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Vereinzelte Beobachtungen und Bemerkungen. Von Dr. A. v. Graefe. . Ueber die Pupillenbildung bei spontaner Ver- sehiebung der Krystalllinse. Die spontane Versehiebung des Linsenk6rpers ver- ursaeht bekanntlich, selbst so lange keine Cataraetbil- dung erfolgt, mannigfache optis(,he St6rungen. Einmal steht, selbst bei beginnender Versehiebung, die Linse ge- w;3hnlich in der ~Veise schief, dass der eine Theil ihres Randes gegen die Regenbogenhm,t gedriingt ist, w~h- rend der gegenfiber liegende Theil nach hinten absteht;*) sodann bewirkt das Erscheinen der fiquatorialen Partien des LinsenkSrpers im Pupillargebiot unregelm~issige Brechungen, Diffraclionserscheinung'en, Abschwfichung des Lichtes durch Reflexion, u. s. w., endlich wird bei vorriickender Verschiebung ein Theil des Pupillargebiets der Mitwirkung der Linse vollkommen beraubt und es *) In der Regol ist derjenige Theft des Linsenrandes naeh vorn gedr~.ngt, welcher bel der Dislocation sich yon dem Centrum der Pu- pille enffernt. 14"

Vereinzelte Beobachtungen und Bemerkungen

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Vereinzelte Beobachtungen und Bemerkungen. Von

Dr. A. v. Graefe.

.

U e be r die P u p i l l e n b i l d u n g bei s p o n t a n e r Ver- s e h i e b u n g der K r y s t a l l l i n s e .

Die spontane Versehiebung des Linsenk6rpers ver- ursaeht bekanntlich, selbst so lange keine Cataraetbil- dung erfolgt, mannigfache optis(,he St6rungen. Einmal steht, selbst bei beginnender Versehiebung, die Linse ge- w;3hnlich in der ~Veise schief, dass der eine Theil ihres Randes gegen die Regenbogenhm,t gedriingt ist, w~h- rend der gegenfiber liegende Theil nach hinten absteht;*) sodann bewirkt das Erscheinen der fiquatorialen Partien des LinsenkSrpers im Pupillargebiot unregelm~issige Brechungen, Diffraclionserscheinung'en, Abschwfichung des Lichtes durch Reflexion, u. s. w., endlich wird bei vorriickender Verschiebung ein Theil des Pupillargebiets der Mitwirkung der Linse vollkommen beraubt und es

*) In der Regol ist derjenige Theft des Linsenrandes naeh vorn gedr~.ngt, welcher bel der Dislocation sich yon dem Centrum der Pu- pille enffernt.

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concurriren nun fiir die Erzeugung der Bilder zwei op- tische A pparate yon wesentlich verschiedenem Brechungs- vermSgen, yon denen der eine meist einem stark kurz- sichtigen, tier andere einem hyperpresbyopisehen Auge entspricht. Da der Randtheil der Linse prismatisch- ablenkend wirkt, so kann nun das durch die Linse er- zeugte Bild yon dem anderen Bilde in einen gewissen Abstand auf der Netzhaut kommen und so Diplopie entstehen. Es kiinnen aber auch die Zerstreuungskreise des einen Bildes dureh Interferenz mit dem anderen Bilde eine fiir die Wahrnehmung hSehst stSrende Verwir- rung begriinden. Am besten sind dieKranken oftenbar da- ran, wenn die Linse vollst~indig odernahezu vollst~indig aus dem Pupillargebiet verschwunden ist. Die Verh~iltnisse sind alsdann denen naeh einer Cataraetoperation analog und insoweit zuweilen noch giinstiger, als die Breehkraft weniger herabgesetzt ist. Es sind niimlich erfahrungs- gem~iss die yon spontaner Linsenluxation betroftenen Augen beinahe ohne Ausnahme sehr stark kurzsichtig gebaut.

Die StSrungen, welehe sponiane Linsenluxationen vor oder selbst ohne, Cataraetbildung hervorbringen ha- ben schon mannigfach zu operativen Vorsehl~igen Ver- anlassung gegeben. Man hat die partielle Linsendislo- cation dutch Nadeloperation in eine totale verwandeln wollen, wenn anders die Linse nieht yon selbst welter entweicht, sonderm auf einen gewissen Punkt ihres We- ges angelangt~ in ihrer filr den Sehakt unglinstigen Stellung verharrt. Aueh an die Extraction der Linse hat man gedaeht. Ich gestehe often, dass ich alle be- reits an sich bedenkliehen Operafionen for diese Augen sehr f'drehte, weil deren Besehaftenheit grosse Vor- siehten aui'erlegt. Deren Sehaxe ist, so welt meine Messungen reichen, nachweisbar verl~ingert, ohne dass sich deshalb ophthalmoskopiseh ein an Sclero-

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t ico-choroidi t i s posterior erinnernder Zustand oder irgend eine Form yon Choroidalatrophie nachweisen l~isst.*) Ich glaube, dass diese Verl~ingerung der Sehaxe zu Netzhautabllisungen mechanisch disponirt, wenigstens wird ein Theil der fragliehen Augen im sp~iteren Ver-

lauf veil NetzhautablSsung befallen.**) Eine jede

Druckver~inderung kann hierzu die Gelegenheitsursache

geben. Ferner ist zu beriicksichtigen, dass die

meisten derartigen Individuen, so lange die Linse noch

klar ist, trotz aller StSrungen mittlere, selbst kleinere

Schrift lesen kSnnen. Operative Eingriffe scheinen mir

nur dann indicirt zu sein, wenn die Linse catarakt6s geworden und deren Dislocation doch nicht soweit vor-

geriickt ist, um ein ertr~gliches Sehverm6gen zuzulas- sen. W~ire es vollkommen sicher, eine solche Linse

ohne Er6ffnung der Kapsel zu recliniren oder in zweck- m~issiger Weise dislociren zu ktinnen, so l~ige such

hierin vielleicht ein geeignetes Verfahren, da slier

WahrscheiLllichkeit nach eine in ihrer Kapsel eingesehlos- sene Linse die gewiihnlichen Gefahren der Reclination

in unendlieh geringerem Grade mit sich fiihrt. Ob dies

jedoch mit Sicherheit nnd mit der gehiirigen Schonung zu erreichen sei, wage ieh, da ich es hie versucht, a priori

*) Ich spreche hier begreiflich nicht yon den h~uflgen F~illen, in denen nach abgelaufener Choroiditis eine Senkung des inzwischen catarakti~s gewordenen Linsensystems eintritt, sondern yon den in tier Litteraiur genfigend erSrterten F~i|len, we das ursprfingiich klare Linsensystem seine StelIe verlil, sst und erst sparer, zuweilen such gar nicht catarakt6s wird.

**) Es mfissen such noch andere Unregelm~issigkeiten in der Form der breehenden Medien existiren, fiber welche ich zur Zeit nichis N[iheres angeben kann. Die Kurzsichtigkeit ist bei den frag- lichen Patienten durch die gewShnlichen optischen Mittel ausser- ordentlich unvolikommen zu corrigiren, was sich weder dutch die etwaige Sehschw~iehe, noch auch durch die Stellung der Linso in befriedigender Weiso erkl~iren liisst. Dabei zeigt wader die Horn- haut noch der GlaskSrpor nachweisbare Anomalion.

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nicht zu bestimmen. - - Ich w~ihlte in vier derariigen F~il- len, in denen die zum Theil getriibte Linse so welt ver- schoben war, dass ihr Rand bei mittelgrosser Pupille eben in das Pupillargebiet streifte, einen anderen Ausweg, n~m- lich den einer Coremorphose. Begreiflicherweise muss die Irideetomie nach der Richtung gemacht werden, yon weleher ab das Linsensystem bei der Verschiebung r[ickt. In zweien dieser F~lle wurde ein f'dr das Seh- verm~igen sehr giir~stiges Resultat erreicht, so dass die Patienten ohne Miihe mit + 8 resp. + 6 lesen konnten. In einem dritten Fall, welcher der Zeit nach der erste war, wurde das optische Resulmt nut vnvollkommen, well ich gewisse Vorsiehten bei der Operation vers/iumt hatte, die ich gleich erw~ihnen will. Patientin konnte allein gehen, aber nur nach Eintr~lufehmg yon Atropin mittlere Schrit't lesen. In einem vierten Fall endlich stellte sieh, nachdem die directen Operationsfolgen wie gew~ihnlieh ohne irgend welche Zufiille voriibergegangen waren, am achten Tage nach der Operation, unter den bekannten functionellen Stiirungen, Netzhautabl;Jsung ein. Das Auge selbst war hierbei frei yon .ieder Entziindung; auch jetzt, nachdem zwei Jahre verlaufen, ist ~iusserlich nichts sichtbar, aber Patient auf eine schwache Licht- wahrnehmung nach aussen- unten beschr~nkt. Ver- muthlich wird, wenn die Zahl der Operationen bei spon- tanen Linsenversehiebungen sieh h~iuft, ein ~ihnliehes Ungliick ~/'ter eintreten, wobei ich reich auf das oben Gesagte beziehe. Allein es liegt darin keine spezielle Contraindikation gegen die Iridectomie, welehe gewiss yon allen in Frage kommenden Eingriffen den mildesten und unges darstellt, sondern wit k~innen darin lediglieh die Ermahnung sehen, iiberhaupt an solchen Augen nur zu operiren, wenn das Sehverm~igen durch Gataractbildung werthlos geworden und auch eine Natur-

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hiilfe dureh Vorw~rtsschreiten der Linsenverschiebung vor der Hand nicht zu erwarten ist.

Was den Akt der Pupillenbildung anbetrifft, so be- gegncn wir hier einer erwtihnenswcrthen Schwierigkcit. Da der Schnitt entsprechend dem yon der Linse freien Theile gemacht wird und da hier auch die Zonula Zin- nil defekt ~eworden ist, so tritt in der Regel beim Aus- ziehen des Lanzenmessers GlaskSrpersubstanz in die vorderc Kammer und stiilpt die Iris so nach hinten, dass sie (ieder St(itze eines dahinter liegeuden Linsen- tl~eils beraubt) der Pincette entgeht. So wie wit letz- tere in die Wunde einschieben und zum Fassen (iffnen. drfingt sich Glask~irpersubstanz hervor. In dem erst- operirten FalIe, wo ich mit diesen Hindernissen noch nicht vertraut war, kam ich wirklich nicht dazu, ein Stiick h'is zu excidiren. Freilich blieb die Iris so weit nach der Wunde hin verdrtingt, dass neben dem Linsenrand ein leidlicher Lichteint'all m~iglich war; allein das optische Resultat erwies sich, wie oben ange- deutet, unvollkommcn. In dcm zweiten Falle hatte ich ebenfalls noch grosse Schwierigkeitcn und musste, um den nach hinten gestiilpten und unsichtbar gewordenen Pupillarrand zu fassen, reich einer in Form eines Litho- clasten gebogenen Pincc capsulaire bedienen. In den beiden letzten F~llen endlich beobachtete ich die Vor- sicht den Schnitt so peripherisch als irgend milglich an- zulegen. Die tiusscre Wunde fiel ziemlich weir in die Sclera, die innere hart an der Hornhautgrenze. Ich liess alsdann den humor aqueus mit besonderer Lang- samkeit ausfiiessen und filhrte zur Wunde, nicht auf den Pupillarrand zu, sondern ungef~ihr auf das mittlere Bereich der Iris die gerade Pupillenpincette ein. Be- sonders wichtig scheint mir die tlusserst peripherische Lage der Wunde, well hierbei die Ciliarinsertion der Iris doch allemal sich der Wunde anlegt, selbst dann,

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wenn die dem Pupillarrand ar~grenzenden Iristheile dutch vordr~ngende GlaskSrpersubstanz nach hinten gostfilpt werden. Freilich darf man das ~iussere Bereich der Iris selbst nicht zum Fassen benutzen, da hierbei leicht Iridodialyse entstehen kSnnte; aber es wird, wenn die- ser Theil uns nicht entgeht, bei obliger Gewandbeit ira- met mSglich sein, yon hior aus an der vordern Fl~iehe der Iris bleibend, deren mittleres Bereich zum Fasspunkt zu benutzen. Die grade Pincette und ein etwas ener- gischeres Wirken gegen den Mittelpunkt des Auges ist deshalb nSthig, well einerseits die f'assende Spitze leieht fiber die vordere Fl3ehe der Iris tortgleitet und sodann auch beim Mangel eines Linsensystems die Ge- fahr einer Verletzung desselben nicht vorhanden ist. Ein sp~irliches Eiatreten yon Glask~Srper in die W u u d e ist ilbrigens kaum zu u m g e h e n . - Das SehvermSgen tier drei in Redo stehenden F~lle ist w~ihrend der gan- zen Beobachtungsdauer (yon 1�89 Jahren) unver~indert geblieben.

Was die F~ille yon spontaner Linsendislokation selbst anbetrifft, so babe ich in der neueren Zeit wie- derum ein Beispiel gesehen, wo Bruder und Schwester auf beiden Augen yon dem Uebel befallen waren. Auch die Richtung der Verschiebung war bei beiden analog, nur, wie in den meisten F~illen, das Uebel auf dem einen Auge welt vorgeriickter als auf dem anderen.*)

Ein hSchst interessantes Auge mit Dislokation einer vollkommen durchsiehtigen Linse sah ich vor zwei Jah- ren in der Klinik des P r o f . W e l z in Wiirzburg. Die Iris war stark nach vorn gedriingt und die vordere

*) Siehe meino frfihere Mittheilung tiber e r b I i c h e Linsen- dislokaiion im Archiv: Bd. II, l, pag. 252 anno 1855, welche Dixon wahrscheinlich iibersehen hat, da er in ,,Ophthalmic Hospital Re- ports" Januarheft 1858 pag. 54 einen ii.hnlichen Fall als den zuerst beobachteten mittheilt.

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Linsenkapsel sehien kaum ein Millimeter hinter der [Iornhaut zu stehen. Es war vor Pul)illarerweiterung kein Symptom oiner Linsendislokation vorhanden; nach AtropineintrRnfelung aber heiand sich der, diametral un- gei~ihr lg ram. verkleinerte. Linsenk~irf)er in der vor- dern Kammer und gegon die hintere Hornhautwand hart anliegend. Die Iris war hinter dem Linseniiquator etwas riickwiirts gestiilpt. Ich glaubte nun die Linse wiirde hier li[,getl bleiben, allein merkwiirdiger Weise wand sich die naeh hinten gestlilp~e Iris in den niichsten TageJl bei der allm/ihligenVerengnng der Pupille naeh vorn iiber den Linsenran(l t,iniiber, so dass der urspriingliche Zu- stand wieder eintrat. Die Sache ist in zweijiihriger Beobach- tungsdauer unver'andert und die Linse vollkommen transpa- rent geblieben. Dieses Auge war aueh noch in anderer Be- ziehung interessant; die Sehaxe wenigstens um 2~"' l/in- get, der Sehnerv elwas exeavirt, das Gesiehtsfeld stark eoneentriseh eingeengt. Da Prof . v. X, Ve lz eine Publi- kation des Falles beabsichtigt, so kniipi'e ich fiber den Znsammenhang dieser Ver/inderungen mit der Linsen- verschiebung keine Bemerkungen an.

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Zur D i a g n o s e des b e g i n n e n d e n i n t r a o e u l a r e n

Krebse s .

