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Ärztlich assistierter Suizid und organisierte Sterbehilfe. Von Kallia Gavela. Verlag Springer, Berlin Heidelberg 2013, 339 S., kart., € 89,95 Kallia Gavela hat sich mit der Untersuchung des ärztlich assistierten Suizids und der organisierten Sterbehilfe zweifellos an ein rechtlich wie ethisch komplexes Thema herangewagt. Um es vorweg zu neh- men: Es handelt sich um eine rundum gelungene Abhandlung, die ihre Stärken vor allem im rechtsvergleichenden Teil hat. Gavela untersucht im ersten Teil das geltende Recht und stellt fest, dass die Suizidteilnahme grundsätzlich straflos ist. Sie begnügt sich jedoch nicht mit der einfachen Feststellung der Straflosigkeit anhand der limitierten Akzessorietät, sondern hinterfragt, warum der Suizid selbst straflos ist. Im Weiteren grenzt sie auf herkömmlichem Weg den freiverantwortlichen Suizid zur mittelbaren Täterschaft ab. Zum freien Willen und dem benannten Umstand, dass lediglich 5 % aller Suizide freiverantwortlich sein sollen, hätte sich sicherlich noch mehr sagen lassen können. Die Rechtsprechung zur möglichen Unterlas- sungstäterschaft wird nachgezeichnet und deren Widersprüche wer- den herausgestellt. Gavela macht an dieser Stelle nicht halt, sondern untersucht die Strafbarkeit nach dem Arzneimittel- und Betäubungs- mittelgesetz, was insbesondere vor dem Hintergrund des ärztlich as- sistierten Suizids eine bedeutsame Rolle einnimmt und letztlich eine Durchbrechung des deutschen Straflosigkeitsmodells bedeutet. Es folgt ein rechtsvergleichender Überblick, wobei Gavela auf die Regelungen der Schweiz, der Niederlande und der USA unter be- sonderer Darstellung des Oregon Death with Dignity Act und des Washington Death with Dignity Act eingeht. Dieser rechtsverglei- chende Teil gelingt in besonders interessanter Weise und ist höchst informativ. Denn Gavela beschränkt sich hierbei nicht auf die bloße Darstellung der einzelnen Regelungen, sondern untersucht ihre his- torische Entwicklung und zeigt die Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre auf. Zudem hinterfragt sie, wie sich die Rechtswirklichkeit darstellt. Gavela nimmt insoweit Position zu den Regelungen, als ihr die Regelungen der Niederlande als zu weitgehend erscheinen, insbe- sondere, weil hier auch die aktive Sterbehilfe zugelassen wird, und sie gewisse Vorteile in der prozeduralen Lösung des Oregon Death with Dignity Act erkennt, der eine Straflosigkeit der ärztlichen Suizidassis- tenz unter engen Voraussetzungen einer unheilbaren Krankheit, die in höchstens sechs Monaten zum Tode führen wird, vorsieht. Aus der Rechtsvergleichung gewinnt sie die Erkenntnis, dass die Freiverantwortlichkeit von allen Rechtsordnungen vorausgesetzt wird, in den Regelungen jedoch unterschiedliche Konturen an- nimmt und deren Schärfe und Überprüfung unterschiedlich ausfal- len. Doch muss Gavela feststellen, dass aus der Freiverantwortlichkeit nicht eine Anerkennung der Autonomie des Einzelnen mit Sterbe- wunsch folgt. So bestehen zwei Hauptströmungen (Pönalisierungs- und Straflosigkeitsmodell), wobei Gavela eine Pönalisierungstendenz erkennt, die aber in der einzelnen Ausgestaltung stark variiere und bei der die Tendenz zur Prozeduralisierung einen Unterfall bilde. Im letzten Teil ihrer Abhandlung stellt Gavela Überlegungen zu Reformen des deutschen Rechts an. Während sich die Diskussion um die Sterbehilfe zuletzt auf die passive Sterbehilfe konzentrierte und schließlich die Patientenautonomie mit der Regelung des § 1901a BGB eine besondere Betonung erfuhr, hat die Diskussion um ein mögliches Verbot der Suizidmitwirkung durch Meldungen über die Tätigkeit von Sterbehilfeorganisationen auch in Deutschland neuen Aufschwung erhalten. Die Aktualität dieser Debatte zeigt sich an neuen gesetzgeberischen Absichtserklärungen, die Gavelas Arbeit mit Stand 2011 selbstredend nicht mehr beinhalten kann. Dies nimmt der Arbeit und ihren Überlegungen jedoch keineswegs die Aktualität – das Gegenteil ist richtig. Gavela sucht – aus freiheitlich strafrechtlicher Perspektive vielleicht in der Wahl des Wortes „suchen“ befremdlich – nach Gesetzeslücken. Sie spricht