die (verworfene) Erwägung Österreicher zu werden. Nach SPRECHERS Schilderung

    hatte Heinrich MANN bereits 1935 von der kleinen Arbeiterstadt Proseč Heimatrecht erhalten. Dies hatte

    Rudolf FLEISCHMANN, Mitglied des Gemeinderats von Proseč, Tisch-, Bett- und Leibwäschefabrikant,

    betrieben. 7

    6 Popović, Michael; Pfeifer, Ivan: Thomas Mann: Die tschechoslowakische Phase der Familie und ihr Exil. Hessisches Ärzteblatt 2/2014, Seite 99 – 100, Zugriff unter: http://www.laekh.de/upload/Hess._Aerzteblatt/2014/2014_02/2014_02_18.pdf http://www.laekh.de/upload/Hess._Aerzteblatt/2014/Literatur_HAEBL_2014_02_03.pdf 7 SPRECHER, Thomas: Deutscher, Tschechoslowake, Amerikaner. Zu Thomas Manns staatsbürgerlichen Verhältnissen. THOMAS

    MANN JAHRBUCH, Band 9, 1996, VITTORIO KLOSTERMANN . FRANKFURT AM MAIN, 303–338.

    http://ghf.destinationnext.com/immigration/Search.aspxhttp://vrhc.uhv.edu/manuscripts/indianola/home.cfmhttp://ghf.destinationnext.com/immigration/Search.aspxhttp://ghf.destinationnext.com/immigration/Search.aspxhttp://vrhc.uhv.edu/manuscripts/indianola/home.cfm

  • 7

    Die Gemeindevertretung von Proseč hatte auf Initiative des Industriellen Rudolf Fleischmann bereits am

    21. August 1935 beschlossen, Heinrich MANN das Heimatrecht zu erteilen. Der tschechoslowakische

    Reisepass Heinrich MANNS wurde am 29.10.1935 ausgestellt.

    Antrag Thomas MANNS an den

    Gemeinderat Proseč auf

    Erteilung der

    Gemeindezugehörigkeit. Quelle

    Museum Proseč.

    1936 Nach dreijähriger

    Zurückhaltung in politischen

    Fragen erscheint MANNS

    öffentliche Absage an das

    nationalsozialistische

    Deutschland in der „Neuen

    Züricher Zeitung“. Thomas

    MANN stellte am 06.08.1936

    den Antrag auf Erteilung des

    Heimatrechts,

    beziehungsweise der

    Gemeindezugehörigkeit an die Stadt Proseč. Ohne das sodann vom Gemeinderat beschlossene

    Domizilrecht in der tschechoslowakischen Gemeinde Proseč wäre für die Familie Mann nach der Flucht

    aus Deutschland in die Schweiz das Exil in den USA nicht möglich gewesen. Das Landesamt in Prag

    erteilte Thomas Mann am 9. November 1936 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. Der Reisepass

    der REPUBLIKA ČESKOSLOVENSKA wurde am 4. Dezember 1936 ausgestellt, mit einer Gültigkeitsdauer

    bis zum 3. Dezember 1941. Vor dem tschechischen Konsul in Zürich legte Thomas Mann am 19.

    November 1936 den Eid für die Einbürgerung ab. Damit nimmt MANN die tschechoslowakische

    Staatsbürgerschaft an und am 02. Dezember 1936 wird ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.

    Weit weniger spektakulär sind die Ergebnisse der eigenen genealogischen Forschungen, die sich auf

    meine namensgebenden Vorfahren beziehen. Seit vielen Jahren war es in meiner deutsch-böhmischen

    Familie von Interesse, wo der Name Popović (Poppović, Poppovich) herkam und wie er seinen Weg in

    eine Familie fand, die in Leitmeritz an der Elbe in Böhmen ansässig war. Fündig war ich bereits in den

    Ahnenpässen meines Vaters und seiner beiden Brüder geworden. Eine besondere genealogische Quelle

    war allerdings der Eintrag in der Heiratsmatrikel der Garnisonskirche von Theresienstadt vom 19.

    September 1860. Dort ist hinsichtlich der Herkunft zu lesen:

    Bräutigam Aaron Poppovic, Feldwebel im k.k. 38ten Lin Inft. Regimente Graf Haugwitz stationiert in

    Theresienstadt, Grosze Kaserne Amtes Kr. Leitmeritz. Ein ehel. Sohn des griechisch nicht unierten † Sabbas

    Poppovic, k.k. Hauptmannes im 8. k.k. Gränzregimente, und der griechisch nicht unierten † Maria geb. Raicic zu

    Goleše, Kr.(eis) Neugradiska in …? griechisch nicht uniert, 32 Jahre, 5 Monate, 25 Tage, lt. Trauschein; geb.

    24.03.1828.

    Der Eintrag über die Vermählung meines Großvaters Georg Reinhold Popović mit Franziska

    Bürgermeister am 04. Juni 1905 im Kirchenbuch des katholischen Pfarramtes Leitmeritz (O, I-O • 1902 -

    1905 • 98/165 • Litoměřice, Seite Nummer 161) enthält die Feststellung zur Heimatzuständigkeit nach

    Rajić, Bez. Novska im Königreich Kroatien-Slawonien.

  • 8

    Auszug Heiratsmatrikel, Stadtkirche Leitmeritz

    (www.soalitomerice.cz: O, I-O • 1902 - 1905 • 98/165 •

    Litoměřice, Seite Nummer 161)

    Der Heimatschein Nr. 541 der Stadtgemeinde

    Leitmeritz bestätigte, dass mein Großvater, der

    Inhaber der Klassenlotteriegeschäftsstelle, das

    Heimatsrecht der Stadtgemeinde Leitmeritz besitzt.

    Quelle: Archiv Dr. Michael Popović

    Im Gespräch mit Prof. Dr. Rudolf GRULICH, Institut für

    Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien

    e.V., am 02.09.2015 wurde deutlich, dass die

    Heimatscheine auch nach dem Zweiten Weltkrieg für

    Flüchtlinge und Vertriebene eine maßgebliche

    Bedeutung besaßen. So war es wesentlich, dass die

    „Volkszugehörigkeit“ (§ 6 BVG) und der ehemalige

    Wohnsitz durch den Heimatschein nachgewiesen

    werden konnte.8

    Das Gesetz über den Lastenausgleich vom 14. August

    1952 (Bundesgesetzbl. f S. 446) definierte in § 11, dass als

    Vertriebener zu gelten hat, wer als deutscher

    Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger

    seinen Wohnsitz in den zur Zeit unter fremder

    Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten oder in

    den Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen

    Reiches nach dem Gebietsstande vom 31. Dezember

    1937 hatte und diesen im Zusammenhang mit den

    Ereignissen des zweiten Weltkrieges infolge Vertreibung,

    insbesondere durch Ausweisung oder Flucht, verloren

    hat.9

    Noch heute kann die Behandlung als deutscher

    Staatsangehöriger insbesondere belegt werden durch

    Staatsangehörigkeitsurkunden

    (Staatsangehörigkeitsausweise, Heimatscheine). Zum

    Datum vom 1. Juni 2015 findet sich diese Bestimmung

    auf Seite 3 in der Anlage zu dem BMI-Rdschr. vom 2. Juni

    2015 an die für Staatsangehörigkeits-und

    Einbürgerungsangelegenheiten zuständigen obersten Landesbehörden.10

    Das Bundesverwaltungsgericht (BVG) hat sich in seinem Urteil vom 13.05.1993 insbesondere mit der

    deutschen Staatsangehörigkeit und der Deutschen Volkszugehörigkeit befasst. Der Leitsatz besagt:

    Zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 1. StARegG aufgrund des Vertrags

    zwischen dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakischen Republik über Staatsangehörigkeits- und

    8 Das Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz (BVFG)), regelt in Deutschland die staatliche Versorgung von Vertriebenen und Flüchtlingen. Die erste Fassung des Gesetzes vom 19. Mai 1953 wurde am 22. Mai 1953 verkündet. 9 Zugriff unter: http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl153s0201.pdf am 03.09.2015 10 Vorläufige Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 13. November 2014 (BGBl. I S. 1714)

  • 9

    Optionsfragen vom 20. November 1938 (RGBl II S. 896) sowie aufgrund der Verordnung über den Erwerb der

    deutschen Staatsangehörigkeit durch frühere tschechoslowakische Staatsangehörige deutscher

    Volkszugehörigkeit vom 20. April 1939 (RGBl I S. 815).11

    In den Entscheidungsgründen spielt der Heimatschein der Stadt Taus als Nachweis der Zugehörigkeit zur

    deutschen Volksgruppe in der Gemeinde Hirschsteinhäusl eine zentrale Rolle. Das BVG beschreibt die

    staatsrechtliche Funktion die mit der Erteilung des Heimatscheins auch in der Ersten

    Tschechoslowakischen Republik zum Ausdruck kam:

    Die Institution des Heimatrechts, die die 1918 gegründete Tschechoslowakische Republik nach Maßgabe

    früherer österreichischer Gesetze übernommen hatte, wurzelte im Polizei- und Fürsorgerecht. Das Heimatrecht

    bewirkte, daß ein Bürger aus seiner Heimatgemeinde nicht abgeschoben werden durfte und dort einen Anspruch

    auf Fürsorge hatte. Das Heimatrecht wurde erworben durch Geburt, Heirat, durch Aufnahme oder Erlangung

    eines öffentlichen Amtes. Es konnte nur in einer Gemeinde bestehen und setzte die tschechoslowakische

    Staatsangehörigkeit voraus. Es war grundsätzlich nicht möglich, daß jemand das Heimatrecht besaß, ohne

    Staatsangehöriger der Tschechoslowakischen Republik zu sein. Der Heimatschein bewies das Heimatrecht und

    begründete eine rechtliche Vermutung der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit.