Die Diagnose der intraocularen Geschwfilste, so lange dieselben noch nicht dig Form des Bulbus ver- ~indert oder dessen Umhlillungen durchbrochen haben, stand yon .jeher auf einem schlfipfrigen Boden. Frei- lich gab es eine Zeit in tier Ophthalmologie, we man auch w~ihrend der allerersten Periode der Krankheit in dem optischen Verhalten des Augenhlntergruades ein pathognomonisches Zeichen Fdr diese Erkrankungen zu besitzen glaubte. Erschien durch eine starre erweiterte Pupille ein gelblicher, wie metallisch schimmernder Augenhintergrund, so bezeichnete man dies symptoma- tisch mit dem Ausdruck eines ,,amaurotischen Katzen- auges" und legte ein begianendes Encephaloid der Netzhaut zu Grund. Da kS sich ferner zuweilen ereig- nete, dass bei solchen Patienten sp~iter start wuchern- der Geschwiilste phthisis bulbi eintrat, so vermuthete mall auch beginnende Carcinome geheilt zu haben. Wenn nun letztere Annahme den heutigen Anschauun- gen fiber derlei Geschwiilste nicht entspricht, so ist iiberhaupt die ganze auf das Symptom des ,,amauroti- schen Katzenauges" gegriindete Diagnostik tier Kral~k- heit mit Recht erschiittert worden. Es stellte sich heraus, dass dieses Aussehen bei den verschiedensten Exsu- dationsprozessen, welche eine Trennung der Netzhaut

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yon der Aderhaut bedingen, zu Stande kommt. Solehe Pvozesse ~ihren bekanntlieh h~iufig zu Sehrumpfung des Bulbus und so waren aueh die F~ille yon geheilten iatra- oeularen Careinomen anf eine natfirliehe Weise erkl~irt. Mit diesen Naehweisen, die wir der pathologisehen Ana- tomie verdanken, war freilieh der einzige Anhaltspunkt f'fir die Diagnose des beginnenden intvaoeularen Kreb- ses geraubt; man liess es meist in der Praxis lange sehwankend, welches die Natur des zwisehen Netzhaut und Aderhaut lagernden Produktes sei und zog die Entseheidung erst aus dem weiteren Verlauf der F~ille, aus der Beobaehtung ob Volumszunahme des Bulbus oder Volumsabnahme eintrat, ob ein geringerer oder h;Jherer Reizzustand sich entwickelte, ob die gelbliche im Augen- hintergrund sichtbare Masse sich stark und in soliden Buckela nach vorn dr/ingte; endlich suchte man auch Alter und Konstitution der Patienten zu Schliissea zu be- nutzen, welche, wie immer bei Geschwfilsten h(ichst un- sicher, so hier besonders t~iuschend ausfielen. Begreif- licherweise musste unter solchen Umst~nden die allge- meine Aufmerksamkeit sich auf die Ergebnisse der o.ph- thalmoscopischen Untersuchung richten. Man hoffte, der Augenspiegel der sonst so feine Texturver~inderun- gen offenbart, wfirde hier gewiss seine Dienste nicht versagen. Wenn sich nun diese Erwartungen nicht er- ffillt haben und bei einer strengen Kritik der ophthal- moscopischen Leistungen in diesem Kapitel vorwaltend negatives zu berichten ist, so scheint es doch der Mfihe werth, einige hier zur Sprache kommende Ver- h~iltnisse in der Kiirze zu erw~ihnen.

W~ire es in der That die Regel, dass die intraocu- laren Geschwiilste sich yore nerv. opticus oder yon der inneren Fl/iche der Retina aus in den Glask~irperraum hinein entwickeln, so w~iren sie aueh im wahren Sinne

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des Wortes ein ophtha]moscopisches Objekt. Mail mfisste ihre Oberflilche gut beschauen und an dersel- ben diagnostische Charaktere gewinuen kiinnen. Dem ist abet nicht so. Freilich z';ihlt die Litteratur eine Reihe unangreii'barer Beobachtungen, welche das Vorkommen der erw~hnteu Entwickelungsweise verbfirgen (siehe z.B. S i c h e l ) , allein so viel glaube ieh, abgesehen yon den gleichlautenden Resultaten vieler Fachgenossen, aus meiaer eigenen Erfahrung schliessen zu kSnnen, class eben diese Entwickelungsweise eine Ausnahme und zwar eine seltene Ausnahme constituirt. Bis jetzt ist mir kein derartiger Fall vorgekommen, w~ihrend ieh schlecht gerechnet 20 Augen er~iffnet, bei welchen sich der Ursprung des Krebses zwischen Netzhaut und Cho- rioidea oder zwischen Chorioidea und Selera oder im Gewebe der Chorioidea selbst nachweisen liess. Das Auftreien der Geschwulst zwischen den innern Mem- branen schliesst an sich die MSglichkeit einer friihzeiti- gen ophthalmoscopischen Diagnose nicht aus, alleiu es walter hier noch ein besonderes ttiuderniss ob, n~imlich es .wird h~iufig (vielleicht in der Regel) durch beglei- tende serSse Ergiisse die Netzhaut yon der Oberfl~iche der Geschwulst, oder, wenn diese zwischen Sclera und Chorioidea lagert, yon der letzteren in der Weise ab- geliist, dass wit nut die Zeichen einer gewiihnlichen NetzhautablSsung und nieht die einer soliden Geschwulst mit dem Augenspiegel erhahen. Sp~iter, wenn sich die Geschwulst entwickelt, wird entweder die zwischen Netz- haut und Chorioidea lagernde Fliissigkeit mit dem Glas- k~3rper in der Weise verdr~ingt, dass beide Membranen wieder in Kontiguit~it treten oder es tritt innerhalb des yon Flfissigkeit gef(illten Raumes Krebsablagerung ein. Beispielsweise eitire ieh folgenden Fall:

Frau v. Q., 28 Jahr alt, anaemisch und auf Tuber-

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culose verd~ichtig, stellte sich mirvor zwei Jabr~n we- gen linkseitiger Erblindung vor. Es war nut noch naeh aussen-unten eine diirftige Wahrnehmungsf~ihigkeit vor- handen. Dem entsprecheud zeigte der Augeuspiegel eine beinahe totale NetzhautablSsung uud zwar in der gewShnlichsten Form. Bei der fiblichen Beleuchtung reflectirte die Neizhaut in Blaugrau, auf ihren Falten, fiber welche die geknickten Gef~sse liefim, in etwas hel- leren Nuancen, sie tremulirte stark, u. s. w. Ich er- kl~rte das Auge fiir verloren und rieth Schommg des rechten Auges. -~ Jahr sp';iter kam Patientin wieder zu mir wegen heftiger Ciliarneurose, die sie linkerseits verspfirte. Da die Iris etwas h3"per.;imisch verf~irbt, die subconiunctivalen Gefiisse leicht ill jicirt waren und der Augenspiegel noch immer die friiheren Kenuzeichen hot, nut dass die Netzhaut .jetzt stark nach vorn geri]ckt war und den bekannten Trichter bildete, an dessert WandLmgeu man die flottireuden Buekel gewahrte~ so glaubte ich bei der ersten Besichtigung die Schmerzen auf den Begian einer Iridochorioiditis beziehen zu miis- sen, wie sich eine solche dem sp~teren Verlauf yon Netzhautabliisungen hinzugesellt. Das einzige Auff~l- lige war mir allerdings, dass der Bulbus noch aicht an Resistenz verloren, wie es in dieser Epoche bei ein- faehen Netzhautabliisungen meist der Fall ist, sondern dass er sich sogar etwas praller als der rechtseitige Bulbus anfiihlte. Nachdem verschiedene Mittel gegen die Schmerzen erfolglos angewendet, wurde die Iridectomie verric.htet. Hiernach trat auf eiaige Tage Erleichterung ein, dann kehrte abet bald der alte Zustand zurfick. Die Consistenz des Bulbus nahm statt ab, zu; auch die Iris wurde .jetzt etwas nach vorn gedrfingt, so dass eine leiehte Abflachung der vorderen Kammer nicht zu ver- kennen war. Nach einigen Wochen stellte sich Cata-

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raet ein. Die wlithenden Schmerzen, welehe jede Naeht- ruhe raubten, wirkten auf die Gesundheit der gebrech- lichen Patientin so nachtheilig, dass eine Abhiilfe drin- gend n~ithig schien. Exstirpatio bulbi wurde beschlos- sen. Die Entwicklung des Uebels, seitdem Patientin sich mir zura zweiten Mal vorgestellt, hatte bereits den Verdacht eines intraocularen Tumors n~iher und n~iher gelegt, so dass ich keiaen Anstand nahm, reich vor der Operation, dem Hausarzte gegeniiber, mit einer Wahr- scheinlichkeit yon 10 zu 1 f'dr 'diese Diagnose auszu- sprechen. W~ire es der erste Fall gewesen, wo ieh nach l~ingerem Bestehen einer scheinbar einfachen Netzhautabl~Jsung solche S3~mptome sich einstellen ge- sehen, so w~ire ieh auch wahrscheinlich bei der Ver- muthung einer einfachen exsudativen Chorioiditis ge- blieben, allein reich leitetea bereits zwei ~ihnliche F~ille yon Patlenten, die in meinem Krankenjournal mit,,Netz- hautablSsung" eingetragen waren und dann naeh Jahres- frist:resp, l~ingermit deutlichen Zeichen eines intraocularen Tumors zur[ickkehrten. Besonders stihzte sich die An- nahme auf den Umstand, dass bei einer NetzhautablS- sung, bei weleher die Retina bereits so writ vorgedr~ingt war, der iatraoculare Druck zugenornmen und nicht ab- genommen hatte, und dass letzteres auch nach veriibter Iridectomie nicht eingetreten war. Nach der in B o n - net ' scher Weise verSbten Exstirpation zeigten sich die Dimensionen des Bulbus vollkommen normal. Hinter der cataractlisen Linse befand sich innerhalh des Netz- hauttrichters nur noch cin geringer Glask~3rperrest. Auf der Netzhaut eiazelne Apoplexien. Zwischen Netz- haut und Aderhaut, den gr~3ssten Theil des hinteren Augenraumes ausf'dllend, lagerte gelbliche serSse Fllis- sigkeit, welche sp~rliche zugerundete Pigmentzellen sub- igirt enthieh. Die ~iussere Fl~iche der Aderhaut liegt

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der Sclera ~iberal! an. In der Aderhaut eingebettet und zwar hart an der fiussern Gr/inze des Opticus findet sich eine scharf abgegr~inzte rundliche Geschwulst yon 17 ram. L/inge, 15 ram" Breite, 9 ~ . Dicke. Die Innenfl~iche derselben yon der Pigmentschicht und innern GeF~iss- lage der Chorioidea bewandet, ist ausserdem yore nach- barliehen Opticus aus bis zur Hiihe der Geschwulst dureh eine Exsudatlage mit der hier (aus ihrer vorwfirts gestreckten Lage) nach hinten gezogenen Netzhaut ver- wachsen. Nach aussen ist die Gesehwulst yon der stark atrophisehen Sehicht der /iusseren Aderhautgeffisse be- deckt und 15st sich yon der Sclera leicht ab, nut an einer ganz umschriebenen Stelle erscheint eine lockere Verwachsung. Die Geschwulst bietet beim Durchschnitt ein gleichm/issiges ziemlich weiches Gefiige, l~isst kei- nen Salt ausdriicken, zeigt auch bei der mikroscopischen Untersuchung keinen areolaren Bau, sondern besteht durehweg aus grosskernigen, meist nach zwei Richtun- "gen ausgezogenen Zellen. Sie ward yon V i r c h o w flit Sarcom erkl~rt.

War es hier miiglich gewesen, die Gegenwart einer Geschwulst ophthalmoscopisch zu erkennen? Selbst wenn die umsehriebene, mit der Innenfl~iche der Ge- schwulst n/ichst dem Opticus verwachsene Netzhaut- stelle zur Beobachtung gekommen w/ire, was dutch die iiberhtingenden Netzhautbuckel verhindert worden, so h/itten wit an selbiger Stelie nicht das ge- ringste pathognomonische bemerkt, da die Netzhaut daselbst nicht wesentlich infiltrirt oder s entartet war. Es hiitte uns h~chstens der Umstand, dass die Retina nicht lediglich gegen den Eintritt des Optieus, sondern gegen eine breitere Stelle zuriickgezogen war, auf Vermuthungen an eine bier zu localisirende Krank- heitsursache bringen kiinnen. Aueh jetzt war, als man

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nach Abtraguag des vordersten Bulbusabschnittes in die Tiefe sah, noch nicht das mindeste yon einem Tumor zu ahnen. Dass die Geschwulst in der Eutwickelung das erstere und die Netzhautabliisu~Jg co~sekutiv gewe- sen, l~isst sich kaum bezweii~eln. Letztere crkliirt sich sehr einfach durch den Druck, welchen die Geschwulst auf die austretenden Venen ausiibt. Wit miissten uns eigentlich wundera, wenu dem nicht so w~ire, nament- lich bei Ablagerungen in der Chorioidea selbst oder zwischen Chorioidea und Sclera.

Ob in der ersiea Periode der i~ltraocularen Ge- schwiilste in der Regel Netzhautabliisung vorhanden, das kaua ich nicht verbiirgen; dass es abet ziemlich hiiufig stattfi~ldet und zwar in einer die Diagaose wahr- huh maskirenden Weise, das glaube ich aus drei der- artigen, in den letzten Jahren beobachteten F~llen schlie- ssen zu dllrfen.

Den V e r d a c h t au f e inen d a h i n t e r l i e g e n d e n T u m o r wi i rde ich d c m n a c h bei s o l c h e n N e t z - h a u t a b l S s u n g e n fiir b e g r i l n d e t e r a c h t e n , bei w e l c h e n se lbs t n a c h s t a r k v o r g e d r ~ i n g t e r N e t z - h a u t m e h r uad m e h r Z e i c h e n fiir Z u n a h m e des i a t r a o c u l a r e n D r u c k s a u f t r e t e n . Als ein solches Zeichen diiri'en wir, glaube ich, auch hier die Ciliarneu- rose betrachten. Eine speziellere Beziehung der b~isar- tigea intraocularen Geschwfilste zur Schmerzhahigkeit liegt meines Erachtens nur darin, class bier, zwar Auf- saugung der verdr~ingten Contenta, aber doch nicht in proportionirter Weise stattfindet uud somit die wenig elastische Sclera mit den daranliegenden Nerven Span- nung erleidet. Die augenblickliche, aber voriibergehende Wirkung yon Punktionen und Iridectomien, selbst bei intraocularen Tumoren spricht ebeni'alls in diesem Sinne. Weiter ist hier als Zeichen des zunehmenden Drucks,

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die si(,h dem Tastsinn off(,nbarcnde, Prallheit des Bul- bus selbst zu erw~hnon; di(~s um so mehr, ~Jls sich sonst bet NetzhautahlSsungen, selbst wenn noch keine Irido- ehorioiditis hinzugotceten ist, der Bulbus meist um eini- ges weieher anfiihlt. Au('h die Iridoplogio, das Hervor- gedrfingtsein d['r Iris, Anaesthesie dor Hornhaut u. s. w. sind bier zu beriieksieh',igen. Die h'idoph,gie eonstituirt eins der beiden in dem ,,amaurotisehen Katzenauge" versehmolzenen Kennzeiehen. Es wurde stets ausdrfiek- lieh hervorgehohen, ,,dass der gelbsehimmernde oder metallfarbene Augenhint[,rgrund durch eine erweiterte, starre, zuweilen unregelm/issig ausgebuchtete Pupille m'seheint." Nat(irlieh kann zwisehen dem Vorhahen der Pupille und der anatomisehen Besehaffenheit ether Ab- lagerung kein direetes Band existiren, wohl aber ist die Iridoplegie bet stattfindenden subretinalen oder sub- ehorioidalen Ablagerungen ein zu beohaehtendes Mo- ment, weil sie in Zusammenhang mit andern Sympto- men auf Druekvermehrung deutet, und letztere constant bet intraoeularen Tumoren und in der Regel nieht bet welt gediehenen NetzhautablSsungen vorkommt. Bet die- sen bleibt, vorausgesetzt, dass noch keine iritisehen Ver- waehsungen vorhanden, die Bewegliehkeit der Pupille sympathiseh mit dem andern Auge oder bet Akkomo- dation lange erhalten.