sich für die Beibehaltung einer straf- losen Suizidbeihilfe aus, sieht die Rechtsprechung in der Pflicht, zu einer klaren und widerspruchsfreien Linie zu gelangen, und fordert letztlich eine Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Suizidbeihilfe sowie ein Werbeverbot. Sie sieht in einer Kommerzialisierung höchstper- sönlicher Gewissensentscheidungen am Lebensende ein strafrechtlich verfolgbares Unrecht und legt einen Gesetzgebungsvorschlag vor. Diese Schlussfolgerung erscheint jedoch nicht zwingend. Dass Gavela die Problematik umfassend erfasst, zeigt sie auch mit der Untersu- chung der ärztlichen Rolle bei der Suizidassistenz und der Darstellung des Standesrechts. Sie geht damit über eine strafrechtliche Untersu- chung hinaus und analysiert die ethischen Argumentationslinien. Gavela gelingt mit ihrer sehr lesenswerten Abhandlung ein höchst interessanter und informativer Beitrag, der für die weitere Debatte gewinnbringend ist. DOI: 10.1007/s00350-014-3695-2 Tissue Engineering – Rechtliche Grenzen und Voraussetzungen. Von Verena Wernscheid. (Göttinger Schriften zum Medizin- recht, Bd. 12). Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2012, 313 S., kart., € 32,00 Tissue Engineering, also die Züchtung von menschlichem Gewebe aus einzelnen Zellen im Labor, stellt einen wichtigen Teil der Bio- medizin dar, die sich zu einer der wichtigsten Technologien in der Medizin entwickelt hat. Den rechtlichen Grenzen und Vorausset- zungen des Tissue Engineering widmet sich die Schrift von Verena Wernscheid, die von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Uni- versität Göttingen 2011 als Dissertation angenommen wurde. In ihrer Schrift erläutert die Verfasserin nach einer kurzen Einlei- tung das Tissue Engineering im Rechtssystem, wobei der Schwer- punkt der rechtlichen Darstellung im EU-Recht und dem deutschen Arzneimittelrecht nach der 15. AMG-Novelle liegt. Der Hauptteil des Buches gliedert sich in die naturwissenschaftlichen und medizi- nischen Grundlagen (A.), die geltende Rechtslage (B.), die rechtliche Einordnung einzelner Schritte des Herstellungsverfahrens (C.) und endet schließlich mit der Zusammenfassung (D.). Im ersten Teil weist die Verfasserin zunächst darauf hin, dass es an einer einheitlichen Bestimmung des Begriffs „Tissue Engineering“ fehlt. Die historische Entwicklung des Tissue Engineering seit Be- ginn der 1990er Jahre sowie das technische Verfahren der Herstel- lung von Tissue Engineering-Produkten werden ebenso aufgezeigt wie deren Verwendungsgebiete, wobei die Verfasserin die Verwen- dung in die Bereiche der Anwendung (Haut, Knorpel und Leber- ersatzsysteme) und des Forschungsstadiums (Herzteile, Knochen, weitere Gewebearten) unterteilt. Die Verfasserin zeigt im anschlie- ßenden Fazit deutlich die Besonderheiten des Tissue Engineering als wichtiges Teilgebiet der Biomedizin auf, indem sie darstellt, dass es sich bei Tissue Engineering-Produkten um Produkte aus lebensfähi- gen Zellen handelt. Dies bedeutet, dass dem Herstellungsverfahren, anders als bei unbelebten Stoffen, eine besondere Rolle zukommt. Insofern ähneln Tissue Engineering-Produkte anderen Biopharma- zeutika, die aus Zellmaterial gewonnen werden. Im zweiten Teil werden zunächst die rechtlichen Vorgaben des EU-Rechts dargestellt. Die Verfasserin untersucht, ob Tissue Engi- neering-Produkte in den jeweiligen Anwendungsbereich der Me- dizinprodukte-Richtlinie 93/42/EWG, der Arzneimittel-Richtlinie 2001/81/EG und der Geweberichtlinie 2004/23/EG sowie der Ver- ordnung (EG) 1394/2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien fallen. Die Darstellung der Rechtslage nach deutschem Recht zeigt den Rechtsrahmen nach dem AMG und die Änderungen durch das Gewebegesetz auf. Hier weist die Verfasserin darauf hin, dass sich die rechtliche Regulierung von Tissue Engineering-Produkten als Arzneimittel für neuartige Therapien nach der 15. AMG-Novelle Rechtsanwältin Dr. iur. Tanja Henking, LL.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Ruhr-Universität Bochum, Deutschland Rechtsanwältin Dr. iur. Claudia Seitz, M. A. (London), Lörrach, Deutschland MedR (2014) 32: 447–448 447 REZENSIONEN

