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Vergleich von Distributionssystemen unter dynamischen Gesichtspunkten durch Anwendung der Simulationstechnik Prof. Dr.-Ing. B. Noche Universität Duisburg-Essen 1. Einleitung Die Planung von Distributionssystemen ist eine kreative Aufgabe, die – je nach Blickwinkel – zu sehr unterschiedlichen Systemlösungen führen kann. Ausgehend von einem Anforderungsprofil, das beispielsweise das Artikelsortiment, Auftragsstrukturen und Bevorratungsvorgaben enthält, werden üblicherweise verschiedene Sy- stemlösungen und Planungsvarianten ausgearbeitet. Es stellt sich jedoch häufig die Frage, welches der Konzepte die jeweils beste Lösung repräsentiert. Kriterien wie Betriebs- und Investitionskosten sind recht schnell ermittelt – aber Kriterien wie Ser- vicelevel, Flexibilität und Steuerbarkeit lassen sich nur durch weitere Methoden, wie die Simulationstechnik, überprüfen. Der Vortrag befasst sich mit der Ausschreibung für den Bau und den Betrieb eines Distributionszentrums. Als Reaktion auf eine Ausschreibung wurden mehrere sehr unterschiedliche Lösungsvarianten eingereicht: Hochautomatisierte Lager- und Kommissioniersysteme, manuelle großflächige Lagersysteme, differenzierte Lager- konzepte mit unterschiedlicher Technik, Pick by Light-Konzepte konkurrieren mit klassischen Fachbodenkommissionierungen. Die verschiedenen Distributionskonzepte wurden mit Hilfe der Simulationstechnik bewertet und verglichen. Die Simulationsmodelle sollten nicht nur den reinen Materi- alfluss bewerten, sondern auch Dispositionsstrategien abbilden, um Kennzahlen be- reitstellen zu können, die beispielsweise die Sicherheit der Tourenbelieferung betreffen, die Auslastung des Personals, den Flächenbedarf in der Konsolidierung, die Durchlaufzeit der Kommissionieraufträge usw. Wesentliche Bestandteile der Modelle

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Vergleich von Distributionssystemen unter dynamischen

Gesichtspunkten durch Anwendung der Simulationstechnik

Prof. Dr.-Ing. B. Noche

Universität Duisburg-Essen

1. Einleitung

Die Planung von Distributionssystemen ist eine kreative Aufgabe, die – je nach

Blickwinkel – zu sehr unterschiedlichen Systemlösungen führen kann. Ausgehend von

einem Anforderungsprofil, das beispielsweise das Artikelsortiment, Auftragsstrukturen

und Bevorratungsvorgaben enthält, werden üblicherweise verschiedene Sy-

stemlösungen und Planungsvarianten ausgearbeitet. Es stellt sich jedoch häufig die

Frage, welches der Konzepte die jeweils beste Lösung repräsentiert. Kriterien wie

Betriebs- und Investitionskosten sind recht schnell ermittelt – aber Kriterien wie Ser-

vicelevel, Flexibilität und Steuerbarkeit lassen sich nur durch weitere Methoden, wie

die Simulationstechnik, überprüfen.

Der Vortrag befasst sich mit der Ausschreibung für den Bau und den Betrieb eines

Distributionszentrums. Als Reaktion auf eine Ausschreibung wurden mehrere sehr

unterschiedliche Lösungsvarianten eingereicht: Hochautomatisierte Lager- und

Kommissioniersysteme, manuelle großflächige Lagersysteme, differenzierte Lager-

konzepte mit unterschiedlicher Technik, Pick by Light-Konzepte konkurrieren mit

klassischen Fachbodenkommissionierungen.

Die verschiedenen Distributionskonzepte wurden mit Hilfe der Simulationstechnik

bewertet und verglichen. Die Simulationsmodelle sollten nicht nur den reinen Materi-

alfluss bewerten, sondern auch Dispositionsstrategien abbilden, um Kennzahlen be-

reitstellen zu können, die beispielsweise die Sicherheit der Tourenbelieferung betreffen,

die Auslastung des Personals, den Flächenbedarf in der Konsolidierung, die

Durchlaufzeit der Kommissionieraufträge usw. Wesentliche Bestandteile der Modelle

Page 2: Vergleich von Distributionssystemen - uni-due.de · Die Simulationsmodelle sollten nicht nur den reinen Materi- alfluss bewerten, sondern auch Dispositionsstrategien abbilden, um

sind: Lagerort der Artikel (inkl. Lagertechnik), Kommissioniersystem, Konsolidierung,

Verpackung sowie Wareneingang und –ausgang.