Wenn uns die Gegenwart ether Netzhautablilsung zuweilen eine Gesehwulst verhfillt, so habe ieh hier noeh eta anderes Bild zu erwiihnen, welches Irrthfimer in umgekehrter Riehtung veranlassen kann. Ieh ge- wahrte zuevst vor 4 Jahren bet einem Patienten eine yon dem Seitentheil des Augenhintergrundes sit'h ge- gen die Mitte des Glask~irpers erhebende, aufihrer H~he mit vollkommen seharfer, runder Contour absehneidende

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Promlnenz. I)ieselbe war wm N~,tzhaut und Aderlmut bekMdei, lhro M)gorund~,w liuplW r sich, wio das u der ophthalmoscotfisehen Bihler bewies, wenigstens 4"' yore Augenhinl(,rg'runde und w~r na~.h erweiterter l'upille, auch bei g,'wShnliehem T~lgoslieht mit den dariib(.r lmff, m,hm N('tzl,autgof~iss,,n in gelblieh grauer Tiin('h,mg sichtbm'. Bei d,,v Untersuchung mit dem Augenspiegel ersehi,.n (li,~ Netzhmlr gegon die K,Tpc ],in etwas g,'triibt, so dass (la,-_' Chorioidalgowebe trotz der sl),ir- lieh~'n Pigmentirung nul' undeutlich und erst gogen di~ Ba- sis dm'Prominonz, w o e s in das Niw,au des Au~enhinter- .grundos iiherg'ing, dcullich zu sehen war. Da gin" keinTre- mulir(,n 1)oi den Aug,,nbowegungon zu ellt(lecl(,.n war, so meinte ich, einc solide Mass~: miisse zwisehen Chori- oidea und Selora lagern, und fiir('htete die Entwi(.khmg eines bSsm'tig(:n Tumors. lch beobachteto, d(;n Kvan- ken welter. Die Figuv d(w Pvomin(mz 1)lieb unvel'- ~indert und st)fiter (rat in (let" Umg,~bung NetzhautablS- sung hinzu. Jetzt ist das Aug'e atvophisch. Einen mit dem eben bes('hriebenen congruentcn Fall sah i('h ein Jahr sp'Jiter und zwm' wurdc hi(,v von dem Pt~tientcn angog,,ben, (lie FunetionsstGrung(;n (eine (h,r Lagc und Form des Tumors entsl)rechentle Gesi('htsfehll)(,schriin- kung) seien g'anz plStzlich nach einer Gemiid,sbewegung entstanden. Aveh hier goselhe, sieh Nelzhautabl;.isung urn die Prominenz hevum und endlich phthisis I)ulbi hinzu. Neuerdings sah i('h noeh cinch dritten Fall, der ebenso verl~iuft.--Ueb('r den mato.riellen Grund dioses Zustand(,s katm ich in Fi'mangehmg yon Sectionen niehts sagen. Dass hier (lie Nctzhaut sammt der Cho- rioidea yon dev Sch;ra ahgelSst ist, steht i~st. Fiir einen apoplectischen Ursprung sprieht (tie plStzliche Entst(:hung in dem zweiterwiihnten Fall, die ich nicht in Zweiti:l ziehen kann, well Patient als Oflizier bcim Schiessen

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die Augen hiiulig altecnirend sehloss. Ein so ausge- dehnter Blut('rguss k{~nnte fiiglieh kaum ohne h'amorr- hagische Vcvfih'bung dee benaehbarwn Theile stattfin- den. An der Basis der Prominenz babe ieh freilieh in dem einem Falle eeehymotisehe Vet'iir~derungen in der Aderhaut beobaehtet, allein doeh in besetMinkter Aus- dehnung. M~glieh, class ein sor;fser Erguss zwisehen Aderhaut und Sclera dem Bilde zu G,'unde liegt, womit das spiitere Hinzutreten scr~.iser Netzhautablfsung und atro- phia bulbi einigermassen iibereinstimmt. ~Voher abet die starre und fiir l'angere Zeit vollkommen unver'iinderliche Form, welehe so sehr cinch Tumor simulirt ? Sollte Fliissig- keit vorhanden sein und doeh (wegon etwaigerInfiltration der Chorioidea) bei den Bewegungen keine Lageveriinde- rungen stattfinden. Dies ist wohl m;3glich, jedoeh nieht zu entscheiden, well iiberhaupt noeh fiber die ophthalmosco- sehen Charactere der Chormtdala dosungen Ertahrungen fehlen. Dec Zustand ist im Uebrigon f'dr den, der ihn einmal gosehen, leicht wieder zu evkennen und will ieh gelegentlieh suehen, ein Bild des.,selben beizugebon. 1)r. L i e b r e i c h besitzt ein solehes, welches, wennich nicht irre, sieh auf den zweiten meiner F/ille bezieht.

Zum Sehluss noeh eine Bemerkung iiber den goht- gelben Ilcflex, den man friiher als charaeteristisch ffir das .,amaur(~tisehe Katzenauge" hervorhob. Ieh babe bereits f,'ir einen fi'iiheren Fall (siehe Archly fiir Oph- thalmologie Band II, 1. Seite 214) den Naehweis ge- fiihrt, dass eben diescr Reflex nieht yon der ()berfl~i('he dee Geschwulst, sondern yon der vorgedriingten, fettig degenefirten Netzhaut stammte. Es hat sieh (ties in einem "ahnlie.hen Falle, dot das Symptom in sehr aus- gezeichneter Weise darbot, best.atigt. In diesem waren aueh bei Tageslieht schon Gef'assramificationen siehtbar,

15"

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die man friiher ebenf'alls dem Tumor zuschrieb und die lediglich der Netzhaut angehSrten. Nut d~l, we die Ge- schwulst sich yon der innern Fl'~che der Netzhaut ent- wickelt, k~irmte deren Oberfl~(.he yon Anfang an dee Quell des Reflexes u nd den Tr~iger der sichtbaren Gef~issverzwei- gungen abgeben. In den gewShnlichen F~llen dagegen, we die Krebsablagerung ursprt],glich zwisehen den in- neren Membranen aufiritt, mfisste zuvor durch die wach- sende Geschwulst die Netzhaut zerst(irt werden. Dies scheint den Obductionsresuhatea zufi)lge erst in den sp~iteren Perioden Start zu finden, wenn die Geschwulst den Augapt'el ganz oder beinahe ganz ausf'fillt; w~hrend anf~nglich die Netzhaut sieh verdickt uad f'ettig enlar- tet, set es, dass sie direct dutch die Geschwulst oder durch begleitenden Flfssigkeitserguss yon der Aderhaut abgelSst ist. Zwischen dem einfach weisslichen Schil- lern, wie es schon in der vorophthalmoscopischen Zeit als characteristisch ffir dieNetzhautabl(isung (Hydropsie sousrStinienne) hervorgehoben wurde und zwischen dem goldgelben Reflex des amaurolischen Katzenauges kern- men alle mSglichen Ueberg~nge vet. Die n'3here Be- sehaffenheit, welche eine dureh Exsudation und durch Tumoren hervorgedr~ngte Netzhaut annimmt, bestimmt die :Modalit~iL des Reflexes. Auch naeh Cho- rioiditis mit plastisehem Exsudat wird in der Regel gleich- zeitig Fliissigkeit zwischen Aderhaut und 1qetzhaut er- gossen, und es kann dann unter Umst~inden dutch Dege- neration der Netzhaut goldgelber Reflex zu Staude kommen. Derselbe wlirde wahrscheinlich noch ~3fier zur Beobachtung kommenl, wenn nicht die gleichzeitig in den Glaskiirper abgesetzten Produkte, z. B. bet trau- matischen innern Augenentziindungen, eingedrungene fremde K;Jrper das Aussehen modificirten. Sehr dichte

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Membranen im GlaskSrper, wie sie zum Beispiel nach Eiterergfissen sich entwickeb~, reflectireu ebenfalls zu- weilen intensiv gelb, bieten iedoch gewShnlich ein mat- teres weniger gl~inzendes Aussehen, als eine fettig de- generirte Netzhaut.

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t

U e b e r d i e m i t D i a b e t e s m e l l i t u s v o r k o m m e n d e n

Sehs t~ i rungen .

Die relative HSufigkeit yon Cataract bei Kranken, welche an Diabetes mellitus leiden, ist yon den meisten klinischen Beobachterrl hervorgeboben worden. Es ist nach den statistischen Ergebnissen kein Zweif'el mehr, dass eine direete Beziobung zwischen der Zuckerkrankheit und der Cataractbildung besteht. Besonders hierfiir ha- weisend sind die Fiillt an .iilng'eren Individllen, bei wel- chen sonst LinseatrSbungen relativ so viel selter~or vorkom- men. Wit" beobachtea hier im Verlauf dos Diabetes mel- litus nicht selten die Entwicklung eines weichen Cortical- staars. Sind die Individuen ~her, so dass der Linsenkern bereits anI,ingt zu erh~rten, so ist zwar der Prozess cor- tikaler Erweichung ebenfalls meist vorherrsehend, aber doc, h bier, wie gewiihulich bei Alterscataracten, mit gleiehzeitiger Kert~sclerose combinirt. So wenigstens verhielt es sich irl 7 odor 8 F~illen von Cataract- bildung bei ';iheren Diabeteskranken, roll denen ich nut zwei in meiner eigenen Praxis, (tie anderen aui' inne- ren Kliniken beobachtet. Wie, (lie tIeilung der Lappen- Extractionen bei /ilteren Diabeteskrarlken vor sieh geht, kann ich nieht betirtheilen, da ieh sit nit verriehtet. A priori l~sst sich hier~iber nichts sagen, well es Dyscra- sien gicbt, welche den Extractionsresultattn nachtheilig entgegen treten und solche, welche trotz a]ler unserer Beffirehtungen nicht den mindesten Einfiuss haben. Die- jenigen, welchen hierfiber eight Erfahrungen zustehtn,

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spreehen sieh beinahe einstimmig sehr ungfinstig ()ber die Ertblge aus. Dagogen scheint die Heilung yon linearen Hornhautwunden dureh die Gegenwart yon Diabetes melli- tus nieht beeintv~ehtigt zu werden, wenn man iibevhaupt aus einem Fall Schlfisse ziehen will. Ein 19j';ihriger Landmann lift bereits seit etliehen 3ahren an Diabetes mellitus. Zur Zeit seiner Vorstellung var dim Menge und der Zuekerge- halt seines Urins sehr gross, der Kranke abgemage, rt~ von bleiehel' Gesiehtsiat'be und sei,~ mehreren Monaten yore Husten befallen (Tuberculosis zwar wahrscheinlich, abet noch nieht mit Sieherheit nachweisbar). Selbiger Patient war seit drei Monaten auf' dem einen, seit 14 Tagen auf dem andern Auge, wie er angab, in wenigen Tagen erblindet. Allerdings zeigte die vorhandene, voll- kommen einfache cataract jenen sieh zerklfiftenden ge- bl/ihten Habitus, wie er bei sehr rascher Entwiekehmg vorkommt (und wenn aueh nicht in einigen Tagen yore Anf'ange bis zur Evblindung, doeh zuweilen in dieser Zeit yon einer 'geringen Gesiehtsbesehriinkung bis zur Aufhebung der Distinctionsf/ihigkeit fiihrt). Obwohl dem Patient eine lange Gebensdauer nieht zuzuerken- nen war, so lag doch kein Grund roe, denselben fiir den Rest seines Daseins blind zu lassen, um so weni- get als eine lineare Extraction, yon der bier allein die Rede sein konnte, nicht den mindesten Nachtheil fliv das Allgemeinbefinden mit sieh fiihrt. Dieselbe wurde gleichzeitig an beiden Augen vollzogen. Leider ging dutch Unachtsamkeit des Wiirters die zur Reaction auf Zucker bestimmte Linsenmasse verloren. Die Heilung trat ohne die geringsten Zwischenzufiille ein. Pa- tient blieb zwei Tage im Bett, dann noch drei Tage im Zimmer, verliess die Anstalt am 8. Tage, um einige Tage spiiter in seine Heimath zurilekzukehren. Das Sehvermiigen war so gut als nach irgend einer andern Cataractoperation.

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Man muss bei den mit Diabetes vorkommenden Cataraeten auf etwaige Complieationen sehv genau prfi fen, da die w~hrend der fragliehen Krankheit sieh entwiekelnde Sehsehw'~ehe aueh in einzelnen F~llen einen tiefern Grund hat. Von 7 Diabeteskranken, welehe sieh wegen zunehmender Sehsehw~ehe an miehwandten,litten 4 an Ca- taract (zwei '~ltere Individuen, auf die oben hingedeutet, und zwei ifingere, yon denen tier eine operirt ward), bei einem waren Reste einer e h r o n i s e h e n C h o r i o i d i t i s vorhanden und bei zweien C e r e b r a l - A m a u r o s e . Was die G%enwart yon ehroniseher Chorioiditis anbe- trifft, so hahe ieh dieselbe, bis reich zuklinffige Erfah- rungen anders belehren, flit eine zaf~llige Complication. Patient gab an, erst seit einem Jahre Symptome yon Diabetes verspfirt zu haben. Die eigentliehe Sehsehw~ehe war monolateral. Patient hatte die Augen nie separat geprfift und konnte daher fiber den Termin des Emmtts niehts angeben. Was ihn zu mir ffihrte, war vorwal- tend ein neuerdings bemerktes Aeeomodativleiden. Da ausserdem der Augenspiegel lediglieh ahe und zur Zeit stafion~ve Produkte naehwies, n~mlieh umsehriebene, gegen die gesunden Parfien seharf abgesetzte fleekf~r- mige, dunkle Pigmentirungen an tier inneren Aderhaut- fl~ehe, so glaube ieh wohl, dass die monolaterale Seh- sehw~ehe vor dem Diabetes dagewesen ist.

Dagegen hatte sieh in den beiden anderen, an Cerebral- Amaurose leidenden Kranken das Augenfibel ohne Zwei- fel mit der fortsehreitenden Allgemeinkrankheit, die sehon lange unter sorgfgdtiger ~rtzlieher Beobaehtung stand, ent- wiekelt. Beide waren jfingere Individuen. Bei dem erstbeobaehteten war die eentrale Sehseh~rfe so herab- gesetzt, dass er mit dem besseren Auge nieht mehr ge- w~hnliehe Drueksehrift, mit dem sehleehteren nieht ein- real No. 16 der J~ge r ' s ehen Sehriftproben lesen konute. Das Gesiehtsfeld war aus beiden Seiten eoneentriseh

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verengt, ebenfalls auf dem einem schlechteren Auge mehr als auf dem andern. Zwischen dem erhaltenen und dem defecten Theil befand sich, wie h~ufig, eine breite Zone, innerhalb der die Wahrnehmung auf ein Minimum reducirt war. Der Augenspiegel zeigte bre- chende Medien und inhere Membranen vollkommen ge- sund, den Sehnerv auf dem schw~ichcren Auge weisser, dessen Substanz opaker, die arteriellen Aeste absolut und besonders relativ zu den Venen verdiinnt und die Dimensionen der Papille bereits um eine Spur verrin- gert. Auf dem besseren Auge waren diese Ver~inde- rungen weniger ausgepr~igt. Der Befund verhielt sich demnaeh hier so wie bei der Cerebral-Amaurose.

In dem zweiten Fall waren die funetionellen St(i- rungen ganz anderer Natur. Es existirte eine derariige Hemiopie, dass beiderseits die rechte H';ilfte des Gesichts- feldes fehlte, mithin die linke H~ilfte der Netzhaut als paralysirt anzusehen war. Der erhaltene Theil des Gesichtsfeldes schnitt gegen den Defekt vollkommen schaff mit einer senkrechten Trennungslinie ab. Es war hiernach eine Paralyse des linkcn truncus opticus anzunehmen (siehe Archly fiir Ophthalmologie Band ]I, Abthl. 2, Seite 286). Die centrale Sehsch~irfe erwies sich so gut, dass Patient mit dem einen Auge No. 3, mit dem andern No. 5 der J5ge r ' s chen Schriftproben er- kennen konnte. Der ophthalmoscopische Befund er- gab, inclusive des Sehnerven, ein negatives Resul- tat. Offenbar mlissen wit hier eine Ver~inderung, sei es im linken truncus opticus selbst oder in den Gehirn- theilen, aus denen er entspringt~ annehmen. Dieser Fall hat sich, so lange ich ihn beobachtet, nicht ver- schlechtert, sondern ist stationilr geblieben. Der erstere hatte sich im Lauie eines Jahres etwas, iedoeh ~iusserst langsam verschlechtert.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Augen~irzte

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fiber die mit Diabetes mellitus vorkommenden Augen- krankheiten zu erschSpfenden Resultaten gelangen wer- den, da sich diese Uebel wie es seheint, erst in einer vorgerfickten Periode der Allgemeinkrankheit, wenn diese bereits das Leben nahe bedroht, entwickeln. Dagegen seheint uns namentlich das Vorkommen yon Cerebral- Amaurose und yon einseitiger L~ihmung desTruncus opticus fiir die immer noch so dunklen Anschauungen tiber die Zuckerkrankheit einen Beitrag zu liefern, welchen die Vorsteher innerer Kliniken, vielleieht im Verein mit ande- ren Ergebaissen, dereinst verwerthen kiinnen. - - Schliess- lich sei mir die Bemerkung erlaubt, dass iiberhaupt das Vorkommen amblyopischerAffection beiDiabetes Krankeu weir seltener ist, als es yon vielen Prakfikern vermuthet wird; es bezogen sich bei den meisten Diabetes-Kranken, welche ich auf inneren Kliniken untersuchte, die Be- schwerden aufParese des AceomodationsvermSgens~ de- ren Eintritt bei dem Verfall des Nerven- und Muskel- systems wohl sehr begreiflich ist.

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.

Zur Lehrm yon der N e t z h a u t a b l S s u n g .