Verena Wernscheid, Tissue Engineering – Rechtliche Grenzen und Voraussetzungen

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Page 1: Verena Wernscheid, Tissue Engineering – Rechtliche Grenzen und Voraussetzungen

Ärztlich assistierter Suizid und organisierte Sterbehilfe.

Von Kallia Gavela. Verlag Springer, Berlin Heidelberg 2013, 339 S., kart., € 89,95

Kallia Gavela hat sich mit der Untersuchung des ärztlich assistierten Suizids und der organisierten Sterbehilfe zweifellos an ein rechtlich wie ethisch komplexes Thema herangewagt. Um es vorweg zu neh-men: Es handelt sich um eine rundum gelungene Abhandlung, die ihre Stärken vor allem im rechtsvergleichenden Teil hat.

Gavela untersucht im ersten Teil das geltende Recht und stellt fest, dass die Suizidteilnahme grundsätzlich straflos ist. Sie begnügt sich jedoch nicht mit der einfachen Feststellung der Straflosigkeit anhand der limitierten Akzessorietät, sondern hinterfragt, warum der Suizid selbst straflos ist. Im Weiteren grenzt sie auf herkömmlichem Weg den freiverantwortlichen Suizid zur mittelbaren Täterschaft ab. Zum freien Willen und dem benannten Umstand, dass lediglich 5 % aller Suizide freiverantwortlich sein sollen, hätte sich sicherlich noch mehr sagen lassen können. Die Rechtsprechung zur möglichen Unterlas-sungstäterschaft wird nachgezeichnet und deren Widersprüche wer-den herausgestellt. Gavela macht an dieser Stelle nicht halt, sondern untersucht die Strafbarkeit nach dem Arzneimittel- und Betäubungs-mittelgesetz, was insbesondere vor dem Hintergrund des ärztlich as-sistierten Suizids eine bedeutsame Rolle einnimmt und letztlich eine Durchbrechung des deutschen Straflosigkeitsmodells bedeutet.

Es folgt ein rechtsvergleichender Überblick, wobei Gavela auf die Regelungen der Schweiz, der Niederlande und der USA unter be-sonderer Darstellung des Oregon Death with Dignity Act und des Washington Death with Dignity Act eingeht. Dieser rechtsverglei-chende Teil gelingt in besonders interessanter Weise und ist höchst informativ. Denn Gavela beschränkt sich hierbei nicht auf die bloße Darstellung der einzelnen Regelungen, sondern untersucht ihre his-torische Entwicklung und zeigt die Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre auf. Zudem hinterfragt sie, wie sich die Rechtswirklichkeit darstellt. Gavela nimmt insoweit Position zu den Regelungen, als ihr die Regelungen der Niederlande als zu weitgehend erscheinen, insbe-sondere, weil hier auch die aktive Sterbehilfe zugelassen wird, und sie gewisse Vorteile in der prozeduralen Lösung des Oregon Death with Dignity Act erkennt, der eine Straflosigkeit der ärztlichen Suizidassis-tenz unter engen Voraussetzungen einer unheilbaren Krankheit, die in höchstens sechs Monaten zum Tode führen wird, vorsieht.