2. Ausgangssituation

Für einen Elektrogerätehersteller sollte ein neues Distributionslager erstellt werden.

Gelagert werden ca. 25.000 Artikel. Davon sind etwa 10 % Zubehör (kleinere Artikel)

und 90 % fertige Geräte. Im Rahmen eines Ideenwettbewerbs wurden verschiedene

Lieferanten gebeten, Lösungsvorschläge einzureichen und anzubieten.

Allen Lieferanten wurden die gleichen Informationen in einem Lastenheft zugesandt.

Auf der Basis dieser Daten wurden diverse Vorschläge erarbeitet und Angebote

eingereicht. In das endgültige Auswahlverfahren wurden insgesamt vier verschiedene

Konzepte einbezogen. Auf den ersten Blick erfüllten alle vier Konzepte die gestellten

Aufgaben wie:

- Lagerung von Fertigware (Zubehör und Geräte)

- Kommissionierung von Geräten

- Kommissionierung von Zubehör

- Konsolidierung von Kommissionen

- Verpackung und Versand

sowie

- Wareneingang von Zubehör und Geräten

- Einlagerung der Artikel

- Nachschuborganisation der Kommissionierung

Interessant ist jedoch die Tatsache, dass alle vier Bieter äußerst unterschiedliche

Lösungsansätze entwickelten. Alle Lösungsvorschläge entsprechen dem aktuellen Stand

der Technik und zeigen auf, dass die Bieter eine hohe Lösungskompetenz aufweisen

und völlig zu Recht in die letzte Phase des Bieterverfahrens mit aufgenommen wurden.

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3. Konzepte

Die Konzepte kann man im Hinblick auf den Automatisierungsgrad unterscheiden:

Automatisches Lösungskonzept (Bild 1)

Das Artikelsortiment wird nach Groß- und Kleinteilen aufgeteilt, wobei die Grenzen

durchaus fließend sein können.

Große Artikel werden in einem Regallager gelagert, wobei das Layout abwechselnd aus

einem Kommissioniergang und einem Nachschubgang besteht. Über eine

Behälterfördertechnik werden Behälter zu den einzelnen Kommissionierplätzen

gebracht und ausgeschleust. Ein Kommissionierer stellt die entsprechenden Artikel

zusammen, belädt den Behälter und schickt ihn wieder auf die Reise. Auf diese Weise

„besucht“ der Behälter nacheinander alle Kommissioniergänge bis sein maximales

Füllvolumen erreicht ist. Anschließend wird er in einem automatischen Karusselllager

zwischengepuffert.

Kleinteile werden in einem Fachbodenlager gelagert. Ein Kommissionierer läuft mit

einem Wagen, auf dem bis zu 8 Behälter untergebracht sind, durch die Gänge und

sammelt die Kleinteile kundenbezogen in den einzelnen Behältern. Am Ende einer Tour

werden die Behälter an ein Förderband übergeben und gelangen ebenfalls zur

Konsolidierung. Sobald alle kommissionierten Artikel im Karusselllager angekommen

sind, wird die Verpackung angestoßen. Die Behälter werden über einen Sorter

ausgelagert und einem Verpackungsplatz zugeführt – von dort aus gelangen die Artikel

in den Versand.

Im Versand treffen die verpackten Artikel mit Ganzpaletten aus der Großpackerei

zusammen, so dass sichergestellt ist, dass alle Bestellpositionen eines Kunden auch

tatsächlich gleichzeitig beim Kunden eintreffen.

Im Wareneingang werden verschiedene Artikel unter Umständen gemeinsam auf einer

Palette angeliefert. Nach einer Wareneingangskontrolle werden die Paletten zerlegt und

die Artikel ihren jeweiligen Lagerplätzen (Regallager bzw. Kleinteilelager) zugeführt.