Obwohl NetzhautablSsung eine dee h~iufigsten Ver- ~inderungen eonstituir,, die wit mit dem Ophthalmoseop bei amaurotisehen Leiden vorfindem so ermignmt es sieh doeh verhiiltnissm~issig selten, dass wit' die Bildung die- ses Uebels yon Anfang an be~)bachtmn. In der Regel geht tier Pt'ozess bis auf eitle gmwissm HShe ausserordent- lieh rasch dutch blutigen oder sevSsen Erguss vor sieh, wie es auch die Krauken selbst wahrnehmen, wenn sie an- ders lhrSehvermo~,en scharfeontrolhrmr~. Besollders wenn das Umbel auf dam ersten Auge aut'tritt, suehen diesel- ben oft sehr namhtrliglich augen~irztlichmn Rath. Diese relativ versp~itmte Beobaehtungszeit hat einen Irrthum herbeigefiihrt, den ich mich eile, hierdureh vorl~iufig zu beriehtigen. Man hat geglaubt, dass in der unendlichen Mehrzahl der F~ille spontane Netzhautablfsung zuerst in dem u n t e r e n Bereich des Augenhintergrundes a u f t r i t t Maehen wir eine Statistik s~mmtlicher NetzhautablSsun- gen, so werden wir allerdings finden, dass sieh das Umbel wenigstens in 95 I)rozmnt der F~ille in dieser Weise lokalisirt, so dass die abgelSste Partie mit einer horizontalen oder sehr~igen Trennungslinie nach oben ab- schneider. Im Lauf des letzten Jahres habe ieh zwei Parian- ten beobachtet, bei denen bereits auf einem huge seit ge- raumer Zeit NetzhautablSsung bestand und das zweite Auge ganz friseh yon derselben Krankheit befallen

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wurde. In dem einen dieser FS]|e hatte ich d~s zweite Auge noeh kurz vor der Erkrankung untersucht, wie es yon Zeit zu Zeit aufAnsuchen des Kraaken geschah. Wenige Tage nach Eintritt der i'unctionellen St~rungen war die ~ussere-obere Partie der Netzhaut abgel~st, bei dem ande- ten Patieaten ungef~hr das obere Drittheil. Dem entspre- chend verhielt sich das Gesichtsfeld; in dem ersten Falle war die innere-untere Partie, in dem anderen das untere Drittheil, nicht ganz defekt, aber doch auf dumpfe quan- titative Lichtempfindung beschr~nkt. Die abgel~ste Netz- haut war durchsiehtig und enffernte sich in beiden yon dem Augenhintergrund nicht sehr erheblich, nach der Einstellung der Gl';iser bei der ophthalmoscopischen Untersuchung zu schliessen, wahrscheinlich in Maximo nicht fiber 1"'--11/, "'. Ieh glaubte mm zwei yon jenen weniger h~iufigen F~llen vor mir zu haben, wo Netz- hautabl~sung nach oben fortbesteht und erwartete ent- weder einen vorl~ufigen Stillstand der Affection oder eine Erweiterung der Netzhautabl~;sung dutch Vorrficken der Grenze nach unten und dem entsprechend Vor- rficken der Gesichtsfeldbeschr~inkung nach oben. Der Verlauf gestaltete sich abet ganz anders. Bei dem einen Auge trat eine Glask~rpertrfibung ein, welche lange Zeit die genauen Bestimmungen fiber die Form der Netzhautabl~sung unm~iglich machte. Jetzt nach- dem ein Jahr seit dem Auftreten des Uebels verflossen, hat sich der Glask~rper vollkommen gekl~rt, der frSher abgel~ste ~iussere-obere Theil der Netzhaut ist anliegend, die Ges aufdemselben sehen vielleicht etwas duukler und geschl~ngelter aus als an den symmetrischen Stellen nach innen-oben, aber namhafte Strukturver~nderungen kann ich an diesen Netzhautpartien nicht entdecken. Der correspondirende innere-untere Abschnitt des Gesichts- feldes, welcher frSher auf quantitative Wahrnehmung

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redueirt war, hat jetzt wieder eine der Norm sieh nii- hernde I)istinetionsf'ahigkeit erlangt, so dass Patient Finger in einer Exeemri('it'at yon 45~ ~ z'ahlen und die Bewegungen der ttand circa his auf 75 ~ wahrueh- men kann. Es ist vollkommen sieher gestellt, dass an- f~inglieh die abgelglste Partie die, in erw,ihnter Riehtung, mehr als 20 o exeentrisehen Liehteindriieke auffing, so dass wir uns wahrlieh fiber diese funetionelle Herstel- lung wundern mSssen, besonders wenn wir an eine lo- kalisirende Verwerthung der Liehteiudriicke in der Stiibehensehieht denken. Start der friiheren Netzhaut- ablilsung naeh aussen-oben w{~r jetzt das glei(.he Uebel naeh unten vorhanden. Es oeeupirte ungefiihr das un- tere Drittheil, die Netzhaut entiernte sieh aueh betrReht- lieh mehr yore Augenhintergrund als damals, wo die Krankheit ihren urspriingliehen Sitz einhielt. Dem ent- spreehend war das obere Drittheil des Gesiehtsfeldes .jetzt beinahe defekt und die eentrale Sehsehiirt'e bedeu- tend geringer. Aehnlieh verhielt sich die Saehe mit dem zweiten Kranken (Prediger A, dessen in mehrfaeher Be- ziehung interessante Krankengesehiehte Dr. L i e b r e i e h zur Mittheihmg im Archly bestimmt hat). Aueh bier war, naehdem das Uebel wenige Woehen gedauert hatte, die NetzhautablSsung an ihrem urspriingliehen Platz versehwunden. Da sieh zugleieh eine erhebliehe Besserung der eentralen Sehsehiirfe eingestellt hatte (unter Einfluss des antiphlogistisehen Apparats), so h~.tte man ohne eine umsiehtige Untersuehung des Augenhintergrundes an einen wirkliehen Heilungsprozess denken ktlnnen; allein es zeigte sieh aueh hier yon der untern ora serrata aufsteigend due fr{iher nieht vor- handene, NetzhautablSsung, welehe bald das ganz ge- wShnliehe Bild darbot. Aueh hier war Glask{~rperopa- eitiit durch nachweisbare Perforation der Netzhaut und

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Erguss des subretinalen Fluidums in den GlaskSrper- raum eingetreten und die Wahrnehmungsf~ihigkeit eor-

respondirend der friiher abgelSsten Netzhautpartie hatte

sich beinahe bis zur Norm wieder restituirt. - - Aus diesen F~illea ergeben sich folgende, f'dr die Lehre der Netz-

hautablSsung nieht unwichtige Sehlilsse:

1) Wenn auch die meisten zur Beobaehtuug kom- menden NetzhautablSsungen in dem untern Bereich er- seheinen, so ist noch keineswegs erwiesen, dass sie hier

wirklieh zuerst auftreten. Es liegt vielmehr die That- saehe vor, dass manehe (vielleieht viele oder die mei-

sten) NetzhautablSsungen zuerst an andern Stellen sieh

bilden, erst sp~iter auf das untere Bereieh fibergehen

und gewissermassen dort sieh festsetzen zu einem

bleibenden Bilde.

2) Dieser Wechsel des Orts seheint besonders dureh Senkung des subretinalen Fluidums nach den tiefsten Theilen bin eingeleitet zu werden. Wenigstens erkl~rt sieh so am natiirlichsten, die (trotz tier verschiedenen Oertliehkeit des primordialen Auftretens) ziemlich durch-

gehende endliche Lokalisation in die untern Theile.

3) Gleichzeitig mit der Senkung kommt zuweilen Perforation der Netzhaut und durch Erguss des subre-

tinalen Fluidums in den Glask~Jrperraum bedingte

Glask?3rperopaeit~it vor.*) Hierdurch erkl~rt sich auch

*) Hier ist dann die Glaskfrporopaciffit Folgekrankheit und die Netzhautablfsung das erste, wie in umgekehrter Weise, und zwar weit h~tufiger, die Netzhautabliisung aus Glaskiirperleiden, dutch Schrumpfung der Ablagerungen, horvorgeht. Letzteres~ worauf ich in einer frfiheren Noiiz fiber die Entstehung von Netzhauiabliisungldureh Narbenbildung (s. A. f. O. III, 2, pag. 393) hinwies, ist zuorst von H. Miltler begrfindot worden. Dessen Befundo (s. A. f. O. Bd. IV, l, p. 364) waren mir damals aus brieflichen Mittheilungen bo- kannt~ alloin ich lebte in dot irrthiimlichen Voraussetzung, H.

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die tempor~re Verringerung (tee subretinalen Flui-

dums, so dass die nu entstandene Netzhautabliisung

naeh unten vor der Hand nieht so erheblieh ist als

die f'rilhere, hierdnreh aueh die ternpor~re Besserung der eentralen Sehseh~irfe (wegen verringerter Spannung der Netzhaut?).

4) Legt sieh naeh einer h'iseh entstandenen Netz-

hautabRisung die Netzhaut wieder an, so kann der

fl'agliohe Absehnitt seine vollkommene Leitungsf'iihig-

keit wieder iibernehmen, w~ihrend dies bei ~ilteren Ab-

Risungen unmilglieh seheint. Die noeh vollkommene

Transparenz der abgel~Jsten Partie (in beiden Fiiilen

vorhanden) ist wahrseheinlieh hierfiir eine eonditio sine

qua non.

5) Ist in praktiseher Beziehung auf den Irrthum aufmerksam zu maehen, weleher resultiren wlirde, wenn

hei einem solehen Versehwinden tier Netzhautabl~sung an ihrer urspriinglichen Stelle, bei Wiederherstellung

des f'riiher verlorenen Gesiehtsieldabsehnittes und Bes- serung der eentralen Sehseh/irfe an einen wirkliehen Heilungsprozess gedaeht und die Prognose einigermassen

giinstig gestellt wird. Man untersuehe alsdann nut reeht genau" den unteren Absehnitt der Netzhaut, um sieh davon zu ~iberzeugen, (lass lediglieh ein Ortswech~

sel und eine tempor/ire Verr ingerung des subretinalen Fluidums (Durehbrueh in den G|asktirper, viel-

Miille r habe dieselben bereits in den Sitzungsberichten der physi- kalisch-medlzinischen Gcsellsehaft zu Wfirzburg der Oeffentlichkeit iibergeben. Ich fiihle mieh um so mehr gedrungen, dies zu erklh- ten, als die Thamache, weiche yon grossen Wichtigkeit fiir die PraMs ist, aber den Ziel.punkt meinm' damaligen Notiz nicht be- riihrte, nur voriibergehend erw~hnt und deshaib der Name des Be- grlinders nieht citirt wurde.

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loicht mit theilweiser Resorbtion) stattgefunden. Marl b]eibe, selbst wenn flit ]iingere Zeit wieder eine gute cenh'ale Sehsch~rfe besteht; doch boi einer bedenk- lichen Prognose, da man in n~iherer oder entfernterer Zukunft die, gew6hnlichen Entwicklungsphasen der NetzhautablSsung zu erwarten hal.

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V e r k l e b n n g der vor( lern L i n s e n k a p s e l mit der M o m b r a n a D e s c e m e t i i und B e m e r k u n g e n iiber

g e w i s s e F o r m e n yon N a e h s t a a r .

Ein achtzetmj/ihriges M/idehen war bereits vor vie- lea Jahren nach einem Trauma link~,rseits erblindet. Bei der Untersuehung zeigte sich eine cataracta secun- daria ohne Oomplication. I)a die Linsensubstanz voll- st~ndig resorbirt zu sein schicn und der Naehstaar selbst nut m/issig dick war, so glaubte ich mittelst der I)iscision dutch die Cornea ein ausreichendes Resultat ffir das Sehverm(igen zu erzielen. Ieh stiess die Discisionsnadel hart am Pupillarrand (dor IIornhaut- wnnde entgege~g'osetzt) (tm'ch (lie Membran dureh und vollffihrte dann, ungef/ihr dem Pupillarrand folgend, mit der Nadol eine kreisf(;r}nige Bewegung - - e in Ma- noevre, wodureh man in d~,r Regel ein m;~gliehst um- fangreiches Auseinanderklaffen der Membran erzielt.--- Es lOste sich hier sogar der ganze mittlere Theil des Naehstaars beinahe in kroisrunder Form yon dem pe- ripherischen bis auf einc schmale Brfieke ab, so dass er an dieser h/ingend, wie einc Klappe in die vordere Kammer hiniibersehwankto. Ich dm'ehsehnitt nun ab- siehtlieh aueh die erw/ihnte Brficke, theils well es mir das Resultat zu siehern sehien, theils well es reich leb- haft interessirte zu sehen, in welcher Weise sieh das ausgelgste Kapselstfiek verhalten werde. Wie ge- w~3hnlieh trat naeh dieser Operation nicht der mindeste Reizzustand ~ill, das Sehvorm~g~'n der Patientin ent-

Archly tilt Ophthalmologie. IV, ~. ] 6

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sprach den Wi'mschen und das Kapselstfick senkte sich zwar auf dcn Grund tier vordern Kammer, behiclt da- bei abet einc ziemlich excursive Beweglichkeit. In den darauf s Wochen wurde jene Beweglichkeit nach und nach geringer, allmiihlig trat nur noch bei sehr ungestiimen Augenbewegungcn eine lcichte Verschie- bung des Kapselstiicks ein, er~dlich hatte sich dasselbe gegen die hintere Hornhautwand vollkommen angelegt. Es erschien jctzt, noch in seiner ganz urspriinglichcn Form~ wie ein Belag auf der Descemet'schcn Haut, ja es konnte fiir diejenigen , welche den Hergang nicht verfolgt hatten, wohl die Vermuthung entstehen, das Kapselstiick sei an jencr Stelle resorbivt und eine Trii- bung auf der Descemet'schen Haut zurfickgeblieben, dies um so mehr, als bei Fokalbc]euehtung sich die tiet'sten Schichten der Hornhaut, entsprechend der er- wiihnten Stelle, nicht vollkommen rei~l verhieltcn, son- dern etwas grau getriibt waren. Diese Triibung hatte sich wfihrend der AnlSthung des Kapselstfickes in der- selben Weise entwickclt, wie es bei Vcrklebungen der hintern Itornhautwand mit dcr Iris ohr~e Perforation zu geschehen |)flegf. Wiihrend der weitern Beobachtung trat eine namhafte Ver~indertmg des Zustandes nicht ein, auch war das SehvermSgen in keiner Weisc durch die leicht graue Triibung bccinlriichtigt, welche die obern zwci Dritthcile dcs Sehkreises vollkommen frei liess.

Dass die Glash~iute nach Kontinuit~itstrennung ohne Narbenbildung, so zu sagen spurlos wieder verheilen, ist durch Experimente an Thieren ( S t el I w a g ) und auch durch Beobachtungen naeh Cataractopcrationen festge- stellt. Es ist ferncr auch die VerlSthung zweier ver- schiedenen Glasmembranen unter sich durch Neubildung yon Glassubstanz dargethan ( D o n d e r s ) . Endlich hal)e ich bereits bei Gelegenheit gewisscr partieller Elimina.

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tionen des Linsensystems nach Durehbriichen der Horn-

haut (A. f. O. Bd. III, 2 pag. 386) darauf aufmerksam gemacht , dass eine Versehmelzung der Linsenkal)- sei mit tier Descemet'schen Haut selbst in gr0sserem Umfange vorkommen diirfte. Trotzd(,m schien es mir immerhin erw/ihnenswerth, dass auch tin vollkommen

isolirtes Kai)selrudiment eine ~ihnliche Verklebung ein-

geht. Ueber die n':ihere Beschaffcnheit der Verklebung

kann ich natlirlich in Ermangelung einer Zergliederung

nichts aussagen.

An demselhen Falle wurde noch eine Thatsache

beobachtet, welehe ich, so haufig sic ist, hier eru,~ihnen

will, da sic mir zu einigen Bemcrkungen [iber das Ver-

halten klaffender Ka|)sehvunden Veranlassung giebt.