    Wie vom BVG festgestellt basierte das Tschechoslowakische Heimatrecht auf demjenigen Österreich-

    Ungarns. bzw. des Habsburgerreiches. Im Österreich-Lexikon findet sich zur Heimatzuständigkeit

    folgende Erklärung:

    Heimatrecht, Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Gemeinde. Zunächst wegen der Zugehörigkeit zu

    einer Grundherrschaft bzw. des Bürgerrechts nur subsidiär geltend (Bettlerschub-Patent 1754, Konskriptions-

    Patent 1804), wurde das Heimatrecht durch das Provisorische Gemeindegesetz 1849 zwingend eingeführt.

    Endgültig regelte das Reichsgesetz aus 1863 die Führung einer Matrikel der Mitglieder durch die Gemeinde

    (Heimatrolle) und die Ausstellung von Heimatscheinen. Das Heimatrecht gab den Anspruch auf ungestörten

    Aufenthalt und auf Armenpflege im Falle der Not. Es konnte durch Amtsantritt, Ersitzung (nach 10 Jahren),

    Eheschließung und Abstammung erworben werden; durch 2-jährige Abwesenheit (Verschweigung) konnte man

    es verlieren. 1939 wurde das Heimatrecht in Österreich aufgehoben, an seine Stelle trat nach 1945 der Nachweis

    der Staatsbürgerschaft.12

    Noch heute bestimmt das Österreichische STAATSBÜRGERSCHAFTSGESETZ von 1985 in § 62, dass die

    Gemeinden verpflichtet sind, die auf Grund der Heimatrechtsnovelle 1928, BGBl. Nr. 355, angelegten

    Heimatrollen und die sonstigen heimatrechtlichen Unterlagen, wie insbesondere Heimatmatriken und

    Heimatscheinverzeichnisse, aufzubewahren.13

    Friedrich SWIECENY beschreibt in seinem 1855 erschienenen Buch Das Heimatrecht in den k. k. österreich.

    Kronländern mit constituirten Ortsgemeinden die Grundsätze des Heimatrechts, der Heimatzuständigkeit

    und der Erteilung des Heimatscheins. So erfolgt in § 1 die Begriffsbestimmung des Heimatrechtes:

    Wie das Individuum Mitglied einer Familie, einer Kirchengemeinschaft, eines Staates ist, so erscheint es auch

    einem bestimmten Gemeindeverbande einverleibt. Der Inbegriff der hiedurch begründeten Rechte bildet das

    Heimatrecht. Im gewöhnlichen Verkehre bedient man sich dafür des Ausdruckes der Gemeinde-Zuständigkeit.

    Nach der Terminologie des provisorischen Gemeindegesetzes vom 17. März 1849. §. 14 heißt der dem

    Heimatrechte zum Grunde liegende Zustand die Gemeindeangehörigkeit.

    Für die weiteren politischen Entwicklungen, vor allem nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, ist das in

    §. 16. beschriebene Verhältnis der Staatsbürgerschaft zur Gemeindeangehörigkeit von Bedeutung:

    11 Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 13.05.1993, Az.: 9 C 37.92. 12 Heimatrecht, AEIOU, in: Austria-Forum, das Wissensnetz, http://austria-forum.org/af/AEIOU/Heimatrecht, 21. August 2015 Literatur: R. Thienel, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht, 1993. 13 BUNDESGESETZ ÜBER DIE ÖSTERREICHISCHE STAATSBÜRGERSCHAFT (STAATSBÜRGERSCHAFTSGESETZ 1985 - STBG) BGBL. NR. 311/1985 (WV) IDF BGBL. I NR. 37/2006 http://www.salzburg.gv.at/572-pdf-fg_staatsbuergerschaft2007_bergmueller_poier.pdf

  • 10

    Auch nach den neueren Vorschriften können nur österreichische Staatsbürger Gemeindeangehörge sein.

    Gemeinden sollen an Ausländer, welche sich um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft bewerben,

    bloß das Document über die für den Fall der höheren Ortes erfolgten Verleihung der österreichischen

    Staatsbürgerschaft bedingte Zusicherung der Aufnahme in den Gemeindeverband ausstellen.

    Der zehnjährige Aufenthalt eines Patental-Invaliden an einem Orte begründet das dortige Domicil, wenn

    solcher ohne Bewilligung seiner Obrigkeit vollbracht war.14 Zum Heimatrecht, zur Heimatberechtigung

    und zur Bedeutung des Heimatscheins wurde in dem Werk Staatsbürgerschaft und Vertreibung. Band 7

    von Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission im Jahr 2004 ausführlich Stellung

    genommen.15

    Prof. Dr. Rudolf GRULICH, Institut für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien e.V., überließ mir

    freundlicherweise Heimatscheine von zwei Domkapitularen aus Leitmeritz, die nachfolgend

    wiedergegeben werden. GRULICH wies mich in seinem Schreiben vom 02.09.2015 darauf hin, an diesen

    sei erkennbar, dass in der K. u. k. Monarchie das Kronland Böhmen diese ausstellte, nicht der Kaiserstaat

    oder Cisleithanien. Obwohl es in der ČSR nach 1918 noch Länder gab, war es dann aber der Gesamtstaat,

    der die Bescheinigung der Heimatgemeinde beglaubigte. Vom Domkapitular Zischek gibt es neben dem

    Heimatschein bereits eine Bescheinigung über die Staatsbürgerschaft auf Grundlage eines

    Heimatscheines. Auch für Prof. Dr. GRULICH war neu nach der Suche im Archiv des Instituts für

    Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien e.V., dass im Nachkriegsdeutschland für

    Sudetendeutsche befristete Staatsangehörigkeitsurkunden bzw. Staatsangehörigkeitsausweise

    ausgestellt wurden und dass auf dem Formular auch das durchgestrichene Wort Heimatschein auftaucht.

    GRULICH warf die Frage auf, warum eine Staatsangehörigkeitsurkunde befristet sein könne, wenn nach

    dem Grundgesetz die Staatsangehörigkeit nicht aberkannt werden darf. Schließlich machte GRULICH

    darauf aufmerksam, dass in jedem Schweizer Pass auch vermerkt sei, in welcher Gemeinde der

    Passinhaber einen Heimatschein hat.

    Meine Erklärung für die Streichung des Begriffs „Heimatschein“ in der Staatsangehörigkeitsurkunde der

    Bundesrepublik Deutschland – Staatsangehörigkeitsausweis – von Domkapitular Georg Zischek ist, das

    durch die Einbürgerung (auch: Naturalisation), den Erwerb der Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik

    Deutschland, die Nennung des Begriffs „Heimatschein“ nunmehr entbehrlich, bzw. obsolet geworden ist.

    Zur Befristung möchte ich darauf verweisen, dass die von den Kommunen ausgestellten

    Personalausweise und Reispässe zeitlich befristet sind. Bei diesen endet mit Ablauf der Befristung die

    Staatszugehörigkeit nicht.