Aus der Rechtsvergleichung gewinnt sie die Erkenntnis, dass die Freiverantwortlichkeit von allen Rechtsordnungen vorausgesetzt wird, in den Regelungen jedoch unterschiedliche Konturen an-nimmt und deren Schärfe und Überprüfung unterschiedlich ausfal-len. Doch muss Gavela feststellen, dass aus der Freiverantwortlichkeit nicht eine Anerkennung der Autonomie des Einzelnen mit Sterbe-wunsch folgt. So bestehen zwei Hauptströmungen (Pönalisierungs- und Straflosigkeitsmodell), wobei Gavela eine Pönalisierungstendenz erkennt, die aber in der einzelnen Ausgestaltung stark variiere und bei der die Tendenz zur Prozeduralisierung einen Unterfall bilde.

Im letzten Teil ihrer Abhandlung stellt Gavela Überlegungen zu Reformen des deutschen Rechts an. Während sich die Diskussion um die Sterbehilfe zuletzt auf die passive Sterbehilfe konzentrierte und schließlich die Patientenautonomie mit der Regelung des § 1901 a BGB eine besondere Betonung erfuhr, hat die Diskussion um ein mögliches Verbot der Suizidmitwirkung durch Meldungen über die Tätigkeit von Sterbehilfeorganisationen auch in Deutschland neuen Aufschwung erhalten. Die Aktualität dieser Debatte zeigt sich an neuen gesetzgeberischen Absichtserklärungen, die Gavelas Arbeit mit Stand 2011 selbstredend nicht mehr beinhalten kann. Dies nimmt der Arbeit und ihren Überlegungen jedoch keineswegs die Aktualität – das Gegenteil ist richtig. Gavela sucht – aus freiheitlich strafrechtlicher Perspektive vielleicht in der Wahl des Wortes „suchen“ befremdlich –

nach Gesetzeslücken. Sie spricht sich für die Beibehaltung einer straf-losen Suizidbeihilfe aus, sieht die Rechtsprechung in der Pflicht, zu einer klaren und widerspruchsfreien Linie zu gelangen, und fordert letztlich eine Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Suizidbeihilfe sowie ein Werbeverbot. Sie sieht in einer Kommerzialisierung höchstper-sönlicher Gewissensentscheidungen am Lebensende ein strafrechtlich verfolgbares Unrecht und legt einen Gesetzgebungsvorschlag vor. Diese Schlussfolgerung erscheint jedoch nicht zwingend. Dass Gavela die Problematik umfassend erfasst, zeigt sie auch mit der Untersu-chung der ärztlichen Rolle bei der Suizidassistenz und der Darstellung des Standesrechts. Sie geht damit über eine strafrechtliche Untersu-chung hinaus und analysiert die ethischen Argumentationslinien.

Gavela gelingt mit ihrer sehr lesenswerten Abhandlung ein höchst interessanter und informativer Beitrag, der für die weitere Debatte gewinnbringend ist.

DOI: 10.1007/s00350-014-3695-2

Tissue Engineering – Rechtliche Grenzen und Voraussetzungen.

Von Verena Wernscheid. (Göttinger Schriften zum Medizin-recht, Bd. 12). Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2012, 313 S., kart., € 32,00

Tissue Engineering, also die Züchtung von menschlichem Gewebe aus einzelnen Zellen im Labor, stellt einen wichtigen Teil der Bio-medizin dar, die sich zu einer der wichtigsten Technologien in der Medizin entwickelt hat. Den rechtlichen Grenzen und Vorausset-zungen des Tissue Engineering widmet sich die Schrift von Verena Wernscheid, die von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Uni-versität Göttingen 2011 als Dissertation angenommen wurde.

In ihrer Schrift erläutert die Verfasserin nach einer kurzen Einlei-tung das Tissue Engineering im Rechtssystem, wobei der Schwer-punkt der rechtlichen Darstellung im EU-Recht und dem deutschen Arzneimittelrecht nach der 15. AMG-Novelle liegt. Der Hauptteil des Buches gliedert sich in die naturwissenschaftlichen und medizi-nischen Grundlagen (A.), die geltende Rechtslage (B.), die rechtliche Einordnung einzelner Schritte des Herstellungsverfahrens (C.) und endet schließlich mit der Zusammenfassung (D.).