Das grosse kreisf'6rmige Loch, welches (lurch Ausschnei- dung des mittleren Theils in dem Nachstaar entstanden

war, zeigte sich Anfangs vollkommcn rein. Ich ver- stehe hieruntcr, dass nicht allein bei steil auffallendem

Lichte, wie es gewShnlich zur Augensl)iegeluntersuchung

benutzt wird, kein Ol)tisches Hinderniss sichtbar war, sondern dass aueh bei schief auffaflendem concentrirten

Licht an diescr 'Stelle nicht der mindeste Reflex die

Gegenwart eines membranSsen Restes verrieth.*) Fiinf Wochen sp~iter hatte sich die Sache dahin ge~indert, dass bei Fokalbeleuehtung ein ununtcrbrochener schil- lernder Reflex zu beobachten war, so dass jetzt wieder

") FOr alle d~innhShdigen Nachstaare giebt die Fokalbolel~chtung das haupts~chlichste, unstreitig feinste diagnostische MitteL Wir kiinnen hier das Licht erstens auf die zu untersuchende Tiefe am meisten concentriren und wit kSnnen sodann bei beliebig schiefen Lichtauffall unserAuge in die Richtung der reflcctirten Strahlen bringen, wodurch schwache spicgelnde Rctlexe durchscheinender Membranen entdeckt werden, welehe der Augenspieg(~'luntersuchung entgehen. Trotzdem beh.3.1t die letztere auch hier einen hohen Worth, da zur richtigen Wiirdigung tier functionollen StSrungen (lie Klarheit, mit welcher die Objecte im Augenhintergrunde bei steilem Lichteinfai[ er- scheinen, immer einen unentbehrlichen Maassstab abgiebt.

16 ~

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eine membranSse Fl~che das Loch verschloss. Das- selbe habe ich einigemal nach Operationen you cataracta secundaria gesehen, besonders wenn (tie Linse noch nicht lange oder unvollkommcn resorbirt war. Welt h~ufiger babe ich mieh nach Cataractoperadonea davon fiberzeugt, dass die Bildung jener allerfeinsten Form yon Nachstaar nicht immer davon herriilirt, dass die friiher auseinander gewichenen Kapselzip~'el sieh wieder erreichen, sondern davon, dass innerhalb der Oeffnung eine reflectirende, sehr durchscheinemle (glash~iutige?) Lage sich bildet. Ein Wiederaneinandertreten der einmal zurfickgezoge- nen Kapselzipfbl ist bei tier Elasticit~t der Kapsel ohne- bin kaum denkbar, es sei denn, dass z. B. entz(indliehe Ablagerungen, welche yon der Iris abgese~:zt werden, bei ihrer Schrumpfung tier elastischen Retraction der Kapsel entgegenwirken. Von solchen F~illen ist aber hier nicht die Rede, sondern yon solchen, in denen ein reizloser, den WfinSC}len entsprechender Verlauf eintrat. Ich habe sehr h~iuilg nach Cataract-Extraction die Form und Lage der gegen die Peripherie der Pupille zurfickgezo- genen Kapselrudimente genau vermerkt; sp~iter, wenn das frShere Loch nicht mehr rein war, konnte man bei sehiefer Beleuchtung noeh sehr wohl die Umgrenzung dieser Zipfel wahrnehmen und sieh ~'lberzeugen, dass wirklieh zwisehen denselben in der friiheren Oeffnung eine feine Membran entstanden war. In der Re- gel sind dann .jene Kapselrudimente auch weniger transparent als die neugebildete M a s s e . - Ganz ~ihn- lieh verh~ilt es sich nach Discisionen, noch ehe die Linse resorbirt ist. Es ist bekannt, dass die Resorbtion diseidirter Cataracten oft auf einer gewissen H~3he stehen bleibt u n d e s ist wahr, dass dieser Stillstand nicht sel- ten davon herriihrt, dass relativ zu kleine Kapselwun- den dutch dig in ihnen zerfallende Linsensubstanz wie- der zusammengezogen und zur vollst/indigen Verl6thung

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gebraeht werden ; alsdann hg3rt begreiflieherweise die Ein- wirkung des humor aqueus auf das Linsenresidium und hiermit die weitere Resorbtion auf. Allein es ist oben so sicher, dass nicht in allen F'allen yon stillstehender Resorb- tion die Wundrfinder d(,r Kapsel wieder mit einander ver- schmelzen. Sorgi'Rltige Studien, welche ieh fiber das Verhahen der Kapselwunden bei Linsenresorbtionen mittelst Fokalbeleuchtung gemaeht babe, zeigten mir, dass h'aufig die urspriingliehen Wundr,inder in einem betriichtliehen Abstand yon einander bleiben, und dass sieh zwischen ihnen eine membran6se Lage bildet, welche sich dureh ihre spiogelnde, glatte Oberfl'aehe wesentlieh yon der unebenen, floekigen, im Zerfallen begriffenen Linsensubstanz unterschei- (let. Diese ueugebildete L~ge verlangsamt, indem sie das Kapselloeh verkhqnert, (lie Resorbtion und sistirt endlich doren For tgang, wenn sic das Loeb vg311ig versehliesst. Es ist mir einigermassen wahrsehein- lieh, dass bier eine Neubildung yon Glassubstanz, yon den R~indern der Kapsolwunde aus, vor sich geht. Eine Entscheidung hier(iber kiinnen wir allerdings nur yon der pathologischen Anatomic erwarten; es wird boson- interessant sein zu ermitteln, wie sich diese memb,'anS- sen Neubihhmgen, wenn sic iiberhaupt eine glash~utige Natur haben, zu den dureh H. Mi i l l e r entdeekten und so sehgSn verfolgten Neubildungen auf der inneren Fliiehe verhalten.*) Mag nun diese Entseheidung ausfallen, wie sir wolle, so seheint es mir vorl~iufig f'dr die Praxis zu beherzigen, dass sieh zwischen den KapselrRn- dern eine membran~Jse Lage bildet. Es ('lbt dieselbe, da sie ohne Hinzutreten eines Congestivzustandes der

~') So eben hat Dr. Schweiger oinige Pr~parate yon Kanlnchen gezeigt, aa donen er Discisionen volifdhrt. Dieselben scheinen die obigen Vermuthungen vol|kommen zu bestiitigen. Dr. 8chweiger wird seine Befunde demniichst veriSffenttich(m.

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innern Membranen sehr durchscheinend bleibt, frei- lich meist nut einen geringen Einfluss auf das Seh- vermSgen aus, nimmt aber doch dem Operations- resultat seine Vollkommenheit und kann ausserdem, da die Diagnose ohne Fokalbeleuchtung oft schwer fest- zustellen ist, zu Missdeutungen und irrigen Bef'drch- tungen veranlassen. So ereignet es sich beispielsweise, dass extrahirte Staarkranke, wenn wir sie etliche Wochen nach der Operation aus unserer Behandlung entlassen, mit den geeigneten Gliisern die Schri[t No. 1 der J~ger~schen Schriftproben gut lesen, und dass nach Jahresfrist oder dariiber die Sehsch~rfe so weir verringert ist, dass sie zwar die mittleren Schriften (1!--6) lesen, die feineren aber nur miihsam oder gar nicht entzif- fern. Bei der Untersuchung mit dem Augenspiegel sehen wit gegen die Peripherie bin Kapselr~dimente. Da jedoch jetzt, wie damals, ein gewisser Theil des Pupillargebiets frei und durch ihn hindurch der Augenhintergrund leidlich klar erscheint, so wiissten wit uns ohne genaue Hiilfsmittel die Verschlechterung nicht anders als durch eine ent- sprechende Abnahme der Sehkraft selbst zu erkl~iren. Die Fokalbeleuchtung zeigt uns aber, dass in dem schein- bar freien Theil der Pupille ein feines Hiiutchen schil- lert und dieses ist es wirklich, was die geringe Herab- setzung der Sehsch~rfe erkliirt. Nichts dankbarer als dieses H~iutchen per corneam zu spalten, worauf dann in der Regel eine ganz eminente Sehsch~irfe wieder eintritt. Ich pflege sogar, racine Staarkranken im Voraus darauf aufmerksam zu maehen, dass m~ig- licherweise nach l~ingerer Zeit eine solehe Abnahme der Sehschiiffe eintreten kilnne und dass alsdann fernere Besserung durch eine unbedeutende Nachoperation zu erreiehen sei. Die Erfahrung hat reich gelehrt, dass man die angedeutete Spaltung nieht zu frtih, jedenfalls

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nicht vor Ablauf yon 6 Monaten vornehmen muss. Erst dann kann man ziemlich sicher darauf rechnem dass alas neue Loch sich nicht wieder dutch eine (glash/iutige?) Schicht verschliesst. Es scheint demnach, dass die Tendenz zur Neubild u ng yon den Kapseldlndern aus allm~ilig erlischt, sei es class die Periode weiter zurlickliegt, in welcher die Ern~ihrungshiiute des Auges durch (]an traumatischen Eingriff gereizt waren, sei es aus anderen uns unbe- kannten Ursachen.

In Anbelang der Discision solcher H~iutchen, so tendire man bier nicht naeh irgend einer umfangreichen Zerstiickelung, welche vollkommen iiberfl[issig ist; auch beriihre man nicht etwa die Zipfel der Kapsel selbst, um sie zuriiekzuschieben und dergl., sondern man steche an der cinch Seite des Pupillargebiets in das scheinbare Loch tin, vollfiihre mit der Nadel einen kleiaen Schnitt innerhalb dieses Loches und lasse die Nadel am End- punkt dieses Schnitts noch ei,~ige Secunden in der er- reichten Stelhmg verharren, damit der eingeritzte G]as- k5rper gegen die vordere Kammer drSngt und beim Ausziehen tier Discionsnadel dig gesprengte Membran vollends auseinander schiebt. Dies faad ich allemal ausreichend, um bleibenden Erfolg zu siehern. Die Operation hat fibrigens etwas ungemein subtiles, da man in der Regel voz~ dem~ was man durchschneidet, bei gewShnlicher Be]euchtung kaum etwas sieht. Man muss sich deshalb vorher bei Fokalbeleuchtung die Verh/iltnisse gcnat~ einprSgeu und den Oft des Schnit- tes im Pupillargebiet bestimmen. Naeh Sprengung der Membran werden die Zii)fel derselben gewilhnlich optiseh sichtbar, da sie dutch das Zusammenschrumpfe;n an Transparenz verlieren; sic schwanken hiiufig wie zarte Klap|)en in die vordere Kammer hiniiber und grenzen sich nun deutlich gegen die neu erhaltene voll- kommen sehwarze Oeffnung ab. Die kleine Operation

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hat nieht die mindesten Bedenken.*) ]oh glaube wohl, dass sie ohne Gefahr ~m~b,latorisch zu vcrriehien w~re.

") Ieh setze hierbei voraus, dass (lie Linse nicht mehr im Auge vorhanden, sondern dutch Resorbtion odor Extraction beseitigt ist. Ganz ~mders verh.~lt sich die Sache bet Augen, an denen die Re- clination vollzogen war. Hier rathe ieh kleiner Sehst5rungen wegnn niemalseino Operation zu unternehmen, sondern nut dann, wenn die Individuen gar nicht im Stande sind. gewShnliche Drucksehrift zu [esen und ouch dann selbst nur unter Umst~i.nden. Ich babe aus meiner frli- heren Praxis, a[s ieh dieses Prlnzip noch uicht festhielt, einige Un- gliicksf~lle zu beklagen, die ich hie vergessen werde. Innerhalb eines Jahres kamen drei ]udividuen in racine Bebandlung, weleho frilher dutch Rec]ination operirt waren, und an Nachstaar in der Weiso litton, dass sin foine resp. mRssiggrobe Dr~Jckschrift ~icht tesen konn- ten. Da ieh an Discidir~:en und Ex(rahirien so h~iufig die Spaltung der- artiger Membranen ohne dee mindesten Nachthei[ vorgenommen hatte nnd da die Besehaffenheit der Nachstaare sich hier fiir eine solche Operation oignete, so fiihrte ieh den Akt ganz in der ge- wohnten Weise aus und war auf nichts w~niger als reactive Vor- g~nge gefasst. In allen dreien trot eine veheraente innero Entziin- dung auf) welche in dem ninon Falle bet kriiftiger Antiph[ogose zurfickging, in dem zweiten zum unvollkommenen Pnpillarvnrschluss mit hoehgradiger SehstSrnng fiibrte und in dem dritten des Auge vo[l- kommon zerstSrfe. Nun babe icb ouch freilieh etlieho Male Nacb- staaroperationen an reclinirten Augen ohne den mindesten Nachthei[ gemacht und dieseiben werden ja tiiglich yon vie[on Fachgenossen gliicklich ausgefiihrt, ai[ein icb glaube, dass des Vorkommen so dro- hender resp. zerstSrender Entziindungen, selbst in ether e~ltschiede- non Minderzah[ yon Fii.llen, den Grundsatz rechffertigt, nach voran- gegangener Reclination Nachstaare nur dann anzugreifen, wenn sin sehr hohe SehstSrungen berbeifiihren. N~her bestimmend ffir die Zul~:issigkeit einer Operation werden freilich die Umst~nde seth, ob Patient ein oder zwei Augen besitzt~ win a l t e r ist, ob er zu Besch~f- t igungen mR seinen Augen gezwungen ist odor nieht u. s .w. Win haben wir uns die eigenthiimliche Erscheinung zu erkl~iren, dass dieselbe Ope- ration, weleho naeh htmderffTittiger Erfahrung an Extrahirten vollkom- men gefahrlos ist, naeh Reclination zuweilen so bedenkliche Folgen her- beif'dhrt? Es kann nieht anders sein, als dass bier die nicht aufgeso- gone reclinirte Lbme naehtheiiig agirt. Eine jede Lagonverhnderung tier Augenfliissigkeiien, z. B. des Hera ,s t re ten einiger Tropfen humor aqueus, das Nachrfi(.ken des angeritzten corpns vitreum gegen die vordere Kammer u. s .w. , kann allerdings nine Vorsehiebung der re- elinirten Linen hervorbringoo. Warum diese in der ninon Lage fiir das Auge vertr~glieh, in dor anderen unvortrhglieh tat, d a s i s t eino

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Der Vorsicht wegen ]asse ieh .jedoeh die Patientin 2-- 3 Tage im Zimmer.

Die Ansieht, dass eine ungeniigende Oeffnung der Kapsel bc~i der Cataract-Operation diesen Bildungen zu Grunde liege, kann ich nicht nnterstiitz(m, denn ich babe dieselben auch in Fiillen, wo die Kapselrudimente ganz peripheriseh zurfickgezogen waren, beoba('htet. Natilr- lich will dies nicht heissen, dass ieh kS ilberhaupt fiir iiberfl(issig halte, die Kapsel m0glichst welt zu 5finch, da das Zuriickbleiben der Kapselzipf'el selbst im Pupillargebiet resp. die WiederverlSthung derse|ben welt stSrendere optische Hindernisse setzt, 'als die erw~ihnte Hiiutchen.

Sehliesslich will ich noch hervorheben, dass die Neubildung jener dm'chseheinenden Membran in der Kapseliiffnung nach Staaroperationen bet ~ilteren Indi- viduen unendlieh h~iufiger als bet jiingeren ist. Bet die- sen bleiben in der Regel freie Oeffnungen, wenn diesel- ben einmal wirklich vorhanden sind, rein. Dies giebt einen Grund mehr, an eine glash~iutige Production zu denken, da auch die Tendenz zu Neubildungen auf der Fl~iche ,nit dem Alter zunimmt (H. Mii l ler ) .

Frage, welche in das dunkle, vielleicht niomals zu erheliende Bereich der Reclinationsfolgen fitiit. In dem einen tier drei obon erw~ihnten Fiille war in der That bet Ausbruch der Eaiziiadung eine partiol|e Hebung tier reclinirten Linse dutch das Pupi|largebiet zu constatirel b in den anderen musste es bet der Vermuthung bleiben.

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E x c e p t i o n e l l e s V e r h a l t e n des G e s i c h t s f e l d e s bei P i g m e n t e n t a r t u n g de r N e t z h a u t .

Die ihnctionellen Stlirungen bei Pigmententartung der Netzhaut sind so charakteristisch, dass wir in der Regel den ophthalmoscopischen Befund mit Sicher- heir voraussehen kiinnen. Es ist besonders die, schon in den ersten Perioden des Uebels hervortretende, Nachtblindheit in Gemeinschaft mit der concentri- schen Verengung des Gesichtsfeldes, welche das cha- rakteristische Symptomgepr~ige constituirt. In Betreff der letzteren ist noch besonders hervorzuheben, (]ass, verh~iltnissm~issig zu den geringen Dimensionen des Ge- sichtsfeldes, das centrale Sehen lange Zeit gut erhalten bleibt, so dass Individuen~ deren Gesichtsfeld bis auf eine Oeffnung yon 15 ~ 10 ~ und darunter reduzirt ist, noch h~iufig feine Schrift lesen. Es ist dies yon diffe- rentiell-diagnostischer Wichtigkeit im Vergleich mit Ce- rebral-Amaurosen, bei welchen in der Regel bedeutende Verengungen des Gesichtsfeldes bereits yon einer nam- haften Herabsetzung der centralen Sehsch~irfe begleitet werden. Amaurosen mit Sehnervenexcavation zeigen allerdings zuweilen auch bei sehr vorgerfickter Veren- gung des Gesichtsfeldes noch eine guto centrale Seh- sch~rfe. Allein ich babe dann nur h6chst ausnahms- weise (2 odor 3 real) beobachtet, dass das Gesichtsfeld concentrisch verengt war; in allen iibrigen F$illen hatte es eine schlitzf~irmige Form und zwar so, dass der Fixirpunkt in der N~ihe der innern Grenze des Schlit- zes lag.