    14 SWIECENY, Friedrich: Das Heimatrecht in den k. k. österreich. Kronländern mit constituirten Ortsgemeinden: Eine übersichtliche Darstellung der diesfälligen älteren u. neueren Vorschriften. Verlag von Friedrich Manz, Wien 1855. Original von Bayerische Staatsbibliothek. Digitalisiert 2. Juli 2010. S. 35 - 42 Zugriff unter: https://play.google.com/books/reader?id=s0hDAAAAcAAJ&printsec=frontcover&output=reader&hl=de&pg=GBS.PA42 am. 03.09.2015 15 KOLONOVITS, Dieter; BURGER, Hannelore; WENDELIN, Harald: Staatsbürgerschaft und Vertreibung. Band 7 von Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Band 7 von Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission: Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich Band 7 von Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission: Historikerkommission der Republik Österreich. Staatsbürgerschaft und Vertreibung, Staatsbürgerschaft und Vertreibung Band 7 von Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich Herausgeber: Dieter Kolonovits, Hannelore Burger, Harald Wendelin, Historikerkommission der Republik Österreich. Verlag Oldenbourg, 2004, 504 Seiten

  • 11

    Anhang: Heimatscheine von Dr. Franz Wagner, Pfarrer Schumburg, Domkapitular Leitmeritz. Georg Zischek,

    Kanonikus Leitmeritz, Domkapitular Eichstätt. Quelle: Archiv des Instituts für Kirchengeschichte von Böhmen-

    Mähren-Schlesien e.V., Nidda

  • 12

    Dr. Michael Popović, Eppstein

    Lukas Cranachs „Antonius, der Einsiedler“

    Isolde Foh nach Josef Kern Amerika ist um das Jahr 1000 n. d. Zeitwende von den germanischen Wikingern entdeckt worden. Dann ist es wieder vergessen gewesen, bis es Kolumbus neu entdeckt und damit unserer geschichtlichen Neuzeit die Tür aufmachte zu Amerikas Kartoffeln und Truthühnern, zu Tabak und Mais, zu Rohrzucker, Chinin usw… Das war im Oktober 1492. Zwanzig Jahre vorher, gleichfalls im Oktober den 4. hatte im Oberfränkischen

    der kleine Lukas Müller zum ersten Mal die vier Wände beschrieben und weil es in Kronach geschah, so

    ist aus dem kleinen Lukas Müller (Moler) der große Lukas Cranach geworden, der deutsche Maler der

    Renaissance, der Zeitgenosse, Anhänger, Freund und Porträtist Luthers und Melanchthons.

    Hell flutet die Sonne durch das breite, lichte Schiff des Domes St. Stephan zu Leitmeritz. Stille umfängt

    uns und Kühle. Wir wandern schauend durch den gewaltigen Raum. Erinnerungen über Erinnerungen.

    Da ist eine prunkvolle marmorne Gedenktafel am rechten Pfeiler, Fahnen- und Waffenstarrend, mit

    Heerpauken und Schlachttrommeln. Die hat Maria Theresia ihrem General Radicati (im 7-jährigen Krieg)

    errichten lassen, der der Lobositzer Schlacht zu Opfer gefallen war und der unten in der Gruft jetzt als ein

    armseliges Knochenhäuflein in der Gewölbeecke ruht. Vergessen, was am 1. Oktober 1756 noch Rang,

    Macht und Leben war. So vergeht der Ruhm der Welt!

    Aber da, am nächsten Pfeiler! Wir stehen gebannt: ein wundervolles, großes

    Tafelbild. Leuchtend die Farben, packend die Darstellung. Wir können uns

    nicht sattsehen. Ja, das ist alte deutsche Kunst, in der der Meister

    unvergesslich fortlebt. Ein Denkmal, wie es selbst Kaiserinnen nicht setzen

    können.

    Und der Meister? Lass sehen! Da unten am Rand, von der Mitte etwas links, da

    ist sein Meisterzeichen: Eine geflügelte Schlange mit einem Ring im Rachen:

    Lukas Cranach!

    Der heilige Antonius als Eremit (um 1520/25)

    Mitten hinein in eine deutsche Landschaft in einem Wald, in

    burggekrönte Berge hat er den heiligen Antonius als Einsiedler

    gemalt, in seiner Armutei zwischen Gestrüpp und Geklüft. Welch

    tiefes religiöses Empfinden lässt er in dem Gesicht spiegeln, das

    Cranacher Porträtkunst und Meisterschaft bezeugt. Wie viel tiefen

    religiösen Sinn mag er mit hinein gemalt haben, zwischen rauer

    Kutte, dem schlichten Holzkruzifix und dem schwergoldenen Kreuz

    mit seinen großen Edelsteinen. Wie kühn dieser Romantiker der

    deutschen Renaissance über eine Landschaft voll Innigkeit und

    kristallklarer Natürlichkeit eine Wolke apokalyptischer Mystik als

    Gedankenbild desselben Heiligen webt, das ihn wach sein heißt

    gegen Anfechtung und Versuchung.

    Alles, was Lukas Cranach den Älteren als den deutschesten,

    zeitgenössischen Maler auszeichnet und seine Stellung in der

    Malkunst seiner Zeit zu umreißen imstande ist, ist eigentlich aus

    unserem Bild allein schon abzulesen.

  • 13

    Deshalb ist dieser Leitmeritzer Kunstschatz mit vollem Recht als eines der besten Bilder des Meisters bezeichnet

    worden, um dessen Besitz unsere Stadt von Domen und Galerien beneidet wird. (Seinen Wert erhöht der

    Umstand, dass es eine Doppeltafel ist, die auf der Rückseite den auferstandenen Heiland zeigt). Dazu

    kommt seine ausgezeichnete Erhaltung.

    Wie das Bild nach Leitmeritz kam?

    Lukas Cranach war ein lebenskluger Mann. Kunst lässt zu oft darben. Aber er wäre nicht brotlos

    geworden, auch wenn ihm die kurfürstlich sächsische Herrengunst gefehlt und seine Werkstatt die vielen

    kirchlichen und kirchenfürstlichen Aufträge nicht bekommen hätte. So besaß er vorsorglich in

    Wittenberg nicht nur eine Apotheke (1520), sondern auch einen Buchladen und ein Papiergeschäft. Er

    wurde kurfürstlicher Hofmaler und erhielt 1508 ein Wappen verliehen, das sein Malerzeichen wurde, mit

    dem er seine Werke signierte. Sein Dienstherr war Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen (1505).

    Bürgermeister von Wittenberg ist er außerdem auch noch gewesen. Er hat viel geschaffen und ist als 81-

    jährger am 16.10.1553 in Weimar gestorben, im Haus seiner Tochter Barbara (dem Cranachhaus). Seine

    letzte Ruhestätte fand er auf dem Weimarer Jakobsfriedhof.

    Den Grabstein schuf Cranachs Freund, der herzogliche Baumeister und gelernter Steinmetz Nikolaus

    Gromann. Die jetzige Grabplatte ist eine Kopie von 1859. Aus konservatorischen Gründen wurde die

    Originalgrabplatte in der Stadtkirche Peter und Paul links neben den Altar verbracht.

    Um 06.01.1508 heiratet Cranach Barbara Brengbier (*1485 +1540) eine Tochter von Jobst Brengbier dem Bürgermeister von Gotha. Mit seiner Frau hatte Lukas Cranach fünf Kinder:

    Hans (*um 1512 + 1537), der ebenfalls Künstler wurde

    Barbara (*1513 + 1590), verheiratet mit dem sächsischem Kanzler Christian Brück. Aus dieser Linie stammt Goethes Mutter, so dass Lucas Cranach der Urgroßvater 7. Grades von Goethe ist.

    Lucas (*1515 + 1586) genannt „der Jüngere“, übernahm 1550 (1552?) die die Werkstatt des Vaters und wurde wie dieser auch Ratsmitglied und Bürgermeister in Wittenberg. Die zweite Ehefrau war Magdalena Schurff (1531-1606), sie war eine Nichte Philipp Melanchthons.

    Der Enkel Augustin (1554-1595) und der Urenkel Lucas (1586-1645) führten die künstlerische Familientradition fort

    Ursula (*1517 + 1577), erste Heirat am 3. Mai 1537 (Ehemann unbekannt), zweite Heirat 1544 mit dem Gothaer Bürgermeister Georg Dasch

    Anna (*1527 + 30.Juni 1577), verheiratet mit den Wittenberger Apotheker und Bürgermeister Caspar Pfreund.

    In Wittenberg schloss Lucas Cranach Freundschaft mit Philipp Melanchthon (1497-1560) und Martin Luther (1483-1546). Zusammen mit seiner Ehefrau war er 1525 Trauzeuge bei Martin Luther zur Heirat mit Katharina von Bora (1499 – 1552) und war Taufpate von Luthers ältestem Sohn Johannes. Isolde Foh, Stein, Email: [email protected]

    Franz HOENIG, sein afrikanisches Intermezzo und eine ungeklärte

    Begegnung im Gymnasium im Schloss von Mährisch Schönberg.