Im ersten Teil weist die Verfasserin zunächst darauf hin, dass es an einer einheitlichen Bestimmung des Begriffs „Tissue Engineering“ fehlt. Die historische Entwicklung des Tissue Engineering seit Be-ginn der 1990er Jahre sowie das technische Verfahren der Herstel-lung von Tissue Engineering-Produkten werden ebenso aufgezeigt wie deren Verwendungsgebiete, wobei die Verfasserin die Verwen-dung in die Bereiche der Anwendung (Haut, Knorpel und Leber-ersatzsysteme) und des Forschungsstadiums (Herzteile, Knochen, weitere Gewebearten) unterteilt. Die Verfasserin zeigt im anschlie-ßenden Fazit deutlich die Besonderheiten des Tissue Engineering als wichtiges Teilgebiet der Biomedizin auf, indem sie darstellt, dass es sich bei Tissue Engineering-Produkten um Produkte aus lebensfähi-gen Zellen handelt. Dies bedeutet, dass dem Herstellungsverfahren, anders als bei unbelebten Stoffen, eine besondere Rolle zukommt. Insofern ähneln Tissue Engineering-Produkte anderen Biopharma-zeutika, die aus Zellmaterial gewonnen werden.

Im zweiten Teil werden zunächst die rechtlichen Vorgaben des EU-Rechts dargestellt. Die Verfasserin untersucht, ob Tissue Engi-neering-Produkte in den jeweiligen Anwendungsbereich der Me-dizinprodukte-Richtlinie 93/42/EWG, der Arzneimittel-Richtlinie 2001/81/EG und der Geweberichtlinie 2004/23/EG sowie der Ver-ordnung (EG) 1394/2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien fallen. Die Darstellung der Rechtslage nach deutschem Recht zeigt den Rechtsrahmen nach dem AMG und die Änderungen durch das Gewebegesetz auf. Hier weist die Verfasserin darauf hin, dass sich die rechtliche Regulierung von Tissue Engineering-Produkten als Arzneimittel für neuartige Therapien nach der 15. AMG-Novelle

Rechtsanwältin Dr. iur. Tanja Henking, LL.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin,Ruhr-Universität Bochum, Deutschland

Rechtsanwältin Dr. iur. Claudia Seitz, M. A. (London), Lörrach, Deutschland

MedR (2014) 32: 447–448 447

R E Z E N S IO N E N

Page 2: Verena Wernscheid, Tissue Engineering – Rechtliche Grenzen und Voraussetzungen

wohl verbessert habe, gleichzeitig kritisiert sie die nach wie vor un-zulängliche Regelung, die zu Unklarheiten im Bereich der Tissue Engineering-Produkte führt.

Das Kernstück der Arbeit bildet der dritte Teil mit einer rechtli-chen Einordnung einzelner Schritte des Herstellungsverfahrens. Der Schwerpunkt der Einordnung liegt hier im Bereich des Zivilrechts. Zunächst werden die Eigentumsverhältnisse an abgetrennten Kö-persubstanzen und die hieraus folgenden Konsequenzen aufgezeigt. Daran schließt sich eine Beurteilung und die Darlegung der Fol-gen einer Weiterverwendung ohne zuvor erteilte Einwilligung an und es werden Fragestellungen der Kommerzialisierung im Bereich des Tissue Engineering behandelt. Ebenso wird auf die Haftung für fehlerhafte Tissue Engineering-Produkte eingegangen und nach der Haftung des Herstellers, des ehemaligen Substanzträgers, eines mög-lichen Dritten und des Anwenders selbst unterschieden. Schließlich wird eine Einordnung der Tissue Engineering-Produkte im Bereich des Patentrechts vorgenommen.

Obwohl der Bereich des Tissue Engineering als Teil der Biotech-nologie sich in den letzten beiden Jahrzehnten zu einer Schlüsseltech-nologie im medizinischen Bereich entwickelt hat, hinkt das Recht dieser Entwicklung hinterher. Dies hat Verena Wernscheid in ihrer Dissertation eindrucksvoll aufgezeigt. Doch nicht nur die rechtli-chen Regelungen an sich stehen hinter dem technischen Fortschritt zurück, sondern auch die juristische wissenschaftliche Aufarbeitung in diesem Bereich. Der vorliegenden Schrift kommt vor diesem Hin-tergrund eine besondere Bedeutung zu. Sie kann allen, die an recht-lichen Fragestellungen zum Tissue Engineering interessiert sind, zur Lektüre sehr empfohlen werden.

Heidelberger Kommentar. Arztrecht. Kranken-hausrecht. Medizinrecht. (HK-AKM).