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Neuerdings sind mir zwei F~lle yon Pigmentar- tung der Netzhaut vorgekommen, in welehen das Gesichtsfeld eine hSchst eigenthfimliche Form darbot, wie ich sie bisher nur bei Amblyopien aus extraocula- rer Ursaehe gesehen habe. Das centrale Sehen war gut erhalten, N~ichst dem Fixirpunkt ein kreisfSrmiges Bereich yon 60 resp. 200 Oeffnung, innerhalb dessen ebenfalls die Sehsch~irfe sich relativ gut erwies. Um dieses Bereich herum befand sieh eine ringf6rmige Zone, innerhalb der jede Wahrnehmung fbhlte, und jenseits der das excentrisehe Sehen in dem einen Falle wieder vollkommen gut, in dem anderen m~issig herabgesetzt war. Die Form glich demnach mit etwas ver/inder- ten Dimensionen ganz derjenigen, welche ich (A. f. O. Bd. II. 2. S. 274 und 275) fiir einen Fall yon cerebraler Amblyopie abgebildet habe.*)Nachtblindheit war in dem ersteren Falle nur in sehr untergeord- netem Grads, wohl aber in dem zweiten vorhan- den, in welchem auch bei Abendbeleuchtung das jenseits des fehlenden Ringes befindliche excentrische Sehen sehr schwach war. In dem ersteren Falle ent- sprach der ophthalmoseopische Befund ungef~ihr dem Gesichtsfeld, nur war die yon Pigment freie centrale Partie relativ gr~sser als der filr das scharfe Sehen er- haltene centrale Gesichtsfeldabschnitt. Nicht dasselbe kann ich fiir den zweiten Fall behaupten. Denn einmal waren schon in geringerem Abstand yon der macula lutea, als aus dem Gesichtsfeld hervorging, Pigmenti- rungen nachweisbar und sodam) grenzten sich diesel- ben in keiner Weise dem Ringe entspreehend nach

~) Jener Fall ist noch immer in meiner Beobachtung. Die cen- trale Sehsch~rfe ist auch jetzt ungeschw~icht, aber der dunkle Ring dem Centrum n~iher, dessen Breite griisser und das excentrische Sehen ausserhalb desselben bedeutend schw$icher, bei Abendbeleuch- tung vollkommen defekt, wodurch zur Zeit exquisite Nachtblindheit bedingt wird.

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ausseu ab, sondmrn gingen an verschiedenen Stellen, besonders nach aussen, bis in die ~iquatorialen Theile. Die Beschaffmnheit der Pigmentirungen war durchaus die typische. Auch der Smhnerv zeigte ganz die ge- wShnlichen Eigenschafien, wie bei Pigmententartung der Netzhaut. Er sah in beiden F~illen etwas weisser aus, dessen Substanz war bis zur Oberfl~iche der Papille matt-weiss gmtr6bt, der Umfang besonders nach der Breitm etwas verkleinert und die arteriellen St:~imme so- wohl absolut, als hanpts/ichlich in Verh~iltniss zu den Venen, verdfinnt.

Ich wfirde es nicht der M~ihe werth gmhalten ha- ben, diese vereinzmlnten Beobachtungen zu verSffent- lichen, wenn mir dieselben nicht f6r die Lehre dieser Krankheit yon Interesse schienen. Dass die Pigment- umwandlung, die den Netzhautgef~issen folgt, zur Atro- phie des Gewebms und zur Functionsaufhebung fiihrt, ist wohl verst~indlich; aber sehr schwmr zu deuten ist mine solche ringfSrmige Functionsaufhebung, wenn wirklich dem ganzen Umbel mine vom Gef~issapparat ausgehende Atrophie zu Grunde liegt. Man begreift es in der That nicht, wie bier die peripherischen Theile wieder zur Lei- tung kommen sollen, wenn die Gef~isstragenden, als lei- tend angenommenen, inneren Netzhautlagen dutch die Pigmentablagerung I zerst6rt sind. Wit hoffen hier auf weitere Aufschl/]sse Seitens der pathologischen Anatomie, nachdem die neulich yon D o n d e r s gegebenen [iberall dankbar bmgriisst worden sind.

Ein erbliches Vorkommen der fraglichen Krankheit hat sich bei weiterer klinischer Beobachtung zwar keines- wegs constant aber doch in vielen F/illen herausgestellt. Eine interessante Beobachtung der Art machte vor eini- get Zeit Dr. A l f r e d Gramfe bei einem in meiner Poli- klinik vmrkehrenden Pafienten. Derselbe war taubstumm uud mit Pigmententartung der Netzhaut behattet. Von

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dessen vier Geschwistern waren ebenfalls Zwei (Brlider) taubstumm und mit dem fraglichen Augeniibel behaftet, w~ihrend die zwei Anderen ein vollkommen gutes Ge- sicht und GehSr besassen. Besonders wichtig w~re es zu wissen, ob bei solchen Patienten auch in den Aus- breitungen des nervus acusticus Pigmententartung zu- gegen ist. Leider giebt eine yon M a c k e n z i e (in dessen Lehrbuche, traduction fran9aise par Laugier etc. pag. 648) citirte Obduction hierfiber keinen Aufsehluss. Dieselbe betrifft einen Patienten, welcher an Taub- stnmmheit und angeborener (?) Nachtblindheit lift, und yon dessen Netzhaut es heisst: ,,elle contenait dans sa substance de nombreuses taches noires, qui s'accor- daient bien avec la d6scription, quc donne Walther."

Der so ausserordentlich langsame, aber wie es scheint gleichFdrmige Verlauf dieser Krankheit, das We- sen der anatomischen Ver~iaderung, n~imlich die innige Verbindung der Pigmentablagerung mit der Nerven- Atrophie, die circumseripte Abgr~inzung eines noeh gut erhahenen Gesichtsfeldabschnittes gegen den Defect und endlich das hilufige heredit~ice Vorkommen, das Alles besfiitigt wohl zur Zeit dig Ansicht, dass es sich hier um eine tiefwurzenlde trophische Stiirung handelt, gegen welche wahrscheinlich die Therapie ffir alle Zeit ohn- m~ichtig bleiben wird.

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U e b e r e ine an den A u g e n l i d e r n b e o b a c h t e t e S c h w e i s s k r a n k h e i t .

Ich gebe bier eine kurze diagnostisehe Notiz iiber ein Uebel, welches ich seit einigen Jahren 4 real in ex- quisiter HShe und wait ~ifter in schw~icherer Andeutung beobachtet. Die davon befallenen Individuen scheinen bei einer oberfi~ichlichen Betrachtung die Symptome einer gewShnlichen Coniunctivitis mit se~und~irer Inter- marginal- und Palpcbral-Excoriation darzubieten. Nut f~illt sofort das Missverh~iltniss zwisehen der :geringen Conjunctivalreizung und tier ausgedehnten Absondertmg auf der Hautfl~iche der Augcnlider auf. W~ihrend wir beim Umschlagen der Lider die Coniunctiva nur m~issig injicirt finden, sind beide Lider, das obere gewShnlieh mehr als das untere, aufihrer Aussenfl~iche etwas gerSthet und permanent mit einer Fli)ssigkeitsschicht bedeckt. In der Regel gr~nzt sich das Bereich diescr krankhaf- ten Beieuchtung noch innerhalb des Orbitalrandes abet ziemlich nahe an demselben ab. Bei dem ersten der- artigen Kranken war es mir weiter auffallend, dass die Lider nach dem Abtrocknen wieder sehr bald auf ihrcr Aussenfl~iche n~issten, ,i a es zeigte sich, dass eine ganz diinue Fllissigkeitsschicht sieh auf dersclben beinahe :~ugenblicklich reproducirte, so dass man nach dem sorg- f~ihigsten Hinwegwischen kaum wenige Minuten eine trockne Haut vor sich hatte. Ferner war zu be- merkcn, dass die zuerst erzeugte Flfissigkeit vollkom- men durchsichtig war und sich erst bei l~ingerem Ver-

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weilen stellenweise schleimig trilbte. Endlich lehrte die genauere Beobachtung mit blossem Auge und noeh besser mit der Loupe, dass die erstgebiidete Fliissigkeit nicht yon der continuirlichen Oberfl~iche sondern aus vielen feinen, punktFSrmigen Oeffnungen in der Haut kam und erst allm~ihlig dutch Ver- grSsserung der austcetenden Tropfen confluirte. Am allerreinsten zeigte sich dies da, wo noch keine Exco- riation vorhanden war. Es eigneten sich demnaeh zur Feststellung theils die schw~icheren Grade des Uebels, theils in den sffirkeren Gradea die oberen Partien der Lider, wfihrend die unteren dutch das l~ingere Verwei- l e n d e r herabrinnenden Fllissigkeit immer relativ am gereiztesten waren. W~ihrend der Lidbewegung wurde die Fliissigkeit besonders in die zwisehen den Haut- falten befindlichea L~ingsfllrchen zusammengedr~ingt, l~ings derer auch, wie gewShnlich bei Schweisskrank- heiten, die Reizung gNisser war. Zuweilen ersehien bier die Fliissigkeit dutch Beimengung yon Luitblasen wie s e h a u m i g . - Nachdem einmal die Aufmerksamkeit auf die Art und Weise gelenkt war, wie die Fliissig- keit sich bildete, konnte nicht mehr geschwankt werden, dass es sieh hier um eine locale Hypersecretion der Schweissdriisen handelte. Wer an die reichliche Aus- stattung der Lider mit Schweissdriisen denkt, (siehe M ol I A. f. O. Bd. IV, 1. pag. 261),wird 5brigensin dem Vor- kommen solcher localen Ephidrose nichts wunderbares finden. Die Conjunctivitis ist in diesen F~illen nut se- cund~ir; sic entsteht dadureh, dass die Schweissfiiissig- keit yon dem oberen Lid in die Augenwinkel fliesst In der ersten Periode des Uebels pflegt sie auch g~inz- lich zu fehlen. Sp~iter, wenn ausgedehnte Hautexcori- afionen hinzugetreten sind, tr~g.t wohl neben den Ein- fiuss des Sehweisses auf die Angularpartieen aueh die Fortpfianzung des entziindlichen Reizes per contiguita-

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tern zur Hervorrufung der Conjunctivitis bet. Die subjectiven Beschwerden sind auch anderer Natur, als bet Conjunctivitis mit secund~irer Lidexcoriation. Die Patienten klagen tiber ein hSchst l~isfiges Jucken uud Beissen auf der Aussenseite der Lider und iiber ein iihnliches Beissen in den Augenwinkeln, welches sich zuweilen zu einem schneidenden Geffihle l~ings der Lid- r~inder steigert und hiiufiges Zwinkern veranlasst. Des Morgens pflegen die Lider Anfangs gar nicht verklebt zu seth, sp';iter nach hinzugetretener Conjunctivitis fin- det dies begreiflicher Weise statt, jedoch immerhin in untergeordneter Weise. - - In zwei F~illen war das Uebel mit allgemeiner Ephidrose gepaart. Sic betrafen jiingere Frauenzimn:ler, deren KSrperoberfl~iche heinahe stets feucht war und yon denen die eine einen penetranten Schweissgeruch darbot. Alle Factoren, welche die Schweissbildung sonst vermehren, zeigten auch sofort eine Zunahme der Absonderung auf den Lidern. Be- sonders gait (ties yon allen activen Bewegungen, so dass die eine Patientin versicherte nicht schnell auf der Strasse gehen zu kSnnen, well alsdann die lfistigen Em- pfindungen an den Augenlidern sic zw~ingen, fortw~ih- rend zu zwinkern und an den Augenlidern zu wischen.

Ueber die Ursachen und die Behandlung des frag- lichen Uebels kann ich znr Zeit noch nicht viel beibrin- gen. In einem Falle bet einem Mauue in den Vierzi- gern war es unleugbar nach einer Erk~iltung entstanden, hatte aber trotzdem einen sehr hartn~ckigen Charakter. Ein anderes real sah ich dasselbe bet einem, mit progres- sivem Spinalleiden behafteten Manne. In den iibrigen F~llen war in ~itiologischer Beziehung nicht das Min- deste zu e r u i r e n . - Das Uebel ist racist ausserordent- lich hartn~ickig, weshalb sich eine Verwechselung mit Conjunctivitis prognostisch sehr bestraft. Die iirtlichen Mittel, als Bleiwasser, Hiillensteinwasser u.s .w, mindern

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zwar die seeund~iren Ilautreizungeu, heilen tempor~r die Ex- eoriati(>nen, s(.heinen aber gegen die, zu Grunde liegende Schweissabsonderung ziemlich ohnmiichtig. Salben ver- mehrten racist die Beschwerden. Bestreiche~ der Lid- fl~che mit Buchentheer erwies sich in einem Falle, naehdem zuvor die Excoriationen geheilt waren, sehr niitz- lieh. Von grosser Wichtigkeit schemen bei diesem Uebel Allgemeinmittel zu sein, welche aut" die Hautth~itigkeit wirken, als kalte B~der, Abreibungen u. s .w. Doch will ich positive Angaben hieriiber verschieben, bis ich rnir eine liingere und urnfangreichere Beobachtung ver- schafft habe.

Archly fUr Ophthalmologie. IV. 2. 1 7

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Zur P a t h o l o g i c de r T h r i i n e n d r i i s e .

Das Thriinen, welches viele Augenentziindungen begleitet, ist ohne Zweifel dutch einen Reizzustand der Lacrymalnerven zu erkl~iren. Dieser entwickelt sich bier dutch Fortpflanzung yon den entzlindeten Theilen aus, wie er andrerseits beim Weinen (auf dem Wege der Vorstellung) yore Centralorgan aus hervorgerufen wird. Trotz der langwierigen Thr~inenhypersecretion, welche hilufig Ophthalmien begleitet, begegnen wir verh~iltnissm~issig nur selten consecutiven materiellen Er- krankungen der Thr~inendriise. In einzelnen F~illen jedoch wird ein solcher Hergang beobachtet.

Eine Patientin, welche bcreits mehrere Jahre an Iridochorioditis mit m~issig starkem Thr~inen gelitten, zeigte am rechten obern Lide eine Anschwellung, welche ihrer Form und Lage nach durchaus einer ver- gr~isserten Thr~inendriise entsprach. Wurde die palpebra superior yore Bulbus abgezogen und die Patientin an- gehalten, stark nach unten zu sehen, so stfilpte sich, wie ge- w~ihnlich in hypertrophischen Zust~nden, der vordere Thri/nendriisenlappen am /iusseren Theil der oberen Bindehauffahe hervor. Da bier die Ansehwellung, welehe fibrigens gleichf~irmig und ziemlieh sehmerzlos war, sich ganz allm~ihlig entwiekelt hatte, nachdem das urspr[ingliche Uebel bereits lange Zeit hindurch Thr~i- hen inducirt, so ist eine Causalverbindung in dem obi- gen Sinne ungezwungen anzunehmen. Seitdem ich die

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Thdinendrfisengegend nach ~ihnlichen Antecedentien ge- nan, d. h. mit dem in den Bindehautsack eingefiihrten kleinen Finger untersucht und iiberhaupt auf diesen Punkt mehr geachtet, habe ich mich einigemale yon dem Vorhandensein einer geringeren, yon Aussea kaum festzustellendenIatumescenz, einmal mit leichter Schmerz- haftigkeit, fiberzeugt. - - Welt interessanter waren mir 3 Falle, in denen nach ver~ibten Operationen am Bulbus sich ziemlich raseh eine sehr auffallende Anschwellung der Thranendr~lse entwickelte. Bei allen dreien war seit geraumer Zeit Iritis, resp. Iridochorioiditis mit Thr~inen- hyperseeretion vorhanden gewesen. Naeh der Irideeto- mie trat in Folge des Wundreizes sehr starkes Thr~nen, und, als dieses einige Tage angehaltcn, eine bedeutende Schwellung des oberen Lides ein. Es rfihrte diese Schwellung yon der, jetzt deutlich hervortretenden Thr~inendrfise her. Die VolumsvergrSsserung blieb bei den drei Patienten sehr lange zur•ck, verschwand je- doch nach einigen Monaten allm/~hlig, sei es spontan, sei es durch die verordneten Mercurial- und Jod-Einrei- bungen. In diesen F/illen war (~brigens stets die Be- tastung der vergrSsserten ThrSnendrfise dutch die Haut and die Con junctiva empfindlich. Auch das voile Oeffnen der Lider verursachte ein Unbehagen in der betroffenen Gegend, weshalb die Patienten gewShn- lich die Lider nut unvollkommen 8ffneten. Spontane Schmerzen an Stirn und Schl~fe nach Art der gewShn- lichen Ciliarneurose warden ebenfalls, besonders in der ersten Periode des Uebels, beobachtet.