Für Schnellläufer ist ein Cross-docking vorgesehen, so dass diese Artikel als

Rampendreher direkt vom Wareneingang zum Warenausgang gebracht werden.

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zur Kleinpackerei

zur Großpackerei

Fördertechnik

Fördertechnik

RFZ

RFZ

RFZ

EG

Kleinteile

Kartons

Palette

Lager und Kommissionierung

BahnHRL

Waren-ausgang

EntmischenWareneingangs-kontrolle

QS

HRL/FBL/Blocklager

Rampendreher

Wareneingang

Packspuren

Sorter

Packtische

Packtische

Kleinpackerei

Großpackerei

Rampendreher

vom Kom.-Tunnelund KLT-Lager

vom Kom.-Tunnel

Ganzpalette

Warenausgang

Bild 1: Automatisches Distributionskonzept

Manuelle Kommissionierung mit Pick by Light (Bild 2)

Der Grundgedanke dieser Variante besteht ebenfalls in der Unterscheidung zwischen

Groß- und Kleinteilen, wobei für die jeweilige Artikelgruppe eine weitere Aufteilung

der Funktionen vorgenommen wurde.

Die Kommissionierung der Großteile erfolgt via Gabelhubwagen oder Wagen – je nach

zu kommissionierendem Volumen. Das Kommissionierlager ist als Regallager

aufgebaut, wobei auf der oberen Ebene in den Regalen der Nachschub für die

Kommissionierebene gelagert wird. Alle Artikel, die nicht mehr in das

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Kommissionierlager passen (Geräte und Zubehör), werden in einem Reservelager

zwischengespeichert.

Die Großteile werden, sobald sie kommissioniert wurden, in die Großpackerei gebracht

und danach auf Packspuren im Versand bereitgestellt.

Die Kleinteile werden ebenfalls in zwei verschiedenen Lagerbereichen verwaltet. Die

Kommissionierung der B- und C-Teile erfolgt über einen Kommissionierwagen. Nach

der Tour übergibt der Picker die Behälter einer „Pick by Light“-Anlage für die

Zuführung der A-Teile. Anschließend werden die Behälter in die Kleinpackerei

gebracht und im Versand zu den Großteilen gestellt.

Schon im Wareneingang werden artikelreine Paletten von den übrigen Paletten

getrennt. Artikelreine Paletten sind für das Reservelager bestimmt – vorausgesetzt, im

Nachschubbereich des Kommissionierlagers ist kein Bedarf für Nachschubware

angemeldet. Das Entpacken der Kleinteile und die Aufteilung der Teile auf die

entsprechenden Lagerbereiche im Kleinteilelager erfolgt ebenfalls im Wareneingang.

Manuelle Kommissionierung mit Ware zum Mann (Bild 3)

Diese Variante zeichnet sich durch eine klare Gliederung von A- bzw. B- und C-

Artikeln im Großteilebereich aus. Die prinzipielle Idee besteht in der Durchführung

einer manuellen Kommissionierung im Schnelldreher-Bereich während die B- und C-

Artikel mit einem „Ware zum Mann“-Prinzip über eine konventionelle Lagertechnik

mit Regalbediengeräten einzelnen Kommissionierplätzen zugeführt werden.

Die Kleinteile sind in einem Fachbodenbereich untergebracht und werden getrennt

kommissioniert. In der Packerei erfolgt in getrennten Packbereichen (Kleinteile,

Großpackerei) die Verpackung der Artikel mit anschließender Bereitstellung in den

entsprechenden Packbahnen.

Da das Hochregallager auch als Reservelager für die Schnelldreher dient, wird die Ware

aus dem Wareneingang direkt in das Hochregallager geschickt.