Herausgegeben von Hans-Jürgen Rieger, Franz-Josef Dahm, Christian Katzenmeier und Gernot Steinhilper. Verlag C. F. Müller, Heidelberg, Loseblattsammlung, hier: 47./48. Erg.-Lfg. 2013

Die 47. und 48. Ergänzungslieferung des Heidelberger Kommentars (HK-AKM) enthalten unter anderem neue Beiträge zu den Stichwor-ten „Vertragsarzt“ (Steinhilper) und „Klinische Prüfungen“ (v. Dewitz). Die Aktualisierungen betreffen u. a. die Beiträge „Off-Label-Use“ (Hart), „Medizinstudium“ (Haage), „Arzneimittel in der Krankenver-sicherung“ (Becker), „Bundesärzteordnung“ (Haage) sowie mehrere Beiträge zum Notarzt- und Rettungswesen (Lippert/Lissel).

Mit der 47. Aktualisierung erfolgte die Einführung des Beitrages „Vertragsarzt“ von Steinhilper. Der einleitende Überblick benennt die unterschiedlichen Leistungserbringer, die vom Begriff „Vertragsarzt“ erfasst werden. Den inhaltlichen Schwerpunkt des Beitrages bildet ein Überblick über die Rechte und Pflichten des Vertragsarztes. Die mit dem Status als Vertragsarzt einhergehende Pflichtmitgliedschaft bei der Kassenärztlichen Vereinigung bindet den Vertragsarzt in ein dichtes Netz gesetzlicher und untergesetzlicher Normen ein. Ausge-hend von den Rechtsgrundlagen im SGB V, der Ärzte-Zulassungs-verordnung und dem Bundesmantelvertrag-Ärzte bildet der Beitrag die zahlreichen Rechtsbeziehungen kompakt und übersichtlich ab. Neben den allgemeinen Anforderungen, die sich aus der Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ergeben, werden auch die Grenzen der freiberuflichen Berufsausübung und der ko-operativen Zusammenarbeit mit anderen Vertragsärzten dargestellt. Auf die Parallelität des disziplinarrechtlichen Zugriffs von Kassen-ärztlichen Vereinigungen und Ärztekammern wird hingewiesen. Ein weiterer Schwerpunkt des Beitrags liegt in der Abgrenzung gegen-über Begriffen wie Belegarzt, Honorararzt und Ermächtigungsarzt.

Der Beitrag „Approbationsordnung für Ärzte“ wurde stark kom-primiert und konzentriert sich nun auf einen Überblick der Rege-lungsinhalte, eine knappe Darstellung der historischen Entwicklung und die Bedeutung der Rechtsverordnung. Die Darlegung und Er-örterung der materiellen Bestimmungen der ÄApprO erfolgt nun

primär im Rahmen des ebenfalls von Haage überarbeiteten Beitra-ges „Medizinstudium“. Neben den Vorgaben der ÄApprO für die ärztliche Ausbildung betrifft dies nun auch die Regelungen für die Erteilung der Approbation. Der Beitrag „Medizinstudium“ wurde darüber hinaus um Erläuterungen zu den Reformen der Jahre 2002 und 2012 ergänzt. Insbesondere die Rechtsfolgen der Novellierung 2012 wurden in die übersichtlich gegliederte Darstellung der Vor-gaben der ÄApprO eingearbeitet. Hervorzuheben sind hierbei u. a. die Ergänzungen zur Einführung einer „Pflicht-Famulatur“ in ei-ner Einrichtung der hausärztlichen Versorgung, der Erweiterung der Querschnittsbereiche sowie die zahlreichen Neuregelungen zum Praktischen Jahr. Die kritische Auseinandersetzung mit den Re-formen und ihren Folgen trägt erheblich zum Verständnis bei. Die ebenfalls erfolgte Aktualisierung der Beiträge „Ärztliche Prüfun-gen“ und „IMPP – Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen“ betrifft primär die Wiedereinführung eines drei-teiligen Staatsexamens. Die ab 2014 geltende Prüfungsstruktur wird erläutert und die Unterschiede gegenüber dem bis 2013 geltenden zweiteiligen System werden kritisch beleuchtet.