    Piet Hoenig

    Zum Stammbaum des Franz HOENIG (*10.01.1858 + 24.01.1913):

    Gregor HÖNIG 1597 – 22.05.1677 Steine in Mähren 1 Kind:

  • 14

    Mathias HÖNIG 1622 – 17.01.1678 Steine in Mähren 2. von 7 Kindern ist:

    Balthasar HÖNIG 17.07.1655 – 1706 Steine in Mähren 1. von 5 Kindern ist:

    Tobias HÖNIG 19.11.1683 – nach 1723 Nebes in Mähren 3. von 5 Kindern ist:

    Johann Georg HÖNIG 17.05.1717 - 20.10.1783 Liebesdorf in Mähren 6. von 16 Kindern ist:

    Anton HÖNIG 17.10.1749 - 20.02.1812 Liebesdorf in Mähren 7. von 9 Kindern ist: Johann Ignatz HOENIG 25.05.1786 Liebesdorf in Mähren + 05.04.1849 Mährisch Schönberg

    3. von 12 Kindern ist: 5. von 12 Kindern ist: Eduard (I) HOENIG Anton Aloys HOENIG * 1817 in Liebesdorf in Mähren * 1821 in Liebesdorf in Mähren 4. von 7 Kindern ist: einziges Kind ist: Eduard (II) HOENIG Franz HOENIG, #) * 1858 in Mährisch Trübau * 1858 in Steine in Mähren 1. von 3 Kindern ist: 2. von 7 Kindern ist: Anton HOENIG, Dr. Ing. Alfred HOENIG, Dr. chem. * 1885 in Mährisch Schönberg * 1889 in Preßburg 3. von 4 Kindern ist: Die Familie vom Stamm ‚Franz’ ist ausgestorben. Piet HOENIG, * 1929 in Köln/Rhein

    Franz HOENIG, geb. 10. 01. 1858 in Steine (Kemena) in Mähren, gest. 24.01.1913 in Mauer bei Wien, hat seine Familiengrabstätte in Oberlaa (Wien). Sie ist bis heute erhalten. Franz ist ein Vetter meines Großvaters Eduard HOENIG (1858-1928). Beider Großvater ist Johann Ignatz HOENIG aus Liebesdorf (Obedne) in Mähren, heute CZ. Von Letztgenanntem gibt es in der Familie ein Ölgemälde, ca. 1810. Franz HOENIG besucht das Untergymnasium in Mährisch Schönberg 1869/70 bis 1872/73, studiert später Chemie an der Technischen Hochschule in Wien. Das Studium schließt er 1881 dort ab als Ingenieurchemiker. Er ist 23 Jahre alt, als er sein Berufsleben beginnt. Verschiedene Arbeitsstätten sind benannt: Zunächst in ‚Chemisches Werk F. Fischer in Unterlaa‘, ferner Säurefabriken in Preßburg (heute Bratislava). Im einem Nachruf auf Franz HOENIG steht zu lesen. ‚nach längerer Reise durch Deutschland (Krümmel, Schlebusch) beginnt Franz HOENIG im Oktober 1884 seine Tätigkeit in Preßburg‘. In allen drei Orten stehen damals Produktions-stätten, die zum Imperium von Alfred NOBEL gehören: [Krümmel (seit 1865), Schlebusch bei Köln (seit 1872). und Preßburg (seit 1873; seit 1876 integriert in Deutsch-Österreich-Ungarische Dynamit Aktiengesellschaft, vormals Alfred Nobel & Co. Hamburg; seit 1896: Aktiengesellschaft Dynamit Nobel mit Sitz in Wien, deren Direktor Franz HOENIG von 1902 bis 1909 ist)]. Die Sprengstoff- und Pulver-Produktion ist damals äußerst unfallanfällig. Manche Unachtsamkeit wird zum Auslöser eines folgenschweren Unglücks. Manche Ursache wird wegen des angerichteten Schadens nicht erkannt. Umfangreiche Schutzmaßnahmen finden daher früh Eingang bei Verfahren - sowohl als Schutz der Belegschaft, als auch für die einzelnen Produktions-abschnitte. Lagerung und Transport bergen weiteres Gefahrenpotential, sodass neue Standorte erst nach sorgfältiger Prüfung Genehmigung erhalten. Im Werk Krümmel hat es 1870 eine Explosion mit verheerender Wirkung (KF p. 106). - Franz Hoenig informiert sich (sicher mit Wissen, wenn nicht auf Anraten von Alfred Nobel) an Ort und Stelle bevor er bei Alfred NOBEL in Preßburg im Oktober 1884 antritt. Im Frühjahr oder Sommer 1884 könnte eine Begegnung Alfred NOBEL mit Franz HOENIG stattgefunden haben. Dass Alfred NOBEL und Franz HOENIG sich begegnen, ist anzunehmen. Kenne Fant schreibt darüber in der Biografie zu Alfred Nobel zwar nichts. Der Name Franz Hoenig wird nicht einmal erwähnt. Selbst Nobel-Einrichtungen in Stockholm und Oslo passen. Von Alfred Nobel gibt es kein Archiv, das eine derartige Dokumentation enthält. Auch in der Familie Hoenig gibt es keine Überlieferung, die diese Annahme bestätigt. Für eine Begegnung jedoch spricht die Tatsache, dass Franz HOENIG die Sprengstoffwerke in Krümmel und Schlebusch besucht, bevor er seine Tätigkeit in Preßburg aufnimmt. Auch steht fest, dass Alfred Nobel wiederholt in Wien und/oder Preßburg weilt. Z. B. schreibt Alfred Nobel morgens um 6 Uhr am 09.

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    Mai 1884 in Wien einen Brief an Sophie Hess (KF p. 276). Selbst mit oder ohne Begegnung erwächst eine gegenseitige Wertschätzung: Ein Sohn von Franz Hoenig wird in Preßburg geboren und bekommt den Namen: Alfred (*13.6.1889). Dazu kommt nach zehn Jahren Tätigkeit in Preßburg für Franz Hoenig die große Herausforderung: 1894 geht Franz HOENIG mit seiner Familie für fünf Jahre nach Transvaal, Burenrepublik in Südafrika. 1871 werden westlich von Johannesburg (das es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht gibt) reichlich Diamanten gefunden (Kimberley), 1886 desgleichen NNO von Johannesburg: Gold (Barberton). Beide Funde lösen einen gewaltigen Zustrom an Glücksuchern aus. Und die benötigen für das Herauslösen der Ziel-produkte Sprengstoff. Dynamit ist gerade zur rechten Zeit erfunden und auf dem Markt. Sprengungen lassen sich wesentlich effektiver und wirtschaftlicher durchführen als mit bisher herkömmlichen Sprengstoffen. A.P. Cartwright (APC) nennt in seinem Buch „The Dynamite Company.“, (1964), sowohl die frühen Standorte, als auch die Schwierigkeiten, mit denen diese Produktionsstätten zu kämpfen haben. Alfred Nobel hat aufgrund seiner Erfindung die Nase vorne im Wettlauf und die meisten Produktionsstätten im Griff, d. h. in seinem Firmenimperium konzentriert. Das erklärt, dass Personal von einer Produktionsstätte zur anderen ‚abgeworben‘ und ‚weiter-gereicht‘ wird. Man kennt die Standorte, kennt die Gefahren, ist auf geschultes Personal angewiesen. Dieses wird sowohl angelernt als auch von anderen Produktionsstandorten abgeworben. Seit 1895 ist die für Transvaal strategisch so wichtige Bahnverbindung von Pretoria nach Laurenzo Marques (Mosambik) in Betrieb. 1896 ereignet sich ein katastrophales Zugunglück: in Braamfontein explodiert ein Zug mit ca. 8o t Ladung und reißt ein Loch von 320 ft Länge, 30 ft tief an die Stelle, wo zuvor einmal Schienen lagen: 130 Tote, 300 Verletzte und 2-3000 Obdachlose sind das schreckliche Ergebnis. Die Ursache des Unglückes wird nie gefunden (APC p. 70-73). Offenbar ist menschliches Versagen nicht auszuschließen. Bild Franz HOENIG ca. 1896, Quelle: Franz Hoenig Haus, 31 High Street, Modderfontein, Südafrika