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Wareneingang

Bahn

Waren-ausgang

Entmischen

Wareneingangs-kontrolle

QS

HRL

Rampendreher

ArtikelreinePaletten

FBL

Palettenkommissionslager

zur Kleinpackerei

zur GroßpackereiEG

RFZ

RFZ

RFZ

B/C - Kleinteile OG A - Kleinteile EG

Lager und Kommissionierung

Warenausgang

Packspuren

Rampendreher Ganzpalette

Großpackerei

vom Kom.-Tunnel

Kleinpackerei

vom Kom.-Tunnelund KLT-Lager

Packtische

Bild 2: Manuelle Kommissionierung Pick by Light

Manuelle Kommissionierung (Bild 4)

In dieser Variante wird auf den Einsatz automatischer Komponenten weitgehend

verzichtet. Unterschieden wird bei der Lagerung und Kommissionierung lediglich

zwischen Groß- und Kleinteilen. Die Großteile sind in zwei verschiedenen

Lagerbereichen untergebracht: In einem kompakten Durchlauflager für Super-A-Teile

(sehr schnell drehende Teile) und einem konventionellen Regallager für die restlichen

Großteile.

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An einem Übergabepunkt erfolgt die Zuordnung zur Klein- und Großpackerei und zur

anschließenden Bereitstellung auf den Packspuren. Im Wareneingang erfolgt die

Trennung der Artikel für ihren jeweiligen Lagerbereich.

Wareneingang

Waren-ausgang

EntmischenWareneingangs-kontrolle

QS

HRL

Rampendreher

OG

Slow

mov

erun

d R

eser

ve F

astm

over

Umlaufkommissionierplätze

zum Versand

zur Packerei

zur Packereizum Versand

RFZ

RFZ

RFZ

RFZ

Schnelldreher

Paletten

Kartons

Lager und Kommissionierung

Warenausgang

Packspuren

Packtische

Packerei

Großpackerei

Rampendreher Ganzpalette

Kleinpackerei

Bild 3: Manuelle Kommissionierung mit „Ware zum Mann“-Prinzip

4. Daten für die Simulation

Um die verschiedenen Konzepte miteinander vergleichen zu können, wurden

Simulationsmodelle aufgebaut. Für diese Modelle wurden insbesondere folgende Daten

benötigt:

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Wareneingang

Bahn

Waren-ausgang

Wareneingangs-kontrolle

QS

Rampendreher

Entmischen

FBL

Übergabe-punkt

HRL

Super-A Lager

Lager und Kommissionierung

WE

Großpackerei

Kleinpackerei

Zubehör auf 4

Ebenen

Paletten-lager

Übergabe-punkt

Super-ALager

HRL FBL

Durchlauflager

Warenausgang

PackspurenKleinpackerei

Großpackerei

Rampendreher Ganzpalette

Packtische

Bild 4: Manuelle Kommissionierung

- Systemlast

Auftragsdaten bestehend aus Pickpositionen

- Konfiguration des Systems

Layout der Planungsalternativen mit Kapazitäten und Artikelverteilung auf die

Lagerbereiche

- Organisationsstruktur

Werkerorganisation und Schichtmodelle sowie Tourentabelle

- Ablaufsteuerung

Durchlauf der Pickaufträge durch das System und Synchronisierung der

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Teilaufträge in der Konsolidierung bzw. auf den Packbahnen

- Technik

Technische Parameter wie Geschwindigkeiten, Kapazitäten und lokale

Steuerungen

Auf den folgenden Bildern sind einige der Daten dargestellt: y

0,00%

10,00%

20,00%

30,00%

40,00%

50,00%

60,00%

70,00%

80,00%

90,00%

100,00%

0 25.112 Artikel

Proz

ent

Kategorien:A: x ≥ 3,58 Zugriffe pro

Tag

B: 3,58 < x < 0,58 Zugriffe pro Tag

C: x ≤ 0,58 Zugriffe pro Tag

Bild 5: Zugriffshäufigkeiten auf die Artikel

6:00 Uhr 14:00 Uhr 22:00 Uhr10:00 Uhr 18:00 Uhr

Frühschicht

Schichtpause

Spätschicht

Schichtpause

Nachtschicht

Schichtpause

02:00 Uhr 06:00 Uhr

Bild 6: Schichtmodell

Route Deutschland Cut-Off: 19:00 Uhr

Route Frankreich Cut-Off: 17:00 Uhr

Route Spanien (Süd) Cut-Off: 14:00 Uhr

Route Niederlande (Benelux) Cut-Off: 19:00 Uhr

Route Italien Cut-Off: 15:00 Uhr

Route Österreich Cut-Off: 17:00 Uhr

Bild 7: Tourentabelle

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Über eine ABC-Analyse werden Zugriffshäufigkeiten auf einzelne Artikel ermittelt