In Betreff der nSheren Beschaffenheit solcher In- tumescenzen, so scheint mir aus dem Verlaufe her- vorzugehen, dass ein congestiver Prozess in der Drfise selbst zu Grunde liegt, welcher sich yon der Ent- zfindung des die Dr[isenlappen umkleidenden Zellgewe-

17"

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bes (gemeine Dacryoadenitis) wesentlich unterscheidet und durch eine bereits l~ingere Zeit bestehendc seere- torische Anomalie vorbereitet ist. Der Umstand, dass s'timmtliche drei F~ille Operirte betrafen, welche die Augenlider wenigstens w/ihrend der Entstehung des Uebels auf einige Zeit gesehlossen hielten, seheint mir daFt]r zt~ sprechen, dass n'tichst der Hypersecretion auch die ungenfigende Excretion hier mit im Spiele ist. So oft bei .icnen Patieaten die Lider ge6ffnet oder das umere Lid yon dem Wtirter Behufs der Thr/inen- entleertmg abgezogen wurde, schoss ein erhebliches Quantum yon Thr'tiaen aus dem Con.iunctivalsack. So wie die letzteren sich hier ansammeln, so wird auch eine Stauungin denA usf'fihrungsg~ingen derDrfise und eineA us- dehnung der Driisenelemente selbst stattfinden. Dass wit bei dea mit Lidkrampf ufld Thr~nen behafteten, an Oph- thalmien leidenden Kindern, wo diese Verh~ilttlisse oft noch viel ausgeprtigter sind, nicht ebenf'alls Thr~inen- dr~'lsenanschwelhmg entstehen sehen, kann ich freilieh nicht erkltiren. Ich wollte vorl~iufig nur aui' diese zur Zeit ziemlich haltlosen Thatsachen auf'merksam machen, weil t'tir die Pathologie der Thr~nendriise meines Er- achtens noch wenig Material vorliegt.

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U e be r die R i i e k l a g e r u n g des m u s e u l u s r e c t u s s u p e r i o r zu o p t i s c h e n Zwecken .

Der Vorschlag, bei nach oben angelegten kiinst- lichen Pupillen Behufs bessern Lichteinfalls die Sehae des m. rect. sup. zuriickzulagera, ist yon mehreren Sei- ten, soviel ich weiss zuerst yon Arl t , gemaeht worden. Ich zweifie nicht daran, dass die Fachgenossen, welche sich dieses Verfahrens bedient haben, iiber die Wirkung desselben im Klaren siad; da mir jedoeh noch vielfach unrichtige Anschauungsweisen verbreitet scheinen, so erlaube ich mir hieriiber folgende Bemerkungen.

Die Riicklagerung des Muskels hat keineswegs den Zweek, die Lage des Auges dem Gesichtsobjeete gegen- fiber irgendwie zu ver~ndern, sondern sic hat lediglich die Bestimmung, flit eine gegebene Richtung des Blicks ein weiteres Oeffnen der Lidspalte zu ermSglichen, so dass der ~Lichteinfall in den obersten IIornhautabschnitt nicht mehr vom obern Lid behindert wird. Bei einer Pupille naeh oben, w(irde eine (naeh unten) schielende Riehtung des Auges ebenso wenig, als iiberhaupt bei irgend einer Lage der Pupille, zweckdienlieh, d. h. mit der centralen Wahrnehmung vereinbar sein. Immer muss, wenn wit das Netzhautbild mit der macula lutea auffangen, die Sehaxe, oder vielmehr die yon der Seh- axe abweiehende Sehlinie auf alas Object zielen. Wiir- den wit durch irgend welchen Eingriff in den Muskel- apparat des Auges das Zustaudekommen dieser Stel-

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lung unmiiglieh machen, so wiir(ten wir aueh die een- trale Wahrnehmung hintertreiben. Es kann demnach yon der Hervorrufung eines kiinstlichen Schielens nur da die Rede sein, wo wir auf" die centrale Wahr- nehmung verzichten. Zu solcller Verzichtleistnng walter aber bei nach oben angelegter Pupille, wenn sonst die Kriimmungs- und Durehsichtigkeitsverh~iltnisse der Horn- haut leidlich sind, sicherlieh kein Grund. Die in der That giinstige Wirkung der Rilcklagerung des feet. sup. auf die EntblSssung des obern Hornhauisegments er- kl~rt sich dutch das in den physiologischen Augenbe- wegungen begriindete synergisehe Verhiiltniss zwischen dem rect. sup. und dem levator palpebrae superioris. Wenn wir den Blick nach oben riehten, so zieht sich bekanntlich mit ienem Muskel .auch dieser zusammen. Es entspricht zwar einem bestimmten Contractionszu- stand des rect. sup. nicht ein einziger, bestimmter Contrac- tionszustand des Levator, da wit f~ir eine gegebene Richtung des Blicks das obere Lid heben resp. senken k~innen, aber doch ist der Spielraum, welcher den Verkiirzungen des Levator hierbei zukommt, ein beschr~inkier. Wir kSnnen z. B. nicht bei horizontal gerichteter Visirebene den levator ad maximum ersehlaffen.*) Es liussert sieh die erw/ihnte Zusammenwirkung in gewissen Erschei- nungen da, wo dureh pathologist.he Verhiihnisse die Kraft des rect. superior geschw~icht ist, gleichviel, ob die Ursache dieser Schw~ichung im Nerven oder im Mus- kel selbst liegt. Sie iiussert sieh dann so, dass eine

t) Dies gilt solbstverst~.ndlich ganz unabh~nglg yon der Wahr- nehmung, z. B. bei gesehlossenen Augen. Dass w~hrend des Schla- fes die Verh~Utnisse sich etwas abweiehend gesialten, ist nlcht zu verwundern, da die IIerabsetzung der alIgemeinen Ianervation auf synergische Muskelth~.tigkeiten nach verschiedenen Richtungen hin einwirkt.

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scheinbar excessive Contraction des synergisch wirken- den Levator zu Stande kommt. Ist z. B. Parese des rect. sup. vorhanden, so beobachtct man f'dr eine be- stimmte Erhebung dcr Visirlinie ein widernatiirliches Hcben des obern Lidos. Es wird, damit die Cornea eine gewisse Erhebung erreicht, ein besonderer Wil- lensimpuls auf den paretischen rcct. sup. influiren miis- sea. Dersclbe Impnls wird auf Grund dcr synergischen Th~itigkeit zu dcm Levator gelangen und in diesem, da er normal innervirt ist, cine writ grSsscre Contraclion hervorrufen, als sic unter normalen Verh~lmissen einer gleichen Hcbung der Visirlinie dient. Auf Grund der relativ tieferen Lage der Cornea in der Lidspalte er- scheint dann oberhalb dersclben ein Streifen entbldsster Sclera. Der widernatiirliche Ausdruck, den das Auge hierdurch erh~ilt, erinnert an Exophthalmus und hat et- was wahrhaft pathognomonisches. Es erhcllt, dass die Sachlage sich hier ganz analog gestaltct, wie bet der excessiven Contraction, welche in paralytischen Muskel- kraakheiten der associirte Muskel dcs gesunden Auges eingcht, so wie das kranke zur Fixation benutzt wird. Der erw~ihnte Zustand wiirde noch lifter zur Beobach- tung gelangen, wenn nicht die beiden in Frage stchenden Muskeln yon demselben Nerven versorgt wiirden uod des- halb h~iufig gleichzeitig paralysirt w~ircn. Allein da, wo Oculomotorius-L~ihmung sich nicht in gleichm~issiger Weise auf alle Aeste erstreckt, gcstaltet es sich h~iufig, dass der rectus superior mehr betroffen ist, als der Le- vator; noch h~iufiger kommt es bet rfickg~ingigen Ocu- lomotorius-L~ihmungen vor, dass der Levator eher und vollst/indiger seine Leitung wieder erh~ilt, als der rect. sup.

Durchaus das N~imliehe nun, wio in paralytischen Affectionen, tritt ein, wenn die Wirkungsf~ihigkeit des

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rectus sup. dur(:h R[icklagerung geschw~icht ist. Bet tinct gleichmiissigen Anspannung der nach oben resp. nach unten wirkenden Kriffte wird alsdann die Visirlinie sich nach unten neigen. Soll sie horizontal werden, so muss auf den riiekgelagerteu rectus sup. bereits ein Willensimpuls geleitet wer(]en, welcher sonst ether aut:- wiirts gerichteten Visirliuie entspricht, und das obere Lid wird dann in ~ihnlicher Weise gehoben werden, als wenn eine solche Stellung wirklich zu Stande k'ame. Hierbei kann dana eine nach oben excentrische Pupille in vollstiiudigerer W(,ise fiir den Li(:hteinfall benutzt werden. Demnach ist die Riicklagerung des rect. sup., vorausgesetzt, dass das operirte Auge zur Fixation be- nutzt wird, auch ei[~ Heilmittel gegen Ptosis, yon des- sen Wirksamkeit unier gceigneten Umstilnden ich reich empirisch iiberzeugt habc. Bet der gewt3hnlichen ein- seitigen Ptosis passt diese Operation deshalb nicht, well die Herrschaft des Sehaktes zur Vereinigung ilbereinander- stehender Doppelbilder eic*e viel zu geringe ist. Ver- hielte es sich in dieser Beziehung mit dem rectus su- perior wie mit dem rectus internus, so wiire das Verfahren bet einer Ptosis miissigen Grades nicht unphysiologisch. Es wiirde alsdann, urn dig Doppelbil- der nach der Operation zusammenzubringen, eine will- kiirlich gesteigerte Contracti,on in dem rlickgelagerten root. sup. und hiermit ein weiteres Heben des Lides stattfinden. Es kiime dann freilich wetter darauf an, ob eine so forcirte Stellung dem Sehakt dienlich wiire. Lehrreich sind in dieser Beziehung die Versuche mit Prism(~n. Bet einigen Individuen, denen ich iiberein- anderstehende Doppelbilder yon milssigem Abstand er- zeugte, trat selbst mit der geringen Contraction des feet. sup., welche zu der Fusion eribrderli('h waren, ein deutliehes Heben des obern Lides ein.

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Was ['lbrigens die Indicationen zur Riicklagerung des reef. sup. bei nach oben angolegten Pupillen be- triffl, so halte ich dieselben fiir bcschr~nkt. Es karm von dem Verfahren nut die Rede sein, wean das frag- liche Auge das allein sehende ist, im andern Falle wiirde .ja entweder Schielen nach unten oder ein grSsse- res Klaffen der Lidspahe entstehen, beides Uebelst~nde, welche durch keine wesentliche Vortheile ausgeglichen werden. Ist n~mlich die Pupille miissig nach oben ex- centrisch, so beeintr'~chtigt das Lid dea Sehakt nicht wesentlich, ist sie so stark nach oben excentrisch, dass letzteres der Fall ist, so kann wohl i'zberhaupt yon den Vortheilen eines gemeinschaftlichen Sehaktes, wenn sol- cher zu erreichen w~re, kaum die Rede sein.

Aber selbst da, wo das tYagliche Auge das allein sehende ist, wird es nicht hnmer nSthig sein, den rect. sup. zuriickzulagern, da die Patienten es dann in der Regel lernen, behufs der Distinction das obere Lid mehr zu heben. Nur wenn sic hieran durch Tr~gheit des oberen Lides verhindert werden, wie es zuweilen als Folge der frSheren Krankheitszust'iinde sich ereignet, leistet die Operation wahrhaf'te Dienste. Giebt Veren- gerung der Lidspalte den Grund fiir die erschwerte Contraction des Levator ab, so muss offenbar die Tren- hung der /iusseren Kommissur mit Umn~ihung der Schleimhaut vorgezogen werden.

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10.

Ein u n g e w S h n l i e h e r Fa l l yon hered i t~ i re r

A m a u r o s e .

Das Vorkommen mehrerer F~ille amaurotischer Er- blindungen in einer und derselben Familie wird leider nicht selten beobaehtet. Es handelt sich dabei zum Theil um angeborene Blindheit oder Schwachsi(.hiigkeit, welche ihren materiellen Grund in ungeniigender Aus- bildung des nerv6sen Apparats hat, zum Theil um Krankheitsformen~ welche sich im Verlauf besfimmter Entwickelungsphasen ausbilden, z. B. Gehirnleiden, die auf den nervus optieus influiren, um Pigmententartung der Netzhaut etc. Solehen, ziemlieh h~iufigen F~illen gegeniiber, bietet der vorliegende dadureh etwas Eigen- thiimliches, dass das amaurotische Leiden erst in einer sp~itern Lebensperiode zum Ausbrueh kam und sich naeh mehri~ihriger Dauer~ wenigstens bei dem einen Patienten, wieder l~iste.

Der Vater der 3 Geschwister B. war kurzsiehiig, im Uebrigen seitens der Eltern Niehts zu erw~ihnen. Alle 3 Siihne waren bis Zu ihrem 19. Lebensjahre mit uniadelhafter Gesundheit und mit guter Sehkraft be- gabt. Der Aelteste, .ietzt 28 Jahre alt, wurde im 20. Lebensjahre yon periodiseh exacerbirenden Kopfschmer- zen, Schwinde] und Ohrensausen befallen, Gleichzeitig entwiekelte sich allm~ihlig eine Gesichtsschw/iche, welche so weir f'dhrte, dass Patient nach ~ Jahr nur noch m(ih- sam gehen und griisste Druekschrift, z. B. UebersehriR

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der Zeitungen~ nicht mehr enlziffern ko~mte. Auf dieser Hiihe blieb das Leiden l~ Jahre station~ir, w~ihrend wel- cher Zeit Patient verschiedene Mittel, inclusive eines streng ableitenden Verfahrens, vergeblich anwandte. Endlich wurde ihm ilrztlich eine Schwitzkur verordnet. Patient hielt es start der in Aussicht gestellten Decocte f'dr zweckm~iss)ger, in eine Zuckerfabrik zu gehen, wo- selbst er in der Absicht, stark zu schwitzen, einige Woehen hindurc, h bei einer Temperatur yon fiber 30 ~ R. eine grobe Arbeit verrichtete. Er bemerkte sehr bald eine stetige Zunahme der Sehkraft und war nach An- gabe seines Bruders bereils in 4 Wochen geheilt. Da derselbe nicht in Berlin ist, so kann ich fiber die er- langte Sehkraft keine exacte Angaben machen und habe nur so viel erfahren, dass er kleinste Druckschrift ohne Miihe liest und auch bei anstrengenden Besch~iftigungen dutch seine Augen nicht behindert wird.

Der zweite Bruder ist.ietzt 23 Jahre alt, wurde im 20. Jahre yon denselben Kopfsymptomen und Amblyopia befallen. Als er vor einem Jahre meinen Rath einholte, war die genaue Bestimmung der Funktionssffirungen des- halb unmSglich, weil in Folge yon Granulationen die oberen zwei Drittheile der Cornea pann~is entartet wa- ten. Jedenfalls verrieth die im Verhliltniss zu den op- tischen Hindernissen disproponirt herabgesetzte Seh- kraft und ein Vorbeischiessen der Sehaxen nach oben das Vorhandensein yon Amblyopia amaurotica. Nach Beseitigung des Pannus konnte Patient nur Buch- staben yon No. 20 entziffern, schoss nach wie vor mit der Sehaxe nach oben an den Gesichtsobiecten vorbei, das excentrische Sehen nach oben war undeut- lich, das Ophthalmoscop zeigte nichts Krankhaftes, aueh nicht an tier papilla optici. Nachdem dem sehr vollsaftigen Krankea einige (irtliche Blutent-

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leerungen applicirt waren, welche auf die Kopf- symptome giinstig infiuirten, ohne den Stand der Seh- kraft wesentlich zu ~indern, rieth ich zum Gebrauch des Zittmannschen Decocts; da jedoch die Anwendung dieses Mittels in dem hiesigen Invalidenhause, in welchem Patient sich befindet, des Kostenpunktes wegen auf Schwierigkeiten stSsst, so hat Patient die Absicht, in derselben Zuekerfabrik, in welcher sein Bruder Heilung land, die sonderbare Schwitzkur zu bestehen.