    In Modderfontein (heute ein Stadtteil im NO Johannesburgs) ist Franz HOENIG General-Manager für die Errichtung der damals weltgrößten Anlage: Fabriek voor Ontplofbare Stoffen Beperkt. Es gelingt Franz HOENIG in nur zwei Jahren mit viel Geschick und Energie - trotz sagenhafter Gepflogenheiten bei Handel und Konzessionen mit Sprengstoff und Dynamit (aus Europa), woran Franz HOENIG jedoch unbeteiligt ist (nachzulesen bei APC) - die geforderten Produktionsstätten termingerecht zu errichten. Zu den Umständen, die die Tätigkeit von Franz Hoenig in Modderfontein begleiten, gehören: alle Materialien, die vor Ort verwendet werden, kommen aus Deutschland (Ausnahme: Ziegel). Facharbeiter zumeist auch. Erste Zimmerer kommen aus Hamburg. Sie bringen Erfahrung aus Kümmel bei Hamburg mit (Dynamit- Fabrik seit 1865). Spezial-Facharbeiterinnen sind aus D (Krümmel bei Hamburg und Schlebusch bei Köln), I (Avigliana bei Turin) anzuwerben, die so genannten ‚cartridge-girls‘. Sie sind sie ersten Arbeiterinnen in der südafrikanischen Industrie. Noch heute hat es im Werksgelände einen italienischen Friedhof, an dem alljährlich zum 1. November Nachfahren der ‚cartridge-girls‘ zusammen kommen. Korrespondiert wird auf Deutsch und Englisch. Franz HOENIG findet sich in allen Sprachen zurecht: Afrikaans, Deutsch, Englisch, Italienisch, Niederländisch, Tschechisch. Auf den Lohnlisten sind 17 verschiedene Nationalitäten vermerkt. Neben den Produktionsstätten entstehen Schule, Unterkünfte für die Arbeiter, ein Versammlungshaus, eine Apotheke, wie auch ein Wohnhaus für Franz HOENIG und seine kinderreiche Familie. Dort wird ihm eine weitere Tochter geboren: Marie (*1896). Als am 25.04.1896 die Produktionsstätten offiziell eröffnet werden, schreitet im Komitee der Republik Transvaal, der Präsident Paul (Ohm) Krüger, auch Franz HOENIG. Wen wundert, dass ein später geborener Sohn von Franz HOENIG den Namen ‚Paul‘ erhält? Franz HOENIG hat seine Aufgabe als General-Manager zur Errichtung der Produktionsstätten für Dynamit auftragsgemäß erfüllt, als 1899 der Burenkrieg ausbricht, und er sich mit seiner Familie – sicher per Bahn

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    über Laurenzo Marques (Mosambik) nach Europa absetzt. Er hat seine Mission in Modderfontein abgeschlossen. Als im Verlauf des Burenkrieges (11.10.1899-31.05 1902) die Fabrik in die Hände der Briten gelangt (Juni 1900), bezieht Generalmajor von Baden-Powell, der spätere Erfinder der ‚Boy Scouts‘, das Wohnhaus von Franz HOENIG als Standquartier während seines Aufenthaltes in Modderfontein. - Übrigens, im Burenkrieg wird Dynamit ‚kriegstauglich‘: Briten verwenden es, um Burenge-höfte zu zerstören

    (verbrannte Erde); Buren setzen es ein, als ‚Handgranaten‘, um britische Befestigungsposten effektvoll zu vernichten. - Im Frieden erhält Dynamit wieder seine zivilen Aufgaben für die Wirtschaft. - Das vormalige Wohnhaus von Franz Hoenig dient nun den Werksdirektoren zu Wohnzwecken bis 1945, anschließend wird es PR-Centrum der Fa. AECI Ltd. Heute ist es -gepflegt-modernisiert, ausgestattet mit seiner ersten Möblierung aus der Grün-dungszeit- Teil des Museums der Firma AECI Ltd: Franz HOENIG Haus, eines der ältesten und restaurierten Häuser in Gauteng.

    Bild „Franz HOENIG Haus“ in Modderfontein Transvaal (im NO von Johannesburg, RSA) ist nun Museum der Firma A.E.C.I. Ltd.

    Franz HOENIG kehrt zurück nach Österreich und Wien. Sein Arbeitsort ist nun wieder Preßburg, wo er von 1902 bis 1909 als Direktor wirkt. Nach seinem 25. Arbeitsjubiläum geht er in den Ruhestand, wobei er sein Wissen weiterhin einsetzt. Er wohnt bis zu seinem Tode am 24.01.1913 in Wien in der ‚Villa Transvaal‘. Gemeinsam mit meinen Eltern besuche ich 1940 die ‚afrikanischen‘ HOENIGe in der ‚Villa Transvaal‘ in

    Wien. Die Witwe von Franz HOENIG und die Töchter sind zugegen. Ich bestaune ein riesiges Zebrafell, Speere und andere Exotika: kenne ich Afrika doch nur aus Berichten aus DSW, DOA aus WWI und -Dank meiner niederländischen Vorfahren- aus dem Burenkrieg. Heute ist die Familie Franz HOENIG ausgestorben. Auch Villa ‚Transvaal‘ ist als Opfer der Zeit einem Neubau gewichen. Bild Villa „Transvaal“ in Mauer bei Wien, Hauptstraße 30, ca. 1919, 1955 abgerissen. Foto Privat

    Zuvor bereits erwähnter Sohn Alfred verdient eine kurze Betrachtung. Er wird ebenso wie sein Vater Chemiker: 1889 geboren, besucht er bis 1899 eine Schule in Modderfontein, dann Realschule in Wien XX, Matura 1906, Studium und 1. Staatsexamen 1908, 08/09 Einjährig-Freiwilliger beim kuk ÖU-Militär in Olmütz, 2. Staatsprüfung ‚Diplom-Ingenieur‘, 1911/12 TH Brünn, 13.12.1912. Promotion zum Dr. techn, Oktober 1912 bis zum WWI-Ausbruch ‚Betriebs-assistent in einer deutschen Dynamitfabrik‘ (id est Schlebusch bei Köln! Hierzu hat der Vater Franz HOENIG sicherlich geraten u/o vermittelt); August 1914 eingerückt zum Regiment nach Preßburg, bald jedoch freigestellt zum Dienst an der Heimatfront in der Pulverfabrik in Blumau. Im Jahr 1956 trifft er zufällig in Davos (Schweiz) einen Manager von AECI Ltd aus Modderfontein! Als Folge hiervon reist Alfred HOENIG 1957 noch einmal an die Stelle seiner Kindheit: Er besucht Modderfontein,

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    ‚Franz HOENIG Haus‘ und hinterlässt dort ein großformatiges Album mit Fotos aus der Bauzeit der Produktionsanlage 1894-1896. Zwischen den Jahren 2005 und 2014 nehme ich wiederholt die Gelegenheit wahr, ‘Franz HOENIG Haus‘ zu besuchen. Es zeigt sich gepflegt in seiner möblierten Einrichtung aus 1895, behutsam modernisiert und ist wohl eines der ältesten Industrie-Museen in Südafrika. Die Zeit bleibt dort allerdings auch hier nicht stehen. Im repräsentativen Speisezimmer von ‚Franz HOENIG Haus‘ hängt heute gerahmt eine großformatige Fotografie mit einem Besucher aus China. Diese Schilderung vorab erleichtert die Beantwortung einer bisher offenen Frage. Voran das Zitat aus ‘Mein Heimatbote’, 50. Jg. Mai 1997, Heft 5/97, Seite 9, in dem Johann Rotter aus Altenburg (A) schreibt: Eine Episode aus dem Leben von Dr. Leopold Rotter. Herr Franz Bartel, geb. 21.12.1877 in Hermesdorf, gest. 12.7.1962 in Wien, wusste folgendes zu erzählen: Er war Schüler im Schönberger Gymnasium. Noch in der Zeit als dieses im Schloss untergebracht war, öffnete sich einmal während der Unterrichtsstunde des Dr. Leopold Rotter die Tür und ein trat ein sehr elegant gekleideter Herr. Er trat auf den Lehrer zu mit den Worten: „Kennen Sie mich noch?“ Es war Alfred NOBEL, welcher irgendwo (den Namen der Stadt habe ich vergessen) eine Fabrik einrichtete und den „Abstecher“ nach Schönberg machte, um seinen Chemie-Studienbekannten wiederzusehen. - Es wäre interessant festzustellen, wie groß dieser „Abstecher“ war. Vielleicht kann sich einer der älteren Leser erinnern, ob in einer der aufgeführten Städte eine Industrie (z.B. Pulverfabrik) angesiedelt war, welche man mit NOBEL in Verbindung bringen kann. Es kämen die Orte Sternberg, Landskron, M-Trübau, Zwittau, M-Neustadt, Müglitz, Hohenstadt, vielleicht auch Olmütz in Frage. (Zitat Ende)