Die Überarbeitung des Beitrages „Off-Label-Use“ von Hart be-trifft primär die Aktualisierung der einschlägigen Rechtsprechung. Die Sozialgerichte beschäftigt seit jeher die Frage, unter welcher Vo-raussetzung eine Arzneimittelbehandlung im sog. „Off-Label-Use“ der Leistungspflicht der GKV unterliegt. Die gelungene Darstellung der Rechtsprechung berücksichtigt nunmehr unter anderem auch die BTX/ A-Entscheidung des BSG vom 8. 11. 2011. Berücksichti-gung findet auch die gesetzgeberische Reaktion auf den Nikolaus-Beschluss des BVerfG in § 2 Abs. 1a SGB V.

Mit der 48. Ergänzungslieferung wurde der Beitrag von v. De-witz mit dem Titel „Klinische Prüfungen“ neu aufgenommen. Der Schwerpunkt liegt bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln.

Der vollständig neu bearbeitete Beitrag „Arzneimittel in der Krankenversicherung“ hat durch Becker eine umfassende Weiter-entwicklung erfahren. Dies betrifft sowohl die gelungene Gliede-rungsstruktur als auch die inhaltliche Tiefe der Ausführungen. Der Schwerpunkt liegt naturgemäß bei der Arzneimittelversorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Ausgehend von §§ 27, 31 SGB V werden die allgemeinen und besonderen Voraus-setzungen der Arzneimittelversorgung im GKV-Bereich dargestellt. Erörtert werden u. a. Aspekte der Zulassung, des Off-Label-Use, die Ausschlusstatbestände des § 34 SGB  V, die Festbetragsregelungen nach § 35 SGB V, die Nutzenbewertung durch den GBA nach § 35 a SGB V sowie das System der Rabatte und Abschläge aufgrund der §§ 130, 130a SGB V. Auch die Beteiligung der Ärzte und Apothe-ker an der Arzneimittelversorgung findet in angemessenem Umfang Berücksichtigung. Dem Autor gelingt auf beispielhafte Weise eine thematisch umfassende, aber dennoch kompakte Darstellung.

Die Überarbeitung des Stichwortes „Bundesärzteordnung“ ( Haage) berücksichtigt die Änderungen durch das Patientenrechtegesetz und die Änderungen der ÄAppO. In deren Folge ergibt sich eine neue Sicht auf die Frage der Bundeseinheitlichkeit der Ausbildung in Bezug auf zulässige Modellstudiengänge. Die aktuellen Fragen der Delegati-on und Substitution werden ebenso aufgegriffen wie Neuregelungen im EU-Recht (Dienstleistungserbringung, Meldepflichten, erworbe-ne Rechte). Thematisiert werden auch die Fragen der neu geregelten Anerkennung von Drittlandsdiplomen und der Möglichkeit von De-fizitprüfungen sowie der Zusammenhang zum endgültigen Nichtbe-stehen als Hinderungsgrund für die Approbationserteilung als Arzt.

Lippert/Lissel haben die Beiträge zum Recht des Rettungswesens vollständig neu überarbeitet und erweitert. Zu den Stichworten „Notarzt“ und „Notarztdienst“ liegen nun erstmals ausführliche Beiträge vor. Ausgehend von den Rechtsgrundlagen des Notarzt-dienstes werden Funktion und Trägerschaft sowie Schnittstellen zu anderen Diensten erläutert. Die Pflicht zur Mitwirkung der Ärzte im Notfalldienst wird für die unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Konstellationen ausführlich dargestellt. Der Einsatz von Honorar-ärzten im Notfalldienst wird ebenso thematisiert wie die Qualifika-tionsanforderungen, arzneimittelrechtliche Fragen sowie Fragen der Haftung und des Versicherungsschutzes.

Die Überarbeitung des Beitrages zum Stichwort „Rettungsdienst“ geht mit einer Schwerpunktsetzung auf das nichtärztliche Personal im Rettungsdienst einher. Rechtslage und Rechtsprechung zu den Rettungsdienstgesetzen der Länder wurden auf den neuesten Stand gebracht. Gänzlich neu eingeführt wurde das Stichwort „Rettungs-sanitäter“. Berücksichtigung fand auch das zum 1. 1. 2014 in Kraft getretene Notfallsanitätergesetz. Ein gesonderter Beitrag zum Sicht-wort „Notfallsanitäter“ ist für die Zeit nach Verabschiedung einer entsprechenden Ausbildungs- und Prüfungsverordnung angekündigt.

Rechtsanwalt Dr. iur. Bert-Sebastian Dörfer, Referent der Rechtsabteilung der Bundesärztekammer, Berlin, Deutschland

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