Der dritte Bruder, jetzt 19 Jahre alt('ebenfalls ein sehr kr~iftiger Menseh, ist jiingst yon Kopfbeschwerden befallen worden und kann in diesem Augenbliek nur ganz grosse Schrih entziffern.

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11.

Ein Fa l l yon C o l o b o m b e i d e r L i d e r , de r N a s e

und der L ippe .

Karl F., ein sechs Monat altes gesundes Kind, wurde mir einige Wochen nach einer anderw~irts verrichtcten Hasenscharten-Operation zllgef'dhrt. Es war tin unvoll- kommcner linksseitiger Lippenspalt yon ungcfiihr ~" HShe gewesen, dcssen oberste II~ilfte ietzt gcschlossen war. Der Gaumen zeigte keine Spatbildung, aber in seiner ganzen IAinge eine abnorme Ausw~ilbung naeh oben. Der Nasenriicken war nach rechts herfiber gekriimmt, so dass die Nasenspitze in diesem Sinne ungef~hr um 3'" yon der Mittellinie abstand. Das Nasen- bein reichte links weniger nach uritcn als rechts. An den Weichtheilen der Nase waren zwei Anomalien wahrnehmbar. ZunSchst verschmolz sich der linke Nascnfliigel nicht mit der Nasenspitzc, sondern inserirte sich an einen 4'" hSher gclegenen Punkt des nach rechts gebogenen Nascnriickcns; zweitens war die Ba- sis des linksseitigcn Nasenfiiigcls dutch ein circa ~" in die HShe stcigendes Colobom gespalten. An beiden linksseitigen Augenlidern war tin colobomaffiser De- s gegen den inneren AugenwinkcI hin sichtbar, so dass dieser beim Lidschluss unbedeckt blieb. Beide Colobome watch dutch die Muskelwirkung yon oben nach unten abgeflacht, 1~."' hoch, 4'" breit. An dem untern Lide lag nach aussen yon dem Colo- born, hart an dessen Grenze, der Thr~inenpunkt. Mit einer Anel'schen Sonde gelangte man yon dcmsclben

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durch einen ziemlich weiten Gang, welcher nagh unten- innen fiihrt und dem /iussern Scheukel des Coloboms ziemlich genau folgt, direkt in den Thr~inenschlauch und untern Nasengang. Im obern Lide lag an dem Knie des ~usseren Schenkels und intermarginalen Theils eine warzen~hnliche Prominenz, welche bei genauester Untersuchung keine Oeffnung zeigt. Dagegen land sich am innern Schenkel des Coloboms, etwas fiber dem ligamentum pa]pebrale internum, eine feine Oeffnung, durch welche man in einen etwas weiteren, grade nach oben verlaufenden, und nach einer L~inge yon einigen Linien blirld endigenden Schlaueh gelangt. Die medialen Sehenkel beider Colobome vereinigten sich an der inne- ren Comissur. Selbst wenn die Lider durch einen an der Schl~iie angelegten Finger einigermassen gestreckt werden, so blieb der mit Cilien besetzte Theil 1~ ~ k[ir- zer als auf der rechten Seitc und war die Zah| der Ci- lien bedeutend geringer. Endlich befand sich am in- nern Hornhautrande eine kleine linsengrosse Dermoid- geschwnlst ohne siehtbare H~rchen.

Die Eltern des Kindes waren vo]lkommen gesund, und auch in der Schwangerschaft hatte sich mit Aus- nahme eines Falles der Mutter auf das Gesicht, wfih- rend des 7. Monats nichts erw~ihnenswerthes zugetragen.

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12.

U e b e r I r i d e c t o m i e bei K e r a t o c o n u s .

So r~ithselhaft auch in manchen Stiicken his jetzt das Wesell des mit dem Namen Keratoconus bezeic|,- neten Uebels ist, so steht es doch lest, dass ein Miss- verh~iltniss" zwischen dcr Resistenz der Hornhaut und dem auf sie wirkenden Druck die n~chste Ul'sache abgiebt. Bei vollkommen normaler Beschaffenheit der Hornhaut kann eia absolut zu hoher Druck niemals eine conische Ektasie hervorbringen, sondern muss, wie H e l m h o l t z nachgewiesen hat, gerade ia umgekehrter Weise die Krfimmung der Hornhaut verringern. Sowie aber die Gleichm~issigkeit des Widerstandes, wclchen die Cornea bietet, aufgehoben ist, sei es durch Substanz- verlust oder Infiltration oder auf Grund angeborner Ano- malie, so kann durch eiacn absolut zu hohen oder re- lativ zu hohen I)ruck begreiflicher Weise eine conische Form eingeleit(,t werdcn. Es wird yon den Meisten ztlge- geben, class gewisse schleich(~r~de Infiltrationen des Horn- hautgewebes, welche die Rcsistenz besonders an circum- scripten Stellen verringera, den gewShnlichen Ausgangs- punkt t"dr den Keratoconus abgeben. Auffallend bleibt es immerhin, dass andere Prozesse, die a priori f'dr das Zustandekommen yon Kcratoconus am geeignetsten scheinen, wie langdauernde und tiefe Ulcerationen, ent- weder gar nicht oder nut vorilbergehend eine conische Ektasie herbeifiihren, und dass umgekehrt die Hornhaut- prozesse, die dem Keratoconus vorangehen, oft sehr unscheinbar sind. Ich habe einige Mal bei Individuen,

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welche bereits einen ausgebildeten Keratoconus hatten, dasselbe Uebol unter meiner Beobachtung auf dem zwei- ten Auge sieh entwickeln sehen und war wohl stets im Stande in den mittleren Partieen der Hornhaut einen f~'inen diffusen Anflug zu bemerken, welehen ich bet Fokalbeleuehtung in die tiefere Region der Membran lokalisiren musste, aber irgend eine grSbere Ver~inde- rung, irgend eine Unregelm~issigkeit an der Hornhaut- Oberfl~ehe, Abstossung des Epithels u. dgl. war w~ih- rend der ganzen Bildung nicht zu eonstatiren, und selbst jene feinere Ver~inderung verlor sieh in einerfl Fall trotz der weiteren VergrSsserung der Ectasie so rasch, dass ich es reeht wohl begreif'en konnte, wie manche Beob- aohter fiberhaupt eine ,jede Infiltration bet gewissen Formen yon Keratoconus geleugnet haben. Es muss hier also noch eine bestimmte Disposition, vielleicht in den natilrliehen Dickenverh~iltnissen der Hornhauh ob- walten, welehe die Pdidisposition abgiebt und nur des ttinzutritts einer unbedeutenden Veranlassung bedarf. Ja es di'lrt~ sich auf' Grund des eben angeregten Miss- verh~ilmisses wohl mit einigem Recht der Zweifel gel- tend machen, ob in einzelnen Fallen die leichten Infil- trationen der tieferen Hornhautpartien als der Grund der Resistenzverminderung oder nur als ein die Ektasie begleitender oder gar eonsecutiver Zustand zu betraeh- ten sind. Besonders unterstfitzt wird dieser Zweifel dutch die yon mehreren Se~ten, besonders yon englischen Fachgenossen, beigebraehten Beobachtungen fiber eine unglaublich rasche Entwieklung des Keratoeonus.

MSgen nun diese pathogenetischen Verh~iltnisse die eine oder die andere Entscheidung finden, so ist es einstweilen Pflicht des Practikers nach einer Hi]lie gegen das stSrende Uebel zu suchen. W~ihrend der Entste- hungsperiode habe ich einige Male die Verordnung

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absoluter Ruhe der Augen, antiphlogistisches Verfahren, EinMiufelungen yon Atropin nnd sparer yon Opiumtinktur erfolgreich gesehen. Hat das Uebel aber einmal einen gewissen Grad und ein gewisses Alter erreicht, so blei- ben alle Arzneimiitel erfolglos, so wig ich auch vom Druckverband und yon wiederholter Paracentese, welche ich beide frliher methodisch durehversucht babe, nichts Erfreuliches berichten kann. Ich gestehe often, dass ich alle eigentlichen Kurversuche bei Keratoconus eine Zeit hindurch aufgegeben hatte und reich darauf be- schr~inkte, m~glichste Abstinenz von accomodativer Th/i- tigkeit und gewisse optische H~lfsmittel, wie halbver- klebte Brillengliiser, schlitzf~rmige stenop~iische Brillen und Lorgnetten zu empfGhlen. Als ieh dann bei eeta- tischen Hornhautnarben und partiellen StaphyIomen die Heilwirkung der Iridectomie erprobte, lag eine Anwen- dung auf Keratoconus sehr nahe. Ich verrichtete bereits vor 2 Jahren dig Operation bei zwGi Patienten, konnte jedoch zu keiner rechten Ueberzeugung ~ber den Nutzen kommen, weil beide FNIe theils dutch Gin fortbestehen- des Hornhautleiden, theils dm'ch eine amblyopische Complication f~r Schl~sse unbrauchbar waren. Endlich hot sich im vergangenen Sommer Gin Fall, welcher zu einem positiven Resultate fiihrte. Ich theile denselben um so lieber bier mit, als ich inzwischen vernommen und gelesen habe, class B o w m a n in anderer Richtung operative Versuehe bei Keratoconus anstellt.

Herr G. aus Hamburg, in den Dreissigern, hatte rechterseits einen ausgepr~igten Keratoconus. DiG Horn- haut war selbst an der Spitze des Kegels vollkommen durehsichtig zu nennen. Patient las mit diesem Auge nut No. 1~ der J / iger ' sehen Schriftproben bis auf' 1%", die kleineren Schriften nicht mehr; dutch eine steno- p~iische Brille konnte er dagegen, wenn man die best-

Archly fiir OphthMmologie. IV. 2. 18

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mfgliche Haltung ermittelte, S~hrifi No. 5 his 2" ent-

ziffern. Concavgliiser erweiterten die Tragweite flit

kleinere Objecte nur mllssig und nur dann, wenn sie mit stenop~iischen Brillen combinirt wurden. Schrift

No. 20 erkannte Patient alsdann bis auf 3' mit - - 5 '

stenop~iisch. Nach Eintrliufelung yon Atropin besserte sich das Distinetionsvermiigen dahin, class Patient mit

blossem Auge No. 6 miihsam entziffern konnte und mit

stenop~iischer Brille Schrift sogar No. 3 his auf 3" sah.*)

Ich beschloss die Iridectomie zu verrichten. Der

Zweck der Operation ist offenbar ein dopl~elter. Zu-

nilchst wollen wir trotz der abnorm gekrfimmten Horn-

haut die optischen Verh~iltnisse bessern, indem wir das

relativ brauchbarste Hornhautbereieh iiir den Lichtein-

fall zug~inglich machen, welches bekanntlich bei Kerato- conus zwischen der Spitze des Kegels und dem Rand- theil der Hornhaut liegt, sodann soll dutch die Iri- dectomie eine dauernde Herabsetzung des Druckes und dadurch ein giinstiger Einfluss auf die Krfimmung der

Hornhaut allm~ilig gewonnen werden. In letzterer Be-

ziehung diirfte es rlithlich erscheinen, ein miiglichst grosses h'isstfick zu excidiren. Dies wf rde jedoch , fiber

eine gewisse Grenze hinaus, wiederum optisch nach- theilig sein.**)

u) Linkerseits war ein Keratoconus eben in der Bildung. Pa- tient hatte seit einigen Wochen heftige Schmerzen im Auge und um dasse[be herum, auch einigo Abnahme des 8ehvermiigens bemerkt. Die Untersuchung zeigte bereits eine etwas verdachtige Krilmmung un(t eine feine graue Infiltration der tiefen Hornhaut- schichten in dem centralen Bereich. Es wurden 5rtliche Blutent- leerungen, Eintriiufelungen yon Airopin, sp~iter yon Opium-Tinktur, hier angewendet, wonach die Schmerzen aufhlirten und wenigatens tempor~r ein Stillstand der Ectasie eintrat.

*~) Dass auch unter gewlihnlichen Verhiiltnissen, z. B. bei Leucoma, breite Pupillen weniger gllnstig sind als schmale, ist ziem- lich allgemein angenommen. Man tKuscht sich jedoch, wenn man

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Am 30. Juni machte ich, wie zu einer gew~ihn- lichen Pupillenbildung bei Leucom, ein ColoboIn gerade tmch unten, welches sich bis zur Scleralgrenze aus- dehnte und im Mittel eine Breite yon s/4'", im untersten Theil yon 1"' hare. Die directe optische Verbesserung

sehr grosse Differenzen in der Distinctionsf~higkeit selbst erwartet. Eine Patientin, bet welcher durch ein wRhrend der Operation be- gangenes Versehen Iridodialysis entstand, und der die ganze Iris herausgenommen wurde, konnte, ohne jade Spur einer Regenbogen- haut, No. 4 fliessend und No. 1 wortweise lesen. Dasselbe sah ich bet einem Invaliden, der vat dreissig Jahren operirt war. Dagegen leiden die Kranken mit iibergrosser Pupille stark an Blendung und seheinen um so waniger zu accomodiren, je gr6sser tier Irisdefect ist. Die oben citirte Patientin, welcha keina Iris mehr besass, war jeder Spur van Accomodationsfiihigkeit verlustig. In zwei Fifllen excessiv grosser Pupillen bet Leueoma fend ich eine mittlere Verringerung der Accomodationsbreite, in einem Falls traumafiseher Dialyse beinahe vollst~ndigen Defect. Ich bin welt entfernt, hicraus diracte Schllisso fiber die Betheiligung der Iris an der Accomodation zu machen, da dieselben Umsiiinde, welche auf die Iris wirken, sehr wahl auf den tensor chorioideae wirken kSnnen (z. B. Dialyse durch Trauma oder Operation). Ich fiihrc dies [ediglich an, weii man mir auf der an- deren SeRe aus dam Erhaltensein der Accomodation bet Colobomen und kllnstlichen Pupillen etwas zu breite Schliisse in Betreff der Unwirksamkeit der Iris zu ziehen scheint. Die Gegenwart eines ge- wShnlichen schmalen Coloboms schliesst eino Druckwirkung der Iris nach hinten nicht aus und es ist noch kein Fall constatlrt, we bet sehr grossen Defecten der Iris oder g~tnzlichem Fehlen dersel- ben, ein vollkommen normales AccomodationsvermSgcn existirt h/itte. Im Gegentheil fehlte bei volikommenen Defekt der Iris die Accomodation gKnzlich. Ebenso schliesst alas Vorhandensein hin- tater Synachieen eine Druckwirkung der Iris nach hinten nicht aus. Am beweisendsten wiirdea allerdings, n~ichst dam g~nzlichen Defect der Iris, F~ille ausgedehnten vorderen Synechieen erscheinen, in welchen die Iris in ihrem gr~isseren Theil yon der Kapsel ab- staht und doch hccomodation vorhanden ist. Wenn ich nicht irre, versichert A r l t , solche gesehen zu haben. Ich selbst habe nur bei beschr~inkten vorderen Synechieen eine normala Accomodation be- obachtet, was ich, wie gesagt, nicht fiir schlagend halte. Die F/ilia yon umfangreiehen Synechieen liessen meist optometrische Messun- gen nicht zu.

18"

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war ziemlieh schlagend; 14 Tago nach der Operatioa las Patient mit blossem Auge Nr. 1 (statt No. 1,t) in 8/4", No. 14: in 2". Ebenso existirte jetzt eine viel vollst'~ndigere Correction durch Concavgl~ser, so dass Fdr grSssere Objectc -- 2' A (frfiher n u r - - 5 ) anwend- bar war, wodureh Patient in der Entfernung un- endlich besser als zuvor mit dem relativ zweckm~issig- sten sWnop~isch-concaven Apparat sah.

Das angei~ihrte, zwar best.hriinkte, aber bei dcm Charakter des Uebels immerhh~ anzuerkenn,m<le Resul- tat erhielt sich nach einer mehrw3cheI~tlichen Beob- achtung. Ich hebe dies hervor, well man vermuthen kSnnte, dass eine noch unvollsiRndige Ansammhmg yon humor aqueus temporRr gfinstig auf die Hornhaut- krfimmung gewi rk t , - - dies um so mehr, als in der That die Restitution der vorderen Kammer 6 Tage nach der Operation noch unvollstRndig war. Besonders inter- essant werden in solchen F~illen Messungen der Horn- hautkrfimmung skin. Ich hoffe solche, wenn deren Genauigkeit mich bei'riedigt, spRter beizubringen. Ob eine namhafte, dauernde Verbesserung in dieser Be- ziehung bei dem ciiirten Patienten erfolgt, kann ich f'dr jetzt nicht entscheidon, da derselbe wenige Wochen nach der Operation Berlin verliess.