    Es ist reiner Zufall, dass ich das Heft in die Hand bekomme und diesen Beitrag lese. Für mich liest es sich wie eine Nachricht von Radio Eriwan: Sicher stimmt es, dass ein sehr elegant gekleideter Herr den Unterricht von Dr. Leopold ROTTER in Schönberg stören kommt. Aber erstens ist es fraglich, ob Alfred NOBEL auf Besuch kommt und den Unterricht stört, und zweitens ist es ein „Abstecher“ nicht aus der nahen Umgebung des Gymnasiums, sondern eher aus weiter entfernt liegendem Preßburg (heute Bratislava) oder Wien. Der Versuch der zeitlichen Abgrenzung des Besuches bei Dr. Leopold ROTTER ist nach obigem möglich und reizvoll: Der oben genannte Berichterstatter, Franz BARTEL, könnte mit 18 Jahren (etwa 1896) maturieren. Das Kaiser Franz Josef-Gymnasium wird aber erst 1897 bezogen und eingeweiht. Direktor ist Dr. Leopold ROTTER. Der Besuch liegt zweifelsfrei vor dem Umzug 1897. In Konkurrenz liegen zwei ‚Besucher‘: Alfred NOBEL, der später den nach ihm benannten ‚Nobel-Preis‘ stiftet und Franz HOENIG, ein ehemaliger Schüler, seit 1884 Industriechemiker und für Alfred NOBEL tätig. Liegt der Besuch vor 1894 -der Informant ist dann

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    Literatur 1. A.P. CARTWRIGHT: The Dynamit Cpmpany, 1964, (APC) 2. Kenne FANT: Alfred Nobel, 1995, (KF) 3. M. BRONKHORST: de boerenoorlog, 2013 4. AECI Ltd: Franz HOENIG Haus, ohne Datum, nach 1950 5. Zeitschrift für das gesamte Schieß- und Sprengstoffwesen, Nr.7, 1.4.1913 6. Nachruf Franz HOENIG 7. NN: 25 J. Dr. chem. Alfred Hoenig, Würdigung, 1940 8. Mein Heimatbote: 5o. Jg. Mai 1997, Heft 5/97

    Piet Hoenig Am Ginsterberg 27 40627 Düsseldorf

    Johann Michael Friedrich zurück in Tannwald

    Heinrich Friedrich

    Von 1749 bis 1850 hat die Familie Friedrich, welche in dieser Zeit das Amt des Richters und Ortsvorstehers

    ausübte, die Entwicklung des Ortes Tannwald im Isergebirge (unweit von Gablonz und Reichenberg

    gelegen) maßgeblich mitbestimmt.

    In seinem Buch - Tannwald, mein Heimatort -, schreibt Erich HUYER: die Familie Friedrich sei für Tannwald

    so selbstlos tätig gewesen. Walter A FRIEDRICH schreibt in seinem Buch -Die Wurzeln der nordböhmischen

    Glasindustrie- „Die Isergebirgs-Friedrichs waren die Initiatoren, Gründer und wohltätige Förderer von

    Gemeinden und ärmeren Mitbürgern. Die Früchte ihrer Projekte ernteten Andere“

    Die Friedrichs haben ihr Amt als Richter und Ortvorsteher zum Wohle ihrer Mitbürger verantwortungsvoll

    ausgeübt. Überlieferte Ergebnisse Ihres Schaffens sind:

    Gottfried Friedrich: Richter 1749-66. Versorgung der Bevölkerung mit Brot, Schaffung der

    Voraussetzung zum Bau der Kirche und der Schule. Sein Vater Samuel war Namensgeber des

    Ortsteiles Friedrichsthal

    Johann Michael Friedrich: Richter 1766-78. Förderung der wirtschaftlichen und kulturellen

    Aufwärtsentwicklung Tannwalds, Bau der Kirche 1787/88 auf eigenem Grund und eigenen

    Mitteln

    Andreas Friedrich: Richter 1778-1807. Bau der ersten Tannwalder Schule 1794 aus eigenen

    Mitteln

    Johann Friedrich: Richter 1807- ca. 1830

    Joseph Friedrich: Richter von ca. 1830 - 1841. Bau des Pfarrhauses 1835 und 1837 des Friedhofes

    auf eigenem Grund und eigenen Mitteln

    Ignaz Friedrich: Richter 1841-50

    Zum Dank für Ihre Leistungen wurde auf dem Friedhof von Ober-Tannwald ein Familienehrengrab

    eingerichtet. Dieses noch existierende Grab wurde von den 3 Nachfahren der Richterfamilie:

  • 19

    Petr Rolenec aus Unter-Morchenstern

    (Tschechien), Manfred Ranft aus Wartenberg

    (Oberbayern) und Heinrich Friedrich aus

    Marburg instand gesetzt. Eine Gedenktafel

    in tschechischer und deutscher Sprache

    erinnert an die Tannwalder Richterdynastie.

    Später waren die Friedrichs als Betreiber von

    Fleischereien in Tannwald und

    Morchenstern bis 1945 aktiv.

    Petr Rolenec bei den Renovierungsarbeiten, Bild Archiv Heinrich Friedrich

    Die 3 Initiatoren möchten die Renovierung der Grabstätte als

    Zeichen der deutsch-tschechischen Aussöhnung verstanden

    wissen. Es sei Zeit, dass auch in Tschechien ungetrübt auf die

    deutsche Besiedlung zurückgeblickt werde. Das Isergebirgsland

    wurde mehrmals von Deutschen besiedelt und entwickelt.

    Mehrmals wurden sie auch von dort wieder vertrieben, durch die

    Hussiten während der Hussitenkriege, den katholischen

    Österreichern nach dem 30 jährigen Krieg (sie waren vorher fast

    geschlossen zum lutherischen Glauben konvertiert und wollten sich

    bis auf Einzelne nicht wieder rekatholisieren lassen) und schließlich

    von den Tschechen nach dem 2. Weltkrieg. Das von beiden Seiten

    begangene Unrecht während des Krieges und der letzten

    Vertreibung lasse sich zwar nicht aus der Welt schaffen, es sei aber

    Zeit sich die Hand zu reichen und nach vorne zu blicken.

  • 20

    Ein weiteres Zeugnis des Wirkens der Familie Friedrich in

    Tannwald hing bis in den Neunziger Jahren in der Sakristei

    der Ober-Tannwalder Kirche. Es handelte sich um ein

    Gemälde des Johann Michael Friedrich, Kirchenstifter der

    hölzernen Vorgängerkirche. Das Bild trägt die Aufschrift:

    Johann Michl Friedrich im Jahre des Herrn 1790 im 59.

    Lebensjahr. Aus sicherheitstechnischen Gründen war das

    Bild in das bischöfliche Depot nach Leitmeritz eingelagert.

    Auf Initiative der Herren Rolenec, Ranft und Friedrich hat das

    Bild in Tannwald wieder einen Ehrenplatz erhalten. In einem

    Gespräch mit dem Tannwalder Bürgermeister Petr Polák

    und des Gemeindesekretärs Richard Seidel wurde von ihnen

    die Rückführung vorgeschlagen. Nach Zustimmung des

    Tannwalder Pfarramtes (Pater Pavel Eichler), des

    Generalvikars des Leitmeritzer Bischofsamtes (Pater

    Stanislav Přibyl), der Tannwalder Gemeindegremien sowie

    der Klärung versicherungstechnischer Fragen, hängt das

    Bild nun im großen Sitzungssaal des wunderschönen, im

    Jugendstil erbauten, Tannwalder Rathauses. Für uns ein

    Beleg der beiderseits gelungenen geschichtlichen

    Aufarbeitung der Vergangenheit. Tannwald steht zu seiner

    Geschichte, auch der deutschen!

    Heinrich Friedrich (Marburg/ Lahn)

    Familienwappen FRIEDRICH aus Tannwald, Kreis Gablonz a.d. Neiße Heinrich Friedrich

    Ältester bekannter Vorfahr in Mannesstamm: Gottfried Fridrich * um 1690,

    Vater des Hans Josef Vitus Fridrich, -* Tannwald 15.6.1721

    Beschreibung des gestifteten Wappens:

    In Blau unter goldenem Schildhaupt, darin eine blaue Lilie beseitet von zwei

    roten Fichtenzapfen, an einem silbernen Papierstoß pressende goldene

    Buchbinderpresse. Auf dem blau-golden-rot-golden bewulsteten Helm mit

    rechts blau-goldenen und links rot-goldenen Decken drei blaue

    Pfauenfedern, belegt goldenbehelmten Haupt eines römischen Soldaten.

  • 21

    Führungsberechtigt sind: Rudolf, Herbert Friedrich , Kaufmann, * Morchenstern, Kreis Gablonz a.d. Neiße,

    am 4. 5.1928, seine Ehefrau Waltraud, geb. Bücheler, seine ehelichen Nachkommen im Mannesstamm

    beiderlei Geschlechts sowie alle übrigen ehelichen Nachkommen im Mannesstamm seines

    obengenannten fünffachen Urgroßvaters Gottfried Fridrich.