(Bild 5). Die Aufteilung des Schichtmodells ist aus Bild 6 ersichtlich, die Tourentabelle

ist beispielhaft in Bild 7 dargestellt. In der Kommissionierstrategie wird der

Tourenfahrplan berücksichtigt. Die entferntesten Zielorte werden zunächst

kommissioniert, wobei gleichzeitig die Kommissionsaufträge tourenrein zugeordnet

werden. Damit ist sichergestellt, dass einzelne Touren verschoben werden können.

5. Simulationsergebnisse

Die Simulationsergebnisse liefern eine Fülle von Daten, die das dynamische Verhalten

des jeweiligen Distributionssystems beschreiben. Die Statistiken beziehen sich auf die

Durchlaufzeiten, stellen die Auslastung des Personals und der Regalbediengeräte dar.

Im folgenden wird nun das manuelle Kommissionierkonzept (Bild) mit Pick by Light

etwas detaillierter erläutert. Das Bild 8 stellt exemplarisch die Einlastung der

Kommissionieraufträge auf das Pick by Light-System an drei verschiedenen Tagen dar.

Es fällt auf, dass die Auslastung in den einzelnen Stunden sehr stark schwankt, obwohl

die einzelnen Tage sehr ähnlich verlaufen. In der ersten Stunde laufen praktisch nur

reine A-Artikel durch das System, die B- und C-Artikel werden im entsprechenden

Bereich noch kommissioniert. Über den Tag hinweg werden die A-Artikel dynamisch

bewegt, gegen Ende des Tages liegen relativ viele Aufträge mit B- und C-Artikeln vor.

Diese Schiefe in der Bevorzugung der A-Artikel wirkt sich auf die Dimensionierung der

Konsolidierungsfläche und die Durchlaufzeit der Lieferscheine aus (Bild 9). Die

Kommissionieraufträge sind bis zu 10 h im System, wobei die mittlere Durchlaufzeit

bei etwa 100 Minuten liegt. Die meisten Aufträge liegen bei einer Durchlaufzeit

zwischen 30 Minuten und 4 h. Aus der breiten Streuung der Durchlaufzeiten lässt sich

ableiten, dass im System verschiedene begrenzende Faktoren zusammenwirken müssen.

In Bild 10 ist exemplarisch die Werkerauslastung im Pick by Light-Bereich dargestellt.

Es fällt auf, dass regelmäßig die Auslastung in einzelnen Schichten einbricht, dass

andererseits aber auch eine relativ hohe Auslastung des eingesetzten Personals

gewährleistet werden kann.

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Total: 15.731 Trays

Rein: 10.315 Trays

Misch: 5.416 Trays

Rein: Lieferschein ohne ZB B/C-Artikel

Misch: Lieferscheine mit ZB B/C-Artikel

100

200

300

400

500

600

700

0502. Okt

0802. Okt

1102. Okt

1402. Okt

1702. Okt

2002. Okt

0603. Okt

0903. Okt

1203. Okt

1503. Okt

1803. Okt

0504. Okt

0804. Okt

1104. Okt

1404. Okt

1704. Okt

2004. Okt

Zeit

Tray

s/St

d

Bild 8: Einlastung der Kommissionieraufträge auf das Pick by Light-System

0%

1%

2%

3%

4%

5%

6%

7%

5 25 45 65 85 105

125

145

165

185

205

225

245

265

285

305

325

345

365

385

405

425

445

465

485

505

525

545

565

585

Durchlaufzeit in Minuten

Proz

entu

alev

erte

ilung

Durchschnittliche Durchlaufzeit: 103 Minuten

Bild 9: Zeitbedarf der Lieferscheine (Durchlaufzeit)

0%

20%

40%

60%

80%

100%

6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24

Zeit

Proz

entu

ale

Aus

alst

ung

PickByLightFrühschicht PickByLightSpätschicht

Werkereinsatz:

Frühschicht: 12 MA

Spätschicht: 12 MA

2. Okt 3. Okt 4. Okt

Bild 10: Werkerauslastung in der Pick by Light-Anlage

Die Belegung der Konsolidierungsfläche ist in Bild 11 für drei verschiedene Tage

dargestellt. Über den Tag hinweg baut sich ein Bestand an offenen Positionen auf. D. h,

im Warenausgangsbereich befinden sich bis zu knapp 350 offene Lieferscheine

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(Kunden), für die noch Positionen kommissioniert werden. Schön zu sehen ist auch,

dass alle drei Tage nahezu gleichzeitig beendet werden müssen. Damit kann gezeigt

werden, dass es keine wandernden Engpässe gibt und dass sich das Distributionssystem

sehr stabil verhält.

0

50

100

150

200

250

300

350

5:25

6:24

6:35

6:49

7:04

7:23

7:57

8:29

8:49

9:04

9:26

9:4110

:0010

:2910

:4711

:0211

:1811

:3911

:5712

:1612

:4112

:5613

:1013

:3113

:5614

:2114

:4214

:5815

:1715

:4016

:0616

:3016

:4917

:0317

:2217

:4718

:2519

:41

Zeit

Anz

ahl d

er L

iefe

rsch

eine

02.10.02 03.10.02 04.10.02

Bild 11: Belegung der Konsolidierung

6. Vergleichende Bewertungen

Das Design der verschiedenen Lösungsvarianten für die gestellte Distributionsaufgabe

enthält den Versuch, die verschiedenen Bereiche auszubalancieren und die

Automatisierung und organisatorischen Konzepte so auszurichten, dass die

Kommissionierer möglichst effizient eingesetzt werden können. Das bedeutet, dass die

Werker möglichst kontinuierlich gut ausgelastet werden bei gleichzeitig hoher

Pickleistung. D. h., es wird angestrebt, die Picker möglichst viel greifen zu lassen bei

kurzen Wegstrecken.

Zu den einzelnen Systemen ergeben sich folgende Anmerkungen:

Automatisches Distributionskonzept

Die Behälterförderanlage, die für die Gerätekommissionierung vorgesehen ist, schleust

jeweils einzelne Behälter in den zugeordneten Kommissioniergängen aus. Es zeigt sich,

dass dabei immer wieder einzelne Kommissioniergassen überlastet werden und andere

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in einzelnen Stunden relativ hohe Wartezeitanteile aufweisen. Auch durch verschiedene

Artikelverteilungen in den Gassen ist das Problem nicht besonders gut beherrschbar.

Durch die Über- und Unterlastungen kommt es im Konsolidierungsbereich zu einem

recht großen Pufferplatzbedarf, da viele Lieferscheinpositionen lange offen bleiben, bis

sie zur Packerei weitergeleitet werden können. Die Kommissionierung der Kleinteile im

Fachbodenbereich wird manuell durchgeführt. Durch die Entkopplung der Bereiche ist

eine Synchronisierung der Lieferscheine nur schwer möglich. Insgesamt wird der sehr

hohe Technikeinsatz nicht belohnt, da sich immer wieder Engpässe in der Fördertechnik

ergeben, die durch Zufälligkeiten in der Auftragsstruktur bedingt sind.

Manuelle Kommissionierung mit Pick by Light

Der Aufbau des Kommissioniersystems für Großteile bei einer Zerlegung der

Lagerfunktionen in einen Reserve- und einen Kommissionierlagerbereich führt zu

einem Konzept, in dem die Kommissionierer nur relativ kurze Wege zurücklegen

müssen. Ungünstig ist insbesondere das Zusammenspiel von Reserve- und

Nachschuborganisation. Bei konsequenter Umsetzung der Grundidee müsste ein leerer

Kommissionierplatz aus dem Nachschubbereich des Kommissionierlagers versorgt

werden, anschließend muss dann aus dem Reservelager eine Palette in den

Nachschubbereich gebracht werden. Die Automatisierung im Zubehörbereich durch

eine kleine Pick by Light-Anlage erweist sich als sehr leistungsfähig, da sie durch die

vorgelagerten B- und C-Artikelkommissionierung kompakt gehalten werden kann.