    Bild: Herbert Friedrich, Archiv Heinrich Friedrich

    Anmerkungen von Heinrich Friedrich:

    1. Das Wappen wurde 1990 von Herbert Friedrich gestiftet und ist im Verein "PRO HERALDICA"

    unter der Nr. 90/02/303439 registriert

    2. Für den Namen Friedrich wurden in den Kirchenbüchern folgende Schreibweisen verwendet:

    Friedrich, Fridrich, Frydrich

    3. Der älteste mir bekannte Fridrich war Samuel, Vater des Gottfried Fridrich

    4. Innerhalb der großen Anzahl (bisher 143 in 10 Generationen), der von mir erforschten Nachfahren

    von Samuel Friedrich (+ 2.5.1717) gibt es nur noch sehr wenige Friedrich. Im Mannesstamm kann

    allein mein Sohn Benjamin Friedrich (geb. 14.11.1979), das Wappen für weitere Generationen

    sichern. Es wäre schön, wenn es weiter ginge!

    Heinrich Friedrich (Marburg/ Lahn)

    Buchbesprechung: Böhmisches Glas im Wandel der Zeit

    – von Rudi Hais

    Manfred Rimpler

    Bild: Glasmacher bei der Arbeit am Ofen in der ehemaligen Hantich-Hütte in Haida/Nový Bor. Bleistiftzeichnung von Prof. Rudolf Görtler

    Am 9. Oktober 2015 wird im Glasmuseum in Frauenau, Bayrischer Wald, ein neues Buch von Rudi Hais aus Haida/ Nový Bor, Nordböhmen, vorgestellt über „Böhmisches Glas im Wandel der Zeit. Vom Mittelalter bis zur Gründerzeit. Eine Auswahl von Texten und Vorträgen“. Das Buch wird vom Ohetaler-Verlag in Riedlhütte

    herausgegeben und hat einen Umfang von 153 Seiten. Der Subskriptionspreis beträgt 25,00 € (bis zum 10.10.2015), danach 29,90 €.

    Der Autor, ein erfahrener tschechischer Glastechniker, befasst sich in seinem Texten mit der historischen

    Entwicklung der Glashütten im Lausitzer Gebirge, den Glasöfen mit direkter Holzbeheizung, mit dem

    böhmischen Uranglas, mit der berühmten Harrach`schen Glashütte im Riesengebirge und der wenig

    bekannten Versuchsanstalt an der Haidaer Glasfachschule. Weiter mit einigen großen Persönlichkeiten

    des böhmischen Glases wie z. B. mit F. Egermann und L. Buquoy. Zusammen mit Manfred Rimpler beschreibt er die Entwicklung des Glas-schleifens am Beispiel des

    böhmischen Glasschleiferdorfes Morgenthau. In diesem Zusammenhang wurden auch Kirchenbücher

    des Archives in Leitmeritz sowie Karten aus dem Kriegsarchiv in Wien ausgewertet. Die Forschungen zu

    Morgenthau basieren auf den Grundlagen, die in dem Buch von M. Rimpler: „Morgenthau 1648-1945:

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    Bilder und Dokumente aus dem Glasschleiferdorf Morgenthau in Nordböhmen“ gelegt wurden. Auch

    dieses Buch ist im Ohetaler-Verlag erschienen.

    Zuletzt, zusammen mit F. Haudum, werden noch zwei unbekannte Schmelzer-büchlein aus dem

    Böhmerwald bearbeitet.

    Dieses Buch (Sammelwerk) soll zu Ehren der seit Jahrhunderten andauernden Zusammenarbeit zwischen

    deutschen und tschechischen Glasmachern und zur Festigung der neuen Beziehungen zwischen

    Deutschland und der Tschechischen Republik erscheinen.

    Manfred Rimpler, Johanna-Stegen-Str. 14, 12167 Berlin

    Glasmacherlinien Seidl im Böhmerwald um Seewiesen, Gutwasser

    und Haidl

    Hermann Seidl

    Von vielen Glasmachern findet man Einträge in Kirchenbüchern an oft weit verstreuten Orten. Manchmal

    sind die Einträge auch dürftig und lassen keinen Schluß zu, woher die Glasmacher gekommen sind.

    Manchmal sind sie auch nur wenige Jahre an einem Ort und ziehen dann weiter. So hat man oft nur kleine

    Ausschnitte von den Familien ohne große Zusammenhänge mit den übrigen Vor- und Nachfahren. Hier

    sind nun zwei Familien aufgeführt, die in den Matriken von Seewiesen, Gutwasser und Haidl16

    auftauchen, ergänzt durch Einträge aus Heraletz bei Swratka.17

    1. Nachfahren des Bernhard und der Elisabeth Seidl

    Über die Herkunft des Bernhard Seidl ist nichts näheres bekannt. Verzeichnet ist auch nur der

    Sterbeeintrag des Ehepaars in der Matrik von Seewiesen. Einzig der Hinweis im Traueintrag der Tochter

    Theresia „... ex hlotti oriunda ...“18 gibt einen Hinweis. Allerdings ist es mir bisher nicht gelungen einen

    auch nur ähnlich klingenden Ort dieses Namens ausfindig zu machen.

    Weitere Kinder des Bernhard und der Elisabeth sind wahrscheinlich aber nicht gesichert, so der in den

    Matriken von Seewiesen, Gutwasser und Haidl vorkommende um 1719 geborene Karl Seidl.

    1. Generation

    1 Seidl Bernhard, rk., Vitriarius, * (err) 1684. † 27.02.1764 in Brunst b. Seewiesen, b 29.02.1764 in Seewiesen, Alter: 80 J. oo ... mit Elisabeth, * (err) 1698, † 14.12.1768 in Brunst b. Seewiesen.

    Kinder:

    1) Seidl Wenzel, rk. (siehe 2.1) 2) Seidl Anna, rk., * um 1735, oo 25.01.1758 in Unterreichenstein mit Hofmann Ferdinand Johannes, rk.. 3) Seidl Theresia, rk., * um 1740, oo 05.07.1764 in Seewiesen mit Eisner Thomas, rk..

    16 Matriken des Archivs in Pilsen in der Seite http://www.portafontium.de/ veröffentlicht 17 Matriken des Archivs in Brünn in der Seite http://actapublica.eu/item/ veröffentlicht 18 Siehe Abbildung aus dem Traueintrag von Thomas Eisner und Theresia Seidl in Seewiesen von 1764

  • 23

    2. Generation 2.1 Seidl Wenzel, rk. (Sohn von 1), * (err) 1727, † 14.03.1764 in Adlerhütte b. Großzdikau, b

    16.03.1764 in Großzdikau, Alter: 37 J., oo 09.01.1753 in Unterreichenstein mit Schuster Magdalena, * um 1730.

    Kinder: 1) Seidl Nikolaus, rk., * 01.12.1755 in Außergefild † 01.04.1756 in Außergefild 2) Seidl Anna Dorothea, rk., * 09.10.1757 in Adlerhütte b. Großzdikau † 01.06.1758 in Adlerhütte b. Großzdikau 3) Seidl Maria Theresia, rk., * 13.05.1759 in Adlerhütte b. Großzdikau † 29.05.1759 in Adlerhütte b. Großzdikau 4) Seidl Maria Katharina, rk., * 01.07.1760 in Adlerhütte b. Großzdikau 5) Seidl Theresia, rk., * 15.11.1762 in Adlerhütte b. Großzdikau Zwischen Trauung von Wenzel und Magdalena und erstem Kind liegen drei Jahre, möglich wäre noch

    ein weiteres Kind vor dem Nikolaus, das aber nicht im Bereich von Unterreichenstein, Außergefild oder

    Großzdikau verzeichnet ist. Sonst dürfte diese Linie nach dem frühen Tod des Wenzel erloschen sein.

    Weitere Kinder sind wahrscheinlich, konnten bisher aber nicht ausfindig gemacht werden. Auf die

    Herkunft der Tochter Theresia gibt der Traueintrag Auskunft, hier ist vermerkt: „in hlotti oriunda“.

    Allerdings konnte ich keinen solchen Ort finden.

    2. Nachfahren des Karl und der Anna Maria Seidl

    Wie oben angedeutet könnte Karl ein Sohn von Bernhard Seidl sein, aber bisher konnte ich keinen Beleg

    dafür finden. Die Trauung von Karl und Anna Maria fand anderweitig, vor 1750 und nicht in der Glashütte

    Heraletz statt, Hinweise auf die Herkunft des Karl Seidl konnte ich nicht finden. So sind auch weitere

    Kinder nicht ausgeschlossen.

    1. Generation

    1 Seidl Karl, rk., * (err) 1719 , † 08.01.1764, b 17.05.1764 in Haidl, Gde. Innergefild, Alter: 45 J. oo ... mit Anna Maria, * (err) 1726, † 05.04.1786 in Brunst b. Seewiesen. Kinder: 1) Seidl Maria Katharina, rk., * 01.01.1750 in Heraletz, Kr. Gumpolds † 13.01.1811 in Karlsberg/Bukowina, oo 05.09.1769 in Seewiesen mit Mack Anton, rk.. 2) Seidl Theresia, rk., * (err) 1752 † 14.03.1815 in Brunst b. Seewiesen, oo 07.08.1772 in Seewiesen mit Hübner Johann Adam, rk.. 3) Seidl Johann Karl, rk. (siehe 2.1) 4) Seidl Joseph, rk. (siehe 2.2) 5) Seidl Christoph, rk., * 11.11.1759 in Seewiesen 6) Seidl Anna Maria, rk., * 21.09.1762 in Seewiesen 2. Generation

    2.1 Seidl Johann Karl, rk. (Sohn von 1), * 24.10.1754 in Grünberg b. Stubenbach, ~ 25.10.1754 in

    Gutwasser b. Hartmanitz, Paten: Joannes Michael Kislinger ex Großhait, Anna Maria Kislingerin testis.

    Sebastianus Rickel faber ferrarij in Stadln & Anna Maria Branauerin ex Hartmanitz, † 14.09.1823, in

    Heraletz, Kr. Gumpolds, Alter: 68 J., oo 24.10.1781 mit Schmalzl Walburga, * um 1760.

    Kinder:

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    1) Seidl Joseph, rk., * 16.11.1782 in Haidl, Gde. Innergefild, † 25.02.1803 in Schmausenhütte b. Seewiesen 2) Seidl Theresia, rk., * 08.12.1784 in Haidl, Gde. Innergefild, † 22.05.1787 in Haidl, Gde. Innergefild 3) Seidl Eva Theresia, rk., * 04.06.1787 in Haidl, Gde. Innergefild 4) Seidl Maria Anna, rk., * 17.09.1789 in Haidl, Gde. Innergefild † 03.11.1789 in Haidl, Gde. Innergefild 5) Seidl Katharina, rk., * 24.09.1790 in Haidl, Gde. Innergefild 6) Seidl Johann Georg, rk., * 24.04.1793 in Haidl, Gde. Innergefild 7) Seidl Barbara, rk., * 28.11.1795 in Schmausenhütte b. Seewiesen 8) Seidl Georg, rk., * 28.01.1799 in Schmausenhütte b. Seewiesen 2.2 Seidl Joseph, rk. (Sohn von 1), * 11.03.1757 in Grünberg b. Stubenbach, ~ 13.03.1757 in

    Gutwasser b. Hartmanitz, Paten: Sebastianus Rickl faber ferrarius in pago Stadln, testes:

    Anna Ricklin, nomentis uxor, Joannes Michael Kislinger ex großhayd. † 25.09.1800 in Haidl,

    Gde. Innergefild (Miserere), b 28.09.1800 in Haidl, Gde. Innergefild, Alter: 43 J 6 M 14 T.

    oo 19.09.1782 in Haidl, Gde. Innergefild mit Löffelmann Theresia, * um 1760.

    Kinder:

    1) Seidl Katharina, rk., * 1783 † 29.01.1786 in Gerlhütte b. Seewiesen 2) Seidl Theresia, rk., * 10.08.1784 in Gerlhütte b. Seewiesen † 25.10.1786 in Gerlhütte b. Seewiesen 3) Seidl Anna Barbara, rk., * 06.04.1786 in Gerlhütte b. Seewiesen 4) Seidl Johann Georg, rk., * 15.12.1787 in Gerlhütte b. Seewiesen † 22.09.1795 in Haidl, Gde. Innergefild 5) Seidl Johann, rk., * 20.09.1789 in Gerlhütte b. Seewiesen 6) Seidl Joseph, rk., * 05.10.1792 in Haidl, Gde. Innergefild † 16.09.1795 in Haidl, Gde. Innergefild 7) Seidl Wenzel, rk., * 18.08.1795 in Haidl, Gde. Innergefild 8) Seidl Franz, rk., * 09.11.1798 in Haidl, Gde. Innergefild † 31.05.1801 in Haidl, Gde. Innergefild

    Über den Verbleib der Kinder des Johann Karl und des Joseph Seidl konnte ich nichts weiter eruieren.

    Möglicherweise ist die Familie nach 1800 weggezogen, der vermutete Sterbeeintrag des Johann Karl19

    könnte ein Hinweis darauf sein.

    Hermann Seidl, Kitzingen, http://www.hermannseidl.de

    Ein Stück Heimatgeschichte

    Emil Richter Wir haben uns, als Deutschböhmen im Jahre 1938 eine reichsdeutsche Provinz wurde, alle mehr oder

    weniger mit Familienforschung beschäftigt. Die einen taten es mit viel Liebe und Interesse, weil sie es als

    eine Ehrensache betrachteten, neben ihren schon kaum mehr gekannten Großeltern noch ältere und

    ältesten Ahnen kennen zu lernen; wieder andere nur verdrossen, weil sie keine Zeit für solche

    Forschungen aufbrachten und die nicht unerheblichen Kosten scheuten, die damit verbunden waren.

    Denn ehe man die verschiedenen Tauf-, Trau- und Sterbescheine bei den Matrikenführern der Pfarren

    einfordern konnte, mussten zuvor die Grundlagen festgestellt sein, die auf diesen oder jenen Pfarrort

    verwiesen. Das ging oft nicht ohne weite Reisen und Aufenthalt in der Fremde ab. Wären aber die

    Abstammungsverhältnisse – wenigstens über das Jahr 1800 zurück – einmal sichergestellt und laut der

    19 Im Sterbeeintrag wird genannt: Karl Seidl, Hohlglasgesell aus Hurkathal im Prachiner Kreise. In Hurkathal selbst gibt es keine Einträge zu dieser Familie, aber die räumliche Nähe, das ungefähre Alter und auch die Geburt seiner Tante in Heraletz lassen vermuten, daß es sich um eben jenen Johann Karl handelt

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    beigebrachten Urkunde notariell bestätigt, besaß man im Ahnenpass ein Instrument, dass auch von

    Amtes wegen als Ersatz für alle sonstigen Herkunftsbescheinigungen anerkannt wurde. Es war zugleich

    ein teures Familienbuch, das für alle Zukunft Wert und Geltung behauptete. Darum war seine Einführung

    kein schlechter Gedanke, zumal die bis dahin nur mäßig gehandhabte Familienforschung einen

    mächtigen Auftrieb erhielt.

    Ich kann sagen, dass meine Gedanken, freilich in etwas eigenartiger Weise, schon in früher Jugend auf

    die Familienforschung gelenkt wurden. Das kam so:

    Mein väterliches Geburtshaus war eine Mühle in dem reizend gelegenen Pfarrdorfe Saubernitz, die unter

    dem merkwürdigen Spitznamen „beim Kubeischel“ weithin bekannt war. Ich hatte allerdings bis in mein

    10. Lebensjahr keine Ahnung von dieser Benennung und erfuhr sie erstmalig, als mich eines Tages ein

    Mitschüler in der Schule fragte, ob wir denn – ganz abkömmlich von der gewöhnlichen Herstellung –

    Beuschel aus Kuhinnereien bereiteten. Ich sperrte Ohren und Mund auf. Was wusste ich von Beuschel,

    was von Kuhinnereien?

    „Warum fragst Du mich das?“ „Nun, weil es bei Euch doch beim Kuhbeuschel heißt!“

    Nach der Schule stürmte ich, ein bisschen aufgeregt, ins Elternhaus. Ich rannte den Vater bald um. „Ist es

    war, dass es bei uns beim Kuhbeuschel heißt? Und essen wir wirklich soviel Beuschel?“

    Der Vater sah mich ernst an. „Ja, es heißt schon so, hat auch schon immer so geheißen. Aber mit dem

    Essen von Beuschel, noch dazu aus Kuhinnereien, hat es nichts zu tun. Das macht man aus dem

    Eingeweide der Schweine und Kälber!“ Und nach kurzer Weile:

    „Weißt du auch, dass man in unserer Familie schon immer erzählt hat, es habe einmal ein Jakube, einer

    aus der großen Jakubenwirtschaft in Saubernitz, auf unsere Mühle geheiratet?“ Ja, davon wusste ich.

    „Nun, sein Vater war der alte Jakob oder – wie man in dem damals böhmischen Saubernitz sagte, der

    Kuba oder Kubin. Sein jüngster Sohn war nach diesem Sprachgebrauch der „kleine Jakob“ oder

    Kubitschek. Nachdem er die Mühle üb