Andererseits wird durch die Zweistufigkeit im Zubehörbereich die Durchlaufzeit dieser

Artikel erhöht.

Manuelle Kommissionierung mit Ware zum Mann

Diese Gestaltungsvariante ist eine besonders konsequente Umsetzung der Idee, dass

schnelldrehende Ware (sowohl Geräte als auch Zubehör) manuell kommissioniert

werden soll, während B- und C-Artikel in einer Ware zum Mann-Kommissionierung

abgewickelt werden. Es zeigt sich jedoch, dass die Auslagerung der Paletten aus dem

Hochregallager insgesamt sehr träge erfolgt. Einerseits müssen die Paletten in einer

bestimmten Reihenfolge ausgelagert werden, andererseits kann es passieren, dass die

Kommissionierer ihre Tätigkeit in wenigen Sekunden durchführen (Kleinteile).

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Dadurch kann es zum Abriss der Versorgung aus dem Hochregallager kommen. Durch

die Bremse im Hochregallager kommt es zu einem sehr großen Pufferplatzbedarf im

Konsolidierungsbereich.

Manuelle Kommissionierung

Das manuelle Konzept besteht im wesentlichen aus drei unabhängig voneinander

operierenden Kommissionierbereichen: Dem Super A-Bereich, den A-, B- und C-

Kommissionierbereich und dem Fachbodenlager. Da viele Artikel im Großteilebereich

gelagert werden, müssen die Kommissionierer relativ lange Wege zurücklegen, um

Ware zu kommissionieren. Dies wird durch die besonders effiziente Gestaltung des

Super A-Bereichs nicht aufgewogen. Durch die Notwendigkeit, drei verschiedene

Lagerbereiche miteinander zu synchronisieren, entsteht ein großer Pufferplatzbedarf in

der Konsolidierung mit hohen mittleren Durchlaufzeiten.

Die verschiedenen Konzepte haben alle Vor- und Nachteile. Für die automatisierten

Lösungen spricht der niedrige Personalbedarf, für die manuellen Lösungen spricht die

Flexibilität bei großen Auftragsschwankungen. Kombinierte manuelle und automatische

Konzepte sind dabei im Vorteil, da sie die Investitionsausgaben klein halten bei

gleichzeitiger Flexibilität in der Personaldisposition. Durch die Verbindung von

sequentieller und paralleler Kommissionierung ergeben sich Vorteile, die sich auf die

Durchlaufzeiten und Konsolidierungspuffer auswirken.

7. Zusammenfassung

Die Gegenüberstellung der fünf verschiedenen Konzepte ergab große Überraschungen.

Es zeigt sich insbesondere, dass

- fast alle Konzepte die ausgeschriebenen Anforderungen zunächst nicht erfüllen

konnten

- Systemlösungen eingerichtet worden sind, die bei genauerer Betrachtung große

Planungslücken aufwiesen

- scheinbar gute Systemlösungsansätze technisch nicht umsetzbar waren

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- die Flexibilität bei der Disposition einen entscheidenden Einfluss auf den effi-

zienten Betrieb der Systeme hat

- zu viele verschiedene Lagersysteme nur sehr schlecht koordiniert werden kön-

nen

- sowohl automatisierte als auch manuelle Systemlösungen gravierende Nachteile

mit sich bringen

Die Simulationstechnik hat sich als äußerst hilfreiches Instrument erwiesen, da es bei

der Bewertung der Konzepte objektive Kriterien bereitgestellt hat, die nicht mal eben

wegdiskutiert werden können. Des weiteren hat sich gezeigt, dass alle Lieferanten

durch Hinweise auf Schwachstellen ihre Lösungsansätze teilweise erheblich verbessern

konnten.

Durch die Simulationsmodelle wurde sichergestellt, dass alle Lieferanten ein ver-

gleichbares Systemkonzept anboten – die erheblichen Preisdifferenzen konnten auf ihre

eigentlichen Ursachen zurückgeführt werden.

Aus planerischer Sicht ergeben sich eine Reihe von Hinweisen, wo die prinzipiellen

Stärken und Schwächen der Lager- und Kommissioniertechniken liegen, wenn sie im

Verbund mit weiteren Systemen betrieben werden müssen.